Plenarprotokoll 16 / 85

16. Wahlperiode

85. Sitzung

Berlin, Donnerstag, 23. Juni 2011

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Beschlussempfehlungen: S-Bahneinbehalt für Mitteilungen des Präsidenten und Maßnahmen zu mehr Barrierefreiheit verwenden! Geschäftliches ...... 8162 Drs 16/4253 ...... 8263 Anträge auf Durchführung einer Beschlussempfehlung: Autobahnsanierung mit Aktuellen Stunde ...... 8162 bestmöglichem Lärmschutz Ülker Radziwill (SPD) ...... 8162 Drs 16/4255 ...... 8263 Frank Henkel (CDU) ...... 8163 Joachim Esser (Grüne) ...... 8164 Beschlussempfehlung: Mehr Sicherheit auf Evrim Baba-Sommer (Linksfraktion) ...... 8165 dem Schulweg Christoph Meyer (FDP) ...... 8167 Drs 16/4258 ...... 8263

Beschlussempfehlung: Zulässige Höchstgeschwindigkeit an Konsensliste Verkehrsunfallschwerpunkten absenken – Beschlussempfehlungen: Standortprüfung für Unfallzahlen und Personenschäden minimieren die Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Drs 16/4259 ...... 8263 (ZLB) Beschlussempfehlung: Endlich mehr Sauberkeit Drs 16/4176 ...... 8263 an Bahnanlagen! Beschlussempfehlung: Spitzensport fördern – Drs 16/4260 ...... 8263 Vereinbarung von akademischer sowie beruflicher Bildung und Spitzensport verbessern! Beschlussempfehlung: Alte Bahnverbindung nach Usedom wieder herstellen Drs 16/4224 ...... 8263 Drs 16/4261 ...... 8263 Beschlussempfehlung: „Brain Waste“ vermeiden – Anerkennung von im Ausland erworbenen Antrag: Ehrenamt stärken – Verordnung zur Abschlüssen Einführung des „Feuerwehrführerscheins“ schaffen Drs 16/4248 ...... 8263 Drs 16/4272 ...... 8263 Beschlussempfehlungen: Öffentlichen Antrag: Berlin braucht liberale Konzepte (I) – Beschäftigungssektor endlich evaluieren eine verheerende Bilanz von zehn Jahren und bei fehlendem Nachweis positiver rot-roter Politik Effekte abschaffen! Drs 16/4273 ...... 8264 Drs 16/4249 ...... 8263 Antrag: Berlin braucht liberale Konzepte (II) – liberale Politik für 2011 bis 2016 Drs 16/4274 ...... 8264

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Fragestunde – Mündliche Anfragen Rückkauf der RWE-Anteile an den Wasserbetrieben Neue Chancen auf dem Ausbildungsmarkt? Volker Ratzmann (Grüne) ...... 8183, 8184 Christa Müller (SPD) ...... 8168, 8170 Senator Dr. Ulrich Nußbaum ...... 8183, 8184 Senatorin Carola Bluhm ...... 8168, 8170, 8171 Sebastian Czaja (FDP) ...... 8170 German Green City Index Neuer Großflughafen mit riesiger Marion Platta (Linksfraktion) ...... 8185 Finanzierungslücke? Senatorin Katrin Lompscher ...... 8185 Michael Braun (CDU) ...... 8171, 8172 Poelchau-Schule Staatssekretär Dr. Richard Meng ...... 8171, 8172 Sebastian Czaja (FDP) ...... 8186 Oliver Friederici (CDU) ...... 8172 Senatorin Katrin Lompscher ...... 8186 Bauverzögerungen in Schönefeld Erhöhung der Grunderwerbsteuer Claudia Hämmerling (Grüne) ...... 8173 Christoph Meyer (FDP) ...... 8186, 8187 Staatssekretär Dr. Richard Meng ...... 8173, 8174 Senator Dr. Ulrich Nußbaum ...... 8186, 8187 Christoph Meyer (FDP) ...... 8174 Abrechnungsskandal um die Helios-Kliniken Zukunft der Gewerbesteuer Thomas Isenberg (SPD) ...... 8187, 8188 Jutta Matuschek (Linksfraktion) ...... 8174, 8176 Senatorin Katrin Lompscher ...... 8187, 8188 Senator Dr. Ulrich Nußbaum ...... 8174, 8176 Zöllners Einstieg in die Inklusion – Aktuelle Stunde aktuelle Förderstunden pro Kind halbiert Berlin ist Hauptstadt der Integration – Mieke Senftleben (FDP) ...... 8176, 8177 50 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei Senator Dr. Jürgen Zöllner ...... 8177 Elfi Jantzen (Grüne) ...... 8177 Antrag Sind Spree und Havel jetzt gerettet? Unternehmen in Vielfalt fördern Konsequenzen aus den von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung gestoppten Drs 16/4271 ...... 8188 Ausbauplanungen Raed Saleh (SPD) ...... 8188, 8195 Daniel Buchholz (SPD) ...... 8178 Dr. Michael Wegner (CDU) ...... 8189, 8191 Bürgermeisterin Ingeborg Junge-Reyer ...... 8178 Lars Oberg (SPD) ...... 8191 Elke Breitenbach (Linksfraktion) ...... 8192 Kann der Senat die Finanzierung der Charité Canan Bayram (Grüne) ...... 8193, 8196 bedarfsgerecht sichern? Dr. Sebastian Kluckert (FDP) ...... 8196 Christian Goiny (CDU) ...... 8179 Senatorin Carola Bluhm ...... 8198 Senator Dr. Jürgen Zöllner ...... 8179 Zukunft der Freiwilligendienstplätze – FÖJ/FSJ – Prioritäten gem. § 59 der Geschäftsordnung im Land Berlin Stefan Ziller (Grüne) ...... 8179, 8180 Zweite Lesung Senatorin Katrin Lompscher ...... 8179, 8180 Gesetz zur Aufhebung des Umsetzung der Kennzeichnungspflicht für Straßenausbaubeitragsgesetzes die Berliner Polizei Drs 16/4250 ...... 8200 Marion Seelig (Linksfraktion) ...... 8180 Senator Dr. Ehrhart Körting ...... 8181 Beschlussempfehlungen Björn Jotzo (FDP) ...... 8181 Verbindliche Entscheidungen statt leere Wahlkampfversprechen – Abkassieren durch Straßenausbaubeitragsgesetz beenden! Fragestunde – Spontane Fragestunde Drs 16/4251 ...... 8200 Abschaffung der Hauptschulen Dr. Felicitas Tesch (SPD) ...... 8182 Dringliche Beschlussempfehlungen Senator Dr. Jürgen Zöllner ...... 8182, 8183 Leistungsfähige Straßeninfrastruktur statt Lichtinstallation von James Turrell permanenter Flickschusterei – Mittel zur im Grunewalder Wasserspeicher Straßensanierung auf 100 Millionen Euro jährlich aufstocken! Michael Braun (CDU) ...... 8183 Senatorin Katrin Lompscher ...... 8183 Drs 16/4305 ...... 8200

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Klaus-Peter von Lüdeke (FDP) ...... 8200 Drs 16/4267 ...... 8225 Daniel Buchholz (SPD) ...... 8201, 8204 Dr. Thomas Flierl (Linksfraktion) ...... 8225 Mario Czaja (CDU) ...... 8202, 8204, 8205 Michael Braun (CDU) ...... 8226, 8227 Mieke Senftleben (FDP) ...... 8204 Dr. (Linksfraktion) ...... 8227 Uwe Doering (Linksfraktion) ...... 8206, 8207 Ellen Haußdörfer (SPD) ...... 8228 Dr. Manuel Heide (CDU) ...... 8207 Alice Ströver (Grüne) ...... 8229 Astrid Schneider (Grüne) ...... 8207 Volker Thiel (FDP) ...... 8229, 8230 Abstimmungsliste ...... 8259, 8260 Beschluss ...... 8265

Anträge Wirtschaftskriminalität wirksam bekämpfen – Zweite Lesung Managerhaftung verschärfen Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin Drs 16/4268 ...... 8208 (Wahlrecht für Drittstaatsangehörige zu Frank Zimmermann (SPD) ...... 8209 Bezirksverordnetenversammlungen) Sven Rissmann (CDU) ...... 8209 Drs 16/4233 ...... 8230 Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion) ...... 8210 Canan Bayram (Grüne) ...... 8231, 8233 Dirk Behrendt (Grüne) ...... 8211 Florian Dörstelmann (SPD) ...... 8231 Dr. Sebastian Kluckert (FDP) ...... 8212 Kurt Wansner (CDU) ...... 8232, 8234, 8235 Schwache Schulen besser machen – Özcan Mutlu (Grüne) ...... 8235 ein echtes Qualitätspaket Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion) ...... 8235 Drs 16/4212 ...... 8213 Dr. Sebastian Kluckert (FDP) ...... 8237 Abstimmungsliste ...... 8261, 8262 Sascha Steuer (CDU) ...... 8213

Dr. Felicitas Tesch (SPD) ...... 8214 Özcan Mutlu (Grüne) ...... 8215 Steffen Zillich (Linksfraktion) ...... 8216 Dringliche zweite Lesung Mieke Senftleben (FDP) ...... 8217 Gesetz über die Änderung des Gesetzes über die John-F.-Kennedy-Schule und zur Beschlussempfehlungen Änderung des Schulgesetzes Keine Mieterhöhung bei schlechter Dämmung Drs 16/4276 ...... 8238 Drs 16/4254 ...... 8218 Gesetz zur Durchführung des Kapitels III der Dringliche Beschlussempfehlung Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Wohnungsmarkt sozial gestalten (I): Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über Kündigungsschutz bei Wohnungsumwandlungen die Vorschriften für die Akkreditierung und verlängern und erweitern Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung der Drs 16/4278 ...... 8218 Verordnung (EWG) Nr. 339/93 des Rates (ABl. Nr. L 218 vom 13. August 2008, S. 30) Dringliche zweite Lesung (Marktüberwachungsverordnungs-Durchfüh- Gesetz über den Sozialen Wohnungsbau in Berlin rungsgesetz für Bauprodukte – BauP-MÜVDG) (Wohnraumgesetz Berlin – WoG Bln) Drs 16/4279 ...... 8238 Drs 16/4303 ...... 8218 Andreas Otto (Grüne) ...... 8218 Zehntes Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Dr. Michael Arndt (SPD) ...... 8220 Sicherheits- und Ordnungsgesetzes Matthias Brauner (CDU) ...... 8221, 8222 Jutta Matuschek (Linksfraktion) ...... 8222 Drs 16/4283 ...... 8238 Uwe Doering (Linksfraktion) ...... 8223 Klaus-Peter von Lüdeke (FDP) ...... 8224 Elftes Gesetz zur Änderung des Beschluss ...... 8265 Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes Antrag Drs 16/4285 ...... 8239 Schaffung eines Gedenk- und Informationsortes am Columbiadamm bei der Entwicklung des Tempelhofer Feldes berücksichtigen

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Gesetz über die Untersuchungsausschüsse Regionalbahnhof Karlshorst schnellstens des Abgeordnetenhauses von Berlin (UntAG) erneuern Drs 16/4286 ...... 8239 Drs 16/4262 ...... 8249 Regionalbahnhof Karlshorst erhalten! Fünftes Gesetz zur Änderung des Gesetzes Drs 16/4263 ...... 8249 über den Verfassungsgerichtshof Drs 16/4287 ...... 8239 Verkehrsverbindung zwischen östlichem Stadtraum und dem Berliner Süden schnell Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes, des und preiswert durch Optimierung der Kindertagesförderungsgesetzes und weiterer Bahnanbindung verbessern Gesetze Drs 16/4264 ...... 8249 Drs 16/4304 ...... 8239

Dringliche Beschlussempfehlungen Erste Lesung Entwurf des Bebauungsplans I-B4bb im Bezirk Gesetz zur Änderung des Lehrerbildungsgesetzes Mitte, Ortsteil Mitte Drs 16/4270 ...... 8240 Drs 16/4280 ...... 8249 Beschluss ...... 8267

Dringliche Beschlussempfehlung Planreife für die Teilfläche der Änderung des Stellungnahme des Senats zum Bericht des Berliner FNP „Adlershof – Nachnutzung Betriebsbahnhof Beauftragten für Datenschutz und Schöneweide“, (Lfd. Nr. 08/08) im Bezirk Informationsfreiheit für das Jahr 2009 Treptow-Köpenick entsprechend dem Geltungsbereich des Bebauungsplans 9-16-1 Drs 16/4284 ...... 8240 sowie Entwurf des Bebauungsplans 9-16-1 im Dr. Alexander Dix (Berliner Beauftragter für Bezirk Treptow-Köpenick, Ortsteile Johannisthal Datenschutz und Informationsfreiheit) ...... 8240 und Adlershof Marion Seelig (Linksfraktion), Berichterstatterin Drs 16/4281 ...... 8250 ...... 8241 Beschluss ...... 8267 Beschluss ...... 8265

Vollständige Sicherheitsüberprüfung des Beschlussempfehlungen Berliner Forschungsreaktors vor Entscheidung über Weiterbetrieb Mit integriertem Sicherheitskonzept und „geschlossenem System“ endlich die Sicherheit Drs 16/4290 ...... 8250 im ÖPNV erhöhen! Beschluss ...... 8267 Drs 16/4252 ...... 8242 Björn Jotzo (FDP) ...... 8242, 8243, 8245 Schriftliche Erklärung Sven Kohlmeier (SPD) ...... 8243 gemäß § 72 GO Abghs Christian Gaebler (SPD) ...... 8244, 8245 Oliver Friederici (CDU)...... 8245 Henner Schmidt (FDP) ...... 8250 Jutta Matuschek (Linksfraktion) ...... 8246 Claudia Hämmerling (Grüne) ...... 8247, 8248 Klaus-Peter von Lüdeke (FDP) ...... 8248 Dringliche Beschlussempfehlungen Prävention stärken und Drogenrisiken senken Nord-Neukölln zum Modellquartier einer mit Drugchecking sozial-ökologischen IBA in Berlin machen Drs 16/4292 ...... 8251 Drs 16/4256 ...... 8248 Beschluss ...... 8267 Das Tempelhofer Feld zum Modellprojekt für Klimaschutz und sozial-ökologische Innovationen machen Drs 16/4257 ...... 8248

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Zurück auf den „goldenen Boden“ – Klare Ziele und Maßnahmen und verbindliche das Handwerk in Berlin stärken Verwaltungskooperationen für die „Aktionsräume Plus“ Drs 16/4294 ...... 8251 Drs 16/4306 ...... 8253

Planungsqualität für das Entrée der Hauptstadt II: Dem Handwerk nicht das Handwerk legen: angemessene Verkehrserschließung für den berlinweite Parkausweise für Betriebsfahrzeuge Hauptbahnhof schaffen einführen! Drs 16/4307 ...... 8253 Drs 16/4295 ...... 8251

Beschluss ...... 8268 Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen Entwürfe von Bauleitplänen im Internet in Berlin veröffentlichen und Stellungnahmen über Drs 16/4308 ...... 8253 das Internet ermöglichen Drs 16/4296 ...... 8251 Beschluss ...... 8268 Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Abs. 3 VvB 50. Jahrestag des Mauerbaus – Drs 16/4269 ...... 8253 Mauerweg fertigstellen

Drs 16/4297 ...... 8252 Dringliche Volksinitiative Planungsqualität für das Entrée der Hauptstadt I: gemäß Artikel 61 Abs. 1 VvB Nutzungsvielfalt und gute Gestaltung für das „Frische Luft für Berlin“ Umfeld des Hauptbahnhofs schaffen Drs 16/4291 ...... 8254 Drs 16/4298 ...... 8252 Thomas Isenberg (SPD) ...... 8254 Mario Czaja (CDU) ...... 8255 Wieder mehr Qualität bei der Ausführung der Heidi Kosche (Grüne) ...... 8255 Straßensanierungsarbeiten nach Aufgrabungen Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion) ...... 8256 durch Versorgungsunternehmen! Volker Thiel (FDP) ...... 8256 Drs 16/4299 ...... 8252 Beschluss ...... 8268

Vermögensgeschäft Nr. 9/2009 des Antrag Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte Kinder besser schützen – Senat hat die Pflicht, Drs 16/4300 ...... 8252 das Netzwerk Kinderschutz zu stabilisieren und Beschluss ...... 8268-8273 auszubauen Drs 16/4213 ...... 8258 Vermögensgeschäft Nr. 16/2011 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte Drs 16/4301 ...... 8252 Beschluss ...... 8274

Weiterentwicklung des Adressraums Internet – Unterstützung der Einführung der Top-Level-Domain „berlin“ Drs 16/4302 ...... 8253 Beschluss ...... 8268

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Präsident Walter Momper eröffnet die Sitzung um 1. Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Berlin ist 13.03 Uhr. Hauptstadt der Integration – 50 Jahre Anwerbeab- kommen mit der Türkei“, Präsident Walter Momper: 2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „10 Jahre Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 85. Sitzung des Rot-Rot – es reicht! Damit Berlin seine Kraft endlich Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie alle, voll entfalten kann, muss sich vieles ändern!“, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr 3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Akten- herzlich. zeichen XY Junge-Reyer – Transparenz und Kontrolle wieder einmal Fehlanzeige“, Mir ist gesagt worden, dass heute Mütter der Kita Wal- 4. Antrag der Linksfraktion zum Thema: „Berlin ist demar aus Kreuzberg auf der Tribüne sind, die ich ganz Hauptstadt der Integration – 50 Jahre Anwerbeab- herzlich begrüße. – Herzlich willkommen im Berliner kommen mit der Türkei“, Abgeordnetenhaus! 5. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Hurra, die [Beifall] Touristen kommen! Einer der wichtigsten Wirtschafts- Dann habe ich Geschäftliches mitzuteilen. Die Fraktion faktoren darf nicht durch Anti-Gentrifizie- der FDP zieht den Antrag „Das Promotionsrecht muss bei rungsdebatten, intolerante Veränderungsfeindlichkeit den Universitäten verbleiben“ Drucksache 16/1156 zu- und zusätzliche Übernachtungssteuern gefährdet wer- rück. Der Antrag wurde in der 24. Sitzung am 14. Februar den.“. 2008 an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung Zur Begründung der Aktualität erteile ich zunächst einem überwiesen. Mitglied der Fraktion der SPD das Wort. – Frau Kollegin

Radziwill hat das Wort zur Begründung der Aktualität. – Herr Zeitz! Sie werden heute zum letzten Mal in dem Bitte schön, Frau Radziwill! bisherigen Amt als Beauftragter der Evangelischen Kirche bei den Ländern Berlin und Brandenburg an dieser Sit- zung teilnehmen. Ich hoffe, Sie werden sonst auch noch Ülker Radziwill (SPD): kommen! Sie sind dazu herzlich eingeladen. Aber Sie Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben haben heute zum letzten Mal die Andacht vor der Plenar- Arbeitskräfte gerufen, und es sind Menschen gekommen – sitzung gefeiert. Über viele Jahre haben Sie den Kontakt dieser Satz von Max Frisch prägte wie kein anderer die zwischen der Evangelischen Kirche – den Kirchen gene- Migrationsgeschichte in Berlin und Deutschland. Seit rell – und unserem Haus und der Politik gehalten. Sie 1955 haben wir angeworbene Gastarbeiter. Zuerst kamen waren in vielem Rat- und Hinweisgeber. Manchmal haben Italiener, dann Spanier, Griechen, 1961 kamen sie aus der wir auch miteinander gestritten, das hat es auch gegeben. Türkei, und aus anderen Ländern folgen weitere Gastar- Die Andachten haben unsere Sitzungen immer bereichert, beiter. Sie, ihre Kinder und Kindeskinder haben mit ihrer und Sie haben bei der Enthüllung des Weihnachtsbaumes Arbeitskraft, ihrer Lebensleistung Berlin und Deutschland vor dem Abgeordnetenhaus mit dem evangelischen Po- weitergebracht, die Wirtschaft in diesem Land gestärkt, saunenchor für die richtige Umrahmung gesorgt. In der sie mit aufgebaut. Gerade die Gastarbeitergeneration hat Adventszeit, bei der letzten Plenarsitzung eines jeden körperlich schwere Arbeit geleistet und dieses Land mit- Jahres, haben Sie in unserem Foyer ein vorweihnachtli- gestaltet und aufgebaut. Dafür wollen wir heute danken! ches Konzert geben, was auch sehr eindrucksvoll war und uns bereichert hat. In den letzten beiden Jahren haben Sie [Beifall bei der SPD, den Grünen und sogar mit einem Stand am „Tag der offenen Tür“ teilge- der Linksfraktion] nommen und dort erklärt, was im Andachtsraum stattfin- Berlins Stärke ist seine Vielfalt, seine Weltoffenheit, det. seine Internationalität.

Lieber Herr Zeitz! Für die intensive Arbeit und den guten [Thomas Birk (Grüne): Siehe Sarrazin!] Kontakt, den wir wechselseitig hatten, danken wir Ihnen! Zurzeit leben in Berlin 870 000 Menschen mit Migrati- Im Namen der Kolleginnen und Kollegen möchte ich onshintergrund. Millionenfach ist also Integration gelun- Ihnen alles Gute für den Ruhestand wünschen, aber wir gen. Auch das muss gewürdigt werden. Die Kinder der wissen, wie das bei den Pfarrern ist: Hinterher machst du Bauern aus Anatolien und anderen Regionen der Welt vielleicht nicht ganz die gleiche Arbeit, aber für die Hälfte haben hier eine Mittelschicht aufgebaut. Sie sind vielfach oder drei Viertel des Geldes. In diesem Sinne alle Gute Unternehmer, Arbeitgeber, bilden aus, sind Leistungsträ- für den Ruhestand! Vielen herzlichen Dank für die geleis- ger in dieser Gesellschaft. Sie tragen Verantwortung. tete Arbeit! Alles Gute! Gute Gesundheit! Auch das wollen wir heute würdigen. [Anhaltender allgemeiner Beifall] In der Integration läuft sicherlich nicht alles ganz rund. Dann geht es weiter mit den vorliegenden fünf Anträgen Wir haben gemeinsam noch einiges an diesen Problemen auf Durchführung einer Aktuellen Stunde: zu arbeiten, und gemeinsam – das ist mir sehr wichtig – gelingt es, daran zu arbeiten und Lösungen zu finden. Soziale Integration ist daher wichtig. Das bedeutet, dass

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Ülker Radziwill wir Hilfestellung allen Berlinern und Berlinerinnen anbie- Emma-Läden haben wir kaum noch. Daran zeigt sich, ten, die sie brauchen, und das egal, ob mit oder ohne dass die Gastarbeitergeneration viele gute Spuren hinter- Migrationshintergrund. lassen hat. Aus Arbeitskräften sind Berlinerinnen und Berliner geworden. Dafür sagen wir heute Dank, und auf Berlin setzt in der Integration Maßstäbe. Auch das wollen Türkisch heißt das: Berlin birinci nesile, sizlere teşekkür wir heute würdigen und betrachten. Anschließend an die ediyor. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit! beiden Integrationskonzepte der Kampagne „Berlin [Beifall bei der SPD, den Grünen und braucht dich“ haben wir als erstes Bundesland seit Januar der Linksfraktion] dieses Jahres das Integrations- und Partizipationsgesetz und auch – ganz wichtig – eine Schulstrukturreform zur Unterstützung der Integration vorangebracht. Das muss Präsident Walter Momper: auch gewürdigt werden! Danke schön, Frau Kollegin Radziwill! – Für die CDU- Im Einwanderungsland Deutschland müssen wir aus den Fraktion hat nunmehr der Kollege Henkel, der Fraktions- Fehlern der Vergangenheit lernen. Darüber können wir vorsitzende, das Wort. – Bitte schön, Herr Henkel! heute debattieren. Der Weg, Zuwanderung allein den Wünschen der Wirtschaft folgend zu organisieren, ist ein Frank Henkel (CDU): falscher, das haben wir aus den Erfahrungen der vergan- genen Jahren lernen können. Daher müssen wir uns Ge- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am vergange- danken machen, wie wir zukünftige Migration in diesem nen Donnerstag hat sich der Regierende Bürgermeister im Land organisieren wollen. Gerade integrierte und gut Berliner Abgeordnetenhaus von alten Weggefährten für ausgebildete Kinder von Gastarbeitern verlassen in den seine Amtszeit feiern lassen. Es sei ihm gegönnt, dass er letzten Jahren dieses Land. Wir müssen uns fragen, wa- diese Anlässe mitnimmt, solange es noch geht. Meine rum. Ein Grund liegt in der mangelhaften Anerkennungs- Fraktion und ich sind aber der festen Überzeugung, dass kultur, und auch die Anerkennung mitgebrachter Ab- die Bilanz seiner Arbeit nicht in den Festsaal gehört, schlüsse dauert viel zu lange. Viele sind aus rechtlichen sondern in den Plenarsaal. Gründen gehindert, am Arbeitsmarkt teilzunehmen. Die [Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP] Umsetzung läuft halbherzig und braucht zu lange – auch Wir wollen darüber debattieren, warum Berlin in den das müssen wir kritisieren und ändern. vergangenen Jahren unter seinen Möglichkeiten geblieben

ist – bei der Wirtschaft, bei der Bildung, bei der Sicher- Eine Willkommenskultur müssen wir ernsthaft, aus vol- heit und auch bei der sozialen Entwicklung. Lassen Sie lem Herzen und glaubwürdig vermitteln. Ohne diese uns darüber reden, warum Berlin in den letzten zehn Jah- werden wir zukünftige Integrationsprobleme nicht lösen ren bei der Arbeitslosenquote vom 12. auf den 16. und und auch aus weiteren Teilen der Welt keine hochqualifi- damit letzten Platz abgerutscht ist. Rot-Rot kann die Ent- zierten Fachkräfte anwerben können. wicklung in Berlin noch so oft als Jobwunder bezeichnen,

die Realität ist, dass andere Länder härter und besser Im Vorfeld der Wahlen möchte ich einen Appell an Sie gearbeitet haben, auch die, die eine schlechtere Aus- richten: Unser Einwanderungsland braucht Zuwanderung, gangssituation hatten. unser Einwanderungsland hat sehr gut ausgebildete Gast- arbeiter, und sie tragen hier Verantwortung. Es steht uns [Beifall bei der CDU] nicht gut zu Gesicht, populistische Töne anzuschlagen Deshalb geht es uns auch nicht um die Jobs, die trotz Ihrer und Ängste – wie Überfremdungsängste – zu schüren und Politik in Berlin entstanden sind, sondern um die vielen hochzuspielen. Arbeitsplätze, die nicht hier entstanden sind wegen einer [Beifall bei der SPD, den Grünen und langjährigen Abkehr von neuen Industrie- und Zukunfts- der Linksfraktion] technologien, wegen schlechter Rahmenbedingungen und vor allem wegen einer Investorenfeindlichkeit. Lassen Sie Es steht uns aber gut zu Gesicht, die Lebensleistungen der uns darüber reden, was vom Mentalitätswechsel, dem Gastarbeiter anzuerkennen, gemeinsam an dem Problem zentralen Rechtfertigungsprojekt dieser rot-roten Koaliti- zu arbeiten und anzuerkennen, dass sie zur Wirtschafts- on, übrig geblieben ist. Die Wahrheit ist, dass die Schul- kraft in Deutschland viel beigetragen haben. den in Ihrer Regierungszeit von knapp 40 Milliarden Euro

auf über 60 Milliarden Euro angestiegen sind. Das ist kein Zum Schluss möchte ich Ihnen einen Gruß übermitteln. Mentalitätswechsel, das ist keine Haushaltssanierung, das Mein Großvater väterlicherseits, der Deutschland leider ist schlicht und einfach eine Schuldenexplosion durch nie gesehen hat, hat seine Briefe immer mit folgendem Rot-Rot! Satz beendet: „Und grüßt mir bitte meine deutschen Freunde.“ Die Verbundenheit zwischen Deutschland und [Beifall bei der CDU] der Türkei ist historisch, und sie währt länger als die Es gehört auch zur Wahrheit, dass wir im Parlament seit 50 Jahre Gastarbeitergeschichte. Diese Gastarbeiterge- Jahren über Filz und Parteibuchwirtschaft reden, über schichte aber hat dieses Land geprägt, sie hat es stark Treberhilfe, HOWOGATE und Tempodromaffäre. Das gemacht, und wer will sich schon den Onkel-Ahmet- alles ist Ausdruck einer Regierungspartei, die mental vor Gemüseladen aus seinem Viertel wegdenken – Tante-

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Frank Henkel zehn Jahren stehen geblieben ist und sich kein bisschen mit denen sich dieser Regierende Bürgermeister nicht verändert hat. beschäftigt, es gibt neue Fragen, mit denen er nicht Schritt [Beifall bei der CDU – halten kann. Uwe Doering (Linksfraktion): Wer spricht da gerade?] [Zurufe von Lars Oberg (SPD) und Lassen Sie uns auch darüber reden, warum in Berlin die Dr. Andreas Köhler (SPD)] Chancen junger Menschen konsequent verspielt werden, Wie stemmt sich Berlin gegen die zunehmende Verwahr- warum der wichtigste Rohstoff, den wir haben, einfach losung? Wie begegnen wir der brutalen Gewalt im öffent- nicht gefördert wird. lichen Nahverkehr? Wie begegnen wir der wachsenden [Uwe Doering (Linksfraktion): Rohstoff!] Lebensstildiktatur in einigen Kiezen? Über 20 Bildungsreformen, die auf Zwang gesetzt haben, [Beifall bei der CDU] auf einen ständigen Umbau der Strukturen, haben die Hinzu kommt die Frage, wie wir dafür sorgen können, Schulen überfordert. Lehrermangel, Unterrichtsausfall dass unsere Schulen endlich wieder funktionieren. Wie und Notstundenpläne – das bestimmt heute den Bildungs- können wir dafür sorgen, dass Infrastruktur endlich wie- alltag an Berlins Schulen! der als Chance wahrgenommen wird und nicht als Prob- [Beifall bei der CDU] lem? – Das sind Themen, die heute im Jahr 2011 anste- hen, das sind die Themen, auf die Sie keine Antwort ha- Angesichts dieser Bilanz ist es kein Wunder, dass die ben, und das ist letztlich ein Problem für unsere Stadt. SPD im Wahlkampf bei der Auswahl ihrer Schwerpunkte Darüber sollten wir reden, am besten im Rahmen einer von Bildung nichts mehr wissen will. Die Lehrer aber, die Aktuellen Stunde. – Herzlichen Dank! Brandbriefe schreiben und auf die Straße gehen, die El- tern und Schüler, die diese Zustände zum Verzweifeln [Beifall bei der CDU] bringen, die wollen sehr wohl etwas davon wissen, und vor diesen Menschen werden Sie sich und Ihre Politik Präsident Walter Momper: verantworten müssen. Danke schön, Herr Kollege Henkel! – Für die Fraktion Vielleicht fragt sich Herr Wowereit selbst gelegentlich, Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr der Kollege Esser was von seiner Amtszeit überdauern wird, was bleiben das Wort. – Bitte schön, Herr Esser! wird. In der ersten Legislaturperiode hat er der Stadt durchaus seinen Stempel aufgedrückt – wie immer man Joachim Esser (Grüne): auch dazu stehen mag. Nach 2006 haben wir ein völliges Desinteresse an den Zuständen unserer Stadt erlebt, eine Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir schlagen Taten- und Ideenlosigkeit, die ihresgleichen sucht. Ihnen heute vor, über den HOWOGE-Skandal zu spre- chen, [Beifall bei der CDU] [Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)] Ja, es ist dem Regierenden Bürgermeister nicht gelungen, die Attraktivität unserer Stadt zu verspielen, aber er hat es auch wenn einige von Ihnen das nicht ganz so gerne hören versäumt, dazu beizutragen, dass diese Attraktivität künf- und tun. tig bewahrt werden kann. [Zuruf von Lars Oberg (SPD)] [Zuruf von Dr. Andreas Köhler (SPD)] Es sollte aber unser aller Anliegen sein zu diskutieren, Viele Dinge funktionieren heute nicht mehr, die Normali- wie Berlin den schädlichen Ruf als Hauptstadt von Filz tät ist an vielen Stellen verloren gegangen, an den Schu- und Korruption los wird. len, bei der S-Bahn, in Kiezen, die mit steigenden Mieten, [Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)] Verwahrlosung, Gewalt und zunehmender linker Intole- ranz zu kämpfen haben. Diese Vernachlässigung werden Davon ist leider viel öfter die Rede als von Ihrem Titel wir mit jedem Tag, an dem wir nicht gegensteuern, immer „Hauptstadt der Integration“, der schön wäre, den wir uns teurer bezahlen müssen. Es muss sich vieles ändern, damit aber erst noch erwerben müssen. Berlin so attraktiv bleiben kann wie heute. [Beifall bei den Grünen] [Gelächter bei der SPD] Den Titel „Hauptstadt von Filz und Korruption“ wären Und ja, es ist auch richtig: Keine Regierung macht alles wir gerne los, denn dieser Ruf ist leider nicht ganz unbe- falsch. gründet, Herr Brauer! Die Ursachen abzustellen, schafft man nur durch rückhaltlose Aufklärung und daraus fol- [Beifall bei der SPD] gende Konsequenzen in der Regierungspraxis. Dieser Senat hat aber auch lange nichts mehr richtig ge- [Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)] macht. ist 2001 mit dem Anspruch ange- treten, Antworten auf die Fragen zu haben, die sich da- Und genau darüber wollen und müssen wir meiner An- mals stellten. So offensiv, wie er sich zu der Zeit gegeben sicht nach miteinander diskutieren. hat, so ratlos erleben wir ihn heute. Es gibt neue Fragen,

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Joachim Esser [Beifall bei den Grünen – legin Junge-Reyer stellt er lakonisch fest – ich zitiere aus Uwe Doering (Linksfraktion): Wollen Sie der Zeitung –: Jeder verfügte über einen dicken Ordner. schon dem Bericht vorgreifen?] Den konnte er lesen oder auch nicht. Dieser fragwürdige Titel einer Filzhauptstadt verfolgt [Beifall bei den Grünen und der CDU – unsere Stadt schon ungefähr so lange, wie Sie, Meine Beifall von Volker Thiel (FDP)] Damen und Herren von der SPD, hier in Berlin regieren, Wem soll man also in Sachen HOWOGE heute glau- und das sind seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs alles ben? – Ehrlich gesagt: Ich glaube am ehesten Herrn Sar- in allem fast 58 Jahre. razin, denn der hat, anders als die anderen Beteiligten, am [Beifall bei den Grünen und der CDU] 18. September hier in Berlin keine Wahl zu verlieren. Und 58 Jahre, das ist eine sehr lange Zeit, in der Berlin [Uwe Doering (Linksfraktion): Glauben wunderschöne, aber auch äußerst schlimme Jahre erlebt Sie sich selber nicht?] hat. Die Zeitläufe waren immer verschieden, aber eines Der Fall HOWOGE mit seiner Vetternwirtschaft bis in blieb sich immer gleich, eine Konstante gab es leider in den Senat belegt nur aufs Neue, dass die Dauerherrschaft der ganzen Zeit: die Bauskandale. Und der Genossenfilz einer Partei höchst ungesund ist. Die Gewöhnung an bei der HOWOGE ist im Augenblick nur das letzte Ereig- Macht sorgt allzu leicht dafür, dass Einzelne, die lange in nis in dieser Kette, die einfach nicht abreißen will, seit Sie hohen Positionen sind, die Maßstäbe verlieren und glau- hier regieren, Meine Damen und Herren von der SPD! ben, über dem Recht zu stehen. Der Fall HOWOGE bes-

tätigt das jetzt nur. Herr Wowereit ist jetzt nicht da, aber Letzte Woche ist der Persilschein geplatzt, den sich die ich frage ihn trotzdem: Gilt Ihr Versprechen von 2002 verantwortliche Bausenatorin Junge-Reyer selbst ausge- noch, in der Stadt und in den eigenen Reihen einen Men- stellt hatte. Frau Junge-Reyer – so stellen wir fest – hat talitätswechsel durchzusetzen? – Wir bitten hier um Zu- uns verschwiegen, dass ihr schon damals bekannt war, stimmung zu unserem Vorschlag zur Aktuellen Stunde, dass der Vorstand der HOWOGE die Fragen von Verga- berecht und Vergabepraxis ganz anders sah als sie und [Uwe Doering (Linksfraktion): Morgen dass er ihr das auch deutlich gemacht hat. Sie hat uns machen wir das!] verschwiegen, dass der Vorstand der HOWOGE auch in damit Herr Wowereit und die SPD ihrerseits Gelegenheit den Folgejahren immer wieder die Rechtsauffassung der erhalten, diese Frage zu beantworten. – Danke schön! Senatorin nicht geteilt hat und an seiner eigenwilligen Vergabepraxis festzuhalten gedachte. [Beifall bei den Grünen und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP] [Uwe Doering (Linksfraktion): Wo nehmen Sie denn das her?] Und welche Konsequenzen hat Frau Junge-Reyer aus Präsident Walter Momper: ihrer Kontroverse mit dem Vorstand der HOWOGE ge- Danke schön, Herr Kollege Esser! – Für die Linksfraktion zogen? hat nunmehr Frau Baba-Sommer das Wort zur Begrün- [Zurufe von der SPD] dung der Aktuellen Stunde. – Bitte schön! Wir wissen heute: Keine! – Wurde die Vergabepraxis der [Unruhe] HOWOGE unterbunden? – Nein! [Zurufe von der SPD] Evrim Baba-Sommer (Linksfraktion): Wurden die unbotmäßigen Geschäftsführer ausgewech- Ruhe, jetzt bin ich dran, Herr Esser! selt? – Wieder nein! – Das alles geschah erst vor einigen Monaten, als es unvermeidlich wurde, als herauskam, [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] dass die SPD-Genossen Adam und Kirschner in ihrer Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor 50 Jahren Eigenschaft als Geschäftsführer der HOWOGE dem SPD- begann ein neues Kapitel in der Geschichte dieses Lan- Abgeordneten Hillenberg in seiner Eigenschaft als Bau- des. 1961 wurde das Anwerbeabkommen zwischen der planer jahrelang die Aufträge unter Umgehung von Recht Türkei und Deutschland unterzeichnet. und Gesetz zugeschanzt haben. Heute will auf der Regie- [Zuruf von der CDU] rungsseite davon keiner mehr etwas gewusst oder gemerkt haben. Da werden Erinnerungslücken reklamiert, wohin Heute leben vier Generationen Einwanderer aus der Tür- man schaut, als sei das gesamte Regierungslager von kei, Türken wie Kurden, in Deutschland. Sie bauten die Helmut Kohls sprichwörtlich gewordenem Blackout- bundesdeutsche Wirtschaft mit auf, und sie prägen heute Syndrom heimgesucht worden. Einzig der frühere Finanz- unseren Alltag. Am Anfang stand die Forderung der bun- senator Sarrazin macht keinen Hehl daraus, dass er von desdeutschen Wirtschaft nach Arbeitskräften. Die Bun- der intensiven Geschäftsbeziehung zwischen HOWOGE desregierung beschloss 1955 als vorübergehende Maß- und dem SPD-Abgeordneten Hillenberg gewusst hat, die nahme die Anwerbung von Italienern. Seit 1961 kamen rechtswidrige Vergabepraxis der HOWOGE gekannt und Menschen aus der Türkei, zumeist aus ärmeren Regionen. gebilligt hat. Und zur Ahnungslosigkeit seiner Senatskol- Viele hofften, der eigenen Not und Armut in der Türkei zu entfliehen. In ihren Augen war Deutschland ein Pa-

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Evrim Baba-Sommer radies, in dem Milch und Honig fließen würden. Die Rea- Präsident Walter Momper: lität sah jedoch anders aus. Die Arbeit, welche die soge- Frau Baba, setzen Sie sich einfach durch! Sie haben das nannten Gastarbeiter verrichten mussten, war Schwerstar- Mikrofon. beit. Sie arbeiteten in Eisenstahlwerken oder in der Che- mieindustrie. Es fehlte die Vertrautheit der Familie. Sie kannten die Sprache nicht. Sie lebten oft in Isolation. Evrim Baba-Sommer (Linksfraktion): 1973 begann die Diskussion über Vor- und Nachteile der Dabei hatten diese Migranten bereits vor langer Zeit der Ausländerbeschäftigung. Dies führte zu einem Anwerbe- Politik die Hand gereicht und um Integration gebeten. stopp. 1982 beschloss die damalige rot-gelbe Bundesre- gierung Maßnahmen zur Förderung der Rückkehr auslän- [Zurufe von der CDU] discher Arbeitnehmer. Helmut Kohl verkündete offen: Die Bundesregierung setzt auf eine Assimilationspolitik. Die Zahl der Türken in Deutschland muss verringert wer- Sie will die Anpassung an eine vermeintliche deutsche den. – Man versprach arbeitslosen Menschen aus der Leitkultur. Türkei eine Rückkehrprämie von 10 000 DM. [Zurufe von der CDU] [Zuruf von Andreas Gram (CDU)] Die aber ist ein Konstrukt und völlig realitätsfern. Integra- Nur wenige – – Also gerade Sie von der CDU, hören Sie tion ist überdies keine Einbahnstraße, sondern ein beidsei- mal zu! tiger Prozess. Seit 2002 bekennt sich Deutschland nun [Beifall bei der Linksfraktion – formal dazu, ein Einwanderungsland zu sein. 2004 verab- Zurufe von der CDU] schiedete die rot-grüne Regierung ein Zuwanderungsge- setz. Es ist in Wahrheit ein Zuwanderungsbegrenzungsge- Sie haben sich in dieser Frage nicht mit Ruhm bekleckert. setz, denn es baut enorme Hürden für Einwanderer insbe- Hören Sie zu! sondere aus der Türkei auf. [Zurufe von der CDU] [Zurufe von der CDU] 10 000 DM Rückkehrprämie! Nur wenige nahmen das Aber es gibt auch positive Entwicklungen. Angebot an. Türkische und kurdische Arbeiter verglichen sich mit einer Zitrone, die man auspresste und deren [Beifall von Dr. Andreas Köhler (SPD) – Schale man nun wegwirft. Heute leiden ihre Kinder und Zurufe von der CDU und der FDP] Enkel an der verfehlten Integrationspolitik, besser gesagt, Und wie könnte es anders sein, sie kommen natürlich aus Desintegrationspolitik. Berlin. [Mirco Dragowski (FDP): Von Rot-Rot!] [Beifall bei der Linksfraktion – Viele von ihnen sind von der politischen Partizipation Ah! von der CDU – Zurufe von der CDU] ausgeschlossen. Wir haben als erstes Bundesland ein Partizipations- und [Mirco Dragowski (FDP): Sind Sie Integrationsgesetz in Abstimmung mit Migrationsorgani- Opposition oder Regierung?] sationen verabschiedet. Ihnen werden etwa das passive und aktive Wahlrecht oder [Andreas Gram (CDU): Der Koalitionspartner der Zugang zu öffentlichen Ämtern und Arbeit vorenthal- ist immer noch gelähmt!] ten. Menschen, die hier geboren sind und seit vielen Jah- Berlin setzt auf Vielfalt, und nicht, wie die SPD, ren hier leben, werden nicht als Teil dieser Mehrheitsge- sellschaft anerkannt. Menschen aus der Türkei wird im- [Ah!, Beifall und Gelächter bei der CDU – mer wieder vorgeworfen, sie seien integrationsunwillig. Zurufe von Emine Demirbüken-Wegner (CDU) Dieser Vorwurf wird ausgerechnet von denen, insbeson- und Dr. Michael Wegner (CDU) – dere von Politikern, erhoben, die maßgeblich für die Aus- Weitere Zurufe von der CDU] grenzung dieser Menschen aus der bundesdeutschen Ge- wie die CDU immer wieder fordert, auf Mono-Leitkultur. sellschaft verantwortlich sind, und das ist die CDU. Ferner fordert meine Partei Die Linke die Einführung des [Beifall bei der Linksfraktion] Wahlrechts für Nichtdeutsche. Wir setzen uns auch für die Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft ein. Nicht nur die CDU, auch die SPD! [Beifall bei der Linksfraktion] [Zurufe und Gelächter von der CDU] Vor 50 Jahren wurde das deutsch-türkische Abkommen Zum Teil! – Dabei hatten diese Migranten – – unterzeichnet. [Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)] [Christoph Meyer (FDP): Wann ist Beruhigen Sie sich! Ich komme noch zu Ihnen. die Redezeit endlich um?] [Unruhe] Das folgende halbe Jahrhundert war von einer diskrimi- nierenden Ausländer- und verfehlten Integrationspolitik gekennzeichnet. Und doch sind die Menschen, die aus der Türkei hierher kamen – und ihre Kinder –,

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Präsident Walter Momper: [Beifall bei der FDP – Frau Kollegin! Würden Sie zum Schluss kommen – bitte! Thomas Birk (Grüne): Tätä, tätä!] Vielleicht erinnern Sie sich noch, gerade bei den Grünen: Evrim Baba-Sommer (Linksfraktion): Vor einigen Jahren gab es einen Bezirk, der wollte die Schwaben loswerden. Nun sind es die gemeinen Touris- Ich komme zum Schluss – ten. [Beifall bei der CDU und der FDP] [Volker Ratzmann (Grüne): Wieso Teil dieser Stadt, dieses Landes geworden. So möchte ich sind die denn gemein?] frei nach Max Frisch, Fremdenfeindlichkeit hat viele Facetten. Dies ist sicher- [Zurufe von der CDU] lich die harmloseste. Aber dennoch sollten wir heute im Abgeordnetenhaus darüber diskutieren und eine klare der heute bereits oft zitiert worden ist, sagen: Haltung des Hauses, auch gerade von den Grünen, einfor- Wir haben Arbeitskräfte gerufen, und es kamen dern. Die FDP freut sich im Gegensatz zu den Grünen Menschen. über jeden Touristen, der in die Stadt kommt. Menschen, die dieses Land entscheidend geprägt haben! – [Beifall bei der FDP und der SPD– Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Kurt Wansner (CDU) – [Beifall bei der Linksfraktion – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Wir auch!] Buh! von der CDU – Zurufe von Andreas Gram (CDU) und Touristen stärken den Einzelhandel, schaffen Arbeitsplät- Dr. Michael Wegner (CDU) – ze und machen die Stadt bunter, interessanter und vielfäl- Weitere Zurufe von der CDU] tiger. Das sind eigentlich alles Umschreibungen, die auch von den Grünen früher einmal geteilt worden sind. Mitt- lerweile sind sie aber piefig, veränderungsfeindlich und Präsident Walter Momper: eingekiezt – gerade in Kreuzberg. Danke schön, Frau Kollegin Baba! – Für die FDP- [Beifall bei der FDP und der SPD – Fraktion hat jetzt der Kollege Meyer, der Fraktionsvorsit- Beifall von Gernot Klemm (Linksfraktion)] zende, das Wort. – Bitte schön, Herr Meyer! Berlin ist nach London und Paris auf Platz 3 der beliebtes- ten europäischen Reiseziele Christoph Meyer (FDP): [Zuruf von Heidi Kosche (Grüne)] Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Tucholsky und im Kongressgeschäft mittlerweile unter den Top-5- überspitzte einmal: Destinationen weltweit. Allein im Jahr 2010 hatten wir in [Beifall und Heiterkeit bei der CDU] Berlin über 20 Millionen Übernachtungen und dazu noch einmal 130 Millionen Tagesbesucher. Das sind knapp Als deutscher Tourist im Ausland steht man oft eine halbe Million Menschen jeden Tag. 230 000 Arbeits- vor der Frage, ob man sich anständig benehmen plätze für Berliner und rund 9 Milliarden Euro Einnahmen muss oder ob schon deutsche Touristen da gewe- im Jahr allein durch den Tourismus sind eine Chance für sen sind. unsere Stadt – und kein Risiko. [Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD) [Beifall bei der FDP – und Stefan Zackenfels (SPD)] Vereinzelter Beifall bei der SPD – In Berlin ist es teilweise schon so weit gekommen, dass Beifall von Peter Schwenkow (CDU)] man sich zum Schämen nicht mehr ins Ausland begeben Anti-Touristenkampagnen richten da massiven Schaden muss, der Ruf eilt uns voraus. für die Stadt als Standort an. Allein die Diskussion, die [Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Ja, Sie von den Grünen unter dem Stichwort „Matratzen- es war eben zu sehen!] maut“ angetrieben haben, zeigt exemplarisch, was Berlins Ob es die Berlin-liebt-dich-nicht-Kampagne in Kreuzberg Unternehmen unter eine Landesregierung mit grüner ist, die Hetzveranstaltung der Grünen mit dem Titel „Hil- Beteiligung droht: mehr Bürokratie, zusätzliche Belastun- fe, die Touristen kommen“ gen und das willkürliche Abkassieren zulasten aller, nicht nur der Berliner Wirtschaft. [Zurufe von der SPD: Schämt euch!] [Beifall bei der FDP – oder die zunehmenden Beschwerden von Anwohnern Beifall von Gernot Klemm (Linksfraktion) – wegen lauter Rollkoffer auf den Straßen oder nächtlichem Zuruf von Michael Schäfer (Grüne)] Lärm auf bestimmten Berliner Brücken, Berlin wird – so scheint es, und auch in Teilen des politischen Spektrums – Mann kann dem auch etwas Positives abgewinnen. Ein gastfeindlich. großer Teil der Berlinreisenden, die Sie aus der Stadt vertreiben wollen, liebe Kollegen von den Grünen, kommt aus anderen Bundesländern. Ich freue mich, dass

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Christoph Meyer Sie es diesen Wählern dort so leicht machen, sich bei der Dann mache ich Sie auf die Ihnen vorliegende Konsens- nächsten Wahl gegen die grüne Lebensstilintoleranz zu liste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten auf- entscheiden. Machen Sie ruhig weiter so! merksam. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen [Beifall bei der FDP] Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht der Fall sein, bitte ich um Wir gehen da einen anderen Weg. entsprechende Mitteilung. [Volker Ratzmann (Grüne): Genau! – Weitere Zurufe von den Grünen] Folgende Senatsmitglieder sind für die heutige Sitzung entschuldigt: Frau Senatorin Lompscher wird von ca. Wir wollen und müssen die touristische Anziehungskraft 18.30 Uhr bis 19.30 Uhr abwesend sein, um den Ver- Berlins weiter stärken. dienstorden 1. Klasse an den Präsidenten der Deutschen [Zuruf von Heidi Kosche (Grüne)] Rheuma-Liga Berlin zu verleihen. Der Regierende Bür- germeister wird bis ca. 15.45 Uhr abwesend sein, weil er Berlin muss Tourismusmetropole Nummer 1 werden. beim Staatsbesuch des japanischen Kronprinzenpaares in Ausbau von internationalen Flugverbindungen nach Asien Berlin weilt. und Übersee [Zuruf von Heidi Kosche (Grüne)] Dann habe ich noch die Freude, Schüler der Oberstufe des Beethoven-Gymnasiums mit dem Lehrer Herrn Fink an – ich weiß, dass Sie das nicht wollen, Frau Kosche –, der der Spitze herzlich bei uns zu begrüßen. – Herzlich will- Flughafen Berlin-Brandenburg darf kein Regionalflugha- kommen, dass Sie zu uns gekommen sind! fen werden, das sieht ja Herr Ratzmann anders. Frau Kü- nast möchte es dennoch. Wir brauchen eine möglichst [Beifall] intakte Verkehrsinfrastruktur. – Auch dagegen wehren Ich rufe auf sich die Grünen. – Wir stehen für eine weitere Lockerung der Ladenöffnungszeiten und das Abschaffen von weite- lfd. Nr. 1: ren Reglementierungen. Wir könnten zum Beispiel auch Fragestunde – Mündliche Anfragen darüber diskutieren, wie man die Außenbezirke der Stadt stärker ins Tourismuskonzept einbindet. All das könnten Das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage hat Frau Abge- wir heute in der Aktuellen Stunde miteinander diskutie- ordnete Christa Müller von der SPD-Fraktion mit der ren. Frage über Neue Chancen auf dem Ausbildungsmarkt? Zum Abschluss noch folgender Hinweis: Zur Fußball- WM 2006 lautete das Motto: „Die Welt zu Gast bei – Bitte schön, Frau Müller! Freunden“. Es ist schade, dass heute, fünf Jahre später, ausgerechnet zur Frauenfußball-WM anscheinend einige Christa Müller (SPD): dieses Bild in das Gegenteil verkehren wollen. Darüber Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich frage den wollen wir heute mit Ihnen reden. Deshalb bitte ich um Senat: die Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – 1. Wie bewertet der Senat die aktuelle Entwicklung des Beifall von Torsten Schneider (SPD)] Ausbildungsmarktes in Berlin? 2. Mit welchen Maßnahmen unterstützt der Senat die Präsident Walter Momper: schulisch leistungsschwächeren Jugendlichen auf dem Weg in eine betriebliche Berufsausbildung, und wie Danke schön, Herr Kollege Meyer! – Weitere Wortmel- beugt der Senat einem möglichen Fachkräftemangel in dungen liegen mir nicht vor. der Zukunft vor?

Ich lasse nun abstimmen, und zwar zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD. Wer dem SPD-Antrag für Präsident Walter Momper: die Aktuelle Stunde seine Zustimmung zu geben wünscht, Danke schön, Frau Müller! – Vom Senat antwortet Frau den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD Bluhm, die Sozialsenatorin. und die Linksfraktion. Die Gegenprobe! – Das sind CDU und FDP. Ersteres war die Mehrheit. Dann ist der Antrag so angenommen. Enthaltungen? – Von Bündnis 90/Die Senatorin Carola Bluhm (Senatsverwaltung für Grünen. Integration, Arbeit und Soziales): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abge- Ich rufe das Thema der Aktuellen Stunde wie üblich unter ordnete Müller! In den letzten Tagen haben sich IHK und dem Tagesordnungspunkt 3 auf und werde es mit dem Handwerkskammer zur Situation der Besetzung von Aus- Tagesordnungspunkt 29 verbinden. Die anderen Anträge bildungsplätzen geäußert. Zu lesen war, dass es noch viele haben damit ihre Erledigung gefunden. offene Stellen gibt. Ich begrüße die Initiative der Wirt- schaft, darauf noch einmal ausdrücklich aufmerksam zu

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Senatorin Carola Bluhm machen, denn nach mageren Jahren beschert nun der lichen vor Ausbildungsbeginn bei Berliner Unternehmen Geburtenknick den Jugendlichen deutlich bessere und in Angriff zu nehmen und auch zu nutzen. neue Chancen auf einen Ausbildungsplatz, insbesondere auf einen dualen Ausbildungsplatz. Die Berliner Unter- Sie hatten in der zweiten Frage nach konkreten Maßnah- nehmen sagen den Jugendlichen: Berlin braucht dich! – men im Einzelnen gefragt. Das würde ich gern sehr aus- und der Senat sieht das genauso. führlich beantworten, aber ich glaube, dass lässt der Rah- men der Fragestunde nicht zu. Deshalb will ich das The- Die Zahl der neu begründeten Ausbildungsverhältnisse ist ma nur kurz in vier Punkten anreißen. Erstens, die Förde- von 29 036 im Jahr 2009 auf 29 102 im Jahr 2010 gestie- rung nach dem Richtlinienprogramm: Hier erhalten Un- gen. Dies beruht im Wesentlichen auf einer Erhöhung im ternehmen einen Zuschuss, wenn sie Jugendliche, die Bereich der Medizinalfachberufe der öffentlich-recht- einen schlechten oder keinen Schulabschluss haben, den- lichen Laufbahn im unmittelbaren Landesdienst und der noch in die Ausbildung aufnehmen und erfolgreich hel- vollqualifizierenden Ausbildung in Berufsfachschulen. fen, die Ausbildung zu durchlaufen. Die abgeschlossenen Ausbildungsverträge für duale Aus- bildungsberufe nach dem Berufsausbildungsgesetz redu- Zweitens, die Förderung im Rahmen des Berliner Ausbil- zierten sich dagegen von 19 466 im Jahr 2009 auf 18 994 dungsplatzprogramms: Hier geht es um Jugendliche, die im Jahr 2010. zwar die Ausbildungsreife haben, aber dennoch keinen Ausbildungsplatz erringen konnten. Hier bekommen die Dennoch können wir, seit wir die von Prognos vorgelegte Jugendlichen eine öffentlich geförderte Ausbildung und Fachkräftestudie diskutiert haben, vermerken, dass wir einen Berufsabschluss, der auch vom Senat finanziert uns sehr intensiv bemüht haben, dieses Thema anzugehen, wird. Für dieses Ausbildungsjahr stehen 500 Ausbil- auf dieses Thema aufmerksam zu machen. Und wir spü- dungsplätze zur Verfügung. ren eine Umbruchsituation, ein Umdenken von vielen Berliner Unternehmen, dass die Unternehmen einen eige- Drittens, „Ausbildung in Sicht!“: das sind Projekte und nen Beitrag leisten müssen und dass die beste Sicherung Maßnahmen, die sich an Schülerinnen und Schüler rich- von Fachkräften die Ausbildung von zukünftigen Fach- ten, die insbesondere sprachliche oder auch schulische kräften im eigenen Unternehmen ist. Denn die Situation Probleme haben, die sie daran hindern, eine Ausbildung ist die, dass wir in vielen Berliner Unternehmen ältere zu beginnen und einen Ausbildungsvertrag abzuschließen. Belegschaften haben und gleichzeitig eine geringere Zahl Das ist eine sehr sinnvolle Maßnahme, weil sie zeigt, dass von Schulabgängern, die für eine Ausbildung infrage sie nach Abschluss dann auch wirklich in ein normales kommen. Ausbildungsverhältnis überführt werden kann.

Deshalb haben wir bereits im Januar dieses Jahres unsere Unser Mentoringprogramm, das wir erst im letzten Jahr Sitzung der Sonderkommission „Ausbildungsplatzsituati- begründet haben, beruht darauf, dass wir genau hinge- on und Fachkräfteentwicklung“ vorgezogen, und es ist schaut haben, warum es so viele Ausbildungsabbrüche gelungen, dass Senat, Kammern, UVB, DGB und die gibt. Wir müssen an der Stelle sehr genau schauen, wie Regionaldirektion eine gemeinsame Vereinbarung, näm- wir bereits durch die Beratung der Jugendlichen Abbrü- lich die Berliner Vereinbarung zur Nachwuchskräftesi- che verhindern und beraten können, welcher Ausbil- cherung durch Ausbildung, mit einer Laufzeit bis 2014 dungsplatz in welcher Richtung für sie oder ihn der rich- unterzeichnet haben. Neu ist dabei nicht, dass sich die tige ist. Aber auch wenn sie die Ausbildung begonnen öffentliche Hand genau festlegt, wie sie intensiv tätig sein haben, zeigt sich, dass viele Jugendliche eine Unterstüt- und unterstützen will, sondern dass es auch sehr konkrete zung brauchen. Wir haben ein Metorenprogramm ins Projekte in der Umsetzung gibt. Das füllt 19 Seiten. Leben gerufen und waren sehr erfreut, dass sich so viele Ehrenamtliche, beispielsweise auch ehemalige Ausbilder, Es gibt ganz konkrete Verantwortlichkeiten, die benannt gemeldet haben, um dieses Programm zu unterstützen. worden sind, im Bereich Berufsorientierung, im Bereich Auch in der migrantischen Community ist es sehr gut des Übergangs von Schule und Beruf, sehr konkrete angenommen. Es werden jetzt Jugendliche während der Maßnahmen, wie man sich künftig noch besser, effektiver Ausbildung unterstützt, und das hilft, Ausbildungsabbrü- und erfolgreicher an Jugendliche mit einem schlechteren che zu vermeiden. Schulabschluss wenden kann, diesen also auch Unterstüt- zungsangebote unterbreitet, und auch wie das Potenzial Als Letztes hatten Sie zu dem großen Thema Fachkräfte- von Jugendlichen mit Migrationshintergrund besser ge- mangel gefragt. Wir haben uns sehr intensiv damit ausei- nutzt werden kann. nandergesetzt, seit Berlin und Brandenburg gemeinsam die Fachkräftestudie vorgelegt bekommen haben – und Auch die Regionaldirektion wird in diesem Jahr wieder zwar alle Beteiligten. Das scheint mir das Entscheidende ihren Beitrag leisten, indem sie die erforderliche Platzzahl zu sein. Denn es gibt hier den ganz entscheidenden Hin- für benachteiligte Jugendliche zur Verfügung stellt. Der weis – er wird auch gerade bundespolitisch sehr intensiv Senat ist selbstverständlich auch sehr aktiv tätig und wird diskutiert –, dass konkret für die Region Berlin-Branden- darüber hinaus noch mal aus aktuellem Anlass dafür wer- burg, wenn wir nichts unternehmen, im Jahr 2030 ein ben, die Nutzung der Einstiegsqualifizierung von Jugend- Fachkräftemangel von bis zu 460 000 Personen besteht.

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Senatorin Carola Bluhm Das heißt, Gegenstrategien kann man nur gemeinsam, ten und Zugängen zu Ausbildung, auch für Jugendliche, sehr konkret und dann auch abrechenbar entwickeln. Das die bereits vor längerer Zeit die Schule abgeschlossen haben wir mit unserem Masterplan Qualifizierung getan. bzw. die Schule ohne Schulabschluss verlassen haben. Er ist Orientierungsrahmen. Er enthält zentrale Empfeh- Dafür gibt es beispielsweise die Möglichkeiten, den lungen. Er ist abgestimmt, und er weist sehr viele Wege Schulabschluss nachzuholen oder aber in ein Ausbil- auf, wie das Problem eines Fachkräftemangels verhindert dungsverhältnis überzuwechseln, das während der Aus- werden kann und umgekehrt die Potenziale Berlins von bildung auch die Möglichkeit gewährleistet, den Schulab- derzeit Arbeitslosen, von derzeit in der Familienphase schluss nachzuholen. Von daher haben wir eine Nachran- befindlichen, von derzeit noch zu qualifizierenden Berli- gigkeit verabredet. nerinnen und Berlinern und Brandenburgerinnen und Brandenburgern genutzt werden können. Wir haben extra deshalb unsere Sonderkommission auf den Januar vorverlegt, um genau zu schauen, wie die Dazu haben wir uns im Berliner Masterplan zu sechs Entwicklung bei den zur Verfügung gestellten Ausbil- Handlungsfeldern entschlossen: dungsplätzen im dualen Bereich, bei den Medizinalfach- berufen und in allen anderen Bereichen ist, und dann das 1. duale Ausbildung, Vorhalten von schulischen Maßnahmen zurückzunehmen. 2. Übergang Schule/Beruf, regionales Übergangsmana- Wir können es zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ab- gement, schließend sagen, ob sie notwendig werden, denn wir sind mitten in der Vermittlungsphase. Wir stellen allerdings 3. berufliche Weiterbildung, fest, dass wir mehr – ich glaube, 12,9 Prozent mehr – 4. Fachkräfteweiterbildung an Hochschulen, Ausbildungsplätze als im vorigen Jahr im Angebot haben, sich deshalb also auch dieses Angebot an bisher Unver- 5. berufsbezogene Bildungsberatung, sorgte, sogenannte Altnachfrager, richtet, sodass also die 6. Wachstumsregionen: Flughafen Berlin-Brandenburg. gesamte Leistung von Ausbildung in den unterschiedli- chen Bereichen immer nur in den einzelnen Bereichen in Das ist ein großes Feld von einzelnen Maßnahmen, und der Summe betrachtet werden kann. das Entscheidende ist, dass alle Akteure dabei sind, die einen Beitrag leisten müssen, dass die Ziele, die Vorhaben [Mieke Senftleben (FDP): Die anderen wollen und die Verantwortlichkeiten vor allem so konkret be- auch noch fragen!] nannt sind, dass wir sie permanent auch in Lenkungskrei- Demnach beobachten wir das, wie in den vergangenen sen von Berlin und Brandenburg versuchen zu evaluieren Jahren auch. Der Ausbildungs- und Vermittlungszeitraum und dass dies ein Prozess ist, der gelingen wird und muss. ist noch nicht abgeschlossen, aber wir sind sehr gut aufge- [Michael Braun (CDU): Die redet ja länger stellt. Wir haben in diesem Jahr die Berliner Vereinba- als in einer Aktuellen Stunde!] rung mit allen Akteuren – auch mit der UVB, der IHK und der Handwerkskammer – abgeschlossen. Wir werden dieses Problem in einem intensiven, kommunikativen Präsident Walter Momper: Prozess lösen. Danke schön, Frau Senatorin! – Eine Nachfrage der Kol- [Beifall von Mieke Senftleben (FDP)] legin Müller – bitte!

Präsident Walter Momper: Christa Müller (SPD): Danke schön, Frau Senatorin! – Der Kollege Czaja von Vielen Dank, Frau Senatorin Bluhm, für die ausführliche der FDP hat eine Nachfrage. – Bitte schön! Antwort Trotzdem eine Nachfrage: Wie schätzen Sie ein, ob die von Ihnen angeführten 500 Plätze im Berliner Ausbildungsprogramm ausreichend sind, und beziehen Sebastian Czaja (FDP): sich diese Maßnahmen auch auf den Abbau der sogenann- Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Vielleicht ten Altbewerberinnen und Altbewerber, also Jugendli- können Sie meine Nachfrage auch entsprechend ausführ- chen, die nach längerer Zeit seit dem Schulabschluss lich beantworten. Mich würde interessieren, wie Sie zu immer noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben? der Forderung der Abgeordneten Grosse stehen, die sie im letzten Plenum formuliert hat: Sie hat sich für die Einfüh- Präsident Walter Momper: rung einer Ausbildungs- und Weiterbildungsplatzabgabe für die Unternehmen in Berlin ausgesprochen. Frau Senatorin Bluhm – bitte schön! [Markus Pauzenberger (SPD): Gute Forderung!] Senatorin Carola Bluhm (Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales): Präsident Walter Momper: Frau Abgeordnete Müller! Es geht insgesamt um ein Set Bitte, Frau Senatorin Bluhm! von Angeboten, Maßnahmen, Rekrutierungsmöglichkei-

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Senatorin Carola Bluhm (Senatsverwaltung für Michael Braun (CDU): Integration, Arbeit und Soziales): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Wie Sie wissen, hat sich das Bundesverfassungsgericht Senat: dazu 1980 sehr eindeutig geäußert. Ich glaube, dass das auch zielführend ist. Es hat auf die klare Verantwortung 1. Treffen Presseberichte zu, dass die Berliner Flughafen für Bildung, Schule und Studium an den Staat und ein GmbH auf dem neuen Flughafen BER den Fluglinien sehr hohes Maß an Verantwortung für Ausbildung an die einen im Vergleich zu den heutigen Entgelten um Unternehmen verwiesen. Insofern ist das die Richtschnur 5 Euro höheren Betrag pro Passagier in Rechnung unseres Handelns in Berlin, wenn sich jetzt die demogra- stellt, bejahendenfalls für welchen Zeitraum soll diese fische Situation ändert. Es ist für uns dann wichtig, ge- erhöhte Abgabe gelten? meinsam mit Handwerkskammer, IHK und UVB dafür zu 2. Welche Gründe hat diese Sonderabgabe, und liegen werben, dass es wirklich mehr Ausbildungsplätze gibt und berechtigte Befürchtungen vor, dass der Flughafen ei- dass ein Anstieg von Arbeitsplätzen im industriellen Be- ne Finanzierungslücke, ggf. in welcher Höhe, auf- reich auch damit zusammenhängt, dass dort mehr Ausbil- weist? dungsplätze angeboten werden. Deshalb haben beispiels- weise der Regierende Bürgermeister und ich einen Aus- bildungstag gemacht, wo dafür geworben wurde, dass Präsident Walter Momper: mehr industrielle Ausbildungsplätze entstehen. Danke schön, Herr Kollege Braun! – Herr Meng hat in [Beifall von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)] Vertretung des Regierenden Bürgermeisters die Antwort Insofern sind die Kräfteverhältnisse rein qualitativ und parat. – Bitte schön! quantitativ festgelegt, und – das ist wirklich neu – wir haben eine feste Verabredung mit Handwerkskammer, Staatssekretär Dr. Richard Meng (Senatskanzlei): IHK und UVB über die Bereitschaft, mehr Ausbildungs- plätze zur Verfügung zu stellen, weil diese Ausbildungs- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abge- plätze – von vielen Unternehmen auch erkannt – ein ordneter Braun! Ich beantworte die beiden Fragen im wichtiger Weg sein werden, um in der Zukunft die eigene Zusammenhang: Die vom Ministerium für Infrastruktur Fachkräfteproblematik in Unternehmen zu lösen. und Landwirtschaft in Brandenburg genehmigte Gebüh- renordnung ist seit dem 1. April dieses Jahres bereits [Beifall bei der Linksfraktion – bekannt, transparent und öffentlich zugänglich. Sie bein- Sebastian Czaja (FDP): Sind Sie haltet – das ist wahr – höhere Entgelte im Vergleich zu nun dafür oder dagegen?] den bisherigen. Es wird aber auch eine höhere Leistung geboten. Das ist nun wirklich keine Überraschung, denn wir bauen hier einen internationalen Flughafen, auf den Präsident Walter Momper: wir uns alle gemeinsam freuen sollten. Danke schön, Frau Senatorin Bluhm! [Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Die CDU nicht!]

Bevor ich die nächste Frage aufrufe, habe ich die große Eine Sonderabgabe zur Finanzierung des BER ist darin Freude, die Delegation der Moskauer Stadtduma unter der natürlich nicht enthalten. Am Finanzierungskonzept für Leitung von Herrn Platonow in unserem Hause begrüßen den neuen Flughafen hat sich in den zurückliegenden zu dürfen. – Herzlich willkommen! Monaten nichts geändert. Insbesondere gibt es keine Fi- nanzierungslücke, wie Sie in Ihrer Frage unterstellen. [Allgemeiner Beifall]

Die Delegation ist natürlich anlässlich des 20. Jahrestages Bei der neuen Entgeltordnung ist zu berücksichtigen, dass des Abschlusses des Partnerschaftsvertrags zwischen es sich um die Bereitstellung von neuer Infrastruktur Moskau und Berlin hier und hat ein strammes Programm. handelt, und die hat ihren Preis. Die Gebührenordnung ist Es gibt Gespräche über die BVG bzw. den öffentlichen aber nicht irgendeine Fortschreibung, sondern durchdacht Personennahverkehr, woran auch die Abgeordneten betei- und zielgerichtet. Mit dieser Entgeltordnung wurde ein ligt sind, über Umweltfragen, über Fragen der Tierhaltung vernünftiger Kompromiss zwischen den Interessen der in der Stadt und dergleichen. Es ist mir eine große Freude, Airlines und der Flughafengesellschaft gefunden. Es galt, dass es seit 20 Jahren einen so guten Austausch und eine alle Airlines mit ihren unterschiedlichen Ansprüchen so enge Partnerschaft zwischen Moskau und Berlin gibt. unter einem Dach zusammenzubringen. Das ist des Kon- Gute Zeit in Berlin! zept des BER.

Jetzt geht es mit einer Frage des Kollegen Braun von der Gleichzeitig waren zahlreiche rechtliche und betriebliche CDU-Fraktion weiter, und zwar zu dem Thema Vorgaben zu beachten. Kein Airline wird an diesem Neuer Großflughafen mit riesiger Flughafen subventioniert. Herausgekommen ist eine Ent- Finanzierungslücke? geltordnung, die nicht einfach pro Passagier abrechnet, sondern differenziert ist und einen eindeutigen, nachvoll- – Bitte schön! ziehbaren Kostenbezug hat.

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Staatssekretär Dr. Richard Meng Durch die neue Entgeltordnung werden gezielt Effizienz- Schwarz unwirtschaftlich für die Fluggesellschaften und anreize gegeben, zum Beispiel für kurze Standzeiten am das Andere – die höhere Entgeltordnung – nicht? Flughafen, für eine hohe Auslastung der Airlines, für Verkehrswachstum für Airlines, die Landstreckenflüge Präsident Walter Momper: anbieten – worauf wir besonders hoffen, – und – nicht zu vergessen – für den Einsatz umweltfreundlicher Flugzeu- Bitte schön, Herr Meng! ge. Darauf setzen wir einen wichtigen Akzent. [Beifall bei der SPD] Staatssekretär Dr. Richard Meng (Senatskanzlei): In der neues Entgeltordnung führt die Flughafengesell- Herr Abgeordneter Braun! Da verwechseln Sie zwei The- schaft nicht nur ein lärmbezogenes Entgelt fort, sondern men: Einmal handelt es sich um die Entgeltordnung, die erweitert es sogar an verschiedenen Punkten. So werden in ausführlichen Konzentrationsverfahren als Kompro- Flüge zwischen 22 und 6 Uhr mit einem differenzierten miss entwickelt worden ist und wo klar ist, dass nicht jede Lärmaufschlag versehen, um einen Anreiz für die Ab- Fluggesellschaft sich freut, wenn ein Entgelt höher wird, wicklung dieser Flüge in der Tageszeit von 6 bis 22 Uhr weil sie dadurch mehr Leistung bezahlen muss. Das zu bieten und nicht in den berühmten Randzeiten, die wir Zweite sind Kosten für konkrete Flugrouten, die mögli- brauchen, aber mit möglichst wenigen Flügen. Nicht cherweise entstehen. Die legt die Flugsicherung fest. Wir zuletzt gibt es künftig ein emissionsbezogenes Entgelt, warten mal ab, was da festgelegt wird, aber die Festle- mit dem ein Ansatz zum Einsatz modernen Fluggeräts mit gung erfolgt hauptsächlich nach Sicherheitskriterien. geringerem Klimagasausstoß geschaffen wird. – Es ist Danach haben wir die berühmte Debatte, welche Kriterien rundherum ein durchdachtes Konzept mit diversen Ak- noch eine Rolle spielen. Da hoffen wir darauf, dass die zenten – sowohl verkehrs-, umwelt- als auch lärmschutz- Empfehlungen der Flugsicherheitskommission so weit politischer Art. wie möglich berücksichtigt werden können. Aber da müs- sen wir abwarten, wie die Entscheidung ausfällt. Das ist Es ist darauf hinzuweisen, dass ein sehr transparentes ein anderes Thema, das mit der Entgeltordnung nichts zu Verfahren in der Vorbereitung des Konzepts gewählt tun hat. wurde. Schon vor Antragstellung beim zuständigen bran- denburgischen Ministerium – das heißt, vor dem vorge- Präsident Walter Momper: schriebenen offiziellen Konsultationsverfahren – hatte die Flughafengesellschaft im Rahmen des Antragsverfahrens Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Friederici. Gesprächsphasen mit den Airlines. Die Entgeltordnung – Bitte! für den neuen Flughafen Berlin-Brandenburg Internatio- nal Willy Brandt wie auch die für die bestehenden Flug- Oliver Friederici (CDU): häfen Tegel und Schönefeld sind keine Geheimnisse, sondern sie sind auf der Homepage der Flughafengesell- Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Staatssekretär, ich schaft nachzulesen. Sie sind öffentlich, transparent und frage Sie: Können Sie ausschließen, dass durch die Erhö- entsprechen dem Fortschritt, den wir uns von diesem hung der Entgelte weniger Flugbetrieb stattfinden wird, Flughafen erwarten, nämlich einen internationalen Flug- weil Fluggesellschaften Flugverbindungen streichen wer- hafen mit einem internationalen Niveau, der mehr Leis- den, weil es sich im Billigfliegerbereich möglicherweise tung auch für die Airlines bietet. Dementsprechend wer- nicht mehr rentieren wird? den die Entgelte geregelt. [Beifall bei der SPD – Präsident Walter Momper: Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] Herr Meng – bitte schön!

Präsident Walter Momper: Staatssekretär Dr. Richard Meng (Senatskanzlei): Danke schön, Herr Meng! – Der Kollege Braun hat eine Herr Abgeordneter! Wir erwarten mehr Flugbetrieb. Wir Nachfrage. – Bitte sehr! bauen einen internationalen Flughafen mit einer verbes- serten Anbindung. Deswegen gehen wir davon aus, dass der Flugverkehr in Berlin weiter wachsen wird und weiter Michael Braun (CDU): wachsen muss. Wer auch immer in der Stadt Signale Herr Staatssekretär Meng! Vor Kurzem hat der Geschäfts- setzt, dass das die Stadt nicht brauche, ist auf dem Holz- führer Schwarz im Ausschuss für Stadtentwicklung und weg. Wir wollen einen Flughafen, der die Stadt wirt- Verkehr dieses Hauses gesagt, dass ein Umfliegen des schaftlich vorantreibt, und ich schließe hier nichts aus, Südwestens Berlins – westlich um Potsdam herum – nicht noch fordere ich etwas, sondern wir sind hier an dem möglich sei, weil das den Fluggesellschaften wirtschaft- Punkt, dass wir etwas erwarten. Und wir erwarten einen lich nicht zumutbar sei. Wir reden über Mehrkosten von weiteren Zuwachs des Flugverkehrs in Berlins – auch des ungefähr 70 Cent pro Passagier und Flug. Deshalb meine Umsteigeflugverkehrs – zum Wohl der Stadt. Frage: Warum ist das Eine nach Auskunft von Herrn [Beifall von Carl Wechselberg (SPD)]

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Präsident Walter Momper: Nutzung des dann geschlossenen Terminals A in Schöne- Danke schön, Herr Meng! feld – das kennen wir alle, dort fliegen wir alle jetzt ab – möglich sein wird. Das ist die Interimslösung, auf die die Jetzt geht es weiter mit der Frage Nr. 3 der Kollegin Bundesregierung setzt. Claudia Hämmerling von den Grünen mit dem Thema Für die Inhalte der Mietverträge für diese Interimsunter- Bauverzögerungen in Schönefeld bringung des Bundes im Terminal A im alten Flughafen – Bitte schön! Schönefeld sind zwischen Bund und Flughafengesell- schaft Verhandlungen im Gang. Grundlage bildet ein Letter of Intent, den es schon gibt. Das ist der Sachstand. Claudia Hämmerling (Grüne): Alles weitere ist jetzt in der Verantwortung des Bundes. Danke schön! – Ich frage den Senat: Insofern kann ich Ihnen auch nichts zum Datum sagen, wann der Bund, wenn die rechtlichen Grundlagen vorlie- 1. Wie erklärt der Berliner Senat die Verzögerung beim gen, wie und wann bauen wird. Das ist Sache des Bundes, Bau des Regierungsflughafens in Schönefeld um ein der Ihnen das beantworten kann. weiteres Jahr bis 2015, und welche Interimslösung ist für die Zeit dazwischen vorgesehen? Zu Ihrer zweiten Frage: Ich habe aus der letzten Sitzung in Erinnerung, dass die Frage nach angeblichen Gerüch- 2. Was ist dran an den Gerüchten, dass es auch im Ter- ten, dass der Flughafen nicht fertig werde, vonseiten der minplan des Flughafens BBI weitere Verzögerungen Union – oder der Opposition überhaupt – schon einmal geben soll? gestellt worden ist. Er wird fertig! Es gibt keinerlei be- kannte Verzögerung am Zeitplan. Wie Sie wissen, freut sich der Regierende Bürgermeister sehr auf die Einwei- Präsident Walter Momper: hung des Flughafens am 2. Juni 2012. Berlin braucht Danke schön! – Herr Meng, bitte! diesen großen Airport. Deshalb entbehren die Gerüchte und damit auch die Frage jeder Grundlage. Wir sind im Staatssekretär Dr. Richard Meng (Senatskanzlei): Zeitplan.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abge- ordnete Hämmerling! Ich beantworte diese beiden Fragen Präsident Walter Momper: getrennt. Bei Ihrer ersten Frage geht es um das sogenann- Danke schön! – Eine Nachfrage von Frau Kollegin Häm- te Regierungsterminal, an dem Staatsgäste ankommen, die merling. – Bitte! Berlin besuchen. Der Bund ist im Aufsichtsrat des Flug- hafens vertreten. Insofern ist er in allen Phasen der Pla- Claudia Hämmerling (Grüne): nung und des Baus des Flughafens über den Zeitplan voll informiert gewesen. Das Thema Regierungsflughafen ist Schönen Dank! – Es würde uns sehr freuen, wenn die in einer Vielzahl von Aufsichtsratssitzungen auch von den Gerüchteküche jeder Grundlage entbehren würde. Vertretern Berlins und Brandenburgs immer wieder in Richtung Bund angesprochen worden. Die Planung des Sie sprachen von einer Verzögerung des Planfeststel- Regierungsterminals obliegt jedoch allein der Bundesre- lungsverfahrens. Haben Sie sich in diesem Zusammen- gierung. Für den Bau dieses Terminals und – wenn Sie so hang dafür eingesetzt, dass die denkmalgeschützte Gene- wollen – des Regierungsflughafens ist ein Planänderungs- ralsvilla mit in die Hochbauten integriert wird, damit verfahren erforderlich. Dieses Verfahren wird vom Minis- nicht so ein gestaltloser Hochbaukomplex wie an jedem terium für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Flughafen entsteht? Wenn nein, warum nicht? Brandenburg bearbeitet. Ein Planänderungsbeschluss liegt noch nicht vor. Das ist zurzeit der Sachstand. Präsident Walter Momper:

Ein Erbbaurechtsvertrag zwischen dem Bund und der Herr Meng – bitte! Flughafengesellschaft für die Fläche des Bundes und eine Planungs- und Finanzierungsvereinbarung sind abschlie- Staatssekretär Dr. Richard Meng (Senatskanzlei): ßend verhandelt. Aber der Bund will erst nach Rechtskraft des Planergänzungsbeschlusses die genannten Verträge Ich muss leider darauf hinweisen, dass auch die denkmal- unterzeichnen und die entsprechenden Ausschreibungen schutzrechtlichen Fragen von Brandenburg bearbeitet vornehmen. Das ist eine Entscheidung des Bundes, die werden, weil es auf Brandenburger Gebiet liegt. man bedauern kann, aber wir haben keinen Einfluss dar- auf. Er will erst abwarten, bis das Verfahren rechtskräftig Der Antrag im Planänderungsverfahren des Bundes ist entschieden ist. Ende 2009 eingegangen. Da läuft in Brandenburg im Ministerium jetzt die Bearbeitungsphase. Ich kann Sie mit Die Bundesregierung sieht in der zeitlich späteren Fertig- solchen Detailfragen nur an das zuständige federführende stellung des Neubaus von sich aus kein Problem, da in der Ministerium verweisen. Von Verzögerungen habe nicht Zwischenzeit eine akzeptable Interimslösung durch die ich, sondern haben Sie in Ihrer Frage gesprochen. Es ist

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Staatssekretär Dr. Richard Meng ein wenig schade, dass der Bund so spät – obwohl er das Präsident Walter Momper: Timing des Flughafens sehr wohl kannte – so weit ge- Danke schön! – Der Finanzsenator wird antworten. – kommen ist, dass er konkrete Anträge gestellt hat, und Bitte, Herr Dr. Nußbaum! dass er auch jetzt nicht bereit ist, quasi im Vorhinein auf die Genehmigungen in den Planungen voranzugehen. Das führt in der Tat beim Bund zu Verzögerungen. Aber wenn Senator Dr. Ulrich Nußbaum (Senatsverwaltung für der Bund selbst darin keine Probleme sieht, können wir Finanzen): Berliner das nur schade finden. Offensichtlich ist die Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Abwicklung der Staatsbesuche gewährleistet. Abgeordnete Matuschek! Zu Ihrer ersten Frage: In der letzten Woche hat sich die CDU/FDP-Koalition auf Bun- Präsident Walter Momper: desebene von einem sehr wichtigen Projekt verabschiedet. Wir hatten die letzte Sitzung der Gemeindefinanzreform- Danke schön, Herr Meng! – Eine Nachfrage des Kollegen kommission. Sie ist damit zu Ende gegangen, indem wir Meyer – Bitte! die Abschaffung der Gewerbesteuer in Deutschland zu-

sammen mit den Kommungen abwehren konnten. Wir Christoph Meyer (FDP): haben das nicht deshalb getan, weil wir nicht offen sind Danke, Herr Präsident! – Herr Meng! Sie haben eben für die Modernisierung der Kommunalsteuern, sondern wieder von dem Eröffnungstermin gesprochen. Nun kann wir haben das deshalb getan, weil es darum ging, unsere man sich fragen, ob Eröffnung auch gleichbedeutend ist ureigensten Interessen als Stadtstaaten, als Kommunen zu mit kompletter Fertigstellung des Flughafens. Deshalb schützen. Ich möchte Ihnen das nochmals erläutern. würde ich Sie bitten, Ihre Auskunft zur zweiten Frage noch einmal zu konkretisieren, dass Sie uns hier bestäti- Die Gewerbesteuer ist für Berlin eine sehr wichtige Ein- gen, dass im Juni nächsten Jahres der Flughafen komplett nahme. Wir haben 1,2 Milliarden Einnahmen über sie. fertiggestellt ist und damit quasi voll lastfähig ist. Was noch wichtiger ist, die Gewerbesteuer hat in den letzten zehn, fünfzehn Jahren eine deutlich größere Dy- namik, also eine deutliche größere Wachstumsrate als Präsident Walter Momper: jede andere Ertragsteuer wie beispielsweise die Körper- Herr Meng – bitte! schaft- oder die Einkommensteuer. Sie hat sich in dem Zeitraum von 1995 bis zum Jahr 2008 nahezu verdoppelt, während die anderen Steuerarten, die auf Verträge respek- Staatssekretär Dr. Richard Meng (Senatskanzlei): tive Umsätze absetzen oder abstellen, um ein Viertel Herr Abgeordneter Meyer! Nach unserem Informations- geschrumpft sind. Das wäre also in etwa so gewesen, als stand gibt es keinen Zweifel daran, dass der Flughafen ob uns der Bund dazu eingeladen hätte, eine Zu- Anfang Juni 2012 voll funktionsfähig sein wird. schlagsteuer zur Einkommensteuer respektive Körper- schaftsteuer zu machen, als hätte er uns eingeladen, von einem sehr schnellen Pferd auf einen sehr langsamen Präsident Walter Momper: Ackergaul zu wechseln. Er hätte uns zwar, weil er am Danke schön! Anfang die Nachteile ausgeglichen hätte, sozusagen einen Vorsprung eingeräumt, aber à la longue, auf die nächsten Jetzt geht es weiter mit der Frage Nr. 4 der Kollegin Ma- zehn bis zwanzig Jahre gesehen, wäre das ein schlechtes tuschek von der Linksfraktion zum Thema Geschäft für die Kommungen gewesen. Es war klar, dass nicht nur wir, sondern alle Kommunen in Deutschland Zukunft der Gewerbesteuer dem nicht haben zustimmen können. – Bitte, Frau Matuschek, Sie haben das Wort! Das dritte Argument war, dass die Gewerbesteuer weitaus Jutta Matuschek (Linksfraktion): krisenbeständiger ist als andere ertragsabhängige Steuern. Wir können das sehr schön am Aufkommen sehen. Natür- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den lich, durch Substanzelemente und durch die konkrete Senat: Ausgestaltung der Gewerbesteuer ist es scheinbar insbe- sondere für Großunternehmen nicht so leicht, sich der 1. Wie bewertet der Senat das Scheitern des Angriffs auf Ertragsbesteuerung über Gewerbesteuer zu entziehen, wie die Gewerbesteuer durch die schwarz-gelbe Koalition? das bei der Körperschaftsteuer oder der Einkommensteuer 2. Wie bewertet der Senat die Chance, die Gewerbesteu- – wenn sie beispielsweise in Form einer Personengesell- er zur Gemeindewirtschaftssteuer weiterzuentwickeln schaft organisiert sind – der Fall ist. Deswegen konnte und die Bemessungsgrundlage auf bisher nicht von man ja auch gerade in der Krise sehen, dass in 2010 das der Gewerbesteuer erfasste gewerbliche Beschäfti- nominelle Aufkommensniveau aus der Einkommen- und gungsfelder auszudehnen? Körperschaftsteuer quasi zusammengebrochen ist, wäh- rend wir auch in 2010 mit der Gewerbesteuer noch ein um 50 Prozent höheres Aufkommen realisiert haben. Damit war für uns klar – auch mit Blick auf Verschiebungen, die

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Senator Dr. Ulrich Nußbaum ein Umsatteln von einer Gewerbesteuer auf eine Zu- Ungleichbehandlung zwischen gewerblichen Unterneh- schlagsteuer bewirkt hätte, nämlich Verschiebungen zwi- men und freiberuflichen Unternehmen beendet. Wir ha- schen Nord und Süd, zwischen Ost und West, aber vor ben uns sehr stark dafür eingesetzt, dass die Gewerbe- allem auch zwischen strukturschwachen Regionen hin zu steuer in der Bemessung auch auf Freiberufler erweitert stärkeren Regionen –, dass wir einer Abschaffung der wird, und zwar vor allem auf Freiberufler, die quasi ge- Gewerbesteuer nicht zustimmen konnten. werblich unterwegs sind. Ich spreche jetzt nicht von dem typischen Steuerberater oder Rechtsanwalt, sondern von Dann wurde natürlich immer das Argument aufgeführt, Freiberuflern, die sich quasi firmentechnisch organisieren. dass wir die deutschen Unternehmen zu stark belasten. Es ist mir noch nie so ganz eingeleuchtet, warum ein Aber das ist ein falsches Argument, denn die Gewerbe- Zahntechniker Gewerbesteuer zahlen muss, ein Zahnarzt steuer ist anrechnungsfähig. Es verbleiben möglicherwei- aber nicht. se Spitzen, wenn der einzelne Hebesatz höher ist als [Mieke Senftleben (FDP): Das sind Ärzte!] 390 Punkte. Aber die Durchschnittsbelastung der Unter- nehmen hier in Deutschland liegt unter 30 Prozent. In Eine große Anwaltskanzlei oder eine große radiologische Italien liegt sie bei etwa 38 Prozent, in Spanien bei Praxis mit Millioneninvestitionen im Anlagevermögen 35 Prozent und in Japan und den USA bei etwa zahlen keine Gewerbesteuer, sie nutzen aber genauso wie 40 Prozent. Das heißt, dass auch die These, die insbeson- jedes andere Unternehmen die kommunale Infrastruktur. dere von der FDP vertreten wird, wonach wir ein Hoch- Sie nutzen die Schulen für ihre Mitarbeiter, sie nutzen die steuerland im Unternehmensteuerbereich sind, de facto Straßen, die Gewerbegebiete, den öffentlichen Nahver- nicht richtig ist. kehr, aber sie beteiligen sich nicht an der Finanzierung dieser Aufgaben und an diesen Ausgaben. Das ist meines Man muss sich das noch einmal auf der Zunge zergehen Erachtens nicht gerechtfertigt und geht zurück auf eine lassen. Da wird eine sogenannte Gemeindefinanzreform- jahrhundertelange Differenzierung zwischen Freiberuflern kommission eingerichtet, mit der der Bund – die CDU- und einem Gewerbe, die man heute in einer modernen, FDP-Regierung – eigentlich signalisieren will, dass man arbeitsteiligen Dienstleistungsgesellschaft aus meiner kommunalfreundlich ist und etwas für die unbestritten Sicht so nicht mehr nachvollziehen kann. schlechte Situation der Kommunen tun will, aber in der [Marion Kroll (CDU): Es gibt dazu höchstrichterliche Tat will man eine wichtige Einnahmequelle der Gemein- Entscheidungen! Die sehen das besser und anders!] den abschaffen. Insofern ist es auch richtig, dass das nicht geklappt hat. Wichtiger ist – und das haben wir hier als Es wäre ein echter Fortschritt, die Bemessungsgrundlage eindeutigen Erfolg zu verzeichnen, das hat die Gemeinde- zu verbreitern und damit auch etwas für die Einnahmen finanzreformkommission nämlich auch beschlossen –, der Kommunen zu tun. dass der Bund – und das war die Folge des Vermittlungs- verfahrens zu den Hartz-IV-Regelsätzen – die Kosten der Liebe Frau Matuschek! Wenn Sie an die Weiterentwick- Grundsicherung im Alter übernimmt. Das ist für Berlin lung im Sinne einer Gemeindewirtschaftsteuer denken, extrem wichtig. Die Grundsicherung im Alter ist sehr muss ich Ihnen natürlich leider sagen, dass es dann auch stark anwachsend. Das hat etwas mit der demographi- mal von Interesse wäre, die Land- und Forstwirte mit zu schen Entwicklung nicht nur in Berlin, sondern auch in erfassen. Das ist in Ihrem bundespolitischen Programm so allen anderen Kommunen zu tun. Wir erwarten uns davon nicht vorgesehen und spielt für Berlin aufgrund seiner in den nächsten Jahren eine Entlastung von 300 bis mangelnden land- und forstwirtschaftlichen Flächen, die 400 Millionen Euro – mit wachsender Tendenz. Insofern gewerblich genutzt werden, nicht die entscheidende Rolle. ist es ein wichtiges und richtiges Signal, dass an dieser Es wäre aber im Sinne von Steuergerechtigkeit und von Stelle die Kommunen entlastet worden sind. Systemgerechtigkeit wichtig, auch diese Einkunftsarten mit einzubeziehen. Man muss allerdings auch sagen, dass auch hier der Bund wiederum ein Stück weit mogelt, denn er refinanziert das Ich möchte an der Stelle auch noch einmal klar sagen: über einen Umsatzsteuerpunkt und eine entsprechende Wir haben für Berlin nicht vor, die Gewerbesteuer zu Verrechnung mit der Bundesanstalt für Arbeit. Das heißt, erhöhen. Das ist ein wichtiges Signal für die Wirtschaft auch die Länder tragen sozusagen die Hälfte dieser Ent- und die Unternehmen, die hier sind. Sie können damit lastung in Höhe von 4 Milliarden Euro, die vorgegeben rechnen, dass der Gewerbesteuersatz stabil bleibt – jetzt wird. Insofern ist der Bund nur mit der Hälfte beteiligt. und auch nach der Wahl. Das ist ein wichtiger Standort- Nichtsdestotrotz ist das für Berlin ein wichtiges Signal, faktor, und das bestärkt uns darin, diese erfolgreiche An- und das wird uns auch helfen, in Zukunft über die Grund- siedlungs- und Wirtschaftspolitik so weiter fortzusetzen. sicherung im Alter und die Verlagerung der Kosten auf Jedes andere Signal wäre an dieser Stelle aus meiner Sicht den Bund die Zuwächse bei den Transfer- und Sozialaus- kontraproduktiv, insbesondere auch mit Blick auf Um- gaben hier in Berlin einzudämmen und damit unseren landgemeinden, die deutlich niedriger besteuern. Haushalt steuerbarer zu machen. [Sebastian Czaja (FDP): Das einzige Mal, dass er recht hat!] Zu Ihrer Frage 2: Es wäre wirklich mal an der Zeit – und das sage ich mit Blick auf die FDP –, dass man diese Und das gilt wiederum insbesondere für die Umlandge- meinden in der Nähe des Großflughafens, wo wir ja auch

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Senator Dr. Ulrich Nußbaum eine dynamische Gewerbe- und Industrieansiedlungspoli- wegen ist das der absolut falsche Zeitpunkt. Ich denke tik erwarten und unmittelbar mit niedrigen Gewerbesteu- auch, dass das eine Ente ist. Das wird so verpuffen, wie es erhebesätzen konkurrieren. Auch das spricht dafür, dass plötzlich hochgekommen ist. Aber ich schließe nicht aus, wir bei unserem Steuersatz bleiben. – Vielen Dank! dass wir in zwei Monaten eine erneute Steuerdebatte in [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] dieser Richtung haben.

Für Berlin kann ich nur sagen: Wir knabbern ja noch an Präsident Walter Momper: den Steuersenkungen, die letztens durchgeführt worden sind. Das kostet uns im Jahr 900 Millionen respektive Frau Matuschek hat das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte 1 Milliarde Euro. Wenn jetzt dieses Paket – es wird ja ein schön! Volumen von 10 Milliarden Euro an Entlastungen indi- ziert – umgesetzt würde, würde das für uns etwa 300 Mil- Jutta Matuschek (Linksfraktion): lionen Euro bedeuten. Nach dem Konsolidierungsbeihil- fenvertrag sind wir verpflichtet, 200 Millionen Euro Vielen Dank für die ausführliche Antwort! Nun haben wir strukturelles Defizit über 10 Jahre – also insgesamt 2 Mil- seit zwei Tagen eine neue Steuersenkungsdebatte, ange- liarden Euro – einzusparen. Ich weiß nicht, wie da noch feuert von der FDP auf Bundesebene. 300 Millionen Euro draufkommen und verkraftet werden [Beifall bei der FDP – können. Das ist also für mich eine sehr weit von der Rea- Sebastian Czaja (FDP): Endlich!] lität entfernte Debatte. Ich denke, man sollte wieder zu einem soliden Verhalten zurückkommen und deutlich Wie sehen Sie diese Debatte – egal, ob es sich um Steuer- machen, dass man in der jetzigen Zeit überhaupt keine senkungsmodelle handelt oder die Abschaffung des Soli- Chance und Möglichkeit hat, Steuern zu senken. daritätszuschlags, was ja auch im Gespräch ist? [Beifall bei der SPD, den Grünen und [Zuruf von Lars Oberg (SPD)] der Linksfraktion]

Präsident Walter Momper: Präsident Walter Momper: Herr Senator – bitte! Nun hat Kollegin Senftleben das Wort zu ihrer Mündli-

chen Anfrage über Senator Dr. Ulrich Nußbaum (Senatsverwaltung für Zöllners Einstieg in die Inklusion – Finanzen): aktuelle Förderstunden pro Kind halbiert Das hat ja bei dieser Regierung – FDP und CDU auf Bun- desebene – etwas mit epileptischen Anfällen zu tun. Diese Debatten über Steuersenkungen kommen ja in regelmäßi- Mieke Senftleben (FDP): gen Abständen. Eines ist, glaube ich, doch jedem klar: Ich Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: persönlich würde ja auch gern weniger Steuern zahlen, und ich nehme an, das geht jedem hier so. Aber man kann 1. Wie erklärt der Senat den betroffenen Eltern und nicht einerseits einen Rettungsschirm nach dem anderen Schülern im Vorfeld der Inklusion sein Konzept indi- spannen, man kann nicht andererseits immer stärker in die vidueller Förderung, in dem die Betroffenen statt ur- Verpflichtung für Banken und sonstige Notleidende – sprünglich bewilligter 4,5 Förderstunden jetzt nur sogar Länder – hineingehen, man kann nicht einerseits in noch ca. 2 Stunden Förderung erhalten, und wie be- der Bundesrepublik Deutschland immer noch im zweistel- gründet der Senat, dass für ihn eine Deckelung von ligen Milliardenbereich Schulden machen und anderer- Förderstunden mehr Priorität besitzt als der Schüler- seits immer noch die EU-Stabilitätskriterien reißen. Ich anspruch auf angemessene Förderung? erinnere noch mal daran: Der EU-Stabilitätspakt sagt: 60 Prozent des BIP Maximalverschuldung und maximal 2. Wann wird der Senat von seiner Politik der Deckelung 3 Prozent des BIP an Neuverschuldung! Wir sind bei der abrücken, die jetzt die Förderstunden betrifft und jah- Verschuldung bei etwa 84 Prozent. Das ist zum Glück relang die Schulhelferstunden betroffen hat, und ein noch etwas niedriger als in Frankreich, es ist aber deutlich zukunftsfähiges Inklusionskonzept vorlegen, das bei höher als in manchen anderen Ländern wie z. B. den Förderbedarf auch angemessene Förderung garantiert? Niederlanden.

In einer Situation, wo der Gesamtstaat nach wie vor Präsident Walter Momper: Schulden macht und die Einnahmen nicht ausreichen, Herr Prof. Zöllner, der Bildungssenator, hat das Wort. – Kredite zurückzuzahlen, geschweige denn, einen ausge- Bitte! glichenen Haushalt über alle gesamtstaatlichen Ebenen – Kommunen, Länder und Bund – vorzuweisen, weiß ich nicht, wie man auf die Idee kommen kann – jedenfalls, wenn man verantwortlich ist –, Steuern zu senken. Des-

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Senator Dr. Jürgen Zöllner (Senatsverwaltung für Senator Dr. Jürgen Zöllner (Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung): Bildung, Wissenschaft und Forschung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Ich kenne die Situation an der Fläming-Schule sehr ge- Frau Senftleben! Zur Frage 1: Die Verwaltungsvorschrif- nau. Es ist eine Schule, die ausgezeichnete Arbeit leistet. ten für die Zumessung von Lehrkräften an öffentlichen Wir sollten aber auch wissen, dass sie bisher mit Bedin- Schulen in Berlin sehen auch für das Schuljahr 2011/2012 gungen ausgestattet war, die sich mit keinen Zumessungs- eine Zumessung an sonderpädagogischen Förderstunden richtlinien oder ähnlichen Verfahren und Kriterien, die im Umfang von 2,5 bis 8 Stunden pro Schülerin oder wir in Berlin haben, messen lässt und die auch begründet Schüler in Abhängigkeit von der Art und Schwere der sind. Ich habe ein sehr großes Interesse, dieses Engage- Behinderung und der Schulstufe mit festgestelltem son- ment weiterhin in dieser Schule nicht nur aufrecht zu derpädagogischen Förderbedarf vor. Daran – das ist der erhalten, sondern auch die Arbeitsbedingungen zu ermög- wichtige Punkt – hat sich im Vergleich zum laufenden lichen. Sie müssen aber, wenn ein Antrag auf eine Schule Schuljahr nichts verändert. besonderer pädagogischer Prägung gestellt wird, diese in den Rahmenbedingungen dessen halten, was letzten En- In diesen Zumessungsrichtlinien ist darüber hinaus gere- des auch für sie immer als nachvollziehbare Bemessungs- gelt, dass von den personenbezogenen Zumessungen ein richtlinie in vergleichbaren anderen Fällen eingefordert Anteil an Stunden durch die regionale Schulaufsicht über wird. einen regionalen Dispositionspool zum Beispiel für schulübergreifende oder besonders zu fördernde sonder- Präsident Walter Momper: pädagogische Angebote verwendet werden kann, die den Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Danke schön! – Es gibt eine Nachfrage von Frau Kollegin Förderbedarf zugute kommen. Auch diese Regelung hat Jantzen. – Bitte schön! sich im Vergleich zum laufenden Schuljahr nicht verän- dert. Elfi Jantzen (Grüne):

Zur Frage 2: Das Ihnen bekannte Gesamtkonzept inklusi- Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Zöllner! Habe ich ve Schule beinhaltet als wesentlichen Aspekt den Vor- Sie jetzt richtig verstanden, dass im nächsten Schuljahr schlag, Personalressourcen für die sonderpädagogische die Deckelung bei den Förderstunden bleibt, obwohl sich Förderung auf der Basis des Schuljahres 2008/2009 unab- die Zahl der Kinder im gemeinsamen Unterricht jährlich hängig davon einzusetzen, ob die Schülerinnen und Schü- erhöht und auch dann wieder erhöhen wird, das heißt, es ler in Förderzentren oder in inklusiven Klassen an Grund- steht pro Kind am Ende doch weniger zur Verfügung? bzw. weiterführenden Schulen unterrichtet werden. Damit würde die bestehende Deckelung für die Lehrerstunden in Präsident Walter Momper: der Integration im Umfang von 1284 VZE aufgehoben werden. Herr Senator, bitte!

Präsident Walter Momper: Senator Dr. Jürgen Zöllner (Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung): Danke schön! – Es gibt eine Nachfrage von Frau Senftle- ben. – Bitte schön! Dies kann ich nicht ausschließen. Es ist in geringem Maß davon auch auszugehen. Es ist die Situation, die wir auch in der Vergangenheit hatten. Das ist mit ein Grund, wa- Mieke Senftleben (FDP): rum ich es für notwendig erachte, dass wir in der Zukunft Herr Senator! Nun fürchtet die Fläming-Schule – jetzt auch über die entsprechenden Haushalte einen entspre- möchte ich einmal etwas konkreter fragen –, die eine chenden Deckungsvermerk vorsehen, mit dem letzten Vorzeigeschule in Sachen Inklusion ist, um ihre nachhal- Endes eine Abnahme im Bereich der Stellen in den För- tige finanzielle und personelle Unterstützung, wenn ihr derzentren genutzt werden kann, um einen zunehmenden der Titel „Schule mit besonderer pädagogischer Prägung“ Bedarf an inklusivem Unterricht abzudecken. aberkannt wird. Ich frage Sie ganz direkt, ob Sie Eltern, Lehrer und den Schülern der Fläming-Grundschule zusi- Präsident Walter Momper: chern können, dass die Schule ihr außerordentliches Pro- fil, ihren besonders exzellenten Ruf bundesweit nicht aufs Danke schön! – Das war es. Spiel setzen muss, um erfolgreich den eingeschlagenen Weg weiter gehen zu können. Es geht weiter mit der Frage des Kollegen Daniel Buch- holz von der SPD-Fraktion über Präsident Walter Momper: Sind Spree und Havel jetzt gerettet? Konsequenzen aus den von der Wasser- Herr Senator, bitte schön! und Schifffahrtsverwaltung gestoppten Ausbauplanungen – Bitte schön, Herr Buchholz!

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Daniel Buchholz (SPD): Die Planungen stehen also nach unserer Überzeugung im Vielen Dank! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grundsatz im Einklang mit dem Beschluss des Abgeord- Ich frage den Senat: netenhauses vom 10. Juli 2008 – Sie erinnern sich. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unterstützt das 1. Welche Konsequenzen sieht der Senat durch die deut- Vorgehen des zügigen Ausbaus des Projekts 17 allerdings liche Reduzierung der Ausbauplanungen für die Was- nach Maßgabe der nunmehr zu verändernden oder in serstraßen in Ostdeutschland, insbesondere für den Veränderung befindlichen Planung. Ausbau von Spree und Havel und für diverse Brücken in Berlin, die bisher abgerissen und neu gebaut wer- Präsident Walter Momper: den sollten? Danke schön! – Es gibt eine Nachfrage des Kollegen 2. Wie bewertet der Senat die Einstellung der Planfest- Buchholz. Dazu hat er das Wort. – Bitte schön! stellungsverfahren zur Abbaggerung des sogenannten Spandauer Horns – Mündung der Spree in die Havel – Daniel Buchholz (SPD): und für den Neubau der Rohrdammbrücke durch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, und Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Sie haben wurde er bei dieser Entscheidung einbezogen? ausgeführt, dass die Forderungen des Berliner Abgeord- netenhauses damit teilweise umgesetzt werden. Ich habe

eine konkrete Nachfrage: Es sind mehrere wirkliche Brü- Präsident Walter Momper: ckenabrisse im Rahmen des Projekts 17 geplant, bei- Danke schön! – Die Senatorin für Stadtentwicklung! – spielsweise die große Freybrücke, also die Heerstraßen- Bitte schön, Frau Junge-Reyer! brücke in Spandau, die Charlottenbrücke, die Schulen- burgbrücke. Wird es diese Abrisse und Neubauten geben, oder sind sie jetzt obsolet? Bürgermeisterin Ingeborg Junge-Reyer (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): Präsident Walter Momper: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbstver- ständlich, Herr Abgeordneter Buchholz, bleiben Spree Frau Senatorin Junge-Reyer, bitte! und Havel in Berlin als wesentliche Wasserstraßen geret- tet. Bürgermeisterin Ingeborg Junge-Reyer [Vereinzelter Beifall bei der SPD] (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): Das Projekt des Ausbaus der Wasserstraße Hannover- Herr Buchholz! Wir stimmen mit den zuständigen Behör- Magdeburg-Berlin – wie Sie wissen, das Projekt 17 – ist den auf Bundesebene jeweils zu den einzelnen Brücken von den derzeitigen Überlegungen des Bundes, die dem die Verfahren ab, orientiert an den neuen Aussagen des Deutschen Bundestag mitgeteilt worden sind, nach aktuel- Bundes, dass sie die Brücken erst dann anfassen wollen, len Informationen nicht unmittelbar betroffen. Der Bund wenn tatsächlich nicht nur eine Notwendigkeit aus der strebt weiter eine Fertigstellung des für die regionale Sicht der Wasserstraßensituation gegeben ist, eine Brücke Wertschöpfung als Projekt 17 wichtigen Infrastrukturpro- um- oder neu zu bauen, sondern wenn der Brückenbau jektes an. Die neueste Aussage heißt, dass begonnene oder das Brückenbauwerk selbst dies erforderlich macht. Projekte nicht von möglichen Einstellungen betroffen sein werden. Das ist die Antwort auf den ersten Teil Ihrer Konkret habe ich mich nach der Freybrücke erkundigt. Frage. Der Neubau bzw. der Umbau der Freybrücke wird nicht infrage gestellt, vor allem deshalb nicht, weil sich die Es gibt aber – wie Sie wissen und wie wir miteinander Freybrücke in einem Zustand befindet, bei dem eine Er- diskutiert haben, auch gemeinsam mit der Wasser- und satzbrücke oder ein Ersatzneubau erforderlich ist. Danach Schifffahrtsdirektion – eine Einstellung der Planfeststel- soll entschieden werden. Es gilt das Kriterium, wo aus lungsverfahren, die mit dem Senat abgestimmt waren, die technischen und bautechnischen Gründen ein Brückenbau nunmehr – das ist Voraussetzung für die Planung – den erforderlich ist. Es werden Prioritäten gesetzt. Diese Brü- Ausbau und die Strecke an der Spandauer Havel und der ckenbauten werden zuerst vollständig umgebaut. Spree zwischen ihrer Mündung und der Schleuse in Char- lottenburg in einem neuen Verfahren zusammenfassen Präsident Walter Momper: werden. Das ist das Entscheidende. Hier soll auf Uferab- Danke schön, Frau Senatorin! – Es gibt keine Nachfragen grabungen so weit wie möglich verzichtet werden. Die mehr. Strecke soll größtenteils nur für einen eingeschränkten

Begegnungsverkehr ausgelegt werden. Die Spreemün- Dann geht es weiter mit der Frage des Kollegen Goiny dung soll im Bereich des Spandauer Horns im Rahmen von der CDU-Fraktion zum Thema eines neuen Bau- und Genehmigungsverfahrens vollstän- dig angepasst und in dieses Genehmigungsverfahren integriert werden.

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Präsident Walter Momper Kann der Senat die Finanzierung der Charité Präsident Walter Momper: bedarfsgerecht sichern? Herr Senator Prof. Zöllner – bitte!

– Bitte schön, Herr Goiny! Senator Dr. Jürgen Zöllner (Senatsverwaltung für

Bildung, Wissenschaft und Forschung): Christian Goiny (CDU): Ich könnte Beispiele nennen. Nur wenn ich sie jetzt nen- Herr Präsident, vielen Dank! – Ich frage den Senat: nen würde, würden sie den Eindruck eines hohen Konkre- tisierungsgrades erwecken, den ich jetzt vermeiden möch- 1. Reicht die Liquidität der Charité aus, um den laufen- te. den Betrieb zu sichern, bzw. inwieweit ist der Senat in [Zuruf von Christian Goiny (CDU)] der Lage, die Liquidität ggf. auf welchem Wege si- cherzustellen? 2. Ist der Senat bereit, Investitionen der Charité vorzufi- Präsident Walter Momper: nanzieren, insbesondere dann, wenn es sich um Ratio- Danke schön, Herr Senator! nalisierungsinvestitionen handelt oder um Investitio- nen, die für den wirtschaftlichen oder wissenschaftli- Dann geht es weiter mit einer Frage des Kollegen Ziller chen Erfolg der Charité von wesentlicher Bedeutung von Bündnis 90/ Die Grünen zu dem Thema sind? Zukunft der Freiwilligendienstplätze – FÖJ/FSJ – im Land Berlin Präsident Walter Momper: – was immer das heißen mag! – Bitte schön, Herr Ziller! Danke schön, Herr Abgeordneter Goiny! – Der Bildungs- senator Prof. Zöllner ist auf dem Sprung und hat das Stefan Ziller (Grüne): Wort. Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

Senator Dr. Jürgen Zöllner (Senatsverwaltung für 1. Welche Auswirkungen hat das Aussetzen des Wehr- Bildung, Wissenschaft und Forschung): dienstes und das daran gekoppelte Ende des Zivil- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Goiny! dienstes auf die Struktur und auf Platzangebote für die Zu Ihrer ersten Frage: Die Liquidität wird im Rahmen des Jugendfreiwilligendienste Freiwilliges Soziales Jahr – Finanzcontrollings laufend von der Charité geprüft. Zur FSJ – und Freiwilliges Ökologisches Jahr – FÖJ – in Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit darf die Charité mit Berlin? Zustimmung des Aufsichtsrates Kredite zur Deckung 2. Steht der Senat zu seiner im September 2010 gemach- eines kurzfristigen Mittelbedarfes aufnehmen. Der Auf- ten Aussage, die 75 Plätze im bisherigen „FÖJ als Zi- sichtsrat hat – falls dies im Jahre 2011 erforderlich sein vildienst“ zur Unterstützung des Berliner Umwelt- sollte – der Aufnahme von möglicherweise kurzfristig und Naturschutzes zu sichern? notwendigen Betriebsmittelkrediten von bis zu 20 Milli- onen Euro zugestimmt. Der Vorstand geht aufgrund sei- ner Planung gegenwärtig davon aus, die Kreditlinie nicht Präsident Walter Momper: in Anspruch nehmen zu müssen. Danke schön! – Jetzt ist Frau Lompscher mit einer Ant- Zur Frage 2: Der Senat ist grundsätzlich bereit, im Einzel- wort an der Reihe. – Frau Senatorin – bitte! fall Investitionen aus dem Landeshaushalt vorzufinanzie- ren, die aus damit verbundenen Betriebskosteneinsparun- Senatorin Katrin Lompscher (Senatsverwaltung für gen refinanziert werden können. Er sieht darin eine Mög- Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz): lichkeit, sachlich notwendige und betriebswirtschaftlich Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Her- sinnvolle Investitionen zu tätigen. ren! Sehr geehrter Herr Ziller! Die Abkürzungen sind

schon erläutert worden, insofern werde ich sie verwenden. Präsident Walter Momper: – Zu Ihrer ersten Frage: Das kann noch nicht abschlie- Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Goiny? – ßend beantwortet werden. Im Rahmen der Neustrukturie- Bitte! rung der Freiwilligendienste durch den Bund wurde zwi- schen Bund und Ländern vereinbart, dass die Zuschüsse für die pädagogische Begleitung durch den Bund von Christian Goiny (CDU): derzeit 153 Euro auf bis zu 200 Euro und weitere 50 Euro Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Senator! Können Sie für sozial Benachteiligte aufgestockt werden sollen. Wei- ein Beispiel nennen, wo aus Ihrer Sicht solch eine Investi- tere Kosten für die Freiwilligen, wie Taschengeld, Sozial- tionsmaßnahme kurz- oder mittelfristig infrage kommen versicherungsbeiträge usw., werden im Freiwilligen Sozi- könnte? alen Jahr von den Einsatzstellen getragen. Grundsätzlich

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Senatorin Katrin Lompscher wird das Freiwillige Soziale Jahr maßgeblich von den soweit wir verbindlich wissen, dass wir sie auch einhalten zivilgesellschaftlichen Trägern durchgeführt. können.

Derzeit ist auch bundesweit eine starke Nachfrage nach Sofern die Bundesförderung erhöht wird, ist beabsichtigt, dem FSJ zu verzeichnen. Aktuell werden über 50 000 An- die dadurch frei werdenden Landesmittel zur Finanzie- meldungen genannt. Für Berlin haben wir derzeit weit rung von ehemaligen FÖJ-Plätzen für anerkannte Kriegs- über 2 000 Plätze pro Jahr. Aber auch in Berlin kann dienstverweigerer einzusetzen. Das alles führt mich zu davon ausgegangen werden, dass die Zahlen steigen meiner Schlussbemerkung, dass es derzeit nicht möglich könnten. Der Bund hat sich im Rahmen des Gesetzge- ist, den Erhalt dieser 75 bisherigen Plätze für Kriegs- bungsverfahrens dazu verpflichtet, insgesamt 70 000 Plät- dienstverweigerer verbindlich zuzusagen. ze in den Bundesfreiwilligendiensten zu bezuschussen. Davon sind 35 000 Plätze für den generationenübergrei- Präsident Walter Momper: fenden Bundesfreiwilligendienst und 35 000 für die Ju- gendfreiwilligendienste, also Freiwilliges Soziales Jahr Danke schön, Frau Senatorin Lompscher! – Herr Ziller, und Freiwilliges Ökologisches Jahr, vorgesehen. eine Nachfrage? – Bitte!

Durch die Aussetzung von Wehrdienst und damit auch Stefan Ziller (Grüne): Zivildienst, aber auch aufgrund der veränderten Finanzie- rungsmodalitäten des Bundes ist eine Neukonzipierung Rechnen Sie damit, dass angesichts des doppelten Abitur- des Freiwilligen Ökologischen Jahres im Land Berlin jahrgangs im nächsten Jahr eine höhere Nachfrage ent- erforderlich. Bisher wurden insgesamt rund 295 FÖJ- steht, Plätze in Berlin angeboten, darunter 75 Plätze für Freiwil- [Mieke Senftleben (FDP): Bestimmt!] lige, die ein FÖJ als anerkannte Kriegsdienstverweigerer geleistet haben. Die 220 Teilnehmerplätze des sogenann- und sehen Sie Berlin da vorbereitet, bzw. sehen Sie Spiel- ten regulären FÖJ werden derzeit aus Mitteln des Europä- räume, auch eine Antwort in diesem Bereich zu schaffen? ischen Sozialfonds, aus Bundes- und aus Landesmitteln finanziert. Hier fördert der Bund die pädagogische Beglei- Präsident Walter Momper: tung derzeit mit einem Festbetrag von 153 Euro pro Teil- Frau Senatorin Lompscher – bitte! nehmer und Monat. Die 75 FÖJ-Plätze für anerkannte

Kriegsdienstverweigerer konnten zusätzlich zu den ge- nannten 220 regulären FÖJ-Plätzen von den Trägern an- Senatorin Katrin Lompscher (Senatsverwaltung für geboten werden, da sie ohne zusätzliche Landesmittel Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz): finanziert werden konnten. Sehr geehrter Herr Ziller! Es kann natürlich sein, dass wir [Mieke Senftleben (FDP): Ist doch schon was!] eine höhere Nachfrage bekommen, aber ich sehe, ehrlich gesagt, wenig Spielraum, dass wir auch wirklich mehr Ein Teil der Plätze, insgesamt 30, wurde mit Mitteln des Plätze anbieten können. Vor dem Hintergrund, dass Ber- Bundesamts für Zivildienst in Höhe von 421,50 Euro und lin schon ein überdurchschnittlich hohes Platzangebot hat ESF-Mitteln, ein weiterer Teil, nämlich 45 Plätze, aus den und auch entsprechend Landesmittel reingibt, bin ich da gleichen Mitteln des Bundesamts plus Eigenmitteln der nicht so optimistisch. Träger finanziert. Aufgrund der geänderten Finanzie- rungsmodalitäten entsteht also bei diesen rund 75 FÖJ- Plätzen eine Finanzierungslücke von derzeit rund Präsident Walter Momper: 240 000 Euro, die durch die angekündigte Erhöhung der Danke schön, Frau Senatorin Lompscher! Bundesförderung auf 200 Euro pro Teilnehmer und Mo- nat zwar minimiert, aber nicht vollständig kompensiert Jetzt geht es weiter mit einer Frage der Kollegin Seelig werden dürfte. von der Linksfraktion zum Thema

Daraus ergibt sich die Antwort auf ihre zweite Frage. Umsetzung der Kennzeichnungspflicht für Durch die komplexe Förderstruktur, die ich gerade erläu- die Berliner Polizei tert habe, führen Veränderungen auf der einen Stelle zu – Bitte schön, Frau Seelig! tiefgreifenden Auswirkungen im Gesamtsystem. Wir können derzeit noch keine abschließenden und verbindli- chen Aussagen machen, weil sich der Bund nicht ab- Marion Seelig (Linksfraktion): schließend und verbindlich geäußert hat. Das betrifft auch Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den die zukünftige Platzzahl im Freiwilligen Ökologischen Senat: Jahr in Berlin. Der Senat und ich persönlich setzen sich sehr intensiv dafür ein, dass die Zahl der Plätze im Frei- 1. Wie ist der Stand der Umsetzung der Kennzeich- willigen Ökologischen Jahr insgesamt erhalten werden nungspflicht für die Berliner Polizei, und wann ist kann. Bevor die zukünftigen Fördermodalitäten des Bun- damit zu rechnen, dass die Berliner Polizistinnen und des jedoch nicht abschließend und verbindlich bekannt Polizisten a) im täglichen Einsatzdienst und b) in ge- sind, können wir nach außen hin nur Zusagen treffen,

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Marion Seelig schlossenen Einheiten individuell gekennzeichnet Senator Dr. Ehrhart Körting (Senatsverwaltung für sind? Inneres und Sport): 2. Liegen bereits Klagen gegen die Regelung vor, oder Herr Kollege Jotzo! Es wäre mir neu, dass sich ein Berli- wurden Klagen angekündigt? ner Wunsch auf personalrechtliche Situationen aus ande- [Andreas Gram (CDU): Hoffentlich!] ren Bundesländern bezieht, insofern habe ich kein Ver- ständnis für Ihre Frage. Wir haben eine Regelung getrof- fen, die sich auf das Berliner Landesbeamtengesetz be- Präsident Walter Momper: zieht und auf die in Berlin beschäftigte Polizeibeamtinnen und -beamten des Landes Berlin. Wenn Mitarbeiter aus Der Innensenator, Herr Dr. Körting, beantwortet – und hat anderen Bundesländern kommen, ist es Sache der anderen dazu das Wort. Bundesländer, ob die dann eingesetzten Polizeibeamtin- nen und -beamten gekennzeichnet sind oder nicht, genau- Senator Dr. Ehrhart Körting (Senatsverwaltung für so wie es unsere Sache ist – Sie werden das gesehen ha- Inneres und Sport): ben bei den Einsätzen der Berliner Polizei in Heiligen- damm oder bei Ähnlichem –, dass wir unsere Polizeibe- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin amtinnen und -beamten mit unserer Dienstkleidung und Seelig! Die Kennzeichnung der Polizeibeamten ist nach gegebenenfalls auch mit unseren Nummern, die sie auf wie vor in Arbeit und auch nicht aufgeschoben, aber es dem Rücken tragen, dort hinschicken. Wie die anderen gibt durchaus noch eine Reihe von Punkten, die zu klären Bundesländer das handhaben, ist Sache der anderen Bun- sind. desländer.

Die Aufträge sind erteilt worden, die Dinge sind teilweise auch schon geliefert worden, aber nach der Geschäftsan- Präsident Walter Momper: weisung, so wie sie vorgesehen ist, soll über die Verwal- Danke schön, Herr Senator. – Herr Jotzo noch einmal? – tung und Vergabe der Dienstnummer eine getrennt vom Bitte, gerne. Sie haben das Wort, Herr Jotzo! IPV-Verfahren zu führende Datei angelegt werden. Bei dieser Datei handelt es sich um einen Mitbestimmungs- tatbestand nach § 85 Abs. 2 Nr. 8 Personalvertretungsge- Björn Jotzo (FDP): setz. Der Gesamtpersonalrat hat, obwohl es im Grundver- Herr Innensenator! Meinen Sie denn nicht, dass das, so fahren ein Einigungsverfahren gegeben hat, der Errich- wie Sie es jetzt hier vorgetragen haben, eigentlich den tung einer solchen Datei nicht zugestimmt. Insofern ge- gesamten Regelungszweck konterkariert und dass die hen wir im Moment davon aus, dass die verweigerten Aktionen, die Sie als Berliner Senat hier eingeleitet ha- Zustimmungen unbeachtlich sind. Wir warten aber noch ben, jetzt mehr wie Lippenbekenntnisse aussehen? Denn ab, ob der Gesamtpersonalrat das Verwaltungsgericht gerade die Einsätze, wo eine solche Kennzeichnung drin- anruft. Insofern warten wir mit der Umsetzung noch ab, gend erforderlich ist, hätten es doch erforderlich gemacht, ob Rechtsbehelfe, nämlich gerichtlicher Art, ergriffen dass sich der Berliner Senats bei den anderen Ländern werden. dafür einsetzt, wenn sie Unterstützungseinheiten hier herschicken, dass man sich dann auch im Vorfeld mit den Zur zweiten Frage: Es liegen bisher keine Klagen vor, Ländern ins Benehmen setzt, dass man deren Einheiten aber die Gewerkschaften haben angekündigt, dass sie hier selbstverständlich auch so gegenüber den Berlinerin- Mitglieder ihrer Gewerkschaften finanziell unterstützen nen und Berlinern auftreten lässt wie Berliner Polizeibe- würden, sodass sie klagen könnten. amtinnen und Polizeibeamte. Meinen Sie nicht, dass es nur Lippenbekenntnisse waren, die Sie uns hier mitgeteilt Präsident Walter Momper: haben? Eine Nachfrage von Frau Seelig? – Das ist nicht der Fall, [Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Sie können gerne aber Herr Jotzo hat eine Nachfrage und hat dazu das bei der Bundespolizei die Kennzeichnung einführen!] Wort.

Präsident Walter Momper: Björn Jotzo (FDP): Herr Senator Dr. Körting – bitte! Vielen Dank! – Herr Innensenator! Dann die Nachfrage: Inwieweit haben Sie dafür Sorge getragen bzw. werden Sie dafür Sorge tragen, dass auch Polizeieinheiten, die uns Senator Dr. Ehrhart Körting (Senatsverwaltung für aus anderen Ländern in Berlin unterstützen, entsprechend Inneres und Sport): bei Einsätzen eindeutig gekennzeichnet sind, wie es der Herr Kollege Jotzo! Wir haben im letzten Jahr elf Einsatz- Wunsch des Berliner Parlaments vorsieht? lagen gehabt, bei denen wir auch Beamte und Beamtinnen anderer Länder hier gehabt haben. Und ich bin dankbar Präsident Walter Momper: dafür, dass uns die anderen Bundesländer und die Bun- despolizei bei derartigen Einsatzlagen zur Verfügung Herr Senator Dr. Körting! stehen. Die Illusion, die Sie hier zu erwecken meinen,

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Senator Dr. Ehrhart Körting dass wir den anderen Ländern vorschreiben könnten, wie Schularten geben: das Gymnasium und eine andere sie ihre Polizeibeamten auszustatten haben, ob sie Schlag- Schulart, in der man alle Abschlüsse erreichen soll. stock, Pfefferspray oder weiß ich was haben, muss ich [Uwe Doering (Linksfraktion): Ach nein!] Ihnen nehmen. Ich bin dankbar dafür, wenn bei kompli- zierten Einsätzen Polizeibeamte anderer Länder und des Soweit ich dieses verstanden habe und Presseberichten Bundes zur Verfügung stehen; denen dann auch noch entnehmen kann, verzichtet auch die Bundes-CDU in dem vorzuschreiben, welchen Hut sie tragen sollen oder was Antrag auf ihren prinzipiellen Widerstand gegen die in- auch immer, halte ich schlicht für albern und nicht im tegrierte Beschulung in dieser anderen Schulart. Interesse des Landes Berlin. Dieses, was hier vorgeschlagen wird, orientiert sich – so [Beifall von Frank Zimmermann (SPD)] meine Kenntnis – an dem, was die Vereinigung der Ober- studiendirektoren Deutschlands, das heißt, aller gymna- Präsident Walter Momper: sialen Schulleiter, vor Kurzem vorgeschlagen hat, eben ein Schulmodell, das in seinem Vorschlag sehr stark von Danke schön, Herr Senator! – Wegen Zeitablaufs ist die der Diskussion aus dem Berliner Raum beeinflusst war, Fragestunde damit beendet. Die heute nicht beantworteten von den Direktoren der Berliner gymnasialen Schulen. Fragen werden wieder mit einer von der Geschäftsord- nung abweichenden Beantwortungsfrist von bis zu drei Es gibt allerdings einen wesentlichen Unterschied zwi- Wochen schriftlich beantwortet werden. schen dem, was wir in Berlin machen, und dem jetzt vor- geschlagenen Modell der Oberstudiendirektoren – und Zum Geschäftlichen habe ich einen Nachtrag zum Proto- soweit ich es verstehe – der CDU. Die andere Schulart koll zu machen. Der fraktionslose Kollege Hillenberg hat heißt nicht Sekundarschule, sondern Oberschule, was bei bei der Abstimmung über die Aktuelle Stunde mit Nein einigen Landesverbänden der CDU offensichtlich auf gestimmt. Ich füge das dem Protokoll hinzu. Widerstand gestoßen ist. Ich würde den Genossen, äh – [Andreas Gram (CDU): [Heiterkeit – Das ändert die Sache gravierend!] Mieke Senftleben (FDP): War schon richtig!] Ich rufe auf den Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen vor- lfd. Nr. 2: schlagen, dass sie in die Diskussion auf ihrem Parteitag die Sekundarschule als Bezeichnung dieser anderen Fragestunde – Spontane Fragestunde Schulart einführen, weil es meiner Meinung nach tatsäch- Zuerst erfolgen die Wortmeldungen nach der Stärke der lich die neutralste Bezeichnungsmöglichkeit, die nicht Fraktionen mit je einer Fragestellung. Es beginnt Frau ideologisch befrachtet ist, weder so noch so, wäre. Dr. Tesch von der SPD-Fraktion. – Bitte schön! [Zuruf von Gregor Hoffmann (CDU)]

Da nach Aussage von Wissenschaftlern dieses zweiglied- Dr. Felicitas Tesch (SPD): rige Schulsystem hier in Berlin am konsequentesten und Danke schön, Herr Präsident! – Ich frage den Bildungsse- besten umgesetzt ist, auch im Gegensatz zu Sachsen, wo nator: Wie beurteilen Sie die Presseerklärung, die uns man in der anderen Schulart nicht alle Abschlüsse errei- heute erreichte, die „progressive“ Haltung der Bundes- chen kann, gehe ich davon aus, dass auch der Weg, den CDU, die Hauptschulen abzuschaffen? wir in Berlin gegangen sind, zumindest in Teilbereichen Vater dieses Konzepts war. Gesetzt den Fall, es kommt [Uwe Doering (Linksfraktion): auf dem Parteitag so weit, dass dieses Modell beschlossen Was? Was ist denn jetzt los?] wird, haben wir die offizielle Bestätigung, dass die Bun- des-CDU die Berliner Schulpolitik für sehr gut erachtet. Präsident Walter Momper: [Beifall bei der SPD] Herr Senator Prof. Zöllner, bitte schön! Präsident Walter Momper: Senator Dr. Jürgen Zöllner (Senatsverwaltung für Danke schön! – Eine Nachfrage von Frau Dr. Tesch. – Bildung, Wissenschaft und Forschung): Bitte, Frau Dr. Tesch! Sehr verehrte Frau Tesch! Meine Damen und Herren! Ich kann mich auch nur auf die entsprechende Pressebericht- Dr. Felicitas Tesch (SPD): erstattung von heute und den letzten Tagen beziehen. Soweit ich das verstanden habe, gibt es einen Vorstoß der Danke schön! – Sie haben es auch schon angedeutet, Herr Bundes-CDU auf dem Parteitag, ein schulpolitisches Senator, aber daraus ergibt sich ja zwangsläufig die Frage, Konzept zu beschließen, das sich in wenigen Worten so was Sie unserer Berliner CDU raten, die immer große auszeichnet: Nach Ansicht der Bundes-CDU, soll es, Kritik an unserer Schulstrukturreform geübt hat und im- wenn es zu diesem Beschluss kommt, nur noch zwei mer noch offensichtlich nachklappend am dreigliedrigen Schulsystem festhalten möchte.

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[Mieke Senftleben (FDP): Wir wissen ja noch nicht, Präsident Walter Momper: ob es funktioniert! Lassen Sie doch Danke schön! – Eine Nachfrage, Kollege Braun? – Bitte! den armen Mann in Ruhe!]

Michael Braun (CDU): Präsident Walter Momper: Frau Senatorin Lompscher! Aber Sie verstehen schon, Herr Senator Prof. Zöllner – bitte! dass es in der Öffentlichkeit schwer vermittelbar ist, wenn man ein Restaurant oberhalb des Grundstücks genehmigt Senator Dr. Jürgen Zöllner (Senatsverwaltung für und behauptet, durch eine Lichtinstallation würde Bildung, Wissenschaft und Forschung): Grundwasser gefährdet werden? Diesen Widerspruch sehen Sie schon? Ich werde ihr gar nichts raten, [Vereinzelter Beifall bei der SPD] Präsident Walter Momper: weil ich weiß, dass die politischen Wege manchmal kom- Danke schön! – Frau Senatorin Lompscher, bitte! pliziert sind. Es könnte ja sein, dass sie möglicherweise diesen Antrag initiiert hat, um nicht selber erklären zu müssen, dass sie es vernünftig findet. Senatorin Katrin Lompscher (Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz): [Vereinzelter Beifall bei der SPD] Herr Braun! Ich würde mich jetzt hier ungern in die Rolle der Genehmigungsbehörde begeben wollen und rechtliche Präsident Walter Momper: Dinge austauschen, zumal ich juristisch nicht qualifiziert bin. Danke schön, Herr Senator! [Dr. Felicitas Tesch (SPD): BVV!] Jetzt geht es weiter mit einer Frage des Kollegen Braun – Nein, es ist schon Landessache, weil Trinkwasserschutz von der CDU-Fraktion. – Bitte schön, Herr Braun! für 3,5 Millionen Berlinerinnen und Berliner eine Aufga- be der Umweltverwaltung ist, die wir sehr ernst nehmen. Michael Braun (CDU): Vor diesem Hintergrund ist es nicht eine ganz einfache Geschichte, dass man sagt: Guckt doch mal, links und Frau Senatorin Lompscher! Ich frage Sie bewusst nicht zu rechts geht es doch, warum geht es denn da nicht? – Das anderen Wahlprogrammen, weil ich nicht glaube, dass es muss sehr genau abgewogen werden. Hier darf auch kein die Aufgabe eines Senats ist, Wahlprogramme zu kom- Präjudiz durch eine juristisch nicht haltbare Genehmigung mentieren. – Meine Frage an Sie lautet wie folgt: Trifft geschaffen werden. ein Bericht in der „Welt“ von heute zu, wonach Ihre Ver- waltung die Lichtinstallation von James Turrell im Gru- newalder Wasserspeicher mit der Begründung nicht ge- Präsident Walter Momper: nehmigt, es könne durch die intensive Nutzung des Ge- Es geht weiter mit einer Frage des Kollegen Ratzmann bäudes das Grundwasser gefährdet werden, obwohl die von den Grünen. – Bitte schön, Herr Ratzmann! Berliner Wasserbetriebe gegen diese Lichtinstallation keine Bedenken haben? Volker Ratzmann (Grüne): [Mieke Senftleben (FDP): Wasserbetriebe sind ja auch privat, sind böse!] Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an den Finanzsenator. – Herr Dr. Nußbaum! Wenn man sich so die Zeitungsberichte über die Verkaufsverhandlungen, Präsident Walter Momper: Rückkauf der RWE-Anteile an den Wasserbetrieben, ansieht, könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Frau Senatorin Lompscher, bitte! Verkaufsverhandlungen eigentlich schon gescheitert sind. Ist denn was dran an diesem Eindruck? Senatorin Katrin Lompscher (Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz): Präsident Walter Momper: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Senator Dr. Nußbaum, der Finanzsenator – bitte! Herr Braun! Nun ist das eine sehr spezifische Frage, wo man zwischen konkreter und abstrakter Gefährdung un- terscheiden muss und im Übrigen die Rechtslage zu beur- Senator Dr. Ulrich Nußbaum (Senatsverwaltung für teilen hat. Ich weiß, dass es zu diesen Antrag noch inten- Finanzen): sive Abstimmungen zwischen den verschiedenen beteilig- Verehrter Präsident! Verehrter Kollege Ratzmann! Erst ten Trägern gibt, sodass hier die abschließende Entschei- mal grundsätzlich: Sie wissen, wir führen Ankaufsver- dung noch nicht gefallen ist. handlungen über die Anteile von RWE, knapp 25 Prozent. Das ist da auch schon öffentlich geworden, obwohl ich

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Senator Dr. Ulrich Nußbaum sonst darauf bestehen muss, dass Inhalte und Details die- über 340 Millionen Euro geht, und wie könnte ein Kar- ser Gespräche in Verhandlungen vertraulich bleiben, tellamtsverfahren ausgehen, das mögliche Preissenkungen wenigstens bis sie abgeschlossen sind. RWE verlangt mit sich bringt und aus dem dann die Privaten auch unter einen Kaufpreis, der deutlich über der Summe liegt, die dieser Konsortialvereinbarung uns mit einem möglichen das Land zu zahlen in der Lage ist. Ich habe – der Senat neuen Schiedsverfahren überziehen könnten, indem sie ebenso – den Auftrag des Referendums so verstanden, uns auf Ausgleich dieser entgangenen Gewinne verklagen dass die Bürgerinnen und Bürger hier in Berlin primär könnten? – Das macht die Situation etwas schwierig. eine Senkung der Wasserpreise haben wollen, dass das Aber wir sind nach wie vor in Gesprächen und werden sie neben dem Rückkauf der Wasseranteile der Auftrag ist. vorantreiben. Das setzt voraus, dass es uns gelingt, diese Anteile zu einem Preis zurückzukaufen, der es uns ermöglicht, dann Präsident Walter Momper: auch die Wasserpreise zu senken und nicht etwa durch einen erhöhten Preis für die RWE-Anteile letztlich den Eine Nachfrage des Kollegen Ratzmann – bitte! Saldo aus Preis und möglichem Senkungspotenzial über den Landeshaushalt auszugleichen, der – wie Sie wissen – Volker Ratzmann (Grüne): selbst in einer schwierigen Situation ist. Aber da drängt sich natürlich die Frage auf: Wie will denn Das setzt neben den konkreten Preisen den Umgang mit der Senat dann die Wasserpreise senken? – Herr Wolf hat zwei grundsätzlichen Problemen voraus. Das eine ist das eine Änderung der Wassertarifverordnung bereits öffent- Bundeskartellamtsverfahren. Sie wissen, der Kollege lich angekündigt. Wolf hat ein Kartellverfahren angestrengt, in dem die Frage geprüft wird, inwieweit die Preise in Zukunft zu Präsident Walter Momper: senken sind. Dieses Senkungspotenzial, wenn es denn käme, hätte enorme Auswirkungen auf die Gewinn- oder Herr Senator Nußbaum – bitte! respektive Ertragssituation der Wasserbetriebe mit der Folge, dass auch die Gewinne sowohl für das Land, aber Senator Dr. Ulrich Nußbaum (Senatsverwaltung für im Wesentlichen für die privaten Eigentümer sinken wür- Finanzen): den. Die privaten Eigentümer sind der Auffassung – auch Das ist natürlich jetzt, Herr Kollege Ratzmann, ein kom- das ist kein Geheimnis –, dass diese rückläufigen Gewin- plexes Feld, die Wassertarifverordnung. Ich will Sie jetzt ne, die über eine Senkung des Bundeskartellamts kämen, nicht im Zusammenhang mit der Spontanen Fragestunde vom Land über den sogenannten Konsortialvertrag aus- in die Feinheiten einer Wassertarifverordnung und die zugleichen wären, die Konsortialvereinbarung, die über Preiselemente, die die Wasserpreise ausmachen, hinein- den Verträgen liegt und die letztlich, einfach ausgedrückt, führen. Das ist auch das Feld des Kollegen Wolf. Aber diesen privaten Eigentümern RWE und Veolia zusagt, eines ist auch klar: dass bestimmte Veränderungen in der Ertragssituation vom Land an anderer Stelle auszugleichen sind. Das muss [Sebastian Czaja (FDP): Aber Sie halten sich da für den geprüft werden. Wir können nicht in das Risiko hineinlau- besseren Wirtschaftssenator!] fen, dass wir eine Bewertung treffen, die nachher falsch Wenn wir die Wassertarifverordnung anpassen und ver- ist. ändern – und das muss der Fall sein, wenn man die Preise einseitig ändern will –, dann muss man auch sicher sein, Der zweite Punkt ist – das ist auch öffentlich – das Thema dass durch so eine Veränderung die Privaten nicht wieder Schiedsverfahren. Sie wissen, wir streiten uns ja zurzeit die Möglichkeit haben, über ein Schiedsgerichtsverfahren mit den privaten Eigentümern in einem Schiedsgerichts- sozusagen den Ausgleich einzufordern, den wir über eine verfahren über enorme Summen. Die gehen zurück auf Senkung machten. Das würde ja dann bedeuten: linke die Fünfte Änderungsvereinbarung, die von dem Kollegen Tasche, rechte Tasche; wir zahlen zweimal, nämlich ein- Wolf seinerzeit im Senat vorgelegt worden ist und jetzt mal, indem wir selbst als Land auf Einnahmen verzichten, dazu führt, dass wir uns in einem Schiedsgerichtsverfah- aber auch andererseits, indem dann die Privaten über ein ren einer Forderung der Privaten von 340 Millionen Euro Schiedsgerichtsverfahren uns noch mal verklagen könn- ausgesetzt sehen. Wir haben mittlerweile schon große ten, die Preissenkungen, die wir dann umsetzen, die dann Beträge für dieses Schiedsgerichtsverfahren aufwenden wiederum zu geringeren Gewinnen bei den Privaten füh- müssen. Dieses Verfahren ist noch offen. Aber es wird da ren, aus der Landeskasse zu erstatten. Das ist etwas, was zu klären sein, ob die Privaten – so, wie sie es behaupten, zurzeit abzuklären ist. Wir haben ja Zeit bei der Wasserta- – in der Tat aufgrund dieser Veränderung in der Fünften rifverordnung bis September/Oktober, wenn wir sie an- Änderungsvereinbarung Ansprüche in dieser Größenord- passen wollen, um sie anzupassen und Wirkung ab dem nung gegen das Land haben. Also zwei große Faktoren, 1. Januar 2012 zu erzielen. Deswegen geht mir jetzt eine die mit in die Ankaufsgespräche zu integrieren sind. Das solide Prüfung, ob sich aus einer Veränderung der Was- heißt, wir verhandeln nicht nur über die Bewertung eines sertarifverordnung nicht auch Ausgleichsansprüche der Anteils – dann wären wir sicherlich schon schneller vo- Privaten unter dem Konsortialvertrag ergeben könnten, rangekommen –, sondern wir müssen abschätzen: Wie vor einer schnellen Lösung, die jetzt in Zeiten des Wahl- könnte ein Schiedsverfahren ausgehen, das immerhin um kampfs vielleicht angesagt, die aber am Ende kontrapro-

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Senator Dr. Ulrich Nußbaum duktiv ist, weil wir das aus der rechten Tasche, nämlich Ich würde aber sagen, es ist etwas Besonderes, dass die aus dem Landeshaushalt zahlen müssen. Nutzung von Braunkohle seit 1990 um 73 Prozent zu- rückgegangen ist, Steinkohle um fast 50 Prozent, und dass sich stattdessen die Nutzung von Gas und erneuerbaren Präsident Walter Momper: Energien erheblich erweitert hat. Danke schön, Herr Senator! Wenn es jetzt darum geht, worauf wir bei anderen Städten Es geht weiter mit einer Frage der Kollegin Platta von der mehr gucken, dann ist auffällig, dass Berlin eine unter- Linksfraktion. – Bitte schön, Frau Platta! durchschnittliche Nutzung erneuerbarer Energien hat, auch gegenüber anderen Städten. Nach den Zahlen dieses Marion Platta (Linksfraktion): Green City Index sind es 1,6 Prozent in Berlin versus 3 Prozent in anderen Städten. Diese Zahlen sagen uns, Meine Frage geht an die Senatorin Lompscher. – Am dass es in Städten generell mit den erneuerbaren Energien Dienstag ist der German Green City Index vorgestellt etwas schwierig ist, aber die Siemens-Studie weist auch worden, der auch Berlin beurteilt hat. Meine Frage lautet: darauf hin, dass insbesondere die verstärkten Anstrengun- Wie bewertet der Senat die Ergebnisse, die dort vorge- gen im Bereich Solar, Biomasse, Geothermie und städti- stellt worden sind, für Berlin? Und weitergehend: Welche sche Windkraftanlagen deutlich einen Anlass für die An- guten Eigenschaften aus anderen Städten will Berlin nahme geben, dass man diesen Rückstand wird aufholen übernehmen? können.

Präsident Walter Momper: Was Umweltmanagement und Umweltprogramme angeht, sind wir gerade in diesem Jahr dabei, die Ziellinien der Frau Senatorin Lompscher, bitte schön! Stadt zu aktualisieren, Stichwort Energiekonzept, Stich- wort StEP Klima, Stichwort Start für die Aufstellung Senatorin Katrin Lompscher (Senatsverwaltung für eines neuen integrierten Klimaschutzprogramms. – Vielen Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz): Dank!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Platta! Es werden in diesem City Index zwölf deut- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: sche Städte verglichen mit dem Ergebnis des European Vielen Dank! – Eine Nachfrage der Kollegin Platta! City Index, der Ende 2009 veröffentlicht worden ist. Na- türlich ist es erfreulich, dass Berlin mit anderen deutschen Städten, aber in bestimmten Dingen ganz weit vorne, in Marion Platta (Linksfraktion): der Spitzengruppe ist, was bestimmte Qualitätsparameter Nur eine Nachfrage: Das Umweltmanagement ist schon in Umweltfragen angeht. Das ist die gute Nachricht. Und angesprochen worden. Wie werden wir erreichen, dass dass wir insbesondere bei der CO2-Bilanz deutlich unter sich noch mehr Bürger an diesen Prozessen der Umwelt- dem europäischen Durchschnitt liegen und in dieser fragen beteiligen werden? Gruppe – – [Michael Schäfer (Grüne): Weil wir keine Industrie Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: mehr haben!] Bitte sehr, Frau Senatorin! – Dass in Berlin wenig Industrie ist, das ist übrigens schon seit 1945 so. Ich weiß nicht, ob Sie es bemerkt haben. Daneben ist es natürlich richtig, darauf hinzuwei- Senatorin Katrin Lompscher (Senatsverwaltung für sen, dass sich nach 1990 die Wirtschaftsstruktur Berlins Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz): verändert hat. Im Übrigen war auch die Ostberliner In- Sehr geehrte Frau Platta! Auch aus meiner Sicht ist es dustrie nie besonders energieintensiv. Darüber können Sie absolut wünschenswert, dass die Verwirklichung von sich ja mal informieren. Richtig ist aber, dass sich die ambitionierten Umweltzielen ein breit getragener gesell- Berliner Wirtschaftsstruktur von anderen Regionen und schaftlicher Konsens ist. Wir haben in Berlin gute Vor- Städten Deutschlands unterscheidet. Richtig ist aber auch, aussetzungen dafür. Es gibt eine Vielzahl von Umweltor- dass es uns gelungen ist, den Primärenergieverbrauch von ganisationen, -bewegungen, großen Veranstaltungen – ich 1990 bis 2008 um fast 20 Prozent zu senken, dass die will das hier nicht ausführen –, auf denen man diese ge- Modernisierung und Optimierung von Energie- und Er- meinsamen Ziele miteinander besprechen kann. Natürlich zeugungsanlagen sowie Verteilungsstrukturen in beiden ist es wichtig, dass man bei der Aufstellung der Pro- Stadthälften nach 1990 erheblich vorangetrieben worden gramme für die Zukunft Bürgerengagement und Bürger- ist und dass wir durch die Modernisierung des Woh- beteiligung maßgeblich einbezieht, um diese notwendige nungsbestands auf der einen Seite und durch die Moderni- gesellschaftspolitische Akzeptanz zu erreichen. sierung der Heizungsanlagen – keine Kohleöfen mehr usw. – maßgeblich für die vorbildliche CO2-Bilanz Ber- lins gesorgt haben. Sie können sagen, das ist total normal. Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: [Michael Schäfer (Grüne): Neunzigerjahre!] Vielen Dank, Frau Senatorin!

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Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns Jetzt hat der Kollege Czaja von der FDP das Wort. solche Schule in Misskredit gerät. Ich finde, das sollten wir alle miteinander vermeiden und die Lösung der be- Sebastian Czaja (FDP): kannten Probleme in den Vordergrund stellen. Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage die Senatorin für [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] Gesundheit: Wie bewertet der Senat, dass in den Klassen- räumen bzw. oberhalb der asbestbelasteten Deckenplatten Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: an der Poelchau-Schule zahlreiche Marder festgestellt wurden und damit die Gefahr der Freisetzung von Asbest Vielen Dank! – Wir kommen jetzt zu den spontanen Fra- ansteigt, und welche Maßnahmen hat der Senat bisher gen in freier Reihenfolge. ergriffen, um dieses Problem in den Griff zu bekommen? [Gongzeichen]

Das Wort zur Frage hat der Kollege Meyer! Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Bitte sehr, Frau Senatorin! Christoph Meyer (FDP):

Danke, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an den Fi- Senatorin Katrin Lompscher (Senatsverwaltung für nanzsenator Nußbaum. – Herr Nußbaum! Ihnen ist be- Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz): kannt, dass die Grünen im Falle eines Wahlsieges eine Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Reihe von Steuern erhöhen wollen, unter anderem die Herr Czaja! Es ist nicht Aufgabe der Senatorin für Ge- Gewerbesteuer, und auch eine Ausdehnung der Gewerbe- sundheit, das zu bewerten, weil hier der Fachvermögens- steuer auf die freien Berufe planen. träger gefragt ist, die Dinge zu bewerten. [Christian Gaebler (SPD): Das ist eine Frage in der [Christoph Meyer (FDP): Ist Ihnen egal, normalen Fragestunde!] wie es den Kindern geht?] Ich bin überrascht, dass der Kollege Esser von den Grü- Ich weiß aus den Unterlagen und Diskussionen der Pres- nen am Montag im Zuge einer Diskussionsveranstaltung se, des Hauses usw., dass dort regelmäßig Messungen formuliert hat, dass die Grünen nach der Wahl auch gern stattfinden und bisher alle Messungen unter den Grenz- die Grunderwerbsteuer erhöhen wollen. Wie sehen Sie werten waren und dass im Übrigen sehr intensiv an der das als Finanzsenator? Wäre das vor dem Hintergrund der Lösung der schon seit Längerem bekannten Probleme Haushaltslage des Landes Berlin notwendig oder nicht? gearbeitet wird. [Zurufe von den Grünen] [Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Bitte sehr, Herr Senator! Eine Nachfrage – Herr Czaja! Senator Dr. Ulrich Nußbaum (Senatsverwaltung für Sebastian Czaja (FDP): Finanzen): Dann frage ich doch noch mal nach, ob sich die Gesund- Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Kollege! Wir haben heitssenatorin in Absprache mit der Bildungsverwaltung als Land und als Kommune nicht so viele Möglichkeiten, auch darüber im Klaren ist, dass durch die öffentliche die Einnahmesituation zu verbessern. Die eine wichtige Diskussion und durch die erneuten Belastungen und jetzt Steuerart – das habe ich eben schon erklärt – haben wir auch das Auftreten von Mardern auf den Deckenplatten auch gegen Ihr Bestreben geschützt, sodass sie uns erhal- möglicherweise die Poelchau-Oberschule weiter in Miss- ten bleibt. Das ist in der Tat schon mal ein großer Fort- kredit gebracht wird und dadurch die Anmeldezahlen für schritt. diese Schule rückläufig sein könnten, weil Sie dieses [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Problem in dieser Stadt seit Monaten nicht in den Griff bekommen. Dann haben wir andere Steuerarten, die durch Kommune oder Land beeinflussbar sind. Ich denke jetzt weniger an die Hundesteuer, die vom Aufkommen her ohnehin nicht Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: so bedeutsam ist. Aber Sie sprachen konkret die Grund- Bitte sehr, Frau Senatorin! erwerbsteuer an. Anders als die Grundsteuer, die sich, wenn sie verändert oder erhöht wird, unmittelbar in der Erhöhung von Mieten niederschlägt, ist die Grunder- Senatorin Katrin Lompscher (Senatsverwaltung für werbsteuer neutraler. Sie ist eher mit einer Maklercourta- Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz): ge vergleichbar, das heißt, sie fällt auf die konkrete Da bitte ich um Verständnis! Es entzieht sich wirklich Transaktion an. Mit 4,5 Prozent war Berlin mal Spitzen- meiner Kenntnis, ob dadurch oder durch andere Maßnah- reiter. Mittlerweile haben andere Städte die Grunder- men, zum Beispiel durch solche Fragestellungen, eine werbsteuer auf einen Satz von 5 Prozent respektive

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Senator Dr. Ulrich Nußbaum 5,5 Prozent – Hamburg hat auch eine Vorreiterrolle über- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: nommen – angehoben. Wir werden uns ansehen müssen, Vielen Dank! ob das einen Beitrag dazu leisten kann, die Finanzen des

Landes Berlin zu stabilisieren. In jedem Fall ist es auch Für eine weitere Frage hat der Kollege Isenberg von der davon abhängig, wie sich die Situation insgesamt entwi- SPD-Fraktion das Wort. ckelt. Ich will Ihnen aber an dieser Stelle direkt sagen:

Anders als bei der Gewerbesteuer würde ich das nicht ausschließen. Thomas Isenberg (SPD): [Andreas Gram (CDU): Also auf Deutsch, sie kommt!] Meine Frage geht an die Senatsgesundheitsverwaltung. – Frau Senatorin Lompscher! Der Abrechnungsskandal um

die Helios-Kliniken ist innerhalb eines Jahres schon der Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: zweite Fall von Kliniken, die in Berlin falsch abrechnen. Eine Nachfrage – Kollege Meyer! Welche gesundheitspolitischen Konsequenzen könnte man daraus ziehen, oder wie bewerten Sie das?

Christoph Meyer (FDP): Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Ich bin etwas überrascht, Herr Nußbaum! Dass die Grü- nen die Steuer erhöhen wollen, ist das eine. Haben Sie Frau Senatorin! denn diese Position, die Sie gerade formuliert haben, auch wenn Sie nicht Mitglied der SPD sind, mit der Regie- Senatorin Katrin Lompscher (Senatsverwaltung für rungsfraktion, die Sie in den Senat geschickt hat, abge- Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz): stimmt, oder ist das eine Einzelmeinung von Ihnen? Das ist in der spontanen Fragestunde wirklich eine Her-

ausforderung. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Sehr geehrter Isenberg! Die Ermittlungen stehen am An- Herr Senator! fang, und hier hat offensichtlich ein klinisch geführtes MVZ ärztliche Leistungen falsch abgerechnet. Es sind fachärztliche Leistungen abgerechnet worden, obwohl Senator Dr. Ulrich Nußbaum (Senatsverwaltung für keine fachärztlichen Leistungen erbracht worden sind. Finanzen): Hier scheint es einen sehr spezifischen Streit zwischen der Lieber Kollege Meyer! Wir sind hier im spontanen Teil Kassenärztlichen Vereinigung und den Medizinischen des Parlaments, und insofern gehe ich davon aus, dass ich Versorgungszentren, die klinisch geführt sind, zu geben, eine spontane Antwort nicht abgestimmt haben kann, dem ich mich ausdrücklich nicht anschließen werde, weil sonst wäre sie per se nicht mehr spontan. ich finde, dass wir auch klinisch geführte medizinische Versorgungszentren brauchen. [Beifall bei der SPD und den Grünen – Andreas Gram (CDU): Aber Sie können doch Wenn man also über gesundheitspolitische Konsequenzen spontan antworten, dass Sie mit den Genossen reden will, muss man zunächst einmal feststellen, dass das gesprochen haben!] Land für den ambulanten Bereich – und dazu gehören die Ich habe zum Ausdruck gebracht und versucht, Ihnen zu medizinischen Versorgungszentren – keine Karte im Spiel erklären, wo der Unterschied zwischen einer Grundsteuer hat. Wir haben hier null Chance, irgendetwas zu steuern, und einer Grunderwerbsteuer ist – ich kann Ihnen auch zu erfahren, Unterlagen zu erhalten. Eine gesundheitspoli- andere Steuerarten erklären – und welche Effekte sie etwa tische Konsequenz wäre daher, dass es sicherlich sehr auf die Mietensituation haben. Deswegen sage ich Ihnen sinnvoll sein könnte, dass auch sektorübergreifend die nochmals: Es ist schließlich meine Aufgabe als Finanzse- Gesundheitsbehörden der Länder Anteil an Bedarfspla- nator, über Einnahmen nachzudenken. Ihre Aufgabe ist nung, Steuerung und Versorgungsmanagement haben. es, im Hauptausschuss vor allem über die Ausgaben nach- Darüber reden wir aktuell im Zusammenhang mit dem zudenken, aber irgendwoher muss das Geld kommen. Versorgungsgesetz. Verzeihen Sie mir bitte! Es ist doch klar, dass wir auch über eine solche Option nachdenken. Aber wenn sie denn Es gibt noch ein zweites Thema, das etwas grundsätzli- eingeführt würde, würde sie zunächst im Senat erörtert cherer Natur ist: Offensichtlich besteht ein großes Interes- werden, sie würde natürlich auch im Kreise des Parla- se bei allen ärztlichen und medizinischen Leistungserb- ments respektive der Regierungskoalition erörtert werden, ringern, Erträge auch zu erhöhen. Dafür werden mitunter und dann werden wir zu einem Schluss kommen. Aber sie alle denkbaren und juristisch nicht zulässige Wege ge- hat in der Tat nicht die Auswirkung, die eine Erhöhung nutzt. Das hat mit dem steigenden Kostendruck zu tun, der Grundsteuer hätte, und deswegen ist sie zumindest denn auf der einen Seite können medizinische Leistungen mitzuerwägen. – Vielen Dank! in immer größerem Umfang und größerer Qualität er- bracht werden, das kostet natürlich mehr. Auf der anderen Seite steigen aber aufgrund verschiedener bundespoliti- scher Interventionen die Einnahmen der gesetzlichen

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Senatorin Katrin Lompscher Krankenversicherungen nicht in dem Maße. Da sind wir lfd. Nr. 3: an dem Punkt, dass wir gesundheitspolitisch sehr ernst- Aktuelle Stunde haft über dieses Thema reden müssen. Das tun wir aber nicht hier, sondern in der Gesundheitsministerkonferenz Berlin ist Hauptstadt der Integration – und vorrangig auf Bundesebene, weil es dort hingehört. – 50 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei Vielen Dank! Antrag der SPD

Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: in Verbindung mit Eine Nachfrage von Herrn Isenberg – bitte! lfd. Nr. 29: Thomas Isenberg (SPD): Antrag Frau Senatorin! Das Land Berlin wird bei der Gesund- Unternehmen in Vielfalt fördern heitsministerkonferenz von Ihnen vertreten, insofern ist das hier schon der richtige Ort, sich über Ihre Gedanken Antrag der Grünen Drs 16/4271 zu unterhalten. Die beiden Einrichtungen sind Teil des Für die Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Landeskrankenhausbedarfsplans, und wir haben kommu- Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf nale Kliniken – haben Sie, um hier präventiv zu wirken, zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Das Wort für Gespräche geführt und sich darlegen lassen, wie unsere die SPD-Fraktion hat der Kollege Saleh. eigenen Häuser besser mit den von Ihnen skizzierten Problemen umgehen, damit nicht zu erwarten ist, dass dort ähnliches auftritt? Raed Saleh (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon vor Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: 1961 war Deutschland ein Einwanderungsland. Italiener und Portugiesen sorgten im Ruhrgebiet nicht nur für die Bitte schön, Frau Senatorin! Etablierung von Pizza und Spaghetti, sondern vor allem für einen günstigen Abbau von Kohle. Das Anwerbeab- Senatorin Katrin Lompscher (Senatsverwaltung für kommen mit der Türkei vor 50 Jahren, an welches wir Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz): heute erinnern, war leider deutlich vom damaligen Zeit- geist geprägt. Eine Anwerbung galt nur für unverheirate- Sehr geehrter Herr Isenberg! Um kein Missverständnis te, gesunde Menschen und auch nur, wenn sie aus dem aufkommen zu lassen: Ich wollte nur darauf hinweisen, europäischen Teil der Türkei stammten. Nach zwei Jahren dass das alles bundesgesetzlich geregelt ist und wir im sollten sie Deutschland wieder verlassen. Diese Inhalte ambulanten Sektor bislang keinerlei Möglichkeiten haben. lockten gering qualifizierte Arbeitsmigrantinnen und Krankenhausplan ist die eine Sache – da hätten wir Mög- -migranten, deren Verweilen ausdrücklich nicht geduldet lichkeiten. Medizinische Versorgungszentren an Kran- war. Sie sollten arbeiten, sie sollten wirtschaften und so kenhäusern gehören aber nicht zum Krankenhausplan. wenig wie möglich unsere Gesellschaft prägen. Wir alle Trotzdem erwarte ich von den Trägern, dass sie für wissen, dass es zum Glück anders gekommen ist. Die Transparenz sorgen, dass sie auf die Krankenhausbehör- Inhalte des Vertrags wurden drei Jahre später geändert. de, auf die Gesundheitsbehörde des Landes, zugehen. Das Die Gastarbeiter kamen, und die Gastarbeiter blieben. Sie hat Helios bisher nicht getan, obwohl sie dazu aufgefor- trugen einen wesentlichen Beitrag zum Wachstum unseres dert sind. Das war übrigens im Fall DRK anders. Damals Landes bei. Sie holten ihre Familien nach. Die sprich- haben wir sehr schnell geschaut, ob es bei Vivantes dies- wörtlichen Koffer, auf denen sie saßen, wurden ausge- bezügliche Probleme gab, haben aber festgestellt, dass es packt. Auch mein Vater kam in den 60er-Jahren nach keine Auffälligkeiten gab. Wo es möglich ist, versuchen Berlin. Er wurde irgendwann heimisch, holte seine Kinder wir, präventiv zu wirken, ansonsten sind die Träger der nach und wollte, dass diese mehr Chancen auf Wohlstand NVZ am Zuge. Also noch einmal: Helios ist herzlich und Teilhabe haben. Sie sollten es besser haben durch willkommen, mir ihren Stand der Erkenntnisse darzule- Bildung und Teilhabe. gen. Geschichten und Biografien wie diese prägen seit Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: 50 Jahren unser Land. Die Entwicklung unserer Stadt ist eng mit den Erwartungen der Migrantinnen und Migran- Vielen Dank, Frau Senatorin! – Damit ist die Fragestunde ten verknüpft, mit ihrem Heimischwerden, aber auch mit beendet. schwierigen Arbeitsbedingungen, mit ihrem Leben am

Rande der Gesellschaft. Niemand hat das besser beschrie- Ich rufe auf ben und dargestellt als Günter Wallraff in seinem Buch

„Ganz unten“, in dem er seine persönlichen Erlebnisse als vermeintlicher Gastarbeiter schildert. Mit seinem Buch hat er vielen in der Gesellschaft die Augen geöffnet.

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Raed Saleh [Beifall bei der SPD, den Grünen und gibt. Eine Voraussetzung dafür ist, dass sich die vielfälti- der Linksfraktion] gen Moscheegemeinden erst einmal auf eine Struktur Heute müssen wir uns fragen, wie unsere Stadt mit den einigen – auch das wäre eine Form der Anerkennung. Geschichten der Menschen umgeht. In vielen Gesprächen mit Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien Unsere vielfältigen Wurzeln sind ein Teil Berlins, ein Teil betone ich immer wieder, dass ihre Biografien Potenziale Deutschlands, ein Teil unserer Gesellschaft. Bei allen und Chancen bergen, dass sie stolz darauf sein können, Chancen und Herausforderungen muss man dieses mit wie ihre Eltern und Großeltern unsere Wirtschaft und sich tragen. Gesellschaft prägten und prägen, und dass sie neben der deutschen Sprache ihre Sprache als kulturelles Erbe ver- Zu Frau Kollegin Baba: Sie haben vorhin, wie ich finde, stehen und würdigen sollen. Gerade in einer globalisierten die Probleme gezeigt, die es gab. Und Sie haben die Prob- Welt ist Mehrsprachigkeit nicht von Nachteil. leme auch ausgeführt, aber ich will mal aus meiner Sicht sagen: Es gibt nicht Schwarz-Weiß in der Politik. Es gibt, [Beifall bei der SPD, der CDU und glaube ich, ein ganz breites Mittelfeld. Was im Großen der Linksfraktion] und Ganzen in Berlin passiert, die bilateralen Ehen, die Hinterfragt eure persönlichen Geschichten, es geht um Freundschaften innerhalb der Arbeitskollegen und Ar- eure Identität, schämt euch dafür nicht, denn unsere Stadt beitskolleginnen, die Freundschaften im Studium, auch hat Platz für viele Identitäten! das ist die Wahrheit zur Integration in Berlin. Die Integra- tion ist viel weiter, und auch Sie, bitte, zerreden Sie sie [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] nicht, sondern: Die Integration in Berlin ist hunderttau- Aber auch wir in der Politik müssen unsere Geschichte sendfach gelungen. hinterfragen. Wo sind heute Spuren der Zuwanderinnen [Beifall bei der SPD und der CDU] und Zuwanderer? Wo haben sie gewohnt? Wie waren ihre Lebensumstände? Die Entwicklung der gesellschaftlichen Prozesse ist heute noch zu wenig sichtbar, zu wenig do- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: kumentiert. Die Menschen haben ein Recht auf ihre Ge- schichte, sie haben ein Recht darauf, dass sie verarbeitet Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der und gezeigt wird. Sie haben auch ein Recht darauf, dass Kollege Dr. Wegner. ihre Leistungen und ihr Beitrag für unsere Stadt nicht vergessen werden. Sie verdienen unseren Respekt und Dr. Michael Wegner (CDU): unsere volle Anerkennung! Sayın Başkan, Sevgili Arkadaşlar! Oder zu Deutsch: Sehr [Beifall bei der SPD, der CDU, den Grünen verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und und der Linksfraktion] Kollegen! Deswegen haben wir uns entschlossen, in der Aktuellen [Beifall bei der CDU, der SPD und den Grünen] Stunde genau dieses Thema und diese Menschen in den Der 31. Oktober 1961 ist das Datum des Abschlusses des Mittelpunkt zu stellen. Heute Vormittag hat der Regieren- Anwerbeabkommens Deutschland-Türkei. Es ist die Fort- de Bürgermeister einen Empfang gegeben und viele Men- entwicklung dessen, was 1955 mit Italien und 1960 mit schen mit einer Gastarbeiterbiografie eingeladen, um Griechenland und Spanien und danach mit Tunesien und ihnen die Anerkennung der Stadt Berlin zu zeigen. Marokko verabredet worden ist. Dieses Abkommen zur [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] zeitlich begrenzten Anwerbung von Arbeitskräften – der Es kann jedoch nicht nur um den Umgang mit unserer Kollege Saleh hat darauf Bezug genommen –, also mit Geschichte gehen, vielmehr müssen wir uns mit der Ge- Rotationsprinzip, ohne Familiennachzug, maximale Auf- staltung unserer Gegenwart und vor allem unserer ge- enthaltsdauer von zwei Jahren – 1964 wurde das dann meinsamen Zukunft auseinandersetzen. Weltoffenheit, geändert –, dieses Abkommen ist eine Erfolgsgeschichte. Toleranz, Veränderung – all das gehört zum Selbstver- Es ist Erfolg in der Förderung des Wirtschaftswachstums ständnis Berlins. Wir alle wissen, dass die Menschen und der Fortentwicklung des deutschen Wirtschaftswun- nicht nur ihre Arbeitskraft zu uns brachten, sie kamen mit ders. Es ist ein Erfolg in der wachsenden Globalisierung ihrer eigenen Kultur, mit ihrer eigenen Religion, mit ihren der Weltwirtschaft. Die Berliner Traditionsmarke Tele- eigenen Lebensentwürfen. Dies kann eine Bereicherung funken ist mittlerweile in türkischem Besitz. Es ist ein sein, wir müssen es nur nutzen. Der Umgang mit den Erfolg in der Schaffung des sozialen Aufstiegs der zuzie- Strukturen anderer Kulturen und Religionen muss noch henden Gastarbeiter, daheim wie hier. Und es ist ein Er- etwas besser werden. Tage wie diese sollten auch türki- folg in der Erweiterung der kulturellen Vielfalt in der sche und muslimische Verbände vor die Frage stellen, wie Gesellschaft. Das sehen wir hier in dieser Stadt. Es ist ein sie ihren Beitrag dazu leisten, dass das Miteinander in der Erfolg in der Bereicherung der Nationen, wenn man sich Gesellschaft noch besser funktioniert. beispielsweise den Tourismus anschaut. Es ist ein Erfolg für Deutschland vor Ort. 80 000 türkische Unternehmen [Beifall bei der SPD] in Deutschland, das sind 38 Prozent aller türkischstämmi- Es ist auch notwendig festzustellen, dass es für den Islam gen Unternehmen in ganz Europa. 400 000 türkischstäm- nach wie vor keine Körperschaft des öffentlichen Rechts mige Arbeitnehmer, die dort beschäftigt werden, das sind

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Dr. Michael Wegner 49 Prozent aller türkischstämmigen Arbeitnehmer in dann der letzte untaugliche Versuch einer Rückkehrerför- Europa. Und es ist ein Erfolg in Berlin. Im Zehnjahres- derung mittels Rückkehrprämie und Mobilitätsberatung. vergleich 1999 bis 2009 konnten wir feststellen: von Danach begann dann die Wende in der damals so be- 5 000 Unternehmen auf über 8 000 Unternehmen in über zeichneten Ausländerpolitik, die man auch heute noch als 100 Branchen, von 20 000 Arbeitnehmern, die diese Un- Wettlauf einer Begrenzungspolitik sehen kann. Ab 1988 ternehmen beschäftigen, auf über 30 000, von fand allerdings die Überlagerung der gesellschaftlichen 650 Millionen Euro 1999 umgerechnet auf 3,5 Milliarden Diskussion durch das Thema Asylmissbrauch statt, und im Jahr 2009. das führte dann auch zu einem Tummelplatz rechtsradika- ler Demagogie. Dieser Erfolg hat Geschichte. 1954 erfolgte die Anmel- dung des ersten deutsch-türkischen Handelsunternehmens Ein Jubiläum soll aber an das Gelungene erinnern, also in Berlin-Zehlendorf, 1962 die Eröffnung des ersten türki- zurück zum Erfolg: Da sage ich Ihnen, als Christdemokrat schen Restaurants in der Knesebeckstraße, bin ich besonders stolz, dass es in diesen 50 Jahren vor- [Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)] wiegend Christdemokraten waren, die die Weichen posi- tiv gestellt haben, 1967 der erste Charterflug Berlin-Istanbul, 1972 der erste türkische Imbiss in Berlin, 1973 die erste Präsentation [Beifall bei der CDU – türkischer Erzeugnisse auf der Grünen Woche. Und es ist Gelächter bei der SPD und den Grünen – auch allen öffentlichen Mären zum Trotz ein Erfolg in der Zurufe von den Grünen und der Linksfraktion] beruflichen Ausbildung. Während der Anteil von Men- 1961 mit dem Abkommen der Bundesregierung Adenau- schen mit Migrationshintergrund an der Wohnbevölke- er, im Übrigen noch mit einer absoluten Mehrheit verse- rung 18,7 Prozent beträgt, beträgt er im Bereich der beruf- hen, 1964 mit einer CDU-geführten Bundesregierung, die lichen Bildung bei den jungen Menschen 28,6 Prozent. den Wegfall des Rotationsprinzips und der zeitlichen Kurzum: Migration hat nicht nur Arbeitnehmer, sondern Begrenzung bewirkte. auch Unternehmer, Investoren, Arbeitgeber und Ausbilder [Zuruf von Lars Oberg (SPD)] in das Land und damit in unsere Stadt gebracht. – Es sind Fakten, Herr Kollege Oberg, damit wissen Sie ja Und wenn ein Mensch 50 Jahre alt wird, ist die Wahr- in der Regel sowieso nicht umzugehen. scheinlichkeit allerdings auch relativ groß, dass in seinem [Beifall bei der CDU] Leben einiges schiefgelaufen ist. Und so ist dann eben auch in 50 Jahren Bestand Anwerbeabkommen einiges 1981 war es eine CDU-geführte Landesregierung, die den schiefgelaufen. Über 30 Jahre wurde, obwohl die Rechts- ersten Ausländerbeauftragten auf Bundesländerebene lage sich entsprechend geändert hatte, darauf vertraut, etablierte, 1988 ein CDU-Bürgermeister, der in einer dass die Gastarbeiter zurückkehren. Die Rezessionen nicht selbstständigen Kommune zum ersten Mal einen 1967 und 1973 führten zum Anwerbestopp, ohne den Ausländerbeauftragten etablierte. Familiennachzug und die Familienzusammenführung in [Zuruf von Thomas Birk (Grüne)] irgendeiner Weise dem anzupassen. Der stetig ansteigen- den ausländischen Wohnbevölkerung durch Familien- 1991 war es die schwarz-gelbe Bundesregierung, die den nachzug und auch durch das Kinderkriegen wurde seitens Regelanspruch auf Einbürgerung mit Gesetzeskraft ver- der damaligen Bundesregierung gesellschaftspolitisch fasste. 1992 war es ein Bundeskanzler der CDU, der den nichts konstruktives Konzeptionelles entgegengesetzt. Asylkompromiss hinbekam und eine Rückversachlichung Und wie man in Westberlin besonders bewundern durfte, in der Integrationsdebatte herbeiführte. Und wiederum setzten sich verstärkt die örtliche Segregation und damit 1993 war es die christlich-liberale Koalition, die einen die soziale Ausgrenzung einer breiter werdenden sozialen rechtlichen Anspruch auf Einbürgerung im Staatsbürger- Unterschicht fort. Zu einem guten Teil sind heute vorhan- recht in Deutschland verankerte. 1997 war es eine CDU- dene Parallelgesellschaften, Quartiersniedergänge und geführte Bundesregierung, die die gesetzliche Veranke- nicht zu überwindende Bildungsferne bestimmter Schich- rung des Ausländerbeauftragten deutschlandweit durch- ten Produkte dieser verfehlten sozialliberalen Bundes- setzte. 2004 und 2005 war es eine von der CDU- und Landespolitik jener Tage. Politikerin Rita Süßmuth geleitete Kommission, die die verfassungskonforme Zuwanderungsgesetznovelle schuf, [Beifall bei der CDU – verehrte Frau Kollegin Baba-Sommer! Beifall von Özcan Mutlu (Grüne)] [Zuruf von Evrim Baba-Sommer (Linksfraktion)] Die sozialliberale Bundesregierung blieb in den späten Siebziger- und beginnenden Achtzigerjahren Dauerkon- 2005 war es eine CDU-Bundeskanzlerin, die das Amt des zepte schuldig, sondern betrieb vielmehr eine Politik der Bundesintegrationsbeauftragten im Kanzleramt mit Kabi- durch Integrationskonzepte ergänzten Arbeitsmarktpoli- nettsrang aufwertete. 2006 war es ein CDU-Bundesinnen- tik. Der erste Bundesausländerbeauftragte, ehemalige minister, der mit der Deutschen Islamkonferenz die reli- SPD-Ministerpräsident, Heinz Kühn, in Nordrhein- giöse Zugehörigkeit eines signifikanten Teils unserer Westfalen, scheiterte mit seinem Integrationsmemoran- Gesellschaft zur offiziellen Regierungsthematik erhob. dum am eigenen SPD-Bundesarbeitsminister Herbert Ebenfalls 2006 war es eine christdemokratische Staatsmi- Ehrenberg. 1982 folgte seitens der rot-gelben Koalition nisterin, die den ersten Migrationsbericht in Deutschland

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Dr. Michael Wegner vorlegte. Und 2010 war es ein CDU-Ministerpräsident, gibt es dann einige Fakten, die ich Ihnen auch nicht vor- der eine Türkischstämmige zur ersten Ministerin ihrer enthalten kann. Ethnie in Deutschland ernannte, und nebenbei gesagt, mit einem breiten Zuständigkeitsbereich und nicht so ein Ich kann Ihnen nicht vorenthalten, dass es Ihr Partei- Pillepalleressort wie jetzt in Baden-Württemberg. freund Rüttgers war, der mit dem widerlichen Versuch, [Beifall bei der CDU – Kinder gegen Inder auszuspielen, in den Wahlkampf Zuruf von Canan Bayram (Grüne)] gezogen ist. Und im Übrigen, gefolgt vom Mut des damaligen CDU- [Beifall bei der SPD, den Grünen Ersten-Bürgermeisters der Freien und Hansestadt Ham- und der Linksfraktion – burg, einen Menschen mit Migrationshintergrund zum Evrim Baba-Sommer (Linksfraktion): Genau!] Senator für Hafen und Wirtschaft zu machen. Und es war Ich kann es Ihnen nicht ersparen, dass Ihr Parteifreund ein von uns Christdemokraten nominierter Bundespräsi- Koch mit einer Unterschriftenkampagne gegen die dop- dent, der den Diskurs über den Islam in der bundesrepub- pelte Staatsbürgerschaft unter dem Motto „Wo kann man likanischen Gesellschaft weiter entfacht hat. hier gegen die Ausländer unterschreiben“ an die Macht [Zurufe von den Grünen] gekommen ist. Wir, die CDU, blicken mit Stolz, aber nicht ohne Kritik [Beifall bei der SPD, den Grünen auf das 50-jährige Jubiläum des deutsch-türkischen An- und der Linksfraktion] werbeabkommens. Ich kann es Ihnen auch nicht ersparen, dass Sie es hier in [Zurufe von den Grünen] diesem Parlament waren, die sich gegen das Integrations- gesetz gestellt haben und die auf wirklich merkwürdige Und wir können mit Fug und Recht sagen: Dort, wo ande- Art versucht haben, es verächtlich zu machen. re, insbesondere die, die gerade den Mund so schön voll nehmen, wo andere viel heiße Luft geblasen haben oder [Zurufe von Uwe Goetze (CDU) und wie Frau Baba-Sommer heute noch blasen, haben wir Andreas Gram (CDU)] gehandelt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Gehen [Beifall bei der CDU] Sie auf die Straße, sprechen Sie mit den Leuten! Dann werden Sie erleben, dass das, was Sie als Fakten verkau- Ich glaube, kaum eine andere Partei kann objektiv eine fen, einer anderen Realität gegenübersteht. Gehen Sie zu solche Erfolgsgeschichte in Regierungsverantwortung den Menschen und sprechen Sie darüber, wie die sich in vorweisen. Und mir bleibt eigentlich nur eines zu sagen: dieser Gesellschaft akzeptiert fühlen! Sie und Ihre Partei Ilk kuşak sizlere sonsuz çok çok teşekkürler. Ich danke haben einen großen Anteil daran, dass Menschen, deren Ihnen, dass Sie zugehört haben! Eltern in diesem Land geboren sind, deren Großeltern [Beifall bei der CDU – nach Deutschland gekommen sind, sich heute hier noch Beifall von Volker Thiel (FDP)] fremd fühlen, weil sie schlichtweg nicht akzeptiert wer- den. Ich schäme mich, wenn ich mich mit solchen Men- schen unterhalte und sie mir offen ins Gesicht sagen: Herr Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Oberg! Wann ist es endlich so weit, dass wir hier akzep- tiert werden? – Wir kämpfen dafür, dass diese Menschen Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Wegner! – Das Wort für hier akzeptiert werden, und Ihre Partei hat noch einiges eine Kurzintervention hat der Kollege Oberg. aufzuarbeiten, denn Sie haben einen wesentlichen Anteil daran, dass diese Menschen heute in dieser Gesellschaft Lars Oberg (SPD): um Anerkennung ringen. So viel zu den Fakten. – Vielen Dank! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wegner! Zunächst einmal möchte ich Ihnen meinen Re- [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – spekt zollen. Sie haben mit Ihrer Rede bewiesen, dass sich Uwe Goetze (CDU): Peinlich! – in der CDU in den letzten Jahren einiges bewegt hat und Andreas Gram (CDU): Gerade dass Sie nach langen Wirren und langen Mühen dann den Windeln entschlüpft!] doch auch im 21. Jahrhundert angekommen sind [Zuruf von der CDU: Im Gegensatz zu Ihnen!] Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: und endlich akzeptiert haben, dass Deutschland und Ber- Das Wort zur Erwiderung hat der Kollege Dr. Wegner. lin eine Einwanderungs- und Integrationsgesellschaft ist. Wir haben nicht vergessen, dass das lange nicht der Fall war. Dr. Michael Wegner (CDU): [Beifall bei der SPD – Verehrter Herr Kollege Oberg! Das waren vielleicht Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] 20 Prozent Fakten und 80 Prozent Agitation, Dann haben Sie es so sehr mit Fakten gehabt und auch [Beifall bei der CDU] mir gleich zugerufen, mit Fakten hätte ich es nicht so. Da

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Dr. Michael Wegner aber ich darf Sie einfach daran erinnern, dass der von Menschen als eine gesellschaftspolitische Aufgabe begrif- Ihrer Partei gestellte Bundesinnenminister Otto Schily fen wurde. nahezu wörtlich gesagt hat: Die beste Integration ist As- similation. – Ich glaube nicht, dass Sie mit diesem Spruch Die Bundesrepublik hat ab Ende der 50er-Jahre und in großartig in der Migrantencommunity punkten werden. den 60er-Jahren gezielt Arbeitsmigrantinnen und -migran- [Lars Oberg (SPD): Hier geht es nicht um punkten!] ten aus südeuropäischen Ländern angeworben. Sie sollten als billige Arbeitskräfte die Lücken in einer boomenden Zum Thema Integrationsgesetz: Sie machen schlichtweg Wirtschaft schließen. Die jungen Männer und vor allem einen Fehler – das ist auch der Grundfehler des von Ihnen Frauen, die kamen, hofften auf vernünftige Arbeitsbedin- mit beschlossenen Integrationsgesetzes –, nämlich dass gungen, und sie hofften auf gute Löhne. Die Realität sah Sie ausschließlich auf Herkunft abstellen, meist anders aus. Sie wurden nicht nur ausgebeutet, sie [Dilek Kolat (SPD): Stimmt gar nicht!] wurden auch ausgegrenzt, und viele von ihnen landeten im Wohnheim oder in Abrisshäusern. In der Bundesrepu- während wir gesagt haben: Herkunft ist ein Teil, Leistun- blik und auch – das sage ich noch einmal – in der DDR gen und andere Dinge sind weitere Teile, die dazu gehö- mit den Vertragsarbeiterinnen und -arbeitern herrschte ren. damals die Vorstellung, dass die Menschen zum Arbeiten [Beifall bei der CDU] kommen und dass sie, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Noch ein Punkt, lieber Kollege Oberg! Es gibt so ein Das entsprach auch dem Selbstbild der meisten Arbeits- schönes Abgeordnetenhausbüchlein. Das gucken Sie sich migrantinnen und -migranten. Darüber konnten wir heute einmal an. Danach unterhalten wir uns über mein zehn- früh einiges hören. Dieses Selbstbild hat sich auch erst im jähriges Anwerbeabkommen, okay? Laufe der 70er-Jahre gewandelt. [Beifall bei der CDU] Mit dem Anwerbestopp, den die Bundesregierung ver-

hing, wurden die Grenzen für die Arbeitsmigranten ge- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: schlossen. Wer hier lebte, ging nicht mehr zurück, son- Vielen Dank! – Das Wort zur Fortsetzung der Debatte hat dern holte die Familie nach oder gründete hier Familie. Frau Breitenbach von der Linksfraktion. Viele Arbeitsmigrantinnen und -migranten bauten für sich und ihre Familien hier eine Zukunft auf. Die Rückkehrop- tionen wurden verschoben und oftmals auch aufgegeben. Elke Breitenbach (Linksfraktion): Nur die offizielle Politik, Herr Wegner, hielt eisern an der Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wegner! alten Vorstellung der vorübergehenden Anwesenheit fest. Ich teile Ihre Position auch nicht eins zu eins, und ich Sie hielten auch an der alten Politik fest. Dies taten sie finde, da müssen Sie auch noch einmal gucken, wie viel Jahrzehnte, obwohl die Realität alle Lügen strafte. Agitation und Propaganda dabei war. Aber ich lasse es jetzt einmal stehen. Der Bevölkerungsanteil der Menschen mit Migrationshin- tergrund wuchs. Ihre Löhne waren nicht hoch, und viele Vor 50 Jahren wurde das deutsch-türkische Anwerbeab- von ihnen lebten dort, wo Wohnungen billig sind und kommen abgeschlossen. Wer damals nach Deutschland meist leider auch schlecht waren. Die Antwort der Bun- und nach Berlin kam, ist heute im Rentenalter. Wer heute desregierung darauf war Mitte der 70er-Jahre die soge- früh auf dem Empfang war, konnte einige von ihnen ken- nannte Zuzugssperre. Damit durften Ausländerinnen und nenlernen. Diese Menschen aus der Türkei, aber auch aus Ausländer nicht mehr in Gebiete und Stadtteile ziehen, in vielen anderen Ländern haben die wechselvolle Geschich- denen der Ausländeranteil höher als 12 Prozent war. te der Integrations-, man kann aber auch sagen Desinteg- Schon ein Jahr später wurde die Zuzugssperre wegen rationsgeschichte in der Bundesrepublik und auch in der verfassungsrechtlicher Bedenken aufgehoben, allerdings DDR am eigenen Leib erfahren und zum Teil auch erlit- nicht in Westberlin. Hier galt das Grundgesetz nicht, und ten. Es hat sehr lange gedauert, nämlich bis Ende der an der Zuzugssperre wurde festgehalten. Erst in den 90er- 90er-Jahre – Herr Wegner! Bis Ende der 90er-Jahre – Ist Jahren beendete der damalige rot-grüne Senat dieses der Mann eigentlich noch da? – Nein! Dann kann ihm das skandalöse Vorgehen. Man muss sagen: Sie haben es ja jemand sagen. –, endlich beendet. [Dr. Michael Wegner (CDU): Hier ist er!] [Beifall bei der Linksfraktion] dass sich das vereinigte Deutschland dazu durchringen Diese Zuzugssperre in Berlin war für viele der Migrantin- konnte, sich selbst als Einwanderungsland zu bezeichnen. nen und Migranten der ersten und auch der zweiten Gene- Damals war zumindest die CDU nicht in Regierungsver- ration Realität. Dieses Zuzugssperre war vor allem ein antwortung. Zeugnis dafür, dass die Migrantinnen und Migranten nicht als Teil dieser Gesellschaft anerkannt waren, und dass sie [Beifall bei der Linksfraktion] sich auch nicht als Teil dieser Gesellschaft fühlen sollten. Es hat im Übrigen auch dementsprechend lange gedauert, Mit den Folgen dieser Ausgrenzung der Integrationspoli- bis die gesellschaftliche Integration aller hier lebender tik haben wir alle heute noch zu tun, aber vor allem dieje- nigen, die dies damals erlebt haben und erdulden mussten.

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Elke Breitenbach Heute leben rund 160 000 türkeistämmige Berlinerinnen Die Integrationspolitik Berlins fußt heute auf völlig ande- und Berliner hier, türkischer und kurdischer Zugehörig- ren Paradigmen. Integration heißt eben nicht Anpassung keit, Muslime, Aleviten, Christen und Atheisten. Der und Unterwerfung unter irgendwelche Leitkulturen. Integ- 50. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens ration ist ein zweiseitiger Prozess, bei dem sich alle ver- und ein Blick zurück zeigen, dass sich im gesellschaftspo- ändern müssen. Das setzt auch voraus, dass man sich litischen Verständnis von Berlin viel verändert hat. Die gegenseitig als gleichberechtigt anerkennt und gleiche Stadt bekennt sich zu ihrer Vielfalt. „Vielfalt fördern – Möglichkeiten und gesellschaftliche Teilhabe hat. Auf Zusammenhalt stärken“ ist das Leitmotiv der rot-roten Bundesebene sind wir davon tatsächlich weit entfernt. Integrationspolitik. Aber wenn die CDU so aktiv in diesem Bereich ist, wer- [Benedikt Lux (Grüne): Ho, ho, ho!] den wir sicherlich noch viel erleben, dass beispielsweise das Kommunalwahlrecht eingeführt wird Berlin ist die Hauptstadt der gesellschaftlichen Integrati- on. Menschen aus über 190 Ländern leben gemeinsam in [Beifall bei der Linksfraktion – dieser Stadt. Die türkeistämmigen Migrantinnen und Vereinzelter Beifall bei der SPD] Migranten und viele andere, wie die Bürgerkriegsflücht- oder dass das Staatsangehörigkeitsrecht verändert wird – linge aus Ex-Jugoslawien, politisch Verfolgte aus den alles Sachen, die Voraussetzungen für ein gleichberech- unterschiedlichsten Ländern, ehemalige Vertragsarbeite- tigtes Zusammenleben in diesem Land sind. Ich bin sehr rinnen und -arbeiter aus Vietnam, Angola oder Mosam- gespannt, was passiert. bik, und Zehntausende EU-Bürgerinnen und EU-Bürger, sie alle haben Berlin geprägt, sie alle haben Berlin verän- Auf Landesebene haben wir mit dem Partizipations- und dert, und zwar zum Guten. Integrationsgesetz und den beiden Integrationskonzepten, [Beifall bei der Linksfraktion – genau so mit der Kampagne „Berlin braucht dich!“ und Beifall von Burgunde Grosse (SPD) dem Aktionsplan gegen Rassismus politische Rahmenbe- und Raed Saleh (SPD)] dingungen für dieses gleichberechtigte Zusammenleben auf gleicher Augenhöhe geschaffen. Dafür werden wir Viele haben es schon gemacht, und ich finde, auch wir als auch in Zukunft weiter stehen. – Vielen Dank! Abgeordnete sollten uns bei ihnen dafür und diese Leis- tung herzlich bedanken. [Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD] [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wir haben in Berlin mittlerweile eine ausgesprochen vielfältige und lebendige ethnische Ökonomie. Das ist Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: nicht allein die klassische Dönerbude, das sind auch IT- Vielen Dank, Frau Kollegin Breitenbach! – Das Wort für Unternehmen oder Werbefirmen, das sind Ärztinnen und die Fraktion der Grünen hat die Kollegin Bayram. Ärzte, das sind Rechtsanwälte, das sind erfolgreiche Künstlerinnen und Künstler oder – wie wir in diesem Canan Bayram (Grüne): Hause sehen – auch Politikerinnen und Politiker. Men- schen mit Migrationshintergrund sind in allen Lebensbe- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Berlin ist die reichen. Die Realität dieser Stadt bricht z. B. auch mit Hauptstadt der Integration. 50 Jahre Anwerbeabkommen dem Bild, dass die türkischstämmigen Menschen alle mit der Türkei – das beschäftigt uns heute in der Aktuel- Gemüsehändler oder Kopftuchmädchen sind. len Stunde. Ich will gleich mit dem Beitrag von Herrn Wegner anfangen und muss sagen, man hätte sich in der [Özcan Mutlu (Grüne): Von welcher Seite denn?] Vergangenheit gewünscht, dass Ihre Fraktion den Fokus, Eine Reduzierung darauf – und das konnten wir die letz- den Sie eingenommen haben, öfter eingenommen hätte. ten Monate immer wieder hören – zeigt, dass immer noch Denn es ist nicht zu leugnen, dass tatsächlich in der Ver- Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Religionszuge- gangenheit auch Gutes auf den Weg gebracht wurde – Sie hörigkeit oder ihrer Weltanschauung diskriminiert und haben einzelne Namen genannt –, aber leider ist es nicht ausgegrenzt werden. Dagegen sollten wir alle uns auch so, dass sich das, was bei Ihnen im privaten Umfeld durch weiterhin wehren. die erfolgreiche Werbung wohl gut zustande gekommen [Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – ist, auf alles übertragen lässt. Insoweit bleibt mir erst Beifall von Raed Saleh (SPD)] einmal zu wünschen, dass Ihre Stimme mehr Gehör findet und dass die CDU sich sowohl auf Landes- als auch auf Trotz all der schweren Bedingungen, die wir heute von Bundesebene ihrer Verantwortung für die Migrantinnen vielen gehört haben, und trotz aller Widrigkeiten haben es und Migranten in Deutschland bewusst wird und die Le- große Teile der migrantischen Bevölkerung Berlins ge- bensumstände verbessert. Das geht über Mehrstaatigkeit, schafft, zu einem wichtigen Teil dieser Gesellschaft zu über die Abschaffung der Sprachtests usw. Wir können werden. Das ist eine riesige Leistung in einer historisch uns darüber in Ruhe unterhalten. kurzen Zeit, und sie wurde oftmals und immer wieder gegen den Widerstand des deutschen Establishments [Beifall bei den Grünen] erbracht. Mehrmals wurde es schon erwähnt: Vor 50 Jahren wurde durch ein Abkommen für viele Menschen eine Weiche

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Canan Bayram gestellt, die ihr Schicksal veränderte. Auch meine Biogra- [Beifall bei den Grünen – fie ist von diesem Abkommen geprägt. 1969 kam meine Beifall von Emine Demirbüken-Wegner (CDU)] Mutter als ausgebildete Krankenschwester und Hebamme Nicht unerwähnt lassen will ich auch, dass zu dem allen nach Deutschland und arbeitete in Textil- und Metallfab- der Regierende Bürgermeister sich immer weggeduckt riken. Sie arbeitete im Schichtbetrieb und im Akkord. Als hat, wenn es darum gegangen wäre, zum Thema Integra- Mitglied der IG Metall stritt sie für bessere Löhne und tion und Migration Stellung zu beziehen. Als Sarrazin Arbeitsbedingungen. Das Rentenalter erreichte sie leider durch Berlin zog und Folien auflegte, wie viel mehr Geld nicht. Nur ein Jahr nach meiner Mutter kam mein Vater – Berlin hätte, wenn Migrantinnen und Migranten keine ausgebildeter Lehrer. Er hatte das Glück, dass er eine staatlichen Leistungen bezögen, lange noch bevor er sein Beschäftigung im Staatsdienst fand. schreckliches Buch geschrieben hat! Er hat auch ge-

schwiegen und sogar sein Publikationstermin verlegt, als Als ich kürzlich im Kino den Film „Almanya“ sah, fühlte das ganze Land über Sarrazins Ausschluss debattierte. ich mich in die Zeit meiner Kindheit zurückversetzt. So- gar der Wandteppich meiner Eltern fand sich in diesem [Lars Oberg (SPD): So ein Quatsch!] Film wieder. Der Film zeigte eindrücklich, wie lustig und Wegducken und aussitzen statt regieren und gestalten – traurig zugleich die Erfahrung der sogenannten Gastarbei- das ist in Berlin Chefsache und Markenzeichen, auch bei tergeneration waren. Diese Erlebnisse haben mich geprägt der Integration, was bedeutet: Nichts tun! und auch sensibilisiert. Ich sehe es deshalb auch als meine Aufgabe, genauer hinzuschauen und anzusprechen, was [Vereinzelter Beifall bei den Grünen – stimmt, und eben auch, was nicht stimmt. Beifall von Emine Demirbüken-Wegner (CDU)] [Beifall bei den Grünen] Deshalb hat es mich auch gar nicht gewundert, als ich jetzt las, dass er vor einigen Tagen seine Sicherheitsleute Dabei ist mir wichtig, die Erfahrungen der Eltern- und als „Kümmeltürken“, so wie Kümmeltürken arbeitend, Großelterngeneration nicht als Vorwurf und Mahnung zu bezeichnete. Dafür wäre eine Entschuldigung wirklich verstehen, vielmehr gebührt ihnen unser Respekt für ihre überfällig. Leistung und ihren Mut. Ihren Anteil an der Geschichte unseres Landes sollten wir, so wie es unser Bundesvorsit- [Beifall bei den Grünen – zender Cem Özdemir vorgeschlagen hat, durch ein Migra- Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] tionsmuseum kenntlich machen. Und ich habe noch keine gehört. Da geht es auch nicht [Vereinzelter Beifall bei den Grünen] darum, wie man ein Kosewort für seine Sicherheitsleute findet. Wir haben tatsächlich ein Berlin, das multikulturell ist, das vielfältig ist, das sehr vielen unterschiedlichen Le- Jetzt möchte ich gerne zu Ihnen, Frau Integrationssenato- bensläufen Raum gibt. Wir können uns daran freuen, und rin, etwas sagen: Seitdem ich Sie in Ihrer Funktion erlebe, wir wollen es auch weiterhin gestalten. habe ich den Eindruck, dass Sie nicht angekommen sind

Wenn allerdings die Regierungsfraktionen dieses Thema [Beifall bei der CDU] zur Aktuellen Stunde machen, fragt man sich zwangsläu- und Ihnen insbesondere das, was wir den Verwaltungen fig: Was haben Sie in den letzten fünf bzw. zehn Jahren durch das Integrationsgesetz empfehlen, gut tun würde, getan haben, um die Menschen zu unterstützen oder das nämlich ein Kurs in interkultureller Öffnung, Training Anliegen der Würdigung der Leistung dieser Menschen oder in Diversity. Das würde eine Perspektive auf Ihr voranzubringen? Sie hatten fast zehn Jahre Regierungs- Arbeitsfeld ermöglichen, wo man oft nicht weiß, was vor zeit, und der Kollege Raed Saleh sowie die Kollegin Elke sich geht und wie man ansetzen soll, um etwas zu verän- Breitenbach hatten jeweils zehn Minuten Redezeit. Ich dern. kann resümieren: zu wenig, eindeutig zu wenig und manchmal eben auch das Falsche! [Vereinzelter Beifall bei den Grünen] [Beifall bei den Grünen] Integrationskonzepte, die nicht umgesetzt werden, und jahrelange Bemühungen um die interkulturelle Öffnung Deswegen finde ich es schon ganz schön mutig, sich der Verwaltung, deren Scheitern uns ein Integrationsge- hinzustellen und so zu tun, als hätten Sie sich um die setz bescherte, von dem ein halbes Jahr nach Inkrafttreten Integration verdient gemacht. keine Wirkung ausgeht! Sie können vortragen, falls es [Beifall bei den Grünen – anders ist. Beifall von Dr. Sebastian Kluckert (FDP)] Aber richtig wütend macht mich, dass sich die Versäum- Leider, muss ich sagen – und das werden Ihnen auch in nisse bei den Integrationsangeboten aus der Zeit der soge- Ihren Reihen viele Menschen sagen –, ist in manchen nannten Gastarbeitergeneration nun beim Zuzug der Men- Bereichen das Gegenteil der Fall: Buschkowsky, Sarrazin schen aus Rumänien und Bulgarien wiederholen. Aktuell und Co. sind Berliner SPD-Markenzeichen für Ausgren- diese Woche konnte man wieder lesen, welche Probleme zung, Rassismus und Intoleranz. sich ergeben. Keiner fühlt sich zuständig. Die Menschen bleiben sich selbst überlassen. Keiner erfährt eine Unter- stützung. Das ist unmöglich.

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Canan Bayram [Vereinzelter Beifall bei den Grünen] Wir haben heute einen Tag, der mit vielen Problemen für Derzeit leben etwa 460 000 Menschen ohne deutschen die Menschen in den ersten Jahren in Verbindung steht, Pass in Berlin. Die Hürden für einen Pass steigen, die aber auch einen Tag, der mit vielen Chancen und Hoff- Motivation dagegen sinkt. In den letzten fünf Jahren wur- nungen und mit einer Erfolgsgeschichte auch für Berlin den 76 000 Euro für die Einbürgerungskampagne ausge- im Bereich der Integration verbunden werden kann. An geben, doch seit 2006 ist die Zahl der tatsächlichen Ein- diesem Tag eine Sache zu machen, auf die ich in meinem bürgerungen um 40 Prozent gesunken. Die von Ihnen Redebeitrag verzichtet habe, nämlich puren Wahlkampf eingesetzten Instrumente wirken nicht. Das wird Ihnen zu machen, ist mehr als beschämend. auch in dem Evaluationsbericht bescheinigt, den zu be- [Beifall bei der SPD – handeln sich die Koalitionsfraktionen in der letzten Aus- Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – schusssitzung geweigert haben. Ich zitiere kurz aus der Özcan Mutlu (Grüne): Was ist das denn Stellungnahme der Vereine: anderes als Wahlkampf?] Die an der Evaluation beteiligten Vereine kommen Geh hin, Canan, zu den Leuten auf der Straße und sage daher zu dem Schluss, dass Sinn und Zweck der Ihnen ins Gesicht: Eure Integration ist gescheitert. Sag Evaluation verfehlt wurden. Der Prozess und die Ihnen das! Damit tust du vielen Hunderttausenden von Ergebnisse bergen die Gefahr, Ausschluss zu för- Menschen in Berlin unrecht – in dieser offenen, bunten dern und Konkurrenz zu erzeugen, anstatt eine rea- und toleranten Stadt, die mehrheitlich tolerant geprägt ist. litätsnahe Bestandsaufnahme und Qualitätserhö- [Benedikt Lux (Grüne): Du hast doch gar nicht hung der integrationspolitischen Arbeit zu gewähr- zugehört! Auf was reduziertst du das?] leisten. – Lieber Herr Lux! Ich reduziere es auf euren Versuch, Diese Stadt kann sich eine Integrationspolitik à la Rot-Rot Wahlkampf auf dem Rücken der Migrantinnen und nicht mehr leisten. Migranten zu machen. Das ist am heutigen Tag nicht [Beifall bei den Grünen – angebracht. Vereinzelter Beifall bei der CDU] [Beifall bei der SPD – Wir brauchen eine Regierung, die die Themen ernst Benedikt Lux (Grüne): Das ist Quatsch, nimmt und die Herausforderungen angeht. Das heißt: was du erzählst!] migrationsorientierter Vollzug der Bundesgesetze, echte

Antidiskriminierungsgesetze und Positivmaßnahmen, politische und gesellschaftliche Partizipation, würdiger Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Umgang mit Neumigrantinnen und -migranten – egal, ob Herr Kollege Lux! Würden Sie bitte Ihre Lautstärke etwas Flüchtlinge, Fachkräfte oder nachziehende Familienange- mäßigen! hörige.

Raed Saleh (SPD): Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Trotzdem will ich zwei Sätze zu dem sagen – weil Canan Frau Kollegin! Denken Sie an die Zeit! es eingefordert hat –, was wir im Bereich der Integration getan haben. Erstens zur Schulstrukturreform: Damit Canan Bayram (Grüne): hatten Sie lange Zeit Probleme. Wir teilen die Menschen nun nicht mehr im Alter von elf Jahren in gut, mittel und Ich komme zum Schluss. – Meine Vision für Berlin ist, schlecht ein. Das ist die größte Integrationsleistung dieser dass wir unsere Stadt vielfältig, tolerant und kreativ ge- Stadt. stalten. Dafür stehen wir, und Sie werden heute dazu noch die Gelegenheit haben, indem Sie unserem Antrag zur [Beifall bei der SPD – bezirklichen Wahlrechtsmöglichkeit für alle Migrantinnen Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] und Migranten zustimmen. – Danke schön! Zweitens: Wenn Kinder heute auf der Straße gefragt wer- [Beifall bei den Grünen] den, wo sie herkommen, antworten sie: aus Spandau, Neukölln oder Kreuzberg! – und nicht: aus Istanbul oder

Ankara! – Das ist der richtige Weg für die Jugend. Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: [Beifall bei der SPD – Vielen Dank! – Der Kollege Saleh erhält das Wort für Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] eine Kunzintervention.

Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Raed Saleh (SPD): Vielen Dank! – Die Kollegin Bayram erhält das Wort zur Liebe Canan! Das, was du gerade geleistet hast, ist an Erwiderung. Peinlichkeit kaum zu überbieten.

[Beifall bei der SPD]

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Canan Bayram (Grüne): Es ist sicherlich ein berechtigtes Anliegen, im Rahmen Herr Kollege! Der Jahrestag jährt sich im Oktober. Sagen einer Aktuellen Stunde an die Anwerbeabkommen als Sie doch bitte allen Menschen, dass heute Ihre Anmel- Wegmarke der Zuwanderung im Zuge des Wirtschafts- dung überhaupt nichts mit der Zeit vor dem September zu wunders zu erinnern. Aber wo war die rot-rote Koalition tun hat! denn eigentlich, als die fünfzigsten Jahrestage der zeitlich früher geschlossenen Abkommen mit Italien, Spanien und [Beifall bei der CDU – Griechenland anstanden? Kann es sein, dass die ehemali- Vereinzelter Beifall bei der FDP] gen Italiener, Spanier und Griechen aufgrund ihrer gelun- Was leider auch Sie, Herr Müller, in der letzten Zeit ver- genen Integration in die deutsche Gesellschaft für Sie als säumt haben, ist, darauf zu setzen, was sich die Menschen eigenständige Wählerklientel nicht zu erreichen sind und erarbeitet und was sie geleistet haben. Das ist doch nicht deshalb diese Abkommen von Ihnen nicht gewürdigt das, womit Sie sich hier hinstellen und sagen können: Das worden sind? haben wir gemacht. – Diese Erfolge haben sich die Men- [Zuruf von Martina Michels (Linksfraktion)] schen erarbeitet. Ich halte es, Herr Lederer, jedenfalls für eine groteske [Zuruf von Christian Gaebler (SPD)] Idee, Unsere Aufgabe als Politiker ist es, den Rahmen zu set- [Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)] zen. Da haben Sie mit Ihrem Integrationsgesetz zu kurz gegriffen. Berlin gerade am Beispiel einer Gruppe, der die Integrati- on in die deutsche Gesellschaft weitaus größere Schwie- [Beifall bei den Grünen – rigkeiten bereitet hat als anderen, als Hauptstadt der In- Torsten Schneider (SPD): Sie haben tegration zu feiern. gar nichts gemacht!] [Beifall bei der FDP] Das wird Ihnen von allen Fachleuten bescheinigt. Darüber haben wir oft gesprochen, Herr Müller. Sie wissen, was Diese Inszenierung macht deutlich, dass es der rot-roten ich meine. Koalition um plumpen und durchsichtigen Wählerfang in einer bestimmten Migrantengruppe geht, die Sie gerade Deshalb war es interessant, in der Begründung der Kolle- wegen der bestehenden Integrationsprobleme überhaupt gin Baba zu hören, wo die ein Problem haben. Sie sagte, nur mit abstammungsgeschichtlicher Folklore und sozial- wo sie in der Koalition nicht weiterkam oder wo sie bean- politischen Versprechungen ansprechen können. standet hat, dass Menschen im Senat, wie Sarrazin, oder [Beifall bei der FDP] in den Koalitionsverhandlungen Anträge nicht unterstützt Deutschland ist ein weltoffenes und tolerantes Land. Wir haben. haben das im Lauf unserer Geschichte mehrfach bewie-

sen, unter anderem auch mit dem Anwerbeabkommen mit Herr Gaebler! Sie reden gerne dazwischen. Ich würde der Türkei vor 50 Jahren. Aus vielen Ländern haben Men- Ihnen gerne drei Minuten schenken, um vorzutragen, wie schen in Deutschland eine neue Heimat gefunden. Sie das Thema innerhalb Ihrer Fraktion befördert haben, Deutschland, insbesondere dessen preußischer Teil, kann denn ich glaube, um vorzutragen, wie Sie das verhindert auf viele Beispiele gelungener Integration zurückblicken. haben, würden Sie mit drei Minuten nicht hinkommen. Ich erinnere nur an die Hugenotten aus Frankreich, die [Beifall bei den Grünen] Ende des 17. Jahrhunderts in Preußen Zuflucht fanden. Ein Viertel der Berliner Bevölkerung war zu dieser Zeit hugenottisch. Berlin ist schon deshalb – und seit dieser Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Zeit! – die Hauptstadt der Integration. Eine rot-rote Koali- Vielen Dank! – Der Kollege Kluckert von der FDP- tion oder grüne Moralapostel waren für diesen Titel über- Fraktion folgt in der Debatte und erhält das Wort. haupt nicht notwendig und erforderlich. [Beifall bei der FDP] Dr. Sebastian Kluckert (FDP): Im 18. Jahrhundert kamen viele holländische Handwerker Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vier Boote, nach Preußen, die mit ihrem Wissen und ihrem Können die im selben See fischen, und wer am lautesten schreit, an der Entwicklung des verarmten Preußen maßgeblich meint, das Netz am vollsten zu bekommen – das haben beteiligt waren. Als Neuköllner möchte ich auch an die wir hier gerade gesehen. Böhmen erinnern, die sich im 18. Jahrhundert in Rixdorf und anderenorts in Preußen niederließen. Es waren polni- Meine Damen und Herren von Rot-Rot! So geht es nicht. sche Zuwanderer ins Ruhrgebiet, die einen erheblichen Sie kommen mir vor wie eine Schulklasse, die ihre Haus- Anteil an der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts hat- arbeiten nicht gemacht hat und sich in aller Bescheiden- ten. Im Zusammenhang mit Zuwanderung und Integration heit selbst eine Eins minus ins Notenbuch schreiben will. müssen wir auch die Millionen von Flüchtlingen erwäh- Das haben wir heute von Rot-Rot gesehen. nen, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer ange- stammten Heimat vertrieben wurden und in West- und [Beifall bei der FDP] Mitteldeutschland eine neue Heimat fanden. Nicht zu

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Dr. Sebastian Kluckert vergessen sind auch die damals noch Gastarbeiter genann- und fortsetzen. Es geht für die Zukunft darum, qualifizier- ten Zuwanderer, die am deutschen Wirtschaftswunder te Arbeitskräfte nach Deutschland zu locken, um unsere mitarbeiteten. Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen.

[Beifall bei der FDP] Sie alle hatten es in der ersten Generation nicht leicht, so wie jeder, der in ein anderes Land kommt und auswandert Wir stehen als Berliner FDP für eine interessengesteuerte es zunächst nicht leicht hat. Fremde Kultur, fremde Spra- Zuwanderung. che, Vorbehalte der Einheimischen machen den Einstieg [Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Haben Sie mal schwer. Aber es nicht leicht zu haben, wenn man in eine über Ihre Sätze nachgedacht?] neue Heimat aufbricht, ist übrigens kein Phänomen der deutschen Gesellschaft. Es ergeht in der ersten Generation Das Anwerbeabkommen mit der Türkei ist ein Paradebei- fast jedem Einwanderer in der Welt so. Die Straße zum spiel für eine bedarfs- und interessengesteuerte Zuwande- Erfolg in einem anderen Land ist steinig. Sie war für die rung. Ruhrpolen in Deutschland genauso steinig wie für die [Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Das ist dermaßen deutschen Einwanderer in Amerika. Als Zuwanderer auf chauvinistisch!] Vorbehalte der Einheimischen zu stoßen, ist übrigens keine Frage der Staatsangehörigkeit. Ich erinnere in die- – Erst als die interessengesteuerte Zuwanderung in eine sem Zusammenhang nur an die deutschen Heimatvertrie- ungesteuerte Zuwanderung umschwang, entstanden die benen nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch sie sind nicht Probleme, Herr Brauer! – Wer mit seiner Qualifikation, deshalb, weil sie Deutsche waren, überall mit offenen seinen Fähigkeiten und seinen Fertigkeiten mithelfen Armen empfangen worden. kann, den Wohlstand in diesem Land zu sichern und aus- zubauen, der ist uns willkommen. Trotz aller Schwierigkeiten sind alle diese Zuwanderer- [Beifall bei der FDP] gruppen, ob Hugenotten, Böhmen, Ruhrpolen, Heimatver- Daher müssen wir heute – so wie vor 50 Jahren – definie- triebene oder auch die meisten Gastarbeiter in ihrer neuen ren, welche beruflichen Profile wir für unsere Wirtschaft Heimat mit Leib und Seele angekommen. brauchen. Für diese benötigten Fachkräfte und ihre Fami- [Beifall bei der FDP] lien wollen wir den Zuzug erleichtern und bürokratische Sie sind hier angekommen – nicht weil man ihnen kosten- Hürden abbauen. Wir Liberalen möchten gerade den lose Sprach- und Integrationskurse angeboten hat, son- Einwanderern mehr Chancen bieten, die wegen individu- dern weil sie von allein, durch Eigenverantwortung und eller Entfaltungs- und Aufstiegschancen, wegen Rechts- Eigeninitiative und aus Verantwortung für ihre Kinder staatlichkeit und Freiheitlichkeit nach Deutschland kom- Teil der neuen Gesellschaft werden wollten. Sie sind in men wollen. der neuen Gesellschaft angekommen – nicht weil sie [Beifall bei der FDP] darauf gewartet haben, dass sich die Einheimischen ihnen Einen weiteren Zuzug in unsere Sozialsysteme wollen wir und ihren Gepflogenheiten anpassen, sondern weil sie dagegen verhindern. Zu oft sind in den letzten 30 Jahren sich in die neue Gesellschaft einfügen wollten. Sie haben Menschen zu uns gekommen, die dieses Land vor allem sich in Deutschland integriert – nicht weil der Staat seinen deshalb schätzen, weil in Deutschland das Geld in Form Bürgern eine Willkommenskultur verordnet hat oder ein von Sozialleistungen auf dem Silbertablett serviert wird. großes soziales Netz mit Integrationslotsen und Stadtteil- müttern aufgespannt hat, sondern weil sie sich durch [Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Das ist unerhört!] Arbeit und Fleiß die Anerkennung der Einheimischen Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass in den ersten fünf erarbeitet und verdient haben. Jahren nach dem Zuzug kein Anspruch auf Sozialhilfe [Beifall bei der FDP] oder Hartz IV entsteht. Sie sehen daran: Integration, das Ankommen in der deut- [Özcan Mutlu (Grüne): Sollen sie dann auch fünf schen Gesellschaft, ist zunächst einmal eine Leistung des Jahre nicht in die Sozialkasse einzahlen?] Einzelnen und nicht in erster Linie ein Ergebnis staatli- Wer nicht als Flüchtling aus humanitären Gründen zu uns cher Politik. Die Integration von integrationsbereiten kommt, muss in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt Menschen vollzieht sich auf dem Boden der seit Jahrhun- vollständig selbst zu verdienen. derten praktizierten Toleranz unseres Volkes trotz aller Anfangsschwierigkeiten im Großen und Ganzen von Fast jede Zuwanderergruppe hat sich nach ein oder zwei allein. Eigenverantwortung ist der Schlüssel für gelingen- Generationen weitgehend in die deutsche Gesellschaft de Integration! integriert. Gerade die gelungene Integration dieser Zu- [Beifall bei der FDP] wanderergruppen macht deutlich: Die deutsche Gesell- schaft und der Staat machen vielfältige Angebote für Vor 50 Jahren benötigte die deutsche Wirtschaft die Hän- jeden Zuwanderer, der Wert darauf legt, dass er selbst und de der Gastarbeiter. In der Zukunft wird die deutsche seine Kinder in dieser Gesellschaft ankommen. Integrati- Wirtschaft Köpfe brauchen, die den Fachkräftemangel onsdefizite beruhen daher regelmäßig nicht auf einem ausgleichen. Wir Liberale wollen mit den besten Köpfen aus aller Welt das deutsche Wirtschaftswunder sichern

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Dr. Sebastian Kluckert Mangel an Chancen, sondern auf einer unzureichenden [Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und Wahrnehmung von Chancen. den Grünen] [Beifall bei der FDP] Für Berlin ist es eine Erfolgsgeschichte, aber diese Erfol- Wir werden in den nächsten Jahren die Wahrnehmung der ge gab es lange Zeit nicht wegen, sondern trotz der Poli- Chancen verstärkt abfordern müssen, um die gerade bei tik. 1990 hatten wir zwar die bei weitem größte Zahl der bestimmten Zuwanderergruppen bestehenden Integrati- Einwanderer in Europa, aber große Teile der politisch onsdefizite endlich zu beseitigen. Das Anwerbeabkom- Verantwortlichen redeten immer noch davon, dass wir men mit der Türkei ist deshalb heute noch kein Anlass, kein Einwanderungsland seien. Hierin bestehen die wirk- um Berlin als Hauptstadt der Integration zu feiern. – Dan- lichen politischen Versäumnisse, deren Folgen wir noch ke! heute tragen, gerade auch in Berlin.

[Beifall bei der FDP – Als Rot-Rot die Berliner Landesregierung übernahm, Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Pfui Teufel!] standen wir vor sehr großen Integrationsproblemen. Nicht alle hatte der Vorgängersenat allein zu verantworten, denn das größte Problem war natürlich, dass die Kohl- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Regierung wider alle Befunde aus dem realen Leben am Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Kluckert! – Das Wort für Mantra: „Wir sind kein Einwanderungsland!“ festgehalten den Senat hat die Senatorin Bluhm. hatte. Der CDU-geführte Senat hatte aber diese Politik unterstützt und zum Teil sogar verschärft. Darüber hätte ich mir heute ein paar Worte vom Kollegen der CDU Senatorin Carola Bluhm (Senatsverwaltung für gewünscht. Integration, Arbeit und Soziales): [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 30. Oktober 1961 schloss die Bundesrepublik mit der Ich erspare es Ihnen, die Liste Ihrer Innensenatoren auf- Regierung der türkischen Republik ein Abkommen über zuzählen, die der Fiktion anhingen, man könne mit immer die Anwerbung und Vermittlung ausländischer Arbeit- weitergehenden Verschärfungen und Abschottungen nehmerinnen und Arbeitnehmer. Gerade für Berlin erhielt Flüchtlinge dazu bringen, unsere Stadt zu verlassen. Es dieses Abkommen eine große Bedeutung, weil der West- war der CDU-geführte Senat, der bis Ende der 90er-Jahre teil der Stadt nach dem Mauerbau 1961 von Arbeitnehme- Kindern von Geduldeten den Zugang zur Ausbildung rinnen und Arbeitnehmern aus dem Ostteil und dem Um- verwehrt hat. Auch das hatte Folgen, an denen wir heute land abgeschnitten war. Genau diese Lücke füllten die noch zu tragen haben. neu angeworbenen Arbeitskräfte aus der Türkei. Die Situation der damals als Gastarbeiter Titulierten war wäh- Ein grundsätzlicher Wechsel dieser Politik hat erst mit rend der 60er-Jahre sehr schlecht. Sie wurden in überbe- Rot-Rot begonnen. Hauptstadt der Integration ist Berlin legten und minderwertig ausgestatteten Wohnheimen heute, weil wir als rot-roter Senat eine klare Grundlage untergebracht und mussten schwerste, bislang auch als unserer Politik haben, die sagt: Berlin ist eine Stadt der gesundheitsgefährdend zu bezeichnende Arbeit leisten – Vielfalt, der gleichen Rechte für alle, und alle bekommen oft mit Überstundenschicht und Akkordarbeit. Vom Er- eine Chance auf Bildung, auf Ausbildung und auf Teilha- lernen der deutschen Sprache war nicht die Rede. be am gesellschaftlichen Leben. Berlin ist eine Einwande- rungsstadt, in der es keine privilegierten und auch keine Mit der Weltwirtschaftskrise 1973 war dann der Höhe- nachrangigen Rechte geben darf, sondern in der alle Bür- punkt der Arbeitsmigration erreicht, und die Bundesregie- gerinnen und Bürger – egal, woher sie oder ihre Eltern rung verhängte einen Anwerbestopp. Die erste Generation oder Großeltern kommen – teilhaben und mitgestalten legte den Grundstein für eine neue Vielfalt – kulturell, sollen. ethnisch und religiös –, und es hat sehr lange gedauert, bis [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] die Menschen in dieser Stadt die Bereicherung durch diese Vielfalt zu schätzen gelernt haben. 1961 lebten nur Gleiche Bürgerrechte für alle, das ist Basis unserer Poli- 284 türkische Einwohner in Berlin. Heute beträgt allein tik. Unser Wertefundament ist der Rechtsstaat, die Ver- die Zahl der Unternehmerinnen und Unternehmer mit fassung und nicht eine wie auch immer geartete Leitkul- türkischem Hintergrund 8 500 mit 30 000 Beschäftigten. tur. Allein die Verwendung dieser Begrifflichkeiten hat In Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft ist Berlin ohne das die Debatte in der Bundesrepublik sehr negativ geprägt, türkische Element nicht mehr vorstellbar. 50 Jahre nach und wir haben ja auch gerade bei meinem Vorredner noch dem Anwerbeabkommen ist Berlin geprägt von diesen mal deutlich gesehen, welche Folgen diese Prägung hat. vielen kleinen Geschichten, die vom Ankommen in der [Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Genau!] deutschen Gesellschaft erzählen – oft vom mühevollen Aufstieg und von Ablehnung. Sie erzählen alle auch da- 50 Jahre nach Unterzeichnung des Anwerbeabkommens von, wie aus Berlin eine moderne Metropole geworden noch immer nicht zu akzeptieren, dass wir dieses Ein- ist, die gerade wegen ihrer Vielfalt so attraktiv für ihre wanderungsland mit der damit verbundenen Verantwor- Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch Besucherinnen tung sind, das nenne ich die wahre Integrationsverweige- und Besucher ist. Dafür sagt Berlin Danke. rung.

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Senatorin Carola Bluhm [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] Baden-Württemberg 13,9 Prozent der Kinder aus Ein- Es ist richtig, dass Berlin viele Probleme auch im Zu- wanderungsfamilien Gymnasien besuchen. sammenhang mit Einwanderung hat. Der Mauerfall und die damit einhergehende Deindustrialisierung haben im Insgesamt hat die Einwandererbevölkerung in Berlin ein Westen vor allem sogenannte Gastarbeiter getroffen. Im enormes Qualifikationspotenzial, über das öffentlich zu Westteil der Stadt waren sie, die Westberlin ökonomisch wenig gesprochen wird. Überdurchschnittlich sind im gerettet hatten, die Verlierer der Einheit. Als Rot-Rot die Ländervergleich die Anteile der gut ausgebildeten Regierung übernahm, lag die Arbeitslosenquote unter den Migrantinnen und Migranten. Schauen wir uns die Situa- Eingewanderten bei über 40 Prozent. Die Schulabbre- tion bei den 18- bis 65-Jährigen an, so liegt die Hoch- cherquoten unter Migranten lagen weit über 30 Prozent, schulreife bei den Migranten bei über 40 Prozent. Bei und nur ganz wenige machten Abitur. Wir haben die einem Bundesdurchschnitt von 25 Prozent sind wir dort Weichen neu gestellt, und zwar mit Erfolg. Als erstes deutlich spitze. Land haben wir nach PISA eine umfassende Bildungsre- [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] form umgesetzt und damit im Bildungsbereich die gesetz- Es gilt, dieses Potenzial besser zu nutzen. Das leider im- lichen Grundlagen und auch die materiellen Rahmenbe- mer noch nicht in Kraft getretene Anerkennungsgesetz dingungen für eine bessere Integration geschaffen. des Bundes für die Anerkennung ausländischer Berufsab- [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] schlüsse kann hier einen wichtigen Impuls geben. Wir Wir haben mit der Kita als Bildungseinrichtung, die bei- wollen, dass Qualifikationen und Berufsabschlüsse aner- tragsfrei ist und Sprachförderung anbietet, einen wesentli- kannt werden. chen Beitrag geleistet. [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] [Beifall von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)] 50 Jahre nach dem Anwerbeabkommen steht die Stadt vor Mit Schule, die zunehmend im Ganztagsbetrieb stattfin- gewaltigen Herausforderungen. Die Versäumnisse der det, und ebenso mit der Gründung von Gemeinschafts- Vergangenheit sind noch nicht verheilt. Wir müssen die schulen und den Sekundarschulen! Gratulation übrigens demokratischen Beteiligungsrechte der bisher ausge- an die CDU auf Bundesebene, dass sie sich dem Thema schlossenen Einwanderer weiter stärken. Wir müssen mit Abschaffung von Hauptschulen jetzt auch annähert! Mal den sozialen Verwerfungen in Europa umgehen, und sehen, was die Berliner CDU dazu zu sagen hat! deren Folgen spüren wir in Berlin. Als internationale Metropole wollen wir das Klima der Weltoffenheit und [Frank Henkel (CDU): Wir sind da schon der Willkommenskultur weiter stärken. viel weiter, Frau Kollegin! – Gelächter bei der Linksfraktion – Das sind keine Randfragen, sondern Kernfragen, vor Zurufe von der Linksfraktion] denen wir als Hauptstadt stehen. Eine Metropole wie – Das wäre mir aufgefallen. Berlin ist immer auch eine Hauptstadt von Migration und Integration. Ja, es wäre vermessen zu sagen, wir haben Entscheidend ist, dass wir die Integration zu einem We- auf alles eine Antwort. Aber es ist ganz sicher, dass mit sensmerkmal der gesamten Senatspolitik gemacht haben. Positionen wie „Wir sind kein Einwanderungsland“ und Die Integrationskonzepte von 2005 und 2007 und das mit Debatten, wie sie im vergangenen Jahr geführt wor- Partizipations- und Integrationsgesetz zeigen dies deut- den sind, die Stadt nicht vorankommt. Ganz im Gegenteil, lich. Die Daten zeigen Erfolge der Integration und ebenso sie haben viele Bürgerinnen und Bürger tief verletzt! die Schwachstellen auf. Wir haben die Integration über- Deutschland schafft sich nicht ab. sondern Deutschland prüfbar gemacht. Insgesamt ist die Tendenz positiv. Die erfindet sich neu. So heißt auch das neue Buch von Frau Erfolge unserer Integrationspolitik stellen sich ein. Sezgin, und der Titel trifft auch auf Berlin zu. Berlin erfindet sich neu – nach Anwerbeabkommen und Mauer- Ich kann nur einige Beispiele nennen, die mir besonders fall und mit unzähligen Menschen, die aus allen Ländern wichtig sind. So ist erfreulicherweise der Anteil derer, die der Welt kommend Berlin zu dem gemacht haben, was es die Schule ohne einen Abschluss verlassen, in den letzten ist: eine weltoffene, lebenswerte, multikulturelle Stadt. – Jahren gesunken. In den letzten zehn Jahren ist dieser Uns gelingt die Integration. Anteil mehr als halbiert worden. Gleichzeitig stieg die [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Zahl derer, die einen höherwertigen Schulabschluss errei- chen, signifikant. Mit 30,4 Prozent ist der Anteil von Schülerinnen und Schülern nicht deutscher Staatsangehö- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: rigkeit, die ein Gymnasium besuchen, sehr hoch. Hier Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die liegt Berlin im Vergleich der alten Bundesländer vorn, Aktuelle Stunde beendet. Zum Antrag der Fraktion Bünd- und hier ist auch ein Vergleich mit den süddeutschen nis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/4271 empfiehlt der Ländern sinnvoll, deren Bildungssysteme viele von Ihnen Ältestenrat die Überweisung an den Ausschuss für Integ- ja so schätzen. Die Situation in Baden-Württemberg und ration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales. – Ich in Bayern mit ihren erheblich besseren ökonomischen sehe und höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir Rahmenbedingungen ist so, dass in Bayern 18,4 und in so.

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Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns Wir kommen zu gibt etwa 500 Millionen Euro Instandhaltungsrückstau im Berliner Straßennetz. Das bescheinigen Ihnen die Fach- lfd. Nr. 4.1: leute. Bundesweit gibt es die höchste Grundsteuer, die a) Zweite Lesung höchste Grunderwerbsteuer, die – wie wir heute gehört Gesetz zur Aufhebung des haben – auch noch steigerungsfähig ist. Sowohl die Grü- Straßenausbaubeitragsgesetzes nen als auch – wie der Finanzsenator heute ankündigte – die SPD sind nicht abgeneigt, nach der Wahl an dieser Beschlussempfehlungen BauWohn und Haupt Stelle noch einmal zuzuschlagen. Darüber hinaus gibt es Drs 16/4250 überhöhte Abgaben und Gebühren. Wir kennen das alle. Antrag der CDU Drs 16/4008 Es betrifft Wasser, Müll, Grundsteuer. Sie haben die Leu- b) Beschlussempfehlungen te schon richtig schön im Griff. Dann haben Sie uns ein Straßenreinigungsgesetz beschert, das für Hauseigentü- Verbindliche Entscheidungen statt leere mer und Mieter auch nicht gerade freundlich ist. Als Krö- Wahlkampfversprechen – Abkassieren durch nung des Ganzen gibt es für die Grundstückseigentümer Straßenausbaubeitragsgesetz beenden! Ihr Straßenausbaubeitragsgesetz. Es ist ein Gesetz zur Beschlussempfehlungen BauWohn und Haupt Sanierung der maroden, vergammelten Straßeninfrastruk- Drs 16/4251 tur, mit der Sie die Berlinerinnen und Berliner konfrontie- Antrag der FDP Drs 16/4007 ren.

10 Prozent der Berliner Grundstückseigentümer sind es. in Verbindung mit Sie sollen für die Allgemeinheit bis zu 75 Prozent der

Kosten der beitragsfähigen Straßenausbaumaßnahmen lfd. Nr. 23 O: bezahlen. Das hat natürlich gravierende Folgen in den Dringliche Beschlussempfehlungen einzelnen Fällen. Am Kirchhainer Damm beispielsweise handelt es sich um eine Maßnahme, die eine Bundesstraße Leistungsfähige Straßeninfrastruktur statt betrifft, die zu 90 Prozent der Kosten vom Bund bezahlt permanenter Flickschusterei – Mittel zur wird. Die Anliegen sollen nun die restlichen 10 Prozent Straßensanierung auf 100 Millionen Euro bezahlen. jährlich aufstocken! [Christoph Meyer (FDP): Das ist dreist!] Beschlussempfehlungen StadtVerk und Haupt Drs 16/4305 – Das ist schon eine dreiste Geschichte, wenn man weiß, Antrag der FDP Drs 16/3013 dass die verkehrliche Belastung, die die Anlieger hinter- her durch Lärm, Staub und Feinstaub – wovon Sie immer Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der so gern reden – haben, sie obendrein trifft. Wer von dieser Fall. Modernisierung einen Vorteil hat, müssten Sie den An- wohnern schon noch einmal erklären. Das glaubt Ihnen Ich eröffne die zweiten Lesungen und schlage vor, die niemand. Einzelberatungen der jeweils zwei Artikel miteinander zu verbinden. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe [Beifall bei der FDP] die Überschriften, die Einleitung sowie die jeweiligen Die Diskussion, die sich daran anknüpft, läuft immer Artikel 1 und 2 Drucksachen 16/4007 und 16/4007 auf. parallel mit überhöhten Ausbaustandards. Dazu haben Sie Für die Beratungen steht den Fraktionen jeweils eine uns am Anfang etwas anderes erzählt, Frau Senatorin. Wir Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es erinnern uns noch alle daran, wie minimal die Belastun- beginnt die Fraktion der FDP. Das Wort hat Herr von gen der einzelnen Anlieger sein sollten. Sie sprachen Lüdeke. damals vom dreistelligen, wenn nicht, allenfalls geringen vierstelligen Bereich. Heute haben wir schon Maßnah- Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): men, die in den sechsstelligen Bereich hineinragen. Das ist letztlich eine völlig andere Situation, in die die Leute Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden durch Ihr Gesetz getrieben werden. wieder einmal, wie so häufig hier schon, über das Stra- ßenausbaubeitragsgesetz. Das geschieht aus gutem Grund. Nebenbei möchte ich noch etwas erwähnen, weil es auch Auch hier ist die Koalition inzwischen vollkommen zer- einen Antrag der CDU gibt. Ich kann es Ihnen nicht er- stritten. Das nehmen wir gern noch einmal zum Anlass, sparen und habe es schon an anderer Stelle gesagt. Sie Sie hier mit Ihren Aussagen vor der Wahl und dem, was wenden in den Bezirken dieses Gesetz an. Sie möglicherweise nach der Wahl entscheiden werden, in die Pflicht zu nehmen. [Andreas Gram (CDU): Das wäre Rechtsbruch! – Unruhe bei der CDU] [Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU] – Ich sehe Ihre Aufregung. Es geht uns um die Standards. Sie haben überall dort Widerstände, wo Sie die Standards Was hat dieser rot-rote Senat den Berlinerinnen und Ber- hochziehen. Das ist nun einmal so. linern beschert? – Ihre Bilanz ist mehr als schlecht. Es

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Klaus-Peter von Lüdeke [Dr. Michael Wegner (CDU): Sie haben keine Ahnung, Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): wovon Sie reden!] Vielen Dank! In der Alemannenstraße in sind Sie zustän- [Beifall bei der FDP] dig. Das ist Ihr zuständiger Bezirk. Dort haben Sie Aus- baustandards, gegen die die Bürger zu Felde ziehen. Sie ziehen gegen Ihre Politik und Ihre Anwendung zu Felde. Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: [Beifall bei der FDP – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Buchholz das Wort. Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei der Linksfraktion] Daniel Buchholz (SPD): Sie können auch, wie gestern, in meinem Wahlkreis Niko- lassee und Wannsee Flyer verteilen lassen und darauf Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen! Meine hinweisen, dass Sie gegen das Straßenausbaubeitragsge- Herren! Bei dieser Opposition, die sich hier gegenseitig setz sind. Ich nehme Ihnen das ab. Sie haben in den Be- grün und blau schlägt, ist es eigentlich überflüssig, dass zirken nur nichts dagegen getan, es in irgendeiner Weise jemand von der Regierungspartei spricht. Ich tue es trotz- verträglich zu machen. Deshalb ist es unredlich. dem, weil man Ihnen einmal aufzeigen muss, was Sie hier an Tatsachen verdrehen. Zunächst einmal möchte ich alle [Beifall bei der FDP – Zuschauerinnen und Zuschauer ganz bewusst begrüßen, Vereinzelter Beifall bei der SPD die oben auf der Tribüne sitzen. Warum tue ich dies? und bei der Linksfraktion – Zurufe von der CDU] [Björn Jotzo (FDP): Weil sie Ihre Melkkühe sind!] Trotzdem stimmen wir natürlich mit Ihrem Anliegen Ich tue es nicht nur, weil Sie ins Parlament gefunden überein. – Herr Henkel! Sie können sich aufregen, so viel haben und Schülerinnen dabei sind, die sich gerade über Sie wollen. Sie sind in Steglitz-Zehlendorf und in Reini- Umweltpolitik informiert haben. Nein, ich tue es, weil der ckendorf in der Verantwortung. Das wissen die Bürger Kollege Henkel stadtweit Anzeigen geschaltet und Bürge- genau. rinnen und Bürger aufgerufen hat, heute ins Parlament zu kommen, weil es um das Straßenausbaubeitragsgesetz [Beifall bei der FDP – geht. Schauen Sie einmal nach oben! Sie sehen, dass die Vereinzelter Beifall bei der SPD Ränge überfüllt sind. Herr Gram! So sieht es aus, wenn und bei der Linksfraktion – Herr Henkel die Bevölkerung dazu aufruft, ins Parlament Frank Henkel (CDU): Das ist unterhalb des zu kommen. Keiner kommt, weil es kein Thema für die intellektuellen Niveaus!] Damen und Herren draußen ist. Wir haben Wahlkampf. Das ist die Situation. Die Linke [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – hat sich in ihrem Parteiprogramm vom Straßenausbaubei- Andreas Gram (CDU): Sie treiben die letzten tragsgesetz verabschiedet, scheut sich aber heute davor, aus dem Parlament!] obwohl wir ihr heute mit unserem Antrag noch eine Vor- lage gegeben und gesagt haben, dass wir großzügig sind Das muss man erst einmal feststellen und schaffen, Herr und ab 1. Januar 2012 das Gesetz wollen. Damit hätte Die Henkel. Sie haben landesweit inseriert, aber leider kommt Linke auch noch Zeit und könnte sagen, dem Koalitions- keiner. partner treu zu sein. [Zuruf von Uwe Goetze (CDU)]

– Ja, Herr Goetze, das müssen Sie sich leider einmal an- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: hören. Ich habe die stadtweiten Anzeigen genau gelesen. Herr Kollege von Lüdeke! Sie sind am Ende der Redezeit. Jetzt komme ich zu den Inhalten: Herr Henkel! Herr von Lüdeke hat zu Recht festgestellt, dass das, was die Berli- Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): ner CDU beim Thema Straßenausbaubeitragsgesetz hier Ich bin gleich am Ende. – In der nächsten Legislaturperi- veranstaltet, jeder Beschreibung spottet. Das gilt insbe- ode stehen wir dafür, dass wir dieses Straßenausbaubei- sondere für den Kollegen Czaja, der sich wie Don Qui- tragsgesetz nicht mehr anwenden. Trotzdem hören wir die chotte immer gegen die Windmühlen stellt, er könnte Ankündigung, dass Sie diesen Antrag ablehnen werden. persönlich das Gesetz verhindern und hat auch immer Das haben Sie bereits in den Ausschüssen getan. Das ist ganz artig dagegen gekämpft. Was macht aber die CDU in eigentlich peinlich, weil Sie den Leuten etwas anderes den Bezirken? – Es ist zu Recht darauf hingewiesen wor- erzählen als Sie tatsächlich tun. Wir nehmen Sie hier beim den. Von Ihren Stadträten werden die schlimmsten und Wort. teuersten Ausbaumaßnahmen geplant. Es geschieht ganz bewusst, um die Leute zu verwirren und ihnen klar zu machen, dass das ein Gesetz ist, mit dem abgezockt wer- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: den soll. Vielen Dank, Herr Kollege von Lüdeke! [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion –

Vereinzelter Beifall bei der FDP]

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Daniel Buchholz Das haben Ihre Stadträte von der CDU zu verantworten ges Gesetz. Es ist eines, das Klarheit und Wahrheit und sonst niemand in dieser Stadt. Man muss sich auch schafft. im Parlament einmal die Wahrheit anhören. Es hilft nichts. Sie haben diese Debatte hier aufgerufen. Es freut Mit Verlaub, vielleicht haben Sie es nicht mitbekommen: mich, dass es drei Parteien hier so sehen, wenn man die Wir haben dieses Gesetz in zwei wesentlichen Punkten Wahrheit anspricht. Wir wollen doch mal Tacheles reden! geändert. Der erste: Die Straßenbeleuchtung wird nicht [Zurufe von der CDU] mehr den Anwohnern in Rechnung gestellt. Das haben wir von der Koalition vorgebracht und geändert. Wir Wer hat denn in den meisten deutschen Bundesländern haben mit einer weiteren Gesetzesänderung dafür gesorgt, Straßenausbaubeitragsgesetze eingeführt oder Kommu- dass auch Teilabschnitte und nicht mehr nur ganze Stra- nalabgabengesetze mit entsprechenden Regelungen? – ßen abgerechnet werden können. Meine Damen, meine Herren! Es waren CDU und FDP! Ja, da schau her! Das Bundesland, wo man nicht regiert, [Zuruf von Klaus-Peter von Lüdeke (FDP)] da kann man ja einen Antrag stellen: alles ganz böse, alles – Ja, Herr von Lüdeke, das muss man mal anerkennen! ganz teuer! – Aber da, wo Sie regieren, da haben Sie es überall eingeführt, und, mit Verlaub, Sie haben deutlich Ich sage Ihnen für die SPD-Fraktion auch ganz klar: Wir geringere Mitwirkungsrechte für die Anwohnerinnen und werden uns das Gesetz auch in der nächsten Legislaturpe- Anwohner. Sie haben höhere Umlagen in Ihren Bundes- riode anschauen, wo man es verbessern kann, wo man es ländern. Und Sie lassen es auch zu, dass auf Kleingärtner noch sozialer machen kann, als es bisher schon ist. umgelegt wird und auf jeden und überall. Da kann ich nur [Beifall bei der SPD] sagen: Berlin hat es besser gemacht. Wir haben die stärks- te Mitwirkung von allen Bundesländern in diesem Stra- Aber, mit Verlaub, dazu kann man ein Gesetz nicht ab- ßenausbaubeitragsgesetz verankert. schaffen. Man muss dazu stehen, auch wenn es nicht immer bequem ist. Das ist ein notwendiges Gesetz. Sie [Beifall bei der SPD – sollten noch viel lernen, und Sie müssen noch viel lernen, Zuruf von Andreas Gram (CDU) – wenn Sie irgendwann einmal, in zwanzig, dreißig Jahren, Zuruf von Björn Jotzo (FDP)] hier in Berlin wieder regierungsfähig werden wollen, – Herr Gram! Erklären Sie mir doch allein mal diesen meine Damen, meine Herren von der Opposition! – Vie- Widerspruch, bitte! Erklären Sie mir doch allein den Wi- len Dank! derspruch, dass Sie überall, wo Sie regieren, die Gesetze einführen, und nur da, wo Sie Opposition sind – es wer- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: den immer mehr Länder, wo Sie Opposition sind –, da sind Sie plötzlich dagegen! Das ist doch wirklich Doppel- Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der züngigkeit, die man den Bürgerinnen und Bürgern nicht Kollege Czaja. erklären kann. [Zuruf von Andreas Gram (CDU)] Mario Czaja (CDU): Wir müssen doch eines sehen – das blenden Sie gerne Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege aus, aber es ist Realität: Berlin ist ein Haushaltsnotlage- von Lüdeke! Das war eine Rede auf Abschiedstournee land. Der Schuldenstand heute: 62,5 Milliarden Euro! Wir hier im Parlament. Noch 80 Tage! bekommen von den anderen Bundesländern über den [Beifall bei der CDU] Länderfinanzausgleich und von der Bundesregierung in Form von Bundesergänzungszuweisungen jeweils das Nur dann kann man so etwas erzählen, wenn man keine meiste. Da wollen Sie uns sagen, wir sollen ein solches Verantwortung in einem Bezirk hat, keinen Stadtrat stellt, Gesetz abschaffen? Wie soll ich das jemandem erklären? dann kann man hier zur Rechtsbeugung aufrufen. Das Das kann Ihnen auch keiner glauben. Vor allem die FDP! können Sie machen, zur Rechtsbeugung aufrufen! Was Was macht die FDP für Steuergesetze, wenn sie regiert? sollen denn die Stadträte in den Bezirken machen? – Sie Sie regieren im Bund! Womit haben Sie angefangen? – müssen Straßenausbaubeiträge umlegen, weil der Landes- Sie haben 1 Milliarde Euro den Hoteliers hinterherge- rechnungshof sie dazu zwingt. schmissen. Aber Sie wollen andererseits nicht Geld be- [Zuruf von Uwe Goetze (CDU)] reitstellen, wo es für den Ausbau von Straßen notwendig ist. Dass Sie sagen, dass die das machen, weil sie das Gesetz beschlossen haben – es ist absurd, und es ist dieser wich- [Zuruf von der FDP] tigen Sache nicht wert, was Sie hier tun! Das geht doch wohl nicht. Sie machen Steuergeschenke [Beifall bei der CDU – immer dann, wenn Sie ihre eigene Klientel befriedigen Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)] können und wenn Sie meinen, dass man Hauseigentümer schonen muss. Es ist kein schönes Gesetz, das Straßen- Herr Kollege Buchholz! Ich grüße diejenigen, die in den ausbaubeitragsgesetz, wenn man es unter dem Aspekt beiden Sälen hier im Haus noch sitzen und sich diese sieht, dass jemand zahlen muss. Aber es ist ein notwendi- Debatte anhören. Ihr Parlamentspräsident hat erklärt, die

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Mario Czaja Besuchertribüne sei voll, das war die Aussage, die alle am nicht beschlossen, als wir in der Opposition waren, und Telefon erhalten haben. wir werden es wieder abschaffen, wenn wir wieder regie- [Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD] ren. Hunderte haben angerufen, dass sie vorbeikommen wol- [Beifall bei der CDU – len, und haben gehört, dass es hier keinen Platz mehr gibt. Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wann ist Das ist die Wahrheit, Herr Kollege Buchholz – aus Span- denn das?] dau auch! Dieses Straßenausbaubeitragsgesetz, so wurde gesagt, [Gelächter bei der SPD und der Linksfraktion – dient dazu, dass der Anwohner, der einen Vorteil von der Zuruf von Marion Seelig (Linksfraktion)] Straße hat, diesen Vorteil mit bezahlen soll. Kirchhainer Damm, Tempelhof-Schöneberg: Eine Bundesstraße wird Aber hören Sie sich das ruhig an der Haustür an, wenn Sie ausgebaut, statt zweispurig vierspurig. Den Anwohnern mit Ihren roten Schirmchen spazieren gehen! wird der Vorgarten weggenommen. Im Übrigen ist der [Beifall bei der CDU – Heiterkeit bei der CDU] Ankauf des Vorgartens am Ende wieder umlagefähig auf die Anwohner. Sie wollen dort eine Lärmschutzwand vor Sie sagen, Herr Kollege Buchholz, in den anderen Län- ein Seniorenheim bauen und erzählen, dass das Straßen- dern gibt es kommunale Gebühren- und Abgabengesetze. ausbaubeitragsgesetz Vorteile bringt. – Das bringt es Sie sagen, es gibt in anderen Bundesländern Straßenaus- nicht, deshalb kann dieses Gesetz abgeschafft werden. baubeitragsgesetze. Sie haben recht. Aber diese kommu- nalen Gebühren- und Abgabengesetze erlauben den [Beifall bei der CDU] Kommunen, eigene Ortsteilsatzungen festzulegen und Sie haben gesagt, hier im Parlament, Ihre Senatorin Jun- Straßenausbaubeiträge dann zu nehmen, wenn sie es für ge-Reyer: Das kostet im Durchschnitt 500 bis 600 Euro, sinnvoll erachten. Sehen Sie mal das Bundesland Hessen! maximal ein paar Tausend Euro. In der Friedrich-Engels- Dort gibt es ein kommunales Gebühren- und Abgabenge- Straße in Niederschönhausen ist der höchste Ausbaubei- setz, wo geregelt ist, dass Kommunen Straßenausbaubei- trag, den ein Grundstücksbesitzer zahlen soll, 233 000 Eu- träge nehmen können. Wissen Sie, was die Stadt Frank- ro. Abzocke ist dieses Gesetz! Abgeschafft gehört es! furt am Main macht, unter einer CDU-Bürgermeisterin? – Sie sagt: Wir haben hohe Grundsteuern. Und weil wir [Beifall bei der CDU – Jawohl! von der CDU] hohe Grundsteuern haben, nehmen wir keine Straßenaus- Sie haben gesagt, mit dem Gesetz werden Investitionen baubeiträge. – Das ist die Realität in diesem Land. befördert. – Mit dem Gesetz werden keine Investitionen [Beifall bei der CDU – befördert. Die Bezirke rufen die Mittel gar nicht mehr Vereinzelter Beifall bei der FDP] vollständig ab. Die Wasserbetriebe haben Sorge, ihre Regenwasserschmutzkanäle ordentlich sanieren zu kön- Und wissen Sie, wir hoch die Grundsteuer in nen, weil die Ausbaupflicht dafür besteht und damit das am Main ist? – Halb so hoch wie in Berlin! Sie haben Mitbestimmungsverfahren notwendig ist. Das Straßen- gesagt, Sie werden die Grundsteuer nicht erhöhen, weil ausbaubeitragsgesetz ist investitionsfeindlich und gehört Sie Straßenausbaubeiträge nehmen wollen, und haben auch deswegen abgeschafft. danach nicht um 20 Punkte im Hebesatz, nicht um 100 Punkte im Hebesatz, sondern um 220 Punkte im [Beifall bei der CDU] Hebesatz die Grundsteuer erhöht. Die größte Abzocke – Und nun, zum Abschluss, zu Ihrer Mär, Herr Buchholz, Straßenausbaubeiträge und noch die höchste Grundsteuer, das Gesetz brauche man, weil man Geld einnimmt: Die das ist Ihre Bilanz! Senatorin selbst hat auf eine Anfrage von mir geantwor- [Beifall bei der CDU und der FDP – tet, dass man in den letzten fünf Jahren mit dem Gesetz Zuruf von Joachim Esser (Grüne)] fünfzigmal mehr für die Bürokratie und für EDV, für alles drum und dran, ausgegeben hat. Fünfzigmal mehr hat man Ich sage der FDP: Dieses Thema ist in den Bezirken, in mit dem Gesetz ausgegeben, als man mit dem Gesetz den 200 betroffenen Straßen, bei den Tausenden von eingenommen hat! Schicksalen, die davon betroffen sind, die 10 000-, die 100 000-, in Reinickendorf und auch in Pankow 200 000- [Daniel Buchholz (SPD): Totaler Unsinn!] Euro-Vorbescheide bekommen haben, viel zu wichtig, als dass Sie hier den Eindruck vermitteln, dass diese Abzo- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: cke, die Rot-Rot gemacht hat, von der CDU unterstützt worden wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Herr Kollege! Sie müssen bitte zum Schluss kommen!

[Beifall bei der CDU] Mario Czaja (CDU): Als wir in der Koalition mit der SPD waren, wollte die SPD ein Straßenausbaubeitragsgesetz, immer, im Fünf- Das Gesetz bringt keine Einnahmen für das Land, es zigpunktepapier zur angeblichen Rettung der Koalition kostet das Land auch noch Geld, weil Sie die Grund- war das mit drin. Wir haben gestanden, anders als die stücksbesitzer gerne zur Kasse bitte wollen. Das ist die Linkspartei. Wir haben das Straßenausbaubeitragsgesetz Wahrheit zu diesem Gesetz. nicht beschlossen, als wir regiert haben, wir haben es [Beifall bei der CDU]

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Mario Czaja Und heute hat Die Linke die Chance, das, was sie in ihr [Beifall bei der FDP – Wahlprogramm geschrieben hat, umzusetzen und so wie Beifall von Daniel Buchholz (SPD) und wir, als wir in der Regierung waren, die Fahne hochzuhal- Burgunde Grosse (SPD)] ten, zur Stange zu stehen und gegen die SPD, die das Da kann ich nur sagen: Das geht zu weit, das ärgert sie, Gesetz immer wollte, das Gesetz abzuschaffen. – Vielen das macht sie stinkeböse. – Vielen Dank! Dank! [Beifall bei der FDP – [Beifall bei der CDU] Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Ein Wunsch der Erwiderung – bitte schön! Senftleben von der FDP. [Lars Oberg (SPD): Jetzt kommt der Koalitionspartner der Linken aus Marzahn-Hellersdorf! – Mieke Senftleben (FDP): Burgunde Grosse (SPD): Jawohl!] Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbe- sondere von der CDU! Lieber Herr Czaja! Nun machen Sie mal halblang! Wir müssen das konstatieren – und ich Mario Czaja (CDU): beziehe mich jetzt mal schlicht auf Reinickendorf, und ich Frau Kollegin Senftleben! Ich schätze Sie für Ihre bil- beziehe mich dort auch schlicht auf den CDU-Stadtrat: dungspolitischen Debatten. In der Stadtentwicklung und Erstens: Anwohner zahlen bis zu 40 000 Euro! bei Ausbaubeiträgen scheinen Sie wenig Ahnung zu ha- [Zuruf von der CDU: Steht so im Gesetz!] ben, Zweitens ist in keiner Weise geklärt worden, warum ei- [Beifall bei der CDU – gentlich welche Straße wann gemacht werden soll. Mieke Senftleben (FDP): Sind Sie nicht eigentlich der Sprich: Das Wort „Kataster“ ist in Reinickendorf ein gesundheitspolitische Sprecher, oder was?] Fremdwort. denn Sie schlagen den Sack, aber meinen den Esel. Oder [Andreas Gram (CDU): „FDP“ Sie bewerben sich für die nächste BVV in Reinickendorf. ist in Reinickendorf ein Fremdwort!] Eins von beidem muss das gewesen sein. Mehr war jeden- falls diese Rede nicht wert. Das Entscheidende aber – und warum die Bürger zornig sind – ist: Der Bürgerwille ist in keiner Weise berücksich- [Beifall bei der CDU – tigt worden. Das ist die eigentliche Schweinerei. Das will Zuruf von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion) – ich hier deutlich sagen. Zuruf von der SPD: Keine Ahnung hat der!] [Beifall bei der FDP] Die Bürger hatten vorgeschlagen, das Denkmal der Re- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: genentwässerung – wenn Sie Frohnau kennen, das ist ein Das Wort zu einer weiteren Kurzintervention hat der Denkmal „100 Jahre Regenentwässerung“ – und die Stra- Kollege Buchholz! ße selbst, die sollte erhalten bleiben, sprich 500 000 Euro weniger, keine Luxussanierung. Die Anwohner selbst [Jörg Stroedter (SPD): Geh mal hatten Vorschläge gemacht, haben sich in die Debatte nach Reinickendorf, du Idiot! – einbringen wollen. Dem CDU-Stadtrat war das wurst. Das Oh! von der CDU – macht die Leute richtig stinkig. Und das kann ich verste- Andreas Gram (CDU): Haben Sie das gehört, hen. Herr Präsident?] [Beifall bei der FDP – – Herr Kollege Stroedter! Ich habe eben das Wort „Idiot“ Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] gehört. Das muss ich rügen. Ich nehme an, Sie sind ein- verstanden. Warum Alemannenstraße? – Ich habe nur eine Erklärung: Sie fängt mit „a“ an, eine andere Erklärung gibt es näm- [Jörg Stroedter (SPD): Ja! – lich nicht. Es gibt Straßen, die wesentlich schlimmer sind, Beifall bei der CDU] aber offensichtlich wollte man dort ein Exempel statuie- ren. Denn das muss ich Ihnen sagen, und jetzt plaudere ich einmal ein bisschen aus dem Reinickendorfer BVV- Daniel Buchholz (SPD): Nähkästchen: Meine Damen! Meine Herren! Herr Kollege Czaja! Sie [Frank Henkel (CDU): Oh ja!] offenbaren sich hier immer mehr als reiner Populist. Wo sind denn Ihre Kenntnisse über das, was CDU-Stadträte Deswegen sind die Leute richtig sauer. Wenn sie nämlich hier im Land Berlin tun? Wir haben hier ganz konkrete als reiche Bonzen und Millionäre betitelt werden. Beispiele. [Beifall bei der SPD]

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Daniel Buchholz Es ist wirklich so. Es war absolut richtig, was die Kolle- davon ablenken, dass Ihre Fraktion mit dem, was Sie hier gin Senftleben hier über Reinickendorf berichtet hat. im Parlament tun, Ihren eigenen Leuten in den Bezirken [Mieke Senftleben (FDP): Vielen Dank!] eigentlich in den Rücken fällt und Ihre Bezirksstadträte Landesgesetze einfach nur dazu benutzen, Parteipolitik Der Kollege Stroedter hat es mir eben auch noch einmal vor Ort zu machen. Sie sollten sich an der Stelle schämen, ganz genau gesagt. Schreiben Sie sich das einfach auf: dass von Ihrer Fraktion, von Mitglieder Ihrer Partei, von Alemannenstraße in Frohnau, Luxusausbau vom Bau- Ihren Baustadträten so mit Gesetzen im Land Berlin um- stadtrat vorgesehen, und zwar gegen – Herr Czaja, jetzt gegangen wird. quatscht er mit den anderen, hören Sie mal kurz zu! – die Mehrheit aller anderen Fraktionen in der BVV Reini- [Beifall bei der SPD und der FDP – ckendorf von Ihrer Fraktion durchgesetzt und ganz be- Vereinzelter Beifall bei den Grünen] wusst am Anfang so aufgemacht, dass wirklich alle Leute es nicht verstehen können, Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: [Mieke Senftleben (FDP): Der redet dasselbe wie ich!] Das Wort zur Erwiderung hat der Kollege Czaja! dass sie sagen: Wieso muss alles so teuer sein beim Stra- [Mieke Senftleben (FDP): ßenausbaubeitragsgesetz? Der gesundheitspolitische Sprecher!] [Andreas Gram (CDU): Weil ihr so ein Gesetz macht!]

Ich sage Ihnen, das ist wirklich Perfidie, wenn Ihr Stadtrat Mario Czaja (CDU): ganz bewusst überhöhte Bescheide in die Welt schickt. Und dann wundern Sie sich hier im Parlament, warum die Herr Kollege Buchholz! Die Kosten, die die Senatsver- Leute verwundert sind beim Straßenausbaubeitragsgesetz. waltung mitgeteilt hat, waren nicht die Kosten für die Das kann so nicht sein, muss ich Ihnen ganz klar sagen. Baumaßnahmen, sondern es sind die reinen Verwaltungs- kosten für zusätzliche Mitarbeiter, für die Anschaffung [Zuruf von Christian Gaebler (SPD)] der Technik, für Schulungen usw. Wir haben weitere konkrete Beispiele. Herr Czaja sagen [Daniel Buchholz (SPD): Am Anfang!] Sie dazu bitte einmal etwas! Herr Czaja, Sie müssen hier heute Farbe bekennen! Herr Henkel hat die ganze Welt- Wissen Sie, wer in der Anhörung zum Straßenausbaubei- bevölkerung eingeladen. tragsgesetz vor fünf Jahren diese Kostenrechnung aufge- macht hat? – Ich werde es Ihnen gleich sagen: Es war Ihr Ich sage Ihnen das zweite Beispiel: In Spandau ist auch Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, Herr Ul- ein CDU-Baustadtrat, Herr Röding, beteiligt. Da können bricht. Sie einmal nachfragen, zum Beispiel Seegefelder Weg. [Beifall von Peter Trapp (CDU)] Da wurden Bescheide herausgeschickt, da sind die Leute nachvollziehbar ohnmächtig geworden, als sie die bekom- Er hat gesagt: Mit dem Erschließungsbeitragsgesetz haben men haben – von Ihrem Stadtrat. Da musste die SPD- wir ungefähr Bürokratiekosten von 50 bis 60 Prozent der Fraktion, da musste die Kollegin Grosse vor Ort aufklä- Einnahmen. Mit dem Straßenausbaubeitragsgesetz haben ren, was für Rechte die Bürger haben. Da haben wir es wir viel kleinere Abschnitte, da müssen wir Einzelmaß- mit den Bürgerinitiativen geschafft, den Kollegen Röding nahmen umlegen, da werden Rechtsanwaltskosten, die zu stoppen. Das ist auch notwendig, wenn so überzogen Stückkosten größer werden, da werden wir 80 bis 90 wird. Prozent haben. Möglicherweise werden wir mit dem Ge- setz gar nichts einnehmen. [Beifall bei der SPD – Christian Gaebler (SPD): So sind wir!] [Zuruf von Dilek Kolat (SPD)] Herr Czaja! Am allerschärfsten wird Ihre Argumentation, Das war die Aussage Ihres altgedienten SPD-Bürger- wenn Sie sich hier etwas zusammenfantasieren über ver- meisters aus Treptow-Köpenick. Ich schätze den Kollegen meintliche Verwaltungskosten. Dass Sie nicht einmal sehr. Ich würde ihn nicht so beschimpfen, wie Sie das hier diesen Funken Ehrlichkeit im Bauch haben, zu sagen, am gerade getan haben. Anfang gibt es Kosten, und – mit Verlaub – eine Bau- [Beifall bei der CDU – maßnahme wird zum Schluss abgerechnet und nicht am Christian Gaebler (SPD): Zur Alemannenstraße!] Anfang. Das ist nämlich das, was anders als in anderen Bundesländern ist. Es gibt eine ausführliche Bürgerbetei- Ich verstehe ja, Herr Buchholz, dass Sie jetzt Beispiele ligung bei der Planung, bei der Umlegung, in der Bespre- aus den Bezirken nennen, in denen die CDU Verantwor- chung BVV, dann wird gebaut. Wenn es fertig ist, Herr tung hat. Czaja, dann wird abgerechnet. Abgerechnet wird zum [Dilek Kolat (SPD): Sagen Sie mal was dazu!] Schluss, und Sie fangen jetzt an, die ersten zwei Zwi- Einmal unabhängig davon, dass natürlich in einem Be- schenrechnungen gegen Verwaltungskosten aufzurech- zirksamt eine solche Straßenausbaumaßnahme gemein- nen. Wem wollen Sie das draußen erklären? Es hat nur schaftlich zwischen SPD und CDU – beispielsweise in einen einzigen Zweck, Sie wollen verwirren, Sie wollen Reinickendorf – beschlossen wurde. täuschen, und Sie wollen die Leute kirre machen und

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Mario Czaja [Christian Gaebler (SPD): Nein!] [Zuruf von Andreas Gram (CDU)] Aber Sie verkennen Ursache und Wirkung. Die Ursache Die Linke auch, so steht es in unserem Wahlprogramm. für Straßenausbaubeiträge ist der Gesetzgeber. Der Ge- SPD und Grünen haben Zweifel und wollen mindestens setzgeber sitzt hier. Wir sind der Gesetzgeber und können eine Überarbeitung des Gesetzes. Das werden aus meiner das Gesetz abschaffen, nicht die Verwaltung, nicht die Sicht interessante Verhandlungen zum Straßenausbaubei- Stadträte sind dafür verantwortlich. Das, was Sie machen, tragsgesetz bei den bevorstehenden Koalitionsverhand- ist nicht koscher gegenüber den Stadträten in den Bezir- lungen, egal in welcher Konstellation. ken. Sie müssen hier das Gesetz abschaffen, dann werden diese Fälle auch nicht zur Realität gehören. Es ist völlig Jetzt wird uns ja vorgeworfen, wir würden unseren Partei- aus der Luft gegriffen zu sagen, die Stadträte nehmen tagsbeschluss nicht ernsthaft umsetzen wollen. Auch da, Straßenausbaubeiträge, weil sie beschlossen haben. Sie liebe FDP, liebe CDU: beim letzten Bauausschuss nicht versuchen ausschließlich, davon abzulenken, dass Sie in aufgepasst, Chance verpennt. Wenn Sie aufmerksam diesem Parlament ein solches Gesetz verabschiedet ha- gewesen wären, hätten Sie feststellen können, dass auf der ben. Tagesordnung des Bauausschusses steht: Zustimmungser- [Beifall bei der CDU – suchen zum Ausbau der nördlichen Gehbahn der Karl- Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)] Marx-Allee vom Straußberger Platz bis zur Proskauer Straße. – Diesen Antrag haben wir von der Tagesordnung genommen. Und, Herr Czaja, dreimal dürfen Sie raten, Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: warum. Weil wir dieser Maßnahme nicht zustimmen werden. Und genau das unterscheidet uns in der Konse- Vielen Dank, Herr Kollege Czaja! – Das Wort zur Fort- quenz von dem Handeln, das Sie in den Bezirken an den setzung der Debatte hat der Kollege Doering. Tag legen. Reinickendorf ist ja schon mal als Beispiel genannt worden. Selbst wenn Sie sich darauf berufen, Uwe Doering (Linksfraktion): dass die armen Bezirksstadträte das Gesetz umsetzen müssen, dann verpflichtet Sie keiner, die Bürgerbeteili- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die FDP gung außer Acht zu lassen, eine Luxussanierung durchzu- gestern in der Geschäftsführerrunde beantragt hatte, ihren führen wie in Reinickendorf. Antrag zur Priorität zu machen, habe ich mich gefragt: Was soll dieser Quatsch eigentlich? [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] [Christoph Meyer (FDP): Sie haben noch eine Und jetzt kommt der entscheidende Punkt: Die BVV- letzte Chance, dem zuzustimmen!] Fraktionen stimmen der Maßnahme zu oder nicht. Und um Gottes willen, wer hindert Sie daran, wenn Sie Vor- Ihr Gag, Sie würden uns vorführen, ist schon längst ver- kämpfer gegen das Straßenausbaubeitragsgesetz sind, pufft. Wir haben in der ersten Lesung ihren Antrag lang diesen Maßnahmen nicht zuzustimmen? – Sie stimmen und breit diskutiert. Wir haben Ihnen unsere Beweggrün- überall zu! de, warum wir gegen das Straßenausbaubeitragsgesetz sind, vorgetragen. Wir haben Ihnen vorgetragen, warum [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] wir Ihren Anträgen auf keinen Fall zustimmen werden. Im Überall stimmen Sie zu! – Ja, jetzt schütteln Sie den Prinzip haben Sie heute wieder einmal nichts Neues ge- Kopf, weil Sie gleich mit Marzahn-Hellersdorf kommen bracht, außer dass jetzt erkennbar wird, dass die FDP werden. Da sind Ihre CDU-Verordneten in der glückli- gerne die CDU vorführen will. Na, bitte schön, machen chen Lage, so einer Vorlage nicht zustimmen zu müssen, Sie, wenn das der Effekt ist, den Sie haben wollen, okay! weil die Mehrheit im Bezirksamt erst gar nicht so eine Vorlage vorlegt – anders als in Reinickendorf. Wir haben auch im Bauausschuss ausführlich über die Anträge von CDU und FDP beraten. Da habe ich mit [Beifall bei der Linksfraktion] Erstaunen festgestellt, dass inzwischen nicht nur in der Und selbst in Treptow-Köpenick, wo es darum ging, in Beratung der ersten Lesung der Anträge von CDU und zwei Straßen, Wegedornstraße konkret, die Baumaßnah- FDP, sondern auch im Bauausschuss von der SPD leichte me zurückzunehmen, weil nicht durchsetzbar, waren Ihre Zweifel am Straßenausbaubeitragsgesetz geäußert wur- CDU-BVV-Mitglieder in vorderster Front, um immer den. Im Bauausschuss gesellten sich dann die Grünen noch die Maßnahme durchdrücken zu wollen. hinzu. Und das wurde auch deutlich durch die Kleine Anfrage von Frau Hämmerling hinsichtlich des Straßen- ausbaus in der Köpenicker Wendenschlossstraße. Da Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: sprach sie von „Hütchenspielertricks“, übrigens ein Vor- Herr Doering! Gestatten Sie eine Zwischenfrage? gang, den ich hier in der ersten Lesung dargestellt hatte.

Uwe Doering (Linksfraktion): Jetzt darf ich also feststellen, dass offensichtlich ein Lan- desparteitagsbeschluss der Linken hier im Haus Wirkung Letzter Satz, dann kann die Frage gestellt werden. – So zeigt. CDU und FDP sind für die Abschaffung des Geset- sieht Ihr wahres Gesicht aus. Hier rumkrähen und draußen zes, vor Ort anders handeln.

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Uwe Doering [Beifall der Linksfraktion und der SPD] wirklich reine Wahlkampfpropaganda und verhält sich da So, jetzt Herr Heide! sehr inkonsistent, wie wir feststellen müssen.

CDU und FDP wiederum wollen das Straßenausbaubei- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: tragsgesetz jetzt abschaffen, verhalten sich aber äußerst Herr Dr. Heide, Sie hatten den Wunsch nach einer Zwi- polemisch dabei. Denn es kann doch nicht sein, dass Sie schenfrage. – Bitte sehr! nun sagen, es kommt ja gar kein Geld dabei herein, wenn doch die Beträge offenkundig noch gar nicht eingegangen sind. Das heißt, Sie rechnen die Kosten der Verwaltung, Dr. Manuel Heide (CDU): die bereits voll aufgelaufen sind, gegen Beträge, die noch Ich würde zwar lieber eine Kurzintervention machen, aber gar nicht da sind. So können wir natürlich nicht rechnen, es geht auch im Wege der Zwischenfrage. – Herr Doe- sondern da müssen wir uns dann schon ehrlich machen ring! Wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass es sich und sagen, was kommt da wirklich rein an Geld, was bei der besagten Alemannenstraße um eine Kleinmosaik- geben wir wirklich aus. Wir wollen auch, dass das effi- straße handelt, die zum großen Teil noch aus dem Beginn zient und sinnvoll umgesetzt wird. Aber man muss da Frohnaus von vor hundert Jahren stammt, dass es mittler- schon ganz ehrlich argumentieren, auch angesichts der weile geänderte Rechtsvorschriften für den Bau von Stra- leeren Kassen der Stadt. ßen gibt und dass drittens eine ausführliche Bürgerbeteili- [Beifall bei den Grünen] gung stattgefunden hat, sowohl vor Ort als auch in den diversesten Ausschüssen der BVV? – Danke! Wir Grünen fordern deswegen eine echte Überprüfung des Straßenausbaubeitragsgesetzes. Wir wollen wirklich wissen: Was hat es gekostet, und was hat es aber auch Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: gebracht? – Wir möchten aber auch wissen, ob die Bür- Bitte sehr, Herr Kollege Doering! gerbeteiligung – so, wie das ursprünglich vorgesehen war – tatsächlich umgesetzt wird. Denn was hören wir hier? Aus Köpenick z. B.: Acht Seiten tabellarisch aufgelisteter Uwe Doering (Linksfraktion): Bürgerbeteiligung, alles nicht berücksichtigt! So geht es Herr Dr. Heide! Das können Sie ja in Ihrer Wahrnehmung doch nicht in dieser Stadt! so darstellen. Nur, die Bürger sehen das anders. [Beifall bei den Grünen] [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] Wir Grünen haben deswegen damals auch gegen die Ein- Die Bürger beschweren sich bei uns und sagen, es gab führung dieses Gesetzes gestimmt, weil es eben hand- diese Beteiligung der Bürger nicht. Und sie sprechen von werklich sehr schlecht gemacht war, was die Mitbestim- einem Luxusausbau der Straße. Das ist der Fakt. Und mungsrechte der Bürger angeht. Es gibt da zahlreiche immer noch, Dr. Heide, wenn Sie die Vorkämpfer gegen Probleme. Angesprochen wurde bereits die Wenden- den Straßenausbau sind, wie verhält sich dann die CDU- schlossstraße, auch Probleme in Köpenick, auch Probleme Fraktion in der BVV? Das ist doch die spannende Frage. in der Abstimmung zwischen den Bezirken und dem Senat. Die BVV dort hat sogar dem Straßenausbau zuge- [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] stimmt, aber unter der Maßgabe, dass Tempo 30 einge- führt wird, zur Lärm- und Unfallminderung. Sie hat des- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: wegen auch einem Ausbau der Straße ohne Radwege zugestimmt. Nun wurde die Straße so umgebaut, aber Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat dann hat die Verkehrslenkung Berlin das Ganze über- Frau Schneider. stimmt und hat gesagt: Jetzt machen wir aber Tempo 50, ätschi-bätschti, Bezirk! – So kann das doch nicht laufen in Astrid Schneider (Grüne): dieser Stadt! Herzlichen Dank! Es ist ja eine sehr spannende Debatte [Beifall bei den Grünen] hier im Hause. Die SPD und Die Linke, die hier in der Am Adlergestell wurde die Straße stark ausgebaut, über- Stadt regieren, setzen erst das Straßenausbaubeitragsge- örtlicher Verkehr. Es gibt eine Wertminderung der Grund- setz sehr schlecht um. Die Bezirke hören zum Teil die stücke der Anlieger. Wer soll zahlen? – Die Anlieger! So Bürger nicht. Dann wird das Straßenausbaubeitragsgesetz kann das nicht laufen. überzogen umgesetzt, um die leeren Kassen der Bezirke und der Stadt aufzufrischen. Und in der Folge wundert Das Beispiel der Alemannenstraße in Reinickendorf wur- man sich, wenn man Bürgerprotest erntet. Wir wundern de bereits genannt. Dort gab es eine funktionierende uns darüber gar nicht. Oberflächenentwässerung, es wurde gegen den Willen und gegen die Beteiligung der Bürger umgebaut, Die Linke wiederum springt kurz vor der Wahl ab vom Straßenausbaubeitragsgesetz, stimmt aber hier offenbar [Mieke Senftleben (FDP): Genau!] nicht mit, wenn es abgeschafft werden soll, macht also

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Astrid Schneider von der CDU mitverantwortet. Nun funktioniert es nicht. für die Ja-Stimmen, eine Urne für die Nein-Stimmen, eine 2,5 Millionen Euro in den Sand gesetzt. Wer soll es zah- Urne für die Enthaltungen sowie für die nicht benötigten len? – Der Bürger! restlichen Karten.

So kann es wiederum nicht gehen, das ist eine verfehlte Ich eröffne also die Abstimmung über den Antrag der Politik. Berlin hat also zahlreiche Probleme, insbesondere CDU-Fraktion auf Drucksache 16/4008. Die Ausschüsse in der praktischen Ausführung der Politik. Es gibt z. B. empfehlen mehrheitlich gegen CDU bei Enthaltung der 400 Millionen Euro Rückstand bei den Instandhaltungs- FDP die Ablehnung. – Ich bitte, mit dem Namensaufruf maßnahmen für die Straßen. Und es kann nicht sein, dass zu beginnen. nun verdeckte Straßenausbaumaßnahmen geplant werden mit dem Ziel, versäumte Instandhaltung, die man sonst Noch einmal: Ich eröffne die Abstimmung über den An- nicht zahlen kann, wiederum auf die Bürger abzuwälzen. trag der CDU-Fraktion Drucksache 16/4008. Jetzt bitte Da muss Klarheit herrschen. ich Frau Grosse, die Namen zu verlesen. [Beifall bei den Grünen – [Aufruf der Namen und Abgabe der Stimmkarten] Vereinzelter Beifall bei der SPD] Meine Damen und Herren! Hatten alle anwesenden Mit- Es gibt auch eine mangelnde Koordinierung und Abstim- glieder dieses Hauses die Möglichkeit, abzustimmen? – mung der verschiedenen Verwaltungsebenen in der Stadt. Ich gehe davon aus, sehe auch keine andere Rückmel- Auch die Vorhabenträger des Leitungsbaus reißen nach dung. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Präsidi- Belieben die Straßen auf und machen sie wieder zu. Die umsmitglieder, die Auszählung vorzunehmen. Für die ganze Stadt ist eine einzige Baustelle, und wer zahlt es? Dauer der Auszählung wird die Sitzung unterbrochen. Der Bürger! Und er steht noch dazu im Stau. [Auszählung]

Aber ein weiteres Problem kommt noch hinzu. Herr Nuß- Meine Damen und Herren! Sie können jetzt wieder Platz baum ist leider jetzt nicht mehr im Saal, aber es wurde die nehmen. Es liegt uns das Ergebnis der namentlichen Ab- Privatisierung der Wasserbetriebe angesprochen. Ist Ihnen stimmung zum Antrag der CDU-Fraktion zum Thema denn bekannt, dass die Wiederbeschaffungszeitwerte der Straßenausbaubeitragsgesetz vor. Abgegebene Stimmen: Wasserbetriebe, also das Kapital, willkürlich vom Senat 143, Ja-Stimmen: 48, Nein-Stimmen: 95, Enthaltungen: hochgesetzt wurde und die kalkulatorischen Zinsen dar- keine. Der Antrag Drucksache 16/4008 ist somit abge- auf, und dass das 46 Prozent der Wassertarife ausmacht? lehnt. Und nun sollen die Bürger zusätzlich auch noch die Stra- ßenentwässerung über das Straßenausbaubeitragsgesetz Nun kommen wir zu den weiteren Abstimmungen. Zum bezahlen. Der Bürger zahlt doppelt und er zahlt dreifach. Gesetzesantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/4007 Das müssen wir aufdecken. Wir wollen diese Fragen empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich – gegen CDU untersuchen. Wir wollen eine exakte Evaluation machen, und FDP – die Ablehnung. Wer dem Antrag seine Zu- auch damit vergleichen, was in anderen Bundesländern stimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Hand- erfolgreich läuft oder auch verbessert wurde. Und wir zeichen. – CDU und FDP! Gegenprobe! – Das sind die wollen vor allem eine echte Bürgerbeteiligung. – Ich Koalitionsfraktionen und Bündnis 90/Die Grünen. Frakti- bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit! onslos habe ich nicht gesehen. Wie haben Sie abge- stimmt? – Dafür! – Die Ablehnung war die Mehrheit. [Beifall bei den Grünen] Damit ist der Antrag abgelehnt.

Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Wir kommen zum Antrag Drucksache 16/3013. Da emp- fehlen die Ausschüsse mehrheitlich – gegen FDP, bei Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider! Enthaltung der CDU – die Ablehnung, auch mit Ände- rung. Wer dem Antrag seine Zustimmung zu geben Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – FDP- Fraktion! Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktio- Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag nen und Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – CDU- der Fraktion der CDU Drucksache 16/4008 ist die na- Fraktion! Die Ablehnung war die Mehrheit. Damit ist der mentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte den Saal- Antrag abgelehnt. dienst, die vorgesehenen Tische aufzustellen. Ich bitte die Beisitzerinnen und Beisitzer nach vorn. Eine namentliche Ich rufe auf Abstimmung ist mit Namensaufruf durchzuführen. Ich bitte ein Mitglied des Präsidiums, die Namen der Abge- lfd. Nr. 4.2: ordneten aufzurufen. Die Stimmkarten werden Ihnen Antrag durch die Präsidiumsmitglieder ausgegeben. Ich weise darauf hin, dass die tatsächliche Stimmabgabe erst nach Wirtschaftskriminalität wirksam bekämpfen – Aufruf des Namens möglich ist. Nur so ist ein reibungslo- Managerhaftung verschärfen ser und geordneter Wahlgang möglich. Sie finden die Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/4268 Urnen vor, die eindeutig gekennzeichnet sind: eine Urne

8208 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 85. Sitzung vom 23. Juni 2011

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki Das ist die Priorität der Fraktion der SPD mit dem Tages- nämlich in der Strafsache Landowsky plötzlich höhere ordnungspunkt 28. Für die Beratung steht den Fraktionen Hürden für die Beweisführung aufgestellt. Nunmehr jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfü- reicht eben die sogenannte schadensgleiche Vermögens- gung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Herr Zimmer- gefährdung nicht mehr für eine Verurteilung aus. Dadurch mann legt gleich los. – Bitte sehr, Sie haben das Wort! entsteht unseres Erachtens eine nicht hinnehmbare Lücke im Wirtschaftsstrafrecht, die einem Freibrief für Speku- Frank Zimmermann (SPD): lanten gleichkommt. Wir jedenfalls fühlen uns verpflich- tet mitzuhelfen, dass diese Lücke geschlossen wird, und Ich kriege bei dem Thema sofort einen trockenen Hals. deshalb wollen wir hier den Anstoß geben, das Bundes- [Björn Jotzo (FDP): Das ist doch Ihre Priorität!] recht entsprechend zu ändern.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Berlin hat Wir halten es für wenig aussichtsreich, in diesem Zu- 61,9 Milliarden Euro Schulden. Ungefähr 4,5 Milliarden sammenhang den Versuch zu unternehmen, etwa § 266 davon gehen auf das Konto der Bankgesellschaft, denn in des Strafgesetzbuchs irgendwie wiederzubeleben. Ich einem damals beispiellosen Akt der Plünderung öffentli- glaube, diesen Tatbestand können Sie weitgehend verges- chen Vermögens wurden die Berliner Steuerzahler für sen. Stattdessen meinen wir, dass zwei Ansatzpunkte abenteuerliche Immobiliengeschäfte in Haftung genom- beachtet werden müssen und möglicherweise zum Ziel men. führen. Der eine ist § 93 des Aktiengesetzes, wo Sorg- [Beifall von Heidi Kosche (Grüne) faltspflichten für Spitzenmanager in Aktiengesellschaften und Özcan Mutlu (Grüne)] aufgeschrieben sind. Hier wäre nachzudenken, ob man diesen Paragrafen durch einen entsprechenden Straftatbe- Das finde ich gar nicht so zum Klatschen. stand ergänzt. Aber noch besser wäre die zweite Variante, [Heidi Kosche (Grüne): Aber Sie haben recht!] nämlich dass das bereits im Kreditwesengesetz angelegte Verfahren, dass wenn jemand die Bonitätsprüfung und Bis heute ist jedoch niemand für diese ruinöse Praxis der eine sorgfältige Wirtschaftlichkeitsprüfung von Kredit- Kreditvergabe strafrechtlich belangt worden, nehmern unterlässt, dann pflichtwidrig handelt und mit [Zuruf: Leider!] einer Geldbuße belegt werden kann, die bis zu 150 000 von einigen wenigen Verurteilungen wegen Bilanzfäl- Euro geht. Wir meinen, es ist dringend zu prüfen, ob man schung einmal abgesehen. Wenn aber am Ende keiner für diesen Ordnungswidrigkeitstatbestand nicht zu einem den Verlust von 4,5 Milliarden Euro Landesvermögen Straftatbestand mit einer entsprechenden Strafandrohung bestraft werden kann, obwohl die Pflichtverletzungen für diese Fälle heraufstufen kann, die die Öffentlichkeit vom höchsten deutschen Gericht bestätigt wurden, dann Milliarden kosten können. ist etwas mit unserem deutschen Strafrecht nicht in Ord- [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] nung. Wir bitten dringend darum, diese Vorschläge ernsthaft zu [Vereinzelter Beifall bei der SPD] prüfen und eine Initiative für eine Verschärfung der Ma- Ich kann es Ihnen nicht ersparen. Der Öffentlichkeit muss nagerhaftung auf Bundesebene zu ergreifen. Denn eines klar gesagt werden: Es gibt derzeit keinen wirksamen hält unsere Rechtsordnung auf Dauer nicht aus – dass die Schutz vor den Finanzjongleuren und Risikomanagern in Strafgesetze Sanktionen für die breite Masse der Bevölke- den Vorstandsetagen. Sie können Milliarden in den Sand rung bereitstellen und für einige wenige Privilegierte setzen, vielfach auf Kosten der Allgemeinheit, ohne dass nicht. – Herzlichen Dank! die Justiz wirklich spürbar eingreift. Die Hypo-Real- [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Estate-Vorstände, die Ackermanns, die Nonnenmachers und die Landowskys, alle sind unbestraft. Und der Größte von ihnen feiert zur Belohnung auch noch seinen Ge- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: burtstag im Kanzleramt. Das sind Vorgänge, die das Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zimmermann! – Für die Rechtsempfinden der Allgemeinheit schwer stören, und CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Rissmann das sie verlangen nach einer Reaktion. Wort. – Bitte sehr! [Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] Sven Rissmann (CDU): An der Staatsanwaltschaft und an der Polizei liegt es Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kolle- nicht. Sie haben in den Vorstandsetagen nahezu aller ge Zimmermann! In Zeiten größter finanz- und wäh- deutschen Großbanken ermittelt und zahlreiche Anklagen rungspolitischer Verunsicherung, in einer Weltwirt- erhoben. Es liegt vielmehr an der zentralen Norm des schaftskrise, die Grundfesten berührt und aufgezeigt hat, deutschen Wirtschaftsstrafrechts. Der Untreuetatbestand dass einige wenige ganze Volkswirtschaften durch unver- im Strafgesetzbuch war schon immer ein schwer hand- antwortliches geradezu unsittliches Handeln, durch Zo- habbarer Paragraf. Seit dem letzten Jahr aber ist § 266 auf ckerei gefährden können, ist es sicherlich richtig, sich verantwortungslose Kreditgeschäfte praktisch überhaupt auch die Frage zu stellen, ob und wie man auf der Ebene nicht mehr anwendbar. Das Bundesverfassungsgericht hat des Strafrechts reagieren kann – und vielleicht auch

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Sven Rissmann muss –, um Menschen, Staat und soziale Marktwirtschaft Drittens: Bemerkenswert ist ferner, dass wir sonst, wenn zu schützen. Dennoch ist der vorliegende Antrag der die Union Strafverschärfungen anregt, zum Beispiel bei Regierungskoalitionen in mehrfacher Hinsicht bemer- Gewalttaten gegen Polizeibeamte oder Angehörige von kenswert. Rettungsdiensten oder bei schwersten Straftaten von Ju- gendlichen, von den drei linken Parteien hier zu hören Erstens – Herr Zimmermann hat das gerade in hervorra- bekommen, wir wären einfallslos, bestehende Gesetze gender Weise vorgeführt –: Sie begründen Ihren Antrag würden ausreichen und so weiter. Dieses Blabla scheint mit einer von Ihnen als Landowsky-Entscheidung des jetzt nicht zu gelten, oder ist Ihnen der Schutz beispiels- Bundesverfassungsgerichts bezeichneten richterlichen weise von Polizeibeamten in Berlin nicht so wichtig? Entscheidung vom Oktober 2010. Sie stellen diesen An- trag in der letzten Sitzung vor der Sommerpause und Viertens: In dem Versuch, Ihrer hier als Antrag bezeich- wollen dem Senat auferlegen, bis zum 15. September neten Wahlkampfschleuder ein bisschen fachlichen An- 2011, also drei Tage vor dem Wahltermin, Bericht zu spruch zu geben, weisen Sie auf den schwer handhabba- erstatten. Damit zeigen Sie deutlich, worum es Ihnen ren § 266 StGB, den Untreuetatbestand, hin. Der Hinweis eigentlich geht: blankem Populismus, ist sachlich zutreffend, und deshalb müssen wir auch [Beifall bei der CDU und der FDP] prüfen, wie wir zu einer besseren strafrechtlichen Absi- cherung kommen. Aber Ihre Vorschläge sind genauso auf erschreckend peinlichem Niveau, gepaart mit eviden- allgemein gehalten und schwer handhabbar, sodass das so tem Wahlkampfzucken. Warum sonst stellen Sie diesen von vornherein nichts werden kann. Sie beantworten die Antrag in dieser Form erst jetzt? Es ist bedauerlich, meine entscheidende Frage nicht, wo Sie die Grenze zwischen Damen und Herren von der Sozialdemokratie, dass Sie notwendigem unternehmerischen Handeln auf der einen einen Sachverhalt, der im Sinne meiner Eingangsworte Seite und beispielsweise strafwürdiger Untreue auf der eine ernsthafte Befassung verlangt, derart platt instrumen- anderen Seite ziehen wollen. talisieren. Na ja, im Ergebnis gilt: Prüfen hat noch nie geschadet. Zweitens: Bemerkenswert ist überdies, dass Sie offenbar Eine Erforderlichkeit, neue zu missbilligende Sachverhal- den Senat erst auffordern müssen, für eine Verschärfung te auch strafrechtlich erfassen zu können, ist ebenfalls des Wirtschaftsstrafrechts initiativ zu werden und öffent- gegeben. Insofern werden wir zustimmen. – Herzlichen liches und privates Vermögen vor unverantwortlichen Dank! Risikogeschäften zu schützen. Das hat womöglich gute Gründe. Stichworte: HOWOGE, rechtswidrige Vergabe- [Beifall bei der CDU] praxis, Parteibuchwirtschaft, Aktenvernichtung und eine im Moment nicht anwesende und auch sonst nicht ganz Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: dicht bei der Wahrheit liegende Senatorin. Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rissmann! – Für die [Beifall bei der CDU – Linksfraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Lederer das Beifall von Dr. Sebastian Kluckert (FDP)] Wort. Stichwort BVG: Der sich heute als Buchautor verdingen- de SPD-Senator a. D. Dr. Sarrazin hat als Aufsichtsrats- Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): vorsitzender seine Zustimmung zur Übernahme hoher Lasten aus Krediten gegeben, die aufgrund vorangegan- Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde, man gener Cross-Border-Leasing-Geschäfte nötig waren. Das muss gar nicht den Bankenskandal und das Landowsky- Ergebnis sind Rückstellungen in Höhe von 156 Millionen Verfahren heranziehen, Euro und ein Gesamtverlust der BVG im Jahr 2008 von [Sven Rissmann (CDU): Haben Sie aber gemacht!] 247 Millionen Euro. wenn man sich über den Gegenstand dieses Antrags ver- Stichwort Bankenskandal – das war die Begründungslinie ständigt. Man kann auch einfach über die Weltwirt- des Kollegen Zimmermann: Seit dem von der SPD glor- schafts- und Finanzkrise 2008 reden, die uns in großer reich inszenierten Bankenskandal Dimension vor Augen geführt hat, was sich mit systemi- schen Ursachen und durchaus auch mangels wirksamer [Ha, ha! von der SPD] Regulierung im Kleinen abspielt, nämlich Handeln von ist die Verschuldung Berlins unter Rot-Rot wirtschaftlichen Akteuren – dabei ist mir völlig egal, ob in öffentlichen Unternehmen oder in der Privatwirtschaft [Zuruf von Heidi Kosche (Grüne)] – mit krimineller Dimension. Der Antrag, den wir heute von 28 Milliarden Euro im Jahr 2001 auf 63 Milliarden verabschieden, befasst sich mit einem kleinen Ausschnitt Euro heute angestiegen. dessen, mit einem kleinen Ausschnitt der notwendigen [Beifall bei der CDU – Regulierung und Pönalisierung. Der Kollege Zimmer- Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Wie mann hat das Landowsky-Urteil zum Anlass genommen, viel davon sind Zinszahlungen?] weil in der Tat eines stimmt: Es hat die Spielräume ver- engt, den Untreuetatbestand auf wirtschaftliche Verhal- tensweisen anzuwenden. Ich finde, an der Stelle muss

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Dr. Klaus Lederer man die Debatte seriös führen, was der Gesetzgeber auf geführt werden. Das ist auch der Grund, weshalb meine Bundesebene tun kann und was er auf Bundesebene tun Fraktion diesen Antrag hier mit eingereicht, mit entwi- sollte. Klar ist: Die gegenwärtige Bundesregierung tut da ckelt hat und unterstützt. nichts. [Beifall bei der Linksfraktion –

Vereinzelter Beifall bei der SPD] In Bezug auf die Wirtschafts- und Finanzkrise ist eine Menge an Regulierung angekündigt worden. Es sollte Wir wollen überhaupt nicht davon reden, was windiges eine strengere Regulierung von Finanzprodukten stattfin- Handeln von Managern und Managerinnen für die Alters- den, es ist damals über das Verbot von Leerverkäufen vorsorge von Kleinanlegern und Kleinanlegerinnen be- diskutiert worden, über die Demokratisierung der Ratin- deutet oder welche Folgen es für die Realwirtschaft hat. gagenturen. All das hat sich in Luft aufgelöst, in all diesen Wir haben das in Anflügen erlebt. Selbst manche europäi- Bereichen ist de facto nichts passiert. sche Nationalökonomie ist da ins Wanken geraten. Prä- ventive wie repressive Instrumente der Verhaltenskontrol- Ferner stelle ich mir die Frage: Inwieweit trägt das derzei- le von Unternehmen, von Branchen und Managements tige Strafrecht angesichts der Tatsache, wie existenziell sind hochgradig lückenhaft. Diese Lücken müssen syste- wirtschaftliche Prozesse für das öffentliche Leben sind, matisch geschlossen werden. Ein Beitrag dazu ist unser den Notwendigkeiten moderner Strafrechtspolitik Rech- Antrag, für den ich Sie um Zustimmung bitte! nung? Dazu stelle ich fest: Bis heute sind die unterneh- [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] mensbezogenen Rechtsfolgen strafrechtlichen Handelns der Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen, also des Managements und der Aufsichtsorgane, nicht Teil des Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Wirtschaftsstrafrechts, jedenfalls nicht mit Strafbarkeit im engeren Sinne. Ich stelle zweitens fest: Bis heute sind die Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lederer! – Für die Vorschriften des Wirtschaftsstrafrechts allenfalls frag- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Abgeordne- mentarisch, und sie setzen auf die klassischen Zurech- te Dr. Behrendt das Wort. nungszusammenhänge individuellen strafbaren Handelns. Das versagt schon dann, wenn Aufsichtsgremien oder Dirk Behrendt (Grüne): Gruppen von Akteuren unterwegs sind, weil man natür- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werter Kol- lich das Handeln eines jeden Einzelnen hinwegdenken lege Lederer! Ganz kurz zu Ihrem Ansatz: Wenn ich es kann und der strafrechtliche Erfolg dennoch eintreten richtig verstanden habe, wollen Sie jetzt die Finanzmarkt- würde. Also: Auf Wirtschaftsstraftaten sind die klassi- regulierung über eine Reform des Strafgesetzbuches er- schen strafrechtlichen Zurechnungsnormen schlicht und reichen. Das ist, glaube ich, von vornherein zum Schei- ergreifend schwer anwendbar. tern verurteilt. Da bedarf es ganz anderer dringlicher

Maßnahmen auf europäischer Ebene, auf nationalstaatli- Der dritte Punkt ist, dass bis heute Managements mit cher Ebene, und über eine Veränderung des Strafgesetz- krimineller Energie von der schwierigen Nachweisbarkeit buches werden wir diese risikoreichen Geschäfte, die die von Tatbestandsmerkmalen profitieren, die sich auf die Weltökonomie in eine Schieflage gebracht haben, nicht wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Folgen von Spe- verhindern. kulation und Hochrisikoengagement beziehen. All das führt dazu, dass Wirtschaftsstrafprozesse heutzutage ewig [Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Ich glaube, Sie haben dauern, Unsummen kosten und nicht selten ohne Verurtei- mir wie immer nicht zugehört!] lung enden, und das, obwohl die in der jeweiligen Be- Jetzt aber zu Ihrem Antrag: Es gibt eine rechtliche und weisaufnahme festgestellten Fakten vom skrupel- und eine politische Dimension. Zunächst zur rechtlichen Di- rücksichtslosen Verhalten der Handelnden künden. Ohne mension: Das Problem bei allen Finanzmarktdelikten ist, jede Bedenken werden für eine entsprechend hohe Rendi- das erlaubte von dem unerlaubten Risiko abzugrenzen, te nahezu unbegrenzte gesellschaftliche Risiken in Kauf und wir sind damit konfrontiert, dass regelmäßig die han- genommen. Da entsteht dann in der Tat schon der Ein- delnden Personen, also die Manager, sich in den Anstel- druck: Die Kleinen werden gehängt, die Großen lässt man lungsverträgen haftungsfrei stellen lassen, sodass sich die laufen. persönliche Haftung von Ihnen in der Regel nicht realisie- ren lässt, weil die Anstellungskörperschaften haften. Da So muss das nicht sein. Wir können das auch anders ma- ist die Sanktionierungsmöglichkeit bei Fehlverhalten von chen. Ich finde es richtig, darüber nachzudenken, inwie- vornherein eingeschränkt. weit Gefährdungstatbestände da Vorkehrungen bieten können, ich finde es auch richtig, an die gesellschafts- Es ist angesprochen worden: § 266 StGB ist eine der rechtlichen Sorgfaltspflichten der Organmitglieder straf- umstrittensten und unklarsten Regelungen des gesamten rechtlich anzuknüpfen. Natürlich ist es auch richtig, dass Strafgesetzbuches. Die Entscheidung des Bundesverfas- das alles nicht alle Probleme löst, und dass der strafrecht- sungsgerichts, Kollege Rissmann, war übrigens nicht im liche Bestimmtheitsgrundsatz und die Justizgrundrechte Oktober, sondern heute genau vor einem Jahr. Das war hier auch zwingend beachtet werden müssen. Aber ich mein erster Gedanke, als ich den Antrag gesehen habe, ob finde, es ist überfällig, diese Debatte zu führen. Sie muss

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Dirk Behrendt SPD und Linksfraktion diesen Antrag zum Jahrestag der gerade bei öffentlich-rechtlichen Unternehmen gibt es Landowsky-Entscheidung stellen. Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten. Diese müssen aber [Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Feiern Sie ernsthaft genutzt werden. Bei der Bankgesellschaft ist das das immer?] nicht passiert. Bei der Deutschen Bahn passiert das unzu- reichend, und bei den Wohnungsbaugesellschaften pas- Am 23. Juni 2010 hat das Bundesverfassungsgericht – siert das auch unzureichend. Hier bleibt noch sehr viel zu wenig überraschend für Kundige – entschieden, dass es tun. – Ich danke Ihnen! mit § 266 Strafgesetzbuch Probleme gibt. Deshalb ist es auch richtig – um das deutlich zu sagen –, dass die Koali- [Beifall bei den Grünen] tion nicht an die Änderung des § 266 StGB denkt, son- dern dass sie hier Finanzmarktregelungen ins Auge Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: nimmt. Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Behrendt! – Für die [Beifall bei den Grünen] FDP-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Dr. Kluckert das Allerdings: Die vorgeschlagenen Änderungen – es wird Wort. zum einen vorgeschlagen, die Sorgfaltspflichten des § 93 Aktiengesetz mit Strafe zu bewehren, und zum anderen, Dr. Sebastian Kluckert (FDP): § 18 Kreditwesengesetz von einer Ordnungswidrigkeit zu eine Straftat hochzuzonen – können noch nicht wirklich Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Leistung überzeugen. Denn in § 93 Aktiengesetz steht ausdrück- und Verantwortung sind für uns Liberale Grundprinzipien lich, dass der Pflichtige dann nicht pflichtwidrig handelt, der Gesellschaftsordnung, und nach diesen Prinzipien wenn er vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohle müssen wir uns letztendlich ausrichten, wenn es darum der Gesellschaft zu handeln. Hier liegt aber gerade der geht, eine Wirtschaftsordnung zu gestalten. Hase im Pfeffer, denn dieses zivilrechtliche Schlupfloch [Vereinzelter Beifall bei der FDP] bleibt bei der vorgeschlagenen Veränderung zur Straf- norm bestehen. Wenn wir sagen „Leistung“, dann sind wir nicht dafür, Managergehälter zu begrenzen, ebenso, wie wir nicht Ähnlich ist es bei § 18 Kreditwesengesetz. Danach liegt dafür sind, Fußballergehälter zu begrenzen, keine Pflichtverletzung vor, wenn das Verlangen nach [Andreas Gram (CDU): Ich schon!] Offenlegung der Vermögensverhältnisse desjenigen, der Kredit begehrt, offensichtlich unbegründet wäre. Auch aber wenn wir sagen „Verantwortung“, dann gilt auch, diese Formulierung „offensichtlich unbegründet wäre“ dass jemand, der Mist baut, der einen Schaden anrichtet öffnet Tür und Tor für Unklarheiten. Ich glaube, es wäre und das voraussehen konnte, wenig gewonnen, wenn wir die Auslegungsschwierigkei- [Andreas Gram (CDU): Oder der schlecht spielt!] ten des § 266 Strafgesetzbuch einfach in das Kreditwe- für diesen Mist geradezustehen und zu haften hat. Das ist sengesetz und ins Aktiengesetz transformieren. ein Prinzip, das letztendlich aus dem Verantwortungsbe-

wusstsein eines Einzelnen resultiert. Völlig sinnvoll ist die Verschärfung der zivilrechtlichen Haftung. Da gehen wir mit. Wenn es bei diesem Antrag [Beifall bei der FDP] tatsächlich um mehr gehen sollte als um einen Schaufens- In der Vergangenheit sind in diesem Land viel zu oft terantrag, dann erkläre ich hier unsere große Bereitschaft, Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert worden. auch im Rechtsausschuss an einer Konkretisierung der Wenn ein kleiner Handwerksbetrieb mit zehn Mitarbei- vorgeschlagenen Änderungen zu arbeiten. tern pleitegeht, dann kommt der Gerichtsvollzieher, die [Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Sehr gut!] zehn Mitarbeiter werden zur Arbeitsagentur geschickt und müssen Arbeitslosengeld beantragen. Wenn aber in die- Nun zum Politischen: Es ist hier bereits angeklungen, was sem Land ein Großunternehmen von der Pleite bedroht Anlass für diese Gesetzgebung sein soll. Allerdings kann ist, dann kommt der Bundeskanzler höchstpersönlich, das Strafrecht auch im Bereich des Finanzmarkts nicht Stichwort Philipp Holzmann – man kann es hier ruhig schwerwiegende Organisationsverschulden und einen bringen: Gerhard Schröder. Er kommt natürlich nicht totalen Kontrollverzicht ausgleichen. Zur Wahrheit gehört allein, sondern mit Presse, Funk und Fernsehen, macht hier auch: Die Bankgesellschaft Berlin ist nicht deshalb in eine große Feier und reicht die 4,3 Milliarden DM – da- die Krise geraten, weil das Strafgesetzbuch oder die Ma- mals noch – aus, die letztendlich für den Steuerzahler nagerhaftung unzureichend waren, sondern weil Größen- verloren waren. wahn und Dilettantismus gepaart mit Schlamperei und

Bevorzugung von Parteifreunden zusammenkamen und Auch hier kann man sich fragen – Hochrisikogeschäfte weil SPD und CDU auf den verschiedensten Ebenen hier zur persönlichen Profilierung –: Wo haben Sie denn da mitgemacht haben. jemals beantragt, dass die entsprechend Handelnden in die [Beifall bei den Grünen] Haftung genommen werden? Das haben Sie nicht getan. Wir haben es also eher mit einem kompletten Versagen Sie haben nur Ihre speziellen Gruppen, auf die Sie das der öffentlich-rechtlichen Kontrollinstanzen zu tun. Und zuschneiden.

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Dr. Sebastian Kluckert [Beifall bei der FDP] fen zu ersetzen, können wir dem nicht folgen. Machen Sie Ein weiteres Beispiel – die Beispiele aus der Landespoli- konkrete Vorschläge, auch noch im Zuge der Beratung, tik hat der Kollege Rissmann schon genannt – aus der dann sind wir vielleicht bei Ihnen. Ansonsten kann ich Bundespolitik – ganz aktuell: der Euro-Rettungsschirm. Ihnen versichern: Das Bundesministerium für Justiz – und Wir von CDU und FDP, von der christlich-gelben Koali- da Frau Leutheusser-Schnarrenberger – verfolgt die Än- tion, sind die Einzigen auf Bundesebene, die sich darüber derung der Rechtsprechung. Es wird auch Strafbarkeitslü- unterhalten, wie wir die Gläubiger mit ins Boot holen und cken schließen. Ihre substanzlosen, peinlichen Vorschläge über eine Gläubigerbeteiligung sprechen, während SPD sind dazu jedenfalls nicht erforderlich. – Vielen Dank! und Grüne am liebsten die Eurovisionshymne singen und [Beifall bei der FDP] das Geld ohne irgendwelche Auflagen hinterherwerfen wollten. Das war genau das, was Sie am Anfang kritisiert haben. Da ist Ihnen das nicht schnell genug gegangen, da Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: wollten Sie den IWF gar nicht drin haben, da wollten Sie Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Kluckert! – Weitere ganz schnell das Geld ausreichen. Nein, wir legen Wert Wortmeldungen liegen nicht vor. Zum Antrag Drucksa- darauf, dass gerade die Interessen der Steuerzahler be- che 16/4268 wird die Überweisung an den Ausschuss für rücksichtigt werden. Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und [Beifall bei der FDP] Geschäftsordnung vorgeschlagen. Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so. Ihr Antrag ist wieder ein Beispiel für Ihre substanzlose

Symbolpolitik. Sie haben hier zwei vage Aussagen drin, Ich rufe auf die man zusammenfassen kann: Strafrecht verschärfen, Haftung erweitern. – Sie haben aber keinen einzigen kon- lfd. Nr. 4.3: kreten inhaltlichen Vorschlag gemacht. Weder Ihre Frak- Antrag tion noch der Senat waren dazu in der Lage. Der Senat ist ja dauernd in Ihren Arbeitskreisen, auch mit Fachbeam- Schwache Schulen besser machen – ten. Der hätte Sie beraten können. Offensichtlich liegt gar ein echtes Qualitätspaket keine Idee vor. Antrag der CDU Drs 16/4212

Die einzige konkrete Sache, die Sie vortragen, sind drei Das ist die Priorität der CDU mit Tagesordnungspunkt 25. Prüfaufträge – gegen die habe ich gar nichts –, dass man Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Rede- die Dinge prüft und sich ansieht, ob man da etwas machen zeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt kann, aber – das habe ich hier schon an verschiedenen die Fraktion der CDU. Der Abgeordnete Steuer hat das Stellen gesagt – Sie erhalten von uns keine Zustimmung Wort. – Bitte sehr! für Veränderungen des Strafrechts, die wir nicht kennen, für pauschale Verschärfungen. Das ist nicht unser Weg. Sascha Steuer (CDU): [Beifall bei der FDP] Danke sehr, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Her- Ausgangspunkt ist eine Entscheidung des Bundesverfas- ren! Fünf Jahre Jürgen Zöllner liegen hinter uns und da- sungsgerichts zu § 266 StGB, der Untreue. Es wurde mit anderthalb Jahrzehnte sozialdemokratische Bildungs- schon gesagt, eine sehr problematische Bestimmung, ein politik in Berlin. In schlimmer Kontinuität wurde auch in Gummiparagraf, eine schwammige Bestimmung, mit den den vergangenen Jahren eine Reform nach der anderen Tatbestandsmerkmalen Verletzung einer Vermögens- durch die Schulen gepeitscht, ohne dass die Rahmenbe- betreuungspflicht und einem Vermögensschaden, der dingungen stimmten, ohne dass die Lehrer vorbereitet entstehen muss, und die Rechtsprechung hat sich dann wurden und die Schulprofile weiterentwickelt werden geholfen, indem sie gesagt hat: Den Vermögensschaden konnten. kenne ich oftmals gar nicht, dann nehme ich die scha- densgleiche Vermögensgefährdung. Dann ist das auch ein Nach all dem stellt Senator Zöllner nun ein sogenanntes Schaden, und dann haut das hin. – Mit dieser Rechtspre- Qualitätspaket für die schwächeren Schulen vor. Dabei chung konnten alle möglichen Verhaltensweisen als Un- hatte er doch jahrelang erzählt, dass es genau die schwä- treue verfolgt werden. cheren Schüler und Schulen sein sollten, denen mit seinen zahlreichen Reformen geholfen wird. Nun, am Ende ein Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entschei- Qualitätspaket – eine große Überschrift, die, wäre sie dung einen Beitrag zu mehr Bestimmtheit im Strafrecht ernst gemeint, gut an den Anfang einer Legislaturperiode geleistet. Das befürworten wir grundsätzlich. Es gilt im gepasst hätte. Aber sie steht am Ende, und so ernst ist sie Strafrecht grundsätzlich das Prinzip nulla poena sine lege auch gemeint. certa – ohne bestimmte Bestimmungen kann es keine Strafbarkeit geben. Dass dieses Qualitätspaket nur eine PR-Nummer ist, zeigt der genaue Blick darauf. Die Kritik ist von allen Seiten Wenn Sie als Koalition nun vorschlagen, den einen massiv. Es ist ein reines Sammelsurium aus Einzelmaß- Gummiparagrafen vielleicht durch neue Gummiparagra- nahmen, die zum Teil sinnvoll und zum Teil völliger

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Sascha Steuer Unsinn sind. Das ist das Fazit. So kann den schwächeren es bestand vor drei Jahren Einigkeit im Abgeordnetenhaus Schulen in Berlin jedenfalls nicht geholfen werden. darüber, dass es mit einer Sieben-Prozent-Hauptschule so [Beifall bei der CDU] nicht weitergehen kann. Aber Sie haben die Chance ver- streichen lassen, einen überparteilichen Konsens herzu- Wir beantragen heute ein klar strukturiertes Programm, stellen, und zwar nicht nur über die Frage. ob eine Schul- mit dem wir den schwächeren Schulen wirklich helfen strukturreform notwendig ist, sondern auch darüber, wie wollen. Wir wollen den 25 schwachen Schulen 103 Pro- sie aussehen kann. zent Lehrkräfte geben, einen Qualitätsbeauftragten instal- lieren, sie aus der regionalen Schulaufsicht herauslösen, [Dr. Felicitas Tesch (SPD): So ein Quatsch!] sie von Bürokratie befreien und am Ende die Fortschritte Nun schreibt die SPD in ihr Wahlprogramm, sie wolle bewerten und daraus Schlüsse ziehen, gegebenenfalls einen Schulfrieden. Wie bitte? Ein Frieden kann doch nur auch Schulleitungen austauschen. Das wäre ein echtes zwischen zwei Parteien auf Augenhöhe geschlossen wer- Qualitätspaket, mit dem den schwächeren Schulen wirk- den. Sie aber haben jahrelang Krieg geführt, alle strategi- lich geholfen werden könnte, aber nicht das zöllnersche schen Entscheidungen allein getroffen, die Schulen Sammelsurium. drangsaliert und ausgebeutet, und jetzt wollen Sie einen [Beifall bei der CDU] Frieden schließen. Das ist doch ein billiges und durch- sichtiges Manöver. Aber das Qualitätspaket ist symptomatisch für die Bil- dungspolitik von Rot-Rot. Tolle Begriffe, kein Inhalt! [Beifall bei der CDU] Priorität sollte die Bildung bei Ihnen haben. Wie sieht die SPD und Linkspartei hinterlassen der Stadt eine Herku- Realität aus? – Thema Lehrermangel: In den letzten zehn lesaufgabe. Die Kitas müssen endlich zu echten Bildungs- Jahren haben Sie in Berlin massiv Lehrerstellen abgebaut, einrichtungen werden. Die Grundschulen brauchen Fach- insgesamt 4 500 Lehrer. Von Rot-Rot sind allein in den lehrer, pädagogische Kontinuität und eine konzentrierte letzten fünf Jahren 1 300 Lehrkräfte abgebaut worden. So und verbindliche Sprachförderung. Die Gymnasien brau- wurde der Unterrichtsausfall in die Höhe getrieben. Der chen ein neues leistungsfähiges Aufnahmeverfahren. Die Unterrichtsausfall ist keine Naturkatastrophe, sondern die Sekundarschulen brauchen einen verbindlichen Praxisbe- logische Folge der rot-roten Bildungspolitik in Berlin. zug und ein attraktives Profil. Die Schüler mit sonderpä- [Beifall bei der CDU] dagogischem Förderbedarf brauchen eine fachlich hoch- wertige Bildung unabhängig vom Lernort. – Alle Bil- Thema kaputte Schulen: Sie haben das Schul- und Sport- dungseinrichtungen brauchen statt einer Reformgarantie anlagensanierungsprogramm um 10 Millionen Euro ge- endlich eine Unterrichtsgarantie. Da ist ab dem kürzt und das Konjunkturprogramm des Bundes nicht für 18. September viel zu tun. die dringendsten Schulsanierungen ausgegeben, sondern für den Ausbau der Sekundarschulen und nichts anderes. [Beifall bei der CDU] [Christian Gaebler (SPD): Ja, und? War das falsch?] Thema Personalführung: Ihre Politik führt dazu, dass Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: mittlerweile 1 600 Lehrer bei voller Bezahlung zu Hause Vielen Dank, Herr Abgeordneter Steuer! – Für die SPD- sitzen. Das kostet das Land jährlich 65 Millionen Euro. Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Dr. Tesch das Wort. – Bitte! Thema Grundschule: Mittlerweile bleibt jedes fünfte Kind in der zweiten Klasse sitzen. Dr. Felicitas Tesch (SPD): [Zuruf von Dr. Felicitas Tesch (SPD)] Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorge- Die Ignoranz der SPD und die von Frau Dr. Tesch – auch legte Maßnahmenplan der CDU-Fraktion ist lediglich ein wenn Sie noch so schreit – gegenüber den enormen Belas- Nachklapp zum Qualitätspaket, das die Senatsverwaltung tungen der Schüler und Lehrer in der flexiblen Schulan- vorgelegt hat. Entweder sind diese Maßnahmen bereits fangsphase führt zu einem Massensitzenbleiben, das das erfolgt, oder man hat sie geprüft und festgestellt, dass Land wiederum jährlich 450 Lehrer kostet. diese Vorschläge keine Verbesserung erkennen lassen. [Beifall bei der CDU] Außerdem ist der Antrag polemisch. Er spricht von dem „sogenannten“ Qualitätspaket. Das hat mich an die „soge- Thema PISA: Berlin ist im PISA-Bundesländervergleich nannte“ DDR erinnert. Die CDU will hiermit ein „echtes“ bei der Lesekompetenz in den letzten Jahren von Platz 11 Qualitätspaket vorlegen. auf Platz 15 abgerutscht. Und Sie, Herr Dr. Zöllner, sagen immer, Berlin tue so viel, wir hätten seit 2003 so viel Nun zu den einzelnen Forderungen: Sie fordern eine Leh- gemacht. Aber die Frage ist: Machen Sie denn das Richti- rerausstattung von 103 Prozent plus 3 Prozent PKB- ge? Das ist doch die entscheidende Frage. Da muss man Mittel. Es ist aber sinnvoller, bei der PKB-Ausstattung zu sagen: Es wäre gut gewesen, nicht nur auf die Ideologen differenzieren und Schulen mit geringerer Ausstattung von SPD und Linkspartei zu hören. Es wäre gut gewesen, eine höhere PKB-Ausstattung zu gewähren als gut aus- auch die Experten zu hören und in den entscheidenden gestatteten Schulen. Die Schulen, bei denen wenig Un- Fragen einen überparteilichen Konsens herzustellen, denn

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Dr. Felicitas Tesch terricht ausfällt, können die PKB-Mittel auch für Projekte tern, die sich nicht kümmern können oder wollen, sondern oder Ähnliches einsetzen. es gibt schlicht und ergreifend auch Eltern, die nicht wis- [Mieke Senftleben (FDP): Das können Sie doch sen, dass ihr Sprössling die Schule schwänzt. Außerdem gerade nicht mehr. Was erzählen Sie denn?] wird der Senat künftig auf ein einheitliches Verfahren hinwirken und die Verhängung von Bußgeldern prüfen. Und diejenigen, bei denen viel Unterricht ausfällt, müssen die PKB-Mittel zur Vertretung verwenden. – Natürlich ist Zu Ihrem letzten Vorschlag, der erneuten Schulinspekti- das möglich, Frau Senftleben! on: Sie wird kontinuierlich fortgeführt. Ein Ranking ist weder geplant noch möglich. Sie wollen die sogenannten schwachen Schulen – was auch immer Sie damit meinen – aus der regionalen Schul- [Özcan Mutlu (Grüne): Auch nicht wünschenswert!] aufsicht herauslösen und eine zentrale Stelle bei der Ver- – Auch nicht wünschenswert, Kollege Mutlu! Völlig Ihrer waltung einrichten. Ich frage mich wirklich, was das Meinung! – Außerdem stimmt es auch nicht, dass die bringen soll. Wir schaffen parallele Verwaltungsstruktu- Schulen mit Entwicklungsbedarf ausschließlich Brenn- ren ohne Gewinn. punktschulen sind. Vielmehr ist die Qualität einer Schule [Beifall bei der SPD] unabhängig von ihrer Lage im Stadtgebiet.

Sie wollen Zielvereinbarungen zwischen Schulen und der Sie sehen also, dass Ihr Antrag überflüssig ist. Ich bitte Senatsverwaltung. Das gibt es bereits. Sie wollen die aber trotzdem um Überweisung in den Ausschuss für Schulleitung bei Nichterreichung der Zielvereinbarung Bildung, Jugend und Familie. – Ich danke Ihnen und freue nach drei Jahren austauschen. Das ist ein interessanter mich auf eine Diskussion in der nächsten Legislaturperio- Vorschlag, der auf der Basis „Der Fisch stinkt vom Kopf de! her“ beruht. Ich war gestern erst wieder in einer Diskussi- onsveranstaltung, in der es unter anderem darum ging, [Beifall bei der SPD – warum manche schwierigen Schulen ihren pädagogischen Beifall von Steffen Zillich (Linksfraktion] Auftrag erfüllen können und andere nicht. Natürlich liegt es an der Schulleitung, aber nicht allein daran, sondern Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: auch an dem gesamten Kollegium. Ich erinnere daran, dass wir 2004 in das Schulgesetz eine Wiederwahl des Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Dr. Tesch! – Für die Schuleiters und der Schulleiterin nach fünf Jahren schrei- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Abgeord- ben wollten, dieser Vorschlag aber von den Juristen ge- neter Mutlu das Wort. strichen wurde. Özcan Mutlu (Grüne): Genauso verhält es sich mit dem Qualitätspaket. Da diese Umsetzung äußerst schwierig ist, wird eine Beratung und Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ehrlich Unterstützung empfohlen. Sie wollen, dass ein Schulprofil gesagt frage ich mich, was die CDU mit diesem Antrag entwickelt wird. Das ist bereits geschehen. Alle Schulen bezweckt. Wir haben nur noch eine Plenarsitzung und haben im September 2006 ein Schulprogramm vorgelegt, eine Sitzung des Ausschusses für Bildung, Jugend und das von der Schulkonferenz entwickelt wurde. Wichtig Familie. In dem Antrag sind durchaus auch diskussions- ist, dass dieses evaluiert und kontinuierlich fortgeschrie- würdige Vorschläge enthalten. Wenn man diese Debatte ben wird. Die ersten schulischen Inspektionsberichte ernsthaft führen will, dann hätten wir mehr Zeit ge- wurden im März 2009 abgegeben. Der zweite Evaluati- braucht. Diese Zeit haben wir nicht. Meine Schlussfolge- onsbericht wird bis zum 1. März 2012 vorgelegt werden. rung daraus ist, dass der Antrag nur Wahlkampfpalaver Schulleitungen können bereits jetzt Funktionsstellen für ist, mehr nicht. Das ist leider so! Qualitätsbeauftragte ausschreiben. Dieser Vorschlag ist [Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD)] also auch obsolet. Seit Jahren ringen wir um eine ver- pflichtende Lehrerfortbildung in der unterrichtsfreien Es ist richtig, dass das Qualitätspaket des Schulsenators Zeit. Künftig ist geplant, das im Umfang von mindestens viele Dinge richtig anpackt, andere wiederum nicht. Es ist sechs Doppelstunden für alle verpflichtend zu machen. richtig, dass das Qualitätspaket auch den Fehler hat, dass es finanziell nicht unterfüttert ist. Es ist auch richtig, dass [Mieke Senftleben (FDP): Warten wir ab, was aus das Qualitätspaket des Senators an vielen Stellen dem Plan wird!] Wunschdenken ist. Aber dennoch, finde ich, war es rich- Es ist nicht richtig, dass der Senat die Durchsetzung der tig und wichtig – gleich wann –, dass dieses Qualitätspa- Schulpflicht nicht ernst genommen hätte. Natürlich ist das ket kommt. Sache der Bezirke. Sie gehen damit unterschiedlich um, [Beifall von Anja Schillhaneck (Grüne) und weil die Bezirke eben auch unterschiedlich sind. Es ist Steffen Zillich (Linksfraktion) – aber geplant, dass die Schulen mit der Schulaufsicht eine Dr. Felicitas Tesch (SPD): Da hat er recht!] Zielvereinbarung zur Reduzierung von Fehlzeiten entwi- ckeln. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Die Erkenntnis, dass die Sprachoffensive notwendig ist, Eltern bereits am ersten Tag des Fehlens informiert wer- wird in diesem Haus – denke ich – von jedem geteilt. den. Es gibt nämlich nicht nur die immer erwähnten El- Dass Schulinspektionsberichte noch stärker auf die Schul-

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Özcan Mutlu entwicklung Einfluss nehmen sollen, auch diese Ansicht internationalen wie nationalen Tests immer wieder im wird hier geteilt. All diese Dinge sind richtig angepackt schönen letzten Drittel – um nicht zu sagen: am Ende – worden. Man muss nur dafür sorgen, dass die Maßnah- abschneiden. – Vielen Dank! men am Ende tatsächlich personell und materiell so aus- [Beifall bei den Grünen – gestattet werden, dass sie in der Schule ankommen und Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD)] dort für Qualitätsverbesserungen sorgen. Da habe ich gewisse Zweifel, weil der Senator leider an dieser Stelle – wie auch an anderer Stelle, zum Beispiel beim Inklusi- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: onskonzept – der Auffassung ist, dass das alles kosten- neutral zu haben ist. Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mutlu! – Für die Links- fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Zillich das Wort. – Wir werden sicher nach dem 18. September die Ergebnis- Bitte sehr! se des Qualitätspakets der jetzigen Regierung noch einmal evaluieren, prüfen und nachbessern. Wir werden nach Steffen Zillich (Linksfraktion): diesem Datum vielleicht auch manche der Vorschläge der CDU debattieren, aber wenn ich mir die einzelnen Punkte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nor- ansehe, dann muss ich auch hier wieder die Schlussfolge- malerweise erwartet man, wenn ein Antrag in diesem rung ziehen: einerseits Sammelsurium – um bei Ihrer Haus eingebracht wird, dass er diskutiert wird, dass er Begrifflichkeit zu bleiben, Herr Steuer! –, andererseits gegebenenfalls geändert und dass irgendwann über ihn viele Forderungen, die entweder in dem bestehenden abgestimmt wird. Das ist schon einmal fraglich, wenn Qualitätspaket enthalten sind oder bereits laufen. Zum man das in der vorletzten Plenarsitzung einbringt. Nun ist Beispiel Unterstützung der Schulleitung durch einen Be- es sicher richtig, dass es gerade im Bildungs- und Jugend- auftragten des Qualitätsinstituts: Inzwischen wird Schu- bereich durchaus keine Garantie ist, dass Anträge bis zum len, die Schwächen haben, die Probleme haben, die bei Ende behandelt werden und nicht der Diskontinuität an- den Schulinspektionsberichten schlecht abgeschnitten heimfallen, wenn man Anträge rechtzeitig einbringt. Aber haben, geholfen. Das begrüßen wir. Allerdings muss man bei diesem Antrag ist es schon etwas Besonderes. In der sich die Frage stellen, wie wir das ausbauen können. letzten Plenarsitzung lag er vor, die antragstellende Frak- tion hat ihn auf die heutige Sitzung vertagt, die Zeit damit Wenn ich mir aber den Anfang Ihres Antrags ansehe, wo also noch einmal verknappt. Wieder die antragstellende Sie sagen, dass die 25 Schulen mit den schlechtesten Fraktion hat nicht einmal beantragt, ihn in der einzigen Bewertungen durch ein echtes Qualitätspaket Unterstüt- noch zur Verfügung stehenden Ausschusssitzung zu dis- zung erhalten sollen, dann frage ich: Was sind denn die kutieren. Also haben wir es eigentlich nicht mit einem Bewertungen, was sind die Kriterien? Wollen Sie die Antrag zu tun, sondern wir haben es mit einem Flugblatt IGLU-Ergebnisse zur Grundlage nehmen? Wollen Sie die oder bestenfalls mit einer Presseerklärung zu tun. PISA-Ergebnisse nehmen? Wollen Sie die Schulinspekti- [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – onsberichte als Grundlage nehmen? Was sind Ihre Indika- Zuruf von Dr. Felicitas Tesch (SPD)] toren, mit denen Sie diese 25 Schulen festlegen? Wenn Aber neben dem Grund, dass der Kollege Steuer in sei- Sie dann einen Antrag schreiben, in dem Sie Punkt für nem Beitrag nicht über seinen Antrag geredet hat, gibt es Punkt konkrete Vorschläge machen, dann müssen Sie noch einen weiteren Grund, der dafür spricht, dass die auch formulieren, was denn Ihre Bewertungskriterien CDU-Fraktion das, was sie in dem Antrag schreibt, nicht sind. Das ist ein bisschen zu kurz gegriffen. so sehr ernst meinen kann. In diesem Antrag sind – und es [Beifall bei den Grünen] ist ja nicht der einzige CDU-Antrag, für den das gilt – Andere Ihrer Vorschläge – Frau Kollegin Tesch hat es durchaus erhebliche Mehrkosten versprochen. Das pas- gesagt – schießen über das Ziel hinaus. Sie wollen mehr siert in allen möglichen Bereichen ähnlich. In der vorletz- Bildungsbürokratie, wir wollen weniger Bildungsbürokra- ten Plenarsitzung hat dieselbe Fraktion den Antrag einge- tie. Wir wollen die Eigenverantwortung stärken, Sie wol- bracht: Schuldenbremse, klar, aber wir wollen die Ausga- len wieder eine neue zentrale Stelle, die die genannten ben noch darüber hinaus begrenzen. – Das passt nicht 25 Schulen betreut. Was das bringen soll, das weiß ich zusammen, aber es sagt sehr wohl etwas darüber aus, wie nicht. ernst es zu nehmen ist, wenn die CDU von Priorität für Bildung spricht und wenn sie jetzt im Wahlkampf mehr [Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD)] Mittel für irgendwelche Bildungsbereiche verspricht. Wie gesagt: Wir werden uns auch nach dem 18. September mit dem Thema Qualität in der Berliner Gleichwohl ist die Debatte über Qualität eine wichtige, Schule auseinandersetzen, weil die Defizite, die Probleme und die Grundlage, auf der sie erfolgt, ist zunächst das vor Ort leider zu groß sind. Auch das ist ein Ergebnis rot- Bildungspaket, das der Senator vorgelegt hat. Das ist in roter Bildungspolitik der letzten zehn, elf Jahre! Ich hoffe, vielen Punkten bemerkenswert. Es ist durchaus bemer- dass Sie tatsächlich versuchen, ohne Querelen, ohne kenswert, wenn darin auf Selbstevaluation der Schulen Hickhack zwischen Opposition und Regierung an einem gesetzt wird, weil es ein wichtiges Instrument ist, um Strang zu ziehen, damit Bildung in Berlin wieder zu ei- Qualität tatsächlich voranzubringen. Es ist bemerkens- nem Qualitätssiegel wird und wir nicht regelmäßig bei wert, wenn dort Sprachförderung verbessert werden soll,

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Steffen Zillich wenn es um Anerkennungskultur geht, wenn die Schulin- Mieke Senftleben (FDP): spektionsberichte in ihrer Wirkung gestärkt werden. Den- Frau Präsidentin! Lieber Herr Steuer! Erstens frage ich noch vermissen wir in diesem Qualitätspaket eine ganz mich ein wenig, was Ihre Rede mit dem Antrag zu tun wichtige Frage – in dem, was die CDU-Fraktion vorgelegt hatte. hat, sowieso –: die Einbindung dieses Qualitätspakets in eine Schulentwicklung und eine Vorstellung davon, was [Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD)] wir eigentlich von der Schule wollen. Die Qualitätsent- Und zweitens fühlte ich mich auf eines der Podien ver- wicklung muss ein Ziel haben, und Qualität muss einen setzt, die wir in den letzten Wochen und Tagen gemein- Maßstab haben. Letztlich muss man die Frage beantwor- sam besucht haben. ten: Was ist oder was soll eigentlich eine gute Schule? – Und diese Frage muss man beantworten, bevor man ein Ich möchte mich also auf den Antrag beziehen und klar solches Qualitätsprogramm vorlegen kann. Wir haben sagen: In der vorvorletzten Plenarrunde konnten wir aus- gesagt – in dem, wie wir Schulentwicklung ausgerichtet führlich zum Qualitätspaket des Senators Stellung bezie- haben, auch mit der Schulstrukturreform –: Eine gute hen. Heute, quasi in der letzten Sitzung der Legislaturpe- Schule ist eine solche Schule, die auf die individuelle riode, will es die CDU nun richtig machen. Man könnte Förderung der Schülerinnen und Schüler setzt. Der Maß- sagen: Endlich einmal! – Herr Steuer! Ich sage, dass das stab für eine gute Schule ist, inwieweit sie jedes Kind eine nette und recht plakative Überschrift ist, aber das war zum individuell bestmöglichen Lernerfolg führt. es dann auch schon. Schwache Schulen besser machen! Wer könnte sich dieser Forderung verschließen? Eigent- Wenn das der Maßstab ist, muss man sich bei der Mes- lich keiner, aber für diesen Antrag gilt: Gut gemeint ist sung von Qualität natürlich fragen, was geeignet ist, um noch lange nicht gut gemacht. Qualität festzustellen und Qualitätsentwicklung voranzu- treiben. Dann zeigt sich, dass dafür so etwas wie durch- [Beifall bei der FDP – schnittliche Ergebnisse von Vergleichsarbeiten oder Beifall von Dr. Fritz Felgentreu (SPD) durchschnittliche Ergebnisse von Abschlüssen nur sehr und Dr. Felicitas Tesch (SPD)] eingeschränkt anwendbar ist, sondern dann geht es zentral Kollege Steuer! Sie wollten es, glaube ich, dem Senator darum, dass wir Instrumente in die Hand bekommen, um nun mal so richtig zeigen. Ich finde es aber schade, dass die Lernentwicklung der Kinder darstellen zu können. dabei herauskommt, dass Sie wie er denken. Auch Sie Denn darum geht es, das ist der Maßstab von Qualität. suchen nach Einheitslösungen, die Sie – ganz der Bil- Wenn uns das gelänge, wäre das gleichzeitig der Punkt, dungsverwalter – administrieren wollen. Sie und der Se- wo wir die Schulen tatsächlich in ihrer Entwicklung vo- nator, Sie denken eben beide falsch. rantreiben. Das ist die zentrale Aufgabe im Bereich Quali- tätsentwicklung, die noch zu erledigen ist, und wir werden [Beifall von Christoph Meyer (FDP)] uns dafür einsetzen, dass wir das in der nächsten Wahlpe- Sie bleiben beliebig, und schlimmer noch: Sie bleiben in riode hinbekommen, damit Qualitätspakete nicht nur eine Ihren Forderungen hinter den bereits heute möglichen Aneinanderreihung von Maßnahmen sind, sondern damit Maßnahmen zurück. sie sich in eine Strategie zur Entwicklung der Schule [Beifall bei der FDP – einordnen. Dr. Felicitas Tesch (SPD): Genau!]

Ich werde jetzt nicht sagen, dass wir die einzelnen Punkte Das finde ich schizophren. Wenn wir Ihren Forderungen Ihres Antrags noch im Ausschuss diskutieren werden, zustimmen würden, würde das Rückschritt statt Fort- denn das werden wir nicht tun, und das liegt nicht an dem schritt bedeuten. Ausschuss. Aber natürlich werden wir die Frage der Qua- litätsentwicklung durchaus in das Zentrum der nächsten SSSBSS! Das heißt: Sascha Steuer sucht Berlins schlech- Wahlperiode stellen. Wir haben wichtige Strukturent- teste Schulen – frei nach dem Motto: Bei mir werden Sie scheidungen getroffen. Jetzt geht es darum, im Sinne und geholfen. im Geiste dieser Strukturentscheidung und auch der Ziele [Heiterkeit] dieser Strukturentscheidung tatsächlich die Qualität in den Schulen voranzubringen. – Danke schön! Kollege Steuer! Sie suchen die schlechtesten Schulen und greifen 25 Schulen heraus – die Schulen mit den schlech- [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] testen Bewertungen. Sie begründen aber leider überhaupt nicht, warum das nicht 30, 40 oder 50 Schulen sein könn- ten. Für meine Begriffe sind es eher mehr als weniger. Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Herr Steuer! Wie definieren Sie schlechte Schulen? Das Für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Senftle- hätten Sie uns in Ihrer heutigen Rede sagen müssen. ben das Wort. – Bitte sehr! Noch einmal: Sie denken bildungsverwaltend wie der Senator aus seiner Behörde heraus. Sie bleiben hinter den bestehenden Möglichkeiten zurück. Beispiel: Sie wollen eine erneute Inspektion der schwächsten Schulen nach drei Jahren. Möglich und – wie ich finde – absolut not-

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Mieke Senftleben wendig ist sie heute bereits nach zwei Jahren. Also hier Ich rufe auf gilt wieder: Rückschritt statt Fortschritt! lfd. Nr. 4.4:

Sie fordern – ich zitiere –: Beschlussempfehlungen Ankündigung des Austauschs der Schulleitung bei Keine Mieterhöhung bei schlechter Dämmung Nichterreichen der Zielvereinbarungen nach drei Beschlussempfehlungen BauWohn und Haupt Jahren. Drs 16/4254 Für Schulentwickler – also für die Experten – ist ein ech- Antrag der Grünen Drs 16/3643 ter Neustart nur nach einem schnellen, sofortigen Wechsel der Schulleitung sinnvoll. Ihre Forderung bedeutet auch in Verbindung mit hier Rückschritt statt Fortschritt. [Beifall bei der FDP] lfd. Nr. 23 A: Im Prinzip – das muss ich schon sagen – sind mir Ihre Dringliche Beschlussempfehlung Forderungen schleierhaft, denn nur die 25 schlechtesten Schulen profitieren von Ihren Verbesserungsvorschlägen. Wohnungsmarkt sozial gestalten (I): Das sind bei 759 Berliner Schulen ca. drei Prozent. Laut Kündigungsschutz bei Wohnungsumwandlungen Verwaltung erhalten heute ca. 20 Prozent der besuchten verlängern und erweitern Schulen Unterrichtsunterstützungsangebote. Beschlussempfehlung BauWohn Drs 16/4278 Antrag der Grünen Drs 16/3758 Und es geht noch weiter: Sie wollen nur die 25 schlech- testen Schulen von der regionalen Schulaufsicht befreien. Diese sollen dann über enge Zielvereinbarungen mit der in Verbindung mit Bildungsverwaltung geführt werden. Ich sage ganz klar: Zu kurz gedacht! Für alle Schulen wäre die Abschaffung Dringliche zweite Lesung der regionalen Schulaufsicht eine wahre Erlösung. Klare Gesetz über den Sozialen Wohnungsbau in Berlin Zielvereinbarungen mit der Bildungsverwaltung sind für (Wohnraumgesetz Berlin – WoG Bln) alle Berliner Schulen völlig ausreichend. Beschlussempfehlungen BauWohn und Haupt [Beifall bei der FDP] Drs 16/4303 Wir sind in unseren bildungspolitischen Forderungen klar, Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/4065 deutlich und konsequent. Hierzu liegt ein dringlicher Änderungsantrag der Fraktion [Sascha Steuer (CDU): So, so!] der CDU vor, Drucksache 16/4303-1.

Alle Schulen brauchen Gestaltungsfreiheit mit einem Tagesordnungspunkt 4.4 ist die Priorität der Fraktion eigenen Budget und eigener Personalverwaltung. Bündnis 90/Die Grünen unter dem Tagesordnungs- punkt 14. Herr Steuer! Abschließend stelle ich Ihnen dieselbe Frage, die ich Herrn Zöllner in der vorvorletzten Sitzung gestellt Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der habe: Wo bleibt die echte Bildungsqualitätsverbesserung Fall. durch Zielvereinbarungen mit den Schulen, die dann im Gegenzug echte Gestaltungs-, Personal- und Budgetfrei- Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Ein- heit erhalten? – Weder in Ihrem Antrag noch im Quali- zelberatung der 15 Paragrafen miteinander zu verbinden. tätspaket des Senators wird dieser Frage auch nur annä- – Hierzu höre ich keinen Widerspruch. Ich rufe also auf hernd nachgegangen. Und ich sage hier ganz klar: Nur mit die Überschrift und die Einleitung sowie die Paragrafen 1 mehr Freiheit und Eigenverantwortung der Einzelschule bis 15 der Drucksachennummer 16/4065. Für die Bera- lösen wir die Bildungsmisere in dieser Stadt. Das ist ein tung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu anderer Weg, aber er verspricht, der erfolgreichere zu fünf Minuten zur Verfügung. sein. [Beifall bei der FDP] Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Herr Abgeordnete Otto das Wort. – Bitte sehr!

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Andreas Otto (Grüne): Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zum Antrag auf Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Da- Drucksache 16/4212 wird die Überweisung an den Aus- men und Herren! Wer in Berlin etwas für die Mieterinnen schuss für Bildung, Jugend und Familie und an den und Mieter tun will, der muss sich um das Thema Zweck- Hauptausschuss vorgeschlagen. – Ich höre keinen Wider- entfremdung, um das Thema der Umwandlung von Miet- spruch. Dann verfahren wir so. in Eigentumswohnungen, um die landeseigenen Woh- nungsbaugesellschaften und um die Sozialwohnungen

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Andreas Otto kümmern. All das hat die Koalition in den letzten Jahren auch mit Ihrem Gesetz werden nicht nur die Staatskassen viel zu wenig getan. Wohnungspolitik hat im Prinzip ausgeplündert, sondern auch die Mieterinnen und Mieter überhaupt nicht stattgefunden. Das wollen wir ändern. in den Sozialwohnungen. Das ist ein Skandal. [Beifall bei den Grünen – [Beifall bei den Grünen] Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)] Es gibt Fälle wie im Fanny-Hensel-Kiez, in denen die Sie haben die energetische Sanierung nicht vorange- Leute Kostenmieten bezahlen müssen für Kosten, die es bracht. Das Klimaschutzgesetz haben Sie beerdigt. Sie gar nicht gibt, weil die Erwerber der Gebäude viel weni- haben an die Mietregelungen, an die soziale Mietenpolitik ger Geld bezahlt haben, als die darauf liegende Schulden- viel zu wenig gedacht. Denken Sie an Ihre Bundesratsini- last ausmacht. Diese Kostenmiete ändern Sie mit Ihrem tiative, die im Bundesrat beerdigt worden ist! Gesetz überhaupt nicht. Es wird weiter solche schlimmen [Uwe Doering (Linksfraktion): Wer sagt Ihnen das? Fälle geben. Es wird weiter Fälle geben, in denen Leute Woher haben Sie diese Weisheit?] ihre Wohnung verlassen müssen und in denen die vielen öffentlichen Mittel, Millionen Euro, die in diese einzelnen Wir haben hier eine Reihe von Anträgen zu diesen The- Objekte geflossen sind, verloren sind. Diese Millionen men eingebracht. Die meisten haben Sie leider abgelehnt. sind für eine soziale Wohnungsversorgung in Berlin ver- Einige sind in sehr vereinfachter, abgekürzter Form doch loren. zur Abstimmung gelangt. Einer davon ist die Initiative „Keine Mieterhöhung bei schlechter Dämmung“. Der Sie hätten ein Gesetz machen müssen, das da eingreift Regierende Bürgermeister hat Anfang dieses Jahres er- und regelt. Das ist Ihnen nicht gelungen. Deswegen wür- klärt, dass hohe Mieten in Ordnung sind. Zwei Monate den wir es für sehr viel besser halten, wenn Sie dieses später hat er erklärt, dass hohe Mieten doch nicht so in Gesetz heute zurücknehmen würden und wenn wir in Ordnung seien; deshalb sollte man bei der energetischen Ruhe und vielleicht auch gemeinsam an Lösungen arbei- Sanierung lieber weniger tun, das könnte zu teuer werden. ten würden. Das wäre der Problematik und den Mieterin- nen und Mietern in 160 000 Sozialwohnungen viel ange- Daraufhin haben wir gesagt, es muss nachgedacht werden messener als dieser Schnellschuss, den wir nur ablehnen – die landeseigenen Gesellschaften sind immer ein wenig können. unser Hauptstandbein –, und haben aufgeschrieben, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften bei den [Beifall bei den Grünen] Wohnungen, die im schlechtesten Zustand sind, auf Miet- Das Gesetz regelt weder das Thema der fiktiven Kosten. erhöhungen verzichten sollen, so lange, bis sie energe- Es regelt auch nicht die Zukunft eines Wohnungsbaus. Es tisch saniert sind. Das war unsere Idee. Damit wollten wir behandelt nur am Rande das Thema der Belegrechte. Sie Herrn Wowereit entgegenkommen, vielleicht ihn auch haben die Belegrechte für die Sozialwohnungen fast voll- prüfen. Die Koalition will das heute ablehnen. Das ist Ihre ständig aufgegeben. Die Belegrechte könnten Sie auch Wohnungspolitik. ohne Gesetz wieder einführen. Die Belegrechte könnten [Beifall bei den Grünen] wir in bestimmten Teilen der Stadt nutzen. All das wollen Sie nicht. Sie wollen mit Ihrem Gesetz einseitig auf die In der Antragsreihe „Wohnungsmarkt sozial gestalten“ Barwertablösung setzen und den Eigentümern da entge- haben wir heute das Anliegen des Kündigungsschutzes genkommen. nach Umwandlung in Eigentumswohnungen auf dem Tisch. Wir sind froh, dass wir nach fünfmaligem Vertagen im Bauausschuss jetzt wenigstens eine Beschlussempfeh- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: lung haben, wenngleich auch sie unserer Anfangsintenti- Herr Otto! Ihre Redezeit ist zu Ende. onen, die Zehn-Jahres-Frist, das, was das BGB hergibt, auszunutzen, nicht ganz entspricht. Sie haben es auf sie- Andreas Otto (Grüne): ben Jahre gekürzt. Trotzdem sagen wir, dass es ein Erfolg für die Mieterinnen und Mieter in Berlin und nicht zuletzt Das greift viel zu kurz. Das ist nicht adäquat. Wir finden, ein Erfolg von Bündnis 90/Die Grünen ist. dass wir hier ein besseres Gesetz brauchen. Abschließend möchte ich noch sagen: Wenn Sie dieses Gesetz hier [Beifall bei den Grünen] heute beschließen, ist die nächste Koalition, egal wie sie Für uns hat Wohn- und Mietenpolitik Priorität, nicht nur heißt, – heute. Wir haben uns das Wohnraumgesetz angeschaut. Das Wohnraumgesetz ist ein Wahlkampfgesetz und ein Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Spargesetz. Mit wenigen Paragrafen versuchen Sie, ein Thema zu bearbeiten und zu lösen, das schon sehr viel Herr Otto, Sie müssen bitte zum Schluss kommen! diskutiert wurde, bei dem sehr viel schief gegangen ist und bei dem sehr viel Geld, öffentliche Mittel bereits Andreas Otto (Grüne): verschwendet wurden. Ich habe ein Zitat von 1979 aus dem Wahlprogramm der Alternativen Liste gefunden. Da – in der schwierigen Lage, damit umgehen zu müssen. stand zur Politik der SPD: Die Stadt wird ärmer. Die Man wird es nicht zurücknehmen können. Man muss es Kapitalanleger plündern die Staatskassen aus. Heute und überarbeiten und novellieren. Alle Rechtsansprüche, die

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Andreas Otto in der Zwischenzeit vielleicht schon entstanden sind, einzige Möglichkeit, den sozialen Wohnungsbau vom erschweren diesen Prozess. Nehmen Sie das Gesetz zu- Kopf auf die Füße zu stellen. rück. Wir können hier heute nicht zustimmen. – Danke! [Beifall bei den Grünen] Ich möchte noch zu Ihren anderen Anträgen Stellung beziehen. Zum Antrag Mietminderung bei schlechter Dämmung: Wir werden ihn im Bauausschuss ablehnen. Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Die Intention des Antrags mag gut gemeint sein, aber gut gemeint ist nicht immer gut. Die generelle Stoßrichtung Von der SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete führt in die Irre. Erstens führt sie bei denkmalgeschützten Dr. Arndt das Wort. Gebäudebeständen zu unzumutbaren Mieterhöhungen. Wir wollen nicht wie Sie die Mieter aus diesem Bereich Dr. Michael Arndt (SPD): vertreiben. Zweitens würde der Antrag diejenigen treffen, die in der Vergangenheit schon sehr vorbildlich gewesen Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und sind. Herren! Sehr geehrter Otto! Willkommen bei den Heu- schrecken in dieser Stadt, die den Menschen Angst und Die neue Kündigungsschutzregelung ist ein neuer Weg, Furcht einflößen. Mit dem Wohnraumgesetz werden wir den wir begonnen haben. Wir haben auch hier in der Be- die Mieten vieler Sozialwohnungen binden und deren ziehung auf Rechtssicherheit geachtet. Deshalb haben wir Mieten senken. Das ist gut für die weitere Mietentwick- eine siebenjährige Frist vorgesehen. Wir haben den Kün- lung in unserer Stadt. Mit dem Wohnraumgesetz schaffen digungsschutz für viele Wohnungen in Berlin ausgewei- wir zudem die Grundlagen für eine zukünftige angepasste tet, über die bisherigen vier Bezirke hinaus. Sechs Bezirke auf Berliner Verhältnisse zugeschnittene Wohnungspoli- haben nun diese Kündigungsschutzregelung. Hinzu sind tik. Pankow und Steglitz-Zehlendorf gekommen.

Das vorliegende Wohnraumgesetz enthält sicher nicht alle Hier zeigt sich, dass die Wohnungs- und Mietpolitik der Wünsche, da gebe ich Ihnen recht. Vielleicht waren wir Grünen nicht mehr auf einem Bein stehen kann. Sie zu ehrgeizig. So gelingt es in der Tat nicht, eine vollstän- scheinen in einer anderen Stadt zu leben, Herr Otto, wenn dige Ablösung aus der Kostenmiete innerhalb eines zehn- Ihre Spitzenkandidatin fordert, den Anteil der Mietwoh- jährigen Zeitraums zu erreichen. Verfassungsrechtliche nungen im städtischen Besitz auf 15 Prozent zu erhöhen. Bedenken – das haben wir im Ausschuss auch diskutiert – Sie wollen de facto eine einprozentige Reduzierung. Sie standen dem entgegen. Der jetzige Entwurf in einer etwas werben eben noch in der Rede für eine Bundesratsinitiati- reduzierten Form ist aber trotzdem wichtig. Vor allem ist ve zum Mietrecht, die den Anteil der Mieter bei energeti- er haushaltskonform, rechtssicher, gerichtsfest und damit schen Sanierungen von elf auf neun Prozent verringert. ein wesentlicher Aspekt in der neuen Wohnreform in Dies ist identisch mit dem Antrag der Berliner rot-roten Berlin. Koalition, allerdings ohne die von uns geforderten Aussa- [Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] gen zur Abmilderung von Mieterhöhungen.

Das Wohnraumgesetz stellt alle Sozialmieterhaushalte Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Otto! Ihre durch die Verlängerung der Überlegungs- und Kündi- Partei will auch in Kreuzberg einen ganz anderen Weg in gungsfristen besser als bisher, schützt durch den Wegfall der Mietpolitik in der Stadt. Deutlicher wird dies bei dem des Kostenmietrechts bei Veräußerung von Objekten ohne amtierenden Senatsmitglied Dr. Reinhard Loske von den Anschlussförderung viele der Bestandsmietparteien vor Grünen in Bremen. Er plädiert für eine Ablehnung aller finanziellen Überforderungen, verdoppelt die Anspruchs- Bundesratsinitiativen zum Mieter- und Klimaschutz. So fristen für die Geltendmachung von Härtefallregelungen wird die Vorlage „Pflicht für Energieausweise“ abgelehnt, von fünf auf zehn Jahre und ermöglicht eine langfristige weil sie unwirksam erscheint. Die Begrenzung von Miet- Mietsicherheit, Mietsenkungsspielräume bei Bargeldablö- erhöhungen bei Modernisierung von energetischen Inves- sung. Ist das wenig? – Das ist eine Menge, Herr Otto. titionsanreizen führt zur Begrenzung der Umlagefähigkeit

bei der Sanierung von Gebäuden. Die Umstellung auf Auch der Vorwurf, es sei ein Hauruck-Gesetz, ein Wahl- gewerbliche Wärmelieferung und die damit einhergehen- kampfgesetz, trifft fehl. Seit zwei Jahren diskutieren wir de Reduzierung der Betriebskosten wird abgelehnt, weil über das Gesetz im Ausschuss für Bauen und Wohnen es die Bürgerinnen und Bürger überfordert. und in den Fraktionen. Ich musste mir in der Beziehung immer die ironischen Bemerkungen vom Vorsitzenden anhören. Es ist kein Hauruck-Gesetz. Auf der Ebene des Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Bundes gibt es ganz andere Beispiele aus dem letzten Herr Dr. Arndt! Ihre Redezeit ist beendet! Jahr. Wir benötigten ein bis zwei Jahre für die Erstellung dieses Gesetzes, für das wir früher nicht die originäre Zuständigkeit hatten. Dies findet meine Anerkennung. Ich Dr. Michael Arndt (SPD): möchte einen Dank an die Senatorin und ihre Verwaltung Die Verlängerung der Fristen zur Mieterhöhung wird aussprechen. Gleichzeitig Rechtssicherheit, Gerichtsfes- abgelehnt, weil das Land Bremen in seiner Funktion als tigkeit und Mieterfreundlichkeit zu erklären, war die Mieter betroffen wäre. Das ist Ihre Politik im Land Bre-

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Dr. Michael Arndt men, und das war auch das Resultat, wie Sie hier in Berlin tisch verringert – ein klassisches Reparaturgesetz! Und agiert haben. Mieten- und wohnungspolitische Kompe- dann, kurz vor Ende der Beratung, kurz vor einer Legisla- tenz für unsere Stadt sieht anders aus. – Vielen Dank für turperiode stricken Sie das Ganze noch einmal um, ganz Ihre Aufmerksamkeit! klar mit heißer Nadel. Das ist keine weitsichtige und [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] schon gar keine konsequente Wohnungspolitik. [Beifall bei der CDU] Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Wir haben dieses Gesetz eigentlich nur, weil wir die öf- fentlich diskutierten Fälle wie Fanny-Hensel-Kiez oder Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Arndt! Für die Kochstraße hatten. Ohne diese öffentliche Diskussion CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Brauner das wäre gar nichts passiert. Sie hätten die Mieter einfach Wort. vergessen!

[Beifall bei der CDU] Matthias Brauner (CDU): Und jetzt zitiere ich Ihnen mal aus einer ganz frischen Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Mitteilung – zur Kenntnisnahme – zum Thema Ausstieg Herren! Liebe Kollegen! Vor uns liegt ein Reparaturge- aus der Anschlussförderung. Da steht: 340 Millionen Euro setz – ein Reparaturgesetz, auf das wir seit dem Jahr 2003 haben Sie bisher für Bürgschaften bezahlt. 290 Millionen warten. Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2011. Wir Euro an Aufwendungsdarlehen sind ausgefallen. Das hätten dieses Reparaturgesetz gar nicht gebraucht, wenn macht rund 630 Millionen Euro Vermögenswerte. In dieser rot-rote Senat nicht so überhastet aus der An- derselben Mitteilung – zur Kenntnisnahme – schreiben schlussförderung ausgestiegen wäre. Sie, Sie sollten 479 Millionen Euro sparen. Ich kann zu- [Och! von der SPD] mindest dreistellig rechnen. Danach haben Sie jetzt einen Verlust von 151 Millionen Euro zu erleiden. Und das ist – Ja, in der Tat! bei dem größten Sparvorhaben schlicht und einfach ein negatives Ergebnis. Sie haben nicht gespart, Sie haben Bevor ich zu dem Gesetz komme, vielleicht ein paar Wor- Vermögen des Landes vernichtet! te zur Wohnungspolitik. Wir haben hier diverse Anträge zusammengefasst. – Insgesamt können wir feststellen, [Beifall bei der CDU – auch wenn die Zahlen unterschiedlich sind: Erstens – der Vereinzelter Beifall bei der FDP] Leerstand ist gesunken. Zweitens – wir haben deutlich Für dieses Reparaturgesetz waren uns folgende Punkte mehr Haushalte, als erwartet. Drittens – die Mieten stei- wichtig: Erstens, dass die negativen Folgen aus dem bra- gen deutlich. Viertens – noch deutlicher steigen die Be- chialen Ausstieg aus der Anschlussförderung abgemildert triebskosten, dank hoher Grundsteuern zum Beispiel. werden, zweitens, dass das aktuelle Geschäftsmodell zum Kurzum: Es besteht wohnungspolitischer Handlungsbe- Missbrauch des Kostenmietrechts eingedämmt wird und darf. In der Tat, Herr Otto hat es vorhin schon deutlich drittens, dass wir vernünftige, kooperative Verhandlungen gemacht: Was wir in den letzten Jahren gesehen haben, mit Investoren führen können, um Sozialwohnungen für war sehr wenig. Am Ende der Legislatur bekommen wir die Stadt zu erhalten. Leider ist das mit Ihrem aktuellen dann ein Gesetz vorgelegt, ein Reparaturgesetz, und dazu Wurf nicht möglich. Die Verwaltung sagt selbst: Ab- noch ein solches, das dauernd geändert wurde. Kurzum: schlüsse mit Investoren wird es kaum geben. Sie führen Sie haben die Chance verpasst, hier zu gestalten. Da hilft ein kompliziertes Recht ein, das nach dem Eigentumsbeg- es auch wenig, dass Sie sehr, sehr lange brauchen, x Ver- riff höchst fraglich ist, ob es nachher realisiert werden tagungen vonnöten sind, um nachher einen Auftrag an kann. Und gleichzeitig muss jede Wohnung einzeln nach den Senat zu geben, die Kündigungsschutzverordnung zu dem Mietspiegel eingestuft werden. Kurzum: Sie produ- verlängern. Auch das haben wir intensiv gefordert. Das zieren eine Klage nach der nächsten. Es wird keine machen Sie auf den letzten Drücker. Weitsichtige Politik Rechtssicherheit geben, wie Herr Arndt sagt, sondern Sie sieht anders aus. Und weitsichtige Politik ist wahrlich produzieren Rechtsunsicherheit. vonnöten, wenn wir derzeit bei einem Neubauvolumen von 3 000 Wohnungen angekommen sind, wo wir eigent- Deshalb haben wir einen Entwurf eingebracht, der deut- lich 6 000 Wohnungen im Jahr neu brauchten. Insofern lich stärker im bisherigen Recht bleibt, der die Möglich- muss man sagen: Hier ist der Handlungsbedarf sehr deut- keiten des Kostenmietrechts ausnutzt, der vor fiktiver lich. Hier ist er wohnungspolitisch sehr deutlich. Das ist Berechnung von Kosten schützt und gleichzeitig Rechts- eine Aufgabe, derer sich der neue Senat auf jeden Fall sicherheit für alle Beteiligten schafft. Darüber hinaus annehmen muss. ermöglicht er, dass Sie seitens des Senats vernünftige Vereinbarungen mit Investoren schließen können, um Kommen wir zurück zu dem Gesetz, das ja im Kern unse- Wohnungen im sozialen Wohnungsbereich zu halten. rer Diskussion heute steht! Vor über einem Jahr haben Sie Deshalb appellieren wir noch mal: Stimmen Sie unserem einen Gesetzentwurf vorgetragen – das war ein Referen- Gesetzentwurf zu! Ihr Gesetz führt nur in ein Rechtschaos tenentwurf –, der aber nie über dieses Stadium hinausge- und hilft keinem! – Vielen Dank! kommen ist. Dann haben Sie uns vor einigen Wochen einen neuen Entwurf vorgelegt, drastisch gekürzt, dras- [Beifall bei der CDU]

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Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Dafür hat sich Die Linke eingesetzt. Dafür haben wir Vielen Dank, Herr Abgeordneter Brauner! – Für die gekämpft. Da kommen Sie mir nicht mit dem Sumpf, den Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Matuschek das Sie gelegt haben, Herr Brauner! Wort für eine Kurzintervention. [Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Dr. Michael Arndt (SPD)] Jutta Matuschek (Linksfraktion): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Brau- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: ner! Zur Geschichte Ihrer Partei gehört die Erfindung Vielen Dank! – Herr Brauner! Möchten Sie antworten? – dieses Fördersystems, das Berlin in den letzten Jahrzehn- Dann haben Sie die Gelegenheit! Bitte sehr! ten – nur seit 1972 gerechnet – eine hohe zweistellige Milliardensumme gekostet hat. [Unruhe] [Zurufe von der CDU] Und für die nächsten fünf Jahre – nur die nächsten fünf Matthias Brauner (CDU): Jahre! – hat Berlin noch 1,5 – anderthalb! – Milliarden Sehr geehrte Frau Matuschek! Wir hatten das Thema Euro zu zahlen – für dieses Fördersystem, für das Ihre Erblasten doch schon mal. Die Erblasten, die Sie als Partei die Verantwortung trägt! staatstragende Partei geschaffen haben, die wir im Rah- [Beifall bei der Linksfraktion – men der Wiedervereinigung bezahlen mussten, gehen um Vereinzelter Beifall bei der SPD ein weites Maß über das hinaus, worüber wir im Rahmen Zuruf von Andreas Gram (CDU)] der Wohnungsbauförderung reden – um ein weites Maß! Das muss hier erst mal gesagt werden. Unter Bausenator Klemann wurde dieses Fördersystem auch noch so pervertiert, dass die Mondpreise, die man da [Beifall bei der CDU – angegeben hat, auch noch gefördert wurden. Je höher man Zurufe von der Linksfraktion] die Rechnung angelegt hat, umso teurer war die Förde- Und jetzt zum Thema Wohnungsbaupolitik! Ich bin viel- rung. leicht in der Tat einen Tick zu jung, aber die Wohnungs- [Zuruf von Andreas Gram (CDU)] bauförderpolitik, die hier im Land Berlin sicherlich spe- ziell war, war eine Wohnungspolitik, wie sie in ganz Das Ergebnis dieser Förderung ist, dass die Wohnungen Deutschland angewendet wurde, wie sie – mit unter- aus den Jahrgängen seit 1972, die jetzt im sozialen Woh- schiedlichen Vorzeichen – als Fördermodell entsprechend nungsbau sind, teilweise in vielen Bereichen, und zwar in skizziert war. Und – das muss man auch deutlich sagen –: über zwei Dritteln, weit über der Vergleichsmiete aus Sie ist in einer Zeit groß geworden, als wir in Berlin Woh- dem Vergleichsmietensystem liegen. nungsnot hatten, massive Wohnungsnot. [Unruhe] [Zurufe von der Linksfraktion] Das ist das Ergebnis Ihrer Förderpraxis! Tun Sie nicht so, Unter diesem Druck hat man dieses Förderinstrument als ob wir jetzt den Sumpf trockenlegen müssen oder es immer mehr ausgeweitet, weil nicht so viele Leute in nicht können! Sie wollen doch gar nicht wahrhaben, dass Berlin investieren wollten. Ich will es nicht verteidigen, Sie den Sumpf gelegt haben! Das sei Ihnen mal gesagt! [Uwe Doering (Linksfraktion): Nur schönreden!] [Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – aber die Umstände haben es erfordert, dass Wohnungsbau Zurufe von der CDU] durchgeführt werden musste. Und zu dem Wohnraumgesetz sage ich ganz deutlich: In [Zuruf von Joachim Esser (Grüne)] einer Situation, wo die Bausenatorin nicht in der Lage ist, Jetzt muss man zu dem Modell sagen, die Auswüchse – – den Tsunami an Mietsteigerungen als solchen zu erken- nen und eher den Eigentümern noch Geld hinterher- [Zurufe von Joachim Esser (Grüne), schmeißt, als sozialräumliche Lösungskonzepte aufzuzei- Wolfgang Brauer (Linksfraktion) und gen, in einer Situation, wo man es mit einem wohnungs- Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion)] politischen Sprecher der SPD zu tun hat, der meint, die – Herr Esser! Ich will es doch gar nicht beschönigen – SPD sei nach Hartz IV und den ganzen Bau- und auch Kostenmiete von 30 Mark ist nicht zu rechtfertigen, gar Förderskandalen die mieterfreundlichste Partei der Stadt, keine Frage, aus heutiger Sicht würden wir so etwas auch ist es nicht verwerflich, dass Die Linke dafür steht, dass nie wieder tun. Aber der zwangsweise Ausstieg, den Sie der Rettungsring für die Ertrinkenden, nämlich die Kün- durchgeführt haben, kostet das Land mehr, als es spart. digungsfrist, die Frist, in der Zwangsumzüge vollzogen Das ist auch eine Fehlentscheidung. werden müssen, von zwei auf sechs Monate ausgedehnt wird. [Beifall bei der CDU – Zuruf von Joachim Esser (Grüne)] [Zurufe von der CDU] Jetzt muss man im gleichen Atemzug sagen: Wir können nicht sagen, eine Wohnungsförderpolitik war ganz

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Matthias Brauner schlecht, wir machen das nie wieder. Wir laufen im Mo- eine soziale Richtsatzmiete rechtssicher durchsetzbar ist. ment in eine Situation hinein, wo wir deutlich weniger Das ist eine Lösung, die wir angestrebt haben und nach Neubau haben, als erforderlich ist. Damit wir nicht wieder wie vor anstreben. Sie scheint aber vor dem verfassungs- aus der Hast Wohnungsförderinstrumente aus dem Boden rechtlichen Hintergrund des Rückwirkungsverbots und stampfen, die viel zu teuer und überproportional sind, möglicher Eingriffe in die Eigentümerrechte der Vermie- müssen wir jetzt agieren. Das ist das, was wir die ganze ter nicht rechtssicher möglich zu sein. Den Beweis, dass Zeit deutlich fordern. Wir müssen vorausschauend denken es nicht so ist, haben Sie, Herr Brauner und liebe Grüne, und hier eine vernünftige Situation schaffen, damit wir bisher nicht angetreten. eben nicht unter dem Druck von Wohnungsnotstand, sondern perspektivisch agieren. Das ist das, was wir im Dann haben wir geprüft, ob in Berlin erstens, wie von Moment an der Wohnungspolitik des Senats vermissen. vielen vermutet, die realen Kostenmieten deutlich unter- Es wäre vernünftig, nach vorne zu schauen, halb der fiktiven Kostenmieten liegen und ob zweitens die [Zuruf von Joachim Esser (Grüne)] realen Kostenmieten bereits unterhalb des Mietspiegels liegen. Wenn diese Annahmen stimmen würden, dann anstatt irgendwelche Gefechte der Vergangenheit auszu- bräuchten wir nach unserer Auffassung kein Wohnraum- tragen und dabei noch zu vergessen, dass die eigenen gesetz. Dies ließe sich dann über eine Berechnungsver- Handlungsmaßstäbe gerade eben dazu führen, dass das ordnung regeln. Aber auch diese Vermutung, Herr Brau- Land Berlin über 150 Millionen Euro Vermögen ver- ner, hat sich nicht bestätigt. Sie und wir wissen nicht, schleudert bei einem Beschluss, mit dem angeblich ge- jedenfalls nicht sicher, wie die realen Mieten in ihrer spart werden soll. Höhe tatsächlich aussehen, und wir wissen nicht, ob die [Zuruf von Joachim Esser (Grüne)] realen Mieten in Größenordnungen über oder unter dem Mietspiegel liegen. Wir jedenfalls haben solche Erkennt- Das ist keine weitsichtige Politik. nisse nicht. Ich glaube, Sie haben sie auch nicht, jeden- [Beifall bei der CDU – falls nicht sicher. Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Das war der Schleuderspezialist!] Deshalb haben wir in intensiven Verhandlungen mit der SPD-Fraktion in § 4 geregelt, dass für Wohnungen, die nach der Grundförderung nicht in die Anschlussförderung Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: übernommen werden, bei Eigentümerwechsel die beste- henden Mieten, sofern sie über den Mietspiegel liegen, Vielen Dank, Herr Abgeordneter Brauner! – Jetzt hat der auf die örtliche Vergleichsmiete reduziert werden. Das ist Herr Abgeordnete Doering für die Linksfraktion das übrigens, liebe Grünen, übrigens, Herr Brauner, eine Wort. – Bitte sehr! Forderung, die aus der Anhörung kommt. Das ist eine

Forderung vom Mieterverein und von Herrn Jung, der da Uwe Doering (Linksfraktion): oben sitzt. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Wohn- [Beifall bei der Linksfraktion – raumgesetz ist kein Gesetz, das grundsätzliche Lösungen Vereinzelter Beifall bei der SPD] für die Miet- und Wohnungspolitik unserer Stadt bietet. Zusätzlich haben wir eine Härtefallregelung und deutlich Das haben wir auch nie behauptet. Es regelt einen kleinen längere Überlegens- und Kündigungsfristen in das Wohn- Ausschnitt der komplexen Mietgesetzgebung und betrifft raumgesetz aufgenommen. Außerdem ist im Gesetz gere- unter anderem Wohnungen aus dem sogenannten sozialen gelt, dass für die Wohnungen, die nach dem Wohnraum- Wohnungsbau Berlins, dessen Anschlussförderung – Herr gesetz zu Hälfte in der Sozialbindung bleiben, eine ver- Brauner! – wir 2003 bewusst gestoppt haben. Der Aus- längerte Bindungsdauer von 20 Jahren und Mietobergren- stieg aus der Anschlussförderung war wichtig, denn er zen vereinbart werden. Der Entwurf einer Verwaltungs- beendet die milliardenschwere Subvention von Vermie- verordnung sieht die Deckelung der Mieten unterhalb des tern in der Stadt. Diese milliardenschwere Subvention hat Mietspiegels vor. Jetzt kommt es: Die zuständigen Bezir- eben nicht zu sozialen Mieten geführt. Da liegt Ihre Ver- ke entscheiden, welche Wohnungen in der Eigenschaft antwortung bei der CDU. „öffentlich gefördert“ und damit in der Belegungsbindung [Beifall bei der Linksfraktion] bleiben. Dieser Ausstieg brauchte auch aufgrund fehlender Rege- lungen große Probleme, die z. B. im Fanny-Hensel-Kiez Wir haben wichtige Verbesserungen gegenüber dem Ge- zutage traten. Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer setzesentwurf erreicht. Aber für die Linksfraktion bleibt war in der Pflicht, hierfür gesetzliche Lösungen vorzu- es bei der Feststellung, dass das jetzige Wohnraumgesetz schlagen. ein nur sehr kleiner Einstieg in den Ausstieg aus dem bisherigen Fördersystem des sozialen Wohnungsbaus ist. Der Entwurf der Senatsverwaltung zum Wohnraumgesetz [Beifall bei der Linksfraktion] war allerdings für Die Linke nur unzureichend und wurde Und ja, das vorliegende Ergebnis wird von Teilen meiner unser Sicht der Problemlage im sozialen Wohnungsbau Fraktion kritisch gesehen. Wir sind uns aber einig, dass nicht gerecht. Deshalb haben wir zunächst geprüft, ob wir auch künftig die Auseinandersetzung um ein in sich

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Uwe Doering geschlossenes Konzept und in diesem Zusammenhang mann in einem Artikel für das DEGEWO-Blatt schreibt, auch um eine rechtssichere soziale Richtsatzmiete führen die Dinosaurier der Nachkriegsmoderne könne man für werden. Auch in Sachen Berechnungsverordnung und künftige Bewohner attraktiv machen durch Einführung Aufhebung des Einfrierungsgrundsatzes werden wir nicht privaten Grund-, Haus- und Wohnungseigentums. – Das locker lassen. Aus all diesen Gründen werden wir dem ist es. Das ist auch der richtige Weg. Da ist der Fakt, dass heute vorliegenden Wohnraumgesetz zustimmen. hier die Eigentümer, ob es nun Wohnungseigentümer oder [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] Investoren in der Stadt sind, in Berlin einfach im Regen stehen gelassen werden. Das ist das Problem.

[Beifall bei der FDP] Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Für die Bürgerinnen und Bürger, zu deren Lebensentwurf Vielen Dank, Herr Abgeordneter Doering! – Für die FDP- es gehört, ihr Erspartes in Wohneigentum zu stecken, zur Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete von Lüdeke das Alterssicherung, aus Bekenntnis zu ihrem Kiez z. B., in Wort. dem sie sich wohlfühlen und dem sie gegebenenfalls auch ihr Alter verbringen wollen, interessieren sich weder die Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): Grünen noch die Roten in dieser Stadt. Das sei an dieser Stelle aus diesem Anlass gesagt. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Keine Mieterhöhung bei schlechter Dämmung“, „Kündigungs- [Beifall bei der FDP] schutz bei Wohnungsumwandlungen verlängern und Genau diese Bürger aber sind es, die Berlin braucht, die erweitern“ aus der Serie „Wohnungsmarkt sozial gestal- Bürger, die arbeiten, die sparen und die sich durch ihre ten“ und dann obendrauf noch das verkorkste Wohn- Geldanlage in Berlin auch zu Berlin bekennen. Die wol- raumgesetz Berlins der rot-roten Koalition. Das alles in len wir hier in dieser Stadt haben. Die wollen wir auch einem Tagesordnungspunkt zusammengefasst, da fragt gerne halten. man sich in gewisser Weise, wo ist da die Klammer. [Beifall bei der FDP] [Dr. Michael Arndt (SPD): Untertreib bloß nicht!] Was Berlin nicht braucht, sind Ihre Anträge: keine Miet- Im Wahlkampf wird gezielt mit der Angst der Mieter ge- erhöhungen im landeseigenen Wohnungsbau bei schlech- spielt. Das haben wir heute gemerkt. Bei Herrn Otto ha- tem energetischen Zustand. Das ist reiner Populismus, ben wir es gemerkt, auch bei Herrn Dr. Arndt. Die Angst verbessert nicht die Bestände, sondern bewirkt das Ge- der Mieter vor Mietanstiegen, da sollten Sie mal bei der genteil. zweiten Miete anfangen, da haben Sie nämlich die eigent- liche Verantwortung, die Angst der Mieter vor der Kün- Kündigungsschutz bei Wohnungsumwandlung zu verlän- digung, alles irgendwie nicht so richtig ernsthaft, dass gern schürt die Ängste der Mieter, wobei Sie genau wis- man sagen könnte, das müsste uns hier große Sorgen sen, dass die Eigentümer sich in der Regel mit den Mie- bereiten. Obwohl es Wohnungsknappheit gibt bei der tern einigen. Gucken Sie doch mal hin, in wie vielen steigenden Nachfrage in wenigen Bezirken und Segmen- Fällen es tatsächlich Klagen gibt! Das ist marginal, weil ten der Stadt, spricht selbst der Verband der Berlin- Berlin eben sowieso eine katastrophal niedrige Eigentü- Brandenburgischen Wohnungsunternehmen in einer Stel- merquote hat. lungnahme von gestern eindeutig von Hysterie. Das Vor- standsmitglied Maren Kern schreibt, der Wohnungsmarkt Und zum Schluss Ihr Wohnraumgesetz. Das ist auch in Berlin ist nach wie vor entspannt. Ich sage es noch reines Wahlkampfgetöse. Sie sind dafür zuständig gewe- einmal ganz deutlich. sen, dass die Anschlussförderung gestrichen wurde. Dann [Zuruf von Joachim Esser (Grüne)] weinen Sie Krokodilstränen, Fanny-Hensel-Kiez als Bei- spiel nur: Da gehen dann die Hauseigentümer hin und Es gibt hier keine Ängste, die hier zu schüren wären. Das nehmen das, was ihnen gesetzlich zusteht, nämlich sie ist völlig unrealistisch. erhöhen die Miete – nicht mal in voller Höhe auf die [Beifall bei der FDP] Kostenmiete. Aber sie nehmen das, was sie nehmen kön- nen. Und dann ist die Aufregung groß. Und dann machen Was feststeht, und das wissen wir alle, es wird schlicht zu Sie sich Gedanken und machen ein Gesetz, das Ihnen die wenig gebaut. Das liegt einfach daran, dass die Rahmen- gesamte Fachwelt um die Ohren haut und sagt, das sei bedingungen hier in der Stadt nicht stimmen. Wenn wir nun wirklich mit der heißen Nadel genäht. Das Gesetz heute hören, dass die Grunderwerbsteuer offenbar doch können Sie also irgendwo niemandem richtig verkaufen, erhöht werden wird, werden die Rahmenbedingungen außer im Wahlkampf populistisch den Mietern. Aber dafür nicht verbessert, sondern sie werden weiter ver- insgesamt wird es nicht standhalten. Die Rechtsprofesso- schlechtert. ren des Berliner Wissenschaftsbundes haben Sie deshalb in einem Memorandum aufgefordert, von diesem Gesetz Dazu kommt ein Weiteres, dass hier allgemein – bei den abzulassen, weil es untauglich ist und weil es im Grunde Roten und den Grünen – ein gestörtes Verhältnis zum genommen nur in Ihrem Interesse ist. Ich will mal zitie- Eigentum besteht. Das sieht man hier ziemlich deutlich, ren: wenn selbst der ehemalige Senatsbaudirektor Hans Stim-

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Klaus-Peter von Lüdeke Es ist dringend erforderlich, Konzepte zu entwi- Abgeordnet Hillenberg. Die Gegenprobe! – Das sind die ckeln, die die Interessen der öffentlichen Hand, der Oppositionsfraktionen. Enthaltungen? – Das ist der Ab- Mieter, aber auch der Eigentümer bzw. Investoren geordnete Ueckert. Damit ist das Wohnraumgesetz Berlin angemessen berücksichtigen und zu einem akzep- mit den empfohlenen Änderungen so beschlossen. tablen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen führen. Jetzt kommen wir zur Priorität der Fraktion Die Linke mit Machen Sie das, dann können wir auch über ein Gesetz Tagesordnungspunkt 27 reden. Das, was Sie hier vorlegen, lehnen wir ab, auch mit lfd. Nr. 4.5: der Änderung der CDU. – Besten Dank für Ihre Aufmerk- Antrag samkeit! Schaffung eines Gedenk- und Informationsortes [Beifall bei der FDP] am Columbiadamm bei der Entwicklung des Tempelhofer Feldes berücksichtigen Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/4267 Vielen Dank, Herr Abgeordneter von Lüdeke! – Weitere Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Rede- Wortmeldungen liegen nicht vor. zeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Dr. Flierl ist bereits unterwegs. – Wir kommen zu den Abstimmungen. Zum Antrag Druck- Bitte sehr, Sie haben das Wort! sache 16/3643 – Stichwort Mieterhöhung – empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen Grüne bei Enthaltung Dr. Thomas Flierl (Linksfraktion): der CDU und der Hauptausschuss mehrheitlich gegen Grüne die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustim- Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Her- men möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ren! Auch für das Tempelhofer Feld, dem wir eine große sind die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind die Koaliti- Zukunft verheißen, wird gelten, dass Zukunft nur zu ha- onsfraktionen, der Abgeordnete Hillenberg, die FDP- ben ist, wenn man sich mit der Geschichte auseinander- Fraktion. Enthaltungen? – Das sind die CDU-Fraktion setzt. Es wird sich zeigen, dass die Auseinandersetzung und da hinten der Abgeordnete. Damit ist diese Drucksa- und die Gewinnung dieser Zukunft mit dem Tempelhofer che 16/3643 abgelehnt. Feld noch eine Reihe von verdrängten historischen Altlas- ten aufweist. In der Stadt finden seit vielen Monaten Initi- Zum Antrag Drucksache 16/3758 – Stichwort Woh- ativen zunehmend Gehör, die darauf hinweisen, dass nungsmarkt – empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich insbesondere die NS-Geschichte des Tempelhofer Feldes gegen CDU und FDP die Annahme in neuer Fassung. noch nicht ausreichend berücksichtigt ist. Es ist außeror- Wer dem Antrag im Wortlaut der Beschlussempfehlung dentlich zu begrüßen, dass die Senatskulturverwaltung ein Drucksache 16/4278 zustimmen möchte, den bitte ich um Gutachten in Auftrag gegeben hat, das die verschiedenen das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die historischen Aspekte erforscht und einen historischen Grünen und der Abgeordnete Hillenberg. Die Gegenpro- Informationspfad über das Tempelhofer Feld hin zu den be! – Das sind die CDU und die FDP. Damit ist diese Orten unterschiedlicher historischer Ereignisse vorberei- Drucksache 16/3758 abgelehnt. tet.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Zugestimmt! Ist unser Die Koalitionsfraktionen sind dennoch der Meinung, dass Antrag!] es notwendig ist, auf einen Aspekt, eben genau auf die – Entschuldigung, die Drucksache ist in neuer Fassung NS-Zeit, gesondert hinzuweisen, und schlägt deswegen angenommen. Sie sind alle sehr aufmerksam, ich bedanke vor, dass das Abgeordnetenhaus heute den Beschluss mich! fasst, einen Gedenk- und Informationsort am Columbia- damm zu entwickeln. Dieser Informations- und Gedenk- Nun stimmen wir über den Änderungsantrag der CDU ort soll sich einerseits mit dem ersten Berliner KZ, dem zum Wohnraumgesetz ab. Wer der Änderung auf Druck- früheren Columbiahaus, auseinandersetzen. Er soll wei- sache 16/4303-1 zustimmen möchte, den bitte ich um das terhin auf die weithin noch verdrängte Zwangsarbeiterge- Handzeichen. – Das ist die CDU-Fraktion. Die Gegen- schichte gerade am Areal am Columbiadamm verweisen probe! – Das sind die Koalitionsfraktionen und die FDP. und insbesondere auch die Zwangsarbeit von jüdischen Enthaltungen? – Das sind die Grünen und Herr Ueckert. Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die vor ihrer Deportation Damit ist diese Drucksache abgelehnt. dort tätig waren, nicht nur ausländische Kriegsgefangene, sondern eben auch vorher Berlinerinnen und Berliner, die Zur Gesetzesvorlage Drucksache 16/4065 empfehlen die dort zur Zwangsarbeit eingesetzt waren, und schließlich Ausschüsse mehrheitlich gegen die Oppositionsfraktionen darauf hinweisen, dass der Ort des Flughafens auch ein die Annahme mit Änderungen. Wer dem Antrag mit den Rüstungsort war und schließlich Ausgangspunkt und Änderungen der Beschlussempfehlung auf Drucksache Fliegerhorst der Naziluftwaffe. 16/4303 zustimmen möchte, den bitte ich um das Hand- zeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und der

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Dr. Thomas Flierl Wir meinen, dass diese Aspekte in den bisherigen histori- arbeiterlager für die Rüstungsproduktion und der Nutzung schen Erinnerungsstrategien der verschiedenen Parteien des Flughafenbaus als Fliegerhorst der Luftwaffe zu ge- noch nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Insbeson- denken. dere die CDU legt ja Wert darauf, dass der Tempelhofer [Vereinzelter Beifall bei der CDU] Flughafen als Ort der Freiheit entwickelt wird. Das ist auch richtig. Aber man muss in notwendiger Weise auch Berlin hat viele Ort und Spuren beider deutscher Diktatu- auf die Orte und die Tiefe der Unfreiheit an diesem Ort ren. Unsere Auffassung war es stets, an den authentischen hinweisen, wenn man diesen Standort entwickeln will. Orten ihrer zu gedenken, die Spuren sichtbar zu machen, statt abstrakte Diskussionen zu führen. Wir meinen, dass insbesondere die Auseinandersetzung mit dem Columbiahaus neue Aspekte auch der frühen NS- Aber mich wundert doch, warum gerade Die Linke und Verfolgungsgeschichte in Berlin offenbart, denn erst 1936 gerade jetzt diesen Antrag zu ihrer Priorität macht, denn wurde das Berliner Konzentrationslager in Sachsenhausen gerade Die Linke hatte schon immer ein Problem damit, errichtet. Bis dahin fanden die Verfolgungen im Colum- sich zur Existenz des Staates Israel zu bekennen, klar biahaus statt. Alle späteren Kommandanten von Kon- Position gegen Antisemitismus zu beziehen und sich von zentrations- und Vernichtungslagern in Nazideutschland Extremisten abzugrenzen. bzw. den okkupierten Gebieten wurden in Berlin ausge- [Beifall bei der CDU] bildet. Dieser Ort ist also nicht nur ein Ort der Opfer, derer zu gedenken ist, sondern auch ein Ort der Täter. Wir Wir, die CDU, werden immer wieder den Finger in diese haben also wieder die doppelte Geschichte, die gerade in Wunde legen. Berlin in besonderer Weise zu erinnern wäre. [Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zurufe von der Linksfraktion] Nach unserer Auffassung, vor allem der Auffassung der Linkspartei, ist das Modell, das die Stiftung Topographie Mal werden Boykottaktionen gegen Israel gutgeheißen, des Terrors in Verbund mit den anderen Gedenkstätten dann setzen sich Genossen der Linken für die Einstaaten- Berlin-Brandenburgs zum Beispiel mit einer Außenstelle lösung im Nahen Osten und damit für die faktische Auf- wie in Schöneweide mit der Außenstelle zur Zwangsar- lösung des Staates Israel ein. Dann tritt eine Bundestags- beit in Berlin entwickelt hat, exemplarisch, um auch einen abgeordnete der Linken auf einer Palästina-Konferenz in solchen Gedenk- und Informationsort dort zu installieren. Wuppertal vor zahlreichen Hamas-Sympathisanten auf, Wir bitten um Ihre Zustimmung und hoffen, dass dies mit einem Schal um den Hals mit der Landkarte der Regi- auch in den weiteren Planungen berücksichtigt wird. Wir on ohne Israel. hoffen, dass der Informationspfad recht bald eingerichtet wird und dann in breiter, sachkundiger Vorbereitung Oskar Lafontaine tritt fröhlich bei einem Kongress der dieser Gedenk- und Informationsort etabliert werden linken Splittergruppe marx21 auf, die in Broschüren ge- kann. Er müsste dann im Übrigen auch als Teil des Flä- gen den terroristischen Staat Israel hetzt, und der Linke- chennutzungsplans an diesem Ort ausgewiesen werden. Bundesvorsitzende Ernst, offensichtlich den Geschwin- Wir meinen allerdings, dass das jetzt vorhandene Ge- digkeitsrausch seines Porsches nicht verkraftend, pöbelt denkzeichen – der eine oder andere wird es ja kennen – gegen den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in ein Teil der Erinnerungsgeschichte ist, auch verbleiben Deutschland, Herrn Graumann. Und der ach so lustige und Eingang finden sollte in die zukünftige Erinnerung, Gregor Gysi erklärt, er kenne keine Antisemiten in seiner aber dass die Umsetzung auf die gegenüberliegende Stra- Fraktion. ßenseite nicht ausreichend sein wird, sondern es braucht [Andreas Gram (CDU): Nein, überhaupt nicht!] schon eine größere Anstrengung, um dieses Tempelhofer Wer es zumindest duldet, dass führende Mitglieder dieser Feld in allen seinen historischen Dimensionen zu entwi- Partei die Existenz des Staates Israel infrage stellen und ckeln. – Vielen Dank für Ihre Unterstützung und Ihre Boykottaufrufe gegen Juden unterstützen, gehört ins poli- Aufmerksamkeit! tische Gruselkabinett, nicht in deutsche Parlamente. [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] [Beifall bei der CDU]

Aber nicht nur beim Thema Israel erfolgt keine Abgren- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: zung zu Extremisten. Da ist die klammheimliche Freude Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Flierl! – Für die über Gewalttaten autonomer Gruppen, dargeboten in CDU-Fraktion hat Herr Braun das Wort. – Bitte sehr! Form des größtmöglichen Verständnisses bis zum Rande des Rechtsbruchs. Da sind die gemeinsamen Auftritte von prominenten Mitgliedern der Linken mit Trotzkisten, Michael Braun (CDU): Stalinisten, Kommunisten und Terroristen, mal mehr, mal Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es kurz weniger. Da sind die Aufrufe zu Demonstrationen, bei zu machen: Ja, ohne Wenn und Aber, die CDU-Fraktion denen Krawall Tradition ist. unterstützt den Antrag, am Columbiadamm einen Ge- denk- und Informationsort zu schaffen. Es ist notwendig, Die Linke kann oder will den demokratischen Grundkon- des Konzentrationslagers am Columbiahaus, der Zwangs- sens unserer Gesellschaft nicht verstehen. Zu ihm gehört

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Michael Braun die Ablehnung des Antisemitismus, das Existenzrecht des einen etwas breiteren Blick für diese Welt zuzulegen –, Staates Israel, die gewaltfreie Lösung von Konflikten. dass wir uns insbesondere auch mit all diesen Vorfällen Wer diese Grundsätze nicht teilt, den kann man im Übri- auseinandergesetzt haben, und zwar klar und deutlich, die gen auch mal aus einer Partei hinauswerfen. in den letzten Wochen und Monaten in der Presse immer [Beifall bei der CDU] mal wieder eine Rolle spielten, egal ob das Einstaatenlö- sungen, Blockadeaufforderungen oder Schals sind, auf Wenn Die Linke der Meinung war, der vorliegende An- denen der Staat Israel nicht mehr vorkommt. All diese trag könne über den latenten Antisemitismus in ihrer Dinge haben immer unsere entschiedene Ablehnung ge- Partei hinwegtäuschen, dann hat sie sich grundsätzlich funden. Bei all diesen Dingen hat unser Landesverband getäuscht. immer eine klare Position gehabt, und das wird auch [Martina Michels (Linksfraktion): Schwachsinn, zukünftig so bleiben. was Sie reden!] Es wäre schön gewesen, wenn Sie den Punkt, den Sie Aber, wie gesagt, wenn von der Koalition mal etwas eingangs betont haben, nämlich den Konsens in der Frage Richtiges kommt, wird die CDU dies unterstützen. – des Gedenkzeichens, in den Mittelpunkt gestellt hätten, Vielen Dank! anstatt Ihre platte und dümmliche Art und Weise hier in [Beifall bei der CDU – den Raum zu tragen, einfach nur die Kolleginnen und Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Gehen Sie in Kolleginnen in diesem Rund zu diskreditieren. – Vielen Ihre Zehlendorfer Mottenkiste zurück! Dank! Aber verschlucken Sie sich nicht!] [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Präsident Walter Momper: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Braun! – Für eine Kurz- Danke schön, Herr Kollege Lederer! – Herr Braun hat das intervention hat jetzt der Abgeordnete Dr. Lederer das Wort zum Replizieren. – Bitte schön, Herr Braun! Wort.

Michael Braun (CDU): Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Herr Lederer! Ich stelle zunächst fest, dass Sie nicht einen Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Her- Vorwurf, den ich erhoben habe, widerlegt haben. ren! Kollege Braun! Die Linke Berlin braucht Ihren Nachhilfeunterricht nicht. [Beifall bei der CDU – Martina Michels (Linksfraktion): Doch!] [Beifall bei der Linksfraktion] Sagen Sie mir, ob irgendein Vorwurf, der Vorfall in Nicht nur, dass sie Ihren Nachhilfeunterricht nicht Wuppertal mit Ihrer Bundestagsabgeordneten oder an- braucht. Wir haben diesen Antrag nicht eingereicht, weil derswo, nicht passiert ist und wie Sie reagiert haben! Sie wir uns von irgendetwas zu distanzieren hätten oder weil dulden nach wie vor solche Personen. Sie dulden nach wir an dieser Stelle irgendwie die Notwendigkeit hätten, wie vor solche Positionen in Ihrer Partei, und da ist es mir uns von irgendetwas abzugrenzen. Damit das auch Ihnen, völlig egal, ob der eine oder andere in Ihrer Partei mögli- der Sie offenbar nichts weiter lesen als die Zeitungen, in cherweise anderer Auffassung ist. Wer solche Leute in denen Sie sich Ihre Konstrukte zusammenreimen können, seiner Partei duldet, der muss sich dies auch zurechnen um eine Fraktion dieses Hauses und den Landesverband lassen, insbesondere dann, wenn sie führende Personen Berlin der Partei Die Linke zu beleidigen, klar wird, stelle sind. ich an dieser Stelle fest: [Beifall bei der CDU] Erstens: Die Linke Berlins hat sich nicht nur fortgesetzt Die Union hat in vergleichbaren Fällen anders gehandelt, und immer wieder zum Existenzrecht Israels bekannt, und wenn irgendwo ein Zweifel daran bestand, dass irgendje- das nicht nur durch plakatives Gerede, sondern durch mand genau diesen Grundkonsens infrage gestellt hat. praktisches Handeln. Dann haben wir uns von den entsprechenden Personen getrennt. Zweitens: Sie hat sich nicht nur immer dann, wenn in dieser Stadt antisemitische Vorfälle stattgefunden haben, [Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Machen Sie an die Seite derjenigen gestellt, die mit aller Entschieden- sich mal nicht lächerlich!] heit gegen diese antisemitischen Vorfälle aufgetreten Wir haben eine klare Abgrenzung sowohl gegen rechts als sind, und zwar nicht nur durch Gerede, sondern durch auch gegen links, und ich sage Ihnen: Auch Sie werden tätiges Handeln. sich, wenn Sie an den demokratischen Werten unserer [Beifall bei der Linksfraktion] Gesellschaft teilhaben wollen, diesem demokratischen Grundkonsens anschließen müssen, und dann müssen Sie Drittens müsste Ihnen aufgefallen sein – für den Fall, dass gegen solche Tendenzen in Ihrer Partei vorgehen. Solange Sie mal Ihre Scheuklappen ablegen und anfangen, sich

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Michael Braun Sie das nicht tun, werden Sie auch an diesen gemessen auch andere Minderheiten, die von den Nazis als entartet werden. betitelt, inhaftiert und gequält wurden. Dieses Lager war [Beifall bei der CDU] das Zentrum der homosexuellen Verfolgung in Berlin. Weiterhin konnten hier auch die späteren Kommandanten der Konzentrationslager Auschwitz, Buchenwald, Flos- Präsident Walter Momper: senbürg, Lublin, Majdanek, Ravensbrück, Riga und Sach- senhausen ausgebildet werden; sie taten mitten in Berlin, Danke schön, Herr Kollege Braun! – Für die SPD- mitten in der Stadt, ihren Dienst. Gerade vor der zivilen Fraktion hat nunmehr die Kollegin Haußdörfer das Wort. Nutzung des Flughafens Tempelhof wurde das 1936 er- – Bitte schön, Frau Haußdörfer! richtete Flughafengebäude als gigantischer Rüstungsbe- trieb genutzt. Die Tausenden von Zwangsarbeitern und Ellen Haußdörfer (SPD): Zwangsarbeiterinnen waren in diesen zwei riesigen Bara- cken untergebracht, und auch ihrer soll gedacht werden. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin ein bisschen bestürzt über diese Diskussi- [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] on, die wir jetzt erlebt haben, nicht nur, weil sie nicht dem Das jetzige Denkmal ist zwar öffentlich zugänglich, be- Antrag angemessen erscheint, sondern: Die CDU ist doch findet sich aber auf der dem historischen Areal gegenü- sonst so clever und bringt polemisierende Anträge ein. berliegenden Straßenseite. Mit der Öffnung des Tempel- Hätten Sie doch solch einen Antrag eingebracht und zu hofer Feldes entstand die Möglichkeit, dieses an den his- diesem geredet! torischen Ort zu versetzen und durch die Schaffung eines [Zuruf von Andreas Gram (CDU)] Gedenk- und Informationsortes gerade an diese histori- schen Aspekte zu erinnern, neben den historischen Infor- Ich freue mich sehr, dass die Koalitionsfraktionen diesen mationspfaden und Leitlinien, die es schon gibt. Auch die Antrag eingebracht haben, der sich mit der Betrachtung jahrelange Beschäftigung von Anwohnern und Anwohne- dieser dunklen Historie auf dem Tempelhofer Feld be- rinnen in Initiativen wie der von Frau Winzer hat eine schäftigt. Das ist eine Zeit, die zu den dunkelsten und historische Aufarbeitung lange vor diesem Antrag in schmerzhaftesten Erinnerungen Berlins gehört. Es gab – Gang gesetzt, und darauf beruht auch unser Antrag, dass im Gegensatz zu Ihren Äußerungen, Herr Braun – sehr es nämlich wissenschaftlich fundiert ist. Für das Engage- lange Diskussionen um diesen Antrag und darüber, wie ment möchte ich mich herzlich bedanken, da das nicht man die historische Aufarbeitung an diesem Ort angemes- alltäglich und selbstverständlich ist. sen angehen kann. Ich fand es, wie gesagt, sehr schade. Ihre erste Minute war recht positiv – es hätte mich ge- [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] freut, auch mal der CDU Beifall zu spenden –, aber da- Herr Gram! Als der Verfassungsschutz auf Ausschussrei- nach wurde es leider sehr unsachlich, und Die Linke se in Israel war, da waren auch Sie, da war Frau Seelig braucht sicherlich nicht meine oder unsere Verteidigung, und da war auch ich sehr betroffen über die Dinge, die wir sondern wird sich mit ihren Stimmen in ihren eigenen dort gesehen und erfahren haben. Fraktionen auseinandersetzen. Herr Lederer hat das ja für die Berliner Linke dargestellt. [Andreas Gram (CDU): War ich auch schon vorher!] – Ich war auch schon vorher in Israel und Yad Vashem, Ich glaube, dass die Erinnerung an die „Hölle von Tem- man kann auch vorher darüber betroffen sein, ich will nur pelhof“ auch zur historischen Erinnerung Tempelhofs sagen, man kann einfach nicht aufhören, sich deutlich gehört, denn im Konzentrationslager Columbiahaus waren genug gegen rechte Geschichtsverklärung oder -verharm- zwischen 1933 und 1936 mehr als 8 000 Häftlinge, vor losung zu positionieren. allem politische Gegnerinnen und Gegner des NS- Systems inhaftiert. Herr Dr. Flierl hat schon darauf hin- [Andreas Gram (CDU): Da hat sie recht!] gewiesen: ein Ort der Täter als auch der Opfer, der eine So fordere ich alle Demokraten und Demokratinnen die- besondere Bedeutung erfährt, wie es auch im Hinblick auf ses Hauses auf, sich an diesem Samstag von 13 bis die bezirklichen Außenstellen – zum Beispiel auch Schö- 16 Uhr vor dem Rathaus Treptow an der Mahnwache neweide – angebracht ist. Gerade die CDU ist, was die gegen eine NPD-Wahlkampfveranstaltung zu beteiligen. Authentizität von Orten und historischen Denkmälern Es wäre schön, wenn ich die CDU in ausreichender Stärke betrifft, sich auch nicht so ganz sicher. sehen würde. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Wir möchten mit unserem Antrag sicherstellen, dass trotz eines umfassenden Gedenkkonzeptes, an dem mehrere Senatsverwaltungen und Initiativen arbeiten, gerade diese Präsident Walter Momper: Zeit an diesem Ort besonders betrachtet wird. In der histo- rischen Aufarbeitung kommt dieser Ort nämlich eher Danke schön, Frau Kollegin Haußdörfer! – Für die Frak- minoritär vor. Aber auch an die wenig bekannten Kon- tion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr Frau Ströver zentrationslager sollte erinnert werden, da diese unmittel- das Wort. – Bitte schön, Frau Ströver! bar nach Beginn der NS-Diktatur entstanden. So wurden eben nicht nur politisch Missliebige verfolgt, sondern

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Alice Ströver (Grüne): Der Antrag kommt spät, aber er macht deutlich, dass alle Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Braun! Planungen für Tempelhof und das Gesamtgelände im Verzeihen Sie, aber ich empfinde es als geradezu körper- Zusammenhang mit diesem Ort gedacht werden sollen lich unangenehm, den Antisemitismusvorwurf so pau- und müssen. Das wird nicht gehen, ohne dass dafür in- schal in Richtung Linke zu richten, und ich empfinde es vestive und dauerhafte Mittel bereitgestellt werden müs- auch als unpassend, dies so konkret und im Zusammen- sen. Das wird die Aufgabe des nächsten Parlaments sein, hang mit dem Thema NS-Geschichte zu tun. Dazu sicher in Verbindung mit einer vorhandenen Institution braucht es ein anderes Forum als ausgerechnet die Bera- des NS-Gedenkens. Ich wünsche Ihnen alle Kraft, dass tung diese Antrags! Sie es schaffen, dafür die Mittel bereitzustellen, auf dass wir dort in nächster Zeit einen würdigen Dokumentation- [Beifall bei den Grünen, der SPD, sort für das Geschehen finden werden. der Linksfraktion und der FDP] [Beifall bei den Grünen, der SPD und Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat bereits im der Linksfraktion] Jahr 2010 erklärt, dass es sich bei der Planung um das Tempelhofer Feld auch für einen Ort der Information und des Gedenkens an das Columbiahaus einsetzen werde. Präsident Walter Momper: Dieses Ansinnen, das auf einen Förderverein zurückgeht – Danke schön, Frau Kollegin Ströver! – Es hat nun Herr das wurde von Frau Haußdörfer ja schon gesagt –, der Thiel für die FDP-Fraktion das Wort. – Bitte schön, Herr sich seit Jahren um das vergessene Konzentrationslager Thiel! Columbiahaus kümmert, wird von uns nachdrücklich geteilt. Volker Thiel (FDP): [Beifall bei den Grünen] Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Da- Es ist bereits Bestandteil des Antrags der grünen Fraktion men und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! als Teil des Gesamtkonzeptes zum Umgang mit dem Alle Vorrednerinnen und Vorredner haben etwas, was mir Tempelhofer Gelände. Deswegen will ich klar sagen, dass wahrscheinlich fehlt. Ich frage mich die ganze Zeit, was wir dem Antrag der Fraktionen von SPD und Linken Sie mit der Schaffung eines Gedenk- und Informationsor- gerne zustimmen werden. tes konkret umsetzen wollen. Niemand von Ihnen hat sich

in irgendeiner Form darauf eingelassen, was Sie sich Dem Förderverein „Tempelhofer Feld von 1933 bis 1945 darunter vorstellen. Sie sagen zum einen, Kollege Flierl, e. V.“ ist es zu verdanken, dass die Geschichte des Ortes einen historischen Infopfad fänden Sie sehr gut, und es sei am Columbiadamm lückenlos zusammengetragen wurde. unterstützenswert, dass das nun in Gang gebracht werden Zunächst wurde es als Gefängnis und Folterstätte vorwie- soll. Darin stimme ich Ihnen voll zu, das fände ich sehr gend für politische Gefangene der Gestapo genutzt. Ab hilfreich, wenn das käme. Aber dennoch haben Sie nicht 1934 wurde es der SS-geführten Inspektion der Konzent- ein Wort dazu gesagt, was für einen Informationsort Sie rationslager unterstellt und zum Konzentrationslager dort haben wollen. Sollen dort Schilder aufgestellt wer- erklärt. Ab 1937 wurde es aufgelöst, die Häftlinge wurden den? Wollen Sie ein neues Museum eröffnen? Wollen Sie in das KZ Sachsenhausen, das von den Nazis bis dahin eine Baracke aufbauen? Was wollen Sie konkret? – Diese erbaut wurde, verbracht. Politische Gefangene und beson- Antwort sind Sie alle schuldig geblieben. Sie haben ir- ders homosexuelle Inhaftierte aus Berlin saßen dort. Am gendwelche Vorstellungen, aber nichts ausgeführt. Ort des KZ entstanden anschließend Zwangsarbeiterbara- cken für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die in [Beifall bei der FDP] der Rüstungsindustrie eingesetzt wurden. Es steht in unse- rer Verantwortung, an diesen Ort des Leidens der Men- schen im NS-Regime zu erinnern. Präsident Walter Momper: Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Ströver? Wir haben es gehört, es gibt bereits eine Gedenktafel, aber die ist sicher nicht ausreichend, um die ganze Di- mension des dortigen Geschehens deutlich zu machen. Ich Volker Thiel (FDP): verstehe den Antrag der Koalition so, dass man dem Senat Ja, natürlich! ein bisschen Druck machen möchte, denn schon lange gibt es eine Arbeitsgruppe in der Senatsverwaltung für Präsident Walter Momper: Stadtentwicklung, die sich um die Ausgestaltung des authentischen Ortes bemühen soll, bisher ohne Ergebnis. Bitte schön, Frau Ströver! Wir alle haben die Pflicht, neben der positiven Geschichte des Tempelhofer Flughafens mit der alliierten Luftbrücke Alice Ströver (Grüne): auch an die schrecklichen Ereignisse zu erinnern und diese zu dokumentieren. Danke schön! – Herr Thiel! Ist Ihnen nicht bekannt, dass, wenn es einen politischen Willen gibt und die Planungs- [Beifall bei den Grünen, der SPD und vorgaben entsprechend umgesetzt worden sind, es dann der Linksfraktion]

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Alice Ströver Fachgremien braucht, die die künstlerische oder doku- gen dann sicherlich arbeiten mussten, dann ist das in mentarische Ausgestaltung eines solchen Ortes beraten einem unmittelbaren Zusammenhang. Nur die Nutzung müssen? Dafür gibt es jene Arbeitsgruppe, und ich hätte des bei Kriegsbeginn fast fertiggestellten Flughafenbaus mir gewünscht, dass wir heute etwas weiter sind und als Fliegerhorst der Luftwaffe – Entschuldigung! Bei schon Ergebnisse hätten, dann könnten wir darüber disku- Kriegsbeginn, so schlimm das ist, sind nun mal die Flug- tieren. Wichtig ist aber, dass nicht wir über die Form häfen zu Fliegerhorsten gemacht worden. Das liegt in entscheiden, sondern andere. Ist Ihnen das nicht klar? – dieser verdammten Logik von Kriegen. Das ist nicht et- Das müsste Ihnen doch eigentlich klar sein. was Außergewöhnliches. Und das ist nicht etwas, was [Beifall bei den Grünen] man speziell jetzt mit Tempelhof verbinden kann. Das ist, meine ich, falsch. Ich gehe sogar noch weiter, um das deutlich zu sagen: Das ist für mich eine selektive, ideolo- Präsident Walter Momper: gische Geschichtsschreibung, was hier gemacht wird. Dem können wir uns als Liberale nicht anschließen und Herr Thiel – bitte! werden es auch nicht tun.

[Beifall bei der FDP] Volker Thiel (FDP): Also wir brauchen keine neuen künstlichen Gedenkorte, Geschätzte Kollegin! Selbstverständlich ist es gut, dass sondern wir brauchen eine Aufarbeitung. Wir wollen die nicht wir das entscheiden, da haben Sie mich voll auf Einbeziehung der Topographie. Wir wollen die Verbin- Ihrer Seite. Ich bin aber einen Moment nachdenklich an dung mit den authentisch vorhandenen Baracken in Nie- der Frage, ob wir an dieser Stelle wirklich eine neue mu- derschöneweide, die auch von der Topographie mit be- seale Form errichten sollen. Wollen wir etwas Künstleri- treut werden. Und wir möchten, dass das in einem Ge- sches erschaffen? Welche Funktion erfüllt das 1994 – samtkonzept dargestellt wird. Wir meinen aber aus den übrigens damals mit großer Unterstützung des Stadtrats dargelegten Gründen, dass Ihr Antrag, so sehr er auch für Volksbildung Klaus Wowereit mitgetragene und ent- seriös zu behandeln ist, nicht in sich stimmig ist und dass hüllte – Mahnmal in der Straße? Soll es da stehen bleiben, er einer Überarbeitung bedurft hätte, damit er etwas aus- soll es einen zweitrangigen Platz einnehmen? Das Ge- sagekräftiger ist. Deswegen werden wir ihn ablehnen. – schlossene fehlt mir dabei. Es wurde bereits darauf hin- Ich danke Ihnen! gewiesen, man sollte mit der Stiftung Topographie des Terrors zusammenarbeiten, die nun mal die Möglichkei- [Beifall bei der FDP] ten hat, vor allem inhaltlich etwas dazu beizutragen und aufzuarbeiten. Was wir aber definitiv nicht brauchen, ist ein neuer musealer Ort, der in irgendeiner Form nachträg- Präsident Walter Momper: lich künstlich erschaffen wird. Danke schön, Herr Kollege Thiel! – Weitere Wortmel- [Beifall bei der FDP – dungen liegen nicht vor. Zum Antrag Drucksache 16/4267 Heidi Kosche (Grüne): Wer bestimmt das denn?] ist die sofortige Abstimmung beantragt worden. Wer dem Antrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich Ich will nur eines deutlich machen: Wir haben uns sehr um das Handzeichen. – Das sind CDU, SPD, Bündnis 90 ausgiebig und sehr verständnisvoll über das Gedenkstät- und die Linke. Gegenprobe! – Das ist die FDP. Ersteres tenkonzept auseinandergesetzt. Gerade darin ist ja ein war die Mehrheit. Dann ist das so beschlossen. Der frak- großer Vorteil, dass man sagt, wir wollen historische Orte tionslose Abgeordnete Ueckert hatte eine Gegenstimme, nehmen, um Begegnungen zu ermöglichen und auch korrekterweise gesagt. Damit ist der Antrag angenommen. Informationen weiterzugeben. Was wir aber nicht machen werden, und deswegen finden wir Ihren Antrag nicht so Ich rufe auf eindeutig und auch nicht unterstützenswert, wir wollen nicht einfach irgendetwas nebulöses Gedenk- und Infor- lfd. Nr. 5: mationsmäßiges beschließen. Und Sie hatten es ja schon Zweite Lesung deutlich angesagt, Herr Flierl, da wird auch der Flächen- Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin nutzungsplan verändert werden, und das heißt, es wird (Wahlrecht für Drittstaatsangehörige zu unmittelbare Auswirkungen auf die gesamte Nachnutzung Bezirksverordnetenversammlungen) von Tempelhof haben. Das wollen wir hier durch so einen Antrag nicht unterstützen. Beschlussempfehlung InnSichO Drs 16/4233 Antrag der Grünen Drs 16/3860 [Beifall bei der FDP] Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der Grünen Und eine Sache, die auch wirklich vollkommen im Zu- vor, Drucksache 16/3860-1. sammenhang und beliebig ist, und das ärgert mich schon, ist, wenn Sie auf das Konzentrationslager verweisen, auf Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Ein- diesen wirklich unvorstellbaren Ort des Schreckens und zelberatung der beiden Artikel miteinander zu verbinden, des Leidens, und wenn Sie dann auch noch darauf verwei- wozu ich keinen Widerspruch höre. Ich rufe also auf die sen, dass später bis 1945 Zwangsarbeiter, Zwangsarbeite- Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel I und II rinnen in Baracken dort unter unmenschlichen Bedingun- Drucksache 16/3860. Für die Beratung steht den Frak-

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Präsident Walter Momper tionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Heute kam die Männergruppe, die sich immer mit Kazim Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grü- Erdogan trifft, zu mir ins Abgeordnetenhaus und hat mir nen in Person von Frau Bayram. Da ist sie schon. – Frau einen Packen an Karten übergeben – ich will Ihnen das Bayram! Sie haben das Wort. auch mal zeigen, das sind unsere Karten von Bündnis 90/Die Grünen –, in denen die Menschen in verschiede- Canan Bayram (Grüne): nen Sprachen nachlesen können, was uns wichtig ist, und darstellen können, was ihnen wichtig, nämlich mitreden Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt haben zu dürfen. Diese Karten wurden mir von den Männern wir zwei Ausschussberatungen zu diesem Antrag hinter übergeben, gemeinsam mit Kazim Erdogan, und aus dem uns. In der ersten Ausschussberatung im Rechtsausschuss Gespräch möchte ich doch eines wiedergeben, was mir wurde kaum darüber debattiert. Es wurde eine Anhörung der eine Mann erklärt hat. Er lebt fast so lange wie dieses abgelehnt. Demgegenüber haben wir im Innenausschuss Abkommen, das wir heute in der Aktuellen Stunde bera- eine Beratung gehabt, wo aber nur unsere Fraktion einen ten haben, nämlich seit 45 Jahren in Berlin. Er arbeitet Anzuhörenden benannt hat, sodass Felix Hanschmann – hier. Er zahlt Steuern. Er hat hier seine Kinder und Enkel im Vorfeld hatte er eine sehr lange, umfangreiche Stel- großgezogen. Und er sagt, er kann nicht verstehen, warum lungnahme bereits schriftlich abgegeben – lange und er immer noch nicht mitwählen darf, warum er die Belan- ausführlich auf alle Argumente eingegangen ist, die in der ge in Neukölln nicht mitgestalten darf. Sie werden in den letzten Plenardebatte, in der ersten Lesung Ihrerseits folgenden Monaten reichlich Gelegenheit haben, insbe- hauptsächlich vorgetragen wurden. Und wer sich dafür sondere die Parteien, die hier die Koalitionsfraktionen interessiert und nicht dabei war, der sollte wirklich noch darstellen, den Menschen zu erklären, warum Sie in Ihre mal nachlesen, wie fundiert, wie juristisch sauber die Programme hineinnehmen, dass Sie kommunales Wahl- Darstellung des Herrn Hanschmann, des Anzuhörenden, recht für die Menschen ermöglichen wollen, aber dort, wo war und wie dünn und wie kurz und wie teilweise inhalts- die konkrete Gelegenheit da ist, nämlich heute dem An- leer die Äußerungen derjenigen waren, die meinten, sie trag, den wir gestellt haben, der juristisch gangbar ist, hätten so tolle Argumente, um diesen Antrag abzulehnen. nicht zustimmen. Das müssen Sie den Menschen erklären. [Christian Gaebler (SPD): Das sagt die Juristin!] Überlegen Sie sich noch mal, ob Sie nicht doch heute zustimmen! Dann haben Sie auch einen schöneren Som- Das kommunale Wahlrecht, das BVV-Wahlrecht für alle mer. ist ein sehr wichtiges Anliegen, für das wir auch weiterhin kämpfen und streiten werden. [Beifall bei den Grünen – Christian Gaebler (SPD): Wir stimmen [Beifall bei den Grünen] Verfassungsänderungen nicht nach Für den Fall, dass man tatsächlich unterstellt, dass Sie Urlaubsplanung ab!] Bedenken gehabt hätten, hätten Sie doch wirklich Anzu- hörende benennen können oder Ihre Bedenken dort vor- tragen können. Ich will exemplarisch wirklich mal hier Präsident Walter Momper: die Bedenken vorstellen, die der Kollege von der Links- Danke schön, Frau Kollegin Bayram! – Der Kollege fraktion hatte. Der Herr Lederer hatte hier vorgetragen, Dörstelmann hat für die SPD-Fraktion jetzt das Wort. – dass er der Ansicht ist, dass wegen der besonderen Situa- Bitte schön! tion der EU-Staatsbürger es halt nicht möglich wäre, das den Migrantinnen und Migranten außerhalb der EU zuzu- billigen. Und da hat der Herr Hanschmann – ich zitiere – Florian Dörstelmann (SPD): gesagt: Es gibt keine Stimme in der rechtswissenschaftli- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! chen Literatur, es gibt keine Gerichtsentscheidung, die Wir haben bei der ersten Lesung zu diesem Gesetzesan- Vorgaben für die Frage macht, ob man den Kreis der trag die einschlägigen Argumente zutiefst erörtert. Alle Wahlberechtigten über die Unionsbürgerinnen und Uni- sind ausgetauscht. Die Antragsteller haben ihren Antrag onsbürger hinaus noch erweitern kann. – Dennoch fühlte begründet. Und es hat sich gezeigt, dass die übrigen Frak- sich aber die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion tionen durchaus zu unterschiedlichen inhaltlichen Würdi- lediglich berufen, das zu wiederholen, was Herr Lederer gungen gekommen sind. Für die Sozialdemokratie gilt hier schon in der Plenarberatung vorgetragen hatte. nach wie vor, dass auch wir ein solches Wahlrecht für die [Gernot Klemm (Linksfraktion): Weil Angehörigen von Drittstaaten auf kommunaler Ebene wir uns abstimmen!] anstreben. Wir werden daran auch weiter festhalten, um das hier ganz klar zu sagen. Daran können Sie sehen, dass wirklich noch nicht mal eine Offenheit da war, sich dieses Themas anzunehmen [Beifall bei der SPD] und zumindest eine inhaltlich fundierte Debatte dazu zu Das gilt auch für unseren Koalitionspartner. Das gilt eben führen. Und das ist Ihre Form der Integrationsverweige- nicht, inhaltlich betrachtet, für CDU und Liberale, die das rung. ja auch zum Ausdruck gebracht haben. [Beifall bei den Grünen] Anders als die Antragsteller haben aber hinsichtlich des Weges, der zu einer solchen Änderung des Wahlrechts

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Florian Dörstelmann führen könnte, alle vier übrigen hier im Haus vertretenen schaut, dann folgt daraus nur unverändert – das ist auch in Fraktionen ganz klar gesagt: Wenn man so etwas will – da der ersten Lesung hier in der Debatte bereits erörtert wor- bestand Einigkeit –, dann muss man auch die verfassungs- den –, dass man das Grundgesetz dahin gehend ändern rechtlichen Regeln beachten, dann muss man einen ver- kann, dass ein solches Wahlrecht eingeführt wird, aber fassungsrechtlich vertretbaren Weg wählen, um dorthin nicht, dass man es jetzt mit dem Grundgesetz in der jetzi- zu gelangen. Das ist eine Grundgesetzänderung, unverän- gen Form bereits vereinbaren kann. dert, und das wird auch so bleiben. [Beifall bei der SPD – [Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)] Beifall von Dr. Sebastian Kluckert (FDP)] Das Vorgehen der Grünen offenbart an dieser Stelle ein Es ist erkennbar, dass eine Änderung von Artikel 73 VvB großes Problem, nicht ausreicht, sondern dass man hier Artikel 28 GG [Canan Bayram (Grüne): Es ist doch falsch, weiter modifizieren muss. Ich sage das gleich in Richtung was Sie sagen!] der Grünen, in Ihre Richtung, Frau Bayram: Sie haben bei der ersten Lesung fröhlich ignorant von irgendeinem nämlich wie man einem guten und wichtigen und im angeblichen Rechtspositivismus schwadroniert, als es Grunde auch richtigen Anliegen aus rein taktischen Ma- darum ging, dass hier vier Fraktionen nicht bereit waren, növern heraus schaden kann. die Einschlägigkeit und Beachtlichkeit des Grundgesetzes [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] in diesem Bereich zu ignorieren. Jetzt kommen Sie damit, dass in der Anhörung im Innenausschuss, der von Ihnen Ich muss Ihnen ganz offen sagen: Gehen Sie mit uns den zitierte Herr Dr. Hanschmann mit seinem Sachverständi- Weg, den dieser Senat bereits 2007 einmal beschritten genbeitrag zu dem Schluss gekommen sei, es sei im hat, nämlich den Weg einer Bundesratsinitiative zur Än- Grunde mit dem Grundgesetz, so wie wir es jetzt haben, derung des Grundgesetzes! Dann werden Sie auf Dauer vereinbar und einzuführen. Da muss ich Ihnen sagen: mit uns Erfolg haben, davon bin ich überzeugt, und Sie Lesen Sie das Wortprotokoll wirklich noch einmal ganz werden den Verdacht los, dass Sie hier aus blankem Op- genau! Die Notwendigkeit scheint mir gegeben zu sein. portunismus handeln. – Ich danke Ihnen für Ihre Auf- Herr Dr. Hanschmann hat sich im Wesentlichen auf drei merksamkeit! Punkte bezogen: Wahlvolk nicht gleich Staatsvolk. Das [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – ist hier schon erörtert worden. Das steht außer Frage. Beifall von Henner Schmidt (FDP)] Natürlich ist das so. Das Wahlvolk ist durch die bisheri- gen Entscheidungen und die Änderungen des Grundgeset- zes nicht mehr gleich das Staatsvolk. Präsident Walter Momper:

Danke schön, Herr Kollege Dörstelmann! – Für die CDU- Präsident Walter Momper: Fraktion hat nunmehr der Kollege Wansner das Wort. – Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Ab- Bitte schön, Herr Wansner! geordneten Bayram? Kurt Wansner (CDU): Florian Dörstelmann (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie hat ja gerade erst geredet! Sehr geehrte Frau Bayram! Ihr Antrag zur Änderung der Verfassung von Berlin – Wahlrecht für Drittstaatsangehö- rige zu Bezirksverordnetenversammlungen – ist, seien Sie Präsident Walter Momper: mir nicht böse, kurz vor der Landtagswahl in dieser Stadt, Dann fahren Sie fort! hier in diesem Parlament, für mich Wahlkampf pur auf Kosten der Menschen, die das BVV-Wahlrecht nicht [Zuruf von Christian Gaebler (SPD)] haben. Wenn Sie ein bisschen mehr Kontakt zu den Men- schen hätten, Frau Bayram, Florian Dörstelmann (SPD): [Zuruf von Canan Bayram (Grüne)] Das Zweite: Das Bundesverfassungsgericht könnte sich in würden Sie wissen, dass das nicht ihr Thema ist. Das der Besetzung verändern und seine Meinung revidieren. Thema diese Menschen sind die Arbeitslosigkeit, die Gut, darüber kann man sich Gedanken machen, aber eine Zukunftsängste ihrer Kinder und das gleichberechtigte Garantie ist das nicht. Nebeneinander in dieser Stadt. [Beifall bei der CDU] Das Dritte war im Wesentlichen eine Ausführung zu transnationalen Rechten, die zunähmen und eine solche Die Anhörung, die wir dazu am 23. Mai im Innenaus- Wahlrechtsbeteiligung von Drittstaatlern ermöglichen schuss durchgeführt haben, liebe Frau Bayram, hat doch würden. Wenn man diese Argumente alle nimmt, wenn eindeutig gezeigt, dass dieser Antrag, den Sie hier heute man sie sich auch im Wortprotokoll noch einmal an- gestellt haben, gegen das Grundgesetz verstößt. Das be-

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Kurt Wansner deutet doch, dass wir zu einem kommunalen Wahlrecht [Özcan Mutlu (Grüne): Deshalb beschweren für Ausländer, die nicht Bürger der EU sind, nur dann sie sich auch immer wieder!] kommen können, wenn es eine Grundgesetzänderung Das ist der wichtigste Punkt, den wir insgesamt haben. gibt. Liebe Frau Bayram! Das ist doch eigentlich ganz Und dazu gehört auch, die eingebürgerten Zuwanderer einfach, und ich verstehe manches Mal nicht, weshalb Sie sowie die deutsche Innenpolitik einer politischen Ein- diese Diskussion hier so führen. flussnahme durch die Regierung der Herkunftsländer zu [Beifall bei der CDU] entziehen, beispielsweise wie es einige Länder zwischen- Das Grundgesetz über die Berliner Verfassung verändern zeitlich machen. Deshalb ist der Ansatz der CDU der zu wollen, ist rechtlich nicht möglich. Es ergibt sich doch richtige. Wir fordern die Menschen, die seit Jahrzehnten eindeutig aus der Berliner Verfassung, dass Landesrecht in diesem Land leben, auf, die deutsche Staatsbürger- bundestreu sein muss. Sicherlich ist Ihnen das auch klar. schaft anzunehmen, mit all ihren Problemen, Wenn Sie dieses so wollen, dann müssen wir, das ist [Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)] schon von dem sozialdemokratischen Vertreter so gesagt lieber Herr Mutlu, aber auch mit all Ihren Vorteilen. worden, im Bundestag und im Bundesrat eine Verfas- Glauben Sie mir, Herr Mutlu, warum haben Sie eigentlich sungsänderung einbringen. Aber dafür benötigen Sie eine Ihren Wahlkreis in Friedrichshain-Kreuzberg verloren? Zweidrittelmehrheit. Liebe Frau Bayram! Diese werden Sie nicht bekommen, weil wir dieses Gesetz so nicht [Mario Czaja (CDU): Weil er wünschen. ein Immobilienhai ist!] Deshalb, weil Sie nämlich im Nachhinein die Interessen Im Übrigen habe ich damit auch meine Probleme, weil der Menschen in diesem Bezirk möglicherweise aus den wir, wie wir wissen, einen Einfluss der derzeitigen türki- Augen verloren haben schen Regierung durch solch eine Verfassungsänderung ermöglichen könnten. [Mario Czaja (CDU): Mutlu Messer!] [Zuruf von Heidi Kosche (Grüne)] und weil Sie möglicherweise nicht mehr die Interessen der Bevölkerungsschichten vertreten. Frau Bayram! Wenn Sie noch niemals aufgearbeitet ha- ben, welche Reden Erdogan in Köln und in Duisburg [Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)] gehalten hat, dann sollten Sie sich das überlegen. Glauben Sie mir, wenn man sich vor Ort, liebe Frau Bay- ram, mit Menschen mit Migrationshintergrund unterhält, In Ihrem Antrag steht, wer in Deutschland Steuern be- die dieses Wahlrecht nicht haben, stellt man fest: Sie zahlt, der muss auch wählen können. Das ist falsch. Steu- haben zwischenzeitlich die gleichen Probleme wie die ern werden dafür bezahlt, um Schulen, Kitas, Kranken- Menschen hier in dieser Stadt, die Deutschen insgesamt, häuser, öffentliche Verkehrsmittel und Straßen zu finan- die haben Probleme mit dem System hier in Berlin, aber zieren und einkommensschwache Bevölkerungsschichten sie wollen sicher nicht eines, sie wollen nicht, wie Sie es zu unterstützen. Diese Möglichkeiten und diese Hilfen in Ihrer Rede getan haben, diese Gesellschaft spalten. – haben alle in Deutschland lebenden Menschen, im Übri- Vielen Dank! gen auch Bürger, die in Deutschland Wahlrecht haben und die keine Steuern zahlen, Frau Bayram. Alle in die- [Beifall bei der CDU] sem Lande werden in dieser Richtung gleich behandelt.

Präsident Walter Momper: Wenn wir ehrlich sind, was bleibt von Ihrem Antrag üb- rig? – Zum Schluss nichts, denn Wahlrecht ist Staatsbür- Danke schön, Herr Kollege Wansner! – Zur Kurzinterven- gerrecht. Der Erwerb des Wahlrechts und die damit ver- tion hat die Kollegin Bayram das Wort. – Bitte schön, bundene politische Mitbestimmung müssen Anreiz für die Frau Bayram! Integrationsanstrengung der Zuwanderer bleiben. Diese [Mario Czaja (CDU): Warum macht das müssen wir einfordern. nicht Immobilien-Mutlu? – [Özcan Mutlu (Grüne): Einbürgerung!] Christian Gaebler (SPD): Eine Selbstdarstellerin!] Unser Ziel ist eine kulturell vielfältige Gesellschaft voll- berechtigter Bürger, deren einendes Band die deutsche Canan Bayram (Grüne): Staatsbürgerschaft und das Bekenntnis zur freiheitlich- demokratischen Grundordnung ist. Weil hier der Eindruck entsteht, nicht alle Innenaus- schussmitglieder haben auch wirklich zugehört, können [Beifall bei der CDU] Protokolle lesen und wissen, worum es geht, Herr Mutlu! Was meine Partei von Ihrer möglicherweise [Andreas Gram (CDU): Aber die Juristen ein wenig unterscheidet, ist die Aufgabe, alle Bevölke- können zuhören!] rungsschichten in dieser Stadt zusammenzuführen, liebe Frau Bayram, und sie nicht gegeneinander auszuspielen. will ich ein paar Passagen vorlesen. – Herr Gram! Sie waren doch dabei. Ich lese es Ihnen noch mal vor, dann können Sie sich noch mal erinnern.

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Canan Bayram [Andreas Gram (CDU): Das ist hanebüchen!] Präsident Walter Momper: Ich zitiere Herrn Hanschmann: Danke schön, Frau Kollegin Bayram! – Herr Wansner zur Ich möchte in aller Kürze versuchen, diese Beden- Replik – bitte schön! ken zu zerstreuen. Ich möchte versuchen, Ihnen darzulegen, warum dem Vorschlag der Fraktion Kurt Wansner (CDU): Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung der Berliner Sehr geehrte Frau Bayram! Ich bin gleichzeitig Kreisvor- Verfassung nicht nur keine rechtlichen Bedenken sitzender einer Partei in Friedrichshain-Kreuzberg, entgegenstehen, sondern die nationalen, europäi- schen und internationalen Rechtsentwicklungen in [Özcan Mutlu (Grüne): Deshalb verlieren Sie den letzten 21 Jahren, also seit den beiden Ent- die Wahlen in Kreuzberg!] scheidungen des Bundesverfassungsgerichtes im und ich gebe Ihnen mit auf den Weg: 50 Prozent meiner Jahr 1990, der Einführung des kommunalen Wahl- Mitglieder haben inzwischen Migrationshintergrund. rechts für Drittstaatsangehörige entgegenkommen. [Zuruf von Canan Bayram (Grüne)] Das hat er gesagt, und er hat auch dargestellt, dass es in dieser Form, wie wir es hier vorgeschlagen haben, mög- Liebe Frau Kollegin! Es sind immerhin 300 Mitglieder. lich ist. Möglicherweise unterschätzen Sie Ihre Wichtigkeit vor Ort. Von diesen 50 Prozent gibt es den Wunsch, genau so Eine weitere Stelle, die ich Ihnen gerne vorlesen will: behandelt zu werden und die gesamte Diskussion so zu führen wie die einheimische Bevölkerung. Entscheidende Faktoren für die Chancen einer po- sitiven Neubewertung des kommunalen Wahl- Ihre Diskussion über Grundgesetzänderung – ja oder nein: rechts für Drittstaatsangehörige in Karlsruhe Ich hatte eigentlich immer großen Respekt vor Juristen. – sprich: Bundesverfassungsgericht – Das ist bei mir angeboren. Nachdem ich aber in diesem Parlament bin und einige Juristen erlebt habe, da sage ich: ist demnach nicht allein der bloße Zeitablauf seit Die hätten lieber noch ein Semester dranhängen oder 1990, sondern es sind Veränderungen der Gesell- mehr Respekt vor dem Grundgesetz insgesamt haben schaft, Entwicklungen im internationalen, europäi- sollen. schen und nationalen Verfassungsrecht, eine per-

sonell veränderte Zusammensetzung des Bundes- Frau Bayram! Sie haben natürlich Ihren genannten Möch- verfassungsgerichts sowie die in der Vergangen- tegern-Referenten gehabt. Aber Sie haben möglicherweise heit mehrfach zu beobachtende Tatsache, dass das nicht gehört, was der Staatssekretär ausgeführt hat. Sie Gericht in Karlsruhe seine eigene Rechtsprechung haben sich auch möglicherweise nicht im Bundestag aus- zu ändern in der Lage ist und das auch tut. führlich mit Ihren Kollegen unterhalten, bei denen es auch Diesen Umstand können Sie doch nicht leugnen! in Ihrer Partei, den Grünen, Widerstände gegen das gibt, was Sie hier formulieren. Was Sie hier alle schuldig geblieben sind zu beantworten, ist: Warum haben Sie denn nicht eigene Sachverständige Frau Bayram! Sie machen es sich einfach, zu einfach! Sie benannt? wollen – wie Sie es angekündigt haben – mit dem, was [Zurufe von der CDU und der SPD] Sie vorgetragen haben, Wahlkampf vor Ort machen. Die- sen Wahlkampf vor Ort, den Sie so führen werden, den Warum sind Sie denn nicht in eine inhaltliche Debatte werden wir Ihnen verderben, glauben Sie mir! Wir wer- gegangen? den uns nicht mit dem beschäftigen, was Sie als persönli- che Wichtigkeit ansehen. Wir werden uns damit beschäf- Kollegen von der SPD! Wenn Sie dann auch noch die tigen, welche Probleme die Menschen vor Ort haben. Wir CDU und die FDP, die explizit gegen ein kommunales werden zuhören, und wir werden versuchen, mit ihnen Wahlrecht sind, als Unterstützer Ihres Anliegens anfüh- gemeinsam die Lösungen zu finden, die Rot-Rot in ihren ren, dann demaskieren Sie sich selber. zehn Jahren im Bereich Integration nicht geschaffen hat. [Unruhe] Ich bin schon traurig, dass es nicht gelungen ist, die Integ- ration in den letzten zehn Jahren nach vorne zu bringen. Das ist ja wohl ganz offensichtlich. Die Menschen, die Stadt insgesamt hätten es von Ihnen erwartet. – Vielen Dank! Dann will ich kurz noch anführen: Herr Wansner! Es ehrt Sie ja, dass Sie durch Kreuzberg gehen, aber vielleicht [Beifall bei der CDU] verstehen Sie nicht alles, was da gesagt wird. Genauer hinhören hilft manchmal! Präsident Walter Momper: [Beifall bei den Grünen] Herr Mutlu wünscht eine Kurzintervention. Es sind, glau- be ich, nach der Geschäftsordnung zwei zulässig. [Unruhe]

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Präsident Walter Momper Bitte schön, Herr Mutlu! insgesamt. Und das ist von Ihrer Partei auch so quittiert [Andreas Gram (CDU): Wir schreiben jetzt worden. Ich weiß, dass es Ihnen persönlich wehtut, aber Rechtsgeschichte!] möglicherweise ist eine Wiederkehr in Friedrichshain- Kreuzberg in fünf Jahren möglich. Ich wünsche Ihnen dabei alles Gute! Özcan Mutlu (Grüne): [Beifall bei der CDU] Wenn Herr Wansner so sehr damit prahlt, wie toll Sie in Kreuzberg aufgestellt sind und was für eine tolle Integra- tionsarbeit Sie in Kreuzberg machen, muss ich auch was Präsident Walter Momper: dazu sagen, vor allem, weil er mich auch persönlich ange- Danke schön! – Jetzt hat für die Linksfraktion der Kollege sprochen hat. Dr. Lederer das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Lederer! [Andreas Gram (CDU): Einer fragt, Mutlu antwortet! – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Unruhe] Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Wansner hat hier ausgeführt, dass Mutlu den Ich kam mir zwischenzeitlich vor wie am Infostand und Wahlkreis verloren hätte, weil – Punkt, Punkt, Punkt. Um habe mir die Frage gestellt, ob es überhaupt noch sinnvoll keine Geschichtsklitterung im Raum stehen zu lassen, ist, einen Redebeitrag zum eigentlichen Thema zu halten, möchte ich sagen: Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege denn das scheint keinen mehr wirklich zu interessieren, Wansner, habe ich zweimal meinen Wahlkreis gewonnen einschließlich der einreichenden Fraktion. und der Kollege von der SPD auch. Das müssen Sie erst [Beifall bei der Linksfraktion] mal nachmachen. Liebe Frau Bayram! Ich hätte die Bitte: Wenn Sie mich [Beifall bei den Grünen] schon zitieren, dann zitieren Sie mich bitte richtig. Herr Kollege Wansner! Ich weiß nicht, – – [Benedikt Lux (Grüne): Hat sie doch!]

Zitieren Sie das, was ich gesagt habe, und nicht das, was Präsident Walter Momper: Sie davon verstanden haben. Das muss nämlich nicht Herr Kollege Mutlu! Es ist zulässig, eine Kurzinterventi- dasselbe sein. on auf den ursprünglichen Redebeitrag zu machen. Das [Beifall bei der Linksfraktion – heißt, eine Kurzintervention auf den Beitrag von Herrn Vereinzelter Beifall bei der SPD] Wansner ist nicht zulässig. Bitte beziehen Sie sich auf das, was vorher gesagt worden ist. Der zweite Punkt, den ich Ihnen gern mitgeben möchte: Sie können sich nicht einerseits hinstellen und sich dar- über aufregen, dass alle vier Fraktionen dieses Hauses Özcan Mutlu (Grüne): sich gegen diesen Antrag aussprechen, wenn Sie vorher Herr Kollege Wansner ist bei seiner Kurzintervention hier den Antrag eingereicht haben in Ihrer krampfhaften Suche vorne gewesen und hat erzählt, – – nach Alleinstellungsmerkmalen, der gar nichts anderes [Unruhe – ermöglicht – weil Sie eine verfassungsrechtliche Frage zu Zuruf von Christian Gaebler (SPD)] einer politischen machen und es sich dabei relativ leicht machen. – Regen Sie sich ab! Die Botschaft ist angekommen! [Benedikt Lux (Grüne): Was meinen Sie damit?] Ich kann es Ihnen erklären, Herr Kollege Lux, damit auch Präsident Walter Momper: Sie es verstehen! Wird von Herrn Wansner noch die Intervention darauf gewünscht? – Bitte schön, Herr Wansner! [Benedikt Lux (Grüne): Sie wollen doch zum Thema reden!] Kurt Wansner (CDU): Hören Sie doch einfach mal zu!

Herr Mutlu! Ich muss Ihnen leider den Spaß ein wenig Es ist Folgendes: Ich hätte mich zum Beispiel gern mit verderben: Ich habe in Friedrichshain-Kreuzberg auch Herrn Wansners Position zum Drittstaatenwahlrecht aus- zweimal meinen Wahlkreis gewonnen. einandergesetzt, über die BVV. Das hätte ich gern ge- [Beifall bei der CDU] macht. Deshalb ist das sicher nicht das so große Problem, was [Benedikt Lux (Grüne): Machen Sie es doch!] Sie insgesamt haben. Ich muss mich stattdessen mit Ihrem Antrag und den verfassungsrechtlichen Hintergründen auseinandersetzen Aber noch mal, Herr Mutlu: Ihr Problem ist, dass Sie den und muss an dieser Stelle feststellen, dass hier zwei Frak- Kontakt zu den Menschen, die dort vor Ort leben, in den tionen, die mit Ihnen das Anliegen teilen, einem Antrag letzten Jahren verloren haben. Das ist sicher Ihr Problem nicht zustimmen können, der auf das Anliegen scheinbar

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Dr. Klaus Lederer ausgerichtet ist, es aber eigentlich konterkariert. Das ist Herr Kollege Dr. Hanschmann hat am Ende der Anhörung das, wofür Sie hier verantwortlich sind. Das ist das, was gesagt – Zitat! Frau Bayram! Lesen Sie sich das Wortpro- Sie hier zuwege gebracht haben. Damit haben Sie die tokoll noch einmal in Gänze durch! –: Debatte, über die Sie sich beklagen, erst möglich ge- Was ich referiert habe, basiert auf dem Prinzip macht. Hoffnung oder einer antizipierten Regelung. [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Das hat Kollege Hanschmann am Ende der Anhörung Benedikt Lux (Grüne): Das verstehe, wer will!] gesagt: Auf dem Prinzip Hoffnung oder einer antizipier- Ich will noch mal zur ersten Lesung zurückkommen. Frau ten Regelung! Bayram hat schon damals etwas getan, was ich persönlich [Ülker Radziwill (SPD): Aha!] ausgesprochen unappetitlich finde, sie hat nämlich im Kern erklärt: Wer unserem Antrag nicht zustimmt, der Das Prinzip Hoffnung soll uns also motivieren, hier einer teilt das Anliegen überhaupt nicht, der gibt nur Lippenbe- Regelung zuzustimmen, die im Falle einer Nichtigerklä- kenntnisse ab, der will sogar recht eigentlich das Gegen- rung ganze Wahlen ungültig macht. teil dessen, nämlich den Berlinerinnen und Berlinern ohne [Ülker Radziwill (SPD): Hört, hört!] EU-Pass das Kommunalwahlrecht vorenthalten. – Das finde ich eine bodenlose Unverschämtheit, und ich finde Es soll uns motivieren, die mit einer solchen Nichtigerklä- es ausgesprochen unappetitlich, Frau Bayram, was Sie rung wohl verbundenen schweren Rückschläge für das hier schon in der ersten Lesung gemacht haben. eigentliche Anliegen einfach in Kauf zu nehmen, damit Sie hier einen kleinen Wahlkampferfolg feiern können. [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Frau Bayram! Sicherlich lässt sich Recht ändern, aber das Canan Bayram (Grüne) meldet sich ist keine Frage des politischen Mutes, sondern der ent- zu einer Zwischenfrage.] sprechenden gesellschaftlichen und politischen Mehrhei- ten, und denen haben Sie hiermit einen Bärendienst er- wiesen. Dass weder zur Kenntnis noch ernst zu nehmen, Präsident Walter Momper: ist gnadenloser Populismus, aber nachdem sich die Grü- Herr Kollege Lederer! Gestatten Sie eine Zwischenfrage? nen mit ihrem Wahlprogramm und ihrer Haltung zum Integrationsgesetz dermaßen desavouiert haben, haben sie Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): das wohl nötig und muss das wohl sein. Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. Frau Bayram [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] kann dann gern eine Kurzintervention machen. Darin hat Ich möchte noch etwas zitieren. Frau Bayram und Herr sie ja Übung. Lux! Vielleicht hören Sie mal zu. Ich zitiere: [Zurufe von der SPD: Nein! Pfui!] Stärker einbinden wollen wir auch die ausländi- schen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Sie sind Teil unserer Gesellschaft, und sie sollen mitentschei- Präsident Walter Momper: den, was vor Ort geschieht. Wir werden uns daher Dann fahren Sie bitte fort! auf Bundesebene dafür stark machen, dass auch Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger das aktive und passive Kommunalwahlrecht erhalten. Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Wissen Sie, woher ich das habe? – Aus der Koalitionsver- Im Ausschuss hat sie das in gewisser Weise fortgesetzt einbarung zwischen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD und noch einmal zugelegt. Sie hat die Tragfähigkeit ihres in Baden-Württemberg für die Legislaturperiode 2011 bis Antrags nicht mehr als Rechtsfrage gesehen, sondern zu 2016. einer Frage des politischen Muts erklärt und gemeint, wer dem Antrag nicht zustimmt, sei feige und würde sich – [Beifall bei der Linksfraktion] ich zitiere – hinter den Vorschriften des Grundgesetzes Nach Ihrer Lesart ist Herr Kretschmann ein windelwei- verstecken. cher Feigling, und Renate kann alles und das besser. Kü- [Zuruf von der SPD: So was aber auch!] nast ist offenbar die große Heldin. – Liebe Grüne! Jede und jeder macht sich so unmöglich, wie es geht. Das Dass diese Argumentation einigermaßen krude ist, scheint haben Sie heute getan, und die Forderung nach namentli- den Grünen inzwischen auch aufgegangen zu sein. Jeden- cher Abstimmung schlägt dem Fass den Boden aus. falls argumentieren sie jetzt damit, dass sämtliche verfas- sungsrechtlichen Bedenken ausgeräumt seien. Frau Bay- [Zuruf von Thomas Birk (Grüne)] ram hat das eben noch einmal wiederholt und die Anhö- Wie gesagt, ich glaube, Sie haben sich hier eine Peinlich- rung im Ausschuss auf eine ziemlich schlichte Aussage keit erlaubt, und das wird niemand in dieser Stadt goutie- reduziert: Ich habe das komplexer wahrgenommen, aber ren. Sie haben darüber hinaus noch dafür gesorgt, dass dieser Herausforderung muss sich ja nicht zwingend jeder drei Fraktionen, die sich im Anliegen eigentlich einig oder jede stellen. sind, hier gespalten sind und Sie ein vermeintliches Al- [Heiterkeit]

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Dr. Klaus Lederer leinstellungsmerkmal im Wahlkampf vor sich hertragen Deswegen ist es uns wichtig, hier zusammen mit allen können. Peinlich, liebe Grüne, peinlich! anderen Fraktionen – außer den Grünen – ein gemeinsa- [Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und mes Zeichen für Achtung und Respekt vor dem Grundge- der FDP] setz zu setzen. – Vielen Dank! [Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD] Präsident Walter Momper:

Für die FDP-Fraktion hat nunmehr Kollege Dr. Kluckert das Wort. – Bitte schön! Präsident Walter Momper: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. – Zunächst Dr. Sebastian Kluckert (FDP): lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen abstimmen. Wer der Änderung auf Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die recht- Drucksache 16/3860-1 zustimmen möchte, den bitte ich liche und inhaltliche Positionierung meiner Fraktion zu um das Handzeichen. – Dafür stimmt Bündnis 90/Die diesem Antrag verweise ich insbesondere auf das Plenar- Grünen. Die Gegenprobe! – protokoll der 78. Sitzung vom 3. März 2011. Lassen Sie mich hier nur einige ergänzende Anmerkungen machen! [Christian Gaebler (SPD) und Björn Jotzo (FDP): Dieser Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen ist Der Änderungsantrag?] verfassungswidrig, und wenn Frau Bayram sagt, es gebe – Entschuldigung! Falls das nicht klar sein sollte. Es geht hierzu keine Gerichtsentscheidung, so muss ich darauf um den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die hinweisen, dass es bereits zwei Entscheidungen des Bun- Grünen zum Hauptantrag, also dem auf Drucksache desverfassungsgerichts zur Einführung eines kommunalen 16/3860. Der Änderungsantrag ist Drucksache 16/3860-1. Ausländerwahlrechts gibt, nämlich einmal bezüglich – Bündnis 90/Die Grünen hat also dafür gestimmt. Wer Schleswig-Holstein und einmal bezüglich Hamburg, die stimmt dagegen? – Die Gegenstimmen waren die Mehr- diese Rechtslage eindeutig bestätigt haben. Frau Bayram! heit. Das waren alle Fraktionen außer Bündnis 90/Die Insofern können Sie auch in der amtlichen Sammlung Grünen und FDP. Enthaltungen? – Bei Enthaltung der gern nachlesen, dass das, was Sie hier beantragt haben, FDP ist der Änderungsantrag abgelehnt. verfassungswidrig ist. [Beifall bei der FDP und der CDU] Zum Antrag auf Drucksache 16/3860 empfiehlt der Aus- schuss mehrheitlich – gegen Grüne – die Ablehnung. Eine Die FDP stimmt verfassungswidrigen Gesetzen nicht zu. Änderung der Verfassung von Berlin bedarf einer Zwei- Die FDP steht zum Grundgesetz, insbesondere zu Arti- drittelmehrheit der gewählten Mitglieder des Hauses. kel 31. Hierzu ist die namentliche Abstimmung beantragt wor- [Michael Schäfer (Grüne): Seit wann?] den. Ich bitte den Saaldienst, die dafür vorgesehenen Tische aufzustellen, und ich bitte die Beisitzerinnen und Wir stehen zum Bundesstaat, wir stehen zur Bundestreue. Beisitzer nach vorn. Eine namentliche Abstimmung ist [Benedikt Lux (Grüne): mit Namensaufruf durchzuführen. Das hatten wir heute Und zur Fünf-Prozent-Hürde!] schon einmal. Ich bitte ein Mitglied des Präsidiums, die Namen der Abgeordneten aufzurufen. Wer ist eingeteilt? Lieber Herr Lux! Wenn sich eine Fraktion hier so offen – Herr Scholz! Herr Scholz wird die Namen vorlesen. gegen unsere Verfassungsordnung stellt wie die Ihre, dann ist es wichtig – und das haben wir alle gelernt –, Ich weise darauf hin, dass die tatsächliche Stimmabgabe Gesicht zu zeigen. erst nach Namensaufruf möglich ist. Zuvor werden die [Beifall bei der FDP und der CDU – Urnenschlitze durch Präsidiumsmitglieder abgedeckt. Nur Heiterkeit – so ist ein reibungsloser und geordneter Wahlgang mög- Volker Ratzmann (Grüne): lich. Sie finden Urnen vor, die eindeutig gekennzeichnet Das will aber keiner sehen! – sind: eine Urne für die Ja-Stimmen, eine Urne für die Weitere Zurufe] Nein-Stimmen und eine Urne für die Enthaltungen sowie für die nicht benötigten restlichen Karten und Umschläge. Und es reicht nicht aus, nur im Parlament Gesicht zu zeigen. Wenn für politische Effekthascherei offen und Ich eröffne die Abstimmung über den Antrag der Fraktion unverblümt das Grundgesetz missachtet wird, dann müs- Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/3860 und sen die Handelnden auch den Widerstand der Zivilgesell- bitte, mit dem Namensaufruf zu beginnen. – Frau Müller schaft spüren. macht das jetzt. Bitte, Frau Müller, legen Sie los! Umso [Beifall bei der FDP und der CDU – schneller springen die Abgeordneten herbei! Heiterkeit] [Aufruf der Namen und Abgabe der Stimmkarten] Stichwort: Grüne blockieren!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Heiterkeit]

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Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: lfd. Nr. 6 B: Meine Damen und Herren! Haben Sie alle die Möglich- Dringliche zweite Lesung keit gehabt abzustimmen? – Ich gehe davon aus, dass Sie Gesetz zur Durchführung des Kapitels III der jetzt alle abgestimmt haben. Dann bitte ich, die Auszäh- Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen lung vorzunehmen. So lange muss die Sitzung leider Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über unterbrochen werden. die Vorschriften für die Akkreditierung und [Auszählung] Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung Meine Damen und Herren! Wir setzen unsere Sitzung der Verordnung (EWG) Nr. 339/93 des Rates fort. Ich gebe vorab das Ergebnis bekannt: abgegebene (ABl. Nr. L 218 vom 13. August 2008, S. 30) Stimmen: 139. Erforderlich gewesen wären 100 Stimmen (Marktüberwachungsverordnungs-Durchfüh- für den Antrag. Ja-Stimmen waren es allerdings nur 22, rungsgesetz für Bauprodukte – BauP-MÜVDG) Nein-Stimmen 117. Damit ist der Antrag abgelehnt. Beschlussempfehlung BauWohn Drs 16/4279 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/4129 Tagesordnungspunkt 6 war bereits Priorität der Fraktion Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der der FDP unter dem Tagesordnungspunkt 4.1. Fall.

Wir kommen zu Ich eröffne die zweite Lesung und schlage wieder vor, die lfd. Nr. 6 A: Einzelberatung der fünf Paragrafen miteinander zu ver- Dringliche zweite Lesung binden und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift, die Einleitung sowie die Paragrafen 1 Gesetz über die Änderung des Gesetzes bis 5. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zur Vorlage über die John-F.-Kennedy-Schule und zur Drucksache 16/4129 empfiehlt der Ausschuss einstimmig Änderung des Schulgesetzes bei Enthaltung der Grünen die Annahme. Wer der Vorla- Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/4276 ge zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzei- Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/4132 chen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die CDU- Fraktion, die FDP-Fraktion – bei Enthaltung der Grünen Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der nehme ich an. – Dann ist das bei Enthaltung der Grünen Fall. so beschlossen.

Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Ein- Wir sind schon bei zelberatung der vier Artikel miteinander zu verbinden. – Widerspruch dazu höre ich nicht. Ich rufe also auf die lfd. Nr. 6 C: Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel I bis IV – Dringliche zweite Lesung Drucksache 16/4132. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zur Vorlage Drucksache 16/4132 empfiehlt der Aus- Zehntes Gesetz zur Änderung des Allgemeinen schuss einstimmig bei Enthaltung der Grünen die An- Sicherheits- und Ordnungsgesetzes nahme mit Änderung. Wer der Gesetzesvorlage mit der Beschlussempfehlung InnSichO Drs 16/4283 Änderung der Beschlussempfehlung Drucksache 16/4276 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/4168 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzei- Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der chen. – Das sind die Fraktionen der SPD, der FPD, der Fall. CDU und der Linken. Wer ist dagegen? Wer enthält sich?

– Dann ist das bei Enthaltung der Grünen so beschlossen. Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Ein-

zelberatung der drei Artikel miteinander zu verbinden. – Ich rufe auf Widerspruch dazu höre ich nicht. Ich rufe also auf die Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel I bis III – Drucksache 16/4168. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zur Vorlage Drucksache 16/4168 empfiehlt der Aus- schuss einstimmig bei Enthaltung der FDP die Annahme mit Änderungen in Artikel I. Wer der Vorlage mit den Änderungen der Beschlussempfehlung Drucksache 16/4283 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Ich sehe die Fraktion der Linken, die SPD-Fraktion, die Grünen, CDU. Wer enthält sich? – Die FDP-Fraktion. Damit ist das so beschlossen.

Ich rufe auf

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Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns lfd. Nr. 6 D: lfd. Nr. 6 F: Dringliche zweite Lesung Dringliche zweite Lesung Elftes Gesetz zur Änderung des Fünftes Gesetz zur Änderung des Gesetzes Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes über den Verfassungsgerichtshof Beschlussempfehlung InnSichO Drs 16/4285 Beschlussempfehlung Recht Drs 16/4287 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/4130 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/4128 Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Die Fraktionen habe sich auf eine dringliche Behandlung Fall. dieser Empfehlung des Rechtsausschusses verständigt.

Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Ein- Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Ein- zelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden, zelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden, und höre dazu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die und höre dazu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel I und II – Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel I und II – Drucksache 16/4130. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Drucksache 16/4128. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zur Vorlage Drucksache 16/4130 empfiehlt der Aus- Zur Vorlage Drucksache 16/4128 empfiehlt der Aus- schuss einstimmig bei Enthaltung der FDP die Annahme. schuss einstimmig bei Enthaltung der FDP die Annahme. Wer der Vorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Wer der Vorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion der Grünen, die Fraktion der CDU. Wer ist da- Fraktion der Grünen, die Fraktion der CDU. Wer ist da- gegen? Wer enthält sich? – Die FDP. gegen? Wer enthält sich? – Die FDP. Dann ist die Geset- [Michael Müller (SPD): Die Dagegenfraktion! – zesvorlage so beschlossen. Christian Gaebler (SPD): Die Verweigerungsfraktion!] Wir sind bei Dann ist das so beschlossen. lfd. Nr. 6 G: Ich rufe auf Dringliche zweite Lesung lfd. Nr. 6 E: Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes, des Dringliche zweite Lesung Kindertagesförderungsgesetzes und weiterer Gesetze Gesetz über die Untersuchungsausschüsse des Abgeordnetenhauses von Berlin (UntAG) Beschlussempfehlungen IntArbBSoz und Haupt Drs 16/4304 Beschlussempfehlung Recht Drs 16/4286 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/4093 Antrag der SPD, der Grünen, der Linksfraktion und der FDP Drs 16/4221 Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Ein- zelberatung der acht Artikel miteinander zu verbinden, Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Ein- und höre dazu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die zelberatung der 36 Paragrafen miteinander zu verbinden, Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel I und VIII – und höre dazu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Drucksache 16/4093. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Überschrift, die Einleitung sowie die Paragrafen 1 bis 36 Zur Vorlage Drucksache 16/4093 empfiehlt der Fachaus- – Drucksache 16/4221. Eine Beratung ist nicht vorgese- schuss einstimmig bei Enthaltung der Grünen und der hen. Zum Antrag Drucksache 16/4221empfiehlt der Aus- Hauptausschuss einstimmig bei Enthaltung der CDU und schuss einstimmig – mit allen Fraktionen – die Annahme. der Grünen die Annahme mit Änderungen. Wer der Vor- Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das lage mit den Änderungen der Beschlussempfehlung Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Drucksache 16/4304 zustimmen möchte, den bitte ich um Fraktion der Grünen, die Fraktion der CDU und die Frak- das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. tion der FDP. Die Fraktionslosen stimmen hier offenbar Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? Das sind die nicht mit. Oder haben zugestimmt. Dann sehe ich das als Fraktionen der Grünen, der CDU und der FDP. Gleich- einstimmig an. Es ist dann so beschlossen. wohl ist die Gesetzesvorlage mit den empfohlenen Ände- rungen so beschlossen. Wir kommen zu Ich rufe auf

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Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns lfd. Nr. 7: Allein 4 der 13 Beschlussempfehlungen betreffen den Ge- Erste Lesung sundheitssektor, und das nicht ohne Grund. Es gibt wohl kaum einen anderen Bereich des menschlichen Lebens, in Gesetz zur Änderung des Lehrerbildungsgesetzes dem so sensitive Informationen über den Einzelnen verar- Antrag der Grünen Drs 16/4270 beitet werden. Die Medizintechnik in Kliniken entwickelt sich rasant, ohne dass die Krankenhausinformationssys- Ich eröffne die zweite Lesung. Eine Beratung ist nicht teme den Schutz des Patientengeheimnisses immer aus- mehr vorgesehen. Es wird die Überweisung des Gesetzes- reichend gewährleisten würden. Wir haben deshalb auf antrags Drucksache 16/4270 an den Ausschuss für Bil- Bund-Länder-Ebene unter Beteiligung der Krankenhäuser dung, Jugend und Familie empfohlen. – Ich höre keinen und der Hersteller die Erarbeitung einer Orientierungshil- Widerspruch, dann verfahren wir so. fe initiiert, die den Datenschutzbehörden jetzt bundesweit als Prüfmaßstab dient. Das ist ein wesentlicher Schritt hin Wir sind dann bei zu einem proaktiv verstandenen Datenschutz, denn es lfd. Nr. 7 A: nützt dem betroffenen Patienten wenig, wenn bei Prüfun- gen nur festgestellt wird, dass in Krankenhäusern nicht Dringliche Beschlussempfehlung nachvollzogen werden kann, wer wann auf ihre Daten Stellungnahme des Senats zum Bericht des zugegriffen hat, weil die technischen Systeme das bisher Berliner Beauftragten für Datenschutz und nicht protokollieren. Vielmehr sind jetzt auch die Herstel- Informationsfreiheit für das Jahr 2009 ler solcher Systeme in die Pflicht genommen, ihren Teil dazu beizutragen, damit datenschutzgerechte Technik auf Beschlussempfehlung InnSichO Drs 16/4284 den Markt kommt, die die Einhaltung der ärztlichen Vorlage – zur Kenntnisnahme – Drs 16/3377 Schweigepflicht in einem hochtechnisierten Klinikumfeld Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD erst ermöglicht. und der Linksfraktion vor, Drucksache 16/4284-1. Allerdings ist unverständlich, dass ein landeseigenes Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Unternehmen wie Vivantes, immerhin der größte kom- Fall. munale Krankenhauskonzern Deutschlands, meint, es genüge ein einziger Datenschutzbeauftragter für das ge- Zunächst erteile ich dem Berliner Beauftragten für Daten- samte Unternehmen. Dieser Konzern, der im vergangenen schutz und Informationsfreiheit das Wort. – Bitte sehr, Jahr 6 Millionen Euro Gewinn gemacht hat, ist bekannt- Herr Dr. Dix, Sie haben eine Redezeit von fünf Minuten. lich aus den ehemaligen Krankenhäusern der Bezirke gebildet worden, die jeweils eigene Datenschutzbeauf- Dr. Alexander Dix (Berliner Beauftragter für tragte hatten. Wenn man das Beispiel der Charité zugrun- Datenschutz und Informationsfreiheit): de legt, müsste auch bei Vivantes pro 1 000 Betten ein Datenschutzbeauftragter bestellt werden, um die gesetzli- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und chen Aufgaben auch nur halbwegs erfüllen zu können. Herren! Mit dem Jahresbericht 2009 steht heute zum Hier ist der Senat aufgefordert, seinen Einfluss auf das letzten Mal in dieser Wahlperiode ein Jahresbericht des Unternehmen entsprechend geltend zu machen. Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informations- freiheit auf Ihrer Tagesordnung. Dies nehme ich gerne Aber auch der gesetzliche Rahmen für den Datenschutz in zum Anlass, um Ihnen allen, insbesondere aber den Mit- Berliner Krankenhäusern muss neu bestimmt werden. gliedern des Unterausschusses Datenschutz und Informa- Hierzu wird in den Ausschüssen des Abgeordnetenhauses tionsfreiheit für die konstruktive Zusammenarbeit und gegenwärtig ein Gesetzentwurf des Senats zur Neurege- Unterstützung in den zurückliegenden fünf Jahren zu lung des Krankenhausrechts beraten, der wichtige Klar- danken. stellungen zum Datenschutz in einer hochtechnisierten Klinikumgebung enthält und in enger Abstimmung mit Datenschutz und Informationsfreiheit haben in der Bun- uns formuliert worden ist. Gegenüber dem federführenden deshauptstadt einen hohen Stellenwert. Das liegt auch Ausschuss habe ich einen zusätzlichen Vorschlag zur daran, dass das Parlament diesen beiden Grundrechten Klarstellung gemacht, der verbleibende Einwände aus- seit Langem einen eigenen Unterausschuss widmet. Ich räumen sollte. Ich appelliere an Sie, diesen Gesetzent- hoffe, dass auch das neu zu wählende Abgeordnetenhaus wurf, zumindest aber die darin enthaltenen überfälligen diese bewährte Übung fortsetzen wird. Denn in diesem Neuregelungen des Datenschutzes, noch vor dem Ende Unterausschuss müssen Verwaltungen den Abgeordneten der Legislaturperiode zu beschließen. Rede und Antwort stehen, wenn sie es versäumt haben, ihre Praxis an den gesetzlichen Vorgaben zu orientieren. [Beifall bei den Grünen] Das war auch im vergangenen Jahr der Fall und hat zu Die Krankenhäuser in der Bundeshauptstadt benötigen einer Reihe von Beschlussempfehlungen geführt, die endlich Rechtssicherheit, wenn sie sich auf ihr Kernge- Ihnen heute vorliegen. Sie behandeln eine große Band- schäft konzentrieren und Patientendaten im Rahmen des breite von praktisch bedeutsamen Fragen. Outsourcings für bestimmte Zwecke an externe Unter- nehmen weitergeben.

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Dr. Alexander Dix Im Bereich der Informationsfreiheit hat Berlin im vergan- und Mitarbeitern für Ihren Bericht und die geleistete Ar- genen Jahr erhebliche Fortschritte gemacht. Das ist zum beit sehr herzlich bedanken. einen auf die vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Än- derungen des Informationsfreiheitsgesetzes, aber auch auf Das Wort zum Bericht über die Ausschussberatungen hat den Volksentscheid vom Februar dieses Jahres zurückzu- nun die Vorsitzende des Unterausschusses Datenschutz führen. Ich denke, es ist kein Zufall, dass der erste erfolg- und Informationsfreiheit. – Bitte sehr, Frau Seelig! reiche Volksentscheid in Berlin Fragen der Informations- freiheit betraf. Marion Seelig (Linksfraktion), Berichterstatterin: [Beifall bei den Grünen] Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter In diesem Zusammenhang begrüße ich es auch sehr, dass Herr Dr. Dix! Ich möchte mich im Namen des Unteraus- das Abgeordnetenhaus den widerwilligen Senat aufgefor- schusses Datenschutz und Informationsfreiheit sehr herz- dert hat, externe Beratungsleistungen bei Gesetzentwür- lich für die gute Zusammenarbeit mit Ihnen und den Mit- fen, sogenannte Footprints, namhaft zu machen. arbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Hauses bedanken.

[Beifall] Aber sowohl beim Datenschutz wie auch bei der Informa- tionsfreiheit gibt es keinen Grund, sich zufrieden zurück- Das Prozedere für unsere Entscheidungsfindung möchte zulehnen. Die Herausforderungen in beiden Bereichen ich hier noch einmal kurz erläutern, weil es sich von an- nehmen zu, das machen die Schlagzeilen in den Medien deren Ausschüssen unterscheidet und von allen immer nahezu täglich deutlich. Es reicht dabei auch nicht, auf die wieder nachgefragt wird. Wir bekommen als Ausschuss Zuständigkeit des Bundes zu verweisen. Berlin wirkt über den Bericht des Beauftragten für Datenschutz und Infor- den Bundesrat an der Bundesgesetzgebung mit. Deshalb mationsfreiheit über seine Beanstandungen und Erläute- ist es erfreulich, dass der Senat in der vergangenen Woche rungen zum Verwaltungshandeln im Zeitraum eines Jah- meine Anregung aufgegriffen und eine Entschließung des res, der an den Senat geht, ebenfalls zur Kenntnis. Dazu Bundesrats herbeigeführt hat, in der die Bundesregierung gibt es eine Stellungnahme des Senats, und über diese aufgefordert wird, bei der Energiewende und insbesonde- beiden Papiere, die dann sozusagen in einem Formular re beim Aufbau intelligenter Energieversorgungsnetze erscheinen, berät dann der Ausschuss. Die Punkte, an den Datenschutz stärker zu berücksichtigen. denen beide Stellungnahmen strittig sind, werden dann von unseren Mitgliedern diskutiert, und es wird jeweils Der Bildungssenator hat 2011 zum Jahr der Medienkom- eine Beschlussempfehlung für den Innenausschuss und petenz erklärt. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass danach für das Plenum verabschiedet. Die Zusammenfas- die Anstrengungen zur Steigerung der Medienkompetenz sung dieser einzelnen Beschlussempfehlungen liegt Ihnen und damit auch des Datenschutzbewusstseins in den Ber- heute vor. liner Schulen erhöht werden müssen. Umso befremdlicher ist es, dass die Bildungsverwaltung neuerdings einen Kernpunkt ist immer die Stärkung von Datenschutz und Facebookauftritt hat. Dieses Unternehmen ist internatio- Informationsfreiheit, die unseren Mitgliedern, gleich, nal bekannt für seine Geringschätzung des Datenschutzes. welcher Fraktion sie angehören, ein wichtiges Anliegen Demgegenüber bietet ein Berliner Unternehmen soziale ist. In den einstimmig angenommenen Beschlussempfeh- Netzwerke wie SchülerVZ oder StudiVZ an, die wesent- lungen finden Sie Punkte wie den verstärkten Schutz von lich datenschutzfreundlicher sind. Mir ist unerklärlich, Patientenwerten im Krankenhausinformationssystem und weshalb nicht ausschließlich solche Angebote genutzt die Aufforderung, dass Auskunftsersuchen bzw. deren werden. Entweder hat man sich in der Bildungsverwal- Beantwortung in den Kliniken zu zentralisieren sind. Herr tung bewusst für einen Massentrend und gegen den Da- Dr. Dix hat ja auch darauf hingewiesen, wie hochsensibel tenschutz entschieden, oder die linke Hand weiß dort gerade Daten im medizinischen Bereich sind. Andere nicht, was die rechte tut. Punkte betreffen das Meldesystem und Biografiedaten in der Pflege. Meine Damen und Herren! Sie haben mich zur Wahrung der Rechte auf informationelle Selbstbestimmung und auf Der Punkt 3, bei dem es um klarstellende Regelungen Informationszugang in dieses Amt gewählt. Datenschutz durch eine Änderung des ASOG über Zuverlässigkeits- und Informationsfreiheit sind Grundrechte, deren Wah- überprüfungen und Akkreditierungsverfahren bei Großer- rung nicht allein Aufgabe eines Beauftragten und seiner eignissen geht, konnte inzwischen durch die 10. Ände- Mitarbeiter ist. Vielmehr hoffe ich dabei auch künftig auf rung des ASOG klargestellt werden. Ihre nachhaltige Unterstützung. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Über die Erarbeitung der Beschlussempfehlung hinaus beschäftigt sich der Unterausschuss mit allen relevanten [Allgemeiner Beifall] Fragen, die Datenschutz und Informationsfreiheit betref- fen, sei es, dass Anträge als relevant überwiesen werden Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: oder Gesprächspartnern Bedarf durch Herrn Dr. Dix oder einzelne Fraktionen signalisiert wird. So hat uns natürlich Vielen Dank, Herr Dr. Dix! Ich möchte mich auch im Google-View ebenso interessiert wie US-Anforderungen Namen des Hauses bei Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen von Flugpassagierdaten.

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Marion Seelig Ein weiteres wichtiges Anliegen ist die Prävention, um lfd. Nr. 12: einen kritischen Umgang mit den eigenen Daten im Netz Beschlussempfehlungen zu befördern. Leider mussten wir feststellen, dass die Datenschutzstandards – auch darüber sprachen Sie – in Mit integriertem Sicherheitskonzept und den sogenannten sozialen Netzwerken immer wieder zu „geschlossenem System“ endlich die Sicherheit Lecks und Pannen zulasten der Nutzer geführt haben. im ÖPNV erhöhen! Gerade Facebook, da gebe ich Ihnen recht, ist da beson- Beschlussempfehlungen StadtVerk und Haupt ders aufgefallen. Aber wir erinnern uns: Bevor Sie inter- Drs 16/4252 veniert haben, waren auch StudiVZ und SchülerVZ durch Antrag der FDP Drs 16/4107 Datenpannen aufgefallen. Ich denke, der Unterschied zu Facebook ist insbesondere da zu sehen, dass Sie an dieser Beratung jeweils wieder fünf Minuten! Das Wort hat Herr Stelle eine direktere Datenschutzaufsicht haben. Kollege Jotzo.

Die Situation für Datenschutz und Informationsfreiheit Björn Jotzo (FDP): hat sich meines Erachtens dramatisch zugespitzt. Ich denke, wir sind uns einig, dass Recht wie beispielsweise Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man Arbeitnehmerdatenschutz dringend weiterentwickelt wer- sich das Sicherheitskonzept im ÖPNV dieses Senats an- den muss. Ebenso kommt mit unserem modernsten und schaut, dann muss man den Eindruck haben, hier wird ein weitgehendsten Berliner Informationsfreiheitsgesetz auch Drama aufgeführt, ein Drama in drei Akten. Und das wieder ein erheblicher Lernprozess auf unsere Verwal- Drama heißt „Des Kaisers neue Kleider“. tung zu. In diesem Sinne bin ich davon überzeugt, dass [Zuruf von der Linksfraktion: unserem Unterausschuss noch ein langes Leben beschie- Das ist aber ein Märchen!] den sein wird. Nachdem die FDP-Fraktion den Ihnen hier vorliegenden

Antrag zu einem umfassenden Sicherheitskonzept für den Abschließend bedanke ich mich bei den Mitgliedern aller ÖPNV eingebracht hat, hat auch der Senat plötzlich – und Fraktionen für ihre Zusammenarbeit und beim Aus- das war der erste Akt in diesem Drama – sich auf die schussbüro für die oftmals sehr flexiblen Anforderungen politische Bühne gewagt und hat uns dann ein ÖPNV- an ihre Arbeit. – Vielen Dank! Sicherheitskonzept präsentiert. Dieses Sicherheitskonzept [Beifall bei der Linksfraktion, der SPD, bestand aus zwei ganz wesentlichen Maßnahmen. Die den Grünen und der FDP – erste Maßnahme, die die Koalition selbst zwei Monate Vereinzelter Beifall bei der CDU] zuvor im März hier noch als unnötig und überflüssig bezeichnet hat, war, 60 Beamtinnen und Beamte aus der Polizeireserve in den ÖPNV zu schicken. Und die zweite Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Maßnahme, die der Senat hier verkündet hat, war, die Vielen Dank auch von hier oben! – Eine Besprechung ist Datenspeicherung nunmehr für 48 statt 24 Stunden vor- nicht vorgesehen. Der Innenausschuss empfiehlt einstim- zunehmen. mig, die Vorlage Drucksache 16/3377 mit der Maßgabe der 13 Einzelempfehlungen der Beschlussempfehlung Dann folgte der zweite Akt in diesem Drama, denn als Drucksache 16/4284 zur Kenntnis zu nehmen. Der auf plötzlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ÖPNV Ihren Tischen liegende Änderungsantrag der Koalitions- auf die ihnen zugesagten Beamtinnen und Beamten warte- fraktionen Drucksache 16/4284-1 wird zurückgezogen. ten, da passierte dann einige Tage, nachdem dieses Si- Dann stimmen wir über die Einzelempfehlungen der Be- cherheitskonzept so vollmundig angekündigt war, nichts. schlussempfehlung des Innenausschusses Drucksache Warum passierte nichts? – Weil die Beamten aus der 16/4284 ab. Wer dem seine Zustimmung zu geben Reserve nämlich für andere Aufgaben, die Bekämpfung wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind des Linksextremismus, gebraucht wurden. Deswegen die Koalitionsfraktionen, Grünen, CDU, FDP und der standen sie einfach nicht mehr zur Verfügung. Was dieser Fraktionslose. Damit ist so beschlossen, und zwar mit der Senat an zusätzlicher Sicherheit für den ÖPNV zugesagt Maßgabe der Einzelempfehlungen zur Kenntnis genom- hat, waren Phantombeamte. Und das war der zweite Akt men. in diesem Drama. [Beifall bei der FDP – Die lfd. Nrn. 8 bis 11 sind bereits durch die Konsensliste Beifall von Benedikt Lux (Grüne)] erledigt. Und genau heute erleben wir dann den dritten Akt in Ich rufe auf diesem Drama „Des Kaisers neue Kleider“. Heute lese ich gerade in der „taz“: Die Linksfraktion hat jetzt verkündet, was sie ja auch schon mehrere Monate vorher im Plenum gesagt hatte, dass nämlich die Verlängerung der Speicher- frist für die Daten von 24 auf 48 Stunden – wie wir es schon immer gesagt hatten – eine vollkommen unnötige und überflüssige Maßnahme ist, weil 99,5 Prozent der

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Björn Jotzo Fälle auch innerhalb der 24-Stunden-Frist erfasst werden Björn Jotzo (FDP): können. Deshalb wird sie auch diesen Teil des Sicher- Aber selbstverständlich, Herr Kollege Kohlmeier! heitskonzepts nicht mehr mittragen. Damit endet heute dieses Drama mit dem dritten Akt. „Des Kaisers neue Kleider“ ist am Ende angekommen, Herr Senator! Sven Kohlmeier (SPD): [Beifall bei der FDP] Danke, Herr Kollege Jotzo! – Können Sie mir mit einfa- chen Worten erklären, wie Zugangssperren bei U-Bahn- Ich denke, man kann und man sollte auch an dieser Stelle höfen verhindern sollen, dass dort Straftaten passieren? heute feststellen, von Ihrem Sicherheitskonzept, Herr Wird sich der Straftäter dann nicht mehr auf dem Körting, ist nichts mehr übriggeblieben. U-Bahnhof bewegen? [Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)] [Zuruf von Klaus-Peter von Lüdeke (FDP)] Herr Körting! Ich muss es so feststellen, wenn Sie heute so gekleidet wären, wie noch Substanz in Ihrem Sicher- heitskonzept für den ÖPNV in unserer Stadt ist, Herr Björn Jotzo (FDP): Körting, Sie ständen heute nackt vor diesem Haus. Herr Kollege Kohlmeier! Das kann ich Ihnen sehr schnell [Beifall bei der FDP – beantworten. Es sind zum einen natürlich die Vandalis- Zurufe von der SPD und den Grünen] mustäter, die durch ein Zugangskontrollsystem abge- schreckt werden. Deswegen ist es umso bedauerlicher, dass Sie davon ab- gesehen haben, in den Ausschussberatungen, wie wir es [Gelächter bei den Grünen] Ihnen angeboten haben, konstruktiv die Vorschläge der Das hat man in vielen anderen Metropolen auch durchaus FDP-Fraktion zu diesem Thema zu würdigen. Wir haben messen können, denn das geschlossene System führt Ihnen ganz klar gesagt, was es braucht, eben keine Phan- dazu, dass solche Täter sich eben nicht unkontrolliert tommaßnahmen, keinen Beamtenverschiebebahnhof und gerade in den Nachtstunden auf entsprechende ÖPNV- auch keine Pseudosicherheitsmaßnahmen durch irgend- Stationen begeben. welche Maßnahmen, die Sie selber zwei Monate vorher als unsinnig und überflüssig bezeichnet haben. Ja, in der [Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)] Tat, da stehen Sie heute ganz zu Recht wie in des Kaisers Selbstverständlich führt das einerseits dazu, dass solche neue „Kleider“ hier vor uns. Vandalismustaten abnehmen, aber zum anderen natürlich führt auch die Abgeschlossenheit des Systems dazu, dass Nein, wir haben Ihnen doch den Weg vorgezeichnet. schwere Straftaten eben von Tätern nicht mehr begangen [Zuruf von Jutta Matuschek (Linksfraktion)] werden, die fürchten müssen, dass sie beispielsweise beim Verlassen des geschlossenen Systems dann entsprechend Erstens: Sicherheitsbedarf definieren. Das wäre zunächst wieder Sperren passieren müssen. mal erforderlich gewesen. Zweitens: Die Maßnahmen, die man dafür braucht, und zwar vernünftige Maßnahmen, [Beifall bei der FDP – dann ergreifen. Und eine haben wir Ihnen doch vorge- Gelächter von Jutta Matuschek (Linksfraktion)] schlagen, nämlich beispielsweise den Zugang zum ÖPNV Das alles sind Dinge, die Straftaten verhindern und dafür neu zu überdenken. Da haben wir gesagt, das geschlosse- sorgen, dass der ÖPNV in unserer Stadt sauberer, sicherer ne System kann hier Vorteile bringen, und auch besser wird, Herr Kohlmeier! Deswegen ist es [Beifall bei der FDP – gut, über solche Modellprojekte, die wir vorgeschlagen Zurufe von den Grünen] haben, nachzudenken. das geschlossene System, das Kriminalität und Wanda- [Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)] lismus reduziert, das auch dazu führt, dass wir mehr Ge- Herr Körting! Es wird Zeit, dass Sie Ihr Schauspiel, Ihr rechtigkeit im Zugang zum ÖPNV hätten, weil nämlich Drama in drei Akten „Des Kaisers neue Kleider“ been- Schwarzfahren zurückgedrängt wird. den. [Beifall bei der FDP – [Zuruf von Jutta Matuschek (Linksfraktion)] Benedikt Lux (Grüne): Zynisch!] Dieser Senat „hat fertig“. Er steht heute ohne Sicherheits- Das hat in anderen Metropolen doch auch funktioniert. konzept, ohne wirksame Maßnahmen vor diesem Haus. Warum nicht auch in Berlin? – Und das Letzte, das Sie Es ist eine Schande, dass Sie versäumt haben, die Anre- dann hätten tun müssen, wäre, für diese sinnvollen Maß- gungen, die die Opposition Ihnen gemacht hat, hier auf- nahmen, die Sie zur Zielerreichung brauchen, dann trans- zunehmen in Ihrer Ausschussberatung. Deswegen kriegen parent – – Sie auch ganz zu Recht dafür die Quittung. – Ich danke Ihnen! Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: [Beifall bei der FDP] Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Angeordneten Kohlmeier?

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Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: [Benedikt Lux (Grüne): Saßen sie zehn Jahre Vielen Dank! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat der nur rum, ja? Haben sie nur Skat gespielt?] Kollege Gaebler. – Wenn sie nicht im Einsatz sind, sitzen sie da und warten [Zuruf von der FDP: Jetzt können wir auf ihren Einsatz. Das ist doch ganz klar, das wissen Sie die Ignoranz live erleben!] auch ganz genau. [Christoph Meyer (FDP): Danke!] Christian Gaebler (SPD): Das gehört dazu. Wenn sie jetzt weniger Leerlaufzeiten, sondern mehr Einsatzzeiten haben, dann ist das, glaube Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr von ich, in unser aller Sinne. Ich weiß gar nicht, was es da zu Lüdeke! Dass Sie hier von Ignoranz reden, die man live lachen gibt. Das ist zu unterstützen und zu befürworten. erleben kann, finde ich mutig. Ich finde es auch mutig, wie hier eine 3-Prozent-Partei – jedenfalls nach den Um- Wir haben als dritten Punkt die bessere Kommunikation fragen – die Backen aufbläst und andere beschuldigt, sie vereinbart, dass zum Beispiel eine direkte Ansprache von würden hier „Des Kaisers neue Kleider“ aufführen. Ich der Sicherheitsstelle auf die Bahnhöfe möglich ist und glaube, das fällt auf Sie zurück, lieber Herr Jotzo! Inso- dass auch direkt Straftäter vor Ort angesprochen werden fern brauchen wir darauf nicht weiter einzugehen. Das können. Frau Nikutta hat das sehr plastisch bei der Pres- Schmierenstück, das Sie hier gerade aufgeführt haben, das sekonferenz dargestellt. zeigt vielleicht von Ihrem Überlebenskampf, aber nicht von sehr viel Sachkenntnis und auch nicht sehr viel Reali- Als nächstes Thema haben wir gesagt: Im Rahmen dieses tätssinn. Gesamtkonzeptes, wo wir Technik, Personal und Kom- [Beifall bei der SPD – munikation zusammenbringen wollen, wollen wir auch Björn Jotzo (FDP): Aber Ihre Pseudomaßnahmen!] die Videoüberwachung insofern vereinheitlichen, dass die Speicherfrist auf die bundesweit und auch bei der S-Bahn Wir haben hier mehrfach ausführlich über dieses Thema üblichen 48 Stunden vereinheitlicht wird, weil es über- diskutiert. Wir haben sogar eine Aktuelle Stunde zu dem haupt keinen Sinn macht und auch nicht nachvollziehbar Thema gemacht, wo wir das intensiv diskutiert haben. ist, dass wir eine 24-Stunden-Regelung für die BVG ha- Das Sicherheitspaket, das der Senat vorgestellt hat, be- ben und eine 48-Stunden-Regelung für die S-Bahn und steht natürlich aus mehr als dem, was Sie hier präsentiert die Deutsche Bahn. Straftäter können sich dann sozusagen haben. Was Sie unterschlagen haben, sind z. B. die 120 aussuchen: Aha, in der U-Bahn habe ich bessere Chancen mehr Personal, die bei der BVG eingesetzt werden, die nicht erwischt zu werden, weil da nur 24 Stunden gespei- auf bis zu 200 aufgestockt werden sollen. Die 120 sind chert wird. Herr Jotzo! Hier müssten Sie doch eigentlich schon im Einsatz. Sie haben auch verschwiegen, dass der als Erster dahinter stehen. Sie können doch nicht sagen, Senator hier klar dargestellt hat, dass von der Einsatzre- Sie wollen Zugangssperren, mit denen Sie die Leute of- serve der Polizei in der Regel nach Tagen – das wurde fensichtlich in den Bahnhöfen einsperren wollen. Sie hier sogar tageweise vorgetragen, ich glaube, auf Ihre sagen ja, sie sollen da nicht mehr herauskommen, wenn Anfrage war es sogar – sogar mehr als 60 Leute dort im dort irgendetwas passiert. Aber per Video überwacht Einsatz waren und das tatsächlich gemacht haben. Ich werden dürfen sie nicht. Das ist doch absurdes Zeug, was selbst hatte die Freude, gestern am U-Bahnhof Leopold- Sie da erzählen. platz die Einsatzreserve beim Rangieren zu sehen. Herr Jotzo! Wenn Sie sich tatsächlich darum kümmern, dann Die Technik kann immer nur Ergänzung sein. Deshalb würden Sie sehen, dass sie tatsächlich im Einsatz sind. muss man auch die Kosten und die Beeinträchtigungen [Zuruf von Christoph Meyer (FDP)] abwägen. Ihr Gerede über die geschlossenen Systeme: Das haben wir uns ja in Paris selbst angucken können – – Ja, natürlich! Ich finde es richtig und gut, dass diese Herr von Lüdeke, Sie waren doch dabei – und in London Leute, statt irgendwo herumzusitzen und Skat zu spielen, auch. Die Zugangssperren, die es da gibt, sind eine massi- unterwegs sind, um die Sicherheit der Berlinerinnen und ve Behinderung für Fahrgäste mit Gepäck, Menschen mit Berliner zu garantieren. Dafür sollten wir dankbar sein Behinderung, mit Kinderwagen, und sie darin unterstützen und nicht das hier schlecht reden. [Zuruf von Christoph Meyer (FDP)] [Beifall bei der SPD – mit Rollstühlen, mit allem Drum und Dran. Nun ist die Björn Jotzo (FDP): Das ist infam, dass Metro in Paris ohnehin nicht besonders behinderten- Sie sagen, dass sie Skat spielen!] freundlich, da fällt es vielleicht nicht so auf, aber hier in Berlin, wo wir seit über 15 Jahren die Leitlinien für das – Nein, das ist ihr gutes Recht, wenn sie sonst in irgend- behindertengerechte Berlin umsetzen wollen, da zu sagen, einer Unterkunft sitzen und nichts zu tun haben. Aber es nun machen wir durch Zugangssperren eine Rolle rück- ist doch besser, wenn sie in der Stadt sichtbar unterwegs wärts, das ist doch absurdes Theater, Herr Jotzo. Das sind, lieber Herr Jotzo. Das müssen Sie doch auch unter- können Sie doch nicht ernst meinen. stützen. [Beifall bei der SPD]

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Christian Gaebler Dafür dann auch noch 300 Millionen Euro ausgeben zu das ganze Jahr nur Skat gespielt, ist falsch. Ich habe ge- wollen, das ist nun wirklich absurd. Dafür stelle ich dann sagt, dass sie, anstatt in ihren freien Zeiten Skat zu spie- lieber noch einmal 300 Menschen Personal ein, die auf len, den Bahnhöfen unterwegs sind. Wie werden dann diese [Gelächter bei der FDP] Zugangssperren eigentlich überwacht? Doch nicht per Video, Herr Jotzo? Wie wollen Sie denn sonst kontrollie- dass sie dann im Einsatz sind, das finde ich besser. Dass ren, dass die Leute da nicht drüber springen? das ihr gutes Recht ist, wenn sie nichts anderes zu tun haben, sich die Zeit zu vertreiben, das habe ich auch ge- [Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): Quatsch!] sagt, Herr Jotzo. In Paris und London ist das übrigens üblich. In London [Beifall von Burgunde Grosse (SPD)] wird ganz anders videoüberwacht. Das wollen Sie aber nicht. Dazu stehe ich. Sie wollen sich doch hier nicht ernsthaft hinstellen und sagen, diese Einsatzreserve solle man so [Christoph Meyer (FDP): Sie hätten mal weitermachen lassen, wie sie macht. Wir gucken lieber, bei der Gruppe bleiben sollen in Paris!] machen erst einmal ein Sicherheitskonzept, und in zwei Das wollen wir übrigens auch nicht. Aber von 24 auf 48 Jahren fangen wir dann an, irgendetwas zu machen. Stunden zu gehen, das ist, glaube ich, richtig. Viele Straf- [Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)] täter sind im Besitz eines Fahrausweises, die schrecken Sie durch die Zugangssperren auch nicht ab. Insofern: Herr Jotzo! Wie ernst nehmen Sie sich eigentlich und das, Das, was Sie hier fordern, ist ein Verschiebebahnhof. Sie was sie sagen? Sie können doch nicht einerseits beklagen, sagen, erst einmal prüfen, ewig diskutieren, mal gucken, dass die Einsatzreserve nicht präsent ist, und wenn ich und dann 300 Millionen Euro für Zugangssperren ausge- sage, dass sie ihre freien Zeiten – also die Zeiten, in denen ben. Unser Sicherheitskonzept wird jetzt umgesetzt, ist sie nicht aktiv im Einsatz ist, sondern in Bereitschaft – jetzt für die Menschen spürbar. Deshalb ist es auch das schwerpunktmäßig auf U-Bahnhöfen präsent ist, bessere. – Vielen Dank! [Christoph Meyer (FDP): Und dort [Beifall bei der SPD – Skat spielen, oder was?] Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] dann müssen Sie das doch gut finden und nicht schlecht- reden. Ich sage noch einmal: Vielen Dank an die Einsatz- reserve, dass sie das macht! Vielen Dank an den Innense- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: nator, dass er das ermöglicht hat! Ich glaube, damit sind Vielen Dank, Herr Gaebler! – Das Wort zu einer Kurzin- wir einen ganzen Schritt weiter bei der Sicherheit bei der tervention hat der Kollege Jotzo. BVG. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD] Björn Jotzo (FDP):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gaebler! Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Ich denke, das Meiste, das Sie hier gesagt haben, kann man einfach im Raum stehen lassen. Aber eines lasse ich Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Friederi- Ihnen nicht durchgehen, dass Sie nämlich der Einsatzre- ci. serve unterstellen, sie hätte Skat gespielt oder würde Skat spielen. Das wird dem anspruchsvollen Dienst, den die Oliver Friederici (CDU): Beamtinnen und Beamten da ausüben und in den letzten Jahren ausgeübt haben, nicht gerecht. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Es ist schön, dass sich die beiden Streithähne jetzt wieder [Beifall bei der FDP – trennen konnten. Herr Gaebler! Wenn Sie eine Ausflugs- Beifall von Benedikt Lux (Grüne)] fahrt mit der U-Bahn in der Woche machen und abends Deswegen, Herr Gaebler, gehört das hier an dieser Stelle die Polizei bereit ist und sie begleitet, ist das klar, denn in zurückgewiesen. der Woche ist in der Regel auch nicht so viel los in den U-Bahnen. Aber wenn wir am Wochenende ins U-Bahn- [Christoph Meyer (FDP): Entschuldigen Sie netz schauen, dann ist sehr wohl Bambule und Randale im sich bei den Beamten!] U-Bahnnetz. Da möchte ich auch die Berliner Einsatzre- Ihren übrigen Redebeitrag lasse ich einfach so stehen. serve sehen. Da fehlt sie aber eben immer. Und das ist das Problem der Sicherheitspolitik des von Ihnen aufgestell- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: ten Senats. Herr Kollege Gaebler zur Erwiderung. [Beifall bei der CDU und der FDP] Die FDP legt heute wieder einmal einen Antrag vor, der Christian Gaebler (SPD): mehr mit dem Wahltermin und den Ängsten der FDP zu tun hat, heute und hier in Ihrer vielleicht vorletzten Ple- Nein, Herr Jotzo! Ich lasse Ihnen das nicht durchgehen! narsitzung zu sein, Diese perfide Unterstellung, ich hätte gesagt, die hätten

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Oliver Friederici [Christoph Meyer (FDP): Ihre Ängste!] nachhaltig, effizient und kostengünstig, wenn Sie alle anstatt sich endlich mehr um die Belange der Berliner Punkte der CDU übernehmen. Fahrgäste zu kümmern. [Christoph Meyer (FDP): Ah ja! Da klatscht niemand mehr bei der CDU!] Neu an Ihrem Antrag ist inhaltlich nur, dass die FDP sich An den Berliner Senat gerichtet: Wir wollen endlich mehr erstmals um die Sicherheit der Fahrgäste aktiv kümmern Mut von SPD und Linken, endlich etwas Neues im Nah- möchte. Blinder Aktionismus, gespielte Empörung von verkehr zu wagen. Herrn Jotzo, Panik, Angst und Verlustängste sind in Wirklichkeit die wahren Gründe der FDP für ihren An- [Christoph Meyer (FDP): Sie sollen nicht trag. Denn sonst heißt es immer bei der FDP: Freiheit, immer das Kraut von den Grünen rauchen!] Freiheit, Freiheit! Liberalismus, Liberalismus, Liberalis- Wir wollen vom Senat endlich neue Konzepte sehen, die mus und so weiter! es in Städten wir Paris oder London seit 20 Jahren erfolg- [Claudia Hämmerling (Grüne): Genau!] reich gibt. Das geschlossene System hat sich in sehr vie- len Millionenmetropolen der Welt bewährt. Nur in Berlin Opferschutz und Gerechtigkeit sind egal, bloß keine ist bislang nichts, aber auch gar nichts geschafft worden. Überwachung und Kontrollen der Fahrgäste für mehr Ist es wieder einmal die übliche Trägheit des Berliner Sicherheit. Senats, muss Rot-Rot wieder getrieben werden von der [Beifall von Claudia Hämmerling (Grüne) – Opposition, bis endlich etwas passiert? – Wahrscheinlich Sebastian Czaja (FDP): Was haben Sie denn geraucht?] ist es wieder das. Ähnlich wie bei der monatelangen Wei- Da verwundert es schon, einen solchen Antrag heute gerung von Rot-Rot, endlich Polizei in das U-Bahnsystem vorzufinden. zu schicken, auch nachdem europaweit über die Krimina- lität und menschenverachtenden Übergriffe in Berlins Die FDP ist mit Blick auf den 18. September aufgewacht U-Bahnen berichtet worden ist, so muss auch hier der und hat mit allerheißester Nadel eine Reihe von Forde- Senat ähnlich wie bei der S-Bahnkrise getrieben werden. rungen in dem Antrag zusammengeschrieben – und eben Die Berliner CDU-Fraktion tritt seit Jahren für ein ge- auch abgeschrieben von Forderungen der Union. schlossenes System im ÖPNV ein. Deshalb stimmen wir in Abwägung diesem absolut oberflächlichen FDP-Antrag [Björn Jotzo (FDP): Zur Sache!] natürlich zu. Es zeigt sich einmal mehr, dass die beiden Damen und die [Beifall bei der FDP] Herren Abgeordneten der FDP, die bislang eher nicht im öffentlichen Nahverkehr zu finden sind, Wir wollen Ihnen ja auch mal in Ihrer vorletzten Parla- mentssitzung das Erfolgserlebnis gönnen, dass die große [Zuruf von Henner Schmidt (FDP)] bürgerliche Partei Ihnen zustimmt. endlich zur Vernunft kommen wollen in den letzten zwei- einhalb Monaten ihrer Berliner Parlamentszugehörigkeit. Das geschlossene und integrierte System sorgt für mehr Deshalb verwundert es schon, dass die FDP nun endlich Sicherheit, endlich für mehr Gerechtigkeit und schafft die eine uralte CDU-Forderung aufgreift, Möglichkeit, den Ticketverkauf bei S-Bahn und BVG endlich zu revolutionieren. [Christoph Meyer (FDP): Ah! Sie sind uralt!] [Claudia Hämmerling (Grüne): Was für ein Blödsinn! das öffentliche Bahnsystem Berlins als geschlossenes System zu betrachten. Herzlichen Glückwunsch! Alles das fordert die Berliner CDU seit mehr als zehn Jahren. Wir hoffen, dass dies in der nächsten Wahlperiode Dieses geschlossene System schafft endlich Sicherheit, vom neuen Senat endlich begonnen wird – übrigens ge- nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv. Das geschlos- meinsam mit BVG und S-Bahn, zum Wohle der Fahrgäs- sene System sorgt auch für mehr Gerechtigkeit, da müss- te, im Interesse aktiver neuer Verkehrskonzepte und für ten ja auch SPD und Linke endlich wach werden, denn mehr Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr für die Men- jeder, der nicht zahlt, kommt auch nicht mehr rein in die schen in unserer Stadt. Verkehrsmittel. Das ist die aktivste Form von Gerechtig- [Beifall bei der CDU] keit im öffentlichen Nahverkehr.

[Beifall bei der CDU – Gelächter von Benedikt Lux (Grüne)] Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Die CDU-Vorstellungen gehen weiter. Wir wollen die Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Ab- berührungslose Karte endlich bei der BVG und der geordnete Matuschek das Wort. S-Bahn eingeführt haben. Damit können im Wesentlichen Kontrollen entfallen und kann das frei werdende Personal Jutta Matuschek (Linksfraktion): für Auskünfte und auch mehr Sicherheitskräfte eingesetzt Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Jotzo! werden. Aber das fehlt übrigens wieder beim heiß zu- Das einzige Drama, das wir heute erlebt haben, ist Ihr sammengestrickten FDP-Antrag. Alles das aber ist sehr Auftritt. wichtig, denn das integrierte System funktioniert nur so

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Jutta Matuschek [Sebastian Czaja (FDP): Dann erleben wir jetzt gen kommt, die Zugangssperren aufgeschlossen werden mit Ihnen ein zweites! müssen. Wie viele Aufschließer wollen Sie denn im Ber- Jetzt mal ganz ernsthaft: Dafür brauchten Sie keine drei liner Zugangssperrensystem haben, wenn sie da Fahrräder Akte, sondern nicht mal drei Minuten. Sie kapieren ein- transportieren wollen, wenn die Leute in Zukunft auch im fach gar nicht, worüber wir reden. In früheren Zeiten gab Rollstuhl unterwegs sein wollen und wenn die Leute es noch einen Restliberalismus bei der FDP. Das haben Kinderwagen oder sperriges Gepäck befördern wollen? Es Sie heute mal wieder negiert. Dass Sie Unterstützung für kann ja auch sein, Sie wollen, dass wir so etwas nicht geschlossene Systeme bei der CDU finden, hat vielleicht mehr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln mitnehmen damit etwas zu tun, dass die CDU bei dem Wort Sicher- dürfen, aber dann sind Sie wirklich allein, und dann sind heit gleich an Überwachungsstaat denkt. Das beides geht Sie mit dieser Position ziemlich von vorgestern. nicht auf! [Beifall bei den Grünen]

Ich finde es sehr erstaunlich, dass dieser Antrag, der die Sie haben es einfach nicht verstanden, dass es ein Quali- Freiheitsrechte, die Fahrgastrechte so stark einschränkt, tätsmerkmal des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin ist, ausgerechnet von der FDP kommt. Für Sie gilt freie Fahrt dass es ein öffentliches, ein offenes System ist. Das soll- für freie Bürger nur für den Autoverkehr. Offensichtlich ten Sie endlich mal kapieren, aber zu dieser späten Stunde sind Verkehrsteilnehmer in den öffentlichen Verkehrsmit- habe ich die Hoffnung aufgegeben, dass Sie es verstehen. teln für Sie Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse. Aber Deswegen höre ich jetzt auch auf zu reden. ich sage Ihnen: Zugangssperren nicht mit uns! [Beifall bei der FDP – [Beifall bei den Grünen] Zuruf von der FDP: Sie haben einfach nichts zu sagen!] Die Installation von Zugangssperren, von diesen ge- schlossenen Systemen, ist sehr teuer. Der Betrieb ist teu-

er, denn Sie müssen an jeder dieser Sperren jemanden Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: hinstellen. An der Stelle sagen wir auch: Klar, für Sicher- Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen heitspersonal auf Bahnhöfen haben wir große Sympa- hat jetzt die Frau Abgeordnete Hämmerling das Wort. thien, aber nicht dafür, dass da Leute mit einem Schlüssel stehen, die die Sperren auf- und zuschließen. Wo führt das hin? Wir denken, mehr Sicherheitspersonal: ja, Zu- Claudia Hämmerling (Grüne): gangssperren: nein. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mein Kolle- [Vereinzelter Beifall bei den Grünen] ge Benedikt Lux sagte gerade zu mir: Ja, ja, Die Linke hat aus geschlossenen Systemen gelernt, ihr nicht. – Damit Ein starkes Stück ist auch, dass Sie ausgerechnet die ein- meinte er die Herren, die diesen Antrag gestellt haben gesparten S-Bahnmillionen dafür verwenden wollen. Das bzw. die CDU-Fraktion, die ihn unterstützt. ist ja Geld, das nicht ausgegeben wird, weil Fahrleistun- gen nicht erbracht werden. Nicht erbrachte Fahrleistungen Der Begriff „integriertes Sicherheitskonzept“ klingt ja wollen Sie also einsetzen, um die Beförderungsqualität toll, aber tatsächlich ist Ihr Konzept einfach nur schlecht, für die Fahrgäste einzuschränken. weil sich dahinter Zugangssperren verbergen. Damit kön- nen Sie vielleicht das Schwarzfahren eindämmen, Wir sagen: Wenn wir dieses Geld irgendwie einsetzen wollen, dann im Interesse der Fahrgäste und nicht gegen [Christoph Meyer (FDP): Das wäre doch Sie. Wir sagen: S-Bahnmillionen sollen ausgegeben wer- schon mal was!] den, damit die Beförderungsqualität für Behinderte, für aber sicherer wird der öffentliche Personennahverkehr – Radfahrer, für Menschen mit Kinderwagen, mit Gepäck wir für führen ja hier eine sicherheitspolitische Debatte – verbessert wird und nicht, damit wir künstlich Barrieren dadurch kaum. Durch Zugangssperren werden im Übrigen schaffen. Wir bzw. die Senate in der Vergangenheit – und Fluchtwege eingeschränkt. Darüber haben Sie wahr- dazu gehörte auch mal ein CDU-Senat, wenn ich mich scheinlich noch gar nicht nachgedacht. richtig erinnere – haben die öffentlichen Verkehrssysteme barrierefrei gemacht. Dafür sind zig Millionen investiert Das ist ja schon bei Herrn Gaebler angeklungen: Zu- worden. Dies jetzt durch Zugangseinschränkungen zu- gangssperren sind fahrgastfeindlich, richtig fahrgastfeind- nichte zu machen, wäre wirklich absurd. Wir müssen lich. Waren Sie mal in Moskau oder Paris? diesen Antrag ablehnen! [Mieke Senftleben (FDP): Ja!] [Beifall bei den Grünen] Sind Sie da mal Metro gefahren? [Mieke Senftleben (FDP): Ja!] Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Haben Sie Kinderwagen gesehen? Haben Sie gesehen, Vielen Dank, Frau Abgeordnete Hämmerling! – Das Wort wie sie da runterkommen? Ich denke, wenn Sie mal in für eine Kurzintervention hat jetzt der Herr Abgeordnete Moskau waren, haben Sie beobachten können, dass jedes von Lüdeke. mal, wenn jemand mit Gepäck oder mit einem Kinderwa-

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[Oliver Friederici (CDU): Jetzt wird Menschen mit Gepäck und mit Kinderwagen, auch mit es verkehrspolitisch!] einem Fahrrad den Zugang haben. Den haben sie in dem Moment nicht mehr, wenn Sie diese Zugangssperren einrichten. Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): [Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): So ein Frau Hämmerling! Um auf Ihren Einwand einzugehen: dummes Zeug!] Irgendwie kann es nicht sein, dass alle Großstädte der Welt mit ihren Zugangssperren bescheuert sind. Die ma- Und wenn in Paris, Moskau und London diese Zugangs- chen Zugangssperren, und eigentlich bringt das alles gar sperren gebaut werden, dann ist das kein größeres Prob- nichts – das ist nun wirklich dummes Zeug! lem, weil diese U-Bahnsystem nicht barrierefrei sind. Da kommen Sie mit einem Rollstuhl gar nicht rein. Da kom- [Beifall bei der FDP] men Sie überhaupt nur an ganz ausgewählten Punkten Ich kann mich erinnern, dass wir gemeinsam mehrere rein. Die Gänge sind zu schmal. Da sind überall nur Roll- Ausschussreisen gemacht haben. Auf der Londonreise treppen. Das funktioniert nicht barrierefrei. Denken Sie war, glaube ich, auch Herr Gaebler dabei. Da habe ich noch einmal darüber nach, gehen Sie in sich, und lassen von Ihnen nichts gehört, wie unangenehm es dort eigent- Sie einfach den Unsinn mit solchen Anträgen! lich mit diesen Zugangssperren ist. Auch in Paris habe ich [Beifall bei den Grünen] nicht gehört: unangenehm, diese Zugangssperren! – Lä- cherlich! Herr Gaebler ist immer rübergesprungen. Ich habe es genau beobachtet. Also, wenn wir noch mal eine Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Reise nach Paris machen, Herr Gaebler, dann zeigen Sie Vielen Dank, Frau Abgeordnete Hämmerling! – Weitere mir das bitte, wie Sie da rüberspringen und wie Sie durch Wortmeldungen liegen nicht vor. diese zwei Glasscheiben durchkommen! Das zeigen Sie mir mal! Das geht nämlich überhaupt nicht. Ich glaube, da Zum Antrag der Fraktion der FDP empfehlen die Aus- haben Sie einiges verschlafen. schüsse mehrheitlich gegen CDU und FDP die Ableh- [Christian Gaebler (SPD): Nein! Da haben nung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den Sie was verschlafen!] bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die FDP- Auch diese Märchen mit den Kinderwagen und den Roll- Fraktion, die CDU-Fraktion, der Herr Abgeordnete Hil- stühlen – das ist doch alles dummes Zeug! lenberg und der Herr Abgeordnete Ueckert. Die Gegen- probe! – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Frak- [Beifall bei der FDP] tion Bündnis 90/Die Grünen. Letzteres ist die Mehrheit, Als wenn die die dort über die Absperrungen heben müss- und damit ist dieser Antrag abgelehnt. ten! Es ist doch alles Quatsch! Wem wollen Sie das ei- gentlich erzählen? Tagesordnungspunkt 13 steht auf der Konsensliste. Ta- gesordnungspunkt 14 war Priorität der Fraktion Bünd- Sie haben eine Verpflichtung gegenüber den Bürgerinnen nis 90/Die Grünen unter der Nummer 4.4. Der Tagesord- und Bürgern, für die Sicherheit zu sorgen. Das Einzige, nungspunkt 15 steht wiederum auf der Konsensliste. was Sie hier machen: Sie fördern die Schwarzfahrer. Das ist doch nun wirklich dummes Zeug und lächerlich! Ich rufe nun auf [Beifall bei der FDP] lfd. Nr. 16: Beschlussempfehlung Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Nord-Neukölln zum Modellquartier einer sozial-ökologischen IBA in Berlin machen Frau Hämmerling! Sie möchten erwidern und haben die Gelegenheit. – Bitte sehr! Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/4256 Antrag der Grünen Drs 16/3232 Claudia Hämmerling (Grüne): in Verbindung mit Herr von Lüdeke! Darum geht es doch überhaupt nicht. Sie haben, wahrscheinlich weil Sie so selten die Berliner Verkehrsmittel benutzen, den Unterschied zwischen unse- lfd. Nr. 17: rem S-Bahnsystem und dem Metrosystem in Paris, Lon- Beschlussempfehlung don und Moskau nicht erfasst. Das Tempelhofer Feld zum Modellprojekt für [Zurufe von der FDP] Klimaschutz und sozial-ökologische Innovationen Wir haben das Ziel – und wir sind ziemlich dicht dran –, machen einen barrierefreien ÖPNV zu schaffen. Barrierefrei heißt, Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/4257 dass Menschen mit Behinderungen, dass Rollstuhlfahrer, Antrag der Grünen Drs 16/3791 dass Menschen mit körperlichen Einschränkungen, dass

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Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Zum Antrag auf gegen CDU und Grüne bei Enthaltung der FDP – die Drucksache 16/3232 empfiehlt der Fachausschuss mehr- Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, heitlich – gegen Grüne – die Ablehnung auch mit geän- den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDU- dertem Berichtsdatum. Wer dem Antrag dennoch seine Fraktion, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Hand- fraktionslosen Kollegen. Die Gegenprobe! – Das sind die zeichen. – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? – Das ist die FDP- Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen und Fraktion. Damit ist auch der Antrag der CDU auf Druck- die Fraktion der CDU. sache 16/3932 abgelehnt. [Christoph Meyer (FDP): Wo sind wir?] Ich rufe auf – Wir sind bei der Drucksache 16/3232. – Die Fraktion der FDP ist auch dagegen. Die fraktionslosen Abgeordne- lfd. Nr. 23: ten sind ebenfalls dagegen. Damit ist dieser Antrag abge- Beschlussempfehlung lehnt. Verkehrsverbindung zwischen östlichem

Stadtraum und dem Berliner Süden schnell Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf und preiswert durch Optimierung der Drucksache 16/3791. Hierzu empfiehlt der Fachausschuss Bahnanbindung verbessern mehrheitlich – gegen Grüne – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch seine Zustimmung geben möchte, den Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/4264 bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion Antrag der Grünen Drs 16/3928 Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind die Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Zum Antrag auf CDU-Fraktion, die Koalitionsfraktionen, die FDP- Drucksache 16/3928 empfiehlt der Fachausschuss mehr- Fraktion und die fraktionslosen Kollegen. Damit ist auch heitlich – gegen CDU und Grüne bei Enthaltung der FDP dieser Antrag abgelehnt. – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das Die Tagesordnungspunkte 18 bis 21 stehen auf der Kon- sind die CDU-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die sensliste. Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfrak- tionen und die fraktionslosen Kollegen. Enthaltungen? – Ich rufe auf Das ist die FDP-Fraktion. Damit ist der Antrag auf lfd. Nr. 22: Drucksache 16/3928 abgelehnt.

a) Beschlussempfehlung Tagesordnungspunkt 23 A wurde bereits in Verbindung Regionalbahnhof Karlshorst schnellstens mit der Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erneuern unter Nummer 4. 4 behandelt. Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/4262 Antrag der Grünen Drs 16/3939 Ich rufe auf b) Beschlussempfehlung lfd. Nr. 23 B: Regionalbahnhof Karlshorst erhalten! Dringliche Beschlussempfehlung Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/4263 Entwurf des Bebauungsplans I-B4bb im Bezirk Antrag der CDU Drs 16/3932 Mitte, Ortsteil Mitte Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Zum Antrag der Beschlussempfehlung BauWohn Drs 16/4280 Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/3939 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/4137 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen CDU Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der und Grüne bei Enthaltung der FDP – die Ablehnung. Wer Fall. dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDU-Fraktion und die Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zum Bebauungsplan- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das entwurf auf Drucksache 16/4137 empfiehlt der Fachaus- sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? – Das ist die schuss einstimmig – bei Enthaltung von Grünen und FDP-Fraktion. Die fraktionslosen Kollegen? FDP – die Annahme. Wer dem Bebauungsplanentwurf [Ralf Hillenberg (fraktionslos): Wir haben zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzei- mit der CDU und den Grünen gestimmt!] chen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die CDU- Fraktion und der Abgeordnete Hillenberg. Die Gegenpro- – Sie haben mit der CDU und den Grünen gestimmt. Das be! – Enthaltungen? – Das sind die Fraktion Bünd- hat aber nicht geholfen. Der Antrag auf Drucksache nis 90/Die Grünen, die FDP-Fraktion und der Abgeordne- 16/3939 ist trotzdem abgelehnt. te Ueckert. Damit ist der Bebauungsplanentwurf ange- nommen. Zum Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 16/3932 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – Ich rufe auf

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Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki lfd. Nr. 23 C: Zum Antrag auf Drucksache 16/4049 empfiehlt der Fach- Dringliche Beschlussempfehlung ausschuss einstimmig – bei Enthaltung der CDU – die Annahme in neuer Fassung. Wer dem Antrag im Wortlaut Planreife für die Teilfläche der Änderung des der Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4290 und FNP „Adlershof – Nachnutzung Betriebsbahnhof der soeben beschlossenen neuen Überschrift zustimmen Schöneweide“, (Lfd. Nr. 08/08) im Bezirk möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das Treptow-Köpenick entsprechend dem sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion Bünd- Geltungsbereich des Bebauungsplans 9-16-1 nis 90/Die Grünen und der Herr Abgeordnete Hillenberg. sowie Entwurf des Bebauungsplans 9-16-1 im Die Gegenprobe! – Das ist der Herr Abgeordnete Ueckert. Bezirk Treptow-Köpenick, Ortsteile Johannisthal Enthaltungen? – Das sind die CDU-Fraktion und die und Adlershof FDP-Fraktion. Damit ist der Antrag in dieser Fassung Beschlussempfehlung BauWohn Drs 16/4281 angenommen. Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/4139 Der Herr Abgeordnete Schmidt von der FDP-Fraktion Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der möchte eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten ge- Fall. mäß § 72 unserer Geschäftsordnung abgeben. Sie können sie mündlich oder schriftlich abgeben. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zur Vorlage auf Drucksache 16/4139 empfiehlt der Fachausschuss mehr- [Henner Schmidt (FDP): Schriftlich!] heitlich – gegen Grüne – die Annahme. Wer der Vorlage – Sie geben das schriftlich ab. Okay, dann ist das so er- zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – folgt. Das sind die Koalitionsfraktionen, die CDU-Fraktion, die FDP-Fraktion und die fraktionslosen Kollegen. Die Ge- genprobe! – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Henner Schmidt (FDP) [schriftliche Erklärung zur Enthaltungen? – Enthaltungen kann es nicht geben. Damit Abstimmung gem. § 72 GO Abghs]: ist die Vorlage auf Drucksache 16/4139 angenommen. Ich erläutere mein Abstimmungsverhalten sowie das meiner Fraktion wie folgt: Ich komme nun zu lfd. Nr. 23 D: Es erscheint mir und meiner Fraktion erforderlich, dass das Abgeordnetenhaus eine zusätzliche gutachterliche Dringliche Beschlussempfehlung Überprüfung des Forschungsreaktors unterstützt, da durch Vollständige Sicherheitsüberprüfung des unverantwortliche Medienberichterstattung und die wahl- Berliner Forschungsreaktors vor Entscheidung kampftaktische Skandalisierung durch einige Politiker die über Weiterbetrieb Berliner Bevölkerung unnötig in Angst versetzt wurde. Aus unserer Sicht wurden dabei die Gefahren des Reak- Beschlussempfehlung GesUmVer Drs 16/4290 tors übertrieben. Es handelt sich um kein Kernkraftwerk, Antrag der Grünen Drs 16/4049 sondern um einen Forschungsreaktor mit niedriger Leis- Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD tung, der auch hinsichtlich der Größe und des radioakti- und der Fraktion Die Linke vor, Drucksache 16/4290-1. ven Inventars mit einem Kernkraftwerk nicht vergleichbar Und es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD, ist und von dem deshalb auch keine mit einem großen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Kernkraftwerk vergleichbare Risiken ausgehen. Das Linke vor, Drucksache 16/4290-2. Schüren von Ängsten erfolgte leider auf dem Rücken der ca. 800 Beschäftigten am Standort und auf dem Rücken Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der der Berliner Wissenschaftslandschaft, in der dieser Reak- Fall. tor eine unersetzliche Rolle spielt.

Eine Beratung ist nicht mehr gewünscht. Der Änderungs- Eine Überprüfung des Reaktors darf aus meiner Sicht antrag der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 16/4290- ausschließlich mit dem zusätzlichen „Anforderungskata- 1 wird zurückgezogen. Wer dem Änderungsantrag der log für anlagenbezogene Überprüfungen deutscher Kern- Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kraftwerke unter Berücksichtigung der Ereignisse in Fu- und der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/4290-2 kushima-I“ der RSK erfolgen, denn der Reaktor wurde zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – bisher bereits nach den bestehenden strengen kerntechni- Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion Bünd- schen Regelungen betrieben und regelmäßig überprüft. nis 90/Die Grünen und der Herr Abgeordnete Hillenberg. Die Gegenprobe! – Das ist der Herr Abgeordnete Ueckert. Meine Fraktion und ich unterstützen aber eine zusätzliche Enthaltungen? – Das sind die CDU-Fraktion und die Überprüfung, da nur so Ängste der Bevölkerung abgebaut FDP-Fraktion. Damit ist der Änderungsantrag auf Druck- und Vertrauen wiederhergestellt werden kann. Wir halten sache 16/4290-2 angenommen. es zudem für richtig, dass der Forschungsreaktor auch wieder in Betrieb gehen kann, wenn die genannte Son- derüberprüfung noch nicht abgeschlossen sein sollte. Dies

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Henner Schmidt wird im Antrag nicht festgehalten, was meiner Fraktion Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der und mir eine Zustimmung erschwert. Fall.

Ebenso erschwert die Behandlung der Zukunft der Zent- Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zum Antrag Druck- ralstelle für radioaktiven Abfall eine Zustimmung von mir sache 16/3943 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich und meiner Fraktion zum Antrag. Nicht nur, dass das gegen die CDU und die FDP die Ablehnung. Wer dem Land Berlin bundesrechtlich verpflichtet ist, eine solche Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Stelle bereitzuhalten, es ist auch erforderlich, gerade im Handzeichen. – Das sind die CDU-Fraktion, die fraktions- urbanen Umfeld eine hochprofessionell betriebene und losen Kollegen und die FDP-Fraktion. Die Gegenprobe! – sichere Sammelstelle ortsnah zu betreiben. U. a. müssen Das sind die Koalitionsfraktionen sowie die Grünen. schwach radioaktive medizinische Abfälle und radioakti- Enthaltungen dürfte es damit nicht geben. Damit ist die ve Funde schnell gesichert werden können. Eine Beibe- Drucksache 16/3943 abgelehnt. haltung der Zentralstelle für radioaktiven Abfall in Berlin bedeutet also mehr Sicherheit für uns alle, nicht weniger. Ich komme zur

lfd. Nr. 23 G: Da der vorliegende Antrag von der Koalition in der Aus- schusssitzung als Tischvorlage eingebracht wurde, war im Dringliche Beschlussempfehlung Ausschuss eine endgültige Bewertung der hoch komple- Dem Handwerk nicht das Handwerk legen: xen Inhalte des Antrages unmöglich. Dies ist ein Zumu- berlinweite Parkausweise für Betriebsfahrzeuge tung für das Parlament und ein Verfahren, das ich und einführen! meine Fraktion nicht unterstützen wollen. Beschlussempfehlung WiTechFrau Drs 16/4295 In der Gesamtbetrachtung der genannten Gründe haben Antrag der CDU Drs 16/4086 deshalb meine Fraktion und ich uns entschieden, uns bei Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der der Abstimmung zu enthalten. Fall.

Präsident Walter Momper: Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zum Antrag Druck- sache 1/4086 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich Ich komme zur gegen die CDU bei Enthaltung der FDP die Annahme in lfd. Nr. 23 E: neuer Fassung. Wer dem Antrag im Wortlaut der Be- schlussempfehlung Drucksache 16/4295 zustimmen Dringliche Beschlussempfehlung möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Prävention stärken und Drogenrisiken senken Koalitionsfraktionen, die Grünen, die fraktionslosen Kol- mit Drugchecking legen. Die Gegenprobe! – Das ist die CDU. Enthaltun- Beschlussempfehlung GesUmVer Drs 16/4292 gen? – Das ist die FDP. Damit ist die Drucksache 16/4086 Antrag der Grünen Drs 16/4051 angenommen.

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Ich komme zur Fall. lfd. Nr. 23 H: Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zum Antrag Druck- Dringliche Beschlussempfehlung sache 16/4051 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich Entwürfe von Bauleitplänen im Internet gegen die CDU bei Enthaltung der FDP die Annahme in veröffentlichen und Stellungnahmen über neuer Fassung. Wer dem Antrag im Wortlaut der Be- das Internet ermöglichen schlussempfehlung Drucksache 16/4292 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/4296 Grünen und die Koalitionsfraktionen. Die Gegenprobe! – Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/3302 Das ist die CDU-Fraktion sowie der Abgeordnete Ue- Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der ckert. Enthaltungen? – Das ist die FDP-Fraktion. Damit Fall. ist die Drucksache 16/4051 in neuer Fassung angenom- men worden. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zum Antrag Druck- sache 16/3302 empfiehlt der Fachausschuss einstimmig Ich komme zur mit allen Fraktionen die Annahme. Wer dem Antrag zu- lfd. Nr. 23 F: stimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Grünen, die CDU- Dringliche Beschlussempfehlung Fraktion, die FDP-Fraktion und die fraktionslosen Kolle- Zurück auf den „goldenen Boden“ – gen. Das müsste dann einstimmig sein und ist somit an- das Handwerk in Berlin stärken genommen. Beschlussempfehlung WiTechFrau Drs 16/4294 Antrag der FDP Drs 16/3943 Ich komme zur

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Präsident Walter Momper lfd. Nr. 23 I: die Ablehnung auch mit Änderung. Wer dem Antrag Dringliche Beschlussempfehlung dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Hand- zeichen. – Das sind die CDU-Fraktion, die Fraktion der 50. Jahrestag des Mauerbaus – Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfrak- Mauerweg fertigstellen tionen und die fraktionslosen Kollegen. Die Enthaltungen Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/4297 – kommen von der FDP-Fraktion. Damit ist die Drucksa- Antrag der Grünen Drs 16/3570 che 16/3981 abgelehnt.

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Ich komme zur Fall. lfd. Nr. 23 L: Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zum Antrag Druck- Dringliche Beschlussempfehlung sache 16/3570 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen CDU, Grüne und FDP die Ablehnung auch mit Vermögensgeschäft Nr. 9/2009 des Änderungen. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möch- Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte te, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/4300 CDU-Fraktion, die Grüne, die FDP-Fraktion sowie die Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß fraktionslosen Kollegen. Die Gegenprobe! – Das sind die § 38 Abs. 1 GO Abghs Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? – Damit ist der An- Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der trag abgelehnt. Fall.

Ich komme zur Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Der Hauptausschuss lfd. Nr. 23 J: hat der Vorlage einstimmig bei Enthaltung der CDU zu- Dringliche Beschlussempfehlung gestimmt. Wer dem Vermögensgeschäft Nummer 9 aus 2009 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzei- Planungsqualität für das Entrée der Hauptstadt I: chen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion Nutzungsvielfalt und gute Gestaltung für das der Grünen, die Fraktion der FDP sowie die fraktionslo- Umfeld des Hauptbahnhofs schaffen sen Kollegen. Gegenprobe! – Enthaltungen? – Das ist die Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/4298 CDU-Fraktion. Damit wurde der Vorlage zugestimmt. Antrag der Grünen Drs 16/3690 Ich komme zur Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. lfd. Nr. 23 M: Dringliche Beschlussempfehlung Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zum Antrag Druck- sache 16/3690 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich Vermögensgeschäft Nr. 16/2011 des gegen die Grünen die Ablehnung auch mit Änderung. Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/4301 ich um das Handzeichen? – Das ist die Fraktion der Grü- Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß nen. Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen, die § 38 Abs. 1 GO Abghs Fraktion der CDU, die Fraktion der FDP und die frakti- Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der onslosen Kollegen. Damit ist die Drucksache 16/3690 Fall. abgelehnt.

Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Der Hauptausschuss Ich komme nun zur hat der Vorlage einstimmig bei Enthaltung der CDU zu- lfd. Nr. 23 K: gestimmt. Wer dem Vermögensgeschäft Nummer 16 aus Dringliche Beschlussempfehlung 2011 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzei- chen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion Wieder mehr Qualität bei der Ausführung der der Grünen, die Fraktion der FDP sowie die fraktionslo- Straßensanierungsarbeiten nach Aufgrabungen sen Kollegen. Gegenprobe! – Enthaltungen? – Das ist die durch Versorgungsunternehmen! CDU-Fraktion. Damit ist auch diesem Vermögensge- Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/4299 schäft zugestimmt worden. Antrag der CDU Drs 16/3981 Ich komme zur Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zum Antrag Druck- sache 16/3981 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen die CDU und die Grünen bei Enthaltung der FDP

8252 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 85. Sitzung vom 23. Juni 2011

Präsident Walter Momper lfd. Nr. 23 N: lfd. Nr. 23 Q: Dringliche Beschlussempfehlung Dringliche Beschlussempfehlungen Weiterentwicklung des Adressraums Internet – Planungsqualität für das Entrée der Hauptstadt II: Unterstützung der Einführung der angemessene Verkehrserschließung für den Top-Level-Domain „berlin“ Hauptbahnhof schaffen Beschlussempfehlung EuroBundMedienBerlBra Beschlussempfehlungen StadtVerk und Haupt Drs 16/4302 Drs 16/4307 Antrag der CDU Drs 16/0340 Antrag der Grünen Drs 16/3691 Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Fall.

Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zum Antrag Druck- Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zum Antrag Druck- sache 16/0340 empfiehlt der Fachausschuss einstimmig sache 16/3691 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich bei Enthaltung der Grünen die Annahme in neuer Fas- gegen Grüne bei Enthaltung der FDP die Ablehnung auch sung. Wer dem Antrag im Wortlaut der Beschlussempfeh- mit Änderungen. Wer dem Antrag seine Zustimmung lung Drucksache 16/4302 zustimmen möchte, den bitte geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfrakti- ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! onen, die Fraktion der CDU, die Fraktion der FDP und – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion der die fraktionslosen Kollegen. Die Gegenprobe! – Enthal- CDU und die fraktionslosen Kollegen. Enthaltungen? – tungen? – Das ist die Fraktion der Grünen. Damit ist die Das ist die FDP-Fraktion. Damit ist die Drucksa- Drucksache 16/0340 angenommen. che 16/3691 abgelehnt.

Der Tagesordnungspunkt 23 O wurde bereits in Verbin- Ich komme dann zur dung mit der Priorität der Fraktion der FDP unter Nr. 4.1 lfd. Nr. 23 R: behandelt. Dringliche Beschlussempfehlungen Ich komme zur Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention lfd. Nr. 23 P: für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Berlin Dringliche Beschlussempfehlungen Beschlussempfehlungen IntArbBSoz und Haupt Klare Ziele und Maßnahmen und verbindliche Drs 16/4308 Verwaltungskooperationen für die „Aktionsräume Entschließungsantrag der Grünen Drs 16/3596 Plus“ Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Beschlussempfehlungen StadtVerk und Haupt Fall. Drs 16/4306

Antrag der Grünen Drs 16/3178 Zum Antrag Drucksache 16/3596 empfehlen die Aus- Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der schüsse mehrheitlich gegen CDU, Grüne und FDP die Fall. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das Zum Antrag Drucksache 16/3178 empfehlen die Aus- ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Fraktion der schüsse mehrheitlich gegen die Grünen die Ablehnung CDU und die Fraktion der FDP. Die Gegenprobe! – Das auch mit Änderung. Wer dem Antrag dennoch seine Zu- sind die Koalitionsfraktionen und die fraktionslosen Kol- stimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Hand- legen. Damit ist die Drucksache 16/3596 abgelehnt. zeichen. – Das ist die Fraktion der Grünen. Die Gegen- probe! – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion Ich komme zur der CDU, die Fraktion der FDP und die fraktionslosen lfd. Nr. 24: Kollegen. Damit ist die Drucksache 16/3178 abgelehnt. Zusammenstellung Ich komme zur Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Abs. 3 VvB Drs 16/4269 Von der Verordnung wird hiermit Kenntnis genommen.

Dann komme ich zur

8253 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 85. Sitzung vom 23. Juni 2011

Präsident Walter Momper lfd. Nr. 24 A: [Unruhe] Dringliche Volksinitiative Und Gleiches im Innenraumbereich! Wir sind einen Mei- gemäß Artikel 61 Abs. 1 VvB lenstein vorangekommen mit unserer Nichtraucherschutz- „Frische Luft für Berlin“ gesetzgebung, die jetzt dafür gesorgt hat, dass man sich nicht mehr wie früher im Gastronomiebereich im blauen Beschlussempfehlung GesUmVer Drs 16/4291 Dunst aufhalten musste. Wir haben einen Einstieg in eine Volksinitiative gemäß Artikel 61 Abs. 1 VvB sehr gute Trennung bekommen. In Berlin ist es, glaube Drs 16/4115 ich, für Nichtraucherinnen und Nichtraucher durchweg Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der möglich, eine sehr gute Gaststätte oder auch ein sehr Fall. gutes Restaurant zu finden, dort in unterschiedlichen Qualitätsstufen zu speisen und nicht belästigt zu werden. Für die Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine [Unruhe] Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Die Reihenfolge der Redner richtet sich nach der Fraktions- stärke. Es beginnt die Fraktion der SPD. Das Wort hat der Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Abgeordnete Isenberg. Entschuldigung, Herr Isenberg! – Meine Damen und

Herren! Wir haben es heute Abend bald geschafft. Dann Thomas Isenberg (SPD): gehen wir alle in die Sommerpause. Vielleicht können Sie Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe sich jetzt noch ein bisschen konzentrieren und Herrn Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich danke für meine Isenberg zuhören! – Danke! Fraktion der Volksinitiative „Frische Luft für Berlin“ für ihr fantastisches Engagement. Ihr Engagement trägt dazu Thomas Isenberg (SPD): bei, die Demokratie zu stabilisieren. Es ist gut, wenn das Wir sind hier weiter als vor fünf Jahren. Das Ergebnis ist Recht, das das Parlament gewährt hat, dass zu wichtigen gut. Sicherlich, es gibt in einigen Bezirken noch Umset- Themen in der Stadtgesellschaft Volksinitiativen durchge- zungsdefizite. Da werden wir auch noch besser werden, führt werden, diese eine Diskussion vorantreiben und aber das Glas ist nicht halb leer, es ist halb voll, und dar- damit insgesamt einen Resonanzboden für unsere Diskus- auf sind wir stolz hier in Berlin. sionen bilden. Nur so kann Demokratie wirklich bürger- orientiert sein. Herzlichen Dank für Ihr Engagement! [Beifall bei der SPD] [Beifall bei der SPD – Gucken wir uns mal die weiteren Inhalte dessen an, was Vereinzelter Beifall bei den Grünen die Volksinitiative möchte! Ja, ich wundere mich auch, und der FDP] wenn Patientinnen und Patienten, die frisch an Herz- oder anderen Erkrankungen im Krankenhaus operiert worden Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren von der sind, am nächsten Tag gleich wieder rauchen müssen. Volksinitiative, es ist eine Volksinitiative, und Sie hatten Aber ihnen nicht die Möglichkeit zu bieten, in einem das Recht, damit im Parlament ein Thema zur Diskussion Krankenhaus ihrer Sucht nachzukommen, ist die falsche zu stellen. Das war gut. Der Gesundheitsausschuss hat Lösung. Wir müssen natürlich mehr gesundheitsfördernde sich sehr ausführlich mit allen Aspekten dieser Initiative Krankenhäuser etablieren, die auch Nichtrauchertherapien befasst. Im Ergebnis kommen wir zu der Erkenntnis, dass anbieten. Ja, wir müssen auch schauen, dass die Raucher- dem Anliegen damit Genüge getan ist. Es ist eben keine zonen deutlicher sind, aber so dramatisch, wie es von der Volksgesetzgebung, es ist eine Volksinitiative, die ein Volksinitiative gefordert wird, ist die Situation ja nun Thema zur Diskussion stellt. wirklich nicht.

Lassen Sie mich inhaltlich sagen: Die Luft in Berlin ist [Unruhe] frisch und super. Wir werden in der nächsten Legislaturperiode auch eine [Beifall bei der Linksfraktion] Präventionsoffensive starten, denn das Übel müssen wir da anpacken, wo Menschen rauchen. Jede Zigarette, die Wir sind spitze bei den Großstädten in Deutschland, wenn jemand raucht, ist eine Zigarette zu viel. Zigarettenqualm es darum geht, saubere Luft zu haben, wie gerade die ist das Problem hauptsächlich für diejenigen, die inhalie- aktuelle Siemens-Studie zeigt. Die Umweltzone in Berlin ren müssen und es aufgrund ihrer Abhängigkeit von die- schafft saubere Luft in der Stadt – ein Erfolg dieser Lan- sem Suchtmittel auch tun. Da reicht diese Initiative von desregierung! ihrem Ansatz her bei Weitem nicht aus. [Unruhe – Henner Schmidt (FDP): Ha, ha!] Und schauen wir uns doch mal an, was auf den Spielplät- Schauen Sie in die aktuelle Berichterstattung auch der zen los ist! Hier wird suggeriert, wir hätten einen landes- Umwelthilfe hinein: Berlin und Hannover sind die einzi- politischen Gestaltungsbedarf. Das ist nicht der Fall. Vie- gen Städte, wo die Umweltzone strikt kontrolliert wird. le Bezirke haben schon jetzt Rauchverbote implementiert. Überall woanders ist die Luft de facto verpestet. Da, wo es ein Problem geben sollte, machen die Bezirke das auch schon heute.

8254 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 85. Sitzung vom 23. Juni 2011

Thomas Isenberg Aber was ist Ihnen denn lieber? Ist es Ihnen lieber, dass berg! Ich versuche, mich kürzer zu fassen, und wünsche 30 Prozent der Kinder in Haushalten aufwachsen, wo wir etwas früher – einen schönen Sommer! de facto Raucherinnen und Raucher als Eltern haben, wo [Beifall bei der CDU – die Luft im privaten Raum häufig schon verpestet ist? Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] Oder ist es Ihnen lieber, wenn die Eltern ihre Kinder nehmen und über die Straße spazieren gehen, an die fri- sche Luft von Berlin, und unter Umständen dann dort Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: rauchen, wenn sie denn unbedingt rauchen müssen? Das ist besser für die Kinder, als in der Öffentlichkeit grund- Vielen Dank, Herr Abgeordneter Czaja! – Für die Frakti- sätzliche Verbote einzuführen. Mit der SPD-Fraktion und, on Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete ich glaube, auch mit der Mehrheit dieses Hauses wollen Kosche das Wort. wir nicht eine Stigmatisierungsdebatte führen, die jeden Raucher in der Öffentlichkeit per se quasi kriminalisiert. [Christoph Meyer (FDP): Mehr Bevormundung!] [Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] Heidi Kosche (Grüne): Fazit: Es bleibt viel zu tun in der Präventionspolitik, si- cherlich! Aber das Anliegen der Volksinitiative ist zu Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Ich möchte kurz gegriffen. Wir werden das Thema weiter bearbeiten. hier besonders die Änderungen zur Beschlussempfehlung – Ich wünsche Ihnen schöne Ferien. Denken Sie daran: des Gesundheitsausschusses begründen, denn der Schutz Jede Zigarette, die Sie rauchen, ist für Sie selbst eine zu der Berlinerinnen und Berliner vor dem passiven Rauchen viel. Rauchen ist gesundheitsschädlich. Lassen Sie es in Berlin ist mehr als mangelhaft. Auch die Situation der sein, es ist besser für Sie – und vielleicht auch schöner für Menschen, die rauchen, ist in diesem Zusammenhang Ihre Nachbarn! – Vielen Dank! schlecht. [Beifall bei der SPD – [Zuruf von Torsten Schneider (SPD)] Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] Wir haben den Änderungsantrag gestellt, in dem das Ab- geordnetenhaus den Senat von Berlin auffordert, weitere Schritte zum Schutz vor Passivrauchen einzuleiten und Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: dazu einen gesetzlichen Neuregelungsvorschlag zu ma- Vielen Dank, Herr Abgeordneter Isenberg! – Für die chen. Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Czaja das [Beifall bei den Grünen] Wort. Für die Menschen, die vor dem Passivrauchen geschützt werden möchten, sind die derzeitigen Regelungen durch Mario Czaja (CDU): das Gesetz, das verkürzt Nichtraucherschutzgesetz ge- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine nannt wird und im Mai 2009 in diesem Haus verabschie- Herren! Die vielen Tausend Unterschriften der Volksiniti- det wurde, überwiegend wirkungslos. Auch hier, Herr ative „Frische Luft für Berlin“ zeigen, dass es ein Defizit Regierender Bürgermeister, hinsichtlich des derzeitigen Nichtraucherschutzgesetzes [Mario Czaja (CDU): Jetzt sind Sie wieder schuld!] gibt. Wir haben uns im Ausschuss intensiv damit beschäf- tigt, daher gilt natürlich der Dank dieser Volksinitiative. musste Ihnen das Volk von Berlin sagen, [Beifall bei der CDU] [Torsten Schneider (SPD): Aber jetzt nicht weinen, Mensch!] Aber die Dinge, die die Volksinitiative kritisiert hat, wa- ren keine, die im Gesetz fehlen, sondern es war ein Um- wie schlecht es Ihre Regelungen zum Gesundheitsschutz setzungsdefizit. Wir haben Probleme bei der Ausstattung findet. Viele Tausend Menschen haben die Volksinitiative der Ordnungsämter, wir haben Probleme bei den Kontrol- „Frische Luft für Berlin“ unterstützt und wollen ein besse- len, wir haben Probleme bei einigen Fragen im Gesetz, res Gesetz und dadurch einen absoluten Schutz in den wie beispielsweise beim Thema Kinderspielplätze – eine öffentlichen Räumen des Landes Berlin. Forderung, die die CDU-Fraktion damals in die Gesetzes- debatte eingebracht hat und die von Rot-Rot leider abge- An dieser Stelle möchten wir uns auch als Fraktion Bünd- lehnt wurde. nis 90/Die Grünen dem Dank für die Initiative „Frische Luft“ anschließen und möchten besonders für ihr Enga- Deswegen unterstützen wir den Ergänzungsantrag zu der gement danken, denn wir haben kürzlich im Gesundheits- Erledigungserklärung, die die Grünen heute eingebracht ausschuss von dieser Initiative vorgetragen bekommen, haben, weil das Thema Kinderspielplätze und das Thema wie viele Stunden sie nachts durch die Berliner Gaststät- Krankenhauseingänge dabei noch mal explizit zum Aus- ten, Kneipen und Discoszene gezogen sind, druck kommen. An sich haben wir im Ausschuss die [Andreas Gram (CDU): Das habe ich wesentlichen Dinge dazu diskutiert, Herr Kollege Isen- früher auch gemacht!]

8255 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 85. Sitzung vom 23. Juni 2011

Heidi Kosche um Unterschriften zu sammeln, aber auch, um sich vor Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Ort einen Eindruck von der Situation zu machen. Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kosche! – Für die Links- [Beifall bei den Grünen] fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Albers das Das haben sie auch getan, um uns als Gesetzgeberin Ar- Wort. gumente dafür zu geben, warum das Gesetz besser wer- den muss. Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion):

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Die Wir möchten ein Gesetz, das keine Nebenraumregelung Volksinitiative „Frische Luft für Berlin“ bittet die Mit- hat, denn die Giftstoffe aus den Nebenräumen kontami- glieder des Abgeordnetenhauses, sich mit dem Anliegen nieren sehr schnell alle Räume, auch den Hauptraum, in der Initiative zu beschäftigen. Das haben wir in einer dem sich die Menschen aufhalten und sich darin sicher Sitzung des Gesundheitsausschusses umfassend getan. wähnen. Das tun wir jetzt hier in der Debatte. [Andreas Gram (CDU): Das wissen wir alles!] – Sie alle hier wissen das, aber die Menschen, die sich in Die in der Begründung der Initiative genannten Fakten die Restaurants begeben, die Nebenräume haben, wissen sprechen für sich. Das Grundanliegen der Initiative, wei- das nicht. Wir finden das nach wie vor grob fahrlässig. teres Problembewusstsein in Sachen Nichtraucherschutz zu schaffen, ist uneingeschränkt zu unterstützen. Die Dis- [Beifall bei den Grünen – kussion, die die Volksinitiative jetzt durch ihre Aktion er- Mieke Senftleben (FDP): neut entfacht hat, ist im Sinn einer umfassenden Aufklä- Wir wissen das auch, Frau Kosche!] rungsarbeit, als Bestandteil einer solchen, zu verstehen Das bedeutet auch, dass die Regelungen, die es für Shi- und zu würdigen. Es bleibt auf der Tagesordnung. Mehr sha-Kneipen derzeit gibt, neu gefasst werden müssen, Reglementierung allerdings erscheint mir eher kontrapro- denn nur Shisha-Kneipen ohne Speisen und Getränke gibt duktiv. Ich denke, es ist genug gesagt. Ich denke auch, ich es in diesem Land Berlin nirgendwo. ergreife jetzt die Initiative frische Luft für uns und belasse es dabei. – Vielen Dank! [Mario Czaja (CDU): Die grüne Wasserbombe!] [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Das bedeutet auch, dass die Kleinkneipenregelungen ver- Heiterkeit – schwinden müssen, denn die Einzelpächter, diese soge- Martina Michels (Linksfraktion): Super!] nannten Einfamilienbetriebe oder wie immer sie genannt werden, haben Menschen angestellt, die auch den Schutz genießen dürfen, einen rauchfreien Arbeitsplatz zu haben. Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: [Beifall bei den Grünen] Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Herr Zwei Forderungen der Volksinitiative möchten wir gerne Abgeordnete Thiel das Wort. in einem neuen Nichtraucherschutzgesetz zusätzlich se- hen: einmal das Rauchverbot auf allen öffentlichen Spiel- Volker Thiel (FDP): plätzen, besonders wegen möglicher Vergiftungsgefahr der Kinder, wenn sie Kippen in den Mund nehmen. Und Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Her- wir möchten, dass im Eingangsbereich aller öffentlichen ren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde Gesundheitseinrichtungen das Rauchen untersagt wird. mich nicht an dem Wettbewerb um die kürzeste Rede Bei dem letzten Punkt ist uns zusätzlich noch eines wich- heute Abend beteiligen. tig: Wir sind der Meinung, dass die Raucherinnen und [Martina Michels (Linksfraktion): Schade!] Raucher mit Respekt behandelt werden müssen. Sie soll- Dank den Kollegen Albers und Czaja haben wir ja ein ten sich in diesen Eingangsbereichen nicht immer so bisschen Zeit gespart, sodass wir sicherlich noch vor rumdrücken und da stehen müssen, sondern sie sollten da 22 Uhr dieses Haus verlassen werden, eine Gelegenheit bekommen, eine kleine Holzhütte oder irgendwas, damit sie sich da einfach aufhalten und mit [Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Er raucht Respekt behandelt werden. Zigarren, glauben Sie ihm kein Wort!] [Andreas Gram (CDU): Ein Zelt! – – genau –, und dann werde ich der Sucht frönen und mir Björn Jotzo (FDP): Mit Pritsche! – meine Zigarre anstecken, sie haben recht. Mario Czaja (CDU): Vielleicht einen Swimmingpool?] [Beifall bei der FDP – All diese Änderungen wollen wir in einem neuen Gesetz Vereinzelter Beifall bei der SPD – sehen. Deswegen haben wir diesen Änderungsantrag hier Heiterkeit] heute eingebracht. – Danke Ihnen! Aber erst einmal gilt auch unser Respekt der Volksinitia- [Beifall bei den Grünen] tive, und vor allen Dingen in zwei Richtungen. Wir hatten gemeinsam die Verfassung geändert, damit so etwas mög-

lich wird, nicht wissend, ob es überhaupt tragen kann. Sie haben gezeigt, dass es mit sehr viel Einsatz und Enga-

8256 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 85. Sitzung vom 23. Juni 2011

Volker Thiel gement möglich ist und hatten immerhin dann auch den auch offensichtlich und bekannt: Man kann nicht mit Ver- Erfolg, Sie haben es ja dargestellt, Kollege Albers, in den boten Menschen zu ihrem Glück zwingen, sondern man Ausschüssen intensiv, mit Anhörungen beraten zu werden muss hier anfangen, an Einsicht und den Verstand zu und hier heute als krönender Abschluss vor unserer für appellieren, um dann auch Umsetzungen machen zu kön- alle verdienten Sommerpause noch einmal debattiert zu nen. werden. Genauso: Sie wollen das seriös behandelt haben, das Allerdings, so richtig neue Erkenntnisse haben sich auf- Recht haben Sie, aber ich finde es ein bisschen schwer grund der schriftlichen Vorlagen, die Sie uns zugestellt vorstellbar. Sie sagen, vor Krankenhäusern sollte auf den haben, nicht unbedingt ergeben. Wir haben sie hier sehr Freiflächen nicht geraucht werden, aber vielleicht könnte intensiv und, ich finde, sehr seriös im Rahmen des Nicht- man da Rauchinseln aufstellen. Ja, dann frage ich mich: raucherschutzgesetzes miteinander debattiert, wie weit Warum so bescheiden? Warum denn dann nicht auch wir gehen können. Es gibt immer ein Problem, gerade grundsätzlich ein Rauchverbot auf der Straße vor den auch für Liberale. Wir müssen auf der einen Seite sicher- Schulen, vor den Kindertagesstätten, vor Arztpraxen, vor lich den Raucherschutz, den Passivraucherschutz stärken, öffentlichen Ämtern – überall dort? Dann hätten Sie es auf der anderen Seite können wir aber nicht die freie auch endgültig erreicht, dann darf ich auch nicht mehr vor Berufsausübung, beispielsweise von Gastronomen oder dem Abgeordnetenhaus rauchen, denn das ist ja auch ein Kaffeehausbetreibern, hier kassieren. In diesem Spagat öffentlicher Platz. bewegt man sich immer, wenn man mit Verboten arbeitet. [Vereinzelter Beifall bei den Grünen] Insofern sind auch Ihre drei Punkte, die Sie haben, bis auf einen, mit dem ich gleich beginnen werde, sehr kritisch zu Sie merken schon, man kann ein seriöses Unterfangen sehen. auch dadurch, dass man es nicht zu Ende denkt, sehr leicht der Lächerlichkeit preisgeben. Das wollen wir Auf Kinderspielplätzen nicht zu rauchen, ja, es ist auch nicht. Das Anliegen ist seriös. Aber Sie merken auch an heute schon möglich, dass das die Bezirke beschließen, meiner Intention, dass wir diesen Forderungen nicht bei- denn die meisten Kinderspielplätze sind in bezirklicher treten werden, dass wir sie nicht unterstützen werden. Verantwortung. Jeder, der einen Kinderspielplatz betreibt, Und auf gleicher Ebene liegt der Antrag der Grünen, den kann eine Ordnung erlassen. Ich würde sogar einen wir auch nicht unterstützen werden, denn es ist ein reiner Schritt weiter gehen und sagen, nicht nur das Rauchen ist Gefälligkeitsantrag ohne eigene Substanz. das Problem, mich stören streunende Hunde auf Kinder- [Beifall bei der FDP, der SPD und der Linken] spielplätzen, auch die gehören da nicht hin. Da ich nun sehr wahrscheinlich der letzte Debattenredner [Beifall bei der FDP – des heutigen Tages sein werde, erlaube ich mir, im Rah- Vereinzelter Beifall bei der SPD –‚ men meiner Redezeit Ihnen allen einen erholsamen und Mieke Senftleben (FDP): Alkohol!] schönen Urlaub zu wünschen. Freuen Sie sich alle mit Mich stören genauso biertrinkende Anwesende auf Kin- mir: Gleich dürfen wir an die frische Luft. derspielplätzen, auch die gehören da nicht hin. [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Rauchen Sie [Beifall bei der FDP – nicht so viel!] Vereinzelter Beifall bei der SPD] Auf Wiedersehen! Warum dann nur den Leuten, die dort an der Seite auf der [Beifall bei der FDP, der SPD und der Linksfraktion] Bank sitzend eine qualmen, das untersagen?

[Volker Ratzmann (Grüne): Und wenn das Kind die Kippe futtert?] Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Dann sollte man überlegen, dass man eine vernünftige Vielen Dank, Herr Abgeordneter Thiel! – Weitere Wort- Ordnung – nicht ein Gesetz! – für die Kinderspielplätze meldungen liegen nicht vor. bräuchte und das vor allen Dingen dann umsetzen, das ist ja immer das Problem dabei. Zunächst lasse ich über den Änderungsantrag der Grünen abstimmen. Wer dem Änderung auf Drucksache [Beifall bei der FDP – 16/4291-1 zustimmen möchte, den bitte ich um das Hand- Mieke Senftleben (FDP): Richtig!] zeichen! – Das sind die Grünen und die CDU. Die Ge- Sie haben die Forderung aufgestellt, schärfere oder gar genprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen und die keine Ausnahmen mehr für die Gastronomie zu erlassen. FDP. Letzteres war die Mehrheit. Enthaltungen kann es Hier, habe ich bereits gesagt, sind wir anderer Ansicht. nicht geben. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt. Inhabergeführte Eckkneipen oder Cafés sollten nach wie vor die Möglichkeit haben, durch Kennzeichnung, so wie Dann stimmen wir über die Beschlussempfehlung des das jetzt der Fall ist, sich entsprechend auch als Raucher- Fachausschusses ab. Wer der Drucksache 16/4291 zu- gaststätte oder Rauchercafé anzubieten. Dass das Risiko stimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – dort bei den Besuchern und bei den Betreibern liegt, ist Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion der CDU offensichtlich und ist auch bekannt. Aber eins ist doch und die Fraktion der FDP. Die Gegenprobe! – Das sind

8257 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 85. Sitzung vom 23. Juni 2011

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki die Grünen. Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist der Drucksache 16/4291 zugestimmt.

Ich stelle fest, dass die Behandlung der Volksinitiative im Abgeordnetenhaus entsprechend den Vorgaben des § 9 Abstimmungsgesetz durchgeführt worden ist.

Der Tagesordnungspunkt 25 war Priorität der Fraktion der CDU unter der Nummer 4.3.

Ich komme zur lfd. Nr. 26: Antrag Kinder besser schützen – Senat hat die Pflicht, das Netzwerk Kinderschutz zu stabilisieren und auszubauen Antrag der CDU Drs 16/4213 Der Antrag soll heute vertagt werden. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Der Tagesordnungspunkt 27 war Priorität der Fraktion Die Linke unter Nummer 4.5. Der Tagesordnungspunkt 28 war Priorität der Fraktion der SPD unter Nummer 4.2. Der Tagesordnungspunkt 29 wurde in Verbindung mit der Aktuellen Stunde unter Tagesordnungspunkt 3 aufgeru- fen. Die Tagesordnungspunkte 30 und 31 stehen auf der Konsensliste.

Meine Damen und Herren! Das war unsere heutige Sit- zung. Die nächste Sitzung findet am Donnerstag, dem 1. September 2011 um 13 Uhr statt.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen ebenfalls einen schönen Urlaub und hoffentlich ein erneutes schö- nes Sommermärchen. Auf Wiedersehen!

[Schluss der Sitzung: 21.53 Uhr]

8258 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 85. Sitzung vom 23. Juni 2011

Anlage 1

Namentliche Abstimmung Gesetz zur Aufhebung des Straßenausbaubeitragsgesetzes (StrABG) Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/4008

Fraktion der SPD Wildenhein-Lauterbach, Bruni nein Wowereit, Klaus nein Arndt, Dr. Michael nein Zackenfels, Stefan nein Buchholz, Daniel nein Zimmermann, Frank nein Dörstelmann, Florian nein Felgentreu, Dr. Fritz nein Fraktion der CDU Flesch, Kirsten nein Fugmann-Heesing, Dr. Annette nein Braun, Michael ja Gaebler, Christian nein Brauner, Matthias ja Grosse, Burgunde nein Bung, Stefanie ja Harant, Renate nein Czaja, Mario ja Haußdörfer, Ellen nein Demirbüken-Wegner, Emine ja Hertel, Anja nein Dietmann, Michael ja Hildebrandt, Petra nein Friederici, Oliver ja Hilse, Torsten nein Goetze, Uwe ja Isenberg, Thomas nein Görsch, Margit ja Jahnke, Frank nein Goiny, Christian ja Jauch, Andy nein Graf, Dr. Florian ja Kitschun, Dr. Susanne nein Gram, Andreas ja Kleineidam, Thomas nein Heide, Dr. Manuel ja Köhler, Dr. Andreas nein Henkel, Frank ja Kohlmeier, Sven nein Hoffmann, Gregor ja Kolat, Dilek nein Juhnke, Dr. Robbin ja Krug, Günther nein Körber, Scott ja Kugler, Andreas nein Kroll, Marion ja Lange, Brigitte nein Lehmann-Brauns, Dr. Uwe ja Leder, Jutta - Luchterhand, Joachim ja Lehmann, Rainer-Michael nein Luther, Dr. Peter ja Momper, Walter nein Melzer, Heiko ja Monteiro, Birgit nein Pflüger, Dr. Friedbert ja Müller, Christa nein Rissmann, Sven ja Müller, Michael nein Scholz, Olvier ja Neumann, Ulrike nein Schwenkow, Peter ja Nolte, Karlheinz nein Seibeld, Cornelia ja Oberg, Lars nein Statzkowski, Andreas ja Ollech, Liane nein Steuer, Sascha ja Pauzenberger, Markus nein Thamm, Monika ja Radziwill, Ülker nein Trapp, Peter ja Saleh, Raed nein Wansner, Kurt ja Schaddach, Robert nein Dr. Wegner, Michael ja Scheeres, Sandra nein Weingartner, Albert ja Schneider, Torsten nein Wilke, Carsten ja Schreiber, Tom nein Zimmer, Nicolas ja Seidel-Kalmutzki, Karin nein Stroedter, Jörg nein Linksfraktion Tesch, Dr. Felicitas nein Thärichen, Dr. Holger nein Albers, Dr. Wolfgang nein Tietje, Claudia nein Baba-Sommer, Evrim nein Treichel, Peter nein Barth, Dr. Margrit nein Wechselberg, Carl nein Brauer, Wolfgang nein Wieland, Ralf nein Breitenbach, Elke nein

8259 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 85. Sitzung vom 23. Juni 2011

Doering, Uwe nein Fraktion der FDP Dott, Minka nein Flierl, Dr. Thomas nein Czaja, Sebastian ja Hiller, Dr. Gabriele nein Dragowski, Mirco ja Holzheuer-Rothensteiner, Bärbel nein Gersch, Kai ja Karci, Kadriye nein Jotzo, Björn ja Klemm, Gernot nein Kluckert, Dr. Sebastian ja Lederer, Dr. Klaus nein Lüdeke von, Klaus-Peter ja Matuschek, Jutta nein Meyer, Christoph ja Michels, Martina nein Schmidt, Henner ja Platta, Marion nein Senftleben, Mieke ja Sayan, Giyasettin nein von Stieglitz, Sylvia ja Seelig, Marion nein Thiel, Volker ja Weiß, Mari nein Wolf, Udo nein Fraktionslose Abgeordnete Zillich, Steffen nein Zotl, Dr. Peter-Rudolf nein Hillenberg, Ralf nein Stadtkewitz, René - Fraktion der Grünen Ueckert, Rainer ja

Basedow, Sebastian nein Bayram, Canan nein Behrendt, Dirk nein Birk, Thomas nein Eichstädt-Bohlig, Franziska nein Esser, Joachim - Hämmerling, Claudia nein Herrmann, Clara - Jantzen, Elfi nein Kofbinger, Anja - Kosche, Heidi nein Kubala, Felicitas nein Lux, Benedikt - Mutlu, Özcan nein Otto, Andreas nein Pop, Ramona nein Ratzmann, Volker nein Schäfer, Michael nein Schillhaneck, Anja nein Schneider, Astrid nein Schruoffeneger, Oliver nein Ströver, Alice nein Villbrandt, Jasenka nein Ziller, Stefan nein

8260 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 85. Sitzung vom 23. Juni 2011

Anlage 2

Namentliche Abstimmung Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin (Wahlrecht für Drittstaatsangehörige zu Bezirksverordnetenversammlungen) Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/3860

Fraktion der SPD Wieland, Ralf nein Wildenhein-Lauterbach, Bruni nein Arndt, Dr. Michael nein Wowereit, Klaus nein Buchholz, Daniel nein Zackenfels, Stefan nein Dörstelmann, Florian nein Zimmermann, Frank nein Felgentreu, Dr. Fritz nein Flesch, Kirsten nein Fraktion der CDU Fugmann-Heesing, Dr. Annette nein Gaebler, Christian nein Braun, Michael nein Grosse, Burgunde nein Brauner, Matthias nein Harant, Renate nein Bung, Stefanie nein Haußdörfer, Ellen nein Czaja, Mario nein Hertel, Anja nein Demirbüken-Wegner, Emine - Hildebrandt, Petra nein Dietmann, Michael nein Hilse, Torsten nein Friederici, Oliver nein Isenberg, Thomas nein Goetze, Uwe nein Jahnke, Frank nein Görsch, Margit nein Jauch, Andy nein Goiny, Christian nein Kitschun, Dr. Susanne nein Graf, Dr. Florian nein Kleineidam, Thomas nein Gram, Andreas nein Köhler, Dr. Andreas nein Heide, Dr. Manuel - Kohlmeier, Sven nein Henkel, Frank nein Kolat, Dilek nein Hoffmann, Gregor nein Krug, Günther nein Juhnke, Dr. Robbin nein Kugler, Andreas nein Körber, Scott nein Lange, Brigitte nein Kroll, Marion nein Leder, Jutta - Lehmann-Brauns, Dr. Uwe nein Lehmann, Rainer-Michael nein Luchterhand, Joachim nein Momper, Walter nein Luther, Dr. Peter nein Monteiro, Birgit - Melzer, Heiko nein Müller, Christa nein Pflüger, Dr. Friedbert nein Müller, Michael nein Rissmann, Sven nein Neumann, Ulrike nein Scholz, Olvier nein Nolte, Karlheinz nein Schwenkow, Peter - Oberg, Lars nein Seibeld, Cornelia nein Ollech, Liane - Statzkowski, Andreas nein Pauzenberger, Markus nein Steuer, Sascha nein Radziwill, Ülker nein Thamm, Monika nein Saleh, Raed nein Trapp, Peter nein Schaddach, Robert nein Wansner, Kurt nein Scheeres, Sandra nein Dr. Wegner, Michael nein Schneider, Torsten nein Weingartner, Albert nein Schreiber, Tom nein Wilke, Carsten nein Seidel-Kalmutzki, Karin nein Zimmer, Nicolas nein Stroedter, Jörg nein Tesch, Dr. Felicitas nein Linksfraktion Thärichen, Dr. Holger nein Tietje, Claudia nein Albers, Dr. Wolfgang nein Treichel, Peter nein Baba-Sommer, Evrim nein Wechselberg, Carl nein Barth, Dr. Margrit nein

8261 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 85. Sitzung vom 23. Juni 2011

Brauer, Wolfgang nein Fraktion der FDP Breitenbach, Elke nein Doering, Uwe nein Czaja, Sebastian nein Dott, Minka nein Dragowski, Mirco - Flierl, Dr. Thomas nein Gersch, Kai nein Hiller, Dr. Gabriele nein Jotzo, Björn nein Holzheuer-Rothensteiner, Bärbel nein Kluckert, Dr. Sebastian nein Karci, Kadriye nein Lüdeke von, Klaus-Peter nein Klemm, Gernot nein Meyer, Christoph nein Lederer, Dr. Klaus nein Schmidt, Henner nein Matuschek, Jutta nein Senftleben, Mieke nein Michels, Martina nein von Stieglitz, Sylvia nein Platta, Marion nein Thiel, Volker nein Sayan, Giyasettin nein Seelig, Marion nein Fraktionslose Abgeordnete Weiß, Mari nein Wolf, Udo nein Hillenberg, Ralf nein Zillich, Steffen nein Stadtkewitz, René - Zotl, Dr. Peter-Rudolf nein Ueckert, Rainer nein

Fraktion der Grünen

Basedow, Sebastian ja Bayram, Canan ja Behrendt, Dirk ja Birk, Thomas ja Eichstädt-Bohlig, Franziska ja Esser, Joachim ja Hämmerling, Claudia ja Herrmann, Clara - Jantzen, Elfi ja Kofbinger, Anja - Kosche, Heidi ja Kubala, Felicitas ja Lux, Benedikt ja Mutlu, Özcan ja Otto, Andreas ja Pop, Ramona ja Ratzmann, Volker ja Schäfer, Michael ja Schillhaneck, Anja ja Schneider, Astrid ja Schruoffeneger, Oliver ja Ströver, Alice ja Villbrandt, Jasenka ja Ziller, Stefan ja

8262 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 85. Sitzung vom 23. Juni 2011

Anlage 3

Konsensliste

Vorbehaltlich von sich im Laufe der Plenarsitzung ergebenden Änderungen haben Ältestenrat und Geschäftsführer der Fraktionen vor der Sitzung empfohlen, nachstehende Tagesordnungspunkte ohne Aussprache wie folgt zu behandeln:

Lfd. Nr. 8: Beschlussempfehlungen Lfd. Nr. 15: Beschlussempfehlung Standortprüfung für die Stiftung Zentral- und Autobahnsanierung mit bestmöglichem Landesbibliothek Berlin (ZLB) Lärmschutz Beschlussempfehlungen Kult und Haupt Drs 16/4176 Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/4255 Antrag der Grünen Drs 16/2839 Antrag der Grünen Drs 16/3977 mehrheitlich gegen Grüne und FDP bei Enthaltung mehrheitlich gegen CDU und Grüne bei Enthaltung CDU abgelehnt FDP abgelehnt Lfd. Nr. 9: Beschlussempfehlung Lfd. Nr. 18: Beschlussempfehlung Spitzensport fördern – Vereinbarung von Mehr Sicherheit auf dem Schulweg akademischer sowie beruflicher Bildung und Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/4258 Spitzensport verbessern! Antrag der FDP Drs 16/3529 Beschlussempfehlung Sport Drs 16/4224 mehrheitlich gegen CDU, Grüne und FDP abgelehnt Antrag der FDP Drs 16/3282 Lfd. Nr. 19: Beschlussempfehlung mehrheitlich gegen FDP bei Enthaltung CDU und Grüne abgelehnt Zulässige Höchstgeschwindigkeit an Verkehrsunfallschwerpunkten absenken – Lfd. Nr. 10: Beschlussempfehlung Unfallzahlen und Personenschäden minimieren „Brain Waste“ vermeiden – Anerkennung von Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/4259 im Ausland erworbenen Abschlüssen Antrag der Grünen Drs 16/3307 Beschlussempfehlung WissForsch Drs 16/4248 mehrheitlich gegen Grüne auch mit geändertem Antrag der Grünen Drs 16/2442 Berichtsdatum „31. August 2011“ abgelehnt mehrheitlich gegen CDU, Grüne und FDP auch mit Lfd. Nr. 20: Beschlussempfehlung geändertem Berichtsdatum abgelehnt Endlich mehr Sauberkeit an Bahnanlagen! Lfd. Nr. 11: Beschlussempfehlungen Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/4260 Öffentlichen Beschäftigungssektor endlich Antrag der CDU Drs 16/3208 evaluieren und bei fehlendem Nachweis positiver Effekte abschaffen! mehrheitlich gegen CDU, Grüne und FDP auch mit geändertem Berichtsdatum „31. August 2011“ Beschlussempfehlungen IntArbBSoz und Haupt abgelehnt Drs 16/4249 Antrag der FDP Drs 16/3991 Lfd. Nr. 21: Beschlussempfehlung vertagt Alte Bahnverbindung nach Usedom wieder herstellen Lfd. Nr. 13: Beschlussempfehlungen Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/4261 S-Bahneinbehalt für Maßnahmen zu mehr Antrag der CDU Drs 16/3418 Barrierefreiheit verwenden! mehrheitlich gegen CDU und Grüne auch mit Beschlussempfehlungen StadtVerk und Haupt geändertem Berichtsdatum „31. August 2011“ Drs 16/4253 abgelehnt Antrag der FDP Drs 16/3787 Lfd. Nr. 30: Antrag mehrheitlich gegen CDU und FDP bei Enthaltung Grüne auch mit geändertem Berichtsdatum Ehrenamt stärken – Verordnung zur Einführung „31. August 2011“ abgelehnt des „Feuerwehrführerscheins“ schaffen Antrag der CDU Drs 16/4272 an InnSichO

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Lfd. Nr. 31 a: Antrag Berlin braucht liberale Konzepte (I) – eine verheerende Bilanz von zehn Jahren rot-roter Politik Antrag der FDP Drs 16/4273 vertagt Lfd. Nr. 31 b: Antrag Berlin braucht liberale Konzepte (II) – liberale Politik für 2011 bis 2016 Antrag der FDP Drs 16/4274 vertagt

8264 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 85. Sitzung vom 23. Juni 2011

Anlage 4

Beschlüsse des Abgeordnetenhauses

Wohnungsmarkt sozial gestalten (I): Stellungnahme des Senats zum Bericht des Kündigungsschutz bei Wohnungsumwandlungen Berliner Beauftragten für Datenschutz und verlängern und erweitern Informationsfreiheit für das Jahr 2009 Der Senat wird aufgefordert, spätestens zum 1. Septem- Das Abgeordnetenhaus empfiehlt, die Stellungnahme des ber 2011 eine Verordnung gemäß § 577a Abs. 2 BGB Senats zum Bericht des Berliner Beauftragten für Daten- über den verlängerten Kündigungsschutz bei Umwand- schutz und Informationsfreiheit für das Jahr 2009 unter lung einer Mietwohnung in eine Eigentumswohnung mit der Maßgabe folgender Beschlüsse zur Kenntnis zu neh- der Maßgabe einer Kündigungssperrfrist von sieben Jah- men: ren vor Eigenbedarfskündigung und Kündigung zum Zwecke angemessener wirtschaftlicher Verwertung unter 1. Auch Kranke brauchen Datenschutz – Berücksichtigung aktueller und geeigneter Indikatoren für Zugriffsregelungen in Krankenhausinformati- die dementsprechenden Bezirke in Berlin zu erlassen – onssystemen Kündigungsschutzklausel-Verordnung –. (2.3, Drs S. 32 ff)

Die Verordnung soll eine Laufzeit von sieben Jahren Der Senat wird aufgefordert, darauf hinzuwirken, haben. dass beim Einsatz von Krankenhausinformations- systemen in den Berliner Krankenhäusern das Pati- Eine erstmalige Evaluierung ist spätestens nach zwei entengeheimnis sichergestellt wird. Der Zugriff auf Jahren vorzunehmen, die weitere Evaluierung jeweils im die personenbezogenen Daten von Patientinnen Abstand von zwei Jahren. Hierbei ist anhand der Indikato- und Patienten darf technisch und organisatorisch ren zu prüfen, ob unter Beachtung der wohnungspoliti- nur ermöglicht werden, wenn und soweit dies für schen und -wirtschaftlichen Entwicklung gegebenenfalls ihre optimale Behandlung oder für die korrekte weitere Stadtgebiete, insbesondere an die Innenstadt an- Abrechnung der an ihnen erbrachten Leistungen er- grenzende Bezirke, in die Verordnung aufgenommen forderlich ist. Kontrollen haben auch in Berlin er- werden müssen und ob die Dauer der geltenden Kündi- geben, dass die Zugriffsmöglichkeiten des Kran- gungssperrfrist und die Laufzeit der Verordnung ange- kenhauspersonals auf die elektronischen Kranken- messen sind oder angepasst werden müssen. akten in den meisten Krankenhäusern weit über das notwendige Maß hinausgehen. Für die Behebung Schaffung eines Gedenk- und Informationsortes dieser Mängel steht seit Neuem eine Orientie- rungshilfe zur datenschutzgerechten Gestaltung am Columbiadamm bei der Entwicklung des Tempelhofer Feldes berücksichtigen von Krankenhausinformationssystemen zur Verfü- gung, die von der Konferenz der Datenschutzbe- Der Senat wird aufgefordert, bei der Entwicklung des auftragten des Bundes und der Länder und von den Tempelhofer Feldes obersten Aufsichtsbehörden für den Datenschutz in der Privatwirtschaft vorgelegt wurde. – an das Konzentrationslager im Columbia-Haus, eines der ersten nationalsozialistischen Konzentrationslager 2. Kfz-Kennzeichenscanning in Berlin, (3.1, Drs S. 46 ff) – die Zwangsarbeiterlager für die Rüstungsproduktion, Der Senat wird aufgefordert, bis zur Schaffung ei- – die Nutzung des bei Kriegsbeginn fast fertiggestellten ner speziellen Rechtsgrundlage sicherzustellen, Flughafenbaus als Fliegerhorst der Luftwaffe dass beim Einsatz eines Kfz-Kennzeichenlesegerä- tes auf der Grundlage von § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 durch die Schaffung eines Gedenk- und Informationsortes ASOG Aufzeichnungen betreffend Personen, ge- am Columbiadamm dauerhaft zu erinnern und diese As- gen die sich die Datenerhebungen nicht richteten, pekte angemessen in das Gesamtkonzept zur Darstellung unverzüglich und, soweit technisch möglich, auto- der historischen Entwicklung des Tempelhofer Feldes matisch gelöscht werden, soweit sie nicht zur einzubeziehen. Strafverfolgung benötigt werden.

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toring durch Dritte eine Empfehlung an den Senat 3. Leichtathletik-Weltmeisterschaft und das Abgeordnetenhaus erarbeiten. (3.3, Drs S. 49 ff) 8. Gemeinsames Krebsregister Der Senat wird aufgefordert, bei der nächsten Se- (7.2.2, Drs S. 90 ff) natsvorlage zu einer Änderung des ASOG eine klarstellende Regelung für Zuverlässigkeitsprüfun- Der Senat wird aufgefordert sicherzustellen, dass gen und Akkreditierungsverfahren bei Großereig- die bei Kontrollen der technischen und organisato- nissen vorzusehen und bis dahin den Umfang von rischen Maßnahmen zum Datenschutz beim Ge- Zuverlässigkeitsprüfungen auf das unabdingbar meinsamen Krebsregister bereits 2009 festgestell- notwendige Maß zu beschränken, was insbesonde- ten erheblichen Mängel und daraus resultierenden re eine Differenzierung der zu überprüfenden Per- Risiken für die Vertraulichkeit der Registerdaten sonen nach ihrer Funktion und ihrer Zutrittsrechte deutlich zügiger als bisher beseitigt werden. Dies zu sicherheitssensiblen Bereichen beinhalten kann. gilt insbesondere für die Umstellung auf ein siche- Bei der Erstellung von Konzepten zur Zuverlässig- res Meldeverfahren und die bisher noch nicht be- keitsprüfung ist der Berliner Beauftragte für Daten- gonnene Erstellung und Umsetzung eines vollstän- schutz und Informationsfreiheit einzubeziehen. digen Sicherheitskonzepts. Es setzt die Einstellung geschulten Personals für das Informationssicher- 4. Videoüberwachung von Demonstrationen heitsmanagement des Krebsregisters voraus. (3.5, Drs S. 53 ff) 9. Schwache Datenschutzorganisation in Klinik- Der Senat wird aufgefordert, den Unterausschuss konzernen für Datenschutz und Informationsfreiheit über den (7.2.4, Drs S. 94 f) Ausgang des Verfahrens vor dem OVG Berlin- Brandenburg betreffend die Nichtzulassungsbe- Der Senat wird aufgefordert, darauf hinzuwirken, schwerde gegen das Urteil des VG Berlin vom dass die seiner Aufsicht unterliegenden Kranken- 5. Juli 2010 – VG 1 K 905.09 – zu informieren und hausunternehmen – insbesondere der landeseigene bis zu dieser Entscheidung auf polizeiliche Video- Krankenhauskonzern Vivantes – den betrieblichen beobachtung von Demonstrationen zur Lenkung Datenschutz personell und sachlich angemessen und Leitung des Polizeieinsatzes zu verzichten, so- ausstatten. fern nicht im Einzelfall die Voraussetzungen der §§ 19a, 12a VersG vorliegen. 10. Auskunftsersuchen der Polizei gegenüber Krankenhäusern 5. DVO-Meldegesetz (7.2.6, Drs S. 98 f) (4.2, Drs S. 61 f) Der Senat wird aufgefordert, darauf hinzuwirken, Der Senat wird aufgefordert, bei der Schaffung von dass die Krankenhäuser im Land Berlin jeweils ei- über den Grunddatenbestand hinausgehenden ne zentrale Stelle bestimmen – z. B. Geschäftslei- Zugriffsmöglichkeiten auf das Melderegister die tung oder die ärztliche Direktion –, die über das in Datenempfänger und die jeweiligen Einzeldaten der Regel schriftlich zu stellende Auskunftsersu- präzise festzulegen. chen der Polizei entscheidet. Auskunft darf nur er- teilt werden, wenn dadurch im konkreten Fall eine 6. Scheinanmeldungen verhindern durch gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder persön- Vorlage des Mietvertrages? liche Freiheit eines Menschen abgewendet werden (4.5, Drs S. 66 f) kann. Auskunftsersuchen im Zusammenhang mit der Verfolgung von Straftätern aufgrund anderer Der Senat wird aufgefordert, im Rahmen der bun- Rechtsvorschriften bleiben unberührt. desgesetzlichen Novellierung des Melderechts da- hingehend einzuwirken, dass Scheinanmeldungen 11. Biografiedaten in der Pflege unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen (7.2.7, Drs S. 99 ff) Bestimmungen verhindert werden. Der Senat wird aufgefordert, die ambulanten und 7. Beitreibung von Zahlungsrückständen durch stationären Pflegeeinrichtungen im Land Berlin in Inkassobüros? geeigneter Weise darauf hinzuweisen, dass die Er- (6.1, Drs. S. 77 ff) hebung biografischer Angaben bei Pflegebedürfti- gen deren informierte Einwilligung voraussetzt und Der Unterausschuss „Datenschutz und Informati- auf den für die Biografiearbeit erforderlichen Um- onsfreiheit“ regt an, dass der Datenschutzbeauf- fang zu beschränken ist. tragte und das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf im Hinblick auf Forderungsvollstreckung/Inkasso/Fac-

8266 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 85. Sitzung vom 23. Juni 2011

12. Lehramtsanwärter auf Herz und Nieren ge- genbezogene Überprüfungen deutscher Kernkraftwerke in prüft Folge der Ereignisse in Fukushima (Japan)“ erfolgt. (7.3.2, Drs S. 104 f) Der Senat wird aufgefordert: Der Senat wird aufgefordert, ein Verfahren zu prü- fen, dass Lehramtsanwärtern gestattet wird, dem 1. darauf hinzuwirken, dass die Überprüfung zeitnah vor Prüfungsamt zum Nachweis krankheitsbedingter der Wiederaufnahme des Betriebs des zur Zeit auf- Ausfallzeiten zunächst ein Attest vorzulegen, das grund planmäßiger Umbauarbeiten abgeschalteten Re- nur eine Beschreibung der Symptome bzw. eine aktors erfolgt, sofern nicht einzelne technische Über- Darstellung der krankheitsbedingten Beeinträchti- prüfungen bei laufendem Betrieb vorgenommen wer- gungen sowie Angaben zu Beginn und voraussicht- den müssen, licher Dauer der Erkrankung enthält. Erst wenn 2. die Öffentlichkeit und das Berliner Abgeordnetenhaus dieses Attest aufgrund der Art der beschriebenen zeitnah über die Ergebnisse der Überprüfung zu unter- Symptome im Einzelfall für die Feststellung der richten, Prüfungsunfähigkeit nicht ausreicht, soll das Prü- fungsamt ausnahmsweise die Vorlage eines sub- 3. sich beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadt- stanziierten Attests mit Diagnose verlangen dürfen. entwicklung für eine Ausweitung des Flugbeschrän- Der Senat wird weiter aufgefordert, die Möglich- kungsgebiets im Bereich des Forschungsreaktors ein- keit der Angleichung der Verfahren bei Krankheit zusetzen, der Prüfungsämter für Lehramtsanwärter und juris- 4. den Bund zu einer Weiterverfolgung seiner Initiative tische Staatsexamina darzustellen und im Einver- zu einer zentralen Sammlung und Zwischenlagerung nehmen mit dem Datenschutzbeauftragten umzu- von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen zu setzen. drängen, um die längerfristige Zwischenlagerung von Abfällen bei der Zentralstelle für radioaktive Abfälle 13. Behördliche Datenschutzbeauftragte an den – ZRA – beim Helmholtz-Zentrum mittelfristig über- Berliner Hochschulen flüssig zu machen, (12.4.1, Drs S. 149 ff) 5. zu den jüngst erhobenen Vorwürfen gegen die Sicher- Der Senat wird aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass die heit des Forschungsreaktors bezüglich eines nicht dem Hochschulen des Landes Berlin ihre behördlichen Daten- neuesten Stand der Technik entsprechenden Bauteils schutzbeauftragten personell und sachlich angemessen und einer angeblich vorhandenen Undichtigkeit im ausstatten. Kühlsystem Stellung zu nehmen.

Entwurf des Bebauungsplans I-B4bb im Bezirk Prävention stärken und Drogenrisiken senken Mitte, Ortsteil Mitte mit Drugchecking Das Abgeordnetenhaus stimmt dem vom Senat am Der Senat wird aufgefordert darzulegen, 17. Mai 2011 beschlossenen Entwurf des Bebauungsplans I-B4bb – Drucksache 16/4137 – zu. – welche Erfahrungen in den Städten Wien, Zürich, Bern und Utrecht mit Drugchecking-Projekten ge- Planreife für die Teilfläche der Änderung des sammelt wurden, FNP „Adlershof – Nachnutzung Betriebsbahnhof Schöneweide“, (Lfd. Nr. 08/08) im Bezirk – welche Voraussetzungen für die Einführung eines Treptow-Köpenick entsprechend dem Modellprojektes „Drugchecking und Prävention“ in Geltungsbereich des Bebauungsplans 9-16-1 rechtlicher und organisatorischer Hinsicht zu schaffen sowie Entwurf des Bebauungsplans 9-16-1 im wären und inwieweit diese Voraussetzungen in Berlin Bezirk Treptow-Köpenick, Ortsteile Johannisthal derzeit bestehen, und Adlershof – welche Ergebnisse das von der Senatsverwaltung für Zeitnahe, vollständige und ergebnisoffene Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz unter- Sonderüberprüfung des Berliner stützte Symposium „Drugchecking als Strategie der Forschungsreaktors vor der Wiederaufnahme Gesundheitsförderung für Konsumenten illegaler Dro- des Betriebs gen“, das am 6. Mai 2011 stattfand, verzeichnete und Das Berliner Abgeordnetenhaus begrüßt die von der Se- – welche Schlussfolgerungen der Senat aus diesem natsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbrau- Symposium zieht. cherschutz eingeleitete zusätzliche außerordentliche Son- derüberprüfung des Forschungsreaktors BER II in Berlin- Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 30. August 2011 zu Wannsee, die anhand des von der Reaktorsicherheits- berichten. kommission erstellten „Anforderungskatalogs für anla-

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Dem Handwerk nicht das Handwerk legen: Weiterentwicklung des Adressraums Internet – berlinweite Parkausweise für Betriebsfahrzeuge Unterstützung der Einführung der einführen! Top-Level-Domain „.berlin“ Das Abgeordnetenhaus von Berlin fordert den Senat auf, Der Senat wird aufgefordert, angesichts der aktuellen zum angekündigten Verfahren zur Erleichterung der Be- Entscheidung der ICANN zur Vergabe neuer regionaler antragung von Handwerkerparkausweisen im Aktionspro- Top-Level-Domains nach Rücksprache mit weiteren gramm Handwerk 2011 bis zum 15. August 2011 zu be- Großstädten Varianten der Beteiligung der Stadt Berlin richten. Insbesondere soll über die Vorschläge der Hand- im Vergabeverfahren der Top-Level-Domain „.berlin“ zu werkskammer von Berlin für eine umsetzbare Optimie- prüfen. rung der Ausnahmegenehmigungen im Rahmen der Park- raumbewirtschaftung berichtet werden und über die Stel- Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 30. August 2011 zu lungnahme des Senats hierzu. berichten.

Entwürfe von Bauleitplänen im Internet „Frische Luft für Berlin“ veröffentlichen und Stellungnahmen über das Internet ermöglichen Die Volksinitiative gemäß Artikel 61 Absatz 1 der Ver- fassung von Berlin „Frische Luft für Berlin“ Der Senat möge für den eigenen Zuständigkeitsbereich – Drucksache 16/4115 – wird nach Durchführung des sicherstellen und bei den Bezirken darauf hinwirken, dass Verfahrens gemäß § 9 des Abstimmungsgesetzes für bei allen Bauleitplanverfahren der Senatsverwaltung für abgeschlossen erklärt. Stadtentwicklung sowie denen der Berliner Bezirke die

Schritte der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung sowie der öffentlichen Auslegung auch online erfolgen und somit alle dafür erforderlichen Unterlagen auf den Inter- netpräsentationen der Senatsverwaltung für Stadtentwick- lung sowie auf denen der Bezirke eingestellt werden und abrufbar sind.

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Nr. 9/2009 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte Das Abgeordnetenhaus von Berlin stimmt der Zuordnung der aus der Anlage ersichtlichen Grundstücke bzw. Teilflä- chen zum Sondervermögen Immobilien des Landes Berlin – SILB – mit Wirkung vom 1. Januar 2012 zu.

Anlage

Grundstücks- Lfd. Bezirk- Flur- Liegenschaft Schule Gemar- Flur fläche Nr. Berlin stück kung in m² Allee der Kosmo- Lichten- Hein-Moeller- Lichten- 910 58 16.990 nauten 18 berg Schule berg 47 1 (OSZ Energietech- nik II) Alt-Moabit 10 Mitte OSZ Banken und Tiergarten 42 342 20.263 Versicherungen 343 888 2 ges. 21.151

Alt-Stralau 40-41 Friedrichs- August-Sander- Friedrichs- 34 92 40 (36) hain- Schule Filiale hain 95 472 3 Kreuzberg 89 7.066 ges. 7.578

Birkenstraße 11, 13, Treptow- Flatow-Schule Köpenick 453 317 29.323 15 Köpenick 90 99 4 91 14.213 ges. 43.635

Buschallee 23 a Pankow Brillat-Savarin- Weißensee 253 223 14.495 (Sulzfelder Str. 11) Schule (OSZ Gast- 243 4088 82 (Hansastr. 153) gewerbe) 4082 6.010 4084 918 5 4087 2.858 4090 1.105 ges. 25.468

Conrad-Blenkle-Str. Pankow Coubertin- Prenzlauer 116 158 28.077 34 Gymnasium Berg 115 238 2.913 6 ges. 30.990

Dammweg 216 Neukölln Carl-Legien-Schule Neukölln 123 19/30 12.943 (Filiale) (als Teilfläche 7 von 86.371)

Danckelmannstraße Charlotten- OSZ Recht Charlotten- 004 978 10.626 25, 26, 27, 28 burg- burg 8 (Sophie-Charlotten- Wilmers- Str. 69, 70, 71, 72) dorf Darßer Str. 97 Lichten- OSZ Sozialwesen Malchow 001 1.735 36.210 berg II- Brillat-Savarin- Gut 9 Schule (OSZ Gast- gewerbe), Filiale

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10 Driesener Str. 22 Pankow Marcel-Breuer- Prenzlauer 519 247 5.185 Malmöer Str. 8/9 Schule (OSZ Holz- Berg 1,289 technik, Glastechnik (als Teilflächen und Design), Filiale von 8.461) Martin-Wagner- Schule (OSZ Bau- technik II), Filiale Erich-Weinert-Str. Pankow Staatliche Ballett- Prenzlauer 417 101 2.252 103-105 schule Berlin und Berg 417 102 994 Schule für Artistik 317 137 8.316 317 138 6.888 417 112 564 11 317 101 4.120 (Hosemannstr. 51) 417 113 653 316 1 4.335 416 7048 973 ges. 29.095 Fischerstr. 32 Lichten- OSZ Bürowirtschaft Lichten- 512 12 (Schlichtallee 20, 24) berg II Filiale berg Fischerstr. 36 Lichten- Max-Taut-Schule Lichten- 512 318 61.311 (Schlichtallee 20, 24) berg (OSZ Versorgungs- berg 165 881 13* und Reinigungs- technik) Fritz-Lesch-Str. 35 Lichten- Werner- Hohen- 006 53 22.370 berg Seelenbinder-Schule schönhau- 012 46 38.598 14 sen ges. 60.968

Gierkeplatz 1 , 3 Charlotten- OSZ Kraftfahrzeug- Charlotten- 004 1043 8.426 burg- technik burg 15 Wilmers- dorf Goldbeckweg 8, 10, Spandau OSZ TIEM (Tech- Gewehr- 001 426 16.624 12, 14 nische Informatik, plan u. 16 Industrieelektronik, Pulverfab- Energiemanage- rik ment) Gustav-Adolf-Str. 66 Pankow Martin-Wagner- Weißensee 265 96 35.353 17 (Amalienstr. 19 a) Schule (OSZ Bau- 1046 3.017 technik II) ges. 38.370 Gustav-Adolf-Str. 66 Pankow Marcel-Breuer- Weißensee 266 (Amalienstr. 19 a) Schule (OSZ Holz- 17 technik, Glastechnik und Design) 18 Halemweg 24 Charlotten- Anna-Freud-Schule; Charlotten- 010 456 27.105 burg- Poelchau-Schule burg Wilmers- dorf Hartmannsweilerweg Steglitz- Peter-Lenné-Schule Zehlendorf 005 557 27.364 29, 35, 37 Zehlendorf (OSZ Agrarwirt- 558 1.259 19 (Sven-Hedin-Str. 71, schaft) ges. 28.623 81) Sven-Hedin-Str. 85

8270 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 85. Sitzung vom 23. Juni 2011

Helmholtzstr. 37, Treptow- OSZ Wirtschaft und Köpenick 791 3085 2.786 Nalepastr. 201 Köpenick Sozialversicherung 781 7048 2.683 791 3044 4.672 20 Nalepastr. 211, 213 480 201 2.857 Helmholtzstr. 29 490 228 1.258 ges. 14.256 Kühleweinstraße 5 Reinicken- George-Schlesinger- Reinicken- 003 482 37.124 dorf Schule (OSZ Ma- dorf (als Teilfläche 21 schinen- und Ferti- von 37.280) gungstechnik) Leinestraße 37 Neukölln Carl-Legien-Schule Neukölln 119 101 409 102 5.096 22 103 410 ges. 5.915 Lobeckstraße 76 Friedrichs- Hans-Böckler- Kreuzberg 195 183/2 109 (Alexandrinenstr. 5) hain- Schule (OSZ Kon- 169/4 15.691 23 Kreuzberg struktions- ges. 15.800 bautechnik) Mandelstraße 6 , 8 Pankow OSZ Bürowirtschaft Prenzlauer 316 20 5.481 24 und Dienstleistung Berg Marktstr. 2, 3 Lichten- OSZ Bürowirtschaft Lichten- 513 2 4.921 berg II berg 280 746 25 (Schreiberhauser 613 1342 0 Str. 45) 1345 2.720 ges. 8.387 Marzahner Chaussee Marzahn- Oscar-Tietz-Schule Marzahn 208 4 12.076 231 Hellersdorf (OSZ Handel II) 5 5.080 26 8 3.873 ges. 21.029 Naglerstr.1, 2, 3, Friedrichs- August-Sander- Friedrichs- 030 194 8.179 Ehrenbergstr. 24, 25, hain- Schule hain 6 104 27 26 Kreuzberg 7 350 ges. 8.633 Niederwallstr. 6-7 Mitte Staatl. Wirtschafts- Mitte 720 137 2.395 fachschule für Ho- 28 tellerie und Gastro- nomie Berlin Osloer Straße 23, 24, Mitte OSZ Kommunikati- Wedding 008 493 26.698 29 25, 26 ons-, Informations- (Koloniestr. 17) und Medientechnik Pappelallee 30, 31 Pankow OSZ Bürowirtschaft Prenzlauer 318 448 3.233 30 und Dienstleistung Berg (Filiale) Persiusstr. 9 Friedrichs- August-Sander- Mitte 031 9 12.844 31 hain- Schule, Filiale Kreuzberg Rheinsberger Str. 4, Mitte Carl-Philipp- Mitte 220 44 3.044 5 Emanuel-Bach- 249 1.463 32 Schule 52 911 Brunnenstr. 148 ges. 5.418

Rudower Str. 184 Neukölln Lise-Meitner-Schule Buckow 311 79 929 (OSZ Chemie, 88/7 15.423 33 Rudower Str. 178 c Physik und Biolo- ges. 16.352 Rudower Str. 178 b gie)

8271 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 85. Sitzung vom 23. Juni 2011

Scharfenberg Reinicken- Schulfarm Insel Tegel-Gut 003 36/010 200.190 34 dorf Scharfenberg Schillerstr. 120, 121 Charlotten- OSZ Körperpflege Charlotten- 005 731 13.242 (Schlüterstr. 81) burg- burg 729 47 35 Wilmers- ges. 13.289 dorf 36 Schwyzer Str. 6, 8 Mitte OSZ Gesundheit I Wedding 006 162 24.982 Straßmannstr. 14, Friedrichs- OSZ Sozialwesen II Friedrichs- 009 256 296 14 a, 16 hain- hain 257 7.180 37 Kreuzberg 26 769 ges. 8.245

Wollenberger Str. (1) Lichten- Max-Taut-Schule Hohen- 009 190 1.742 38 berg Filiale schönhau- sen Wrangelstraße 98 Friedrichs- OSZ Handel I Kreuzberg 198 498 46.738 39 (Zeughofstr. 24, 25) hain- 490 1.505 Zeughofstr. 26 Kreuzberg

Nr. 16/2011 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte Das Abgeordnetenhaus von Berlin stimmt der Zuordnung der nachfolgend genannten Grundstücke zum Sonderver- mögen Immobilien des Landes Berlin – SILB – mit Wir- kung zum 1. Januar 2012 zu:

Lfd. Bezirk Grundstücks- Liegenschaft Justizeinrichtung Gemarkung Flur Flurstück Nr. Berlin fläche in m² 1. Robert-von- JVA des Offenen Steglitz- Düppel 02 772 19.462 Ostertag-Str. 2 Vollzuges Berlin Zehlendorf (Bereich Robert-von- Ostertag-Str.) 2. Niederneuendor- JVA des Offenen Spandau Spandau 01 214 10.730 fer Allee 140-150 Vollzuges Berlin 215,217 99, 601 (Hauptanstalt - Be- 219 399 (Teilfl.) reich Niederneuendor- 291, 1.327 fer Allee) 328 581 (Teilfl.)

3. Kisselnallee 19 JVA des Offenen Spandau Spandau 248 27 7.180 Vollzuges Berlin (Bereich Kisselnallee) 4. Kiefheider Weg JVA des Offenen Reinickendorf Tegel-Forst 05 949 6.078 72 Vollzuges Berlin 1065 91 (Kiefheider Weg) 5. Alfredstr. 11, JVA für Frauen Berlin Lichtenberg Lichtenberg 712 33 4.886 (Teilfl.) Roedelius- (Hauptanstalt, Ge- platz 1 schlossener Vollzug) 6. Neuwedeller Str. JVA für Frauen Berlin Neukölln Neukölln 120 50/02 629 4 (Bereich Neukölln, 51/002 259 Sozialtherapie) 245/001 479 7. Arkonastr. 56/60, JVA für Frauen Berlin Pankow Pankow 164 56 3.583 Borkumstr. 20, 21 (Bereich Pankow, Untersuchungshaft) 8. Ollenhauerstr. 128 JVA für Frauen Berlin Reinickendorf Reinickendorf 001 532 3.981 (Bereich Reinicken- dorf, Offener Vollzug)

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Weiterhin stimmt das Abgeordnetenhaus von Berlin der Zuordnung der nachfolgend genannten Grundstücke zum Sondervermögen Immobilien des Landes Berlin – SILB – mit Wirkung zum 1. Januar 2014 zu:

Lfd. Liegenschaft Justizeinrichtung Bezirk Gemarkung Flur Flurstück Grundstücks- Nr. Berlin fläche in m² 1. Seidelstr. 33, JVA Tegel Reinickendorf Tegel-Gemeinde 002 110/008 984 34, 37 bis 44 110/009 45.050 110/010 33.484 110/012 53.447 110/013 338 110/018 3.617 110/019 1.916 110/020 1.896 110/021 1.883 110/022 1.704 110/023 6.379 110/024 2.598 110/025 1.770 110/026 1.868 110/027 1.823 110/028 1.855 110/029 649 2. Alt-Moabit 12a JVA Moabit Mitte Tiergarten 047 255 39.987

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