<<

burgMythos burgMythos

burgHerausgegeben von G. Ulrich Grossmann germanisches nationalmuseum · Nürnberg

Sandstein Verlag · Dresden I n h a l t

Impressum ...... 4 1 Burg Eltz ...... 69 Oswald von Wolkenstein – Unritterliche Waffen . . . . . 250 ...... 346 Mehr als ein Sänger ...... 139 Mythos Burg – Sinnbild und Symbol Varenholz ...... 70 Burgen als Stützpunkte . . . . . 254 Schloss Neuschwanstein . . . . 353 Autoren ...... 8 Kaiser Maximilian I . – Einführung Veste Heldburg ...... 71 Der »letzte Ritter« ...... 145 Belagerung ...... 260 Burg und Industrie ...... 358 Anja Grebe ...... 22 Leihgeber und Dank ...... 9 Schloss Rheda ...... 73 Götz von Berlichingen – Spuren der Zerstörung . . . . . 264 Schloss Ringberg am Tegernsee . . . 361 Gralburg ...... 31 Raubritter und Immobilienbesitzer . . 155 Burg Sulzbach ...... 74 Burg im »Dritten Reich« . . . . 364 Vorwort Minneburg ...... 32 Margarete von Tirol – 7 G. Ulrich Großmann ...... 13 Der Bau einer Burg ...... 74 Die gar nicht hässliche Herzogin . . .162 Erfindung des Mittelalters . . . . 368 Himmelsburg ...... 35 Burgenglanz Rheintourismus ...... 382 Die Burg als Mythos – die Burg im Mythos und Burgendämmerung Höllenburg ...... 38 Werner Meyer ...... 16 3 5 Einführung Burgen in Kunst, Kitsch Zauber- und Märchenschloss . . . . 42 Anja Grebe ...... 278 und Kommerz ...... 396 Mythos Ritter Leben auf der Burg Heldensitz ...... 44 Fortleben der Burgen . . . . . 282 Einführung Einführung Herrschaftszentrum ...... 50 Anja Grebe ...... 80 Birgit Friedel ...... 168 Burgruinen ...... 294 Anhang

Geschichtsmonument . . . . . 53 Ritter und Ritterburg ...... 84 Burgbewohner ...... 172 Burgen als Immobilien . . . . . 299 Literaturverzeichnis . . . . . 414

Der ideale Ritter ...... 88 Wohnen ...... 194 Veste und Festung ...... 303 Burgenregister ...... 446

2 Ritter und Herrschaft ...... 102 Küche ...... 204 Künstler sehen Burgen ...... 306 Personenregister ...... 448

Burgenbauten in Mittelalter Ritter und Religion ...... 106 Wirtschaften ...... 209 Burgen in der Festkultur . . . . .311 Bildnachweis ...... 454 und Neuzeit Ritter und Minne ...... 114 Fest ...... 212 Abkürzungen ...... 456 Einführung G. Ulrich Großmann ...... 58 Ritterbilder ...... 117 Glaube ...... 220 8

Burgen im Modell ...... 62 Rittersatire ...... 125 Mythos und Mystifizierung 6 Niederungsburg bei Haus Meer . . . 62 Einführung Leben im Kampf G. Ulrich Großmann ...... 318 Schlössel bei Klingenmünster . . . 64 4 Einführung Burgenforschung in Barock Kaiserburg Nürnberg ...... 65 Ritterbiographien Martin Baumeister ...... 234 und Historismus ...... 322

Burg Marburg ...... 67 Einführung Zweikampf und Schlacht . . . . 238 Bauprojekt Burg ...... 337 G. Ulrich Großmann ...... 132 Burg Karlstein ...... 68 Rüstung und Ausrüstung . . . . .241 Löwenburg in Wilhelmshöhe . . . 337 Richard Löwenherz – Bischöfliche Burg Ziesar . . . . . 69 König und Kreuzfahrer . . . . . 136 Turnier ...... 247 Schloss Stolzenfels ...... 340

6 7 W e r n e r M e y e r D i e B u r g a l s M y t h o s – d i e B u r g i m M y t h o s

Diese einleitenden Bemerkungen führen uns gestellt haben . Es kann, um nur ein Beispiel zu zu einer grundsätzlichen Feststellung, an die nennen, heute als Faustregel gelten, dass die ie Burg in der Geschichtsschreibung immer wieder Entstehungszeit einer Burg – allen schriftlichen D erinnert werden muss: Nicht jeder Irrtum ist Zeugnissen zum Trotz – erst als gesichert be- als Mythos – die Burg ein Mythos, auch wenn er tausendmal wieder- zeichnet werden darf, wenn archäologische holt und nachgebetet wird . Bei der weit ver- Abklärungen stattgefunden haben . im Mythos breiteten Meinung, auf den Burgen hätten Viele Irrtümer beruhen auf den seit dem grundsätzlich nur Ritter samt Anhang gehaust, 19 . Jahrhundert immer wieder unternommenen handelt es sich um einen groben Irrtum und Versuchen, literarische Zeugnisse über das keinesfalls um einen Mythos . Im Hinblick auf Leben und Treiben in den Burgen auf die reale die Tatsache, dass die ältesten Burgen errich- Bausubstanz der erhaltenen Anlagen und Rui- tet worden sind, als es noch gar keine Ritter nen zu übertragen . Dabei wurde übersehen, gab, dass in der »klassischen Zeit« des Burgen- dass die mittelalterliche Epik und Lyrik gar baus längst nicht alle Burgherren Ritter waren nicht die Lebenswirklichkeit darstellen wollte, und im Spätmittelalter der Rittertitel inflationär sondern überhöhte Wunsch- und Phantasie- auch außerhalb des burgsässigen Adels geführt welten, die viel über die Sehnsüchte und die Die Burg gilt nicht zu Unrecht als die archi- wurde, muss der Begriff der »Ritterburg« nicht Wertvorstellungen der Menschen im Mittelalter tektonische Verkörperung des Mittelalters nur als wissenschaftlicher Terminus, sondern aussagen, aber nichts über den Alltag des Burg‑ schlechthin . Sie wird damit – eher als Kulisse auch als landläufige Bezeichnung strikt abge- lebens . Nur gelegentlich blitzt die nüchterne denn als Baukörper – zur Projektionsfläche für lehnt werden . Realität auf, so etwa im »Seifried Helbling«, wo alles, was in späteren Epochen, auch in der der Knappe ein Gespräch der Landesherren unsrigen, für typisch mittelalterlich gehalten belauscht und schwer enttäuscht wird, denn wird . Das »finstere Mittelalter« konkretisiert Irrtümer diese reden nicht über Condwiramur und Her- sich auf der Burg im Kerker und in der Folter- zeloyde, sondern über ihre Felder, Weinberge, kammer, der – eigentlich nachmittelalterliche Nicht nur in landläufigen Vorstellungen, die Kühe und herrschaftlichen Pläne . Übrigens sind – Hexenwahn im »Hexenturm« . Zivilisatorisch- sich in Populärliteratur, Historienfilmen oder es nicht nur die Erzeugnisse der höfischen technische Rückständigkeit manifestiert sich Präsentationen von Burgen für das breite Pu- Dichtung aus dem 12 .und 13 . Jahrhundert, die in primitiv ausgestatteten Wohnräumen . Vor- blikum spiegeln, wimmelt es von Irrtümern an der Realität des Burglebens vorbeizielen . stellungen von ritterlichem Heldentum werden über das Wesen, die Bedeutung und die histo- Auch die drastischen Schilderungen eines Os- in den Zinnen, Türmen und sonstigen Wehrein- rische Rolle der Burgen im Mittelalter . Auch im wald von Wolkenstein sind literarisch überhöht, richtungen lebendig . Die »Rittersäle« werden Schrifttum mit wissenschaftlichem Anspruch und schließlich darf auch der viel zitierte Brief Burg Hohenzollern, Baden-Württemberg bedeute und diese trocken, öde und langweilig monumentale Eindruck der Wehrarchitektur zu Schauplätzen fürstlicher Festfreude, des stößt man immer wieder auf Klischeebilder, die Ulrichs von Hutten an Willibald Pirckheimer mache, ist eine faule Ausrede von Unbelehr- durch die Erkenntnis vermindert, dass Kämpfe Minnesangs und des edlen Frauendienstes . Die von der neueren Forschung überholt sind, auf von 1518 nicht als realistische Wiedergabe des baren und jedenfalls blanker Unsinn . Warum und Belagerungen insgesamt seltene Ausnah- Aufzählung von Lebensäußerungen, die als Fehldatierungen, die durch moderne Untersu- mittelalterlichen Burglebens verstanden wer- soll das ritterliche Turnier weniger interessant meereignisse gewesen sind und auf den Ausfluss des »Rittertums« – was man sich da- chungsmethoden widerlegt sind, und auf ide- den, auch wenn er das rosarote Bild eines ver- Die meisten Irrtümer sind leicht aufzuklären, sein, wenn es nicht, wie oft fälschlich ange- Burgen in der Regel ein friedlicher Alltag ge- runter auch vorstellen mag – verstanden wer- ologisch gefärbte Bewertungen, die einer Über- klärten Ritterdaseins schonungslos zerzaust . lassen sich aber oft schwer ausräumen . Einmal nommen, auf den Burgen abgehalten wird, herrscht hat? den, könnte beliebig verlängert werden . Dabei prüfung anhand zeitgenössischer Quellen nicht Ein kläglicher Höhepunkt des Bestrebens, weil ganz allgemein viele Menschen Mühe be- sondern in Städten? Ist der vom Kampf gegen Wer sich bemüht, die Vergangenheit zu ver- fällt auf, dass sich die Vorstellungen vom ar- standhalten . literarische Zeugnisse am Bauwerk festzuma- kunden, ans Herz gewachsene Bilder aufzuge- Kälte, Flöhe und Langeweile erfüllte Alltag auf stehen – nicht zuletzt, um sich in der Gegen- chitektonischen Äußeren einer Burg zumeist Als Erklärung für diese unbefriedigende Si- chen, zeigt sich auf dem Hohentwiel bei Sin- ben, aber auch weil oft das historische Hinter- den Burgen weniger spannend als das ver- wart zurecht zu finden –, der will wissen, wie an späten Bauformen aus der Zeit um 1500 tuation mag die forschungsgeschichtliche Fest- gen, wo vor Jahren die Gebäude der im 16 .und grundwissen fehlt, das zum Verständnis neuer meintliche Schwelgen in verschwenderischem die Wirklichkeit ausgesehen hat und wird sich orientieren und nicht an den in der Regel nur stellung herangezogen werden, dass die Bur- 17 .Jahrhundert errichteten Festung für den Erkenntnisse erforderlich ist . Bedenklich wird Luxus auf Kosten ausgebeuteter Untertanen? nicht an noch so lieb gewordenen Irrtümern noch archäologisch oder bauanalytisch fass- genarchäologie, einschließlich der Bauanalyse, Besucher mit den Bezeichnungen jener Räum- es, wenn Schullehrer aufgrund geistiger Be- Wertet es die Burgenarchitektur ab, wenn festklammern . baren Anlagen aus der sogenannten »klas- erst im letzten Drittel des 20 .Jahrhunderts in lichkeiten beschriftet wurden, die in dem um harrlichkeit moderne Forschungsergebnisse nachgewiesen wird, dass es sich bei den aus sischen Periode« des Burgenbaues im 12 . und größerem Umfang Anwendung und Anerken- 1855 von Scheffel verfassten Ekkehard-Roman ignorieren und nicht weitervermitteln . Dass die der Mauerflucht vorspringenden »Sedilia« um 13 . Jahrhundert . nung gefunden hat – ebenso wie ihre Ergeb- genannt werden . Beseitigung von vermeintlichen Mythen, bei Aborterker handelt und nicht um Erker, von nisse, die manches scheinbar gesicherte und denen es sich aber bloß um historische Irrtümer denen aus die Burgdamen dem Gesang der deshalb nicht hinterfragte Wissen auf den Kopf handelt, eine »Entzauberung« der Vergangenheit Troubadoure gelauscht haben? Oder wird der

16 17 W e r n e r M e y e r D i e B u r g a l s M y t h o s – d i e B u r g i m M y t h o s

Die Burg als Mythos wicklung bildet das Zeitalter der Romantik im Zu Letzteren gehören die von heutigen Esote- von der modernen Forschung erkannte Multi- 19 . Jahrhundert mit seiner Begeisterung für das rikern erfundenen »Kraftorte«, die hier nur funktionalität der mittelalterlichen Burg tritt in Mythen jeglicher Art geben nicht Auskunft über Mittelalter . Das Bestreben, den Rittermythos deshalb erwähnt werden, weil sie in verderb- der Artus- und Gralepik durch die Betonung die von ihnen beschriebenen Zeiten oder Er- in Architektur umzusetzen, findet seine Höhe- licher Weise auch auf Burgplätzen lokalisiert der Wehrhaftigkeit, der Standes- und Machtre- eignisse, sondern über die Epoche oder das punkte wohl in den Schlössern Hohenzollern werden . Aus deren Mauerwerk brechen die präsentation sowie des Residenzcharakters mentalitätsgeschichtliche Umfeld zum Zeit- und Neuschwanstein . Begleitet werden diese Gläubigen Steine heraus, um die geheimen deutlich in Erscheinung . Dass die wirtschaft- punkt ihrer Entstehung . Wenn eine Burg – oder hybriden Bauwerke von bescheideneren Kräfte mit nach Hause zu nehmen . Dies führt zu liche und administrative Zentrumsfunktion der »die Burg« schlechthin – zum Mythos wird, Schöpfungen, man denke etwa an die Umge- sichtbaren Verlusten der originalen Bausubs‑ Burg als Landwirtschaftsbetrieb, handwerk- besagt dieser nichts über ihre Erbauer oder staltung der rheinischen Burgruinen zwischen tanz . Hier wird nicht nur die Grenze zum Irrtum liche Produktionsstätte und Herrschaftsmittel- Bewohner, aber viel über die Dichter, Maler und Bingen und im Stil der englischen Ro- oder gar Unsinn überschritten, sondern auch punkt kaum Erwähnung findet, mag als Be­ Architekten beziehungsweise deren Auftrag‑ mantik . zum strafrechtlich relevanten Verhalten . gründung für die Unterschätzung oder gar geber, die ihre eigenen Wunsch- und Idealvor- Die Burg als Mythos, Verkörperung der In die gleiche Kategorie esoterischer Albern- Nichtbeachtung dieser Funktionen durch die stellungen im Mittelalter ansiedeln und in der Sehnsucht nach dem vergangenen, goldenen heiten zählt der Umgang der Neo-Katharer mit ältere Forschung herhalten, welcher die archäo­ Burg verkörpern wollen 1. Zeitalter des Rittertums, als Antithese zur je- den Burgen der Albigenser am Nordfuß der logischen Befunde von Burgengrabungen noch Die Burg wird so zum Sinnbild einer verklär- weiligen Gegenwart! Hier wird die Frage nach Pyrenäen . Die Anhänger der den Rosenkreu- nicht zur Verfügung standen . ten oder verzerrten Vergangenheit, die man – je der historischen Wirklichkeit des Mittelalters zern nahestehenden Bewegung versuchen seit Dem mittelalterlichen Leser oder Hörer einer nach Standpunkt – verloren oder überwunden irrelevant . In architektonischen Neuschöp- der Zeit um 1900, in den Burgen und Höhlen Artus- bzw . Graldichtung erscheinen Camelot, zu haben glaubt . Bemerkenswert bleibt die fungen und in romantisierenden Restaurie- jener Region, die um die Mitte des 13 . Jahrhun- Muntsalvaesche und die anderen Burgen der Gegensätzlichkeit . Als »Zwingburg« oder »Raub- rungen wird der Mythos Burg zu einer Realität, derts Schauplatz der blutigen Ketzerverfol- Epik als fürstliche und königliche Residenz- ritternest« symbolisiert sie Unterdrückung und die keiner archäologischen Erkenntnisse be- gungen gewesen ist, Hinweise auf die Lehre festen, freilich in qualitativ und quantitativ Gesetzlosigkeit . Den Widerspruch zum edlen, darf, einen eigenen architekturgeschichtlichen und religiöse Praxis der Katharer zu entdecken, überhöhten Dimensionen . Herausgehoben ehrenhaften Rittertum überbrückt man, indem Rang einnimmt und sich dank ihrem Erlebnis- namentlich auf deren angebliche Verehrung werden etwa die mächtigen Gräben, Ringmau- das sogenannte »Raubritterwesen« zur späten wert – man denke an die Besucherzahlen auf der Sonne und des Lichts . Es sind Versuche ern und Türme, welche die Burg uneinnehmbar Dekadenzerscheinung erklärt wird, wobei frei- Neuschwanstein – auch nicht zu rechtfertigen am untauglichen Objekt, denn der postulierte erscheinen lassen, ferner die Verwendung wei- lich die Grenze vom Mythos zum Irrtum über- braucht . Zusammenhang zwischen der Burgenarchitek- ßen Marmors oder die kostbare, ja verschwen- schritten wird . tur und dem vermuteten Glauben der Katharer derische Innenausstattung des Palas, der Säle beruht auf krassen Fehlinterpretationen . So und der Kemenaten . Ob je der Versuch ge- In der Innerschweizer Befreiungssage aus dem Die Burg im Mythos handelt es sich etwa bei der kleinen Ruine von macht worden ist, in realen Architektur- und 15 . Jahrhundert, die mit den fiktiven Erzählungen Montségur, an deren Fensteröffnungen die Ausstattungselementen die epischen Schilde- vom Rütlischwur, vom Schützen Tell, vom Mittelalterliche Mythen sind in der epischen Esoteriker alle Varianten einer mystischen Ein- rungen nachzuahmen, bleibt für jeden frag- Burgenbruch und vom Drachenkampf Schrutan Literatur fassbar, vereinzelt – mit polemischem strahlung der Sonne durchexerzieren, um die lichen Einzelfall zu überprüfen . Macht- und Winkelrieds durchaus den Charakter eines Unterton – in theologischen Schriften, vor allem Reste einer französischen Grenzfeste aus dem Prunkansprüche mögen im späteren Mittelalter Gründungsmythos trägt, werden die von den Schloss Neuschwanstein, Bayern dert, im Zeitalter der Romantik, entstanden ist, aber auch, von Historikern meist zu wenig be- späten 13 .Jahrhundert . Diese erhebt sich an Bauherren veranlasst haben, ihre Bautätigkeit aufständischen Bauern zerstörten Burgen zu sondern sich schon im Hochmittelalter im dich- achtet, in Bräuchen, etwa in der Form zeremo- der Stelle jener ausgedehnten Stadtanlage, die an mythisch-literarischen Vorbildern zu orien- Symbolen der Freiheit, wobei die Ruinen als terischen Topos der »laudatio temporis acti« nieller Kampfspiele oder jahreszeitlich festge- 1244 im Zuge der Albigenserkriege erobert und tieren . So ist beispielsweise in das Stütze zur Erinnerung an den – historisch wi- findet, gilt die heile Welt der Ritterideale als legter Festrituale . Bild- und Sachquellen treten so gründlich zerstört worden ist, dass – wie Schloss Leeds als »neues Camelot« bezeichnet derlegten – Befreiungskampf dienen und des- Anstand, Großmut oder für die Bereitschaft ein versunkenes Zeitalter, das es einst gegeben quantitativ zurück, sind aber oft von hohem Ausgrabungen nachgewiesen haben – nur noch worden . halb erhalten bleiben . Hier werden real existie- zum Kampf gegen Unrecht und zum Schutz der hat, dem man nachtrauert und in das man in Informationswert . Bei der Deutung und Datie- Grundmauern über dem Fels übrig geblieben Die Benennung von Örtlichkeiten nach my- rende Burgruinen zu Trägern eines Mythos, der Bedrängten auf . Es handelt sich um jene Werte, der Dichtung, in der bildenden Kunst und in rung des umfassenden, verworrenen und nicht sind 2. thischen Gestalten und Vorgängen beruht auf im nationalen Selbstverständnis der Schweiz die schon im Mittelalter als ideale Leitbilder der Architektur, vermutlich auch im Turnier- selten widersprüchlichen Überlieferungsmate- In der epischen Dichtung des Mittelalters, dem weit verbreiteten Bedürfnis, mythische bis heute eine nicht zu unterschätzende Wir- galten und im hl . Georg, der die »virtus«, und brauchtum, wie in eine Scheinwelt flüchtet . rials ist freilich strenge Quellenkritik ange- die sich mit mythischen Stoffen befasst, ins- Erzählungen und Vorstellungen zu lokalisieren kung ausübt . Dies im Unterschied zu anderen dem hl . Martin, der die »clementia« verkör- Schon im Spätmittelalter und in der Frühen bracht . So gilt es klar zu unterscheiden zwi- besondere mit dem Gral- und Artusmythos, und so den Mythos zum realen Ereignis zu er- »Zwingburgen«, die von den Aufständischen bis perte, ihre Symbolfiguren hatten . Aber es wa- Neuzeit werden Burgen gebaut, deren Architek‑ schen echten Mythen, deren mittelalterlicher kommen zwar Burgen als Schauplätze der für heben . In vielen Kulturen, auch in der abend- auf den letzten Stein abgetragen worden sind . ren, wie schon Walther von der Vogelweide und tur mit funktionsuntauglichen Versatzstücken oder gar vormittelalterlicher Ursprung durch die Erzählung wichtigen Szenen regelmäßig ländischen Christenheit des Mittelalters, ver- Häufiger als die Verkörperung des überwun- andere Dichter beklagten, unerreichbare Vor- der hochmittelalterlichen Wehrarchitektur, mit Zeugnisse eindeutig erwiesen ist, und Schein- vor . Ihre äußere und innere Erscheinung wird bindet sich dieses Bemühen, für den Mythos denen Bösen – gemeint sind Tyrannei, Willkür, bilder, und die Welt sah anders aus: »untriuwe Zinnen, Erkern, Türmchen oder Maschikulirei- mythen, die in der Neuzeit und Moderne auf- aber – wenn überhaupt – meist vage und bei- einen oder mehrere Schauplätze zu bestim- Unterdrückung und Gesetzlosigkeit – tritt die ist in der sâze, gewalt vert ûf der strâze« . Im hen, manieristisch überladen ist . Den Höhe- grund religiöser oder abergläubischer Wahn- läufig geschildert . Märchenhafte Züge sind zu men, mit brauchtümlichen, szenisch-rituellen Burg als Sinnbild für Edelmut, Ritterlichkeit, Mythos freilich, der nicht erst im 19 . Jahrhun- punkt dieser architekturgeschichtlichen Ent- vorstellungen in die Welt gesetzt worden sind . erkennen, fallen aber aus dem Rahmen . Die Darstellungen, die das mythische Geschehen

18 19 W e r n e r M e y e r

zum erlebbaren Ereignis machen . Es finden Spuren dieses Artusbrauchtums sind häufig sich allenthalben auffällige Plätze wie Steine, anzutreffen, selten dagegen Hinweise auf Wie- Bäume, Höhlen und andere Felsformationen, derholungsrituale des Gralmythos . In der hoch- ferner Burgen und Ruinen, an denen sich ir- mittelalterlichen Gestalt des Königs Artus gendein mythischer Vorgang abgespielt haben fließen sehr viele und unterschiedliche Tradi- soll, ein Drachenkampf, eine numinose Er- tionen aus Mythen, literarischen Motiven und scheinung, eine Schlacht beispielsweise der historischen Überlieferungen zusammen . Artus Gralritter oder ein Turnier der Ritter aus des begegnet uns gelegentlich sogar als Anführer Königs Artus Tafelrunde . Oft hat man an sol- des mythischen Totenheeres . Hoffnungslos chen Stellen im Sinne des dem Ethnologen und abwegig ist es jedoch, reale Standorte der vertrauten »Wiederholungsrituals« die betref- Gralburg und der Burg des in den Erzählungen fenden Szenen an bestimmten Terminen auf- und Kampfspielen des Hoch- und Spätmittel- geführt . Uns interessieren hier weniger die alters verherrlichten Königs Artus nachweisen mimischen Darstellungen vom Drachenkampf zu wollen . Ein echter Mythos lässt sich nicht des Ritterheiligen Georg oder die Gralturniere, geographisch festmachen . an denen zur Pfingstzeit ein Zelt, genannt der »Gral«, umkämpft wird und die Sieger sich mit Werner Meyer der im Zelt wartenden »Frau Feie« (Fee) belusti- gen dürfen, sondern vielmehr die Artusturniere, bei denen die teilnehmenden Ritter die Namen Weiterführende Literatur: Schultz 1880; Loomis 1927; Brunner 1949; der bekannten Helden aus dem Artuskreis an- Madaule 1964; Alcock 1974; Ashe 1988; nehmen, an einer runden Tafel zechen und Meyer 1992/96 gegeneinander tjostieren . Der bekannte runde Eichentisch von Winchester aus dem späten 1 vgl . Grebe 2010 13 .Jahrhundert ist wohl diesem ritterlichen 2 Die südwestfranzösischen Touristiker werben intensiv Brauchtum zuzuordnen (Kat-Nr .5 .57), ähnlich mit dem »Pays Cathare«, obwohl die betreffenden den sogenannten Artushöfen des Spätmittel- Bauten ausnahmslos französische Nachfolgeburgen alters . Die Artusturniere wurden teilweise als der zerstörten Kathareranlagen sind . Belagerungsspiele ausgetragen . Zu diesem Zweck stellte man auf dem Kampfplatz höl- zerne Burgattrappen auf, wobei die Artuspartei als Angreifer auftrat . Ein solches hölzernes Burggerüst ist als Relief am Dom von Modena abgebildet . Mythos Burg 1. Sinnbild und Symbol

20 E i n f ü h r u n g A n j a G r e b e

wurden der Felsendom in Jerusalem, Wilden- berg im Odenwald oder die Katarer-Burg Mont- M ythos Burg ségur – ins Märchenhafte . Sinnbild und Symbol Die Minneburg

Unter den Burgenallegorien gehört die Minne- burg zu den beliebtesten Sinnbildern . Sie hat in der allegorischen Traumdichtung des »Ro- senromans« (um 1235 – 1280) mit mehr als 300 erhaltenen Handschriften, darunter zahl- reichen illuminierten Exemplaren, eine gera- Die Burg hat wie kein anderes Bauwerk unsere dezu bestsellerartige Verbreitung erfahren . In Vorstellung vom Mittelalter geprägt und wurde über 22 000 Versen wird der Kampf um die Er- zu seinem Sinnbild dieser Epoche, gekenn- füllung der Liebe geschildert, welche in Gestalt zeichnet durch Eigenschaften wie düster, einer Rose in der von der Eifersucht streng mächtig, trutzig, heldenhaft . Die Transforma- bewachten Burg sitzt, die der träumende Er- tion der Burg in einen Mythos, d .h . eine »sinn- zähler und personifizierte Liebhaber (»Amant«) und identitätsstiftende Erzählung«, ist keine erobern muss . Die von sexueller Metaphorik Erfindung der Romantik . Der »Mythos Burg« aufgeladene, gleichzeitig äußerst gelehrte Er- entsteht nicht erst unter retrospektiven Vor- zählung ist in zahlreichen Nachdichtungen und zeichen in der Neuzeit, sondern beginnt im Bildzeugnissen vom Kampf um die Minneburg Mittelalter selbst und setzt sich kontinuierlich popularisiert worden . Reflexe dieses Erzähl- über die Neuzeit in die Moderne fort . Er mani- stoffes in der spätmittelalterlichen Profankunst festiert und tradiert sich weniger im einzelnen finden sich in mehreren repräsentativen Straß- Bauwerk als in seiner bildlichen und litera- Raubritterburg, Playmobil, 2010 (Kat .-Nr .1 .4) Die Gralburg burger Wandteppichen mit der »Erstürmung rischen Darstellung oder »Festschreibung«, die der Minneburg« (Kat .-Nr .3 .60) oder in kost- in ihren verschiedenen Facetten in der Aus- Eine der wirkmächtigsten Ausprägungen des baren Elfenbeinarbeiten . stellung vorgestellt werden soll . man«) . Die genannten Bereiche existierten »Mythos Burg« findet sich in der Gralburg . Die Der Auftakt ist der Entstehung und den nicht streng abgetrennt voneinander oder ersten Erwähnungen des festungsartigen Burg- verschiedenen Ausprägungen des Burgenmy- lassen sich bestimmten Epochen zuordnen, Tempels und Gralhorts finden sich Ende des »Ein feste Burg« thos im Mittelalter und seinem Fortleben in vielmehr gilt es, die verschiedenen Aspekte 12 .Jahrhunderts im altfranzösischen »Conte du der Neuzeit bis in die Gegenwart gewidmet . und die ­Dynamik des Burgenbildes vom Mit- Graal« (»Perceval«) von Chrétien de Troyes und Für die neuzeitliche Vorstellung von der Burg Hinsichtlich der Burgen-Imagination gilt es telalter bis in die Moderne vorzustellen – von wenig später im »Parzival«-Epos (Kat .-Nr .3 .8) waren bildliche und literarische Darstellungen, zunächst u .a . zu trennen zwischen Beschrei- der sagenumwobenen Gralburg bis zur Play- des deutschen Dichters Wolfram von Eschen- Burgenmetaphern und Idealburgen wie die bungen und Darstellungen von Ideal-Burgen mobilburg . bach . Mitten in der »klassischen Zeit« des Gralburg weitaus wichtiger als die meisten ar- in hoch- und spätmittelalterlichen Ritterepen Die Geschichte des »Mythos Burg« gliedert Burgenbaus bilden die beiden Versromane ei- chäologischen Funde . Wie stark der mittelal- Tafelaufsatz »Der Gral«, 1900 (Kat .-Nr .1 .8) der Romanik wurden das Gottesreich bzw . das und entsprechenden Buchillustrationen, sich in verschiedene, sich immer wieder ver- nen literarischen Ursprung des »Mythos Burg«, terliche »Mythos Burg« noch im 16 .Jahrhundert Himmlische Jerusalem als Burg dargestellt . Zu Wandmalereien oder auf Teppichen (z .B . Gral- ändernde Facetten, welche einen Bogen von indem sie eine durch den Gralmythos aufgela- war, beweist auch das berühmte Luther-Diktum den faszinierendsten Zeugnissen zählen die 35 burg, Artushof), der Verwendung der Burg als der Gralburg über Neuschwanstein (Kat .-Nr . dene Idealburg als heiligen Ort – Wolfram be- »Ein feste Burg ist unser Gott« (Kat .-Nr . 1 .17) . als Sitz des gerechten Herrschers dient und zu Miniaturen in Hildegard von Bingens Haupt- Metapher etwa in religiösen Zusammenhän- 8 .49) und Walt Disneys Dornröschenschloss zeichnete sie nicht von ungefähr als Munsal- Es erfuhr als Kirchenlied spätestens ab 1529/31 seiner Verkörperung wird . werk »Liber Scivias Domini« (»Wisse der Wege gen (Darstellung des Himmlischen Jerusalem bis hin zur Harry-Potter-Burg Hogwarts (Kat -. væsche (»Berg des Heils«) – präsentieren, an weite Verbreitung . Die Luther-Metapher, die Martin Luthers Vergleich von Burg und Gott des Herren«), entstanden um 1141 – 1151 . Der im als Burg, Luther: »Ein feste Burg ist unser Nr . 8 .126) spannen . Der Mythos entwickelt sich dem sich fortan alle Burgen zu messen hatten . vermutlich auf den Psalmen-Spruch »Gott ist gehört bis heute zu den bekanntesten Burgen- Kloster Rupertsberg überlieferte, seit dem Gott«) und der vor allem im Spätmittelalter in enger Verflechtung von Fiktion und Realität Die in allen Fassungen beschriebene Größe der unsre Zuversicht und Stärke« (Ps 46,2) zurück- metaphern . Die religiöse Konnotation der Burg Zweiten Weltkrieg verschollene Codex, von zunehmenden allegorischen Verwendung der und lässt sich als Spiegel, Projektion und Ge- monumentalen Anlage verweist trotz eventu- geht, greift in erster Linie die Vorstellung von mit Gott bzw . dem Himmelreich ist jedoch dem glücklicherweise ein getreues, handge- Burg (z .B . als Minneburg, u .a . im »Rosenro- genentwurf zur Wirklichkeit beschreiben . eller Anleihen an reale Burgen – vorgeschlagen der wehrhaft-schützenden Burg auf, die hier keine Erfindung Luthers . Bereits in der Kunst maltes Faksimile erhalten ist, veranschaulicht

22 23 E i n f ü h r u n g A n j a G r e b e

Auch in späterer Zeit wird die Burg immer wie- drucke vermitteln in ihren zahlreichen Illustra- der als Sitz des ungerechten Herrschers, Usur- tionen ein anschauliches Bild der Melusine- pators und sogar des Teufels selbst und seiner Burgen in der Vorstellung von Künstlern und Gesellen angesehen . Beispiele sind ein stark vom Publikum des ausgehenden Mittelalters . an die phantastischen Kompositionen von Hie­ ronymus Bosch angelehnter Kupferstich seines Mitbürgers Alart du Hameel mit dem Jüngsten Burg als Geschichtsdokument Gericht (Kat .-Nr . 1 .20) . Zudem wurden einzelne Bauten wie die Wart- burg, aber auch die Nürnberger Kaiserburg, die Helden ehemalige Deutschordensveste Marienburg und viele andere Burgen zu politischen Sym- Der »Mythos Burg« wird im Gegensatz zur an- bolorten, lokalen bzw . regionalen Identifikati- tiken Mythologie weniger von Göttern als von onsplätzen und Nationaldenkmälern stilisiert . Helden bestimmt . Sie haben Burgen zum Dabei kann die politisch-ideologische Beset- Schauplatz ihres Lebens gemacht . Die Sagen zung durch ganz unterschiedliche Gruppen um König Artus, die Nibelungen, Parzival, Lo- geschehen, wie das Beispiel der Wartburg hengrin oder Karl den Großen und seine Ge- zeigt, die zu einem identifikatorisch hoch­ treuen Willehalm und Roland sind mit ihren besetzten Denkmal der Katholischen Kirche zahlreichen Burgerwähnungen ein Spiegel der (hl .Elisabeth; Kat .-Nr .8 .47), der Reformation anhaltenden Faszination und zugleich symbol- (Martin Luther; Kat .-Nr .8 .46), der Studenten- haften Überhöhung dieses Bauwerks . Als und Demokratiebewegung im 19 . Jahrhundert Wehr- und Herrschaftsarchitektur verbindet (Wartburgfest; Kat .-Nr .8 .38) für die National- sich mit der Burg die Idee von Schutz und Au- sozialisten, die Geschichtspolitik der DDR und torität, Abgrenzung, aber auch Anziehung . All im Zuge der Wiedervereinigung nach 1989 diese Vorstellungen werden bereits im Mittel- wurde – um nur einige der bedeutendsten alter literarisch vermittelt in Ritter- und Helden­ Wartburg-Mythen und deren Instrumentalisie- Saalbrand, Farbige Nachzeichnung nach der epen, Romanen, Liedern und allegorischen rungen zu nennen . Nibelungenhandschrift des Hundeshagen-Kodex, Erzählungen und haben auch danach ein rei- Selbst wenn die Burg im Laufe der Jahrhun- Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preusischer Spiegelkapsel mit der Erstürmung Höllenburg ches Echo in der Literatur, den bildenden Küns­ derte ihre ursprüngliche Funktion als Herr- Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Ms . germ . der Minneburg, 2 .V .14 .Jh . (Kat .-Nr .1 .10) ten und in der Festkultur gefunden . schaftssitz und militärisches Bollwerk verloren fol . 853, Bl . 22 (Kat .-Nr . 1 .27 a) Die Burg konnte jedoch auch als Sinnbild der hat, so ist der Mythos weiterhin lebendig . Nicht Hölle angesehen werden . Bereits in einer früh- zuletzt sind die mit der Burg verbundenen rit- mittelhochdeutschen Dichtung, dem »Jüngsten Zauber- und Märchenburgen terlich-höfischen Lebensformen bis heute eine in leuchtenden Farben und einprägsamen For- Gericht« von Frau Ava, vermutlich in der ersten Grundlage der (westlichen) Zivilisation und men die Visionen der heiligen Äbtissin und Hälfte des 12 .Jahrhunderts entstanden, wird In den Bereich von Märchen und Fabel führt ihrer Werte . Die Beschäftigung mit dem »My- Mystikerin . In einer Vision offenbart Gott sein die Burg als Inbegriff von Hoffart und Macht- das Thema Burg und Liebe, etwa im Rahmen thos Burg« hat daher auch viel mit der Frage Heilswerk, das er als Bauwerk auf dem Funda- streben bezeichnet, die als Vorbote des Welt- der Sage um die schöne Wasserfee Melusine nach den Ursprüngen und der Entwicklung der ment des Glaubens im Zusammenwirken mit gerichts untergeht: (Kat .-Nr . 1 23). . Sie lebt mit einem Ritter auf sei- modernen Gesellschaft zu tun . den Menschen errichtet . Die zugehörige Minia­ ner Burg und ist die Quelle seines Ansehens tur zeigt das »Gebäude des Heils« in Gestalt »Am zehnten Tag/das brauchen wir gar nicht und Reichtums, bis er eines Tages unerlaubt Anja Grebe einer viereckigen Burganlage mit Türmen und zu beklagen –/stürzen die Burgen ein,/die um ihre wahre Gestalt als Meerjungfrau entdeckt . zinnenbewehrten Mauern . Es symbolisiert zu- des Ruhmes willen erbaut wurden ./Mauern Eine berühmte Darstellung der Melusine-Burg gleich das Erlösungswerk des Gottessohnes und Befestigungen –/das alles wird zusam- Lusignan findet sich im Monatsbild zum März und seinen Kampf gegen den Teufel . Die Stein- menbrechen ./So ist Gott wirklich/ein wahrer in den »Très Riches Heures du Duc de Berry« mauer steht für das Menschengeschlecht, Gleichmacher .« (V .95 – 102) (um 1410/16) . Doch auch die in Deutschland und gefestigt durch den Glauben an Christus, der Frankreich in der zweiten Hälfte des 15 .Jahr - als Eckstein das Heilsgebäude überragt . hunderts erstellten Handschriften und Früh-

24 25 1. M y t h o s B u r g

1 .1 Rhein« mit den veranschlagten Kosten von Burg Windeck 32 000 Gulden vorlegte, entwarf Götzenberger Franz Jakob Götzenberger (1800/1802 – 1866), um 1844 ein Programm von »Sagen aus Baden-Baden Öl auf Leinwand · 59,2 × 44,5 cm · Heidelberg, und Umgebung«, für dessen Ausführung er nur Kurpfälzisches Museum der Stadt Heidelberg, G 217 8 000 Gulden ansetzte . Ausschlaggebend für die Wahl Götzenbergers war daher wohl neben Mächtige Türme, eine hohe, unüberwindliche dem regionalen Thema der deutlich geringere zinnenbekrönte Ringmauer – Wehrhaftigkeit Preis . und Sicherheit vermittelt die Burg, in die sich Im Zuge der aufschwingenden Burgenro- die Heranreitenden flüchten wollen . mantik entstanden zahlreiche sich um die Burg Bildthema dieses romantischen Gemäldes Windeck rankende Sagen, Liedtexte und Ge- ist eine mit der in der Nähe von Baden-Baden dichte . Gleichzeitig wurde die Burg zum Aus- gelegenen Burg Windeck verknüpfte Sage, die flugsziel zahlreicher Gäste des nahe gelegenen auf der historisch belegten Fehde zwischen Kurbads Hub . Besucher, wie z .B . die aus Baden Reinhard von Windeck und der Stadt Straßburg stammende russische Zarin Elisabeth und beruht . Als Mitglied des Schleglerbundes, in Gäs­te aus Paris, Prag, Bern, Besançon, Stock- dem sich Niederadlige zur Behauptung ihrer holm und weiteren Städten haben ihre Eindrü- Stellung gegenüber den benachbarten Grafen- cke in vier Gästebüchern niedergeschrieben, häusern verbündet hatten, entführte Reinhard von denen das älteste bis in das Jahr 1811 zu- von Windeck 1371 den Straßburger Domdechan- rückreicht – das Jahr, in dem sich auf Initiative 1 .2 ten Johannes von Ochsenstein und verstieß des Freiherrn Carl von Beust die Windecker damit gegen den wenige Jahre zuvor ausge- Burgmannen gegründet haben, die für die Er- handelten ewigen Frieden mit der Stadt Straß- schließung der Burg Sorge trugen . Förderlich 1 .2 deutscher Becher, der sich heute im Victoria & burg, womit er eine Belagerung durch die für das touristische Interesse waren sicherlich Anbetung der Heiligen Albert Museum in London befindet . Im abge- Straßburger herausforderte . auch die um 1874 in einem Turm der Burg vor- Drei Könige bildeten Geschenk für Christus zeigt sich die Auf dem Gemälde ist dargestellt, wie die handenen zehn Rüstungen, zwei Brusthar- Wertschätzung der Pokale mit Burgendarstel- Meister der Lyversberger Passion (tätig in Köln Windecker den entführten Domdechanten in nische, ein Rückenharnisch, drei Armschienen, ca .1460 – 1480) · Malerei auf Eichenholz · 186,5 × 137,5 cm lung . S. Jungnickel die Burg Windeck bringen . Die im Vordergrund mehrere Helme und eine Lanze . Kartause zu Köln; ehem . Sammlung Boisserée · GNM, Kat . Nürnberg 1937, S .97 – 98; Schock-Werner 1989, S .41; hockende Greisin mit einer weißen Henne auf In dem Gemälde der Burg Windeck vereini- Leihgabe Wittelsbacher Ausgleichsfonds, Gm 989 Kat . 2004, S .326 – 327 dem Schoß verweist auf den weiteren Verlauf gen sich sämtliche den »Mythos Burg« prä- der Sage, laut der zwei Nichten des Entführten gende Aspekte, von den Wehrhaftigkeit ver- Die Heiligen Drei Könige bringen dem neuge- diesen mit Hilfe der weißen Henne befreien . mittelnden Türmen der Anlage, die tatsächlich borenen Heiland kostbare Schätze dar, die sich Die Henne scharrte nämlich über Nacht einen einer mehrwöchigen Belagerung standhalten als zeitgenössische Kunstwerke erweisen . Der 1 .3 tiefen Graben, sodass für die zur Befreiung des konnte, bis hin zu dem Touristenmagneten, zu älteste, grauhaarige König kniet vor dem Chris­ Das Castello del Buonconsiglio Domdechanten heraneilenden Straßburger die dem sich die Burg bereits im frühen 19 .Jh . ent- tuskind, das auf dem Schoß Marias sitzt, nieder auf dem Augustineraltar Burg uneinnehmbar war, und die Windecker wickelte . C. Hagenguth und hat einen goldenen Pokal auf dem Holz- Meister des Augustineraltars (tätig 2 .H .15 .Jh .), Nürnberg, als Dank den Gefangenen an die Nichten frei- tisch abgelegt . Der Deckel dieser kunstvollen 1487 · Öl auf Holz · Flügel 275 × 94 cm · Bez . »1487« Beust 1857; Naeher 1889; Lohmeyer 1935, S .407 – 414; gaben . Als Relikt dieser Sage wird noch heute Goldschmiedearbeit ist mit einer detailreich Nürnberg, Klosterkirche der Augustiner · GNM, Leihgabe Harbrecht 1960; Kat . Heidelberg 1965, S .46, Nr . 132; Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Gm 142/BStG 5788 der Burggraben als Hennengraben bezeichnet . 1 .1 Schappeler-Honnef 1992; Kat . Freiburg 1993, S .162 – 163, gestalteten Burg bekrönt . Innerhalb der kreis- Die auf einem nach drei Seiten abfallenden Nr .93; Kat . Karlsruhe 1996, S .249, Nr . 465; Klümper 1999; runden, zinnenbewehrten Ringmauer, in die ein Felssporn sitzende Burg, die seit dem Ausster- Rollet, Guigone, in: Kat . Heidelberg 1999, S .126 – 128; überhöhtes Rundbogentor eingelassen ist, Vom Nürnberger Augustineraltar sind sechs ben der Familie Ende des 16 .Jh . dem Verfall hochmittelalterliche Ringmauer anschlie- Jakob Götzenberger für die Ausmalung des Erhard 2005, S .116 – 128; Gartner/Uhl 2008 steht im hinteren Teil der Anlage ein recht­ Flügel erhalten, zwei rückseitig unbemalte preisgegeben war, wird von Götzenberger in ßenden Wohngebäude spiegelt sich die seit Wandelgangs in der 1842 vom Architekten Hein- eckiger , an den sich rechts ein mehr- Standflügel sowie vier Klappflügel . Der Altar einem guten, bewohnbaren Zustand von Süden 1347 belegte Nutzung der geteilten Anlage als rich Hübsch fertiggestellten Baden-Badener geschossiger Wohnbau anschließt . Zudem hatte somit eine Werktags-, eine Sonntags- dargestellt . Die vermutlich im 12 .Jh . gegründete . Bis auf die Zwingermauer und Trinkhalle . Die Maler Moritz von Schwind und befinden sich drei niedrigere, lang gestreckte und eine Feiertagsseite . Auf den Standflügeln Burg wird von zwei Türmen mit einer Eckqua- das Torhaus lassen sich alle dargestellten Ge- Jakob Götzenberger wurden um Entwürfe für Wirtschaftsgebäude nah an der Ringmauer . Aus sind im geschlossenen Zustand acht Szenen derung aus Buckelquadern bestimmt, die auf- bäude bis heute im Ruinenbestand belegen . eine Ausstattung des 90 m langen Wandel- dem Spätmittelalter sind nur sehr wenige ver- aus dem Leben des hl . Veit zu sehen, im Sonn- grund jüngster Bauforschung in das 2 . Drittel Bei dem kleinen Ölgemälde handelt es sich gangs mit 15 Wandgemälden gebeten . Während gleichbare Deckelbecher mit einer Burg oder tagszustand vier Standfiguren und im völlig des 13 .Jh . datieren . In der Dopplung der an die um einen Entwurf des Heidelberger Künstlers der bekanntere Schwind einen Zyklus »Vater einer befestigten Stadt erhalten, etwa ein süd- geöffneten Zustand unbekannte Statuen auf

26 27 5. L e b e n a u f d e r B u r g H i e r l e b t e i n K o l u m n e n t i t e l

tenburg, Laubegg) und Hunde (z. B. Ketzelburg in Haibach, Burgk bei Schleiz), sind diese doch als Haustiere für den Schutz von Haus und Hof hilfreich. Aber auch andere Tiere und magische Gegenstände wurden verwendet, die sich man- gels schriftlicher Nachrichten nur zufällig auf- finden lassen. Menschen als Bauopfer sind – anders als viele Sagen suggerieren – auf Burgen christlicher Bauherren nicht nachge- 5. 78 5. 79 wiesen. Der Hundekadaver wurde 1739 beim Abbruch des zweiten Torhauses von Schloss Burgk auf- eher braun- bzw. grautonigen Hörner finden den Funktion sicher auch in der Abwehr von gefunden. Er lag in einem mit rotem Leder sich überwiegend in Burgen, weshalb eine Ver- Unheil für den Träger und einer amulettartigen ausgeschlagenen Holzkasten, ein Fressnapf wendung als Wächter- oder Signalhorn anzu- Schutzfunktion gegen verschiedene Krank- und ein eiserner Schlüssel waren ihm beige- nehmen ist. Eine ähnliche, wenn auch sekun- heiten, vor allem Schlaganfall, Krämpfe und geben. Der Holzkasten war in einer vier Ellen däre Nutzung ist auch für die originalen Gicht. Die Behandlung von Gicht (engl. gout) dicken Mauer über dem 1403 errichteten Tor Aachenhörner nicht auszuschließen. B. Friedel mit magischen Methoden illustriert die Über- vermauert gewesen. Der Fund wird seit 1739 lieferung des selbst gichtkranken Heinrich VII. im Schloss museal aufbewahrt. D. Burger Michel 1884, S. 246 – 248; Teichmann 1900, S. 149 – 160; Tudor, der innerhalb eines Jahres nicht weniger Haasis-Berner 1994, S. 15 – 38; Hakelberg 1995, S. 285 – 299; als 20 Fingerringe segnete, die hochrangigen Lang 1989, S. 31 – 32; Kulick 1996, S. 59 – 64; Jansen 1995, S. 421 – 434 Ettel 2005, S. 75 – 90 Zeitgenossen Linderung verschaffen sollten. B. Friedel 5. 79 Busch 1987, S. 149 – 156; Michelly 1987, S. 6 – 81, Taf. 36; Achteckiger Thebalring Bungarten, Gisela, in: Kat. 2009, S. 329, FO: Burgwall Spandau, Burgstadt, Berlin, Grundstück 17, Nr. 10 Phase 6 b, Haus 10 b · Ende 11. Jh. · Gold · Dm. 2,3 cm Bez. »THEBAL GUT GUTTANI./.« · Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte 5. 80 Leben Berlin, If 17633 Ein Hund als Bauopfer für das Der 1982 im Burgwall Spandau gefundene Gold- Schloss Burgk (Thüringen) ring gehört zur Gruppe der in ganz Europa ver- Mumifizierter Kadaver mit Informationstafel aus Holz breiteten Thebalringe. Der regionale Schwer- 1403 (?), 1739 · Schloss Burgk, ohne Inv. im Kampf punkt der vor allem im Hoch- und Spätmittel- alter verbreiteten Ringe liegt auf den Britischen Tiere als Opfergaben sind bereits aus der Vor- 6. Inseln und im deutsch-slawischen Grenzgebiet. geschichte bekannt. Für einen beständigen Die bekannten Besitzer der meist aus Gold ge- Bau, gegen Unfälle bei dessen Errichtung und fertigten Ringe reichen von Kaiser Lothar III. allgemein als Abwehrzauber wurden Opferga- bis zu Bischof Ulger von Angers. Auch ein Ring ben in den Grund gelegt oder eingemauert. Die aus Lübeck dürfte einem Geistlichen gehört feierliche Grundsteinlegung mit Münzen, Zei- haben. tungen o. ä. ist ein letzter Ausfluss dieser Sitte Die Thebal-Formel wurde früher als »die aus heidnischer Zeit. Auch bei Burgen wurden Krankheit möge zunichte gemacht werden« im oder unter dem Bau sorgfältig bestattete gedeutet, eine neuere Übersetzung sieht die Tiere gefunden, die man als Bauopfer interpre- Wurzeln im Aramäischen im Sinne von »du tieren kann. Ob die Tiere extra getötet wurden, magst tragen gutes Los für mich«. Für welche kann meist nicht mehr festgestellt werden, Übersetzung man sich auch entscheidet, der liegt aber nach dem Sinn der Opfergabe nahe. Zweck der Ringe liegt neben der schmücken­ Besonders beliebt waren Katzen (z. B. Leuch-

232 233 E i n f ü h r u n g M a r t i n B a u me i s t e r

­Möglichkeit. Er war zudem ein gesellschaftlich anerkannter Ansatz zur Problemlösung, der eben im Kampf extreme Formen von Gewalt verhindern L konnte. Militärisch gesehen erfüllten Ritter ihre tat­ sächliche Aufgabe jedoch nicht im Zweikampf, sondern im Krieg als in Gruppen gemeinsam kämpfende, gepanzerte, offensive Reiterei. Deren Einsatzschwerpunkt lag nicht in der Burg, sondern in der Beherrschung von of­ Der gepanzerte Ritter auf seiner Burg ist eine fenem Gelände. Zwar bildeten Burgen die Fix­ langlebige, bis heute weit verbreitete Vorstel­ punkte der Herrschaft in der Landschaft, ent­ lung, die sogar den populären – aber völlig scheidende Veränderungen des Machtgefüges unhistorischen – Begriff der »Ritterburg« her­ fanden jedoch durch Feldschlachten statt, in vorgebracht hat. Dabei ist der Reiterkrieger denen der Gegner im Idealfall schnell besiegt (mittelhochdeutsch »rîter« bedeutet nichts an­ und die Machtbalance eindeutig verschoben deres) keineswegs ohne Weiteres mit dem wurde. Auch die alltägliche Durchsetzung von Burgherren gleichzusetzen. Dennoch handelte Herrschaft gegen eigene Untertanen konnte es sich bei dem mitteleuropäischen Ritter um die Androhung oder den Einsatz von Gewalt einen Angehörigen einer militärischen Elite: durch Panzerreiter erfordern. Der Besitz für den Kampf geschulter Pferde, Zur Erfüllung dieser militärischen Funktion die Ausstattung mit Reitzubehör und die unbe­ benötigte der Ritter eine umfangreiche Ausrüs­ dingt notwendige Übung führte bereits im tung. Diese bestand das gesamte Mittelalter Frühmittelalter dazu, dass sich der Reiterkrie­ Die Schlacht im Walde, Nürnberg, nach 1502 Kontrolle materiellen Potenzials und die Ein­ hindurch mindestens aus Pferd, Rüstung und Hans Schäufelein (zugeschr.), Ritterliches Turnier Axt und Morgenstern. Essentielle Bedeutung ger von der ländlichen Bevölkerung abhob, zur (Kat.-Nr. 6. 17) nahme gesellschaftlicher Schlüsselpositionen Waffen. Da Kämpfe selten isoliert stattfanden, auf einem Stadtplatz, 1505/10 (Kat.-Nr. 6. 16) hatte das Reittier für das Standesbewusstsein Elite wurde und diese Position während des erworben und behauptet wurde, kam es zum sondern meist als Ausnahmeereignisse im und den militärischen Einsatz der Ritter. Ohne gesamten Mittelalters und der Frühen Neuzeit ständigen Wettstreit innerhalb der Eliten und Rahmen von Kriegen, Fehden und Feldzügen, geeignetes Pferd konnte der Ritter seine tak­ behielt. aber auch in der Bereitschaft zu Opfer und zur Abgrenzung gegen die breite Masse der musste diese Ausstattung jedoch flexibel sein: Hochmittelalter durch den Topfhelm verbes­ tische Rolle nicht erfüllen. Zucht, Auswahl und Zur wehrhaften Burg gehört der Ritter als Untergang, liegt wohl der fortdauernden posi­ Bevölkerung. Dabei fanden Mittel struktureller, Auch wenn vielen ritterlichen Reitern Hilfsper­ sert, als der Angriff mit der eingelegten Lanze Training waren daher ebenso wichtig wie die heldenhafter Kämpfer, der sie entweder gegen tiven Tradition dieses Bildes vom Ritter zu­ indirekter wie auch direkter Gewalt verbreitet sonal zur Verfügung stand und ihre materielle eine erhöhte Gefährdung des Gesichtes mit Kontrolle über Personal, etwa Pferdeknechte, alle Angriffe verteidigt oder sie, alle Wider­ grunde. Dabei stellt sich die Frage, welche Anwendung. Die Rechtfertigung dafür lieferte Mittel eine Konzentration auf ihre Kernaufgabe sich brachte. Die Verstärkung der Lanze und und Infrastruktur. Der effektive Einsatz im stände überwindend, mutig erstürmt. In dieser Rolle der Kampf im Leben eines realen Ritters eine kriegerische Ideologie, in der das Gewalt­ in der Schlacht erleichterten, mussten sie doch der Einsatz von Fernwaffen führten zum Kampf wurde erst durch die richtige Ausrüs­ Weise werden Ritter nicht erst im 19. Jahrhun­ und in der mittelalterlichen Gesellschaft tat­ monopol der Eliten nicht als Selbstzweck be­ auch damit rechnen, einen Großteil ihrer Zeit ­vermehrten Einsatz von Panzerplatten und tung möglich. Der spezielle hochgezogene dert, sondern durchaus auch bereits im Mittel­ sächlich spiel­te und ob sich dies aus einer ansprucht wurde, sondern für das höhere Ziel im Lager und auf Märschen oder sogar mit schließlich im späten Mittelalter zum Ganzkör­ Sattel sorgte für Halt bei Lanzenattacke und alter präsentiert (vgl. Kapitel 3), was wesentlich Analyse erhaltener Quellen und Objekte he­ der Aufrechterhaltung von Ordnung in einer Überfällen, Eskorten oder Plünderungen zu per-Plattenpanzer. Während das Bild dieser Nahkampf, Zügel, Gebiss und Sporen ermög­ zum Mythos des Ritters, aber auch dem der raus klären lässt. In Bezug auf das Thema Burg grundsätzlich bedrohlichen Welt. Der Ritter bot Verbringen. glänzenden äußeren Stahlhülle heute geradezu lichten die scharfe Kontrolle des Reittiers. All Burg als einem Schauplatz der Kämpfe beige­ wäre zu hinterfragen, ob der Zusammenhang in dieser Sicht als würdiger Kämpfer den Im Ernstfall bot die Panzerung Schutz vor als Kennzeichen des Ritters gesehen wird, ist dies erforderte große Investitionen an Geld, tragen hat. Burgen sind Ausgangspunkt, Haupt­ zwischen Ritter, Kampf und Burg tatsächlich Schwächeren Schutz, konnte dafür aber im gegnerischer Gewalt. Sie ermöglichte es, im kaum bekannt, welche unverzichtbare Rolle die Material und Zeit, sodass viele Ritter ihren Le­ stationen und Ziel des auf Abenteuer auszie­ so eng war wie heute meist angenommen, ob Gegenzug materielle Unterstützung erwarten. Kampf länger, auch gegen Übermacht, durch­ textile Polsterung unter den Rüstungen spielte, benswandel stark an den Erfordernissen ihrer henden Ritters. Während solche Erzählungen also das Leben des Ritters, das Leben auf der Die heroische Berufung des Ritters erscheint zuhalten, durfte dafür aber nicht zu schwer ohne die Prellungen, Schürfungen und Brüche militärischen Aufgabe ausrichten mussten. und Bilder vor allem die positiven Aspekte des Burg, tatsächlich ein Leben im Kampf war. in der Literatur und in Darstellungen verdichtet oder unbeweglich sein. Der populäre Irrglaube unvermeidbar gewesen wären. Aus Kampfübungen der Panzerreiterei, aber ritterlichen Lebens betonen, lassen sie doch Der Begriff Ritter wird hier allerdings verein­ im Zweikampf. Diese ultimative Bewährungs­ von überschweren Rüstungen und mittels Kran Die wichtigsten Offensivwaffen waren seit auch aus Gefechten nach Herausforderungen auch erkennen, dass der Blick auf die Burg und fachend für ein in der Realität sehr komplexes probe ritterlicher Art bildet schon im Mittelal­ aufs Pferd gehievten Rittern wird durch die Beginn des Mittelalters die Lanze für den entwickelte sich im 11./12. Jahrhundert im nord­ den Ritter stark durch deren Funktion im Krieg und bis heute kontrovers diskutiertes Phäno­ ter in Erzählungen den dramaturgischen Hö­ Beweglichkeit und das Gewicht erhaltener Har­ Sturmangriff und das Schwert für das Hand­ französischen Raum das mittelalterliche Turnier. geprägt ist. Die Taten des ritterlichen Helden men verwendet. Dies gilt auch bei der Be­ hepunkt und ist in der bildenden Kunst ein sehr nische klar widerlegt. Fortschritte in Taktik, gemenge. Mit dem Aufkommen der Platten­ Sein schneller und langlebiger Erfolg rührt wohl sind eingebettet in ein Dasein voller Kampf. schränkung auf militärische Fragen. Da die beliebtes Motiv. Auch in der Realität war es für Technik und Materialbeherrschung sind in der panzerung wurde die Lanze schwerer, das daher, dass seine vielen Varianten eine per­ Die heroische Grundeinstellung, die sich herausgehobene Stellung in der Gesellschaft, Ritter ein wichtiges Zeichen ihrer Standeszu­ Rüstungsentwicklung gut ablesbar. Die früh­ Schwert länger und spitzer, und es entwickelte fekte Bühne für die Zurschaustellung individu­ hier in der willigen Annahme und Bewältigung welche die heterogene Gruppierung der Ritter gehörigkeit, im Kampf gesehen zu werden – mittelalterliche Kombination aus Kettenpanzer, sich ein Arsenal von »panzerbrechenden« Waf­ ellen Heldentums und kollektiver Macht boten. von Herausforderungen und Gefahren zeigt, im Mittelalter beanspruchte, etwa durch die und der Zweikampf bot hierfür die beste offenem Helm, Lanze und Schild wurde im fen wie Dolch, Rabenschnabel, Streitkolben, Der Kampf wurde hier mit Regeln gezähmt,

234 235 E i n f ü h r u n g M a r t i n B a u me i s t e r

welche die schädlicheren Seiten der Gewalt­aus­ Vor allem Fußsoldaten mussten Wege finden, Zwar spielte die Belagerung in mittelalterlichen zogen die rechtzeitige Übergabe vor. In den übung minderten, die positiven aber betonten. um gegen die physisch und psychologisch Erzählungen neben Krieg und Turnier eine ge­ Fällen jedoch, in denen es zum Äußersten kam, Der Sieg verschaffte Status, der Stärkere behielt überlegenen Reiter zu bestehen. Naheliegend wisse Rolle, doch erscheint sie dort weitaus waren die Verluste hoch, und den Verteidigern weiterhin Recht, war aber zur Schonung des war es, die Ritter auf Distanz zu bekämpfen. weniger heroisch als Zweikampf oder Schlacht. wird in ihren letzten Augenblicken meist alles Gegners verpflichtet. Die Senkung der Verluste Dafür standen zuerst Bögen, dann Armbrüste, In der Realität blieb sie ein asymmetrischer andere als heldenhaft zumute gewesen sein. verhinderte eine Dezimierung des Ritterstandes schließlich Feuerwaffen und Geschütze zur und somit unfairer Kampf, bei dem sich die Anders als die literarischen Überhöhungen und diente damit auch der Stabilisierung der Verfügung. Im Nahkampf halfen lange Spieße schwächere Partei der stärkeren zu ent­ziehen zeigen archäologische Ausgrabungen zer­ Gesellschaftsordnung. oder wuchtige Stangenwaffen, aber vor allem suchte. Dies taugte kaum für eine Stilisierung. störter Burgen ein menschlich anrührendes, Die Ausrüstung für das Turnier unterschied der disziplinierte Zusammenhalt in Formati­ Eine Belagerung war zudem als schmutzige, trauriges Bild vom sinnlosen Verlust, vom Ver­ sich von der im Krieg getragenen. Die Bedin­ onen. Dieser war nur durch häufiges Üben anstrengende und verlustreiche Angelegenheit stecken spärlichen Besitzes in der Hoffnung gungen des kontrollierten Kampfes erlaubten erreichbar, sodass sich Konkurrenz für die Rit­ für ritterliche Standespersonen eher unattrak­ auf Überleben, vom Tod erschöpfter Kämpfer etwa ein weit höheres Gewicht und Eigen­ ter vor allem da bilden konnte, wo nichtritter­ tiv. Das Handwerk der Belagerung umfasste wie wehrloser Burgbewohner. heiten, die an einem Feldharnisch sinnlos ge­ liche Kämpfer länger versammelt waren, in das Einschließen, Aushungern, den Beschuss Obwohl es unmöglich ist, dies genau zu be­ wesen wären. Doch boten selbst schwerste städtischen oder landschaftlichen Aufgeboten und schließlich den Sturm. Für die Beschaffung ziffern, wurden andererseits viele Burgen nie Rüstungen oder stumpfe Lanzenspitzen keinen oder Söldnerheeren. Städte verfügten zudem von Material und den Bau von Gerät benötigte ernsthaft belagert, und viele Personen, die dem hundertprozentigen Schutz, und es gehörte meist über die Rüstungsproduktion und die man Arbeitskräfte und teure Spezialisten. Kost­ Stand der Ritter zugerechnet werden konnten, sicher einiger Mut dazu, sich der gegnerischen Experten für Belagerungen. Dieses Potenzial spielig konnten lange Belagerungen schließlich dürften Kampfsituationen weitgehend oder Lanze als Zielscheibe darzubieten. Auch wur­ wurde im Lauf des Mittelalters zunehmend auch bei hohen Verlusten durch Hunger und völlig aus dem Weg gegangen sein. So war das den manche Turnierarten bewusst mit ris­ auch zu einer Bedrohung für die Burgen des Krankheit werden. Dasein von Ritter und Burg vielleicht weniger kanten Regeln geritten, bis hin zu Kämpfen Ritterstandes. Mehr noch als in der mobilen Kriegsführung ein Leben im ständigen Kampf, sondern, wie ohne Helm oder Harnisch. Um seine Position in der Gesellschaft zu suchte man hier nach Innovationen, um einen die Betrachtung von Quellen und Erzählungen, Im Gegensatz zum landläufigen Bild des Tur­ behaupten, musste ein ritterbürtiger Mann schnellen Erfolg zu erzwingen. Auch wenn sich von Architektur und Gegenständen zeigt, eher niers gab es viele Varianten von Kampf und wenigstens ansatzweise seine militärische Angehörige der Ritterschaft durchaus wissen­ ein Leben in ständiger Beschäftigung mit dem Rahmenprogramm, so war der Massenkampf Rolle als gepanzerter Reiter erfüllen können. schaftlich mit solchen Fragen beschäftigten Thema Kampf. (Buhurt oder Kolbenturnier) zweier Gruppen Der Erwerb von Ross und Rüstung war hier und etwa antike Fachliteratur studierten, von Reitern bis ins Spätmittelalter fast noch jedoch nur eine Minimalvoraussetzung, Ein­ stammten doch die Experten für Geschützwe­ Martin Baumeister beliebter als die klassischen Zweikämpfe satzbereitschaft und Lebensunterhalt ver­ sen und Belagerungsmaschinen meist aus (Tjost, Stechen, Rennen). Der übliche Austra­ langten einen überdurchschnittlichen mate­ einem urbanen, bürgerlichen Umfeld. gungsort lag auf freien Feldern, oft innerhalb riellen Besitz. Im Idealfall schützte ein Mit den Fortschritten in der Belagerungs- oder in Nähe einer Stadt, welche die Infrastruk­ befestigter Wohnsitz, die Burg, diese Basis wie und Verteidigungstechnik im Spätmittelalter tur stellte. Da sich das Turnier ursprünglich auch die Infrastruktur und den familiären An­ konnten viele ritterliche Burgenbesitzer dann von Zweikampf und Feldschlacht herleitete, hang des Ritters. Sie war zugleich eine Zu­ schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht spielten Burgen als Schauplatz oder Hinter­ flucht, wenn er zur aktiven Ausübung von mehr Schritt halten. Während manche Burgen grund im Mittelalter eine geringere Rolle. Gewalt nicht in der Lage war. Neben vielen zu Festungen ausgebaut wurden, die Feuer­ Die Aufmerksamkeit, die der vermeintlich anderen Funktionen, z. B. der Ausübung von waffen standhalten konnten, trat bei vielen ritterliche Kampf im Krieg und im Turnier heute Herrschaft oder wirtschaftlicher Produktion, Anlagen die militärische Funktion in den Hin­ wie damals auf sich zieht, verdeckt manchmal, war die Burg also militärisch gesehen für den tergrund. dass ein großer Teil der Bewaffneten im Mit­ durchschnittlichen Ritter ein Stützpunkt. Diese Doch stand die Burg in Erzählungen und Dar­ telalter andere Waffen und Taktiken verwen­ Möglichkeit wurde gern auch von räuberischen stellungen weiterhin – und steht bis heute – als dete. Der Schockangriff mit Lanzen durch ge­ Standesgenossen ausgenutzt. Misslangen ei­ Symbol für Zuflucht und Sicherheit in einer panzerte Reiter, mit folgendem Handgemenge, gene Überfälle oder die Klärung von Streitfra­ bedrohlichen Welt, als Schauplatz einer geho­ war zwar mit die wirkungsvollste, aber nur eine gen auf dem Schlachtfeld, zog sich die unter­ benen, idealen Lebensführung. Selbst der Un­ von vielen möglichen Kampfesweisen. Deren legene Seite in die Burg zurück. Die Masse tergang mitsamt der Burg konnte so im Topos Erfolg hing zudem an bestimmten Vorausset­ solcher in der Landschaft verteilten Zuflucht­ der heroischen Verteidigung als sinnvolles, ed­ zungen wie etwa ebenem Gelände oder gutem stätten verhinderte in der mittelalterlichen les Opfer ritterlicher Helden zelebriert werden. Wetter, die nicht immer gegeben waren, und Gesellschaft dann oft die schnelle Lösung Dieses Bild stimmt jedoch nur zum geringen natürlich arbeiteten sowohl ritterliche als auch von Konflikten. Allerdings war die Mehrheit Teil mit der Realität mittelalterlicher Belage­ Die Belagerung der Burgfeste Sion in Jerusalem, andere Kriegsteilnehmer das ganze Mittelalter kleinerer Burgen nicht auf lange, massive Be­ rungen überein. Oft genügte schon die Andro­ in: Rudolf von Ems, Weltchronik/Der Stricker, hindurch an Gegenmitteln. lagerungen eingerichtet. hung von Gewalt, und die Eingeschlossenen kurz nach 1300 (Kat.-Nr. 6.30)

236 237 6. L ebe n i m K a m p f

stellt den Aufprall zweier berittener Krieger 6. 2 dar. Die verwitterte Oberfläche lässt manche Schachspielstein mit gepanzerten weikampf Details nur schwer erkennen. Beide Gegner Reitern im Zweikampf sind jedoch eindeutig mit einem oberschen­ Z Westeuropa, um 1120 – 1140 · Elfenbein, Vergoldungs- und Schlacht kellangen Kettenhemd ohne Waffenrock und und Farbreste · 6,1 × 6,8 × 2,4 cm · Paris, Musée du Louvre, einem großem Reiterschild ausgestattet. Der Département des objects d’art, OA 3297 linke Reiter trägt einen Topfhelm, der Rechte vielleicht einen altmodischeren Helm mit Ge­ In seiner Grundform entspricht dieser Spiel­ sichtsschutzplatte. Beide waren von der Hal­ stein den arabischen Vorbildern des sich seit tung her wohl ursprünglich mit Lanzen ausge­ dem 9. Jh. in Europa verbreitenden Schach­ stattet. Diese Details erlauben eine Datierung spiels. Während die orientalischen Vorläufer 6. 1 in die Zeit um oder kurz nach 1200. Die stili­ abstrakt gestaltet waren, zeigt das europä­ Doppelsäulen-Kapitell sierte Darstellung zweier heroischer, gepan­ ische Stück figürliche Szenen auf allen Seiten. mit gepanzerten Reitern zerter Reiter als repräsentativer Architektur­ Möglicherweise wurde hier auch ein unver­ im Zweikampf schmuck ist vielleicht auf die um diese Zeit zierter orientalischer Import nachträglich be­ einsetzenden Bestrebungen um eine Idealisie­ schnitzt. FO: vermutlich aus dem Stadthof der Thüringer rung des Rittertums zurückzuführen. Als Dop­ Auf der einen Seite ist ein berittener Zwei­ Landgrafen in · um 1200 · Sandstein 28 × 48 × 24 cm · Eisenach, Wartburg-Stiftung pelkapitell war es Teil einer Arkadenstellung, kampf dargestellt. Die Gegner greifen mit unter Eisenach, B 0103 die man sich wohl ähnlich der im Palas auf der den Arm geklemmter Lanze an, der linke Kämp­ Wartburg vorzustellen hat. M. Baumeister fer ist getroffen worden und lehnt sich fallend Das heute auf der Wartburg verwahrte Säulen­ zurück. Die Reiter tragen Kettenhemden mit Badstübner 2001, S. 115 kapitell stammt höchstwahrscheinlich nicht integrierter Haube und offene, konische Helme, vom romanischen Palas selbst, sondern von deren Gesichtsschutz lediglich in einem Nasen­ dem städtischen Hof der Thüringer Landgrafen eisen besteht. Wichtig ist daher die ­Deckung in Eisenach. Die kompakte Komposition, die durch den großen tropfenförmigen Schild. Die den Raum auf dem Architekturteil gut ausnutzt, unter der Rüstung heraushängenden­ Schöße eines langen Gewandes sind eine Mode, die sich relativ eng in die Zeit um 1120/40 datieren lässt. Die Darstellung eines heroischen Duells war sicher ein passendes Motiv für ein Spiel, das ja auch als Zweikampf gesehen werden kann. Zusammen mit den Szenen des Sünden­ falls auf den Schmal- und Rückseiten war aber wohl eher eine Darstellung des Kampfes zwi­ schen Gut und Böse beabsichtigt. M. Baumeister

Kat. Paris 2003, S. 237 – 238

6. 1 6. 2 ® 6. L ebe n i m K a m p f rüstung und ausrüstung

6. 4 Während Dolche im Hochmittelalter in der Kampf zu Fuß mit Dolchen, ritterlichen Bewaffnung und somit auch im aus »Freydal« Turnier zunächst kaum eine Rolle spielten, üstung wurden sie ab dem 14. Jh. allmählich üblicher. Entwerfer: Albrecht Dürer (1471 – 1528) zugeschr., R Drucker u. Formschneider: Hans Schönsperger (1455 – 1521), Die fast lückenlosen Panzerplatten spätmit­ und Ausrüstung Nürnberg, 1517/18 · Holzschnitt, koloriert · 46 × 31 cm telalterlicher Rüstungen boten nur noch we­ GNM, Graph. Slg., H 371 Kapsel 18 nige Schwachstellen. Im Handgemenge abge­ sessener oder gestürzter Ritter konnte man Unter den autobiographischen Werken, die einem Gegner so oft nur noch mit einem Dolch ­Kaiser Maximilian I. als großformatige Holz­ beikommen, der in Ritzen oder Sehschlitze schnittbücher zum Zweck seiner »gedachtnus« gestoßen wurde. So wurde auch der Dolch zur herausgeben wollte, sollte der »Freydal« Maxi­ essenziellen und typischen Waffe des Ritters, milian als Turnierhelden thematisieren. (Kat.- und der Dolchkampf zur standesgemäßen 6. 6 Nr. 6. 15). Das Buch war wahrscheinlich als Beschäftigung, zu einer Variante des hero­ Der Schutz Geschenk an Getreue und Bündnispartner ischen Zweikampfes, in deren Ausübung sich des berittenen Kämpfers gedacht, blieb beim frühen Tod des Herrschers sogar ein Kaiser darstellen lassen konnte. 6. 6 a a) jedoch unvollendet. Der Name »Freydal« oder A. Grebe Helm, sog. Nasalhelm »Freyd-Alb« bedeutet freudiger, d. h. tapferer FO: Flussfund aus der Maas · 11./12. Jh. · Eisen, Jüngling oder Geist. Unter diesem spre­ getrieben · 24,2 × 22,5 cm · , Römisch- chenden Namen tritt Maximilian in insgesamt 6. 5 Germanisches Zentral­museum, O.39806 128 Turnieren auf, darunter 26 »Teutsch ge­ b) Kampf des Ritters Dollinger Ringpanzerhemd 6. 3 stech« und 36 »Welsch gestech«, hinzu kom­ gegen Krako Nürnberg, wohl 2. H. 15. Jh. · Eisen · L. ca. 86 cm, men ritterliche Zweikämpfe zu Fuß. Dabei Schultern B. ca. 47 cm · Zeughaus Nürnberg 3-tlg. Relief · Gebr. Prechtel, Stadtamhof, 1892 mit Formen GNM, W 2944 werden zumeist die Namen der Gegner, gegen von 1889; Original um 1280/90 · Figuren: Gipsabguss, farbig 6. 3 die der Kaiser tatsächlich angetreten ist, ge­ gefasst; Lanzen u. Schwert: Holz · Dollinger: 273 × 210 cm; c) niertes Bildprogramm. Es werden jedoch nicht nannt. Vollendet wurde 1512 allein eine Minia­ Krako: 263 × 183 cm; Heinrich: 290 × 290 cm · Dollingerhaus, Geschlossener Helm Kampfszene im »Buch von Troja« 2. H. 15. Jh./Anf. 16. Jh. · Eisen, Bemalung nur Zweikämpfe dargestellt, sondern auch turhandschrift zum persönlichen Gebrauch ; 1892/93 von Dr. Oscar Kling, Darmstadt, Straßburg (?), 1415/17 · 96 Bl., 41 Zeichnungen; hier fol. geschenkt · GNM, A 2797 mit Deggendorfer Wappen · 26,5 × 23,5 × 26 cm; 53 v/54 r · Handschrift auf Papier, Federzeichnungen, Schlachten, in denen, wie in der aufgeschla­ des Kaisers. Auf dieser Grundlage begann 1516 2,03 kg · GNM, W 1922 koloriert · 26 × 19 cm · GNM, Bibl., Hs 973 genen Miniatur, neben den fürstlichen Prota­ in durch den Drucker und Form­ Den 1902 errichteten »Rittersaal« des Germa­ gonisten auch deren bewaffnetes Gefolge im schneider Hans Schönsperger die Umsetzung nischen Nationalmuseums ziert ein thematisch Seit der Domestikation des Pferdes und durch Die Handschrift »Buch von Troja« stammt nach Hintergrund eine Rolle spielt. Dieses trägt nicht in ein gedrucktes, mit Holzschnitten illustrier­ passendes Relief. Der Gipsabguss eines verlo­ das gesamte Mittelalter hindurch war der Rei­ Schrift, Mundart und Bilderausstattung wahr­ die ritterliche Kampfausstattung, sondern eine tes Buch. Zu den drei Illustrationen, deren renen Stuckoriginals aus dem Festsaal des 1889 terkrieger der furchtbarste und gewaltigste scheinlich aus einem südwestdeutschen Ate­ Fülle »knechtischer« Helme und Waffen, etwa Entwurfszeichnungen bzw. Risse dem Nürn­ abgebrochenen Dollingerhauses in Regensburg Kämpfer. Aber er war auch selbst angreifbar – lier, das in der Forschung als »Elsässische offene Eisenhüte, Hauben, Äxte, Stangenwaf­ berger Albrecht Dürer zugeschrieben werden, zeigt den legendären Kampf des Regensburger durch das gegnerische Schwert, durch Stan­ Werkstatt von 1418« bezeichnet wird. Dahinter fen. Das »Buch von Troja« vermittelt so ein zählt auch der Zweikampf zu Fuß mit Dolchen. Patriziers Dollinger gegen den heidnischen genwaffen oder Geschosse – und versuchte verbirgt sich eine Gruppe von Schreibern und relativ lebensnahes Bild der Brutalität und des Krieger Krako. Zeuge dieses Kampfes, der nach deshalb, seinen Körper zu schützen. Illustratoren, die fast manufakturmäßig in den Durcheinanders im Handgemenge einer spät­ 930 stattgefunden haben soll, war König Hein­ Dabei spielte die Mode bei der ständigen ersten Jahrzehnten des 15. Jh. wohl in Straßburg mittelalterlichen Schlacht. rich I., der als dritte Figur dargestellt ist. Wäh­ Weiterentwicklung der Rüstung sicherlich eine Handschriften mit großformatigen kolorierten M. Baumeister rend Dollinger eine Rüstung des 13. Jh. trägt, ebenso wichtige Rolle wie waffentechnische Federzeichnungen unterschiedlichen Inhalts wird Krako in einer phantasievollen »östlich« Veränderungen. In ihrer Wirksamkeit etwa un­ fertigten, von denen heute noch 19 identifiziert Kat. Nürnberg 1974; Saurma-Jeltsch 2001, anmutenden Ausstattung gezeigt. Die Sage, die terschied sich die Schutzpanzerung des frühen Bd. 2, S. 95 – 96 werden können. Das »Buch von Troja« enthält wohl auf eine alte Überlieferung über die Un­ und hohen Mittelalters kaum von jener der eine Prosa-Version nach einem Versgedicht garneinfälle des 10. Jh. zurückgeht, wird so im Spätantike, Ringpanzerhemden waren schon 6. 6 b des Konrad von Würzburg, sozusagen die 13. Jh. von den Künstlern in ihre eigene Zeit ver­ seit keltischer Zeit bekannt. »Ilias« in einer mittelalterlichen Variante. Die legt. Ein Gegenstück des Abgusses befindet Im ganzen Mittelalter gehörte der Helm zur Illustrationen zeigen dem Thema und dem ver­ sich im Bayerischen Nationalmusuem in Mün­ Grundausstattung des Reiterkriegers. Der mutlich adligen Auftraggeber bzw. Rezipien­ chen. M. Baumeister spitzkonische Helm war ideal geeignet, um tenkreis entsprechend ein fast durchgehend Schwerthiebe von oben abzulenken. Dieser von Kampf und ritterlichen Gestalten domi­ 6. 4 Reitzenstein 1972, S. 40 – 42, Abb. 35 Vorteil wurde mit der Einführung des Topfhelms

240 241 6. L ebe n i m K a m p f rüstung und ausrüstung

6. 7 mensionen stellten eine Balance zwischen Buckel eines großen tropfen­ einarmig führbarem Gewicht und größtmög­ förmigen Reiterschildes licher Widerstandskraft gegenüber Schwert-, Pfeil- und Lanzenangriff dar. Er war zudem FO: Burg Altenberg, Füllingsdorf (CH) · Schweiz, 11. Jh. Buntmetall, vergoldet · Dm. 7,3 cm · Liestal, Archäologie Träger der heraldischen Kennzeichnung seines und Museum Basel-Landschaft, Schweiz, 24.35.7127 Besitzers und ist bis heute vor allem in der Form von Wappen präsent. M. Baumeister/M. Goll Seit der Spätantike gehörte in Europa zur Aus­ rüstung des Kämpfers ein runder Schild, aus Kohlmorgen 2002 Holz gefertigt und mit Haut, Leder oder Stoff verstärkt. Metallbeschläge wurden nur spar­ sam verwendet. Schilde wurden im Frühmit­ 6. 8 telalter mit einem Handgriff geführt, der in Topfhelm einer mittigen Aussparung des Schildkörpers Mitte 14. Jh. · Eisenplatten, Eisen- und Messingdraht lag. Die Hand wurde durch einen darüber ge­ 34,7 × 23 × 28,5 cm; 3,4 kg; Blechstärke 1,2 – 2,9 mm wölbten Schildbuckel geschützt. Da orga­ vom Totenschild des Hans Rieter zu Kornburg, nische Teile solcher Schilde meist nicht mehr in der ­Allerheiligenkirche Kleinschwarzen­ ­lohe GNM, Leihgabe Kirchengemeinde Kornburg, W 2801 erhalten sind, bleiben neben bildlichen Dar­ stellungen nur Funde von Buckeln als Zeugnis. Dieser Helmtyp ist untrennbar mit der Vorstel­ 6. 6 c Im Hochmittelalter wurde der tropfenförmige lung vom typischen Aussehen des Ritters ver­ 6. 9 oder später dreieckige Schild dann an Arm­ bunden. Die funktionale Form wurde durch schlaufen getragen, der zunächst zur Zierde eine Helmdecke in den Wappenfarben und eine (Kat.-Nr. 6. 8) Ende des 12. Jh. zwar aufgegeben, degradierte Schildbuckel verschwand im 13. Jh. aufgebundene Helmzier bereichert. Der Kämp­ 6. 9 doch wurde das Gesicht nun vollständig durch ganz. Das weiche Buntmetall und die seltene fer blieb so für Freund und Feind identifizier­ Polstergewand einer Rüstung, große Platten geschützt. Dies hängt sicherlich Verzierung des auf Burg Altenberg gefundenen bar. Der Helm als Symbol des Ritters bekrönte sog. Gambeson mit der Entwicklung des ritterlichen Zwei­ Stücks sprechen für eine rein dekorative Ver­ seit dem 14. Jh. die Wappen des Adels. Mitte des 15. Jh. · Leinen, gesteppt, mit Wolle gestopft; kampfes seit dem 11. Jh. und der zunehmenden wendung. Komplett erhaltene mittelalterliche Der Helm des Hans Rieter zu Kornburg ist beschädigt: Ärmel und Brustteil fehlen · 87 × 54 cm Gefährlichkeit der nun eingelegt geführten Schilde mit Buckel sind nicht bekannt. einer der besterhaltenen von etwa 18 be­ aus dem Hansesaal des Lübecker Rathauses; früher Lanze zusammen. Der schwere Topfhelm Der mittelalterliche Reiterschild diente vor kannten Topf- bzw. Kübelhelmen. Er war im gemeinsam mit zweitem Exemplar dem späteren schränkte jedoch Beweglichkeit und Sicht dem Aufkommen von Plattenpanzern dazu, die 17. Jh. als Votivgabe in die Allerheiligenkirche schwedischen König Gustav I. Wasa (1519 in Lübeck) zugeschrieben · Lübeck, Die Lübecker Museen, stark ein und verbarg die Gesichtszüge. So Waffengewalt des Gegners so weit wie möglich bei Kornburg gelangt. In dieser Zeit könnten St. Annen-Museum, 2890 a musste für Kampf wie Turnier ein Weg zur Iden­ vom eigenen Körper fernzuhalten. Seine Di­ auch die beiden die Sehschlitze überspan­ tifizierung der Streitenden gefunden werden. nenden Spangen und das Ringpanzergeflecht Die textile Körperpanzerung spielte im Mittel­ Die Individualität sicherten hier Wappen, deren angebracht worden sein, das vielleicht vom alter eine größere Rolle als heute bekannt ist. Farben und Bilder auf Kleidung, Wappendecke, Saum eines Kettenhemdes stammt. Ob die Durch die vergänglichen organischen Werk­ Schild und in Form der Helmzier gezeigt wur­ Bemalung original ist, bleibt ungeklärt. stoffe Leinen, Wolle und Seide sind erhaltene den. Erst als Helm und Plattenpanzerung mehr M. Goll Exemplare äußerst selten. Ihre häufige Verwen­ und mehr der menschlichen Anatomie ange­ dung ist jedoch durch zahlreiche Darstellungen passt und das bewegliche Visier erfunden Curtis 1978; Müller 1984; Schewe 1997 a, S. 38 und Schriftquellen belegt. Diese Nachweise wurde, konnte ein Idealmaß an Bewegungs- häufen sich vor allem im 15. Jh. Der körperbetont und Sichtfreiheit erreicht werden. geschneiderte sog. Gambeson der Lübecker M. Goll 6. 8 Museen besteht aus mehreren Lagen Stoff, der vertikal abgesteppt und mit Wolle ausgestopft Kat. Schallaburg 2007, S. 199; Kat. Frankfurt a. M. wurde. Ein derartiges Polstergewand minderte 2009, S. 83 die Wucht feindlicher Waffen und schützte bis zu √ 6. 7 einem gewissen Grad vor Stichen, Pfeilschüssen

242 243 7. b u r g e n g l a n z u n d B urgendämmerung Hier lebt ein Kolumnentitel

und den gesellschaftlichen Stellenwert des 7. 43 Turniers darstellte, blieb in der Frühen Neuzeit Helm mit Fratzen- oder Masken­ weiterhin ein bedeutender Faktor. visier, sog. ­Schembarthelm Ursprünglich hielt man das Turnier zur mili­ Wolfgang Großschedel (um 1490 – 1563), Landshut, um 1525 tärischen Übung und als Standesversammlung Eisen · 30 × 26 × 32 cm · Beschauzeichen, Meisterzeichen ab, erst allmählich übernahm es die Funktion 1889 aus der Sammlung Sulkowski erworben · GNM, W 1340 der höfischen Herrscherrepräsentation. Diese höfischen Reiterspiele, auch Karussells Dieser geschlossene Helm besteht aus Kalotte, genannt, standen meist unter einem Motto und geteiltem Kinnschutz und aufschlächtigem, fanden entsprechend vor aufwendigen Kulissen fratzenhaftem Visier. Seine Oberfläche ist mit statt. Als Requisiten dienten dabei oft alte Har­ Riefen und Streifen aus ziseliertem Ranken­ nische und Waffen aus Rüstkammern, doch werk verziert. Die Fratze hat hervortretende wurden auch Ausstattungen, Rüstungen und Augen, eine klobige Nase und einen ziselierten Kostüme im großen Umfang neu angefertigt. So Schnurbart, der Mund ist durchbrochen als zeigt etwa eine ungarische Tartsche, ein Reiter­ Belüftung gearbeitet. Der Helm gehört zu schild, Spuren von Wiederverwendung in den einem vollständigen Harnisch. Dieser Typ war zwei Malschichten ihrer Vorderseite. Die wohl im 16. Jh. beliebt, er konnte bei Turnieren, bei original ungarische geometrische Zier wurde zu Aufzügen, von der Qualität her aber auch im einem späteren Zeitpunkt durch eine figürliche ernsten Kampf getragen werden. Wenn die Bemalung verdeckt. Die Darstellung nackter meist grotesken Gesichter als Abschreckung antiker Helden lässt auf eine Nutzung als exo­ 7. 42 b gedacht waren, dann wohl mit einem gewissen tisches Requisit in einem thematisch passenden Augenzwinkern. Wer sich für seinen Harnisch Reiterspiel schließen. solch eine »Zierde« leistete, musste jedenfalls Vielleicht wurde der Schild schon vorher mit über entsprechende Mittel und auch Selbst­ seiner Originalbemalung bewusst als Requisite ironie verfügen. M. Baumeister eingesetzt. Im Kontext der Eroberung Ungarns und der Bedrohung Europas durch die Türken (16. – 17. Jh.) gab es häufig Reiterspiele, in denen ein Kampf abendländischer Helden gegen ori­ entalische Gegner dargestellt wurde. Um den Ausgang solcher Kämpfe nicht etwa dem Zufall zu überlassen, rannte man dabei mit Lanze, Pistole oder Degen gegen sog. Karussellrenn­ figuren an. Zu einer solchen gehörte der hier 7. 43 gezeigte Kopf, der durch den Turban eindeutig als feindlicher Osmane charakterisiert war. Mythos und Die Lanzen, die bei diesen Geschicklichkeits­ Die eigentlichen Kampfspiele wurden dabei spielen, aber etwa auch zum Ringelstechen zunehmend von theatralischen Einlagen und (dem Stechen nach einem kleinen aufge­ Rahmenprogrammen bestimmt. Für die mo­ hängten Ring), verwendet wurden, hatten nur dische höfische Gesellschaft war es geradezu Mystifizierung noch wenig mit dem massiven mittelalterlichen ein Muss, sich in diesen Spielen zu engagieren. Turniergerät gemein. Doch bewahrten die Rei­ Die Hauptrollen wurden von wichtigen Höflin­ 8. terspiele durchaus einen ernsten Kern: Die gen übernommen, oft mit dem Herrscher in Dressur des Pferdes, die Präzision der Waffen­ der Heldenrolle. Aus heutiger Sicht mutet handhabung, auch moderner Waffen wie Pisto­ dieses künstliche Mittelalter wohl äußerst un­ len, galt wie schon im Mittelalter als Nachweis authentisch an, doch entsprach es der Sicht­ der kriegerischen Tüchtigkeit des adligen Rei­ weise der Frühen Neuzeit. M. Baumeister ters und die Teilnahme an Festen der Demons­ tration seiner Herrschernähe.

316 317 E i n f ü h r u n g G. U l r i c h G r o S S m a n n

1692 schildert Balthasar Friedrich Buchhäuser stein gilt das vierbändige Werk von Georg Lan­ die Baulichkeiten der »Unüberwindlichen Chur­ dau »Die hessischen Ritterburgen und ihre ythos und fürstlichen Sächsischen Berg-Vestung König­ Besitzern« (Kat.-Nr. 8. 6). Landau stützte sich M stein«, auch wenn die Mischung aus Geschichte, vor allem auf schriftliche Quellen, die er selbst Mystifizierung Ehrengedichten und Aufzählung der Jagdtro­ in den Archiven aufgespürt hatte. Zudem fügte phäen heutigen Maßstäben sicher nicht genü­ er auch Beobachtungen aus Besichtigungen gen würde. Die ersten gedruckten Werke, die der Burgen ein. sich mit der Geschichte einzelner Burgen, so­ Eine neue Qualität ergab sich durch Tafel­ genannter »Berg-Schlösser«, beschäftigen, ge­ werke, die einzelne Burgen in gründlichen Auf­ hen auf das späte 17. und 18. Jahrhundert zurück. maßen und einer kurzen geschichtlichen sowie Meist haben diese frühen Publikationen eine beschreibenden Darstellung behandelten. Da­ Zusammenstellung der historischen Nachrich­ mit stand nicht mehr die Geschichte der Burg­ ten zum Inhalt, die dem Verfasser zum jewei­ herrschaft und allenfalls ein romantisches Bild Nahezu gleichzeitig mit dem verstärkten Auf­ ligen Bauwerk zugänglich waren. Dieser konnte der in die Landschaft eingebetteten Ruine, lassen von Burgen setzte bereits im späten sich dabei auf chronikalische Handschriften, sondern das Bauwerk selbst im Fokus. Die 17. und vor allem im 18. Jahrhundert die touris­ gedruckte Chroniken, aber auch historische Vorreiterrolle übernahm eine Publikation über tische »Eroberung« der Burg ein, nachdem Abhandlungen zu den einzelnen Familien bezie­ die Marienburg in Westpreußen, von Friedrich zuvor schon in den topographischen Beschrei­ hen. Quellenkritik gab es in dieser frühen Zeit Gilly veranlasst und nach seinem frühen Tod bungen Merians und anderer Autoren des kaum, vielmehr wurde insbesondere die schrift­ von Friedrich Frick zum Druck gebracht. Helf­ 17. Jahrhunderts Burgen zu einem wichtigen liche Überlieferung für wahr gehalten. Johann rich Bernhard Hundeshagen widmete sich we­ Bildthema geworden waren. Das steigende Gottfried Gregorii (»Melissantes«) ist einer der nig später der Geschichte und Bauentwicklung bürgerliche Interesse an den Burgen spiegelt ersten namhaften Autoren einer solchen Zu­ der Kaiserpfalz in , die 1819 in erster sich auch in der Entwicklung der Burgenfor­ sammenschau. und 1832 in zweiter Auflage veröffentlicht wer­ schung wider. Etwa 45 Jahre später legte Johann Ludwig den konnte (Kat.-Nr. 8. 20). Was er seinerzeit Heim allerdings bereits eine äußerst kritische an Rekonstruktionsvorschlägen für den Palas Haltung an den Tag, wenn er bei geschicht­ dieser Pfalz vorschlug, hat in den Grundzügen Die Erforschung der Burgen lichen Werken auffordert, »alles mit völliger bis heute Bestand. Eine Reihe weiterer Tafel­ Wahrheit und gründlicher Gewissheit« zu ver­ werke sollte folgen, zu historischen Bauten, Die Burgenforschung blickt auf eine bereits zeichnen, gleichwohl aber den menschlichen aber auch Bauprojekten. Beispielsweise schil­ 21 Meter Rheinburgen, Vogel’s Rheinpanorama, darstellung zur Architektur lieferte. In diesem großformatigen und inhaltsreichen Werk der rund 300-jährige Geschichte zurück, auch wenn Faktor betont, also den Irrtum und die be­ dert W. Kuhn dem Kronprinzen Friedrich Wil­ 1832/33 (Kat.-Nr. 8. 83) Rahmen beschäftigte er sich mit Aspekten der Öffentlichkeit vor, das zugleich in einer deut­ neuere Veröffentlichungen oft den irrigen Ein­ wusste Täuschung: »Die Documenta und Nach­ helm IV. rechtzeitig zur Wiedereröffnung die mittelalterlichen Baukunst und speziell mit den schen und einer englischen Ausgabe erschien. druck vermitteln, sie sei erst in den letzten 40 richten kommen (…) von Menschen her: wes­ rekonstruierte Burg Rheinstein. Wehrbauten und den Wohnbauten, wobei er Während zwischen den Kriegen nur wenige Jahren ernsthaft betrieben worden. Die wis­ sentwegen sie manchmahl mit ziemlichen Blieben die Texte in den folgenden Jahren liche Beobachtungen standen hinsichtlich ihrer aber auch Wohnbauten außerhalb der Burg umfangreichere Publikationen zu Burgen ver­ senschaftliche Beschäftigung mit Burgen und Unwahrheiten beflecket sind, welche zwar von auch weiterhin vor allem durch die Wiedergabe geringen Genauigkeit oft in Widerspruch zu einbezog. Karl August von Cohausen setzte öffentlicht wurden, darunter das dem NS-Re­ ihren Erbauern setzt damit vor den For­ einem, der Sachen Verständigen und Unpaßio­ historischer Fakten bestimmt, so kam es 1844 sehr gründlichen quellenkundlichen Untersu­ sich mit den Befestigungsweisen auseinander gime gewidmete Werk Botho Ebhardts zum schungen der Archäologie oder auch lange vor nierten sogleich eingesehen, von einem ande­ erstmals zum Abdruck eines farbigen Bau­ chungen wie denjenigen von Georg Landau. und legte für den Abbildungsteil seines postum Wehrbau Europas im Mittelalter, ist die Zeit denen der Kunstgeschichte ein, die gemeinhin ren aber, nach seiner Ab- und Einsicht, vor die altersplanes (Kat.-Nr. 8. 7). In einer Veröffent­ Noch fehlte eine sichere Methodik, das bau­ veröffentlichten Werkes eine materialreiche nach dem Zweiten Weltkrieg durch eine erheb­ auf Winckelmann und Goethe zurückgeführt grössesten und glaubenswürdigsten Wahr­ lichung über drei Burgen in Baden bei Wien liche Alter von Gebäuden mit der Geschichte Sammlung von Grundrissen und Ansichten an, liche Zunahme an Publikationen und den wach­ werden. Die früheste Wurzel des Interesses an heiten ausgegeben werden: und dergleichen werden die Grundrisse dieser Anlagen gemäß in Verbindung zu bringen. Allerdings wurden die er vielfach sogar selber zeichnete. Zwei senden Einfluss der Bau- und Kunstgeschichte Burgen ist die Erforschung der Geschichte der Dinge gehen fast täglich für!« Eine vergleichs­ ihrer jeweiligen Bauentwicklung in je zwei un­ viele Bauwerke aufgemessen oder es wurden weitere gewichtige Werke der Jahre um 1900 gekennzeichnet. adligen Bauherrenfamilien, wobei allerdings weise wissenschafts- und quellenkritische terschiedlichen Farben dargestellt, um die immerhin, wenn auch oft noch sehr schema­ sind Otto Pipers »Burgenkunde« (1895) und Ein wichtiges Phänomen der vergangenen eher die Genealogie im Vordergrund steht als Auffassung, die auch für die Forschung des Kernburg von jüngeren Erweiterungen zu un­ tisch, Grundrisse angefertigt, die die Verhält­ Botho Ebhardts in zehn Lieferungen erschie­ zwei Jahrhunderte sind im Zusammenhang mit die bauliche Entwicklung. frühen 21. Jahrhundert wegweisend ist. Mit zu­ terscheiden. nisse der einzelnen Bauteile zueinander besser nenes Sammelwerk »Deutsche Burgen« (ab der bürgerlichen Vereinskultur die zahlreichen Schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstan­ nehmender Ausführlichkeit und Gründlichkeit Manche der frühen burgenkundlichen Ab­ erkennen ließen. Darauf konnten die frühesten 1899). Ihren Höhepunkt haben die Burgenpu­ regionalen und überregionalen Burgenvereine, den bildliche Darstellungen und Zeichnungen entstanden bis weit in das 19. Jahrhundert hi­ handlungen weisen allerdings noch eine eher Gesamtdarstellungen der Entwicklung des blikationen des Historismus mit dem »Wart­ die sich der Erschließung, Erforschung und von Burgen, namentlich von Wilhelm Dilich, die nein umfassende Burgenbücher, beispiels­ naive Einschätzung der Bausubstanz auf. Viel­ Burgenbaues in Mitteleuropa zurückgreifen. Zu burg-Werk« erreicht, es erschien 1907 und stellt Nutzung von Burgen widmen. Bereits im frü­ trotz ihrer Gründlichkeit nicht als »Forschung«, weise zu den Burgen in Thüringen und im fach wurden Bergfriede, die wir heute in das den wichtigsten Veröffentlichungen zählen die nach Abschluss der Bau-, Restaurierungs- und hen 19. Jahrhundert entwickelten sich die Ge­ sondern als Bestandsaufnahme für den Eigen­ von 1839 bis 1842, aber auch zu vielen anderen 12. oder 13. Jahrhundert datieren können, für zwei Bände (1889/1892) von August von ­ Ausstattungsmaßnahmen das Gesamtkunst­ schichtsvereine in zahlreichen Ländern des tümer intendiert waren (Kat.-Nr. 7. 9). Bereits Regionen Mitteleuropas. Geradezu als Meilen­ Relikte römischer Bauten gehalten, und bau­ wein, in denen er eine umfangreiche Gesamt­ werk »Wartburg« in einem 19 Kilo schweren, Deutschen Bundes, 1852 zu einem Gesamtver­

318 319 E i n f ü h r u n g G. U l r i c h G r o S S m a n n

ein der deutschen Geschichts- und Altertums­ Die Burgenbegeisterung hielt sich über das Vergnügungsort und Seit dem 20. Jahrhundert erobern auch die verein zusammengeschlossen. Vor der Grün­ gesamte 19. Jahrhundert, zum weltweit be­ politisches Symbol neuen Medien die Burg, angefangen vom Spiel­ dung eigener Burgenvereine wurde vor allem rühmtesten Neubau sollte das Schloss Neu­ film über private Fotos und Filme bis hin zum hier zumindest die historische Erforschung der schwanstein (1868 beg.) werden, zu dessen Die Erschließung der Burgen für Besucher Fernsehen und zu Computerspielen. »Doku- Burgen betrieben und gefördert. Errichtung die Reste einer mittelalterlichen setzte in zaghaften Anfängen bereits im späten Shows« sogar öffentlich-rechtlicher Fernseh­ Anlage (Vorder-Hohenschwangau) vernichtet 17. Jahrhundert ein. Hauptsächlich war es aber anstalten waren erfolgreich und meinten häu­ wurden. Ein Neubau wie dieser war jedoch, die Begeisterung vor allem englischer Besucher fig, ohne fachkundige Beratung auszukommen Bauprojekt Burg: Ruinenromantik anders als die Burg Hohenzollern, kein zu für die burgenbestandenen Täler von Rhein und zu können. Ähnliches gilt für ein breites Ange­ und Burgenrestaurierungen ­verteidigender Bau mehr, erhielt keine Fes­ Mosel, die den dortigen Tourismus begründe­ bot im Internet. Wissenschaftlich fundierte tungsumbauten, und insbesondere die Türme ten und die Einheimischen mit interessierten Ausstellungen zu Burgen bilden demgegenüber Mit der Bildung von Nationalstaaten im 18. und wurden nicht mehr nach dem Prinzip der Ver­ Reisefreudigen des europäischen Auslands die Ausnahme, auch wissenschaftlich einge­ 19. Jahrhundert wandelten sich die Burgen von teidigungsfähigkeit, sondern allein nach dem konfrontierten. Veröffentlichungen vom kleinen richtete Burgenmuseen spielen bislang eine zu einem Herrschaftssymbol des Hochadels zu Gesichtspunkt der malerischen Gesamter­ und günstigen Führer bis zum teuren Rheinpa­ geringe Rolle. Stattdessen sind animierte In­ einem Geschichtssymbol des niederen Adels scheinung platziert. Im Grunde ist Neuschwan­ norama – zum Beispiel hat Vogels lithogra­ formationseinrichtungen zunehmend beliebt, und des Bürgertums. In diesem Zeitraum ver­ stein eine Villa in Burgengestalt. phische Ansicht des Mittelrheins aufgeklappt die manchmal sogar mit dem irreführenden körpern Burgen die Geschichte einer Region Die enge Verbindung von Burgenforschung eine Länge von zweimal 21 Metern – boten dem Begriff »Museum« werben. Doch fast grund­ oder gar des gesamten deutschen Bundes. Zur und Bauwesen bewirkte zunehmend Restau­ Besucher Erinnerungen an die besuchten Rui­ sätzlich bildet auch hier nicht die neuere For­ Erforschung der historischen Verhältnisse tritt, rierungen, die sich die Wiederherstellung des nen und historistisch wiederaufgebauten schung die Grundlage, sondern eine durch schon ab dem Ende des 18. Jahrhundert spür­ mittelalterlichen Erscheinungsbildes zum Ziel Burgen. Die Burg bei Walt Disney, 1936 (Kat.-Nr. 8. 117 a) Irrtümer und Missverständnisse geprägte bar, das Interesse an den Bauwerken hinzu. setzten. Die von August von Essenwein für die Doch nicht nur als Sehenswürdigkeit gewann Sichtweise – ein populärer Irrtum verbreitet Ruinenromantik und Burgenrestaurierungen Kaiserburg in Nürnberg vorgesehenen Baumaß­ die Burg zunehmend an Bedeutung, sie spielte sich leichter und scheint auch filmisch interes­ bestehen nebeneinander. Die Löwenburg bei nahmen zählen hier ebenso dazu wie die von in vielen Bereichen freizeitlicher Zerstreuung santer als die Realität. Berichten selbst seriöse entstand noch im 18. Jahrhundert als Bodo Ebhardt umgebaute Hohkönigsburg und eine Rolle. So gab es Burgen und Ritter als Neuschwanstein, Hohkönigsburg) symbolisch Fernsehanstalten über Burgen in ihrer Region, burgenähnlicher Neubau um einen geräumigen Marksburg sowie dessen zahlreichen anderen Spielzeug schon im Mittelalter, mit dem 19. Jahr­ die alte Ordnung wieder her, in der die Burg so wird doch fast immer das »finstere Mittel­ Hof, teilweise als Ruine gebaut, teilweise unter Projekte, die teilweise noch nach dem Ersten hundert wurden sie zu einem Massenphä­ Symbol der feudalen Herrschaft war – Indus­ alter« beschworen, und es vermischen sich die Dach, um die wachsenden landgräflichen Weltkrieg verwirklicht wurden, etwa der erst nomen. Gleiches gilt für Ritterromane und trie»barone« strebten eher den Aufstieg in den Epochen. Da wird etwa Hildegard von Bingen Sammlungen aufzunehmen. Einen wesent­ 1929 abgeschlossene Umbau der Veste Coburg. ­Dichtungen, die in illustrierten Reim- und Adelsstand an als die Verbürgerlichung der gelobt (Burgenmuseum in Reutte), weil sie sich lichen Aufschwung erhielt die Burgenbegeis­ Der stark durch den Historismus geprägte My­ ­Prosafassungen massenhaft die Lesesucht des Burgen. Grundsätzlich konnten sich also eine in der Zeit der Hexenverfolgung mutig mit Kräu­ terung durch den Wiederaufbau von Burg thos der Burg als turmreicher Wehrbau und Publikums bedienten und oft in prachtvollen touristische und weitgehend unpolitische Be­ terkunde beschäftigt habe – doch Hildegard ­Rheinstein (1823 – 29) sowie Burg Stolzenfels ritterliches Symbol ließ auch das Dritte Reich Ausgaben und etlichen Auflagen erschienen. deutung und eine höchst politische Symbol­ lebte rund 400 Jahre vor eben diesen Hexen­ (1836 – 1845) durch das preußische Königshaus. nicht unbeeindruckt. Allerdings kam Bodo Eb­ Die Burg als Ort der Freizeitkultur wird ab kraft fast gleichzeitig an denselben Objekten verfolgungen. Da wird das Foltern in den Mit­ Unbestritten waren die romantischen Vorstel­ hardt trotz seiner Anbiederung an die Macht­ dem 19. Jahrhundert zur Kulisse, die das rich­ entwickeln. Die weitere touristische Erschlie­ telpunkt des Lebens in der Burg gestellt, und lungen vom Mittelalter und die Hinwendung haber als Architekt kaum noch zum Zuge. tige Ambiente erzeugte und als Besuchsziel ßung der Burgen verstärkte aber eher die na­ Verhältnisse des 20. Jahrhunderts werden fast zum Historismus in Architektur und Kunst von Burgenrestaurierungen fanden in dieser Zeit geschätzt wurde. Das »Hambacher Fest« (Kat.- tionalromantische Sichtweise. unverändert auf die Burg übertragen. Doku- entscheidender Bedeutung für die Entstehung insbesondere am Trifels und in Nürnberg statt Nr. 1. 36) wäre als politische Demonstration Von gemeinschaftlichen Wanderungen und Soaps bringen dem Fernsehzuschauer das des modernen Burgenbildes, wenngleich man und wurden ungebrochen bis 1970 bzw. 1981 verboten worden, es musste – und konnte – Ausflügen über Laienschauspiel und professio­ vermeintliche Leben auf der Burg nahe, doch angesichts des Fortbestands und der weiteren fortgesetzt. Diese Form der Kontinuität besitzt als Volksfest auf einer Burg getarnt werden. nelles Theater bis zu Ritterspielen in den sie kranken an fehlender Kenntnis über die Nutzung von Burgen in Renaissance und Ba­ einen wenig erfreulichen Beigeschmack. Neu­ Allerdings zeigt sich gerade an diesem Beispiel Burgen reicht seit mehr als 150 Jahren das An­ Wohnverhältnisse in Burgen und an Vorurtei­ rock nicht von einer Wiederentdeckung im bauten entstanden in Burgenform als Tarnung, sowie am Zug der Studenten 1817 zur Wartburg, gebot; Historienbilder entstanden; Restau­ len, mit denen das Fernsehen die Erwartung strengen Sinne sprechen kann. Das verstärkte wie in Eberstadt die 1941/42 für ein Forschungs­ dass sich das Bürgertum Burgen als Identifi­ rants, Cafés und Biergärten stehen für die des Zuschauers befriedigen zu müssen meint. Interesse am Mittelalter allgemein und beson­ labor errichtete Burg Feuerstein sowie als pro­ kationsobjekte wählte, um seiner Forderung Versorgung. Großveranstaltungen wie Mittel­ Auch die langwierige Belagerung einer Burg ist ders an Burgen, auch als Teil der deutschen pagandistische Ausbildungsstätten der NSDAP nach nationaler Einigung und der stärkeren altermärkte rücken – bundesweit und über das filmisch natürlich weniger reizvoll als die Er­ bzw. mitteleuropäischen Landschaft, hat si­ wie die » Vogelsang« in der Eifel. Berücksichtigung seiner politischen Interessen ganze Jahr verbreitet –einzelne Burgen in den stürmung mit Sturmleitern, Belagerungstür­ cherlich ganz unterschiedliche Grundlagen, die Ausdruck zu verleihen. Verband man mit Mittelpunkt touristischen Interesses. Neuer­ men und Heerscharen von Bogenschützen. von der Identifikation der Burg mit Aspekten Burgen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts dings ergänzen Außenstellen kommunaler Hier wurde bislang – und wird vermutlich auch der nationalen Geschichte bis zur roman­ auch fortschrittliche Ideen, bemächtigten sich Standesämter das Angebot, ja selbst Beerdi­ künftig – aus dem Mythos zielsicher das Miss­ tischen Bewunderung des Adels reichen konn­ aber bald vorrangig konservative Kreise des gungen in Burgen sind kein Tabu mehr, auch verständnis herausgegriffen. ten; als Symbol der Unterjochung sah man die Themas »Burg« und stellten mit den bereits wenn diese bislang den Familien der 1945 ent­ Burg dagegen in aller Regel nicht. erwähnten Aus- und Neubauten (Wartburg, eigneten Alteigentümer vorbehalten bleiben. G. Ulrich Großmann

320 321 8. m y t h o S U n d m y s t i f i z i e r u n g B u r ge n f o r s c h u n g

8.2 Melissantes’ Schauplatz urgenforschung ­Denckwürdiger Geschichten B Johann Gottfried Gregorii, gen. Melissantes (1685 – 1770): in Barock Neu-eröffneter Schauplatz Denckwürdiger Geschichte/ Auf welchem die Erbauung und Verwüstung vieler und Historismus berühmten Städte/Schlösser/Berg-Festungen/Citadellen und Stamm-Häuser In Deutschland/präsentiert wird/[…] Franckfurth und Leipzig /In Verlegung Ernst Ludwig Niedtens/Buchhändler in /1715. [3-teiliger Band] 352 S., 352 S., 396 S.; hier Titelblatt u. Frontispiz Einband: Kalbsper­gament · 16 × 10 cm · Besitzvermerk auf Vorsatzblatt »C. Niemeyer 1801«; 1882 aus Nachlass Graf Botho zu Stollberg-Wernigerode · GNM, Bibl., 8° G 12161 8.1 eingebunden in 8° G 11133 Beschreibung von Burg Königstein Die beiden ersten Teile enthalten Burgen und feste Schlösser in Deutschland, der dritte Teil Balthasar Friedrich Buchhäuser (nachgew. zw. 1672 u. 1715) »Alte Thüringische Chronicka oder Curieuse a) Uber Die sehr Curieuxe Beschreibung der Unüber­ Beschreibung der Städte, Residentzen, Dörffer, windlichen Churfürstlichen Sächsischen Berg-Vestung Clöster, Märckte und Flüsse in der Land-Graff­ Königstein. o. O. [Pirna?] 1692 schaft Thüringen. Burgen in Thüringen.« Trotz [VD17 14:017368G ] · 67 S., 1 Kupferstich · Broschur, des Titels sind auch in diesem Teil mehrheitlich 19,5 × 15,6 cm · Geschenk H. L. v. Proeck, Oberstlieutnant a. D. in Guben · GNM, Bibl., 8° G 6377 Burgen behandelt. Auf dem Frontispiz sind 8. 3 b b) 8. 1 b neun kleine Burgenbilder zusammengestellt, Uber Die sehr Curieuxe Beschreibung der Unüber­ die älteren Kupferstichen folgen. Es handelt windlichen Churfürstlichen Sächsischen Berg-Vestung sich um Gallenberg, Auersberg, Gottesberg, 8. 3 Friedrich Frick und Friedrich Gilly waren die Königstein. 1710 Dagsburg, Fleckenstein, Ehrenbreitstein, ersten, die sich ausführlich mit der Marienburg 55 S.; hier Frontispiz mit Kupfstich-Ansicht, Schloß Marienburg in Preußen Rotenberg, Lichtenberg und Ehrenfels bei Bin­ auseinandersetzten und durch ihre Publikation gefaltet · Broschur, 19,5 × 15,6 cm; Falttafel 27 × 36 cm Friedrich Gilly (1772 – 1800)/Friedrich Frick (1774 – 1850): Bez. Kupferstich mit Monogramm JB (ligiert), Textrand gen. Obwohl die Abbildungen sehr klein sind, Schloß Marienburg in Preußen. Nach seinen vorzüg­ Einfluss auf den mangelhaften konservato­ im Druck abgeschnitten · aus der Kress’schen Auktion enthalten sie teilweise weitere Hinweise, etwa lichsten äußeren und inneren Ansichten dargestellt. rischen Umgang mit der bedeutenden Burgan­ Juli 1861 für die Bibliothek Hans Freiherr von und zu Aufseß auf Burgen im Hintergrund oder am Berghang, Historische und architectonische Erläuterungen lage nahmen. Durch die Nutzung als Kaserne erworben · GNM, Bibl., 4° G 6378 der Prospecte des Marienburg in Preußen. wie zum Beispiel auf die Alte Veste Auersberg Berlin 1799 – 1803 [Tafeln; in Lieferungen erschienen]; war sie mehr oder weniger der Zerstörung der oder den Helffenstein bei Ehrenbreitstein. Der 1802 [Erläuterungsheft]. · 1882 aus Nachlass Graf Botho zu ursprünglichen Substanz preisgegeben. Die Das in vier Auflagen zuletzt 1715 erschienene nach Objekten gegliederte Text rühmt Lage Stollberg-Wernigerode übernommen · GNM, Bibl., Gr. 2° dokumentarische Bauaufnahme steht am An­ Heft zeigt das frühe Interesse an Burgenbauten. und Baulichkeiten der Burgen und berichtet Wq MAR 38/1 [Tafeln], 4° Wq MAR 38/1 [Erläuterungsheft] fang der Burgenforschung. Denn im Gegensatz Inhaltlich handelt es sich um eine Beschrei­ sodann von den dem Verfasser bekannten Ar­ a) zu den Zeichnungen Dilichs (Kat.-Nr. 7. 8 u. 7. 9) Kapitelsaal im vormaligen Zustand, Taf. XI bung der wichtigsten historisch überlieferten chivalien. Weitgehend scheint Melissantes auf sind die Erforschung der ursprünglichen Burg Radierung · Bl. 54 × 68 cm; Bi. 27,6 × 45,5 cm · Bez. Ereignisse, die mit Königstein in Zusammen­ ältere Literatur zurückgegriffen zu haben, was »Gezeichnet und gesetzt v. F. Frick die Prosession und deren Erhaltung das Ziel der Bemühungen hang stehen, aber es gibt auch eine Beschrei­ ja auch heute nicht ungewöhnlich ist. Für die nach einem Entwurf des I. Catel« Friedrich Fricks, der die teils freien Skizzen bung des Bauwerks. Hier werden ausführlich heutige Forschung ist wesentlich, dass sich b) Gillys nach dessen frühen Tod überarbeitete Inschrifttafeln zitiert, die sich an den einzelnen anhand dieses Buchs das Wissen des frühen Fassade des Kapitelsaals, Taf. XII und ergänzte. Unterstützt wurde er dabei vom Radierung · Bl. 56,5 × 73,2 cm; Bi. 35 × 48 cm Bauwerken befunden haben, und es gibt Hin­ 18. Jh. über die Burgen gut erschließt. Bereits Architekten F. Rabe, der beispielsweise den Bez. »Gezeichnet und geaetzt v. F. Frick« weise auf besondere Raumnutzungen wie die 1713 hatte Melissantes ein Werk »Das erneuerte Grundriss der Burg aufnahm. G. U. Großmann Gefängnis-Stuben. Schließlich spielt die Aus­ Alterthum oder Curieuse Beschreibung Einiger stattung mit Jagdtrophäen eine große Rolle. vormahls berühmten […] Berg-Schlösser in Salewski 1965 Eine systematische Beschreibung der Archi­ Teutschland« veröffentlicht, das sich weitest­ tektur wurde hingegen noch nicht vorgenom­ gehend auf Thüringen bezieht. G. U. Großmann men. G. U. Großmann 8.2 Böning, Holger, in: Killys Literaturlexikon, Taube 1990 Bd. 4, 1989, S. 325

322 323 8. m y t h o S U n d m y s t i f i z i e r u n g B u r ge n f o r s c h u n g

sehen sind eine Ansicht der Saarburg mit dem Bergfried sowie ein Teil des gleichnamigen Ortes, in dem sein Vater Salentin von 1818 bis 1846 Landrat war. August von Cohausen fer­ tigte sie vier Tage vor seinem 17. Geburtstag und bewies damit nicht nur früh sein zeichne­ risches Vermögen, sondern vor allem sein In­ teresse für Burgen. Eine zweite, undatierte Zeichnung mit dem Grundriss der Burg und dem des Bergfriedes dürfte aus den 1850er Jahren stammen. Sie wurde für die Abbil­ dungen 178 a und b in den 1898 erschienenen »Befestigungsweisen« genutzt. G. U. Großmann

Florschütz 1895, S. 1 – 8; Cohausen 1898; Poten, Bernhard von, in: ADB, Bd. 47, 1903, S. 502 f.; Günster 2010

8. 6 Die hessischen Ritterburgen Georg Landau (1807 – 1865): Die hessischen Ritterburgen 8. 5 und ihre Besitzer. 4 Bde. Cassel: Verlag von J. J. Bohné, 1836 · Lithograph: G. Francke [o. A.] · 404 S., 4 Stamm­ tafeln, 3 lithografische Ansichten; hier Bd. 3, Titelblatt grund der Abhandlungen steht die Genealogie Leber war ab 1842 in Baden zur Kur und lernte u. Frontispiz · 17 × 10,5 cm · Sign. Titelblatt »Lith. G. Francke, Cassel« · 1882 aus Nachlass Graf Botho zu Stolberg- der jeweiligen Familien. Die eng auf Akten und bei dieser Gelegenheit auch die dortigen Burg‑ Wernigerode übernommen · GNM, Bibl., 8° G 5731 Urkunden bezogene Arbeit hat diesem wie ruinen kennen. Dies veranlasste ihn zu der anderen historischen Werken viel an Aktualität umfangreichen Publikation, die nicht nur die Georg Landau kam als Sohn eines Schusters und Nutzbarkeit bis heute bewahrt, denn die schriftlichen Quellen, sondern auch den Bau­ aus einfachen Verhältnissen. Er begann seine geschichtliche Landeskunde beruft sich nach bestand beinhaltet. Die Besonderheit dieses berufliche Laufbahn 14-jährig als Schreiber in wie vor häufig auf Georg Landau. Buchs besteht darin, dass die drei Burgen mit 8. 4 einer Anwaltskanzlei, wurde jedoch nach sechs G. U. Großmann farbigen Baualtersplänen vorgestellt werden. Jahren arbeitslos und widmete sich fortan his‑ Sie gehören damit zu den frühesten Plänen torischen Studien. Insbesondere wertete er Hessische Gelehrtengeschichte 1863, S. 322 – 337; dieser Art. Im Text erläutert Leber sechs Bau­ Wippermann, Karl, in: ADB 17, 1883, S. 584 – 586; 8. 4 Nach dem Wiener Kongress war das Königreich 8. 5 intensiv archivalische Quellen aus, um etwas Duncker 1884; Schwind, Fred, in: NDB 13, 1982, S. 482 f.; phasen der Burg Rauhenstein, von denen er Hambacher Schloss Bayern Eigentümer der Burgruine geworden, Saarburg, Ansicht über die Geschichte wichtiger Burgen in Hes­ Knappe 2007, S. 163 – 165 drei im Plan wiedergibt, während die anderen von Nordwesten ließ sie jedoch versteigern. So wurden 16 Bür­ von Burg und Stadt sen zu erfahren. Bereits 1832 bis 1839 erschien wegen zu geringer erhaltener Substanz im ger aus Neustadt und Umgebung Eigentümer sein erstes Werk, eine vierbändige Abhandlung 8. 7 Grundriss nicht erscheinen. Dargestellt sind in Botho zu Stolberg-Wernigerode (1805 – 1881), 1827 Karl August von Cohausen (1812 – 1894), 1829 · Bleistiftzeich­ Bleistiftzeichnung, Konturen in Tusche · 23,1 × 31,2 cm der Anlage. Seit dieser Privatisierung wurde nung · 29,3 × 20,4 cm · Bez. »Ansicht des Schlosses und über die Rittersitze in Hessen. Bei Erscheinen Baualtersplan Blau die zweite Phase aus dem 14. Jahrhundert, Bez. Vorderseite »Hambacher Schloß 30/7/27« das Schloss zunehmend zum touristischen [später von gleicher Hand hinzugefügt: eines Teils] der des ersten Bandes war der Verfasser gerade der Burg Rauhenstein in Rot die vierte aus dem 16. Jh. und in gelb die 1882 aus Nachlass Graf Botho zu Stolberg-Wernigerode Ausflugsziel und konnte auch für die als Volks­ Stadt Saarburg. 13/4 29.« Von anderer Hand »178 d« 25 Jahre alt. Rund 1 600 Druckseiten informieren sechste Bauphase mit der letzten Wiederher­ Friedrich O. von Leber (1803 – 1846): Die Ritterburgen übernommen · GNM, ZR 10007/2009 – 359 fest ausgegebene politische Demonstration [d. i. die Abb.-Nr. in Cohausens postumen Werk von 1898] kapitelweise ausführlich über die Geschichte stellung im 17. Jh. Die »Wiedergeburt« der Veste Schenkung Caroline von Cohausen aus dem Nachlass Rauheneck, Scharfeneck und Rauhenstein. Mit Insgesamt drei Zeichnungen zu Schloss Ham­ des »Hambacher Festes« 1832 (Kat.-Nr. 1. 36) des Künstlers, 1926 · GNM, ZR 3871/1926 1 von 60 hessischen Rittersitzen. Bevor Landau geschichtlichen Andeutungen über die Vemgerichte im 17. Jh. war Leber einen ausdrücklichen Hin­ bach, zwei davon aquarelliert, entstanden genutzt werden. 1842 wurde es im Auftrag kon­ die geschichtlichen Quellen darlegt, gibt er und Turniere. Mit zehn Steintafeln. Wien 1844, weis wert (S. 61). während eines Ausflugs anlässlich des Studi­ servativer Abgeordneter erworben und dem Die früheste nachweisbare Zeichnung Cohau­ Beschreibungen der Bauwerke von der land­ in Commission bei Braumüller & Seidel. · 316 S., Die einzelnen Räume und ihre Öffnungen 10 Taf., z. T. gefaltet; hier Taf. V · Buch 22,5 × 14,5 cm; enaufenthalts Graf Bothos in Heidelberg am bayerischen Kronprinzen Maximilian geschenkt, sens im Bestand des Germanischen National­ schaftlichen Einbindung bis zu einem Rund­ Plan 37,6, × 22 cm · 1882 aus Nachlass Graf Botho beschreibt der Verfasser recht genau, Profile 30. und 31. Juli 1827. Botho reiste von hier aus der die Ruine ausbauen ließ. G. U. Großmann museums entstand am 13. April 1829 und blieb gang zu den einzelnen Gebäuden und Räumen, zu Stolberg-Wernigerode übernommen · und Verzierungen nutzt er zur Datierung, die weiter zu den Burgen Trifels und Scharfeneck, erhalten, weil sie als Abbildungsvorlage für sein allerdings ohne Spekulationen über das et­ GNM, Bibl., 8° G 9163 a noch äußerst vorsichtig ist. So würde man Beiträge Hambacher Schloss 1969; die er ebenfalls zeichnete. Buch über die Befestigungsweisen diente. Zu waige Alter der Bauten anzustellen. Im Vorder­ heute den Bergfried durchaus ins 13. Jh. setzen. Thon/Ulrich/Barz 2005, S. 83 – 100; Günster 2010

324 325 8. m y t h o S U n d m y s t i f i z i e r u n g B u r ge n f o r s c h u n g

8. 7 8. 8 8. 9 a

Die Qualität von Lebers Grundrissen ist deutlich 8. 8 rung endete. Die Beschreibung basiert auf 8.9 Essenwein trennt in seinen beiden Werken »Denkmäler deutscher Baukunst«, begründet höher als die, mehr als 100 Jahre später, 1968 Belagerung von Château Gaillard einem lateinischen Bericht, der zum Ruhme des Essenweins Kriegsbaukunst nicht nach Bautypen im engeren Sinn, sondern von Georg Moller, entnommen und zeigen Hof­ veröffentlichten Pläne in der Reihe des Birken- französischen Königs unmittelbar anschließend unterscheidet die Funktionen Wohnbau und seite sowie Außenseite des Palas jeweils von Eugène-Emanuel Viollet-le-Duc (1814 – 1879): Dictionnaire und Wohnbau Verlags. G. U. Großmann raisonné de l’Architecture française du XI au XVIème von Guillaume le Breton abgefasst wurde. Bis in Wehrbau. Da im Titel des Werks das Wort innen und von außen in einer genauen Be­ August Ottmar von Essenwein (1831 – 1892) siècle. 3. Bd. Paris: B. Bance éditeur, 1859 · 513 S., zahlr. Ill.; jüngste Zeit bestimmte die Beschreibung Viollet- Handbuch der Architektur. 2. Theil: Die Baustile, »Burg« nicht vorkommt, hat die Burgenkunde standsaufnahme. Halmer 1968, S. 70 – 74; Piper 1902 – 1910, Bd. 3, 1904, hier S. 98 · Holzstich · 24 × 16,2, cm · GNM, Bibl., le-Ducs den Forschungsstand zu dieser Burg. historische und technische Entwicklung, 4. Bd.: des späten 20. Jh. den Vorwurf erhoben, Essen­ Essenwein hat sich im Rahmen seiner bau­ S. 157 – 173 und 204 – 206; Maurer, Rudolf: Urkunden und 8° K 157 w Die romanische und die gothische Baukunst. Aktenstücke zur Geschichte des Augustiner-Eremiten- Erst neuerdings wurde die Vermutung geäu­ wein habe sich nur mit der »Kriegsbaukunst« historischen Untersuchungen schon frühzeitig Halblederband Klosters zu Baden bei Wien (1285 – 1545). In: Fontes Rerum Das aus zehn Bänden und einem von Henri ßert, das im Vordergrund sichtbare »Vorwerk« beschäftigt. Das hier vorliegende zweite Heft auch mit Burgen beschäftigt und diese sowohl Austria­carum II/89, Wien 1998, S. 12 – 13. URL: www.dsp.at/ Sabine 1889 veröffentlichten Registerband »Ta­ sei durch Philippe II. Auguste im Zuge des Wie­ a) wurde schlichtweg übersehen. Dabei war es in seinen Büchern, etwa über Friesach und dasp/Baden_Vorwort.pdf, [10. 02. 2010]. Friesach, Rekonstruktion der Burg · 1. Heft: Die ble analytique et synthétique« bestehende deraufbaus nach 1205 hinzugefügt worden. Kriegsbaukunst. Darmstadt: Arnold Bergsträsser, 1889 ausgerechnet Essenwein, der die Aspekte des Krakau, als auch in Aufsatzform, wie etwa Trient, Lexikon enthält umfangreiche baugeschicht­ Das Lexikon war grundlegend für die bau- 259 S., 14 gefaltete Taf., 199 Abb.; hier S. 87 · Lex. 8°, Wohnens in der Burg erstmals ausführlich dar­ behandelt. Während seiner Zeit als Direktor liche Artikel zu den einzelnen Begriffen der und kunstgeschichtliche Forschung in Frank­ 26,3 × 19,3 cm · Privatbesitz stellte. Das Buch umfasst den Wohnbau in des Germanischen Nationalmuseums widmete Architektur, durch Holzstiche illustriert. Häufig reich und bestimmte auch die Forschung in b) Pfalzen und Burgen, Stiften und Klöstern sowie er sich ausführlich der Nürnberger Burg. Aus­ dienen ausgewählte Bauten und deren Ge­ Deutschland. August O. Essenwein griff mehr­ Münzenberg, Älterer Palas, hofseitige Mauer in Städten, wobei der Autor zunächst diese drei gangspunkt ist für ihn jeweils eine Aufnahme außen und innen · 2. Heft: Der Wohnbau. Darmstadt: schichte zur Beschreibung der baulichen Ein­ fach auf Illustrationen von Viollet-le-Duc zu­ Arnold Bergsträsser, 1892. · 240 S., 15 gefaltete Taf., Gattungen darstellt und anschließend auf die des Baubestands, anfänglich noch ohne Re­ zelheiten. Im Falle der vom englischen König rück. G. U. Großmann 238 Abb.; · Lex. 8°, 26,3 × 19,3 cm Privatbesitz Bauten und Einrichtungen eingeht, dann aller­ konstruktionen. Im Falle Nürnbergs entstanden Richard Löwenherz an der Südgrenze seines dings nicht mehr nach den Gattungen sortiert, später sehr phantasievolle Rekonstruktions‑ normannischen Gebietes errichteten Burg Châ­ Thieme/Becker, Bd. 34, 1940, S. 397 f.; was aus heutiger Forschungssicht problema­ vorschläge für Teile der Burg. Kruft 1995, S. 321 – 326; Großmann 2006, S. 119 – 126. teau Gaillard gibt Viollet-le-Duc die Belagerung www.gallica.bnf.fr [10. 02. 2010] tisch ist. Essenwein greift sowohl auf eigene G. U. Großmann der Burg durch französische Truppe unter Phi­ Aufmaße als auch auf Zeichnungen anderer Moller/Gladbach 1831; Holzamer 1985; Großmann, lippe II. Auguste in den Jahren 1204/05 wieder, zurück: Die beiden Doppeltafeln zum älteren G. Ulrich, in: AKL, Bd. 35, 2002, S. 162; Gulden 2009 die mit der Eroberung und teilweisen Zerstö­ Palas der Burg Münzenberg sind dem Werk

326 327 www.sandstein-verlag.de nie gezeigte Exponate, zusammengetragen aus den bedeutendsten Museen der Welt und mitteleuropäischen Burgen. im Mittelalter und seinem Fortleben in der Neuzeit bis in die Gegenwart. Präsentiert werden rund 650 vielfach noch im Laufe der Zeit gewandelt hat. Die Ausstellung widmet sich den verschiedenen Ausprägungen des »Mythos Burg« bisin die Gegenwart fort. Er wird weiter getragen, auch wenn sich die Funktion der Burg als wehrhafter Wohn sinnbildliche Verwendung der Burg. Der »Mythos Burg« manifestiert sich somit bereits im Mittelalter und setzt sich Drucken, Gemälden, kunsthandwerklichen Prunkstücken und Gegenständen des Alltags zeigt sich eine kontinuierliche Wie kein anderes Bauwerk prägt die Burg unsere Vorstellung vom Mittelalter. In illuminierten Handschriften, frühen ­bau

burg