WIR Ausgabe 22-2014
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Älteren in den Gewerkschaften in Bremen und Bremerhaven Nr. 22 - 2014 Vor 100 Jahren... Geographie Der Hulsberg ruft... ist Schicksal... Seite 6 Seite 13 Seite 21 Wir 22 - 2014 | 1 Liebe Leserin, lieber Leser, Editorial In diesem Sommer 2014 jährt sich der Beginn des 1. Weltkrieges zum 100. Mal, der des 2. Weltkriegs zum 75. Mal. In der WIR geht es nicht nur um Gedenken, sondern durch die weltpolitische Zuspitzung stattfindende und drohende Kriege täglich Thema in den Medien sind. An deutsche Beteiligung an Auslandseinsätzen, die seit über 20 Jahren Schritt für Schritt eingeführt wurden, hat sich die Bevölkerung schon fast gewöhnt. Aber obwohl in den Medien meistens von Hilfe, Unterstützung oder Ausbildung statt von Kriegsbeteiligung gesprochen wird, ist von Begeisterung in der Bevölkerung wenig zu spüren. Erst recht nicht bei der Generation, die noch den 2. Weltkrieg und seine Folgen erlebt hat. Zuletzt verschärfen sich Feindbild-Propaganda und Einstimmungsversuche auf Kriegseinsätze durch PolitikerInnen und den Bundespräsidenten. Wachsamkeit tut Not, damit die Bevölkerung nicht wieder aufgrund von Lügen und Propaganda in einen Krieg hineingezogen werden, den sie nicht will. Kriege sind eine Hauptursache für Armut. Sie bringen auch im 21. Jahrhundert Traumatisierung, Armut und Flüchtlingselend über die Menschen. Außerdem gibt es Ausblicke auf Themen, die uns in den nächsten Monaten beschäftigen werden. Eines davon ist das geplante „Freihandels“-Abkommen zwischen den USA und der EU, TTIP. Viel Spaß beim Lesen. Wir freuen uns wie immer über Eure Anregungen, Artikel und Briefe. In eigener Sache Alle Ausgaben unserer Zeitung „Wir“ sind im Internet als PDF-Dateien einsehbar: www.aulbremen.de/seniorenzeitung-wir Inhalt Und plötzlich ist Krieg ... ........................................................................................................ 3 Was wissen wir denn über .................................................................................................... 5 „Die schlechte Zeit“...? ........................................................................................................... 5 Vor 100 Jahren, Hamburg am Beginn des 1. Weltkrieges .................................................. 6 Erfrischung für die Frontkämpfer ... Kriegswirklichkeit ... das Ende ................................. 8 1914: Wer war schuld – ist das nach 100 Jahren noch wichtig? ......................................... 9 Keine Kriegsbegeisterung ................................................................................................... 12 Geographie ist Schicksal oder alles wird von Menschen-Hand gemacht ..................... 13 An 1914 und 1939 zu erinnern heißt auch die Frage zu stellen, warum der Erste- oder der Zweite Weltkrieg, „Weltkrieg“ heißen .................................. 15 Paul Frölich und die ............................................................................................................. 17 „Freiheit der Andersdenkenden“ ........................................................................................ 17 Auf dem Zahnfleisch von Italien nach Kroatien und zurück ........................................... 20 Der Hulsberg ruft... .............................................................................................................. 21 Leserbriefe ............................................................................................................................ 22 TTIP-Resolution .................................................................................................................... 24 2 | Wir 22 - 2014 Und plötzlich ist Krieg ... Am 28. Juli 1914 erklärt Österreich- nach dem Zusammenbruch der UdSSR ins Ungarn Serbien den Krieg. Vier Tage spä- Wanken. Wir haben in Europa eine bei- ter folgt Deutschland: Der deutsche Kaiser spiellose Epoche ohne – wenn man vom erklärt erst Russland, zwei Tage darauf Balkankonflikt absieht - kriegerische Aus- Frankreich den Krieg. Es folgen weitere einandersetzungen. Ein Krieg in Europa Staaten. 1918 endet der Krieg. Er fordert ist nicht vorstellbar. über 17 Millionen Tote und eine weit hö- here Zahl von Verletzten – Soldaten wie Oder? Zivilisten. Spätestens mit der Krise in und um die „Jeder Schuss ein Russ’ ...“ Ukraine wandelt sich das Bild. In Politik und Medien und in Folge davon in der öf- Über die Gründe der Entstehung und fentlichen Diskussion entwickelt sich ein die Frage, welche Nation die „Haupt- an den Kalten Krieg erinnerndes Schwarz- schuld“ trägt, streiten sich noch heute die Weiß-Denken. Im Ukrainekonflikt wird Historiker. Unabhängig davon ist es heute die eine Seite – die pro-westliche - als die schwer nachzuvollziehen, warum – nach- Gute definiert während alle anderen folg- dem Kaiser Wilhelm zwo am 4. August lich die Bösen sind. Unter diesen nimmt 1914 in seiner Rede vor dem Reichstag vor allem der Russische Präsident Putin schwadronierte, er „... kenne keine Par- eine hervorragende Rolle ein. teien mehr, ... nur doch Deutsche“ – auch die Sozialdemokratische Fraktion fast ge- Ist der Konflikt – ohne hier näher da- schlossen Beifall klatschte und den Kriegs- rauf einzugehen - schon brandgefährlich, krediten zustimmte. Warum gab es keine macht ihn die folgende Entwicklung noch größeren Proteste, warum riefen die Ge- gefährlicher: werkschaften nicht zum Generalstreik auf, warum wurden kritische Stimmen als „va- Unser Bundespräsident Gauck for- terlandslose Gesellen“ beschimpft, warum dert auf der 50. „Münchner Sicherheits- bestiegen viele junge deutsche Soldaten konferenz“ (ein halboffizielles Forum mit Begeisterung die Züge an die Front? für Rüstungslobbyisten, Politiker und Journalisten) im Januar dieses Jahres ein Es gab politisch rückständige Verhält- nisse im Deutschen Reich, in dem Adel und Bürgertum über ein ungleiches Wahl- system deutlich mehr Einfluss hatten, Frauen hatten kein Wahlrecht. Dazu wur- de im Reich eine deutsch-nationale Stim- mung gefördert, die das Land von Feinden eingekreist sah, mit Russland und Frank- reich an erster Stelle. In Politik und Alltag hatte das Militär einen weitreichenden Einfluss1, der im Zuge einer massiven Auf- rüstung zu einer Selbstüberschätzung der eigenen Kräfte und zu einer regelrechten Kriegspropaganda führte. Die Folgen wa- ren entsetzlich. Die Bundesrepublik heute ist mit dem Deutschen Reich und den damaligen Ver- hältnissen nicht zu vergleichen. 70 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs gibt es in Deutschland eine stabile Demokra- tie, man versöhnte sich mit dem Erzfeind Frankreich, das Feindbild Russland geriet Wir 22 - 2014 | 3 Umdenken in der der ZEIT-Journalist Jochen Bittner, der deutschen Außen- nach Gaucks Münchner Rede sehr positiv politik: In seiner in der ZEIT berichtete ... Grundsatzrede setzt er sich dafür Kurz: Ein Journalist, dessen Aufgabe ein, dass Deutsch- nach dem Grundgesetz die Kontrolle der land eine „stärkere Politik ist, liefert ihr die Reden und be- deutsche Verant- klatscht diese anschließend selber in der wortung“ in der Öffentlichkeit. Welt übernehmen müsse, auch durch Und: Herr Bittner ist kein Einzeltäter. ein „stärkeres mi- Wie die ZDF-Satiresendung „Die Anstalt“2 litärisches Engage- öffentlich machte, sitzen diverse führende ment“. Begleitet und deutsche Journalisten als Beiräte, Berater unterstützt wird oder Vorstandsmitglieder in US- und NA- er von den Regie- TO-nahen Organisationen3. rungsmitgliedern Steinmeier (Bun- Erklären sich so viele der einseitigen desaußenminister, Berichte und Darstellungen unserer Medi- SPD) und von der en im Ukrainekonflikt? Leyen (Bundesverteidigungsministerin, CDU). Keineswegs überraschend ist, dass Die Ukraine ist heute ein Pulverfass. diese neue Ausrichtung der Außenpolitik Der Konflikt erreicht fast jeden Tag eine mit den Diskussionen und Plänen um eine weitere kleine Stufe der Eskalation. Die neue Rolle der NATO korrespondiert, die Überlegungen von NATO und USA, in seit dem Zusammenbruch des Sozialis- Osteuropa Truppen zu stationieren, macht tischen Lagers auf Feindsuche ist. die Situation noch gefährlicher. Die poli- tische Führung unseres Landes arbeitet an Hinter Gaucks Rede steckt nun inte- einem Kurswechsel für eine stärkere mi- ressanterweise ein Strategiepapier, das von litärische Ausrichtung. Und unkritische der NATO-nahen Denkfabrik „The Ger- Medien desinformieren und bereiten den man Marshall Fund of the United States“ Boden für diese neue Politik. unter dem Titel „Neue Macht – neue Ver- antwortung“ im Vorjahr erarbeitet wurde. Wir müssen achtsam sein und uns ein- Und ein Mitarbeiter an diesem Papier war mischen. 1 Näheres bei Fritz Fischer „Griff nach der Weltmacht“, Düsseldorf 2009 2 Nett zu lesen: Heinrich Mann, „Der Untertan“, Frankfurt 2008 3 Nett anzusehen: ZDF „Die Anstalt“, Sendung vom 29.04.14, ab Minute 38:00, siehe http://www. youtube.com/watch?v=vPRvoDrQZC0 Die dort gemachten Aussagen beziehen sich auf Uwe Küger, „Meinungsmacht – Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten“, Köln 2013 4 Beispiele führender Journalisten in ausgewählten Beispiele NATO-naher Denkfabriken („Think- tanks“), die Personen sind jeweils Mitglieder in mehreren Organisationen Verbindungen führender deutscher Journalisten (links) zu NATO-nahen Denkfabriken (rechts) American Council on Germany American Institute for Contemporary German Studies Jochen Bittner ZEIT Atlantik Brücke Kai Diekmann, Chefredakteur BILD Atlantische Initiative K.-D. Frankenberger, verantw. Außenpolitik FAZ Bundesakademie für Sicherheitspolitik Josef Joffe, Mitherausgeber ZEIT Deutsche Atlantische Gesellschaft