VI. Die Europavorstellungen in Der Französischen Résistance VI.1. Die

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VI. Die Europavorstellungen in Der Französischen Résistance VI.1. Die VI. Die Europavorstellungen in der französischen Résistance VI.1. Die Europavorstellungen im französischen Exil VI.1.1. Charles de Gaulle Charles de Gaulles Vorstellungen von Europa und ganz allgemein von der Gesellschaft entsprangen - ähnlich wie beim Kreis um Carl Goerdeler - der Tradition der national orientierten Rechten, natürlich mit Frankreich, der „Grande Nation“ als geistigem Mittelpunkt. Die Kämpfer der France libre glaubten daran, dass ein starkes Frankreich für die Welt eine Notwendigkeit sei.1 Die geographische Lage, die kulturelle Leistung, das Genie seines Volkes bestimmten Frankreichs Schlüsselposition in der Welt, so die Auffassung von General de Larminat, einem Mitstreiter de Gaulles.2 Vergleichbare Ausführungen begegneten uns schon beim Goerdeler-Kreis und dessen Überzeugung, Deutschland fiele aufgrund seiner Lage und seiner Wirtschaftskraft die Führung Europas zu. De Gaulle sah sich in einer historischen Rolle als Repräsentant der „Grande Nation“.3 Seine absolute Betonung nationalstaatlicher Werte und Souveränitäten schloss von vornherein jegliche Abgabe von Kompetenzen an eine übergeordnete europäische Institution aus. Machtpolitik bestimmte, wie er glaubte, die europäische Ordnung, die als Ergebnis militärischer Stärke verstanden wurde. Seine Vorstellungen wurzelten tief in der rechten Gedankenwelt, dies galt auch für viele seiner ersten Anhänger. Allerdings muss auch festgestellt werden, dass die gesellschaftlichen und europapolitischen Vorstellungen des heterogenen Kreises um de Gaulle nicht von einer Doktrin bestimmt waren. „Ces hommes sont trop divers pour élaborer une doctrine. Ils s´en tiennent à des formules générales: l´Honneur, la Patrie, la Libération, l´Empire, le Devoir.“4 Viele seiner Anhänger waren Soldaten, die mit denselben Werten aufgewachsen waren wie ihr Chef. Sie hatten die III. Republik nie unterstützt und gaben ihr die Schuld an der 1 Vgl. Michel, Henri, Les courants de pensée de la Résistance, Paris 1962, S. 72. 2 Vgl. ebd. S. 72. 3 Vgl. Lipgens, Walter, Etappen der Außenpolitik de Gaulles 1944-1946, in: Viertelsjahrhefte für Zeitgeschichte 21(1973), S. 64. 4 Michel, Henri; Mirkine-Guetzévitch, Boris (Hrsg.), Les idées politiques et sociales de la Résistance. Documents clandestins - 1940-1944, Paris 1954, S. 18. 240 Niederlage. Erst spät im Frühjahr 1942 erwähnte de Gaulle nach einer Unterredung mit den Chefs der inneren Résistance, als er die zukünftige innere Ordnung Frankreichs ansprach, die drei für die französische Republik kennzeichnenden Begriffe „Liberté, Égalité et Fraternité“. Vorher hatten er und seine Umgebung, wenn es um die ideologische Orientierung des neuen Frankreich ging, ausschließlich von „Honneur et Patrie“ gesprochen. Ein weiterer Faktor, der die Entwicklung genauerer Europavorstellungen verhinderte, war das Kolonialreich, das konsequent verteidigt werden musste.5 Frankreich kam in den Vorstellungen de Gaulles eine zentrale weltpolitische Rolle zu, eine zentrale Rolle insbesondere auch in Europa, das noch immer - ebenso wie in Deutschland - als das Zentrum der Welt angesehen wurde. Deshalb musste seine Politik auch auf Abgrenzung gegenüber den Alliierten ausgerichtet sein, schon allein, um die französischen Kolonien gegen diese abzusichern. De Gaulle hielt nicht zuletzt den deutsch-französischen Gegensatz für nicht abwendbar und sozusagen „erblich“. Darum bestand für ihn die einzige Lösung der europäischen Frage darin, ein schwaches, zerstückeltes Deutschland und dazu ein starkes Frankreich mit vorgeschobener Ostgrenze zu bilden.6 Während auf deutscher Seite der Kreis um Goerdeler in der Revision des Versailler Vertrages und in einem starken Deutschland die Voraussetzung für ein ausgeglichenes Europa sah, liefen die Pläne de Gaulles eher auf eine Verschärfung der Versailler Vertragsbestimmungen hinaus, mit einem starken Frankreich als Gegengewicht zur aufkommenden Macht der Sowjetunion. Somit war sein erstes Ziel die Annexion des Rheinlandes durch Frankreich. Doch änderte er bald seine Meinung. Im Juni 1942 ließ er Ansätze zu einer neuen Konzeption erkennen: Die allgemeine Entwicklung schränke die Unabhängigkeit einer Nation immer mehr ein, deshalb sei eine unabhängige Sicherheits-, Wirtschafts- und Kommunikationspolitik kaum mehr denkbar.7 Solidarität und gegenseitige Hilfsbereitschaft sollten gefördert werden, um allen verbundenen Nationen Sicherheit, 5 In Kapitel IV.2.1. dargestellt. 6 Michel, Henri; Mirkine-Guetzévitch, Boris (Hrsg.), Les idées politiques et sociales de la Résistance, S. 66. De Gaulles Sichtweise des deutsch-französischen Gegensatzes änderte sich aber nach dem Krieg grundsätzlich. 7 Vgl. ebd. S. 113. 241 Entwicklungsfreiheit und Würde garantieren zu können.8 Im Zentrum eines „groupement occidental“ auf einer möglichst breiten gemeinsamen wirtschaftlichen Basis sah er freilich weiterhin Frankreich sein, angereichert um das Kolonialreich, mit den Achsen Ärmelkanal, Rhein und Mittelmeer. Weder Russland, Großbritannien und China, der asiatische Raum insgesamt oder Amerika fanden in seinen Zukunftsplänen Berücksichtigung.9 Im Juni 1944 schlug er vor, das Rheinland einer westlichen Gemeinschaft zu unterstellen, in der Frankreich selbstverständlich die Führung haben sollte.10 Die an das Rheinland angrenzenden Länder sollten sich in dieser Gemeinschaft zusammenschließen, ohne dass allerdings die Souveränität eines einzelnen Landes davon berührt werden durfte. Großbritannien stellte er frei, sofern es eine Kooperation wünschte, sich dieser Gemeinschaft anzuschließen. Der größte Teil der Produktion des Rhein- und Ruhrgebiets sollte Frankreich zukommen. Deutschland gegenüber blieb de Gaulle bei seinen bisherigen Vorstellungen. Endgültige und absichernde Grenze zu Deutschland sollte der Rhein sein.11 Es galt, Frankreich die verlorene Weltmachtstellung wiederzugeben und diese zu festigen. Im deutschen Widerstand lassen sich ähnliche Forderungen beim Kreis um Carl Goerdeler finden, insbesondere unter dem Eindruck von Hitlers außenpolitischen Erfolgen. Unterschiede zwischen französischen und deutschen Vorstellungen bestanden lediglich in der territorialen Ausrichtung Deutschlands nach Osten. Die Deutschen und auch der Kreis um Goerdeler hatten den Versailler Vertrag nie akzeptiert, während de Gaulle ihn als verbindlich ansah. Der Plan von der Zerstückelung Deutschlands entsprang vermutlich der historischen Erfahrung, dass Frankreich und seine 8 Vgl. Michel, Henri, Les courants de pensée de la Résistance, S. 114. 9 Ein weiteres Beispiel für diese Politik war der Artikel, der am 18. März 1944 in Défense de la France veröffentlicht wurde. Im „Exposé sur la politique du gouvernement français“ ging es um die Rolle Frankreichs in der Welt. Darin hieß es, Frankreich werde eine europäische Rolle zum Vorteil aller spielen. De Gaulle sprach von einem europäischen Gleichgewicht, das durch bestimmte Gruppierungen herrschen würde und den Bedingungen der Epoche entspricht, ohne die Souveränität der Staaten anzutasten. Er wollte Frankreich mit einer möglicht großen westlichen Gruppierung vereinigen, vor allem auf einer ökonomischen Basis. Er plante diese Gruppierung mit einer Verlängerung durch Afrika und mit engen Beziehungen zum Orient, vor allem mit den arabischen Staaten. Der Ärmelkanal, der Rhein und das Mittelmeer sollten deren Arterien sein. Er war der Meinung es könnte dann ein kapitales Zentrum in einer weltweiten Organisation der Produktionen, des Handels und der Sicherheit werden und fügte hinzu, daß Frankreich dazu bereit sei. Vgl. Le rôle de la France dans le monde, in: Exposé sur la politique du gouvernement français, Assemblée Consultative d'Alger 18 mars 1944, Editions de Défense de la France, AN, 72 AJ 2067 Papiers Philippe Viannay, publications: tracts, journeaux, etc... émanant de D.D.L.F. 1944-1946. 10 Vgl. Michel, Henri; Mirkine-Guetzévitch, Boris, Les idées politiques et sociales de la Résistance, S. 69. 11 Vgl. ebd. S. 80. 242 Vormachtstellung in Europa nie gefährdet worden war, solange Deutschland keine Einheit bildete.12 Die Alliierten formulierten auf der Konferenz von Teheran 1943 den Gedanken der Zerstückelung Deutschlands als Ziel ihrer Deutschlandpolitik. Ende 1944 verweigerte de Gaulle ein Bündnis mit Großbritannien, weil es seine Forderungen einer Annexion des Rheinlands ablehnte. Dagegen strebte er ein Bündnis mit der Sowjetunion an, die für ihn neben Frankreich die zweite große Kontinentalmacht neben Frankreich darstellte. Während der weiteren Kriegszeit blieb er bei seinen Forderungen eines international verwalteten Rheinlands, das von Deutschland abgekoppelt sein sollte, sowie einer Aufteilung Deutschlands in kleine, nur lose zusammenhängende Gebiete. Ebenso hielt er an der Vorstellung eines lockeren westlichen Zusammenschlusses fest, ohne Einschränkung nationaler Souveränität und ohne England. Am Ende einer Debatte in der Assemblée consultative provisoire in Algier erläuterte er seine Handlungsmaxime: „rendre à la France son rang de grande puissance, un même idéal, participer à l’établissement d’une coopération internationale, dans laquelle chaque peuple pourra trouver sa place dans la sécurité et la justice“.13 Im wesentlichen decken sich diese Vorstellungen mit denen des Goerdelerkreises - mit umgekehrten Vorzeichen. Goerdelers Deutschlandvisionen entfernten sich aber im Laufe der Zeit von einer Hegemonialstellung Deutschlands in Europa. Mehr und mehr kam er zu der Auffassung, dass alle Nationen eines europäischen Zusammenschlusses gleichberechtigt sein müssten. Er dachte auch bereits über zukünftige europäische Institutionen
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