Literarisches Leben Im 20. Jahrhundert

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Literarisches Leben Im 20. Jahrhundert Literarisches Leben im 20. Jahrhundert Frank Schröder und Karin Wiest Das literarische Leben findet auf vielen nach dem Ersten Weltkrieg. München ³ Wirkungszeit bedeutender Schriftsteller in Berlin 1900-2000 Ebenen statt. Es wird von Schriftstel- verlor stark an Attraktivität, weil die li- Auswahl lern, ihren Verlegern und ihren Lesern beralen Wittelsbacher, die München Monika Maron bestimmt, findet durch Buchmessen, jahrzehntelang planmäßig zur Kunst- Katja Lange-Müller Botho Strauß Lesungen und Inszenierungen Verbrei- stadt ausgebaut hatten, nicht mehr an Sarah Kirsch tung und ist in literarischen Zirkeln und der Macht waren und sich bereits jenes Volker Braun Nicolas Born Vereinen verankert. Die Analyse bio- reaktionäre Klima ankündigte, das Peter-Paul Zahl Gerhard Rühm graphischer Stationen bedeutender München später zur „Hauptstadt der Peter Schneider H.C. Artmann Schriftsteller gibt einen Hinweis auf die (nationalsozialistischen) Bewegung“ Rudi Strahl Kristallisationspunkte des literarischen werden ließ. Zahlreiche Schriftsteller, Hans Joachim Schädlich Uwe Johnson Lebens einer Zeit ᕡ. Für die Karte ᕣ u.a. B. Brecht, H. Mann und L. Feucht- Irmtraud Morgner Christoph Hein wurden die Biographien von 250 Auto- wanger, verließen München in Rich- Fritz Rudolf Fries Günter B. Fuchs ren ausgewertet, die zu Lebzeiten oder tung Berlin, andere, jüngere wie C. Peter Hacks posthum in Autorenlexika genannt Zuckmayer, E. M. Remarque, H. Fallada Christa Wolf Günter Grass und/oder mit Literaturpreisen bedacht suchten ihr Glück gleich dort. Es war Wolf Biermann Heiner Müller wurden und somit als bedeutend angese- nicht nur die veränderte politische Si- Stefan Heym Rudolf Leonhard hen werden können. tuation in Deutschland, die Berlin be- Hermann Kant Franz Fühmann günstigte, sondern auch der stilistische Günter de Bruyn Die Literaturmetropolen der Wandel in der Literatur: Seit etwa 1910 Heinar Kipphardt Johannes Bobrowski Vorkriegszeit etablierte sich der Expressionismus als Willi Bredel Liselotte Welskopf-Henrich Vor dem Zweiten Weltkrieg waren Ber- dominante Ausdrucksform, und dieser Peter Weiss Günter Kunert lin, Wien und München die großen Me- Stil war geradezu untrennbar mit den Alfred Kantorowicz tropolen, in denen sich die Kulturszene wachsenden, industriell geprägten Mil- Stephan Hermlin Gottfried Benn des deutschsprachigen Raums konzen- lionenstädten Berlin, Wien oder Prag Erich Weinert Friedrich Wolf trierte. München ist um 1910 als Litera- verbunden, wie exemplarisch A. Döb- Jurek Becker Wolfgang Koeppen turstadt dem damals viermal größeren lins Meisterwerk „Berlin Alexander- Stefan Andres Berlin mindestens ebenbürtig gewesen. platz“ (1929) zeigt. Ernst Wiechert Joachim Ringelnatz Hier lebten u.a. die Gebrüder Mann, L. Mit der Machtergreifung der Natio- Hans Fallada Walter Hasenclever Feuchtwanger, F. Wedekind, J. Ringeln- nalsozialisten im Jahr 1933 brach das li- Bruno Apitz Günter Weisenborn atz und Paul Heyse, der 1910 als erster terarische Leben in Deutschland für an- Wolfdietrich Schnurre Deutscher den Literatur-Nobelpreis er- derthalb Jahrzehnte zusammen. Rund Walter Mehring Heinrich Mann hielt. Die Schriftstellergemeinde kon- 1500 Schriftsteller mussten emigrieren, Friedrich Georg Jünger Hermann Kesten zentrierte sich auf das so zum Mythos weil sie wegen ihrer marxistischen bzw. Erich Kästner Ricarda Huch werdende Schwabing und die benach- pazifistischen Weltanschauung oder we- Erich Arendt barte Maxvorstadt. Dort lagen auch die gen ihrer jüdischen Herkunft verfolgt Anna Seghers Erich Maria Remarque meisten Künstlerlokale wie der berühm- wurden. Nicht alle Dichter kehrten aus Peter Huchel Lion Feuchtwanger te „Simpl“. der Emigration zurück. Viele nahmen Franz Blei Walter Benjamin Berlins Aufstieg zur absolut dominie- die Staatsbürgerschaft der Exil-Länder Ernst Toller renden Literaturhauptstadt begann an und betraten nie wieder deutschen Ödön von Horvath Marieluise Fleißer Bertolt Brecht Martin Kessel Franz Kafka Ingeborg Drewitz Joseph Roth · Schriftsteller in Berlin 1999 Werner Bergengruen nach Stadtbezirken Egon Erwin Kisch Carl Zuckmayer Georg Kaiser Anzahl der Autoren Arnolt Bronnen 87 Theodor Däubler Max Hermann-Neiße Arnold Zweig 50 Franz Jung Franz Hessel Georg von der Vring Pankow Albert Ehrenstein Reinickendorf 0 Johannes R. Becher Hohen- Klabund Weißen- schönhausen 1mm ^= 5 Autoren see Leonhard Frank Kurt Tucholsky Autoren je 100000 Ew. Ina Seidel Wedding Ernst Barlach Prenzlauer _> 50 Tier- Berg Robert Walser garten 20 bis 50 Rudolf Alexander Schröder Mitte Friedrichs- Marzahn Hellersdorf Gottfried Benn Spandau Charlotten- 10 bis 20 burg hain Agnes Miegel Kreuz- 5 bis 10 Carl Einstein berg Lichtenberg < 5 Robert Musil Berlin bis 1945 Christian Morgenstern Westberlin Wilmersdorf Schöne- Oskar Loerke berg Stefan Zweig Ostberlin Carl Sternheim Berlin seit 1990 Georg Heym in Berlin gestorben Rainer Maria Rilke Zehlendorf Neukölln Treptow Else Lasker-Schüler Steglitz Alfred Kerr Tempel- Köpenick hof Alfred Döblin Johannes Schlaf Arno Holz 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 1933 1945 Jahr Autoren: F.Schröder, K.Wiest © Institut für Länderkunde, Leipzig 2001 © Institut für Länderkunde, Leipzig 2001 02 46 8 km 98 Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bildung und Kultur » Literarisches Leben im 20. Jahrhundert Literarische Husum Theodor Storm- Gesellschaften Gesellschaft e.V. Zeitraum der Gründung bis 1900 1901 - 1945 Lübeck 1946 - 1990 ab 1991 Neubrandenburg Hamburg Mitgliederzahl > 1000 El be 500 - 1000 Bremen < 500 Neuruppin Dargestellt ist der Theodor Fontane Sitz der Gesellschaft. Gesellschaft e.V. Oder Günter Grass während einer Lesung im Theater Chemnitz 2001 Stendal Berlin Rheine Europäische Märchengesellschaft e.V. Boden, andere wie K. Tucholsky, S. Braunschweig Hannover Zweig und W. Benjamin nahmen sich We s Wilhelm-Busch- e Magdeburg r Gesellschaft e.V. noch vor Kriegsende das Leben. Bielefeld Münster L a R u s Schriftsteller in der 2. Hälfte h i e tz in e S r a des 20. Jhs. a Gelsenkirchen le N eiß Nach dem Zweiten Weltkrieg ist eine Dortmund e Duisburg Halle/S. gewisse Dezentralisierung der Literatur- Essen Bochum Ratingen Leipzig szene festzustellen. Das geteilte Berlin Mönchen- Wuppertal Kassel gladbach Else Lasker- Weimar Elbe Brüder Grimm- Deutsche Shakespeare blieb zwar wichtig, erreichte aber nicht Düsseldorf Schüler- Gesellschaft e.V. Heinrich Heine- Gesellschaft e.V. Gesellschaft e.V. Dresden mehr seine Vorkriegsbedeutung, obwohl Gesellschaft e.V. Köln sich viele marxistische Autoren, z.B. B. Wer Weimar Chemnitz Fulda ra Bonn Marburg Goethe-Gesellschaft Brecht, A. Seghers und J. R. Becher, bei in Weimar e.V. ihrer Rückkehr aus dem Exil für den Deutschsprachige Schriftsteller Ostteil der Stadt entschieden ᕢ. West- der Vergangenheit und Gegenwart Berlin war wegen seiner Insellage Zahl bedeuten- Zahl der Schrift- el Frankfurt der Schriftsteller steller 1999* vergleichsweise unattraktiv geworden, Mos Freies Deutsches Hochstift/ Frankfurter Goethe-Museum 1910, 1930, 3500 dafür stiegen im Westen Deutschlands Wiesbaden 1960, 1980* Main 50 Köln und Frankfurt am Main zu einer Bayreuth 1910 Föhren Darmstadt gewissen Bedeutung auf, die sie vor dem Karl May- 40 Würzburg 1930 Kriege nie hatten. Zu den tradierten li- Gesellschaft e.V. 1000 30 terarischen Gesellschaften in einigen Erlangen 1960 500 Mannheim 20 wenigen Zentren gesellte sich eine gro- Nürnberg 1980 200 Pegnesischer ße Zahl in vielen kleineren Orten. Trotz Blumenorden e.V. 10 100 Karlsruhe 50 dieser Dezentralisierungstendenzen Literarische Gesellschaft e.V. (Scheffelbund) 0 9 blieb das literarische Leben in den alten Marbach 1 mm = 2 Schriftsteller 1 mm² = 5 Schriftsteller Deutsche Schiller- Ländern überproportional stark auf Süd- gesellschaft e.V. onau Schriftsteller 1999* deutschland konzentriert, während die Stuttgart D je 100000 Einwohner Aktivitäten in norddeutschen Groß- Tübingen >24_ städten und den Industriestädten des übriges Hölderlin- Deutschland Ruhrgebiets gering waren. Gesellschaft e.V. Augsburg 18 - 24 Inn Berlin erlebt seit der deutschen Ver- in 12 - 18 e München h einigung einen neuen Aufschwung als R 6-12 literarisches Zentrum. Dies spiegelt sich nicht nur in der wachsenden Zahl von 0- 6 deutschsprachigen (und fremdsprachi- Bodensee * in Deutschland Städte >_ 250000 Einwohner gen) Schriftstellern, die Berlin zum Autoren: F.Schröder K.Wiest Wohnort wählen, sondern auch darin, Atlasredaktion jährlich stattfindende Buchmesse dass die Stadt seit 1990 auffallend häu- fig Kulisse oder gar Gegenstand von Ro- Zürich übrige Schweiz übriges Wien Prag manen und Erzählungen ist. Porträtiert Österreich 05025 75 100 km werden dabei vielfach die ehemaligen © Institut für Länderkunde, Leipzig 2001 Maßstab 1: 3750000 Ostbezirke Mitte und Prenzlauer Berg, die den Lebensmittelpunkt vieler Schriftsteller bilden ᕢ. Auch die tradi- Vereine, Veranstaltungen und Instituti- landschaftlich reizvollen Gegenden un- man auch im Taunus im Umland Frank- tionellen Schriftstellerhochburgen im onen auf die großen Städte konzentrie- weit der großen Städte erreicht. Das furts sowie im Umland Berlins, wo sich ehemaligen West-Berlin wie Wilmers- ren, leben lediglich 40% der in Kürsch- eindrucksvollste Beispiel hierfür ist der seit der deutschen Vereinigung bevor- dorf mit seiner Künstlerkolonie haben ners Literaten-Kalender aufgeführten Starnberger See in Oberbayern, wo alle zugte Schriftsteller-Wohnsitze heraus- nach wie vor große Bedeutung. Schriftsteller Deutschlands – es sind Anrainer-Gemeinden überdurchschnitt- bilden, wie zum Beispiel Kleinmachnow knapp 5900 – im Jahre 1999 in Städten liche Dichtewerte erreichen und die im Südwesten der Stadt (Dichtewert Abseits der Zentren mit mehr als 250.000 Einwohnern ᕣ. Gemeinde Berg den Spitzenwert von 54) oder Schöneiche im Osten (90).ͷ Während sich die literaturgeschichtlich Die höchsten Dichtewerte (Schriftstel- 130 inne hat (deutscher Durchschnitt: bedeutenden Schriftsteller wie auch ler je 100.000 Einwohner) werden in 7). Ähnliche Konzentrationen findet 99 Literarisches Leben im 20. Jahrhundert.
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