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Ostschweiz Dienstag, 25. Februar 2020

Im Dazwischenland Der Wahlkreis hat Mühe mit seiner Identität. Ob nach St.Gallen, Zürich oder Winterthur: Jeder will irgendwo hin.

Katharina Brenner stimmt am weitesten rechts, die Stadt Wil moderater, sie schert Eine junge Frau hievt gemein- aber nicht wie St.Gallen nach sam mit einer Mutter einen Kin- links aus. derwagen in den Zug. Eine Se- «Die Wiler sind politisch in- niorengruppe und ein Mann mit teressiert und politisch erfolg- Rucksack steigen ein. Dann reich», sagt Ruedi Schär. Er fährt der Zug mit Ziel St.Gallen arbeitet im Infocenter der Stadt ab. Es ist ruhig über Mittag am Wil mitten im Städtli. Er kennt Bahnhof Wil. Die Pendler sind Wil wie seine Westentasche, längst in ihren Büros verschwun- Ende Monat geht er mit 68 Jah- den. Doch in wenigen Stunden ren in Pension. Es dauert nicht werden sie zurückkehren. Aus lange, da fällt der Name Karin St.Gallen, aus Zürich, aus Frau- Keller-Sutter. Der Stolz auf ihre enfeld und Winterthur. Fragt Bundesrätin ist den Wilern an- zumerken. Mit Barbara Gysi und Wahlen Lukas Reimann stellt Wil zwei 8. März Nationalräte, Stadtpräsidentin Kantonsrat Susanne Hartmann kandidiert für die St.Galler Regierung. Re- man Wiler, Oberuzwiler oder gierungsrat Marc Mächler lebt in Flawiler, was sie an ihren Ge- Zuzwil, Stefan Kölliker in meinden und ihrem Wahlkreis Bronschhofen. Das Stadtparla- schätzen, fällt immer wieder ment fördere eine politische dieser eine Satz: «Man ist Kultur, sagt Schär. Die vielen schnell überall.» Äbte, Äbtissinnen und Bischöfe, Wenn sich nicht gerade Hun- die Wil hervorgebracht habe, derte Bühler-Mitarbeiter gleich- zeigten eine Freude an Füh- zeitig auf den Heimweg machen rungsverantwortung. oder der Zug wegen Verspätung ohne Halt von Winterthur nach Ein Kompromiss beim St.Gallen fährt, stimmt das Wohnort auch. Und nicht nur Arbeitsplät- Über Mittag ist es ruhig am Bahnhof Wil. Doch in wenigen Stunden kehren die Pendler zurück. Bild: Nik Roth (Wil, 24. Februar 2020) Sowohl in der Stadt Wil als auch ze sind gut zu erreichen, son- in den kleineren Gemeinden des dern mit Bodensee und Toggen- Wahlkreises spielen Vereine burg auch beliebte Ausflugszie- Loepfe lebt mit seiner Familie in Kantonsgrenzen unbedeutend len entstehen, doch noch fehlen Aussagen wie diese: «Wir nach wie vor eine grosse Rolle, le. Die Fürstenlandlinie ist die Wil und das gern, wie er sagt. oder zumindest zweitrangig. die grossen Unternehmen. fühlen uns nicht wirklich zu Wil traditionsreiche Familien, Bei- am stärksten frequentierte im «Wil hat eine kleinstädtische Vereine und Organisationen wie Die Stadt Wil würde gerne zugehörig, aber wir sind froh, in zer und Gewerbler halten das Kanton, im Jahr 2018 waren zwi- Seele. Hier treffen sich die Leu- Thurkultur, Regio Wil oder das eine Zentrumsfunktion einneh- diesem Wahlkreis zu sein. In Städtli- und Dorfleben hoch. schen Flawil und Gossau täglich te noch, in der Altstadt, auf dem Wirtschaftsportal Ost leben es men. Im eigenen Wahlkreis ist St.Gallen würden wir unterge- Doch für viele ist das Dazwi- über 25000 Personen unter- Wochenmarkt, in Kulturlokalen vor. Beim 150-Millionen-Fran- das jedoch schwierig. Für De- hen.» Politisch stehen sich die schenland Fürstenland heute wegs. Die Landschaft bildet die wie unserem. Man hat Bräuche, ken-Projekt Wil West hingegen gersheimer und Flawiler ist Wil Gemeinden nahe. Stärkste Par- vor allem Wohnort. Das Ergeb- ideale Kulisse für die Pendler- die man pflegt.» Daran müsse harzt es. 2000 Arbeitsplätze sol- weit weg. Trotzdem hört man in tei ist die SVP. Oberbüren nis eines Kompromisses, weil sie ströme: Hier und da erhebt sich Wil unbedingt festhalten. in Zürich arbeitet und er in bescheiden ein Hügel, sonst «Sonst wird Wil zur Pendler- St.Gallen und Wil in der Mitte weiter Blick, tiefer Himmel. Und stadt.» Der Weg, um das zu ver- liegt. Die Identifikation mit dem Strassen, die jeweils mitten hindern: Die Kernstadt und ihre Der Wahlkreis Wil in Zahlen So tickt unser Kanton Wohnort aber fehlt. Gleichzeitig durchs Dorfzentrum führen. zentralen Angebote stärken, ist bietet die Region Arbeitsplätze Loepfe überzeugt. Gemeinden , Flawil, , Niederbüren, Am 8. März wählt der Kanton und hat Zupendler: Bühler ist Der Hinterthurgau zählt Macht das etwas mit den , Oberbüren, , , Wil, Zuzwil St.Gallen Regierung und Parla- mit Abstand der grösste, aber zur Region Menschen, dieses Dazwischen? ment. Er ist in acht Wahlkreise auch Benninger, Stihl und Ma- «Das Dazwischensein gehört Loepfe überlegt. «Ich denke, es Sitze im Kantonsrat 18 aufgeteilt, denen der Bevölke- estrani sind grosse Arbeitgeber. zur DNA. Es ist Teil der Identi- weitet den Horizont, fordert Stärkste Partei SVP (2016: 6 Sitze) rungszahl entsprechend unter- Die Gemeinden stehen vor tät in der Region», sagt Matthi- aber auch heraus, sich nicht nur Ständige Wohnbevölkerung 75594 schiedlich viele Sitze im Kan- der Herausforderung, das Dorf- as Loepfe. Der 37-Jährige ist Prä- über die Nähe zum anderen zu Ausländeranteil 23,2% tonsrat zustehen. Vor der Wahl leben aufrecht zu erhalten. Fa- sident des Gare de Lion, einem definieren.» Wie sehr sich die Bevölkerungsdichte 520,7 Einwohner/km2 stellt unsere Zeitung die acht milien sind dafür ein Gewinn. Kulturlokal in der alten Remise Region St.Gallen sowie Zürich Höchster Punkt 1060,7 m. ü. M. (Obergampen, Degersheim) Wahlkreise in einer Serie vor. Seien es Neuzuzüger in den Ein- in Wil, das Konzerte, Partys, nahe fühlt, zeigte jüngst die Tiefster Punkt470,4 m. ü. M. (Letten an der , Niederhelfenschwil) Was bewegt das Sarganserland? familienhausquartieren oder Festivals, Theater und Klein- Unterzeichnung der Charta Me- Durchschnittsalter 41,3 Jahre Was macht das Uzwiler, Oberuzwiler und Jon- kunst bietet. Die Gäste kommen tropolitanraum Bodensee. Die Beschäftigung 30983 Vollzeitäquivalente aus? Wohin mit der Region Ror- schwiler, die nach Ausbildung, je nach Anlass aus der weiteren Agglomeration Wil macht mit, Steuerkraft 2174 Franken/Einwohner schach? Unsere Redaktion be- Studium oder ersten Berufsjah- Ostschweiz, in jedem Fall aber ist aber zugleich Teil des Metro- leuchtet die politischen Regio- ren zurückkehren, um in der aus der Region, zu der Wiler politanraums Zürich. Im Alltag, Quelle: Kanton St. Gallen nen des Ringkantons. (kbr) Nähe der Grosseltern zu sein. auch den Hinterthurgau zählen. für Kultur und Wirtschaft sind Und weil man schnell überall ist.

Kanton plant Deponien Der Kampf um die Spitäler spitzt sich zu Diese Woche präsentiert die St.Galler Regierung die Botschaft ans Parlament. Hitzig ist die Debatte bereits heute. Aushub Im Kanton St.Gallen fehlt es an Deponien für Aushub und Inertstoffe wie Steine, Be- Noch zweimal schlafen – und da- ihrem Plan, fünf Regionalspitä- Flut neuer Vorstösse riss nicht Spital gilt als gesetzt. So etwa heftig. Und auch innerhalb der ton, Mauerabbruch und Stras- nach dürfte es weiter gehen wie ler im Kanton zu schliessen, ab. Die Regierung verwies wie- das Spital Linth. Da versicherte Spitalregion Toggenburg-Fürs- senaufbruch. Die Regierung will bisher. Ablehnung, Zustim- wird sie nicht abrücken. Das derholt auf den Vernehmlas- die Regierung unverzüglich, es tenland. So hat Kantonsrat Ivan sechs neue Standorte in den mung, Enttäuschung, Verärge- wissen, respektive befürchten sungsprozess und hielt sich zu- gebe «keinerlei Absichten», Louis (SVP, Neu St.Johann) an- Richtplan aufnehmen. Zudem rung, Alternativen und neue auch die betroffenen Regionen rück – mit einer Ausnahme: Sie Leistungen ans Kantonsspital zu fang Jahr den Aufruf «Spital sollen drei Steinbrüche wieder Vorstösse. Am Donnerstag ist und Standortgemeinden. Sie ha- fordert dieser Tage den Spital- verlagern. Thomas Warzinek Wattwil erhalten, Spital Wil in Betrieb genommen oder er- definitiv klar, wie sich die Regie- ben sich in den vergangenen verwaltungsrat auf, «ab sofort (CVP, Mels) muss sich dagegen schliessen» lanciert. 500 Per- weitert werden. Der Richtplan- rung die künftige St.Galler Spi- Wochen und Monaten hartnä- und bis zu den Sommerferien mit seiner Frage, ob nun der son stehen inzwischen hinter entwurf mit den Anpassungen tallandschaft vorstellt. Dann ckig und lautstark für ihr Spital keine weiteren präjudizierenden «Todesstoss» für das Spital dem Anliegen. Er werde die Spi- geht bis Ende April in die Ver- stellt sie die Botschaft ans Kan- eingesetzt. Entscheide zu fällen». Ausgelöst Walenstadt erfolge, noch gedul- talstrategie «zurück an den Ab- nehmlassung, wie die St.Galler tonsparlament vor. Über hun- Die Aufregung und Unruhe, hat das Schreiben ein dringli- den. Ebenso Mathias Müller sender schicken», sagt Louis. Staatskanzlei gestern mitteilte. dert Vernehmlassungsantwor- welche die Regierung mit der cher Vorstoss von SP und SVP. (CVP, Lichtensteig), der erfah- Eine Reduktion der Spitalstand- Der Entwurf liegt in allen Ge- ten hat sie in den vergangenen Ankündigung ihrer Pläne im ren will, welche Auswirkungen orte sei zwar unumgänglich, meinden öffentlich auf. Von den Wochen ausgewertet. Anpas- Herbst ausgelöst hatte, prägen «Spitalstrategie zurück die Schliessung des Spitals Wil doch die Regierung soll eine neuen Standorten wären zwei in sungen dürfte sie bei den ge- seither den Parlamentsbetrieb. an den Absender schicken» auf die Gesamtstrategie hätte. neue Strategie ausarbeiten – mit Mörschwil sowie je ein Standort planten und vielerorts kritisier- Es vergeht keine Session ohne Konkrete Fragen zu einzelnen In den beiden Regionen, Sar- Wattwil und ohne Wil. in Amden, Gossau, Waldkirch ten Gesundheits- und Notfall- Spitaldebatte. So geschah es Standorten blieben bislang un- ganserland und Toggenburg, und Wartau. (sda) zentren vornehmen. Doch von auch vergangene Woche. Die beantwortet. Es sei denn, das tobt der Spitalkampf besonders Regula Weik