Landeshauptstadt Stadtplanungsamt Magdeburg

Workshop • Kaiserpfalz • Stadtplanungsamt Magdeburg

Reinhard Adler Christa Anger Birgit Arend Heidrun Bartel Roswitha Baumgart Monika Bohnert Klaus Danneberg Renate Dilz Wilma Ebeling Klaus Eschke Jutta Fittkau Hannelore Friedrich Peter Görke Hans Gottschalk Margott Gottschalk Gabriele Grickscheit Andrea Hartkopf Hans Heinecke Anette Heinicke Sabine HLous Heinrich Höltje Wilfried Hoffmann Wolfgang Jäger Heinz Karl Christa Kinkeldey Dr. Karin Kirsch Hannelore Kirstein Jutta Klose Helga Körner Brigitte Koch Peter Kremer Christa Kummer Thomas Lemm Marlies Lochau Konrad Meng Helmut Menzel Angelika Meyer Heike Moreth Bernd Niebur Doris Nikoll Corina Nürnberg Heinz-Joachim Olbricht Dr. Carola Perlich Dr. Eckhart Peters Liane Radike Karin Richter Dirk Rock Karin Schadenberg Jutta Scheibe Hannelore Schettler Günter Schöne Monika Schubert Helga Schröter Klaus Schulz Achim Schulze Hannelore Seeger Rudi Sendt Siegrid Szabö Heike Thomale Judith Ulbricht Wolfgang Warnke Rolf Weinreich Astrid Wende

Umschlag gedruckt auf chlorfreiem gebleichtem Papier Gedruckt auf Recycling-Papier Workshop • Kaiserpfalz • 1

Landeshauptstadt Magdeburg Stadtplanungsamt Magdeburg

Workshop • Kaiserpfalz • 2

Inhalt Seiten

Vorwort des Oberbürgermeisters 3

Zur Einleitung

- Heinz-Karl Prottengeier 4 - Karin Kirsch 8 Teilnehmer des Workshops „Kaiserpfalz"

Beiträge und Statements der Teilnehmer

- Hans-Joachim Mrusek 10-14 - Hans-Jürgen Brachmann 15-18 - Thomas Weber 19-22 - ArnoldWolff 25-26 - Ernst Schubert 28 - GotthardVoss 29-30 - Friedrich Möbius 30 - Cord Meckseper 31 - Heinz Gerling 33 - Reginald Richter 35-36 - Volker Gerlach 37-38 - UlrichKallmeyer 39-40 - Christian Antz 41-43

Das Ergebnis des Workshops „Kaiserpfalz"

Auszug aus dem Protokoll - Eckhart Wilhelm Peters 44-52 Workshop • Kaiserpfalz • 3

Vorwort des Oberbürgermeisters der Stadt Magdeburg

Mit der Broschüre über den Workshop „Kaiserpfalz" liegt eine Dokumentation vor, in der wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse über die Pfalz Kaiser Ottos I. und künstlerische Vorstellungen über die Visualisierung einer vergangenen Zeitepoche und eines versunkenen Bauwerks zusammengefaßt sind. Möglich wurde diese Gegenüberstellung, weil im September 1993 Wissenschaftler, Archäologen, Denkmalpfleger, Museologen, Historiker und Kunstwissenschaftler mit Künstlern, Bildhauern, Architekten, Musikern und Theaterpraktikern zusammenkamen, um in einem eintägigen Workshop ihre Auffassungen darzulegen.

Auf diese, vielleicht etwas ungewöhnliche Art und Weise ist ein beachtlicher Fundus an Fakten, Meinungen und Ideen zusammengetragen worden, der den Inhalt der vorliegenden Broschüre bildet.

Ich bin der Auffassung, daß dieser Workshop ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu einer sorgfältig vorbereiteten Darstellung eines für die Stadt Magdeburg wichtigen historischen Faktums war und wünsche mir am Ende dieses Weges eine konkrete Lösung, die sowohl den hohen Ansprüchen der Wissenschaftler nach Korrektheit der Aussage wie auch dem Wunsch nach einem emotionalen Umgang mit der Geschichte in gleichem Maße gerecht wird.

Dr. Polte Oberbürgermeister 4

In einer Zeit verstärkter Rückbesinnung auf die Werte der Vergangenheit ist es nicht verwunderlich, daß auch die Zeit der ersten Blüte der Stadt wieder zunehmendes Interesse findet. Verständlich ist der Wunsch, mehr zu erfahren über das Magdeburg der Ottonenära, vor allem aber über den „versunkenen" Kaiserpalast.

Als in jüngster Zeit der Landtag und oberste Landesbehörden von Sachsen-Anhalt die Barockgebäude am Domplatz bezogen, als der Domplatz zum Mittelpunkt der „Straße der Romanik" erklärt wurde, da wuchs auch der Wunsch, der bedeutsamen Geschichte dieses Ortes Rechnung zu tragen.

Mit dem städtebaulichen Ideenwettbewerb „Domplatz Magdeburg" wurde zum einen das Ziel verfolgt, Vorschläge für eine angemessene städtebauliche Gestaltung des Domplatzes und seiner Umgebung zu erlangen, zum anderen erhoffte sich die Stadt Magdeburg als Auslober des Wettbewerbes Anregungen für die Darstellung der für die Stadtentwicklung so wesentlichen Tatbestände aus der nunmehr über 1000 Jahre zurückliegenden Einleitende Bemerkungen Regierungszeit Otto des Großen, also auch Vorschläge für die Visualisierung der Kaiserpfalz. Der Wettbewerb Die Identität einer Stadt wird ganz wesentlich aus den offenbarte unterschiedliche Standpunkte zur geschichtlichen Wurzeln der Stadtentwicklung gespeist. Darstellung von Geschichte am Ort ihres Geschehens, Für die Stadt Magdeburg reicht eine dieser Wurzeln in das Preisgericht bekannte sich zu keinem der die Zeit zurück, in der die deutsche Nation sich angebotenen Lösungsansätze. herausbildete, reicht zurück in die Zeit der ersten deutschen Könige und Kaiser. Um die Aufgabe ein Stück weit ihrer Lösung näher zu bringen, wurde ein Workshop durchgeführt, der sich Otto der Große machte Magdeburg seiner ersten ausschließlich dem Thema „Kaiserpfalz" widmete und Gemahlin, Editha, zur Morgengabe, gründete das dieses so weit aufgearbeitet hat, daß dessen Bistum Magdeburg, ließ den Dom und eine Kaiserpfalz Realisierung lediglich noch eine Detailarbeit fordert und bauen. Magdeburg gehörte zweifellos zu seinen natürlich ein gutes Stück Geld kosten wird, das derzeit bevorzugten Aufenthaltsorten, denn es sind mehr als städtischerseits nicht zur Verfügung steht. 20 Aufenthalte in dieser Stadt nachgewiesen. Das Ensemble Dom/Kaiserpalast muß zu den Jedoch bleibt immer noch Hoffnung auf großzügige eindruckvollsten Bauwerken des frühen Mittelalters auf Sponsoren und einschlägige Förderprogramme. Auch deutschem Boden gehört haben. Bürgerinitiativen, Vereinen und Gesellschaften sei die Ausführung der visualisierten Form der Kaiserpfalz Der ottonische Dom brannte im Jahre 1207 nieder. nahegelegt. Die Zeit ist reif dafür. Wann und wodurch der Kaiserpalast zugrunde gegangen ist, weiß bis heute niemand zu sagen. Heinz-Karl Prottengeier Jahrhundertelang blieben seine Spuren unter dem Baudezernent Domplatz verborgen. Erst seit den Grabungen von Ernst Nickel in den 60er Jahren dieses Jahrhunderts kennt man seine Lage, kann man sich eine Vorstellung von seiner Größe und seinen räumlichen Beziehungen zum frühmittelalterlichen Dom machen. Workshop • Kaiserpfalz • 5

Die Kaiserpfalz im städtebaulichen Barockplatzes bis zur Überbauung des Pfalzstandortes Ideenwettbewerb „Domplatz Magdeburg" reicht. Im Folgenden eine themenbezogene Analyse der acht Entwürfe. Ganz offensichtlich stand das Thema „Kaiserpfalz" für keinen der acht eingeladenen Teilnehmer am Im Entwurf des 1. Preisträgers, Prof. O. M. Ungers städtebaulichen Ideenwettbewerb „Domplatz Abb. 1, erscheint der Domplatz unverändert in der seit Magdeburg" im Mittelpunkt der Bemühungen. dem Barock feststehenden Form, eingefaßt von einer Das Preisgericht formulierte gar „für die Doppelreihe von Bäumen, die eine maßstäblich Veranschaulichung der Ottonischen Kaiserpfalz hat der gestaltete Platzfläche umschließen. Auf den Standort Wettbewerb keine Lösungen erbracht". Dessen der Kaiserpfalz wird nicht Bezug genommen. Auf der ungeachtet erscheint es doch lohnend, die acht Westseite des Platzes wird neben einem Hotel auch ein Wettbewerbsarbeiten auf ihre Aussagen zur Kaiserpfalz Museum vorgeschlagen, daß sich nach der Auffassung hin zu untersuchen. Dabei offenbart sich im Prinzip das des Entwurfsverfassers „der Dokumentation der gesamte Spektrum denkbarer Lösungsansätze, Geschichte des Dombezirkes und seiner kulturellen das von der unveränderten Übernahme des Bedeutung" widmen könnte.

Abb. 1 6

Der Verfasser des mit dem 2. Preis ausgezeichneten Auffassung wie folgt: „Durch Sichtbarmachung der Entwurfes Abb. 2, Uwe Graul, wahrt ebenfalls die Umrisse der alten Kaiserpfalz mittels Mosaik, übernommene Platzform mit der Einfassung durch zwei Rekonstruktion einer kleinen Ecke des aufgehenden Baumreihen. Im Bodenbelag des Platzes macht er den Mauerwerks und Ausgrabung eines Abschnittes der ergrabenen Teil des Kaiserpalastes als Grundmauern innerhalb eines Museumspavillons, soll Grundrißnachzeichnung sichtbar (ohne die Baumreihen ein weiterer interessanter Zielpunkt für die Stadt und die dabei zu unterbrechen). Darüberhinaus schlägt er vor, „Straße der Romanik" geschaffen werden. Der gläserne das Haus Domplatz 1 als „Museum Ottonische Pavillon soll ein Museum über die Rolle der Kaiserpfalz" zu nutzen. Kaiserpfalzen aufnehmen. Dabei wurde bewußt eine sehr einfache, sich unterordnende Form gewählt. Abb. 3 Die Autoren des 3. Preises, Johannes Schroth, Lydia Schulze und Burkhard Wöbke beschreiben ihre Der Entwurf der Architekten Bahlo-Köhnke-Stosberg &

Abb. 2 Abb. 4

Abb. 3 Partner (Ankauf) respektiert die historische Fassung des Platzes, sieht jedoch eine Absenkung der Platzmitte vor, so daß eine „Kaiserpfalzbastion" entstehen kann. Die Autoren stellen sich diese gleichsam als „Bühne öffentlichen Lebens" vor, für das die abgesenkte Platzfläche neue Nutzungs- und Aufenthaltsqualitäten bieten könnte. Abb. 4

Sehr große Bedeutung mißt der Architekt Hans-Dieter Schaal (Ankauf) der Gestaltung des Platzes bei. Abb. 5 Er öffnet und orientiert nicht nur die Neubebauung zwischen Domplatz und Breitem Weg auf den Domplatz, sondern nutzt den Domplatz selbst als Ort einer Inszenierung. In seinem Erläuterungsbericht schreibt der Verfasser: „Der Domplatz selbst wird in seiner bestehenden originellen Trapezform belassen. Ein neuer Natursteinbelag wäre notwendig, um der Platzfläche mehr Qualität zu geben. Die Stadtgeschichte wird in drei verschieden großen Kreislöchern sichtbar. In der größten Öffnung, in Domnähe, sieht man vertieft auf die Fundamente der Workshop • Kaiserpfalz • 7

historischen Bauten, über diesen Fundamenten ist ein Im Entwurf von Stephan Böhm wird der ergrabene Modell (aus Naturstein oder Metall) des ottonischen Grundriß der Kaiserpfalz im Pflaster sichtbar gemacht Domes und einiger Pfalzbauten errichtet (der Dom, und dazu ein Informationspavillon als „transparenter, etwa 5-6 m lang und etwa 3 m hoch, aufgeschnittene abstrakter Glaskörper" auf dem Platz positioniert, der Version). Aus dem zweitgrößten Loch wachsen einige „eher wie ein Objekt und nicht als eine Baumasse in Turmspitzen des historischen Magdeburgs (auch etwas Erscheinung tritt." Abb. 6 verkleinert im Maßstab), und aus dem dritten Loch erhebt sich ein Brunnen mit sprudelndem Wasser. In Walter Brezinski gibt die „preußische Baumkante" auf, allen Löchern sieht man den Originalboden und das konzentriert das Großgrün auf die West- und Südseite Erdreich unter dem Platz. Der Blick nach unten in die des Platzbereiches, hebt die Bordkanten rund um die Erde wie durch ein Mikroskop, durch ein Fernglas." Platzflächen auf und greift auf der Westseite mit der

Abb. 5 Abb. 6

Abb. 7 Abb. 8 8

vorgeschlagenen Neubebauung auf die Platzfläche Die Teilnehmer des Workshops über. Die Gesamtfläche erhält eine durchgehende, „Kaiserpfalz" vermittelnde Pflasterung mit sich überlagernden Raster­ und Materiallinien. Der Domplatz wird als Der Einladung des Baudezernenten zum Workshop „Erlebnisbereich" (Sitzen auf dem Platz, Sonnen, „Kaiserpfalz", der am 15. September 1993 im Beobachten, Gesehenwerden) aufgefaßt. Die Pfalz Gästehaus der Stadt Magdeburg stattfand, waren wird als Adaption plastisch herausgebildet. Abb. 7 gefolgt:

Schließlich finden wir im Entwurf der Architekten Dr. Christian Antz, Ministerium für Wirtschaft, Technik Michael Zimmermann und Peter Schube wieder den und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt Verzicht auf die bisherige Platzgestaltung. Die Heinrich Apel, Bildhauer, Magdeburg umlaufenden Baumreihen werden aufgegeben, dafür wird entlang der gesamten Westseite des Platzes ein Prof. Dr. Hans-Jürgen Brachmann, Fördergesellschaft starkes Gründach gebildet. Die einheitliche Pflasterung wissenschaftliche Neuvorhaben mbH, Berlin/München des Platzes löst sich zur Mitte hin in unversiegelte Ingelore Buchholz, Leiterin des Stadtarchivs Grandflächen auf. Eine Entwurfsvariante zeigt die Magdeburg freigelegten Kaiserpfalzfundamente, über die ein Steg hinwegführt. Abb. 8 Volker Gerlach, Bildhauer, Düsseldorf Heinz Gerling, ehrenamtlicher Denkmalpfleger, Karin Kirsch Magdeburg Uwe Graul, Architekt, Steffen Honig, Lokalredaktion der „Volksstimme", Magdeburg Ulrich Kallmeyer, Musiker, Cremlingen bei Prof. Dr. Dr. Hans-Joachim Mrusek, Martin-Luther- Universität Halle Dr. Matthias Puhle, Direktor des kulturhistorischen Museums, Magdeburg Thomas Pührer, Theater der Landeshauptstadt, Magdeburg Reginald Richter, Glasgestalter, Magdeburg Johannes Schroth, Architekt, Magdeburg Prof. Dr. Ernst Schubert, Dechant des Domkapitels, Rainer Sussmann, Leiter des Kirchenbauamtes, Magdeburg Wolf-Rüdiger Thäder, Architekt, Halle Gotthard Voss, Landeskonservator, Halle Prof. Dr. Arnold Wolff, Dombaumeister, Köln

Zeitweilig nahm der Oberbürgermeister der Stadt Magdeburg, Dr. Willi Polte, an den Diskussionen teil. Die Leitung der Veranstaltung lag in den Händen des Baudezernenten, Heinz-Karl Prottengeier. Die Organisation und fachliche Betreuung des Workshops erfolgte durch das Stadtplanungsamt Magdeburg: Dr.-Ing. Eckhart Wilhelm Peters Dr.-Ing. Karin Kirsch Ing.-Oec. Wilfried Hoffmann Workshop • Kaiserpfalz • 9 10

Die topographisch-städtebaulichen der Grauwacke und des Oberrotliegenden besonders Gegebenheiten beim Strukturwandel des hoch anstehen, haben sie sich als Erhebungen im Domplatzgebietes Gelände ausgeprägt. Wo dagegen der Grünsand in besonderer Mächtigkeit auftrat, wusch das Wasser Mulden und Senken aus. Sanfte Buchten und flache Der Bereich Domplatz und Umgebung, der ehemaligen Geländezungen gliedern die Hochfläche nach Süden, Kaiserpfalz und Domburg, sind die städtebauliche Westen und Norden hin. Hier geht der Übergang zur Keimzelle der stark veränderten Magdeburger Altstadt. unmittelbaren Umgebung fast unmerklich vonstatten. Für eine nunmehr sinnvolle Gestaltung dieses Während der östliche Rand, das eigentliche historischen Stadtkerns nach vielen Zerstörungen und Eibhochufer viel bewegter gestaltet ist. Die Form des baulichen Veränderungen ist es jetzt unbedingt nötig, Hochuferrandes ist für die Grundrißbildung der Stadt die geographischen sowie topographisch- von höchster Bedeutung und verlangt deshalb städtebaulichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. besondere Aufmerksamkeit. Die Altstadt Magdeburgs liegt auf einer kleinen Domanhöhe und Marktkirchenanhöhe sind neben der Hochfläche unmittelbar an der Elbe. Die geologische Anhöhe des Liebfrauenklosters die bedeutendsten Struktur hat im Laufe der Entwicklung durch die Erhebungen des Stadtgeländes. Südlich des Domes Einwirkung äußerer Naturkräfte eine ganz bestimmte senkt sich das Gelände so, daß es in früher Zeit oft Gliederung des zur Elbe steil abfallenden hochwassergefährdet war. Zwischen der Dom- und Hochflächenrandes zugelassen. Liebfrauenklosteranhöhe zieht sich eine weite und tiefe Flache Senken vermitteln nach dem Strom hin und Senke zum Eibufer hinunter, die heute noch mit geben dem westlichen Flußufer ein beträchtlichem Gefälle den nordöstlichen Teil des abwechslungsreiches Aussehen. Dort, wo die Bänke Domplatzes mit einbezieht. Mit der ersten urkundlichen Erwähnung 805 rückt Magdeburg ins Licht der Geschichte: ein Kastell mit einem Grenzhandelsplatz am Mittellauf der Elbe. Alte Fernverkehrswege treffen auf der Hochfläche zusammen und konzentrieren sich auf einen Punkt, die Domanhöhe. Eine Felsbank im Fluß, der sich hier in mehrere Arme teilt und dadurch weit und breit den günstigsten Übergang bietet, war die natürlichste und älteste Furtstelle. Hier schneiden sich Land- und Wasserstraßen. Diese günstigen verkehrsgeographischen Gegebenheiten und das nahe an die Elbe herantretende Bördehochufer mit einer am großen Eibknie sich besonders heraushebenden gegliederten Hochfläche sind wichtige Bedingungen für eine sehr zeitige Siedlungsbildung. Zusammenfassend läßt sich sagen: Das Steilufer am großen Eibknie hebt sich in Gestalt einer trapezförmigen Hochfläche aus der Landschaft heraus. Nach dem Eibvorland zu, das in früher Zeit außerordentlich schmal war, haben sich durch Erosion mehrere tiefe Senken gebildet. Sie lassen die durch die geologische Struktur bedingten Anhöhen besonders auffällig hervortreten. Die übrigen Seiten der Hochfläche werden durch Mulden und Geländezungen weniger stark gegliedert. Die Hochfläche selbst erfährt durch mehrere Erhöhungen weitere Steigerungen, so daß sie im

Magdeburg - Altstadtgelände Senken begünstigten und vermittelten den ersten Verkehr zwischen Hochfläche und Eibufer. Anhöhen boten den frühen grundherrlichen Befestigungen in der Nähe der ältesten Verkehrswege und des Flußüberganges natürlichen Schutz. Workshop • Kaiserpfalz • 11

ganzen betrachtet eine abgeschlossene hügelige Elbvorland erwies sich als Ausgangspunkt für eine Landschaft ist, die den ersten Verkehr in ganz größere städtische Siedlung als wenig aussichtsvoll. bestimmte Bahnen lenken mußte. Von dem Wik und der ältesten uns bekannten Kirche, einer Stephanskirche, die dem Hochwasser zum Opfer Die Maßnahmen Karls des Großen, hier ein Kastell mit fiel, sind uns keinerlei Reste überliefert. einem militärischen Befehlshaber einzurichten und für Die frühstädtisch-ottonische Siedlungslandschaft: den Grenzhandel ganz bestimmte Verordnungen zu 937 verlegte König Otto I. den Marktverkehr auf die treffen, deuten darauf hin, daß am Verkehrsknotenpunkt sichere Hochfläche, indem er einen neuen Markt Magdeburg seit langem Warenaustausch stattfand, der gründete. Er hatte bis zur Thronbesteigung die meiste endlich einer Regelung bedurfte. Es ist darum möglich, Zeit in der Königspfalz auf der Domanhöhe zugebracht daß auf der die Furt beherrschenden Domanhöhe und wird die lokalen Handels- und Verkehrsverhältnisse bereits ein älterer sächsischer Herrenhof gestanden mit ihren Mängeln recht gut gekannt haben, denn die hat. Die gesamte Situation muß zur Anlage eines Neugründung ist eine bedeutende städtebauliche solchen geradezu herausgefordert haben. Dem Leistung schon deshalb, weil sie aus den Erfahrungen Herrenhof folgte das karolingische Kastell. Der mit dem unzulänglichen Grenzhandelsplatz resultiert. Grenzhandelsplatz lag unmittelbar unterhalb, und zwar Der junge König schaffte einen Handels- und im Zuge der Burgstraße im niedrig gelegenen Verkehrsorganismus, der allen Anforderungen seiner Eibvorland zwischen Furt und Gouvernementsberg. Zeit gerecht wurde. Er bezog bei seiner Planung Der Grenzhandelsplatz war ein periodisch besuchter wohlüberlegt alle Gegebenheiten ein: Das Gelände um Kaufmannswik und noch kein fester Markt, geschweige den heutigen Markt mit der weiten Senke und der eine Stadt. Seine Lage im hochwassergefährdeten Marktkirchenanhöhe erwies sich für die Wahl des

Frühstädtisch ottonische Siedlungslandschaft (um 1000)

Karolingisches Kastell (805); vorher vermutlich sächsischer Herrenhof - sächsische Königspfalz - St. Moritzkloster (937)

Domburg (seit 968) mit nördlicher Erweiterung

Ottonische Stadt, unregelmäßiger, vermutlich älterer Teil

Ottonische Stadt, regelmäßiger, vermutlich jüngerer Teil (der Markt nach dem Stand des 12. Jh.)

Burggrafenburg: I Hauptburg, II Vorburg, III Burgmannensiedlung von örtlicher Bedeutung (Dorf Frose?)

Eigenbefestigungen vorwiegend stadtherrlicher Dienstmannen

Burgstraße: Fernverkehr von Norden. Fernverkehr aus Süden und Westen. Burgfurt: ältester Flußübergang über die Bänke des Oberrotliegenden, Bedeutungsverlagerung seit Stadtgründung im 10. Jahrhundert zugunsten der Marktfurt. West-Ost-Fernverkehr: Straßengabel in Verlängerung der Marktfurt. Nördliche Umgehungsstraße der ottonischen Stadt in Grundstückstiefe vor der Stadtmauer. Nahverkehr- und Verbindungsstraßen nördlich vor der ottonischen Stadt. Tränsberg, Nahverkehr. 12

Platzes am geeignetsten. Hier wurden Marktplatz und Sudenburg im Süden, Rottersdorf, Schrotdorf, Frose Wohnquartiere abgesteckt und auf der höchsten und andere Dörfer und Vorwerke, dazwischen Anhöhe am Hochuferrand die Marktkirche gegründet. befestigte Höfe. Die befestigte Marktsiedlung ist nur ein Vor allem die Straßen der südlichen Siedlungshälfte Teil der Siedlungslandschaft, steht aber in völliger zeigen, daß hier eine ordnende Kraft gewirkt hat; die Abhängigkeit von der Domburg. Diese bildet den nördliche ist unregelmäßiger. Das liegt an der militärischen, politischen und geistigen Mittelpunkt. Die ausfallenden Marktstraße und m. E. älteren grundherrliche Gewalt über den jungen Markt ist von Besitzungen, die hier gelegen haben. Der Umriß der Otto I. auf das Moritzkloster und von diesem 968 auf ottonischen Marktsiedlung ist unregelmäßig und paßt den Erzbischof übergegangen. Seitdem wird es sich ebenfalls wie die Verkehrsstraßen dem Gelände frühestens einen Burggrafen gegeben haben. Die aus an. Eine wichtige Maßnahme des Gründers war die dem Kaufmannswik hervorgegangene Marktsiedlung Verlegung des Flußübergangs von der Felsbank zum erwies sich frühzeitig als zukunftsträchtiges Glied unter Alten Brücktor. Sie zeigt, daß der Grundherr selbst die den verschiedenartigen Siedlungskomplexen und nahm Struktur des Verkehrssystems zugunsten einer rasch an Bedeutung zu; das wurde von Anfang an vom Einrichtung ändert, der er größere Bedeutung zuerkennt Grundherrn, der Stadtherr war, erkannt. Er war nicht nur als der grundherrlichen Pfalz. Nutznießer, sondern auch tatkräftiger Förderer des Magdeburg war in ottonischer Zeit eine weiträumige frühstädtischen Lebens. Zu einer endgültigen Siedlungslandschaft und noch keine Stadt im späteren Gestaltung einer Stadt konnte es in ottonischer und Sinne. Die Domburg, die Marktsiedlung und die salischer Zeit im allgemeinen noch nicht kommen. Dazu Burggrafenburg lagen auf den höchsten Plätzen nahe fehlten die wirtschaftspolitischen Voraussetzungen. am Hochuferrand. Im weiten und nahen Umkreis lagen Magdeburg hat jedoch frühzeitig weitgehend zahlreiche Siedlungskomplexe: Kloster Berge und Stadtcharakter erhalten. Von einem wirklichen

Die stadtherrlich-romanische Stadium 1180

Domimmunität, die Domburgmauer wurde durch die Stadtbefestigung entwertet

Westliche Erweiterung der Domimmunität (1. Hälfte des

11. Jahrhunderts)

Ottonischer Stadtkern

Allmähliche Besiedlung im 11. und frühen 12. Jahrhundert Klosterland

Burggrafenburg, Vorburg und Burgmannensiedlung abgetrennt

Eigenbefestigungen

Umgestaltung und Erweiterung der Stadt durch Erzbischof Wichmann (1152-1192); Breiter Weg, Mauerstraße, Verbindungsstraßen, Baublöcke sind planmäßig angelegt; der gleiche Gestaltungswille brach den weiträumigen Markt in den ottonischen Stadtkern

Stadtmauer aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts (ebenso einheitlich angelegt) Workshop • Kaiserpfalz • 13

Stadtorganismus kann jedoch erst seit dem 12. Jahrhundert gesprochen werden. Es wäre daher angebracht, in ottonischer Zeit von frühstädtischen Verhältnissen zu sprechen. Der Markt - nur ein Teil eines Siedlungskonglomerats - war noch ein enger und unentwickelter Wirtschaftsorganismus, der stark von feudalen Elementen durchsetzt war. Fernkaufleute bestimmten den Marktverkehr und grundherrliche Dienstmannen übten Kontrolle, gewährten den militärischen Schutz über das Anwesen und hatten die Gerichtsbarkeit über seine Bewohner. Mit diesen Einschränkungen kann man Magdeburg als eine der frühesten Stadtgründungen seit römischer Zeit diesseits der Alpen betrachten. An der Ostgrenze des Reichs wurde von einer starken Persönlichkeit die erste deutsche Stadt - ohne römische Stadttradition - gegründet. Damit hängt für kurze Zeit eine Verlagerung der wirtschaftspolitischen Kraft zusammen. Magdeburg wird jetzt Ausgangspunkt für große Unternehmungen der Fernhändler und wirkt so Verkehrs- und siedlungsbildend auf das noch wenig aufgeschlossene Gebiet zwischen Elbe und Rhein.

Magdeburg um 1250 - die bürgerlich-gotische Stadt

Ottonischer Stadtkern

Domimmunität

Klosterland

Allmähliche Besiedlung im 11. und 12. Jahrhundert

Gebiet der ehemaligen Burggrafenburg, das seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts für den Bau von kirchlichen Anlagen verwendet wurde

Umgestaltung und Erweiterung der Stadt durch Erzbischof Wichmann von Seeburg (1152-1192)

Planmäßige Stadterweiterung durch Erzbischof Albrecht II. von Kefernburg, nach der Zerstörung der Vorstädte durch Otto VI. (1213); darauffolgend Bau der Nordmauer durch die Bürgerschaft mit Unterstützung des Stadtherrn (1236)

Allmähliche Besiedlung des Elbvorlandes im 12. und 13. Jahrhundert. Mauerbau nach Fertigstellung der Nordmauer (um 1250) 14

Der Große Slavenaufstand 983 macht alles zunichte. wie die hochgespannten Erwartungen auf die kirchlich- Durch dauernde Gefährdung des Handels und Verkehrs politische Funktion.1) und Zurückziehen der Fernhändler in die sicheren Viele Kriege hat Magdeburg erlebt und städtebaulich Westgebiete wird Magdeburg eine einsame und überstanden. Erst der Wiederaufbau nach dem Zweiten verlassene Stadt. In der Vita des heiligen Adalbert von Weltkrieg hat die historisch gewachsene Struktur der Prag heißt es: „Die ehrwürdige Stadt, ehedem weit und Platz- und Straßenräume außer dem Domplatz und breit unter den Völkern berühmt und eine von den Marktplatz zerstört. Deshalb ist es von großer großen Städten, solange Otto I. das Szepter führte, ist Bedeutung, daß das Domplatzgebiet durch sinnvolle jetzt ein halbverwüsteter Ort und ein unsicherer Um- und Neubauten im optischen Maßstab zum Dom Aufenthalt für Schiffer." Alle großen Hoffnungen, die als Dominante und Einfügung der Kaiserpfalz zum Magdeburg als dem großen zentralen Wirtschaftsplatz städtebaulichen Höhepunkt erhoben wird. nach dem Osten hin galten, wurden ebenso enttäuscht, Hans-Joachim Mrusek

Magdeburg im Spätmittelalter (1530)

Tore A Sudenburger Tor B Ulrichstor C Schrotdorfer Tor D Krökentor E Hohe Pforte F Petritor G Brücktor

Geistliche Stifte 1 Dom (St. Moritz und St. Katharina) 2 Kloster Unser Lieben Frauen (seit 1129 Prämonstr.) 3 St. Sebastian 4 St. Nicolai (ehem. westlich vor dem Dom) 5 St. Gangolfskapelle 6 Dominikanerkloster 7 Franziskanerkloster 8 St. Gertrauden 9 Marien-Magdalenen-Kloster 10 Augustiner Kloster

Pfarrkirchen 11 St. Johannes (Marktkirche, 941 erw.) 12 St. Ulrich 13 St. Petri 14 Heilig Geist (ehem. Stift) 15 St. Katharinen 16 St.Jakobi

Öffentliche Gebäude 17 Rathaus (links der Magdeburger Reiter) 18 Ratswaage H-T Eigenbefestigungen (beschrieben S. 25-40) Straßen und Plätze: Stadtplan Otto von Guericke (Abb. 16) Stadtplan von 1882 (Abb. 12)

1) Auszug aus: Hans-Joachim Mrusek, Zur städtebaulichen Entwicklung im hohen Mittelalter (mit weiterführender Literatur) wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Jahrgang V, 1955/56, Heft 6 Workshop • Kaiserpfalz • 15

Beitrag Prof. Dr. Brachmann, Berlin eines der wenigen erhaltenen frühen profanen städtischen Bauwerke Ostdeutschlands hat und findet es immer wieder auch ein lebhaftes Interesse unter Mit Dank folge ich Ihrer Einladung zur Diskussion des Fachkollegen. Es ist sehr zu bedauern, daß der Keller „Städtebaulichen Ideenwettbewerbes - Domplatz nun schon seit Monaten nicht mehr öffentlich zugänglich Magdeburg". Ich habe die mir übergebenen Papiere, ist. vor allem die drei Gestaltungsentwürfe mit großem Interesse durchgesehen. Nun bin ich weder Ich will das nicht ausweiten, das Beispiel Buttergasse Bauhistoriker noch Architekt, so daß ich zur sollte nur unterstreichen, auf welches Interesse solche Gesamtanlage nichts sagen kann. Als ergrabenen Strukturen in der Öffentlichkeit treffen und Mittelalterarchäologe aber beschäftige ich mich seit daß wir eine große Verantwortung dafür haben, solche Jahren auch mit der Geschichte Magdeburgs und weiß Ergebnisse dem Publikum in aller Breite, möglichst im sehr gut, daß gerade der mittelalterlichen Original, zu präsentieren. Das Kulturhistorische Vergangenheit dieser Stadt nicht nur im lokalen Museum, dem die Funde aus den Akademie- Rahmen, sondern auch in der Landes- sowie der Grabungen bereits 1968 mit Auflösung der örtlichen deutschen und ostmitteleuropäischen Geschichte ein Grabungsstelle übergeben worden waren, ist diesem besonderer Stellenwert zukommt. Nicht ohne Grund Anspruch in m. E. beispielhafter Weise durch deren hat der bekannte Mediävist A. Brackmann Magdeburg Verwertung in einer Vielzahl interessanter und als „Hauptstadt des deutschen Ostens" bezeichnet. publikumswirksamer Ausstellungen gerecht geworden Und wenn Sie durch die von den Museen Braunschweig -von den letzten seien nur die ständige stadthistorische und Magdeburg erstellte Ausstellung „Sachsen-Anhalt. Ausstellung genannt, innerhalb der zwei große Säle 1200 Jahre Geschichte. Renaissance eines allein mit den Ergebnissen dieser Grabungen gestaltet Kulturraumes", jetzt hier im Kulturhistorischen Museum, werden konnten, aber auch die Wichmann-Ausstellung gehen, dann wird Ihnen die gestaltende und oft des letzten Winters sowie, erneut, die Sachsen-Anhalt- prägende Rolle Magdeburgs in diesem Raum nicht Ausstellung. Ich denke, diese frühe Geschichte ist heute entgangen sein. gerade dank dieser aufopferungsvollen Arbeit Allgemeingut sowohl der Magdeburger selbst als auch Nun ist von dieser großen Vergangenheit nur wenig an ihrer Gäste aus aller Welt. Sachzeugnissen, insbesondere aber von Baustrukturen, die uns heute hier besonders Es ist nur zu natürlich, wenn parallel dazu der Wunsch interessieren, auf uns gekommen. Unselige Kriege und immer dringender wurde und wird, auch am Fundort im ein auf Gewachsenes kaum Rücksicht nehmender Gelände selbst die Geschichte hautnah zu erleben, den Neuaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg haben hier ihr Hauch der Vergangenheit am Ort des historischen Zerstörungswerk geleistet. Und wenn wir nicht die Geschehens unmittelbar zu spüren. Hinsichtlich der Kirchen hätten, zuerst das Kloster Unser Lieben Frauen Befunde vom Domplatz hat das freilich so seine Tücken, und den Dom, dann sähe es mit dem Erbe tatsächlich die in der Substanz der ergrabenen Befunde liegen. trübe aus. Es gehörten viel historische Verantwortung und auch Weitblick dazu, als der Mediävist F. Rörig und Da in den bisherigen Vorstellungen zur Gestaltung des der Archäologe W. Unverzagt, beide Mitglieder der Domplatzes immer nur über die Darstellung des Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, ottonischen Palas gesprochen wurde, möchte ich Sie 1948 bereits eine „Arbeitsgemeinschaft zur zunächst darauf hinweisen, daß die Ausgrabungen hier Erforschung der Vor- und Frühgeschichte Magdeburgs" darüber hinaus weitere und ältere, aber durchaus ins Leben riefen, in die sie anfangs auch Vertreter der ähnlich spektakuläre Zeugnisse seiner Nutzung Stadt, des Stadtarchivs und der Baudenkmalpflege erbracht haben. Dabei sehe ich von den integrieren konnten. Seit 1953 war dann das vorgeschichtlichen Befunden ab und verweise hier nur neugegründete Institut für Vor- und Frühgeschichte an auf die drei bedeutenden frühmittelalterlichen der Akademie der einzige Träger der Komplexe: stadtarchäologischen Forschungen, die sich über 20 Jahre unter der örtlichen Leitung von Dr. E. Nickel 1. In engem Kontext zur Ersterwähnung Magdeburgs und der Mentorschaft von W. Unverzagt sowie mit der stehen zwei Befestigungsgräben, deren paralleler Unterstützung der Stadt Magdeburg bis 1968 hinzogen Verlauf über den ganzen Domplatz durch mehrfache und durch die wesentliche Erkenntnisse insbesondere Schnitte nachgewiesen werden konnte. Es handelt sich zur frühesten Geschichte der Stadt ergraben werden um sogenannte Spitzgräben, die von der heutigen konnten. Ein Teil davon ist vor Jahren bereits in das Oberfläche her, bis zu rund 3,5 m eingetieft waren und Leben der Stadt integriert und gern von der Bevölkerung eine obere Breite von durchschnittlich 5-6 m besaßen. angenommen worden, ich meine die Halle an der Ihre Datierung um 800 scheint gesichert. Ob es sich um Buttergasse am Alten Markt aus dem 12./13. Jh. Als den Ort des 806 im Auftrage Karls des Großen an der 16 Workshop • Kaiserpfalz • 17

Ostgrenze des damaligen fränkischen Reiches 3. Was sind die Befunde zum Palas? Zunächst muß errichteten Kastells handelt, sei allerdings daran erinnert werden, daß es sich bei dem ergrabenen dahingestellt. Grundriß ganz offensichtlich nur um den westlichen Teil eines ursprünglich größeren Bauwerkes handelt, freilich 2. Ein zweiter vorottonischer Horizont wird durch um dessen repräsentativsten, den mit der Königshalle. zahlreiche in die Erde eingetiefte, annähernd Die Fläche, die dieser ergrabene Grundriß einnimmt, quadratische Häuser (sog. Grubenbauten) gebildet, die umfaßt rund 45 x 45 m. Die Befunde wurden etwa 1 m z. T. sicher Wohnhäuser waren, aber auch als unter der heutigen Oberfläche angetroffen. Es zeigte Werkstätten gedient haben könnten. Sie streuen über sich, daß der Bau seit dem späten 12. Jh. systematisch wesentliche Teile des Domplatzes und sind auch in und bis auf die Grundmauern (Fundamentteile) dessen Nähe angetroffen worden. Aus abgebrochen worden war, ja daß man etwa in der Hälfte Überschneidungen ergibt sich, daß sie jünger als die der Fälle selbst die Grundmauern herausriß, so daß nur Gräben, älter aber als der Palast sind. Ihre Datierung die verfüllten Fundamentgräben übrigblieben. Lediglich ins 9./frühe 10. Jh. ist damit wahrscheinlich. Es könnte in kleinen Teilbereichen blieben Mauerreste aufrecht sich bei ihnen um Bauten des liudolfingisch/ottonischen stehen, in maximal 5 Steinlagen im Bereich der nach Hofes handeln, in dessen Bereich Otto I. 937 das Osten offenen Hälfte der großen Westapside. Die Moritzkloster und schließlich das Erzstift einrichtete. Befunde wurden nach Abschluß der Grabung Dafür spricht aber auch die lokale Kontinuität zu jenem abgedeckt, die Verfüllung selbst erfolgte z. T. mit Bauwerk, dessen Überreste in den 60er Jahren Abrißschutt. freigelegt und seitdem mit dem Palas Ottos des Großen am Ort in Verbindung gebracht werden. Es ist also, ich muß das hier so sagen, nichts 18

Aufragendes da, was sich im Sinne eines 4. dem Domplatz in seiner heutigen Gestalt würde Freilichtmuseums (Entwurf 3) darstellen ließe. Das gilt durch aufgehende museale Zweckbauten keine Gewalt auch für die Anlage eines Pavillons oder etwa eines angetan, und das scheint mir bei aller historischen „Schaukastens", wenn letzteres Verfahren heute auch Bedeutung des Befundes doch am wichtigsten. immer üblicher wird, um wenigstens Teile eines Originalbefundes der Öffentlichkeit sichtbar zu Welche Stadt in unserem Bereich kann sich eines so erschließen. Aber über welchem Teil der großen Fläche großartigen PLatzes denn sonst noch erfreuen? Wir sollte sich ein solcher erheben? Der historische Bau sollten diesen Eindruck durch unseren berechtigten war als Ganzes eindrucksvoll, wir sollten ihn m. E. allein Willen, der großen Geschichte der Stadt Referenz aus museumspädagogischen Gründen nicht erweisen zu wollen, nicht mit Kleinbauten zerstören. zerstückeln. Damit aber bleiben nur 2 Varianten, die, unter den gegebenen Umständen, der Erinnerung an Hans-Jürgen Brachmann diesen Bau an seinem historischen Platz wirklich gerecht werden können:

1. eine erneute Freilegung des Gesamtbefundes und seine Konservierung unter einer einzigen begehbaren Glasplatte. Das scheint mir bei der Größe der Fläche freilich kaum realisierbar. Außerdem würde eine solche letztendlich ungeschützte Offenlegung und evtl. Begehbarkeit den Befund darüberhinaus in kürzester Zeit vernichten und denkbare spätere Nachuntersuchungen damit unmöglich machen.

2. die Nachzeichnung des Grundrisses durch geeignetes andersfarbiges Material im Pflaster des Domplatzes. Ich erinnere hier an die Nachzeichnung des Ostchores des romanischen Domes. Die im Falle des Ostchores bestehende glückliche Möglichkeit der Kombination von äußerer Nachzeichnung und persönlichem Augenschein im darunter liegenden, der Öffentlichkeit zugänglichen, hier freilich durch den Dom selbst weitgehend geschützten Raum, verbietet sich für den Palas leider wegen der geringen Tiefe der Befunde. Ein Über- bzw. Schutzbau, wie im Falle etwa der Halle in der Buttergasse, wäre bei erwünschter Begehbarkeit des Grabungsbereiches unumgänglich. Doch könnte ein solches Gebäude von mindestens 45 x 45 m in der SO-Ecke des Domplatzes wirklich eine Gestaltungsalternative sein?

Ich würde die Variante 2 „Nachzeichnung im Pflaster" bevorzugen: 1. dem von der Struktur und Ansichtigkeit (für ein breites Publikum) her dürftigen und zugleich, mit Blick auf mögliche Nachforschungen äußerst fragilen Befund wird damit am wenigsten geschadet 2. der Besucher erhält einen Gesamteindruck, der durch beigefügte erläuternde Tafeln (Grundriß, Aufriß; Hinweis auf Museumsbesuch) vertieft werden kann 3. es ist möglich, in ähnlicher Weise (auch wenn u. U. nur im Ausschnitt) die übrigen, von mir genannten frühgeschichtlichen Befunde darzustellen (Verlauf der karolingischen Gräben, evtl. Komplex mit Grubenhäusern) Workshop • Kaiserpfalz • 19

Überlegungen zur Gestaltung des der Linienbandkeramik (um 5000 v. Chr.) und der Domplatzes zu Magdeburg aus Bernburger Kultur (um 3000 v. Chr.) (Lies 1974). archäologischer Sicht Schneider (1985) erwähnt Gräber der Kugelamphorenkultur (um 2800 v. Chr. - S. 335) und Unter dem Pflaster des Magdeburger Domplatzes eine Scherbe der in und um Magdeburg sehr reich befindet sich mit dem palatium Ottos des Großen ein vertretenen Schönfelder Nordgruppe (um 2500 v. Chr. archäologisches Denkmal von höchster Bedeutung - - S. 310), der sich im gleichen Jahr bei den Grabungen wichtig nicht allein als Grundriß eines für diese Zeit aus im Untergrund des Hauses Domplatz 5 eine zweite dem nördlich der Alpen liegenden Teil Europas bisher hinzugesellte. nirgendwo sonst überlieferten Architekturzeugnisses, sondern wichtig auch als Stätte historischer In Gestalt erhaltener Befunde ist eine Besiedlung seit Entscheidungen - für keinen anderen Ort sind so der jüngeren Bronzezeit (vielleicht um 800 v. Chr.) zahlreiche Aufenthalte des Begründers des Heiligen belegt. Es handelt sich - bei den Grabungen im Dom, Römischen Reiches Deutscher Nation belegt. unter dem Domplatz, unter dem Hause Domplatz 5, südlich des Klosters Unser Lieben Frauen und in Diese Pfalz aber ist nur ein Glied in der Kette der dessen Klausur- um Siedlungsgruben, eingetieft von Besiedlungsabläufe, die für den historisch einer gelegentlich noch erhaltenen Schwarzerde auf bedeutsamen Bereich zwischen Magdeburger Dom Löß, die hier anscheinend die prähistorische Oberfläche und Kloster Unser Lieben Frauen archäologisch belegt bildete. Die topographische Rekonstruktion dieser sind. In diesem Bereich wurde wiederholt gegraben, Oberfläche - gewissermaßen Basis aller späteren schon 1926 mit dem Ziel einer Rekonstruktion des Entwicklung der Ansiedlung - stellt eine wichtige ottonischen Domgrundrisses (Kunze 1930). Obwohl denkmalpflegerische Aufgabe dar, weshalb jeder dabei Teile einer Ostkrypta dieser Anlage gefunden Erdaufschluß in diesem Bereich archäologisch wurden, bleibt die Frage nach dem Westabschluß aufgenommen werden muß. - Die frühe Eisenzeit ist ungelöst und wurde zwischen 1954 und 1965 im durch Grabfunde belegt (Schneider 1985, S. 335). Rahmen einer Grabung des seinerzeitigen Instituts für Denkmalpflege im Langhaus wieder aufgegriffen Nach Stratigraphie und Fundinhalt jünger als diese (Bellmann & Leopold 1960; Leopold 1983). prähistorischen Relikte sind Befestigungsgräben, die Umfangreiche Untersuchungen auf dem Domplatz die ältesten großflächigen Denkmale unter dem selbst führte schließlich die damalige Deutsche Magdeburger Domplatz darstellen (Abb. 1). Bei Nickels Akademie der Wissenschaften zu Berlin zwischen 1961 Grabungen kamen zwei Spitzgräben zutage, die im und 1969 durch (Nickel 1973). Hinzu kamen in den weiten Halbkreis den Ostteil des Platzes umschließen. letzten 15 Jahren Grabungen des Landesmuseums für Einen durch den Heizkanal östlich vom Ostflügel des Vorgeschichte/Landesamtes für archäologische heutigen Landtages von Sachsen-Anhalt Denkmalpflege und des Instituts/Landesamtes für angeschnittenen Befund will Schneider mit dem Denkmalpflege Sachsen-Anhalt, im Gegensatz zu den äußeren dieser beiden Gräben verbinden. erstgenannten Forschungsarbeiten ausschließlich unter Möglicherweise zu dem Inneren gehört ein Stück, das denkmalpflegerischem Aspekt (Freiflächengestaltung ich erst im September 1993 bei der Anlage eines rings um das und statische Untersuchungen im Kloster Abwasserkanals zwischen Südteil des Landtag- Unser Lieben Frauen, Anlage eines Heizungskanals Ostflügels und Regierungsstraße dokumentiert habe entlang der Regierungsstraße, Wiederaufbau des (Abb. 2). Wenn ein anderer 1992 entdeckter Befund Hauses Domplatz 5 mit Schachtungsarbeiten im unter der Nordostecke der Domklausur (Abb. 3) Untergrund, baustatische Schachtarbeiten am Süd- ebenfalls einen der beiden Gräben anzuschließen ist, und am Nordostturm des Domes, Bodeneingriffe bei hätten wir damit diese vorottonische Anlage praktisch in der Schaffung eines neuen Zuganges zur ottonischen ihrem Umfang erfaßt. Der Ausgräber Nickel hat in ihr die Krypta, Verlegung von Abwasserleitungen unter dem Befestigung aus der Zeit Karls des Großen sehen Ostteil des Platzes und - derzeit noch im Gange - auf wollen, unter dessen Regentschaft Magdeburg im Jahre den Höfen der Gebäude Domplatz 1 und 2/3 sowie an 805 erstmals urkundlich genannt wird. Ost- und Nordseite des Landtages). Leider kann die von Schneider 1985 (S. 334) Diese lange Aufzählung läßt vermuten, daß wir über die aufgeworfene Frage, ob die Befestigungen vielleicht Geschichte dieses Bereiches der Magdeburger Altstadt auf die vorkarolingische altsächsische Zeit - also das gut informiert sein müßten. Tatsächlich haben diese 6. oder 7. Jahrhundert - zurückgehen, auch mit dieser umfangreichen kontrollierten Erdaufschlüsse erweiterten Materialbasis nicht gelöst werden. Auch die Materialien aus nahezu allen ur- und neuen Schnitte haben keine Funde erbracht, die eine frühgeschichtlichen Perioden erbracht, so bereits aus zweifelsfreie Entscheidung zwischen diesen beiden 20 Workshop • Kaiserpfalz • 21

Zeitansätzen zuließen. Vielleicht ergeben sich doch noch Anhaltspunkte aus der bevorstehenden detaillierten Aufarbeitung der Domplatzgrabungen.

Auf die Zeit der Befestigungen - jedenfalls an dieser Stelle - folgt die Phase der Grubenhäuser. Es handelt sich um bis zu ungefähr einem halben Meter in die Erde eingetiefte Bauten, deren gelegentliche Nutzung als Webhäuser bezeugt ist. Wie Funde und Befunde aus slawischem und sächsischem Gebiet erweisen, haben sie aber unzweifelhaft auch zu Wohnzwecken gedient. Gelegentlich ist Blockbauweise überliefert, es überwiegen jedoch lehmverstrichene Pfosten- Flechtwerkhäuser, deren Strohdächer fast die Erde erreicht haben mögen. Unter dem Domplatz überlagern sie die Befestigungsgräben, die in jener Zeit also schon zugeschüttet waren. Es ist durchaus denkbar, daß sie weiter nach außen - also nach Westen - verlegt worden waren, daß also auch die spätere Siedlung von einem derartigen Schutz umgeben war. Dafür scheint die gegenüber vergleichbaren Befunden aus dem sächsischen und slawischen Gebiet geringere Größe dieser Anlagen zu sprechen (Weber 1991): Innerhalb der „Mauern" hatte man eben nicht mehr Platz. Nach Osten reichte diese Besiedlung zumindest stellenweise bis an den heutigen Hang des Eibtals, so wurde auch unter dem Gebäude Domplatz 5 noch ein Grubenhaus entdeckt.

Erst nach diesem Besiedlungsabschnitt erscheint in der Reihenfolge der Befunde die Pfalz Ottos des Großen. 22

Für den heute noch freien Teil des Platzes ist sie der zu berücksichtigen, wäre eine künstlerische Aufgabe. letzte Bau geblieben, der, vielleicht zerstört beim großen Eine Höhenveränderung der Oberfläche sollte mit einer Brand von 1207, eben keinen Nachfolger mehr derartigen Veränderung nicht einhergehen. gefunden hat. So blieb der Grundriß (Abb. 4) mehr oder weniger erhalten, wenn auch der Bau selbst offenbar Ein Problem ergibt sich aus dem Umstand, daß der Bau als Steinbruch benutzt wurde, so daß aufgehendes nicht vollständig ausgegraben werden konnte. Die Mauerwerk die Zeiten kaum und auch das des Grabungsgrenze bildete damals die an der Ostseite des Fundamentes sie nur teilweise überdauert hat. Platzes entlangführende Straße, weiter östlich befindet Überlagert werden diese Relikte von der offenbar sich hier das Haus Domplatz 2/3 aus dem Anfang des domplatzweit verbreiteten Bau(schutt)schicht des 18. Jahrhunderts. So hatte schon Ernst Nickel (1973, gotischen Domes und einem Pflaster aus der Zeit des S. 139) die Forschungsaufgabe formuliert, den „Alten Dessauers" (1. Hälfte des 18. Jahrhunderts). Ostabschluß des Bauwerks zu erkunden und eventuelle bauliche Verbindungen zum ottonischen Dom zu suchen, die im gotischen Bischofsgang, einem Ich habe die Archäologie dieses Bereiches so spätmittelalterlichen Schwibbogen, ihren Nachfolger ausführlich geschildert, um die Komplexität der gefunden hätten. Situation zu verdeutlichen. Wie auf vielen immer wieder besiedelten Plätzen überlagern hier die Befunde einander, wobei jüngere immer wieder ältere Nun ist angesichts der immensen unkontrollierten beeinträchtigen. Dem Archäologen sind sie alle Zerstörung von Bodendenkmalen in der jetzigen Zeit gleichermaßen wichtig und verdienen seine nicht daran zu denken, die Arbeitskraft eines Aufmerksamkeit. Darstell- oder gar rekonstruierbar ist Archäologen durch diese Forschungsgrabung zu eine solche Fülle freilich nicht. Muß schon bei der binden. Andererseits verschaffen notwendige Restaurierung eines Baudenkmals eine Entscheidung Aufschlüsse, so in jüngster Zeit der für eine getroffen werden, welchen Zustand mit welchen Zutaten Abwasserleitung auf dem Hofgelände zwischen den man wiederherzustellen wünscht, so viel eher noch Bauten Domplatz 1 und 2/3, immer wieder neue hier, wo die Befunde einander regelrecht ausschließen. Einblicke - hier die Entdeckung zweier von Norden Andererseits führt einseitige Darstellung zu einem nach Süden verlaufender anscheinend ottonischer falschen Bild, wenn man schon einmal die seltene Mauerzüge (Abb. 5). Dies läßt darauf schließen, daß Gelegenheit hat, ein normalerweise unsichtbares Gebäudeteile, die wohl mit dem Palas in archäologisches Denkmal sichtbar und damit erlebbar Zusammenhang standen, wohl auch im Bereich des zu machen. Hauses Domplatz 2/3 zu erwarten wären: Eine Rekonstruktion als Pflasterbild wäre in jedem Falle Daß unter den geschilderten Befunden der Pfalz die dazu verdammt, fragmentarisch zu bleiben. Priorität zukommt, unterliegt keinem Zweifel. Möglicherweise könnten zerstörungsfreie Historische und kunsthistorische Bedeutung gebieten geophysikalische Untersuchungen im Straßenbereich dies, und die Vollständigkeit des Grundrisses läßt ein zur Ergänzung des Grundrisses beitragen. derartiges Unterfangen als seriös erscheinen. Wir müssen uns aber darüber im klaren sein, daß wir es mit Mit der „Visualisierung" des unterirdischen Befundes einem „zweidimensionalen" „substanzlosen" Gebilde durch farbiges Pflaster ist es aber m. E. nicht getan. zu tun haben. Eine Freilegung erhaltener Reste würde Eine solche Darstellung bedarf der Erklärung, die an Ort nicht viel zu zeigen haben, denn wie kann man mit und Stelle gegeben werden sollte: Wiederum ist es eine Schutt verfüllte Fundamentgräben schon konservieren künstlerische Aufgabe, dafür die richtigen und ansprechend gestalten? Abgesehen davon würde Ausdrucksmittel (Stele, Bronzetafel, Modell o. ä.) zu damit die geschlossene Wirkung des zumindest auf drei finden. Das müßte eine in jedem Falle „verkürzte" Seiten von historischen Bauten umgebenen Platzes Wiedergabe des Grabungsbefundes sein. Um aber beschädigt. auch den anderen Befunden die rechte Würdigung (so z. B. die Präsentation der Befestigungsgräben im Es erscheint naheliegend, für die Darstellung eines Lackprofil) wiederfahren zu lassen und für den zweidimensionalen Objektes auch eine detaillierter interessierten Besucher eine ausführlichere zweidimensionale Lösung zu suchen: Die ortsgenaue Erklärung zu geben, wäre eine museale Darstellung an Darstellung des Grundrisses durch farbige Ort und Stelle wünschenswert. Kein Gebäude wäre Oberflächengestaltung. Das ließe sich durch eine dafür besser geeignet als das alte Museum für entsprechende Pflasterung erreichen, wobei an Naturkunde und Vorgeschichte - das Gebäude Materialien gedacht werden könnte, die bei dem Domplatz 5. historischen Bau Verwendung gefunden hatten (weißer Kalkstein, Marmor), aber auch den farblichen Kontrast Thomas Weber Workshop • Kaiserpfalz • 23 24

Literatur: Abbildungen:

Bellmann, F. & G. Leopold 1960: Der ottonische Dom Abb. 1 zu Magdeburg. In: Pfalzenexkursion 10. bis 14. Oktober Magdeburg. Domhügel und Kloster Unser Lieben 1960, S. 14-22. Berlin. Frauen mit eingetragenen Befestigungsgräben. Nach Schneider 1985, Abb. 1, mit Ergänzungen. Kunze, H. 1930: Der Dom Ottos des Großen in Magdeburg. Geschichts-Blätter für Stadt und Land Abb. 2 Magdeburgs 65,1-72. Magdeburg. Landtags-Ostseite. Durch Abwasserkanal angeschnittener Befestigungsgraben. Aufnahme vor Leopold, G. 1983: Der Dom Ottos I. zu Magdeburg. Beginn der Ausgrabung. Überlegungen zu seiner Baugeschichte. In: Möbius, F. & E. Schubert 1983: Architektur des Mittelalters. Abb. 3 Funktion und Gestalt. S. 63-83. Berlin. Magdeburg. Domklausur-Nordostecke. Durch Schachtarbeiten für den neuen Kryptazugang Lies, H. 1974: Zur neolithischen Siedlungsintensität im angeschnittener Befestigungsgraben unter der Magdeburger Raum. Jahresschrift für mitteldeutsche Ostwand des Kreuzgangs. Nach Nickel 1973, Abb. Vorgeschichte 58, 57-111. Abb. 4 Nickel, E. 1973: Magdeburg in karolingisch-ottonischer Magdeburg. Domplatz. Pfalzgrundriß unter dem Ostteil Zeit. Zeitschrift für Archäologie 7, S. 102-142. des Platzes vor dem Hause Domplatz 2/3.

Schneider, J. 1985: Die Funde der Magdeburger Abb. 5 Domgrabung. Jahresschrift für mitteldeutsche Magdeburg. Dom und Südteil des Domplatzes mit Vorgeschichte 68, S. 297-338. eingetragenen ottonischen Mauerresten. Nach Nickel 1973, Abb. 23, mit Ergänzungen. Weber, Th. 1991: Untersuchungen an frühgeschichtlichen Häusern im Bezirk Magdeburg. In: Weber, Th., G. Böttcher & G. Bartelmann (Red.) 1991: Frühgeschichtliche Häuser in Sachsen-Anhalt. Ausgrabungen zwischen und Havel. S. 20-23. Halle (Saale). Workshop • Kaiserpfalz • 25

Gedanken zur ottonischen Kaiserpfalz auf Beispiele für die Sichtbarkeit archäologischer Stätten dem Domplatz in Magdeburg Nun gibt es für die Sichtbarmachung archäologischer Die Stadt Magdeburg hat im Jahre 1992 einen Zeugnisse eine Fülle von Vorbildern. Im gesamten begrenzten städtebaulichen Wettbewerb zur Mittelmeerraum liegen Ruinenfelder von manchmal Neugliederung des Bereiches zwischen Dom und riesigen Ausmaßen frei in der Landschaft, etwa die Liebfrauenkloster ausgeschrieben. Kernpunkt der Städte Priene oder Milet in Anatolien, aber auch große gestellten Aufgabe war es, eine Bebauung Teile von Pompeji und Herkulaneum. Eine solche vorzuschlagen, die der neuen Rolle Magdeburgs als einfache Offenlegung kann für die ottonische Hauptstadt eines Bundeslandes Rechnung trägt und Kaiserpfalz in Magdeburg auf keinen Fall empfohlen die entsprechenden Gesetzgebungs- und werden. Denn einerseits sind die Befunde hier teils Regierungsfunktionen aufnehmen kann. negativer Art, also nur durch Ausbruchgruben belegt und damit für Laien nicht ablesbar, andererseits würden die wenigen tatsächlich erhaltenen Fundamentreste in Bedeutung der ottonischen Anlage wenigen Wintern zerstört werden. Ausdrücklich wurde in der Beschreibung der Dem könnte man natürlich durch ein Schutzgebäude Wettbewerbsaufgabe auch die Kaiserpfalz Ottos des abhelfen, wie sie an vielen Orten ausgeführt sind. In Großen erwähnt. Sie sollte, in irgend einer Weise Paris gibt es vor der Kathedrale Notre Dame einen sichtbar gemacht, an die Geburtsstunde der Stadt, an ausgedehnten unterirdischen archäologischen Park. ihre frühe, überragende Bedeutung im Europa des Auch in Köln hat man die Reste des römischen 10. Jahrhunderts erinnern und damit deutlich machen, Prätoriums im Tiefgeschoß des Rathausneubaues daß Magdeburg nicht erst heute in das Licht der sichtbar gelassen und der Öffentlichkeit zugänglich überregionalen Geschichte tritt, sondern aufgrund gemacht. Die Ausgrabungen unter dem Dom sind seiner großen Vergangenheit einen natürlichen begehbar und werden jährlich von einigen tausend Anspruch als Metropole des neugeschaffenen Menschen besucht, obwohl man nur mit angemeldeten Bundeslandes besitzt. Gruppen hineinkommt. Noch größer und Doch die Vorschläge der Teilnehmer erwiesen sich als publikumsfreundlicher ist die archäologische Zone in durchaus unbefriedigend. Dies verwundert allerdings York/. In allen diesen Fällen liegen jedoch die kaum, denn von Architekten und Stadtplanern, die die Funde so tief unter der Erdoberfläche, daß in den sehr komplexen Probleme der Neugestaltung einer begehbaren Räumen eine ausreichende Kopfhöhe zwar historisch bedeutsamen, aber baulich weitgehend verbleibt. Dies ist in Magdeburg jedoch nicht der Fall. vernachlässigten, ja schändlich behandelten Stadtzelle Es gibt indes auch Beispiele für Schutzgebäude, die zu bewältigen und mit den neuen über die Erdoberfläche hinausragen. Ein solcher Bau Nutzungsanforderungen in Einklang zu bringen haben, wurde im Innenhof des von Liegnitz errichtet, kann nicht erwartet werden, daß sie die in diesem wo man die Fundamente, den Fußboden und große Zusammenhang eher randständige Aufgabe einer Teile des aufgehenden Mauerwerkes einer Einbeziehung eines zur Zeit unsichtbaren ungewöhnlich interessanten Kapelle des archäologischen Befundes sozusagen nebenher noch 13. Jahrhunderts freigelegt hat. Diese Lösung bot sich miterledigen. für Liegnitz schon deshalb an, weil die ergrabenen Dabei sollte dessen Bedeutung auf keinen Fall Reste sofort für jedermann erkennbar und damit unterschätzt werden. Für die ansässige Bevölkerung aussagekräftig sind. In Magdeburg wäre auch das wie auch für die zu erwartenden Besucher muß die problematisch. Man müßte die Anlage ergänzen, was Tatsache, daß hier einmal das glanzvollste angesichts der Bewahrung des Originalbefundes aus frühmittelalterliche Herrscherhaus Europas seinen wissenschaftlicher und denkmalpflegerischer Sicht zentralen Sitz hatte, ein integraler Teil der nicht zu verantworten wäre. geographisch-geschichtlichen Bildung werden. In Liegnitz zeigt sich aber auch die Problematik einer Identifikation mit einem Ort ist stets auf die historische solchen Anlage. Sie bedarf nämlich einer ständigen Dimension angewiesen. Diese aber bedarf der Bauunterhaltung und praktisch täglicher Pflege, wenn anschaulichen Zeugnisse, wobei die real sie nicht nach kurzer Zeit verschmutzen und veröden nachvollziehbaren Abmessungen einer solchen Anlage und am Ende das Gegenteil von dem erreichen soll, auf jeden Fall deutlich werden müssen. Deshalb kann wofür sie gedacht ist. Das Schutzbauwerk ragt auch eine noch so gut gestaltete und materiell noch so aus dem Boden heraus und wird damit Teil der aufwendig ausgeführte Hinweistafel niemals städtebaulichen Gestaltung. ausreichen. Information alleine erreicht nämlich in aller Im ohnehin engen Innenhof des Liegnitzer Schlosses Regel nur die rationale Bewußtseinsebene, selten mag dies zwar nicht gerade elegant, aber wegen der jedoch den Bereich emotionaler Bindungen. hohen Bedeutung des Fundes und der relativ geringen 26

der Umgebung noch hinnehmbar sein. Auf dem werden, die dann nicht in den freien Platzraum Magdeburger Domplatz wäre ein solcher Bau ganz hineinragen und sowohl den Raumeindruck wie auch unmöglich. Alle Bemühungen, diesen Platz als die Nutzung stören würde. historisch gewachsenen Stadtraum erlebbar zu machen, würden damit durchkreuzt, denn selbst eine Die materielle Gestaltung noch so zurückhaltende und bescheidene Gestaltung Natürlich muß man sich auch Gedanken über die könnte die beträchtliche Kubatur einer solchen Halle Oberflächengestaltung des Platzes machen. Gerne nicht zurückdrängen. Sie wird im Raumgefüge des greift man heute zu der Möglichkeit, durch große zentralen Stadtbereiches ihr Mitspracherecht Natursteinplatten einen urbanen, weitläufigen Eindruck beanspruchen, ob man dies will oder nicht. Wäre die zu erreichen, wie man dies in Köln, Berlin und vielen ottonische Pfalz das einzige Zeugnis einer großen anderen Orten beobachten kann. Dahinter steckt stets Vergangenheit, das Magdeburg aufzuweisen hat, dann das Vorbild mittelmeerischer Stadtfreiräume. Doch wäre auch darüber noch eine Diskussion möglich. Doch sollte man sich auch des Unterschiedes bewußt so arm ist diese Stadt glücklicherweise nicht. Dom und werden. Ausgenommen den Markusplatz in Venedig Liebfrauenkirche in unmittelbarer Nachbarschaft sind diese Plätze meist viel kleiner und überschaubarer. repräsentieren unübersehbar die historische Die Platten aber, die man dort findet, sind nicht ein Dimension, und zwar authentisch und nicht künstlich einheitlich-flächiger Belag wie im Inneren eines aufgebläht. Bauwerkes, sondern mehr ein Pflaster aus etwas größeren Steinen. Dies erkennt man daran, daß die Größe meist begrenzt und die Kanten abgerundet sind, Sichtbarkeit im Pflaster so daß die Fugen deutlich hervortreten und so ein Deshalb sollte man sich auf eine bescheidenere Lösung Oberflächenrelief bilden. Einheitlich ebene verständigen, die ebenfalls an anderen Orten häufig zu Plattenflächen ziehen andererseits sportbegeisterte sehen ist. Vor allem im Inneren von Kirchen hat man Jugendliche an. Der Platz wird zur Arena für Rollschuh- schon seit langem die Grundrisse von Vorgängerbauten und Skateboardfahrer, für Künstler auf Ein- und im Fußbodenbelag sichtbar gemacht. In gleicher Weise Zweirädern und Spielfeld für Hockey und Fußball. könnte man auch die ergrabenen wie die ergänzten Deshalb schlage ich vor, den Platz mit einem nicht zu Mauern der ottonischen Pfalz im Pflaster des kleinteiligen Pflaster aus hellem Gestein zu belegen, Domplatzes darstellen. Das Raumbild des Platzes was im übrigen kostengünstiger und pflegeleichter ist bliebe dabei unversehrt erhalten. Dennoch könnte man und auch bei der Entwässerung kaum Probleme den Palast abschreiten, man könnte in den Räumen bereitet. Die Mauern der ottonischen Kaiserpfalz umhergehen und ihre Größe erfahren. Selbst wenn können dann aus dunklen Steinen kleineren Formates man berücksichtigt, daß ein geschlossener Raum stets nachgezeichnet werden und sich so auf zweierlei Weise größer empfunden wird als sein im Freien abgesteckter von der übrigen Fläche abheben. Denkbar wäre auch Grundriß, sind die Dimensionen der ottonischen Pfalz noch, die gedeckten Innenräume durch eine dritte immer noch eindrucksvoll genug, um dem Betrachter Pflasterart zu kennzeichnen, doch ist hierbei schon einen Begriff von einer solchen Anlage zu machen. Zu Vorsicht geboten. Denn auch eine allzu massive besonderen Anlässen könnte man die Räume sogar Farbänderung auf einer größeren Fläche könnte für die „möblieren" und versuchen, ottonisches Hofleben Platzgestalt störend wirken. Das Pflaster der nachzuspielen. Innenräume sollte daher, wenn nicht nur im Format, von dem der Platzfläche farblich nur geringfügig Aus archäologischer Sicht hätte diese Lösung den verschieden sein. Selbstverständlich müßte auf andere unschätzbaren Nutzen, daß die Befunde unangetastet Gestaltungselemente im Pflaster weitgehend verzichtet erhalten blieben. Mit Sicherheit werden künftige werden. Denkbar wäre höchstens ein Rahmen von 50 Generationen von Altertumswissenschaftlern über bis 100 cm Breite, der den Platz-Innenraum von den bessere Methoden der Untersuchung von Bodenfunden umgebenden Straßen trennt und somit die Räumlichkeit verfügen als wir heute. Sie könnten daher den unter betont. dem Pflaster verbliebenen Resten noch eine Fülle von Informationen entnehmen, die uns auch bei größter Arnold Wolff Sorgfalt der Ausgrabung und schärfster Analyse bei der Auswertung entgehen würden. Die Sichtbarmachung im Pflaster hätte noch den weiteren Vorteil, daß man sie bis an die Mauern der Literaturhinweis: östlich anschließenden Gebäude fortführen könnte. Hartwig Schmidt, Schutzbauten Denkmalpflege an Dadurch würde deutlich, daß sich die Anlage einst in Archäologischen Stätten, herausgegeben vom dieser Richtung fortsetzte. Dort könnte auch die auf Architekturreferat des Deutschen Archäologischen jeden Fall notwendige Erläuterungstafel angebracht Instituts, Stuttgart 1988. Workshop • Kaiserpfalz • 27 28

Statement zum Thema des Workshops Reliefs, einer Einlassung im Boden im Maßstab 1:10 oder auf andere Weise. Das ist gewiß, ohne Schaden Die unter dem Platzniveau erhaltenen Fundament- und zu verursachen, möglich, sicher auch zur Unterrichtung Mauerreste würden bei einem erneuten Aufgraben der Besucher sinnvoll, aber eigentlich nur der halbe Weg. bzw. bei einer neuen archäologischen Ausgrabung M. E. kommt es nämlich vordringlich darauf an, auf dem erheblich leiden. Solche Maßnahmen sind m. E. von sehr großen Domplatz, auf dem der Größe und Leere keinem Bodendenkmalpfleger zu verantworten, bevor des Platzes wegen der perspektivische Halt für die die Grabung nicht durch neue Erkenntnisse südlich und Umgebungsbebauung und die eigene Gliederung fehlt, östlich der bisher ergrabenen Anlage, also durch sozusagen ein Zeichen zu setzen. Dazu ist die Erkenntnisse einer neuen Grabung zu einem neuen Auslegung des Grundrisses der Kaiserpfalz im Ergebnis - was am wahrscheinlichsten ist -, vielleicht Fußboden des Platzes im Maßstab 1:1 ungeeignet, weil auch zur Bestätigung des bisher geglaubten sie zur Gliederung des riesigen Terrains überhaupt Ergebnisses geführt werden kann. Bevor wirklich nicht beiträgt. gesicherte Dokumentationen aus den östlich und Die Fixierung des Grundrisses der Kaiserpfalz im südlich angrenzenden neuen Grabungen vorliegen, Maßstab 1:1 halte ich auch für die Übersicht des halte ich eine Nachuntersuchung der Grabung von Besuchers für wenig sinnvoll, weil sogar der Fachmann Ernst Nickel nicht nur für unangebracht, sondern auch Schwierigkeiten haben würde, den Grundriß zu für unverantwortlich; denn das Grabungsterrain ist übersehen, der Nichtfachmann aber natürlich erst recht. schon derart aussageunfähig gemacht worden, daß Es wäre also dann ohnehin zusätzlich nötig, eine jede weitere Schädigung der Forschungssubstanz erklärende Beschreibung beizugeben - in welcher unbedingt vermieden werden muß, zum mindesten bis Form auch immer. Wenn man dies aber macht, kann zu dem Zeitpunkt, zu dem neue Erkenntnisse von den man wahrscheinlich auf die Auslegung im Maßstab 1:1 andern Stellen die alten korrigieren, modifizieren oder im Boden des Platzes verzichten. verifizieren helfen. Ich bitte Sie alle zu überlegen, ob es nicht vernünftig Die Nickeischen Grabungsergebnisse sind im übrigen wäre, in der südlichen Hälfte des weiten Platzes, nicht für eine museale Aufbereitung, also zum Zeigen am Ort auf dem Gelände der Kaiserpfalz, aber in dessen Nähe, in einer darüber errichteten Halle, unter Glas oder wie ein Denkmal zu errichten, das auch für die Platz- auch immer, ungeeignet. Wollte man sie original zeigen, Bebauung Maßstäbe setzt, z. B. ein großer, also müßte man beträchtliche Teile aufmauern - und damit kaiserlicher Obelisk - nur ein Beispiel von einigen den Befund sehr weitgehend zerstören. Als möglichen. Am Sockel dieses Denkmals könnte man Denkmalpfleger kann man das nicht verantworten. Es auf Bronze-Reliefs oder auch auf andere Weise zeigen, müßte sogar verboten werden. Es geht hier ja doch um was wir von der Kaiserpfalz, was wir von der ottonischen höchst wichtige einmalige Zeugnisse unserer Klosterkirche und was wir vom ottonischen Dom wissen. Geschichte, die man nicht preisgeben darf. Das Denkmal sollte jeden Besucher an den kaiserlichen Bliebe die Frage nach der Möglichkeit einer Art zur Gründer dieser Stadt und seine sächsisch-kaiserlichen Schaustellung der bisherigen Ergebnisse in der Form Bauwerke erinnern. eines Schaukastens, eines künstlerisch gestalteten Ernst Schubert Workshop • Kaiserpfalz • 29

Beitrag des Landeskonservators Betonplatten belegt worden. Leider gelang es auch bei dieser Gelegenheit nicht, auf die Bordkanten, die die umlaufenden Straßen begrenzen, zu verzichten, wie es Der Domplatz in Magdeburg gehört zum ältesten die Zielstellung auf der Grundlage historischer Siedlungskern der Stadt. Die Südseite dieses über viele Ansichten vorsah. Der Neubelag der Mittelfläche wurde Jahrhunderte veränderten städtebaulichen Raumes zur Mitte stark überhöht, was sich auf das wurde immer vom Dom bestimmt, auf dessen Südseite Erscheinungsbild des Platzes ungünstig auswirkt. Auch sich der Kreuzgang um einen Innenhof formiert. bei dieser Umgestaltung wurden die im Boden Nördlich des Domes lag der kaiserliche Palast Otto des liegenden Palastreste nicht berücksichtigt. Großen, dessen ausgegrabene Fundamentreste auf eine sehr ausgedehnte Anlage schließen lassen. Die ergrabenen Befunde und historischen Zeugnisse Anfang des 18. Jahrhunderts wurde unter Leopold von aus der Zeit Kaiser Otto I. sind für die Stadt Magdeburg Anhalt/Dessau der Platz umgestaltet. Palais und darüber hinaus von außerordentlicher Bedeutung unterschiedlicher Größe bestimmen seit dieser Zeit die und aus diesem Grunde immer wieder Gegenstand von Nord- und Ostseite und umschließen einen Überlegungen, durch eine Präsentation diesen längsrechteckigen Platz, der von einer doppelreihigen wertvollen Bestand für die Magdeburger und ihre Gäste Baumallee zusätzlich gegliedert ist. Die Mittelfläche sichtbar zu machen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß diente als Exerzierplatz. Im 19. Jahrhundert wurde sie bisher nur ein Teil der wohl sehr umfangreichen Anlage zeitweilig zu einer Gartenanlage mit diagonal ergraben werden konnte. Um hier eine noch verlaufenden Wegen umgestaltet. weitergehende Klarheit zu bekommen, wäre eine Die schweren Zerstörungen 1945 haben auch den großflächige Grabung sicher notwendig. Diese dürfte Gebäuden des Platzes erhebliche Schäden zugefügt. aber nur begonnen werden, wenn gleichzeitig an eine Anfang der 50er Jahre konnten die der Nordseite Überdeckung für die Zeit der Grabung gedacht wurde. wiederaufgebaut bzw. das östlichste der Gebäude, das Da für eine derartig umfangreiche Maßnahme, die einer vollständig zerstört war, durch einen Neubau ersetzt fachkundigen wissenschaftlichen Begleitung bedarf, werden. Bis auf das Haus Domplatz 5 wurden die weder finanzielle Mittel noch das benötigte übrigen Gebäude der Ostseite für öffentliche Nutzungen Fachpersonal zur Verfügung stehen, ist vorläufig an ausgebaut, wobei sich das Haus Domplatz 4 sowohl eine so umfangreiche Grabung nicht zu denken. außen als auch innen sehr gut erhalten hatte. Aus denkmalpflegerischer Sicht schlagen wir vor, die Die befestigte Innenfläche des Platzes diente dokumentierten Mauerreste unbedingt im Boden zu Jahrmärkten und Großveranstaltungen, ohne belassen, um sie vor weiteren Zerstörungen zu zerfahrene Bereiche kontinuierlich zu reparieren, so bewahren. Internationale Erfahrungen beim Umgang daß sich insgesamt der Zustand des Belages mehr und mit freigelegten historischen Befunden zeigen den nicht mehr verschlechterte. Ebenso wurden auch die Linden aufzuhaltenden Verfall und damit den stetig in der Mitte und entlang der Gebäude immer fortschreitenden Substanzverlust. Daraus folgt, daß der unansehnlicher. beste Schutz für derartige Bauteile die Überdeckung Mit einer 1978 begonnenen Instandsetzung des Platzes mit Boden darstellt. sollte das historische städtebauliche Ensemble stark Zur Präsentation der lückenhaften Grabungsergebnisse aufgewertet werden. Die doppelreihige Allee, eine ständige massive Überdachung zu errichten, muß bestehend aus Linden, wurde wiederhergestellt. Die aus denkmalpflegerischer Sicht wegen der Bäume entlang der Fassaden sollten nach Beeinträchtigung des städtebaulichen Raumes entsprechender denkmalpflegerischer Zielstellung wegfallen. Die Fassaden wurden nach archivalischen ausgeschlossen werden. Der vom Dom und den Belegen einheitlich gestrichen. Die Mittelfläche sollte Barockfassaden bestimmte Platz verträgt keinen eine wassergebundene Decke als begeh- und zusätzlichen Baukörper, zumal dessen zufällige befahrbaren Belag erhalten. Stattdessen wurde ein Stellung keinerlei sinnvollen Bezug zur übrigen grober unbefestigter Kies aufgebracht, der in keiner Architektur hätte. Weise den Ansprüchen genügen konnte. Eine Kennzeichnung des dokumentierten Grundrisses Zu Gunsten der Geschlossenheit und Gestalt des in der Platzoberfläche halten wir durchaus für möglich, Platzes, die sich seit der Entstehungszeit erhalten hat, wenn es auch schwierig sein wird, die Mauerzüge, die ist in der städtebaulich denkmalpflegerischen in ihrer Breite nicht bestimmbar sind, durch Zielstellung auf die Einbeziehung der ergrabenen Reste Begrenzungen genau zu fixieren. Mit einer der Pfalz aus dem 10. Jahrhundert verzichtet worden. künstlerischen Gestaltung könnte der Forderung nach Auch von einer Darstellung in der Platzfläche wurde einer wissenschaftlich exakt nachvollziehbaren damals abgesehen. Im Zusammenhang mit der Ausformung begegnet werden. Unabhängig davon, wie Vorbereitung der Arbeiterfestspiele 1986 ist entlang der die Gestaltung in diesem Bereich ausfallen wird, ist doppelreihigen Allee ein großformatiges Pflaster unbedingt die doppelreihige Baumallee zu erhalten, um eingebracht und die Mittelfläche mit großen die Geschlossenheit des Platzes nicht zu zerstören. 30

Zur Belebung des Platzes schlagen wir vor, zwischen denkmalpflegerischen Praxisproblemen nicht in der den Bäumen Bänke aufzustellen, um auf diese Weise genügenden Weise vertraut bin): Ich hielte es für den Besuchern die Möglichkeit des Verweilens zu unabdingbar notwendig, die Erfahrungen zu geben. Für die Gestaltung der Mittelfläche halten wir verarbeiten, die bei der Rekonstruktion der „Kaiserpfalz nach wie vor eine wassergebundene Decke für die " gewonnen wurden (die guten wie die beste Lösung. Zwischen den Baumreihen könnte ein schlechten Erfahrungen). Ich würde Ihnen ferner Mut kleinformatiges Pflaster einen Weg bezeichnen, der machen wollen, auch architektonisch zu rekonstruieren, zusätzlich zum Flanieren auf dem Platz einlädt. d. h. Bauwerke zu errichten, die denen zumindest Die ungenügende Gestaltung der Westseite des Platzes ähnlich sind, die ursprünglich einmal auf ist durch einen Neubau zu verbessern. Auf die dem Platz gestanden haben müssen. Die Fachleute Rekonstruktion früherer Zustände ist unbedingt zu werden 1000 Bedenken dagegen erheben - wie verzichten. einstmals auch im Fall der neuen Paderborner Aula. Dem Domplatz durch vielfältige Funktionen wieder eine Und nicht wenige der von Ihnen eingeladenen Herren zentrale Stellung innerhalb der Stadt Magdeburg zu dürften „wissenschaftliche" Argumente vorzubringen geben, muß das Ziel aller Bemühungen um dieses haben. Aber - das freut mich an Ihrem Brief vom 18. 6. bedeutende städtebauliche Ensemble sein. besonders - Sie fühlen sich ja auch den „Laien" verpflichtet, die als Touristen Magdeburg und seine Gotthard Voß Geschichte kennenlernen wollen. „Kaiserpfalz Magdeburg" und „Kaiserpfalz Paderborn" bilden Prof. Dr. Friedrich Möbius, Jena geschichtliche und denkmalpf legerische Zwillinge - Sie Auszug aus einem Brief sollten auch im Erscheinungsbild und im Stil der Mein Votum in dieser Angelegenheit würde sich Rekonstruktion aufeinander und auf eine gemeinsame beschränken auf zwei Sachverhalte (nur auf zwei, da Erfahrungsquelle beziehbar sein. Die „Straße der ich als klassischer Universitätskunsthistoriker mit den Romanik" führt auch tief durch die „alten Bundesländer". Workshop • Kaiserpfalz • 31

Prof. Dr. Cord Meckseper, Hannover formelle Ausweisung eines Grabungsschutzbereiches). Auszug aus einem Brief Ebenso sollte es erreicht werden, daß gegebenenfalls zutage tretende Neubefunde auch künftig noch durch die städtebauliche Planung berücksichtigt werden Auf jeden Fall möchte ich Zurückhaltung bezüglich können. einer denkbaren städtebaulichen Neuvisualisierung der Es geht hier um nichts weniger als jenen Ort, von dem einstigen Bebauung anraten. Ebenso sollte die aus in ottonischer Zeit das ostfränkische Reich neu Möglichkeit künftiger Untersuchungen auf dem konstituiert und damit historisch die Grundlage zu Domplatz nicht vorschnell „verbaut" werden (d. h. unserem heutigen Deutschland gelegt wurde! 32 Workshop • Kaiserpfalz • 33

Kurzbericht zum Workshop „Kaiserpfalz" ausgearbeitet. Aus heutiger Sicht ist er im wesentlichen noch gültig, bedarf jedoch in Einzelheiten einer Korrektur. So wird ein gemauerter Schacht zur Die Aufgabe, die historischen Relikte der ottonischen Präsentation eines interessanten Details (Ansatz der Kaiserpfalz zu gestalten, besteht nicht erst seit dem Wendeltreppe?) nicht mehr empfohlen, da der bauliche Architekturwettbewerb für den Domplatz. Als Befund zu wenig Substanz hat und ein Laie keine ehrenamtlicher Denkmalpfleger der Stadt Magdeburg Verbindung mit einem dreidimensionalen Bauwerk habe ich die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten herstellen kann. Andererseits stellt dieser Einbau doch hautnah miterlebt. Die Entdeckung der baulichen Reste eine empfindliche Störung in der Platzgestaltung dar. der Kaiserpfalz in den 60er Jahren war eigentlich eine Auf jeden Fall befürwortet wird die Markierung des Sternstunde der Archäologie und in ihrer Bedeutung Grundrisses im Platzniveau, wobei die Verwendung nicht hoch genug einzuschätzen. Leider kam sie von kleinteiliger Stücke aus Marmor und farbigen Glas Anfang an in den Sog der damaligen besonderen gemäß Vorschlag der Glasgestalter akzeptiert werden Verhältnisse. In der Zeit der einseitigen Betonung der kann. Ein aktueller Bezug mit einem über Terrain Freundschaft mit dem slawischen Osten hatte das angeordneten Europasymbol im historischen deutsche Kaisertum des frühen Mittelalters keine Grabungsbereich wäre jedoch abzulehnen. gleichberechtigte Chance. Ausdruck dieser Einstellung war dann die völlige Negierung Ottos des Großen an seinem 1000. Todestag 1973 durch die Deutsche Eine schwierige Aufgabe wird die weitergehende Demokratische Republik und die Stadt Magdeburg. Information von Besuchern und Touristen sein. Ein Nun -, die letzten 20 Jahre sind über diese Ignoranz Bronzemodell des Domplatzes zur Zeit Ottos I. nach hinweggegangen und die Persönlichkeit Ottos I. wird in Vorbild Frankfurt/Main ist nicht realisierbar, da die einem vereinten Europa einen ganz besonderen bisher vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse Stellenwert erlangen! keine gesicherte Darstellung erlauben. Alles andere müßte Spekulation bleiben. Die auf jeden Fall wichtige So steht eigentlich am Anfang jeder Disposition die Information über die historischen Zusammenhänge Information der Öffentlichkeit über die Bedeutung müßte eine in unmittelbarer Nähe befindliche museale dieses Kaisers für das Werden des Deutschen Reiches Einrichtung vermitteln. Die Ergebnisse des und besonders für das der Stadt Magdeburg. Ich selbst Architekturwettbewerbs enthalten ja bereits Vorschläge habe durch Lichtbildervorträge, u. a. mit dem speziellen in diese Richtung. Thema „Otto I. und Magdeburg" ein Stück nachholende Aufklärung bewältigen wollen. Das Interesse für diese Zeit ist sehr groß. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch auf Doch zurück zum Jahr 1968. Als die Grabungen ein akutes Problem hinweisen: In Magdeburg fehlt bis kurzfristig beendet werden mußten und das jetzt die Stelle eines Stadtarchäologen. In den Städten Wohnungsbaukombinat die Grube mit Bau- und der alten Bundesländer gibt es sie schon länger. So hat Trümmerschutt verfüllen wollte, konnte ich als auch die Stadt Dresden speziell für die Baustelle damaliger Betriebsleiter der Gerling & Rausch KG durch „Taschenberg-Palais" eine Archäologin eingesetzt. - Anlieferung von Sand die ordnungsgemäße Abdeckung Wie ungleich notwendiger ist das in Magdeburg! Allein der Fundamentzüge mit Folie und feinkörnigem Material die Bauvorhaben des Architekturwettbewerbs liegen ermöglichen, eine Maßnahme, die einer späteren alle in einem für die Bodendenkmalpflege hochrangigen Fortführung wissenschaftlicher Grabungen zugute Bereich. Ihre systematische Vorbereitung kann die kommen kann. schon zur Regel gewordene Bauunterbrechung bei historischen Bodenfunden vermeiden. In diesem Im Jahre 1976 hatte sich die von mir geleitete Zusammenhang noch ein weiteres: Im Bereich der Arbeitsgruppe „Kulturhistorische Bauten" dem Thema Marktkirche St. Johannis sind in der letzten Zeit Kaiserpfalz angenommen, nachdem der ebenfalls archäologische Objekte der Ottonenzeit Grabungsbericht Dr. Nickels in der Zeitschrift für freigelegt worden, die unter Umständen noch älter als Archäologie erschienen war. Als Grundlage für einen die Kaiserpfalz zu datieren sind. Sie dokumentieren Gestaltungsvorschlag nahm ich, zum Zwecke einer somit die älteste Siedlungsgeschichte dieser Stadt. Im qualifizierten Information, Verbindung mit der Abteilung Stadium der Konzipierung eines neuen Magdeburgs Ur- und Frühgeschichte der Akademie der wird die Stadtarchäologie eine unverzichtbare Aufgabe Wissenschaften der DDR in Berlin und der Arbeitsstelle zu erfüllen haben. Lassen wir uns von kommenden Halle des Instituts für Denkmalpflege auf. Generationen nicht vorwerfen, anno 1993 eine Im Ergebnis von Informationen und Beratung wurde mit einmalige historische Chance nicht genutzt zu haben. Datum 18. 11. 76 ein „Vorschlag zur Einbeziehung der Kaiserpfalz in die Gestaltung des Domplatzes" Heinz Gerling 34

Vorschlag zur Einbeziehung der Darüberhinaus wird an einem baulich interessanten Ausgrabung der Kaiserpfalz in die Detail (Ansatz der Wendeltreppe?) ein gemauerter Gestaltung des Domplatzes Schacht mit Brüstung und gegebenenfalls einem sich in Beraten auf der 17. Zusammenkunft der Arbeitsgruppe die Gesamtgestaltung harmonisch einzufügenden „Kulturhistorische Bauten" am 18. 11. 1976 Überbau ein Stück Originalsubstanz dem Besucher sichtbar gemacht. Nach eingehender Beratung macht die Arbeitsgruppe, unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der An einer geeigneten Stelle ist, ähnlich wie im Flur des Akademie der Wissenschaften und des Instituts für Gebäudes der Akademie der Wissenschaften in der Denkmalpflege, für die zukünftige Gestaltung der Leipziger Straße in Berlin, eine Schautafel mit Fotos, Ausgrabung der ottonischen Kaiserpfalz auf dem Skizzen und textlichen Erläuterungen über Bedeutung Domplatz folgenden Vorschlag: und Geschichte der Kaiserpfalz aufzustellen. Die ergrabenen Grundmauern werden im Interesse Vor Abschluß der endgültigen Platzgestaltung sollte einer einheitlichen barocken Gestaltung des Platzes unbedingt die Gelegenheit genutzt werden, im Bereich nicht wieder freigelegt. Als Dokumentierung eines für der Straße bis an die östliche Bebauung heran die Stadtgeschichte wesentlichen Abschnittes werden Untersuchungen über eine eventuelle Fortsetzung der die Umfassungsmauern mit den in der Entstehungszeit Grundmauerreste durchzuführen. Dies wäre von sehr um 940 einzigartigen Baudetails Gegenapsiden, großem Wert für die Erweiterung der bisher durch die Wendeltreppen und Lisenen in einem auf Platzniveau Grabungen gewonnenen wissenschaftlichen liegenden Plattenbelag in anschaulicher Weise Erkenntnisse. markiert. Die Achseneinteilung der vorgesehenen doppelten Baumreihe der Platzeinfassung nimmt auf Das Institut für Denkmalpflege, Außenstelle Halle, wird die Plattenmarkierung Rücksicht, damit sich überprüfen, ob eine Fortführung der Grabungen in die Baumstandort und Grundmauer nicht überschneiden. Planung für 1977 eingeordnet werden kann. Im Plattenbereich innerhalb der Baumreiheneinfassung Magdeburg, den 18.11.1976 werden die Plattenmarkierungen ein gestaltendes Element der vorgesehenen Begrünung sein. Leiter der Arbeitsgruppe Workshop • Kaiserpfalz • 35

Gedanken zur Inszenierung von Domplatz briefmarkengroßen Regionen. Für den normalen und Kaiserpfalz Sterblichen letztendlich ebenfalls permanente Unsicherheit als Lebensgefühl. Je extremer für den Für sich gesehen ist die Sehnsucht der Bürger nach einzelnen die Situation wird oder ihm erscheint, um so Identität mit ihrer Stadt ein interessantes Thema. Und ungezügelter das Bemühen um vermeintliche man sollte alles versuchen, diese Sehnsucht zu stillen. Sicherheit, mittels Marktvorherrschaft und Geld, mittels Gäbe es nicht Widersprüche. Religionsfanatismus, mittels ethnischer Säuberung, mit Arroganz gegenüber unseren Nächsten, mit viel Da wird ein Kaiser Wilhelm auf das „Deutsche Eck" regional verbrämter Heimatduselei. gesetzt, da gibt es heftige Kontroversen über eine moderne Ladenpassage von Helmuth Jahn, dem Selbst im Wassertropfen Magdeburg spiegeln sich Amerikaner aus Franken, über die „durchgeschnittene diese Tatsachen wieder. Die Welt ist verkabelt, der gläserne Bratwurst" in Nürnberg, einer Stadt, deren gesteuerte Medienverbund wird immer perfekter und Image für viele scheinbar durch Butzenscheiben spätestens am Abend werden wir via Television von der geprägt sein will. Wirklichkeit eingeholt. Und ab und an stellen wir dann Da gibt es den ungeduldigen Wunsch nach diese Wirklichkeiten in den Bezug zur Geschichte und pulsierendem Leben innerhalb der lädierten, aber die reicht dann z. B. von der Christianisierung durch die stadtstrukturell wertvollen Städte in den neuen Ottonen bis zu den, nun ja, Zwangsarbeitern in Bundesländern, mit dem unendlichen Bedarf an deutschen Rüstungsbetrieben. So wird die Sanierung und Neubau, aber scheinbar nur realisierbar Großartigkeit auch eines Pfalzgrundrisses dann doch über Fremdbesitz und Großstrukturen, um mit den relativiert. Rückansprüchen der Grundstücke einigermaßen zu Rande zu kommen. Als die archäologischen Ausgrabungen 1968 in Magdeburg durch das Auffinden der Pfalz Ottos des Bundeshauptstadtquerelen, Wettbewerbsergebnisse Ersten einen offensichtlichen Höhepunkt erreichten, allenthalben mit Starbeteiligung, künstlerische gab es keine vernünftigen Gründe, die Grabung auf Selbstdarstellung, warum erst einmal nicht, Mickerlinge dem Domplatz nicht weiter östlich weiterzuführen. von Architekten mit ihrer Katalogware fürs Alltägliche, Ebenso unerklärlich ist der Gleichmut, mit dem seither Investorengruppen, wo sich aber auch alles rechnen die Magdeburger, die Offiziellen wie die Bürgerschaft, muß, Gewerbeparks von riesigen Ausmaßen mit fast dieser bedeutenden Entdeckung begegnet sind. Das nur kaufkraftabschöpfendem Charakter vor den Toren soll ja nun anders werden. der Kommunen, ohne energische Regionalplanung, aber vermeindlichen Strohhalmen für die Gemeinden. Unter anderem regte ich im Herbst 1991 mit noch zwei So gesehen, die Beschäftigung mit dem Thema Künstlern beim Kultusministerium eine Projektstudie „Kaiserpfalz" geschieht in einem ausgesprochen „Kaiserpfalz" an, um erneut endlich in dieser Richtung wiedersprüchlichem Umfeld, von dem auch Magdeburg Schubkräfte mitzuinitiieren. Was uns auch gelang. Im als Landeshauptstadt eines Bundeslandes nicht Sommer darauf hatten wir nach Konsultationen mit der unberührt bleibt. Frühgeschichteabteilung des Kulturhistorischen Museums, mit dem Landesamt für Weltweit entfernen sich zwei Strömungen immer mehr Bodendenkmalpflege, mit dem Landesamt für voneinander bis hin zu gegenpoligen Extremen. Das Denkmalschutz, mit der Dombaukommission, der eine Extrem zeigt uns, wie sehr sich die Domgemeinde als Anlieger, dem Kultusministerium, Denationalisierung der Wirtschaft fortsetzt und sich in eine Reihe von Gedankengängen und Vorschlägen einigen wenigen Finanz- und Verwaltungszentren in zusammengetragen. Wir hätten der Darstellung der den USA, Europa, Asien hinklotzt und bisherige Pfalz dem Nachvollzug des Grundrisses analog eines Urbanität, wenn man davon überhaupt noch sprechen Schnurrisses (Marmor-Glas) den Vorzug gegeben. kann, vollends zerstört, zerquetscht. Die Menschen, so Haupterkenntnis und Hauptforderung unsererseits war sie noch die Möglichkeiten und die Kraft dazu haben, dabei, daß nur über die Vorstellung von einer flüchten aus den Slums der Städte und finden sich in annähernden Gesamteinstellung des Domplatzes eine losen Anhäufungen von Arbeit und Wohnen entlang der Abschnittslösung „Kaiserpfalz" realisiert werden kann. Hauptverkehrswege, mit permanenter Unsicherheit als Wir haben dann Herrn Dr. Polte, Oberbürgermeister der Lebensgefühl. Stadt Magdeburg und Herrn Dr. Rehberger, Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, unsere Gegenläufig dazu die Entwicklungslinie der damalige Projektarbeit vorgestellt und den Entschluß Rückwärtsgewandtheit bis hin zum Extrem, vom Wahn der beiden Herren erreicht, einen städtebaulichen der Volks- und Rassenreinheit und Erfüllung in Ideenwettbewerb „Domplatz" auszuschreiben. Da ich 36

mich gern in einer Gruppe beim Wettbewerb nachgedacht werden, bewußter. Nicht der Zufall oder weiterführend beteiligt hätte, haben wir unsere der bessere Zugang zu Geldtöpfen sollte dies Projektgedanken nicht veröffentlicht. Leider sahen die entscheiden. Daß es so bürgernah und freundlich wie Wettbewerbsbedingungen nicht ausdrücklich die nur möglich sein sollte, versteht sich von selbst, daß der Mitarbeit von Künstlern vor. Die Dom als Ausstrahlungs- und Kommunikationszentrum Wettbewerbsergebnisse selbst sind bekannt, das dabei eine große Rolle spielt, auch wenn die Zahl der Problem „Kaiserpfalz" wurde dabei wenig Kirchengänger nicht zunimmt, haben wir immer wieder berücksichtigt. Zum jetzigen Zeitpunkt ergeben sich für erlebt. Erst jüngst, als Kirchenmusikdirektor Hoff zum mich vor allem zwei Entscheidungsebenen. Erstens, Abschied die große h-Moll-Messe von Bach im Dom zur die des Grades der Einbindung des Domplatzes in das Aufführung brachte, jeder müßte da etwas davon etwas städtische Leben und natürlich zweitens, die Art der gespürt haben, von dem was ich meine, wenn ich von Gestaltfindung des Hinweises auf die „Kaiserpfalz". städtischem Zusammengehörigkeitsgefühl spreche. So etwas kann der Alte Markt nicht leisten, aber befördern Zu Erstens: sehr wohl. Bürgersinn, Kommunalinteressen, Ich zitiere Herrn Jakobs aus uns zugegangenen Landespräsenz, Nationalgefühl müßten einfühlsam Unterlagen: „Die jetzige Nutzung des Domplatzes, aber stetig zusammengeführt werden, zu einem überwiegend durch Parlament und Regierung des komplexen Stadtgefüge, gegründet auf historischer und Landes Sachsen-Anhalt, entbehrt nicht der historischen zukunftsbewahrender Welthaltigkeit. Logik. Während der Bereich um den „Alten Markt" immer Mittelpunkt der Bürgerstadt war, gehörte der Was nun zweitens die Gestaltfindung des Hinweises Domplatz dem „Landesherren". Diese Aufgabenteilung auf die „Kaiserpfalz" betrifft, sollte danach getrachtet fortzuführen und architektonisch in Szene zu setzen, werden, daß die Antworten dazu nicht subjektiv sollte der Gegenstand der jetzigen Planung sein.... und Geschmackssache unterschiedlicher Interessen ein Stückchen weiter... Immer war der Platz aber auch werden, die es nun einmal gibt. unmittelbar vom Volke, als Messe, Jahrmarkt usw. genutzt." (Ende des Zitates) Das Beachten der Denkmalprämissen, der Respekt vor der Geschichte und ihren Prozessen, die Abfolge der Also was denn nun? Einmal also „Absolutismus = ständigen Sehenswürdigkeiten und temporären Bannmeile", dann weiter „Volksgetümmel", Ereignisse, der Grad der Abstraktion und die Wahl der „Montagsdemo". Ich meine, über diese übergeordnete Materialien und Materialsprachen, die Möglichkeiten Inhaltsangabe für den Domplatz sollte gezielter der Information wie der Meditation, Vorgeben des Alltags- und Festtagsgeschehens, der Fern-, Nah-, Tag- und Nachtwirkung, das Ausmaß der Gesamtattraktivität und der Gesamtkosten, kurzum, allein das Programm zwischen zwei, drei Atemzügen reicht schon für eine Wettbewerbsbegründung, zumal die Aufgabe nicht nur eine architektonische, sondern auch eine bildkünstlerische Herausforderung ist, dem die Ergebnisse des heutigen Gespräches als Ausschreibung zu Grunde liegen könnten. Für einen solchen gezielten Wettbewerb plädiere ich.

Reginald Richter Workshop • Kaiserpfalz • 37

Beitrag eines bildenden Künstlers fremdem Material, um alt und neu deutlich sichtbar zu erkennen und die Pfalz auch von oben erlebbar zu Ich bin Bildhauer und Spinnen ist mein Beruf. Die Stadt machen. Der übrige Platz kann mittels Stufen und Magdeburg will den Domplatz qualitativ verbessern und integrierten Plattformen als lebendiges Forum genutzt zu einem kulturellen Schwerpunkt, touristischen werden. „Immer war der Platz aber auch unmittelbar Zentrum, einer sichtbaren und erlebbaren Keimzelle vom Volke genutzt". In der Kaiserpfalz können sich der Stadt und wichtigen, dem umgebenden Ambiente lebendige Aktionszyklen entwickeln, die Straße der entsprechenden öffentlichen Forum gestalten. Romantik soll ja nicht nur eine „Trümmertour" sein, Ich danke dem Magistrat der Stadt Magdeburg für sondern ein lebendiges Bild der großen Vergangenheit meine Einladung zur Teilnahme an diesem Workshop, ermöglichen. Wir leben ja in keinem Museum, sondern freue mich über das Vertrauen in meine bisherige Arbeit sind Mitbewohner und Mitgestalter eines sich ständig und sehe die Aufgabe als Herausforderung an, ein entwickelnden, verändernden Organismus. Sollte sich Untertanenaufmarschgelände menschlich erlebbar so ergeben, daß diese Idee unmöglich zu verwirklichen ist, zu gestalten, daß es auch über den unmittelbaren Platz hier mein zweiter Vorschlag: dazu möchte ich jedem hinaus arbeitet und ausstrahlt. von Ihnen eine postkartengroße Skizze geben, die auf beiden Seiten eine Idee zeigt. Auf der einen Seite der Der Städtebauwettbewerb hat ja leider keine Kaiserpfalz Teile des Grundriß - erweiterungsfähig befriedigende Lösung erbracht, deshalb versuchen wir planen. Diesen Grundriß möchte ich im ersten Schritt es heute mit einem neuen Anlauf, wobei ich mir mit Wasserlinien, Wasseradern auf Platzniveau vorstellen kann, daß die Gestaltung des Domplatzes - markieren. Die Rückseite der Skizze zeigt eine von so wie er von der Umgebung mitgeprägt wird auch in sicherlich mehreren denkbaren handwerklichen diese Umgebung direkt hinein - arbeiten und Realisierungsmöglichkeiten. Integrierte Beleuchtung ausstrahlen soll. Die historische Entwicklung und die soll auch abends und nachts für einen deutlichen verschiedenen Wandlungen des Domplatzes sind uns Hinweis sorgen. Im zweiten Schritt: können diese Ideen allen in groben Zügen bekannt. Der mächtige Dom und der Wasserlinien, Wasseroberflächen evtl. Farblinien, die schönen Barockgebäude schaffen Farbflächen, Sichtlinie (... o. a.), Sichtflächen den Platz Voraussetzungen, die nicht zu ignorieren sind. Der weiterhin strukturieren, formen und gestalten. große Domplatz mit seinen Bäumen, seinen umschreibenden Straßen setzt Maße, läßt aber auch Jetzt noch einige kurz angedachte Alternativen: Jeder viel Freiheit. Den Standort der Kaiserpfalz erlebbar zu Platz gewinnt an Qualität, wenn seine Oberfläche machen, ist eine Forderung, die intensiv diskutiert räumlich sphärisch gespannt oder umgekehrt ebenso werden muß, hierzu vielleicht jetzt schon mein erster abgesenkt wird, des weiteren kann er durch form- und Vorschlag: farbvariierende Pflasterstrukturen lebendig, attraktiv Ich möchte die Kaiserpfalz freilegen, die vorhandenen und repräsentativ werden. Als nächster Schritt in den Relikte (Fragmente) konservieren, die Pfalz bis zu einer Raum hinein trägt ein zeitgerechter SOLITÄR (Brunnen/ bestimmten Höhe (Platzniveau) wiederherstellen aus Plastik/Denkmal) wesentlich zum Charakter eines 38

Platzes bei. Ist dieser SOLITÄR noch eingebettet in historischen Bauelementen (oder deren Kopien) aus eine überzeugende Gesamtkomposition des vielen Gegenden Sachsen-Anhalts dem Domplatz (Sitz Domplatzes kann er selbstbewußt, qualitativ der Landesregierung) ein Landesporträt zu geben. gleichwertig, mit der ausdruckstarken Umgebung ins Diese Idee muß sorgfältig im Dialog geplant werden. In Gespräch treten. der Diskussion dieser und anderer Ideen, und einer Verwirklichung wird der Domplatz in Magdeburg sich Noch einen kurzen Ausflug in das Reich des Zitaten- vom Untertanenaufmarschgelände (Exerzierplatz) in Historismus. So wie die historische Kaiserpfalz einen lebendigen, menschlich erfahrbaren und wiederbelebt wird, kann ich mir auch vorstellen, oder erlebbaren innerstädtischen Platz verwandeln (neue versuche mich mit dem Gedanken anzufreunden mit Urbanität). Volker Gerlach Workshop • Kaiserpfalz • 39

Domplatz Magdeburg beinahe ein obligatorischer Bestandteil und als solcher Ein Entwurf zur Pflastergestaltung inhaltlich und funktionell vollständig in die Gesamtkonzeption der Anlage eingebunden. Es ist, wie Ebenso wie die von Kaiser Otto I. in Magdeburg das Gotteshaus selbst, geprägt von zentralen verwendeten antiken Bauteile, die das Elementen aus dem Kanon der christlichen Symbolik Selbstverständnis des Kaisers als Erbe des römischen wie z. B. die Orientierung, Achteckform und Imperiums dokumentieren, stellt auch das Labyrinth als Kreuzgestalt. In dieser Tiefe und Vielfalt seiner mythologisches Sinnbild ein starkes Bindeglied symbolischen Gehalte, auch in Prozessionen, zwischen der griechischen bzw. der römischen Kultur Mysterienspielen und Tänzen auf den Labyrinthanlagen und der Gedankenwelt des lateinischen Mittelalters dar. äußerte sich, wie in den Bauten, die geistige Kraft und Otto I. knüpft sowohl an das römische Reich der Frische dieser Hochzeit der abendländischen Kultur. Spätantike wie auch an das Reich Karls des Großen an, Von hier aus war die Labyrinthfigur bis zu den und wie vorher in fand auch im Pfalzbau zu Gartenanlagen des Barock der Ausdrucksträger eines Magdeburg die Aufnahme und Fortführung antiker Spezifikums der europäischen Seele. Noch unter den Traditionen bedeutenden künstlerischen Ausdruck. besonderen Bedingungen der Gegenwart bewahrt sie Die zahlreichen Labyrinthdarstellungen antik römischer nicht nur ihre Faszination, sondern erhält neben der Fußbodenmosaike trugen die Bedeutung eines traditionellen sinnbildlichen Auffassung eine neue, Stadtabbildes, sie spielten in Initiationsriten bei pragmatische Bedeutung, indem sie strukturelle Städtegründungen eine besondere Rolle. Ein Labyrinth Parallelen zur medialen Rezeption der modernen Welt auf dem Magdeburger Domplatz verweist an diesem aufweist. Es scheint darüberhinaus, als sei das Ort im Zusammenhang mit dem Pfalzgrundriß auf die Labyrinth aufgrund seiner starken Sinnbildlichkeit ein entscheidende Initiative Ottos des Großen in der Anhaltspunkt bei der gegenwärtig wahrnehmbaren Entstehungsgeschichte der Stadt. Suche nach Spiritualität im postmodernen Zeitalter.

In den Kathedralen Frankreichs, auf die der Das graphisch bewegte Feld, in dem sich die Magdeburger Bau Bezug nimmt, war das Labyrinth Labyrinthspuren und der westliche Teil des im Pflaster 40

dargestellten Pfalzgrundrisses durchdringen, reflektiert mit seinen gewesenen und vorhandenen Bauten. Das das spannungsreiche Kräftespiel zwischen dem Prinzip Labyrinth, als eine virtuelle Architektur, ist hierbei ein der „weltlichen" und dem der „geistlichen" Herrschaft unmittelbar verständlicher Hinweis auf die im Pflaster und ihren Ansprüchen. Ausgehend von den engen dargestellten ehemaligen Gebäudeteile. Verflechtungen staatlicher und kirchlicher Funktionen im sächsischen Kaiserreich, wie sie Otto I. durch Das Beziehungsgeflecht kulminiert in der Schnittfläche geschickte Vermittlung mit Rom als ein Novum von Pfalz und Labyrinth. Diese und das hierzu einführte, hat dieses Verhältnis an dieser Stelle durch asymmetrisch gelagerte Zentrum des Labyrinthes die Zeiten bis in die Gegenwart in der bilden, ohne dreidimensional in die Freiheit der gemeinschaftlichen Nutzung des Platzes seinen Platzfläche einzugreifen, eine ideelle Mitte, die ihre Ausdruck gefunden. große Dichte und Belebtheit aus den vielfältigen kulturhistorischen Tatsachen des umliegenden Raumes Es erscheint die Situation der heutigen Gebäude in ihrer bezieht. Funktionalität auf die Platzfläche projiziert: Dem Dom und der Labyrinthanlage, deren inhaltlicher Einheit die Von so exponierten Blickwinkeln abgesehen, wie sie gemeinsame Achse entspricht, tritt das Pfalzgebäude sich etwa von der Galerie des nördlichen Domturmes mit dem dahinter gelagerten Regierungspalais aus bei einer Öffnung für den Besucher ergeben gegenüber. Der Winkel der Achsen dieser beiden würden, ist das Labyrinth in seiner Ausdehnung nicht Gruppen wiederholt so sichtbar die Achsenabweichung als Ganzes zu erfassen. Wie auch der Dom selbst, der des gotischen Domes von seinem ottonischen durchaus dynamisch, als ein Weg begriffen werden Vorgängerbau, wie sie sich außerdem schon bei der kann, richtet das Labyrinth an den Betrachter die Darstellung der ottonischen Krypta im Pflaster hinter Aufforderung, den sich reizvoll darbietenden Raum dem gotischen Chor und in der Winkelsituation der aktiv zu erschließen und in einem kreativen Prozeß heutigen Kreuzgangflügel zeigt. Hier wird auch die nachzuvollziehen. Diese Einladung zur Interaktion zeitliche Dimension bei der Entwicklung der Stadt ermöglicht dem Betrachter einen emotionalen Einstieg spürbar: Komplizierte Winkelsituationen, räumliche in die Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit dem Konflikte und Überlagerungen kennzeichnen den umliegenden Raum und seiner Bedeutung. Zustand des gewachsenen innerstädtischen Bereiches Ulrich Kallmeyer Workshop • Kaiserpfalz • 41

Geschichte und Zukunft auf dem Domplatz Das sich daraus entwickelnde historische Ensemble, zu Magdeburg auch das in der Erde befindliche, hat den Zweiten Weltkrieg und den Wiederauf als eines der wenigen Der Domplatz zu Magdeburg stellt nicht nur die Bereiche der vorher gerade an barocker Bausubstanz bedeutendste Platzanlage in Magdeburg, sondern eine so reichen Stadt Magdeburg glimpflich überstanden. der prominentesten im gesamten Bundesland Sachsen- Die Anschlüsse an den Breiten Weg im Westen und an Anhalt dar. Seine Bedeutung beruht auf der das Liebfrauenkloster im Norden entbehren jedoch Geschichtsträchtigkeit des Ortes und der teilweise noch jeglicher städtebaulicher Qualität und historischer bestehenden historischen Bebauung. Seit dem Kontinuität. Der 1993 von der Stadt Magdeburg Mittelalter hat sich dort wesentliche Geschichte und ausgelobte städtebauliche Ideenwettbewerb „Domplatz Architekturgeschichte von Stadt und Land Magdeburg Magdeburg" konzentrierte sich dementsprechend vor abgespielt und manifestiert. Der eigentliche Platz, mit allem auf diese beiden Problemfelder. Die Preisträger seiner Palastbebauung des 17. und 18. Jahrhunderts versuchen, den geradezu als historischen Solitär einer der größten barocken Anlagen seiner Art, wird dienenden Domplatz durch eine der Barockbebauung eingerahmt von der ehemaligen erzbischöflichen angepaßte Baustruktur wieder an die Stadt zu binden. Kirche, dem ersten gotischen Dom auf deutschem Gerade der Abriß der westlich angrenzenden Boden, und dem Kloster Unser Lieben Frauen, dem Wohnmaschine der 1950er Jahre und ihre Ersetzung zweiten Gründungskloster des durch eine in Höhe und Volumen den Barockpalästen Prämonstratenserordens und früheren Grabstätte folgenden Blockbebauung kann die Platzarchitektur seines Gründers Norbert von . Das nicht mehr aufwerten und den Breiten Weg auf menschlich Sichtbare erscheint historisch noch bedeutender. überschaubare Maße verengen. Die Förderung dieses Kaiser Otto I., der Große als Stifter des Heiligen Ideenwettbewerbes, die zu 90% durch die Römischen Reiches Deutscher Nation, gründete an Landesregierung Sachsen-Anhalts, vertreten durch jenem Platz zunächst ein Benediktinerkloster, dann das das Wirtschaftsministerium, getragen wird, verdeutlicht Erzbistum Magdeburg mit der dazugehörigen die historische und zukünftige landesweite Bedeutung Domkirche und die mit dieser verbundenen Kaiserpfalz. dieses Platzes und auch dessen geplante Nutzung. 42

Durch die angepaßte Bebauung an der Westseite wird Die ottonische Pfalz und der aus gleicher Zeit die Anlage ihre einheitliche Kulisse zurückerhalten. stammende Ursprungsbau des Domes, die beide immer Auch der Platz selbst muß trotz seiner historischen als Einheit gesehen werden müssen, sind auf der freien Überdimensionalität seine barocke Einheitlichkeit und Platzfläche zum großen Teil ergraben worden. Wo dies Strenge beibehalten und darf nicht zergliedert werden. noch nicht geschehen ist, müssen ergänzende Als zweite Rahmung neben der Umbauung und als Untersuchungen erfolgen. Archäologie und Verkleinerung der Platzfläche dient die ebenfalls im Denkmalpflege haben diesbezüglich zunächst das Barock konzipierte doppelte Baumallee. Wie diese zum Wort. Sie fordern in angemessener Weise zu Promenieren einlädt, so müssen nunmehr Bänke zum Zurückhaltung bei der Verwertung der ohnehin dürftigen Verweilen anregen. Das Platzinnere wirkt gerade ottonischen Bausubstanz auf. Als zweiter Schritt muß wegen seiner provisorischen großformatigen eine wissenschaftliche Dokumentation der bisherigen Plattenbaustrukturen kalt und unüberschreitbar. Ein und noch vorzunehmenden Ausgrabungen erfolgen. kleinteiligeres Steinpflaster würde der Großfläche den Erst danach können sich etwaige Charakter von Wärme und Zugänglichkeit zurückgeben. Rekonstruktionsversuche anschließen. Diese wiederum Um dem Platz einen Halt und eine symbolische Mitte zu sollten als Grundriß im Platz- und Straßenpflaster mit verschaffen, sollte das Aufstellen eines Denkmals auch einem farblich abgesetzten Steinmuster eingeschrieben in den Bereich des Möglichen einbezogen werden. werden, wobei wiederum auf die Einheit von Pfalz und Einerseits haben die beiden Gattungen Platz und Dom geachtet werden muß. Zusätzlich eingelassene Denkmal historisch immer eine Einheit gebildet, Bronzeplatten können die Grundrißdarstellung andererseits könnte auf dem frühmittelalterlichen historisch und architektonisch beschreiben, die Domplatz ein Gerichtsstandbild vorhanden gewesen rekonstruierten Ansichten zur ottonischen Zeit abbilden sein. Der gotische Dom, die barocken, modern und in Grundrissen die Entwicklung von Pfalz und Stadt ergänzten Palaisbauten und die barocke, vielleicht mit in verschiedenen Epochen darstellen. Weiterführendes einem zeitgenössischen Denkmal versehene Material und Grabungsgut müssen die Magdeburger Platzfläche müssen jedoch auf ihre ottonischen Wurzeln Museen in einem separaten Ausstellungsraum zurückweisen. präsentieren. Workshop • Kaiserpfalz • 43

Durch die vorgestellten Maßnahmen zum nicht zur Animation des Platzes beitragen. Nur die städtebaulichen und architektonischen, strukturellen Anbindung des Domplatzes und seiner Umbauung an und musealen Wandel des Magdeburger Domplatzes die fußläufigen Bewegungsströme der Innenstadt wird dieser selbst - neben dem gotischen Dom und Magdeburgs werden dies erreichen. Die Einbeziehung dem Liebfrauenkloster - zu einem des Breiten Weges, der Hegelstraße, des Schieinufers Hauptanziehungspunkt für Kulturtouristen. Die Straße und der Regierungsstraße mit Ernst-Reuter-Allee sind der Romanik, die sich in zwei Schleifen einer „8" durch von außerordentlicher städtebaulicher, wirtschaftlicher Sachsen-Anhalt zieht, findet hier ihren Dreh- und und touristischer Bedeutung. Letztlich wird jedoch nur Angelpunkt. Die Denkmale werden jedoch dem Platz die Entwicklung des gesamten Breiten Weges zu einer nicht das geben, was ein solcher braucht und was ihm gehobenen Einkaufsmeile, wie sie vor dem Zweiten im Speziellen bisher fehlt, nämlich Leben. Da die Weltkrieg schon einmal bestand, die Belebung des Nutzung der Palais an der Nord- und Ostseite des Domplatzes erreichen. Allein unter dieser Platzes durch Landtag und Landesregierung von Voraussetzung kann sich der ottonisch-gotisch-barocke Sachsen-Anhalt nicht zu dieser Zielsetzung beitragen, Domplatz zum großräumigen Ruhe-, Gesprächs- und muß gerade bei der Neubebauung auf der Westseite Caferaum, zum wirtschaftlichen, kulturellen und auf das Einbringen von Cafes, Restaurants, Geschäften touristischen Mittelpunkt, zum städtischen Zentrum und auch der Stadtinformation geachtet werden. Magdeburgs entwickeln.

Jedoch werden auch Gastronomie und Denkmale allein Christian Antz 44

Das Ergebnis des Workshops • Kaiserpfalz • Auszug aus dem Protokoll

Ziel des Workshops „Kaiserpfalz" war es - die naturgemäß unterschiedlichen Standpunkte von Wissenschaftlern (Kunst- und Kulturhistoriker, Archäologen, Denkmalpfleger) und Künstlern (Bildhauer, Architekten, Musiker, Theaterpraktiker) zur „Kaiserpfalz" kennenzulernen; - Vorschläge zur Visualisierung dieses historischen Faktes zu erlangen und - in Abwägung aller Vorschläge und Argumente den Weg für die Neugestaltung des Domplatzes als einer Stätte der Ottonenehrung vorzuzeichnen. Eine Grundlage für die Diskussion bot das Ergebnis des im Frühjahr 1993 durchgeführten städtebaulichen Ideenwettbewerbes „Domplatz Magdeburg". Zu Beginn des Workshops gaben elf der anwesenden Teilnehmer ein Statement zum Gegenstand und zur Fragestellung des Workshops ab (Prof. Brachmann, Prof. Mrusek, Herr Gerling, Herr Voß, Herr Richter, Prof. Dr. Wolff, Herr Gerlach, Herr Kallmeyer, Prof. Schubert, Herr Apel und Dr. Antz). Von drei an der Teilnahme verhinderten Persönlichkeiten wurden schriftliche Stellungnahmen verlesen (Prof. Meckseper, Prof. Möbius, Dr. Weber). Bereits nach den Vorträgen am Vormittag zeichnete sich eine gemeinsame Grundhaltung zu der gestellten Aufgabe ab. Diese Grundhaltung ist gekennzeichnet durch hohe Disziplin beim Umgang mit dem historischen Faktenmaterial und strenge Zurückhaltung bei dessen Darstellung. Das läuft im Prinzip auf die Kennzeichnung der Lage und des Grundrisses der ergrabenen Teile der Kaiserpfalz im Boden des Domplatzes hinaus. Die Freilegung der ergrabenen Reste bzw. die Errichtung eines Schutzbaus über den freigelegten Resten stieß weitgehend auf Ablehnung. Es bleibt unwidersprochen, daß relativ wenige Erkenntnisse aus der Grabung tatsächlich gesichert interpretiert werden können. Die meisten der Vortragenden äußerten sich positiv zu einer (ergänzenden) künstlerischen Auseinandersetzung mit den historischen Gegebenheiten. Am Nachmittag des Veranstaltungstages wurde ein Brainstorming zum Thema „Kaiserpfalz" durchgeführt. Als erstes wurde über den Charakter und die Nutzung des Domplatzes diskutiert. Die Diskussion ergab folgende Nutzungsanforderungen: - Wahrung der historischen Platzform (Barockplatz); - Veränderung des Platzbelages (kleinteiligere Strukturen); Workshop • Kaiserpfalz • 45

- Beibehaltung der doppelten Baumreihen (kein Ersatz Danach wurden die allgemeinen Anforderungen an für abgängige Bäume außerhalb der Alleen); eine Darstellung der Kaiserpfalz auf dem Domplatz diskutiert. Weiter wurde der Domplatz charakterisiert als ein Platz - der Ruhe und Würde ausstrahlt und in erster Linie Die Diskussion führte zu folgenden Kriterien denen eine der Besinnung und geistigen Erholung dient, Visualisierung der Kaiserpfalz gerecht werden muß: - der mit Sitzmöglichkeiten ausgestattet ist, - Publikumswirksamkeit; - der ein Promenieren unter Bäumen erlaubt, - Verständlichkeit; - der autofrei ist, - Aussagekraft; - der für Festspiele und besondere Anlässe temporäre - Veränderbarkeit, Ergänzbarkeit (mit Zunahme der Installationen erlaubt, wissenschaftlichen Erkenntnisse); - für den ein spezielles Lichtkonzept zu erarbeiten ist, - die Darstellung muß in der Lage sein, - und der durch seine Gestaltung Neugier auf die Aufmerksamkeit zu binden und zum Verweilen Kaiserpfalz und die Geschichte der Stadt weckt. anzuregen; Alle Beratungsteilnehmer gingen von der Notwendigkeit - sie darf nicht nur den Verstand ansprechen; einer Neubebauung der Westseite des Domplatzes - emotionaler Zugang zum Gegenstand muß möglich aus. Bei einer Neubebauung sollte eine Mischnutzung sein; angestrebt werden (mit einem angemessenen Anteil gastronomischer Nutzung). Der Verflechtung des - das Konzept muß eine schrittweise Verwirklichung Platzraumes mit seinem Umfeld ist große und einen stufenweisen Ausbau ermöglichen; Aufmerksamkeit zu widmen. - kostengünstige Unterhaltung. 46

Der weitere Verlauf der Diskussion diente im Blick auf - die Schaffung einer Platzdominante (als einen als notwendig erkannten Wettbewerb zum Thema künstlerische Ergänzung zur Dokumentation der „Kaiserpfalz" der Konkretisierung der Anforderungen, wissenschaftlichen Erkenntnisse); wobei zwischen verbindlichen Vorgaben und - Ergänzung der Gestaltungen auf dem Platz durch ein Anregungen unterschieden wurde. Museum mit themenbezogenen Aufgaben oder eine Lösung, die davon ausgeht, daß der Platz selbst mit Als Vorgaben für einen Wettbewerb wurden seinen Gestaltungselementen die Aufgaben eines herausgearbeitet: Museums erfüllt; - Sichtbarmachung wissenschaftlich gesicherter - die Möglichkeiten einer spielerischen Aneignung Tatbestände sollten bedacht werden; • vorzugsweise durch Darstellung des - durch den Einsatz von Medien (Lasertechnik, Pfalzgrundrisses in der Platzebene (wobei Holografie) kann die emotionale Wirkung bei geringfügige Absenkungen bzw. Erhöhungen besonderen Anlässen gesteigert werden. gegenüber der Platzfläche zulässig sind); Im Ergebnis des Workshops wurden folgende Arbeiten • die Freilegung erhaltener Gebäudeteile zur Vorbereitung der Neugestaltung des Domplatzes (Treppenspindel) sollte dabei nicht ausgeschlossen als notwendig erkannt: werden (beispielsweise durch einen Einblickschacht); - Abschluß der Auswertung der Grabungen (Ernst Nickel) und Dokumentation der Befunde; • jedoch kein Gebäude über dem Pfalzgrundriß - Prüfung der finanziellen und materiell-technischen (weder als Schutzbauwerk, noch als Möglichkeiten zur Fortführung der Grabungen in Rekonstruktionsversuch!) südlicher und östlicher Richtung; - der historische Bestand gilt im Sinne der - Bearbeitung eines städtebaulichen Rahmenplanes Denkmalpflege als unantastbar; durch die Preisträger des städtebaulichen - zur Erläuterung der historischen Situation sind im Ideenwettbewerbes „Domplatz Magdeburg" für den Interesse der emotionalen Wirkung künstlerische Domplatz und sein Umfeld; Mittel einzusetzen; - Vorbereitung und Durchführung eines künstlerischen - die Beziehungen zwischen der Kaiserpfalz und dem Wettbewerbes zur Gestaltung des Platzes (auf der ottonischen Dom sind herzustellen und deutlich zu Grundlage des städtebaulichen Rahmenplanes und machen. unter Beachtung der im Workshop „Kaiserpfalz" erarbeiteten Vorgaben und Anregungen); Als Anregungen für die Teilnehmer am Wettbewerb - Dokumentation des Workshops „Kaiserpfalz" in der „Kaiserpfalz" wurden formuliert: Schriftenreihe des Stadtplanungsamtes Workshop • Kaiserpfalz • 47

Einige Gedanken zum Domplatz Planung von Sudenburg aus, sei es im Westen von der Magdeburgs Liebknechtstraße am Schlachthof oder von der Grünachse der Hermann-Beims-Siedlung aus, sei es Der Dom Ist das Wahrzeichen Magdeburgs. Er hat in im Nordwesten von der Reichsautobahn vom Rasthof seiner siebenhundertjährigen Geschichte den Börde oder von Nordosten im Herrenkrugpark von Dreißigjährigen Krieg, die katastrophalen Feuerbrünste Peter Joseph Lenne aus. So ist auch der in neuester des 17. Jahrhunderts und die zerstörerischen Zeit gebaute Magdeburger Ring in seinem Verlauf in Bombenangriffe 1943,1944 und 1945 überstanden. Er Teilabschnitten auf den Dom hin orientiert. ist Ausdruck für die historische Kontinuität, Zeuge einer ereignisreichen Geschichte über viele Jahrhunderte Auch innerhalb der eigentlichen Altstadt sind solche hinweg und ein Kulturdenkmal von hohem Rang. Mit Blickbeziehungen vorhanden, zum Beispiel vom seiner hoch emporragenden Gestalt prägt er das Bild Theater am Breiten Weg und vom Kulturhistorischen der Stadt, gibt ihr städtebaulich die unverwechselbare Museum aus, und nicht zuletzt ist der Dom End- und Eigenart, mit der die Bewohner Magdeburgs sich Hochpunkt der vom Süden her auf ihn zulaufenden identifizieren. Hegelstraße, die Ende vorigen Jahrhunderts geplant wurde. Weithin sichtbar auf dem Domfelsen gebaut, ist dieser Dom immer wieder achsialer Orientierungspunkt im Die ältesten mir vorliegenden Stadtpläne oder vielmehr Stadtgefüge, sei es von Osten in der alten Reichsstraße Stadtansichten verdeutlichen, wie innerhalb der sehr nach Berlin (heutige Bundesstraße 1) oder ein wenig kompakten, räumlich begrenzten Altstadt durch südlicher von der Babelsberger Straße aus, im fast Hinzufügen einzelner Raumzellen an vorhandene tausendjährigen Cracau, sei es im Süden von der Raumgebilde eine städtebauliche Situation entstanden Leipziger Chaussee, im Südwesten von der ist, die entlang der Elbe und unter Berücksichtigung der Halberstädter Straße oder in der napoleonischen Lage von Rathaus und dem Kloster Unser Lieben 48

Frauen den Dom zum Mittelpunkt haben. Trotz Magdeburgs nach dem Dreißigjährigen Krieg hat der wechselnder Bedürfnisse der Bewohner Magdeburgs Plan Otto von Guerickes den Grundriß im wesentlichen im Laufe der Geschichte, verschiedener Sozialgefüge, mit der Funktion des Neuen Marktes beibehalten. Besitzverhältnisse, wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Entwicklungen ist der Dom und Vor den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges glich der Domplatz ursprünglich ottonischer Mittelpunkt bis die Stadt innerhalb der Befestigungsanlagen einem zum späten Mittelalter als Ensemble unverändert Labyrinth. Enge, verwinkelte Gassen mit der geblieben. Noch im 17. Jahrhundert nach den spätmittelalterlichen Bebauung und kleine Plätze Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges war der Platz öffneten sich von verschiedenen Seiten zum Domplatz. in seinen Ausmaßen nicht streng geometrisch begrenzt, Da die Stadt bis zum Petriförder an die Elbe reichte, gab sondern die Kanten waren als Negativform, als Rest der es noch etliche Treppen und Gebäudesprünge, die Positivformen der ihn umgebenden Gebäude, durch zusätzlich zu dem engen Straßengewirr mit vielen Vor- und Rücksprünge bestimmt. Sackgassen dem Fremden die Orientierung erschwerten, den einheimischen Bewohnern aber, die Bei der Vielfalt der äußeren Einflüsse ist es verständlich, sich in dem Straßenlabyrinth auskannten, das Gefühl daß ein Grundrißschema oder eine achsiale straffe der Geborgenheit gab. In seiner Bauanlage bot Form den Grundprinzipien der mittelalterlichen Stadt Magdeburgs Altstadt das typische Bild mittelalterlicher widersprachen. Und auch beim Wiederaufbau Städte. Workshop • Kaiserpfalz • 49

Renaissance und Barock haben in der Altstadt Der sozialistische Städtebau schaffte eine neue Magdeburgs keine wesentlichen Veränderungen Ordnung, in der zunächst die dringenden gebracht. Erst der Fall der Festungsanlagen, die Wohnbedürfnisse in der Stadtmitte befriedigt wurden. Bebauung der Glacisanlagen -die Altstadt umfaßte Eine lange Wohnzeile riegelt den Domplatz im Westen 120 Hektar Fläche, 220 Hektar Festungsanlagen - und zum Breiten Weg hin ab, läßt jedoch klar gegliederte der Zweite Weltkrieg haben Magdeburgs Stadtgrundriß Räume in den angrenzenden Quartieren vermissen. entscheidend verändert. Der traditionelle Blockbau wurde durch einen Zeilenbau abgelöst. Im Gegensatz zur spätmittelalterlichen und preußischen Stadt wurden nun neue schachbrettartige Siedlungen Die gesellschaftliche und politische Bedeutung des möglich, das Labyrinth ging in Magdeburg verloren, Domplatzes gibt Friedrich Jakobs 1992 eindrucksvoll jedoch lebt es in der Geschichte, als Muster für wieder: Fußböden mittelalterlicher Kirchen, Schloßgärten und „Der Domplatz erlebte in seiner 1200jährigen Parkanlagen, aber auch in Märchen, Geduldspielen Geschichte ebenso viele Wandlungen seiner Gestalt und Dekorationen weiter. wie seiner Funktion. War es in seiner Frühzeit die Repräsentanz der deutschen Könige, dominierten im Der Domplatz wurde Anfang des 18. Jahrhunderts vom Mittelalter die Erzbischöfe mit ihrem geistlichen und Gouverneur „dem Alten Dessauer", Fürst Leopold von administrativen Umfeld und schließlich die Verwaltung Dessau neu gestaltet. Er gab ihm die klar umrissene des preußischen und deutschen Staates. Immer war der

Form, ließ doppelreihig Bäume pflanzen und nutzte ihn Platz aber auch unmittelbar vom Volke genutzt. Seit als Exerzierplatz. Ausschlaggebend waren militärische dem 12. Jahrhundert für die Messe zu Ehren der und formale Gesichtspunkte. Die angrenzenden Kirchenheiligen und als Jahrmarkt. Was bis in unsere städtebaulichen Situationen wurden angeordnet, Zeit als Magdeburger „Herbstmesse", als erhielten eine Richtungsachse und ordneten sich Weihnachtsmarkt, Zirkus- und Rummelplatz vorhandenen Prioritäten unter (der Breite Weg nachklang. Hier fanden aber auch die wichtigsten entwickelte sich zu einer Barockstraße). politischen Zeitergebnisse ihren Schauplatz, die Die Zerstörung des Zweiten Weltkrieges haben Revolution von 1848, die Weimarer Republik, der nochmals das angrenzende Stadtgefüge und damit Kapp-Putsch 1919, die Aufmärsche der Nazis und die auch den Domplatz verändert. Zwar ist der Grundriß befohlenen Demonstrationen samt Arbeiterfestspielen erhalten geblieben, jedoch ging die westliche und der DDR. Hier war aber auch der Ort der revolutionären südwestliche Fassung des Domplatzes, die Wende vom Herbst 1989, zunächst von den Verknüpfung zur Sebastiankirche jenseits des Breiten Montagsgebeten im Dom ausgehend, später den Weges und die räumliche Dichte zum Kloster Unser großen Domplatz füllend. Lieben Frauen verloren. Wie am 9. November 1992 bei der Demonstration 50

gegen Ausländerhaß und Gewalt wird auch in Zukunft Ottonischen Zeit bis heute nur wenig berücksichtigt. der Domplatz öffentliches Forum und Stadtraum der Ohne auf die städtebauliche Eigenart des Ortes und Magdeburger sein ". seine Verbindung zu den natürlichen Gegebenheiten Elbe und Domfelsen einzugehen, wurden Bauten Somit war zum Zeitpunkt der Wende der Domplatz auch geplant, die der gewachsenen Struktur der Stadt und Treff- und geistiger Mittelpunkt der protestierenden der sie umgebenden Region nicht gerecht werden, Bürger Magdeburgs. Heute ist er menschenleer - ohne wenig bürgerfreundlich sind und die Aufgabe, Leben, ohne wesentliche Bedeutung. Seine leere Weite Wohnraum im Stadtinnem zu erhalten spürt der Fußgänger, der den Platz überquert. Seine beziehungsweise zu schaffen, vernachlässigen. In Dimensionen lösen ein Gefühl der Beklemmung aus. Verbindung mit den natürlichen Gegebenheiten der Erst ein Blick zu dem Plattenbau im Westen mit seinen Elbe und dem Domfelsen und den anthropogenen vielen Baikonen verweist auf Menschen, die dort Voraussetzungen wurde der Domplatz mit einer neuen wohnen und läßt an menschliche Kontakte denken. Sprache belegt, die nicht magdeburgisch im Sinne des Neuen Bauens von Bruno Taut, sondern dogmatisch Dieses Refugium an der Westseite des Platzes sollte geometrisch ist. daran erinnern, daß dieser Bereich der Innenstadt weiterhin auch Menschen Wohnraum bietet und nicht Der Wunsch nach einer Lösung, die den besonderen ausschließlich den Gebäuden der Landesregierung und Merkmalen der Bautradition Magdeburgs, einer eigenen weiteren Bauten der Repräsentation überlassen werden magdeburgischen Formensprache entspricht, ist darf. Der Wohnblock ist die vitale Seite des Platzes, gerade in der jüngsten Zeit in der Bevölkerung Wohnen und Leben angesichts der kirchlichen und wiederholt artikuliert worden. Leider wird der erste Preis weltlichen Macht. in einer der Geometrie verhafteten Sprache diesen Anforderungen nicht gerecht, er ignoriert in dem In dem 1993 von der Stadt Magdeburg in vorgetragenen Schema die Topografie des Platzes Zusammenhang mit dem Land Sachsen-Anhalt sowie die historischen Voraussetzungen. Bezüglich durchgeführten Wettbewerb wurden von dem ersten der Ottonischen Kaiserpfalz auf dem Domplatz Preisträger Lösungen vorgeschlagen, die in den erscheint mir ein Gedankengang von dem angrenzenden Gebieten bis hinunter zur Elbe neue Architekturbüro Schroth vertiefenswert: Die ehemals großräumige Blockstrukturen vorsehen, jedoch die freigelegten Mauerreste der Kaiserpfalz sollten wieder historische Kontinuität des Domplatzes von der ausgegraben, dokumentiert und gesichert werden. Workshop • Kaiserpfalz • 51

Dies könnte in Form einer leichten Glasbauhalle - Elementar erscheint die Frage, wo die Akzente zu vielleicht wie die Gewächshäuser von Gruson im setzen sind. Welche Bedeutung zum Beispiel hat hier Klosterbergegarten, wie in neuerer Zeit die die gegenwärtige Planung: Glaspyramide im Louvre in Paris oder gar eine • Ottonische Kaiserpfalz demontierte Stahlkonstruktion einer Magdeburger • historische Stätte Industriehalle-geschehen. Dieses konstruktiv • mittelalterlicher Markt bestimmte, einfach klar gegliederte Gebäude könnte • Schmuckstück weltlicher und kirchlicher Prägung auch folgende Funktionen übernehmen: • Paradefläche im Sinne des Alten Dessauers Informationen über die Ottonische Kaiserpfalz, über die • Messe- und Zirkusstandort geschichtliche Entwicklung bis hin zum heutigen • Kultur und Wohnen Magdeburg, Aufbau von Stadtmodellen verschiedener • Fußgängerzone mit Geschäftsbereichen Zeitepochen, Touristeninformationen, • Erlebnisbereich für Menschen Veranstaltungshinweise, Ausgangs- und Endpunkt für • Treffpunkt für die Magdeburger Führungen und natürlich auch ein Cafe. • Touristisches Zentrum

In einer Gesprächsrunde mit Experten in einem hierzu Die vorliegenden Beiträge verdeutlichen die Vielzahl einberufenen Workshop wurde dazu Stellung der Möglichkeiten und den Konfliktstoff: Die einen genommen, wurden in einem Gedankenaustausch fordern vordringlich den Rückgriff auf die geschichtliche Ideen zur Lösung der anstehenden Problematik Vergangenheit, andere die stärkere Betonung aktueller geäußert. Je nach Beruf und Standort ergaben sich politischer Forderungen, einige betonen die Informationen und Denkanstöße, die zwar noch nicht zu künstlerische Qualität und setzen hier Akzente, und einer einhelligen Meinung in allen Punkten führte, aber wiederum andere denken an wirtschaftliche Aktivitäten. doch klare Übereinstimmung der Auffassung erkennen Ich schließlich wünsche mir für die Magdeburger einen ließen, daß der Domplatz wieder zum Mittelpunkt Odem, der den Platz mit vielen Funktionen belebt, der städtischen Lebens werden müsse. die historischen Gegebenheiten gebührend 52

berücksichtigt. Dazu gehört primär das Bauwerk, das dem Platz den Namen gibt und natürlich die Ottonische Kaiserpfalz.

Ich wünsche mir einen Platz, der den Menschen heute etwas bedeutet, Ihnen in ihrer Gegenwart nahe ist, ihren Bedürfnissen und Erwartungen gerecht und damit wieder zur Mitte ihrer Stadt wird, wie das früher unter anderen kulturellen Voraussetzungen einmal gewesen ist. Es soll ein Platz der Bürger sein und kein Denkmal für einen Architekten oder seine Auftraggeber.

Er soll ein Organismus voller Vitalität mit vielfältigen Funktionen für jung und alt und alle Bevölkerungsschichten sein, ein Ort mit pulsierendem Leben, das heißt ein Platz für politische, kirchliche und kulturelle Aktivitäten, zum Diskutieren, Arbeiten, Kennenlernen, Einkaufen, Flanieren. Ein solcher Platz in unmittelbarer Nähe der Regierungsgebäude, ihrer eher auf Repräsentation und Einhaltung von Distanz angelegten Architektur, kann zum Abbau herrschaftlicher Strukturen beitragen, menschliches Miteinander, Bürgernähe fördern.

In einem Satz: Mein Ziel ist es, eine behutsame Stadtgestaltung mit viel Respekt vor der geschichtlichen Bedeutung des Domplatzes, eine Gestaltung zu entwickeln, die an die Tradition großer Plätze anschließt, um ein multifunktionales Leben in der Stadt zu ermöglichen.

Die Bürger Magdeburgs sind gefordert, ihre Gedanken, ihre Wünsche zur Belebung des Domplatzes vorzutragen, denn es ist ihr Platz, ein Teil unverwechselbares Magdeburg.

Eckhart W. Peters Impressum Herausgeber: Landeshauptstadt Magdeburg Büro für Öffentlichkeitsarbeit und Protokoll 39090 Magdeburg

Redaktion: Stadtplanungsamt Magdeburg Dr. Ing. Karin Kirsch

Text: Autoren siehe Inhaltsverzeichnis

Fotos: Stadtplanungsamt Titelbild E. W. Peters 1991 Weber Stadtarchiv

Grafik-Design: Ateliergemeinschaft Rudolf Purke/K.-H. Arlt VBK/BBK

Herstellung: Magdeburger Druckerei GmbH Nachtweide 36-43 39124 Magdeburg

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