VI. Gewerkschaften Und Politische Parteien

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VI. Gewerkschaften Und Politische Parteien 2 5. Buch der Roten Bücher der „Marxistischen Büchergemeinde“ Das rote Gewerk- schafts- buch Von August Enderle Heinrich Schreiner Jacob Walcher Eduard Weckerle Freie Verlagsgesellschaft m.b.H., Berlin O 27 Vorbemerkungen Mit dem vorliegenden Buch stellen sich die Autoren (A.Enderle, H.Schreiner, E.Weckerle und J.Walcher) die Aufgabe, die wichtigsten theoretischen und prakti- schen Fragen der Gewerkschaftsarbeit vom revolutionären Standpunkt aus zu be- trachten. Wir sind uns voll bewusst, dass im gegebenen Rahmen der „Roten Bücher“ unsere Aufgabe nur beschränkt erfüllt werden konnte. Manche Frage, die heute den Ge- werkschafter beschäftigt, konnte entweder gar nicht oder nur sehr knapp berührt werden. Trotzdem hoffen wir, dass das Buch zur Klärung strittiger Gewerkschaftsfra- gen beiträgt und sich als ein brauchbarer Wegweiser in praktisch-revolutionärer Ge- werkschaftsarbeit erweisen wird. Die Autoren Berlin, im Juni 1932 4 Inhalt I. Der Werdegang der Gewerkschaften a) Die Entwicklung zum Nurgewerkschaftertum b) Im Zeichen des Burgfriedens c) Wirtschaftsdemokratische Illusionen II. Von der Prosperität zur Krise a) Der Rausch der Rationalisierung b) Arbeitslosigkeit als Dauererscheinung c) Die Lawine des Lohnabbaues d) Der Sturm auf die Sozialversicherung III. Die Bedingungen des gewerkschaftlichen Kampfes a) Der Kreislauf im Kapitalismus b) Tarnows Zauberkräfte. c) Brot oder Profit? d) Akkumulation und Arbeitslohn e) Die Gewerkschaften am Scheideweg IV. Die Entwicklung der gewerkschaftlichen Organisationen a) Die Entwicklung der Kanipfformen. b) Die Entwicklung der Verwaltungsformen. (Das Unterstützungswesen) V. Die „Fehlentwicklung“ der gewerkschaftlichen Organisatio- nen. a) Die Apparatisierung. b) Die Automatisierung . c) Die Bürokratisierurtg . d) Zur Soziologie des Gewerkschaftsbeamten e) Der Weg zur Änderung VI. Gewerkschaften und politische Parteien Der Unterschied von Partei und Gewerkschaft. 5 Partei und Gewerkschaften. VII. Die internationale Gewerkschaftsbewegung Die Entstehung des IGB Der Internationalismus der Gewerkschaften der UdSSR (von 1917-1920) Die rote Gewerkschaftsinternationale Die Kampagne für die internationale Gewerkschaftseinheit . Wie kam der Umschwung? Das Anglo-russische Komitee VIII. Der Kampf um die Revolutionierung der Gewerkschaften Innere Auseinandersetzungen Die Opposition der Vorkriegszeit Willkürakte aus der Vorkriegszeit Die Opposition gegen die Kriegspolitik der Gewerkschaften . Spartakusbund und Gewerkschaften Wie eine Opposition nicht geleitet werden darf Der RGO-Kurs Die angeblich neue Lage Kurs auf Spaltung Der Hauptfehler der RGO Eine Kette von Mißerfolgen IX. Gewerkschaftliche Spezialfragen A. Tarifverträge Ihre Entstehung Die Einstellung der Reformisten zum gesetzlichen Tarifwesen Tarifverträge vom Standpunkt des Klassenkampfes Wann kann und soll ein Tarif abgeschlossen werden ? Reichs-, Bezirks- oder Ortstarife? Lang- oder kurzfristiger Tarif? „Tariftreue“ Für oder gegen tariflosen Zustand 6 B. Schlichtungswesen Der Sinn der staatlichen Schlichtung Die Zwangsschlichtung Unsere Stellung zur Verbindlichkeitserklärung Dürfen wir uns an Schlichtungsverhandlungen beteiligen? Das freiwillige Schlichtungswesen C. Streikstrategie und -taktik Die reformistische Stellung zum Streik Bedingungen und Erfolgsmöglichkeiten von Streiks Verbreiterung von Streiks Auch Teilstreiks sind notwendig Wie und wann kann ein Streik möglichst erfolgreich geführt werden? Die Frage der Streikleitung „Wilde“ Streiks Lehrlingsstreiks Unterstützung der Streikenden Haltung gegenüber den Unorganisierten beim Streik Vom nur-gewerkschaftlichen zum politischen Kampf Wie kommen wir zu politischen Kämpfen? D. Gewerkschaften und Arbeitslose E. Gewerkschaften und Betriebsrätebewegung F. Der Kampf um die proletarische Demokratie in den Gewerk- schaften Fremdwörterverzeichnis 7 Einleitung Angespannter als irgendwann sind in der Gegenwart die Blicke der Arbeiterschaft auf die Freie Gewerkschaftsbewegung gerichtet. Schon in ihrem ersten Anlauf hat die herrschende Weltkrise in eine Sozialreaktion von fast unvorstellbarem Ausmaß um- geschlagen. Eine Lohnabbauwelle löst die andere ab, die sozialen Einrichtungen werden jedes Schutzcharakters für die Arbeiterklasse entkleidet, und gleichzeitig wächst unaufhaltsam das Heer der aus Arbeit und Brot Verstoßenen. Was noch vor wenigen Jahren als das Morgenrot einer neuen Zeit erschien, die der Arbeiterklasse die Befreiung von einem jahrhundertelangen Fluch verhieß, hat jäh in das Gegenteil umgeschlagen. Nicht nur steht die herrschende Klasse im Begriff, der Arbeiterschaft alle zäh und mit großen Opfern erkämpften Erfolge und Sicherungen zu entwinden, sondern sie häuft auf sie ein allenfalls nur in der Frühzeit des Kapitalismus gekanntes Elend und macht sie erneut zu Parias der Gesellschaft. Tiefste Finsternis umgibt heute die Arbeiterschaft. Aber sie sieht bei allem, was sich entmutigend und lähmend auf sie legt, ein Hoffnungen ausstrahlendes Licht, und sie sieht dies namentlich in Deutschland, denn die stärkste Waffe, die die Arbeiterschaft zum Einsatz zu bringen vermag, steht noch unversehrt da: die in langen Jahren auf- gebauten wirtschaftlichen Klassenorganisationen, die Gewerkschaften. Auf diese konzentriert sich jetzt alles Hoffen, dessen das Proletariat noch fähig ist. Nun ist die Stunde da, wo die für sie aufgewendete mühevolle Arbeit ihren Lohn für die Arbeiterschaft abwerfen muss. Wenn je, dann muss sich jetzt erweisen, dass die Gewerkschaften für das Proletariat Schutz und Schirm sind. Doch diese Zuversicht ist nicht ganz ungeteilt. An der Arbeiterschaft nagt der Zweifel, ob die Gewerkschaften die ihnen heute gestellte Aufgabe begreifen und Behändig- keit genug besitzen, sich auf ihre Durchführung umzustellen. Ohne Zweifel: eine Fort- führung der bisher und namentlich seit der Begründung der deutschen Republik von ihnen angewandten Methoden würde von vornherein jede Aktion der Gewerkschaf- ten zur Erfolglosigkeit verurteilen. Erstes Erfordernis ist darum eine grundlegende Änderung des Kurses. Die Gewerkschaften müssen wieder zu Organisationen des Klassenkampfes werden. Denn dies ist die gegenwärtige Situation: der Kapitalismus hat den Scheitelpunkt seiner Entwicklung überschritten. Sein ehemals überladener Tisch ist weitgehend abgedeckt. Der Profitstrom fließt dünner und demgemäß wer- den auch die Rationen karger, die der Kapitalismus der Arbeiterklasse zugestehen kann. Erhöhte Ausbeutung der Arbeiterschaft soll wettmachen, was ihm die Schmäle- rung sein Raums, sein eigenes Wachstum genommen hat. Nichts irriger, als etwa in der gegenwärtigen Krise nur eine Episode, in der materiel- len und politischen Zurückwerfung der Arbeiterklasse nur eine Vergänglichkeit erbli- cken zu wollen. Die kalten Schatten, die heute über die Arbeiterschaft ausgebreitet sind, werden von ihr nimmermehr weichen, wenn diese nicht selber zu Taten über- geht. In seinem Niedergang hat der Kapitalismus für die Volksmassen kein anderes Los als das ihres physischen und psychischen Verfalls, und wer darum diesen ab- wehren will, muss zum Schlage gegen den Kapitalismus selbst ausholen, für den gibt es kein Paktieren, kein Koalieren und kein Tolerieren, sondern nur kompromisslosen Klassenkampf. Dem Abstieg des Kapitalismus und Aufstieg des Proletariats, ja auch nur dessen wirtschaftliche Behauptung auf der gegenwärtige! Grundlage scheiden als friedliches Nebeneinander aus. Zwischen den Interessen beider Klassen gibt es weniger als je ein Vertragen. Damit stehen auch die Gewerkschaften vor einer vollkommen und grundlegend ge- wandelten Lage. Sie, denen die Aufgabe gestellt ist, die unmittelbaren Tagesinteres- sen der arbeitenden Bevölkerung wahrzunehmen, müssen sich in Erfüllung der von 8 ihnen übernommenen Verantwortung gegen den Fortbestand der herrschenden Wirtschaftsordnung wenden und ihre Kraft einsetzen, um das Tor zu einer neuen Ordnung aufzustoßen. Gegenwart und Zukunft sind keine zeitlich auseinanderlie- genden Phasen mehr, sondern verschmelzen sich, weil schon die Sicherung der Ge- genwart die Verwirklichung der Zukunft bedingt. Mit andern Worten: der Guerillakrieg der Gewerkschaften muss bewusst und planmäßig ausgeweitet werden zu der ent- scheidenden Großaktion, der tägliche Kleinkampf um Lohn und Arbeitszeit zu einem groß angelegten politischen Kampf um die Macht und damit zu einer Auseinander- setzung zwischen Kapitalismus und Sozialismus. So offenkundig ist der Zwang zu einer solchen Entscheidung, dass auch die gegen- wärtige Gewerkschaftsführung sich ihm nicht mehr zu entziehen vermag. In einer im Februar 1932 abgehaltenen Bundesausschuss-Sitzung des ADGB hat dessen Vor- sitzender, Theodor Leipart, offen eingestanden, „dass die Lösung der Schwierigkei- ten nicht auf der Ebene des Kapitalismus erfolgen könne und dass man demgemäß Lösungen im Sinne des Sozialismus suchen müsse“. Aber kann die Arbeiterklasse das Vertrauen hegen, dass die Gewerkschaften in ihrer gegenwärtigen Verfassung in der Lage sein werden, solche Lösungen zu finden und - das entscheidende - zu er- kämpfen? Haben nicht dieselben Gewerkschaftsführer, die jetzt im Sozialismus die einzige Rettung erblicken, noch vor gar nicht langer Zeit der Arbeiterschaft entzückt und berauscht die sozialen Wunder beschrieben, die angeblich am Baume des Kapi- talismus in den Vereinigten Staaten gereift sind? Hatten sie nicht hartnäckig und lei- denschaftlich das Gesetz bestritten, das Reichtum und Armut im Kapitalismus unlös- lich miteinander verbindet? Sahen sie nicht jahrelang die Lösung in einem System, wie Ford es als neues Evangelium
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