Schreckliche Hoffnung Der Berliner CDU Missrät Alles, Zuletzt Der Volksentscheid Um Religionsunterricht an Den Schulen

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Schreckliche Hoffnung Der Berliner CDU Missrät Alles, Zuletzt Der Volksentscheid Um Religionsunterricht an Den Schulen Deutschland PARTEIEN Schreckliche Hoffnung Der Berliner CDU missrät alles, zuletzt der Volksentscheid um Religionsunterricht an den Schulen. Die Partei hat die Bindung an die Stadt verloren und zerfleischt einen Spitzenpolitiker nach dem anderen. Von Wiebke Hollersen und Dirk Kurbjuweit von dem es heißt, er singe in seiner Freizeit Schlager. Politisch gilt er als konservativ, als ein Mann, der für Recht und Ordnung steht. Besonders bekannt ist er in der Stadt bisher nicht. Aber er ist beliebt in seiner Partei, in der tief zerstrittenen Berliner CDU hört man kein schlechtes Wort über ihn, nur immerzu, wie authentisch Henkel sei, wie nett, wie ehrlich. Beim Parteitag Ende März haben ihn die Delegierten mit 90,6 Prozent gewählt und lange beklatscht. Vor- her hatte Henkel viel vom Aufbruch, der nun zu bewältigen sei, geredet. Danach stand er auf der Bühne im Ho- tel Estrel in Berlin-Neukölln, wedelte mit einem großen Blumenstrauß in CDU- Orange und sagte: „Es gibt auch Momen- te in der Politik, die einem einen positiven Schauer über den Rücken laufen lassen.“ Es sah nach einem Anfang aus. Es war ein Tag der Hoffnung, für die Partei, für ihre Kampagnen. Der Volksentscheid zum Thema Pro Reli war eine davon. Religion sollte Pflichtfach werden an den Berliner Schulen, als Alternative zum Ethikunter- richt, den die rot-rote Koalition eingeführt hatte. Die CDU-Führung hatte sich Pro Reli zwar nicht ausgedacht, sondern ein Mann aus einem Kreisverband, aber am Ende kämpfte die ganze Partei dafür. End- lich ein Thema, mit dem sie die Stadt wie- der für sich gewinnen, mit dem sie es dem Senat zeigen konnten, dachten sie. Aber auch diese Hoffnung der Berliner CDU hat getrogen. Nur 14 Prozent der Wahlberech- tigten stimmten am Sonntag vor einer Wo- MAURICE WEISS / OSTKREUZ MAURICE che für Pro Reli, ein Desaster für die CDU. Parteichef Henkel im Abgeordnetenhaus: Immer wieder Currywurst Wieder eines. Wieder eine schwere Nie- derlage. Wieder haben die Berliner Bürger r ist jetzt der Hoffnungsträger. Das ist Das habe nichts zu bedeuten, er habe nur nichts übriggehabt für die Union, die ein- immer eine gefährliche Position in bisher keine Zeit gehabt, Bücher reinzu- mal die Berliner Partei gewesen ist. Mehr Eder Politik, in der Berliner CDU gibt stellen. Er will das bald nachholen. als 18 Jahre hat sie die Hauptstadt regiert, es keine, die gefährlicher ist. Wer Hoff- Was für Bücher? Bildbände, sagt er, es mehr als 15 Jahre mit Eberhard Diepgen, nungsträger der Berliner CDU ist, dessen gebe so schöne Bildbände. Und Berlin- bis 2001. Dann ging er im Berliner Ban- politische Karriere steht vor dem Ende. So Bücher. kensumpf unter. war das in den vergangenen Jahren, und Das Büro hat er seit September. Seit Was folgte, ist ein Lehrstück über miss- Frank Henkel ist lange genug dabei, um der letzten großen Krise der Berliner ratene Politik. Eine Partei zerfleischt sich das zu wissen. CDU, in der Henkel erst Fraktionsvorsit- selbst und verliert die Bindung an ihre Jetzt bloß nichts falsch machen. zender im Abgeordnetenhaus und dann Stadt. Eine Hässlichkeit folgt der nächsten, Henkel trägt eine rosagestreifte Krawat- Landesvorsitzender geworden ist. Seit 18 ein Spitzenmann nach dem anderen wird te und zeigt ein optimistisches Lächeln. Jahren hatte niemand beide Posten gleich- gedemütigt, entsorgt. Und nach jedem Bevor er sich in den Ledersessel in seinem zeitig inne. Desaster wird ein neuer Hoffnungsträger Büro im Berliner Abgeordnetenhaus setzt, Frank Henkel, 45, ist in Ost-Berlin ge- ausgerufen, und am Tag seiner Ernennung weist er auf sein Bücherregal. Da stünden boren und in West-Berlin erwachsen ge- kann man schon Mitleid haben. Jetzt ist noch nicht viele Bücher drin, sagt Henkel. worden. Er ist ein großer, schwerer Mann, Henkel an der Reihe. 46 der spiegel 19/2009 Richard von Langer Abstieg Weizsäcker Wahlergebnisse* 1981 bis 1984 in Prozent und CDU, CDU/FDP Eberhard Diepgen Regierende 1991 bis 2001 Bürgermeister Große Koalition 48,0 46,4 der Berliner CDU * bis 1989 West-Berlin 40,4 40,8 37,7 37,4 Umfrage Eberhard Diepgen Infratest dimap 1984 bis 1989 April 2009 CDU/FDP 23,8 22 21,3 1981 85 89 9095 99 2001 2006 CHRIS HOFFMANN / PICTURE-ALLIANCE / DPA CHRIS HOFFMANN / PICTURE-ALLIANCE Bundespräsident Weizsäcker, Bürgermeister Diepgen 1985: Große Ideen stören die Kiezruhe „Klaus Wowereit führt sich auf wie der men. Schmitt war seit 2005 Vorsitzender tig, stören die Kiezruhe. Deshalb hat die Häuptling eines gallischen Dorfs“, ruft der Berliner CDU. Partei immer gefremdelt mit Pflüger. Henkel, er ist in seiner Parteitagsrede beim Eine Schlacht begann. Die Waffen waren Das war das eine Problem. Die Berliner kämpferischen Teil angekommen, er ist Worte, aber die böse Variante davon, In- CDU ist zu klein für Pflügers Ideen. Das Oppositionsführer, sein Gesicht glänzt, sei- trigen und gebrochene Versprechen. Am andere Problem: Pflüger ist zu klein für ne Faust fliegt durch die Luft. Ende dieser Schlacht war Pflüger nicht Pflügers Ideen. Er kann sich gut große Dann wird es schwierig. Es geht um „Ja- mehr Fraktionsvorsitzender, Schmitt nicht Welten erträumen, aber dann passt er maika“. Das Bündnis für ein aufgeklärtes mehr Parteivorsitzender. selbst nicht richtig hinein. Die Berliner Bürgertum, CDU, FDP, Grüne. Eine mo- Es gehe ihm gut, sagt Friedbert Pflüger, CDU hatte sich eine Scheingröße einge- derne Politikidee, eine Großstadtidee, zu keine Bitterkeit, nein, wirklich nicht. Bald handelt, und das merken Leute wie Ingo modern und zu großstädtisch für die Ber- hat er einen neuen Job, viele Angebote, Schmitt sehr schnell. liner CDU. Friedbert Pflüger hat in Berlin ein zufriedenes Schmunzeln in seinem Ge- Irre fleißig sei er gewesen, sagt Schmitt. versucht, Jamaika zu machen. sicht. Er will eigentlich nicht über die Ber- Er will auch nicht schlecht über Pflüger Pflüger, der zuletzt Hoffnungsträger war liner Zeit reden, aus, vorbei. Er will nie- reden, so klingt das dann. Wundert mich, und gescheitert ist. Pflüger, dessen Ende in manden angreifen, beschimpfen, kein bö- dass er nicht längst einen neuen Job hat. der Partei der Anfang der letzten großen ses Wort von Pflüger. Er sitzt im Berliner Schmitt grinst. Er war mit Pflüger noch Krise war. Prominentenlokal Borchardt, isst Nudeln, mal Kaffee trinken, als es vorbei war, er Pflüger, der gerade in den Parteitags- winkt hierhin, dorthin, als wäre nichts ge- habe den Eindruck, dass Pflüger was ge- saal geschlendert ist, mitten in Henkels wesen, ein Mann der Zukunft. lernt habe in Berlin. Noch ein Grinsen. Rede. Er schüttelt Journalistenhände, Das war er auch 2006, als er Spitzen- Schmitt wirkt überhaupt gut gelaunt, zu lächelt in alle Richtungen und setzt sich kandidat in Berlin wurde. Er brachte Ideen gut für jemanden, dessen Zeit vorbei ist. dann auf einen Stuhl ganz am Rand. Da mit, er wollte Politik für eine große Stadt Er empfängt in seinem Bundestagsbüro, sitzt er und hört zu, den Kopf auf die machen, für eine Weltmetropole. Es waren ein großer Mann, sonst unauffällig, kurze Hand gestützt. gute Ideen, darunter Jamaika. Es habe so Haare, Anzug, ein Mann, der mit 51 ein Ende 2005 ist Pflüger nach Berlin ge- schöne Gespräche gegeben, sagt er, Ge- Leben als Berliner CDU-Funktionär hinter kommen, um Bürgermeisterkandidat der sich hat. Mit allem, was dazugehört. Der CDU zu werden. Da war er gerade zum Am Tag seiner Ernennung kann Geburt in Berlin, dem frühen Parteiein- Parlamentarischen Staatssekretär im Ver- man schon Mitleid haben tritt, dem Jurastudium an der Freien Uni- teidigungsministerium ernannt worden. mit dem neuen Spitzenmann. versität, der Abfolge von Posten und Man- Die Berliner CDU hielt das für Welt- daten, ohne je durch eine größere politi- läufigkeit. Die Berliner CDU wollte sich sche Idee aufzufallen. Dafür hat er das beim Hannoveraner Pflüger Großstadt- spräche, in denen die Weltmetropole Ber- System Schmitt erfunden. aura leihen. lin erträumt wurde. Diesen Begriff benutzen sie in der Ber- Berlin ist eine Stadt zwischen Metropo- Pflüger wollte Feste für diese Stadt fei- liner CDU, wenn sie über Machtspiele und lenanspruch und Kiezseligkeit, und es ist ern, große Feste. Er hat sie gefeiert, zum Intrigen reden, über Hinterzimmerabspra- immer ein Problem für die Politiker, beides Beispiel bei der Kampagne gegen die chen und Schiebereien. Im System Schmitt zu verknüpfen. Pflüger sollte es schaffen, Schließung vom Flughafen Tempelhof, und habe die Partei sich mit nichts beschäftigt aber er schaffte es nicht. hinterher lästerten die Parteifreunde über als mit sich selbst, schon gar nicht mit In- Bei der Wahl im September 2006 bekam die großen Rechnungen. Currywurst hätte halten. die CDU 21,3 Prozent, wieder zweieinhalb es doch auch getan. Ach, sagt Schmitt, ihn interessiere Ver- Prozentpunkte weniger, das schlechteste Currywurst. Sein Gesicht zerbricht fast kehrspolitik, er gehe nur nicht mit allem an Ergebnis seit 1948. Pflüger wurde Frak- bei diesem Wort. Immer wieder Curry- die Medien. tionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus. wurst. Das Synonym für das kleine, Für die Bundestagswahl im Herbst hat Zwei Jahre lang arbeiteten alle vor sich hemdsärmelige, genügsame Berlin, die Schmitt keinen Listenplatz mehr. Er tritt als hin, bis Pflüger im vergangenen Jahr aus Nicht-Weltmetropole, deren treueste Partei Direktkandidat an in einem Wahlkreis, den den Sommerferien mit dem Wunsch die CDU ist. Die CDU zerstückelt die die SPD beim letzten Mal mit großem Vor- zurückkam, Parteivorsitzender zu werden, große Stadt in kleine Welten, in Kreisver- sprung gewonnen hat. Er ist nicht mehr also Ingo Schmitt seinen Job wegzuneh- bände, in Kieze. Große Ideen sind da läs- Parteivorsitzender und nicht mehr Kreis- der spiegel 19/2009 47 FOTOS: MAURICE WEISS / OSTKREUZ MAURICE FOTOS: Intrigenopfer Vogelsang, Vize-Parteichefin Grütters: Es gab die Überlegung, dass eine Frau das alles beenden könnte vorsitzender. Im Kampf mit Pflüger hat er Wir werden dich einstimmig bitten, sag- Grütters, für kurze Zeit auch eine Hoff- alles verloren. Schmitt ist am System ten sie ihr. Von dieser Sitzung ging sie nungsträgerin der Berliner CDU, ist nun Schmitt gescheitert.
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