120 Besprechungen und Anzeigen den ist. Die Arbeit ist als eine weitere Grundlage für die historische Geogra- phie von Polen zu begrüßen. Kiel Herbert Schienger (f)

Hannelore Juhr: Die Verwaltung des Hauptamtes Brandenburg/Ostpreußen von 1713 bis 1751. Phil. Diss. Berlin 1967. 172 S. (Rotaprint-Vervielf.) Die noch von Carl Hinrichs angeregte, nach seinem Tode von Walter Buß- mann und schließlich von Stephan Skalweit betreute Dissertation hat sich die Aufgabe gestellt, an einem geschickt gewählten lokalen Beispiel das Weiter- leben älterer Verwaltungseinrichtungen unter dem preußischen Hochabsolutis- mus aufzuzeigen. Zugrunde liegen neben den Acta Borussica und anderen ge- druckten Quellen hauptsächlich Akten des Bestandes Etats-Ministerium und Ostpreußische Folianten aus dem heute im Staatlichen Archivlager Göttingen befindlichen Königsberger Staatsarchiv. Mit der umfangreichen älteren und neueren Literatur zur preußischen Verwaltungsgeschichte hat sich die Vf.in ausführlich und sorgfältig auseinandergesetzt. Die Darstellung ergibt im großen das bekannte Bild der stufenweise abneh- menden Bedeutung einer „alten" Verwaltungseinrichtung zugunsten der Kriegs- und Domänenkammern bzw. ihrer Vorgängerbehörden und der Generalpacht; der Prozeß endet mit der Auflösung der Hauptämter 1751. Im Detail ergeben sich jedoch wichtige Nuancen. Vor allem zeigt sich, daß die neuen Verwaltungs- formen auf der praktisch entscheidenden lokalen Ebene nur schrittweise und unvollkommen verwirklicht werden konnten; einmal wegen der begrenzten finanziellen Möglichkeiten, zum anderen wegen des zähen Eigenlebens der überkommenen, während ihres langen Bestehens an die örtlichen Verhältnisse angepaßten Einrichtungen, wie es in Ostpreußen die Hauptämter waren. Die Verschiedenheit dieses Systems von Verwaltungsbezirken von der Kreisver- fassung anderer preußischer Provinzen ist klar herausgearbeitet. Berechtigt ist auch der Hinweis auf geschichtlich alte, feudale Züge des Hochabsolutismus, wie sie in der faktisch erblichen Vergabe der zur Sinekure werdenden Haupt- mannsstelle erkennbar werden. Mögen auch diese Ergebnisse anklingen an Ein- sichten, die wir den Arbeiten von Fritz Terveen, Walter Mertineit und August Skalweit zur preußischen Verwaltungsgeschichte verdanken, so bereichert doch die Untersuchung der lokalen Verhältnisse unser Wissen um manche Nuance. In dem Bestreben, ihre Position recht deutlich herauszuarbeiten, unterlegt die Vf.in bisweilen dort, wo sie polemisiert, globalen Aussagen älterer Autoren eine Eindeutigkeit und Verbindlichkeit für das örtliche Detail, die wahrschein- lich nicht beabsichtigt war. Ähnlich erklärt sich die leichte Überschätzung der theoretisch-grundsätzlichen Seite des Absolutismus; sie soll offenbar das Ge- fälle zwischen Theorie und Praxis besonders klar zutagetreten lassen. Beuel Ernst Opgenoorth

Irene Berger: Die preußische Verwaltung des (1815—1847). (Studien zur Geschichte Preußens, Bd 10.) G. Grote'sche Ver- lagsbuchhandlung. Köln, Berlin 1966. 360 S., 1 Kte. Eine Verwaltungsgeschichte des Regierungsbezirks Bromberg gab es bisher nicht. Als Ersatz mußte Manfred Lauberts „Die Verwaltung der Provinz Besprechungen und Anzeigen 121 1815—1847" (Breslau 1923) gelten. Ein Ersatz war dieses Werk in doppel- ter Hinsicht: Erstens lag der Akzent naturgemäß auf dem Posen, neben Bromberg der zweite Regierungsbezirk der Provinz Posen. Zwei- tens führte Laubert auch in diesem Werk ein apologetisches Interesse die Feder; es war ihm darum zu tun, die „Legende von der preußischen Bedrückungs- politik" zu zerstören, eine Zielsetzung, deren Legitimität hier nicht zu unter- suchen ist. Was die Vf.in von Laubert übernimmt, ist die zeitliche Beschränkung auf die Jahre 1815 bis 1847. Allerdings gibt sie keine hinreichende Erklärung dafür, warum auch sie das Jahr 1847 als Zeitabschnitt empfindet. Das Revolutionsjahr 1848 mit der polnischerseits erhobenen Forderung nach „Reorganisation" der Provinz Posen hätte zumindest kurz umrissen werden müssen. Sicher hätte auch ein Hinweis auf die zweite Hälfte des Jahrhunderts nicht schaden können, zumal dafür die tatsachenreiche Arbeit von Siegfried Baske1 zur Verfügung steht. Schwerer wiegt, daß die Vf.in in ihre Verwaltungsgeschichte die Justiz nur ganz am Rande miteinbezieht. Die ebenfalls in den „Studien zur Geschichte Preußens" erschienene süd- und neuostpreußische Verwaltungsgeschichte 2 z. B. berücksichtigt die Kriegs- und Domänenkammern genauso wie die Regierungen, widmet Finanz und Justiz das gleiche Interesse. Wahrscheinlich hat sich die Vf.in durch die im Zuge der Steinschen Reformen 1808 erfolgte Zusammen- legung der beiden alten Behördenarten zu der Regierung neueren Typus dazu verleiten lassen, ihre Arbeit so gut wie allein auf die Bromberger Regierung und deren Unterbehörden abzustellen und das Bromberger Oberlandesgericht und dessen Unterinstanzen mehr oder weniger zu übergehen. Sie übersieht, daß die durch den Freiherrn vom Stein geschaffene Regierung weder die Kriegs- und Domänenkammer noch die Regierung bisherigen Stils gänzlich ablöste und die bis dahin recht unübersichtlich auf diese beiden Behörden auf- geteilten Justizangelegenheiten jetzt einer neuen Gattung von Gerichtsbehör- den zugewiesen wurden. Sicher könnte man zwischen Verwaltung im engeren und weiteren Sinne scheiden; die Vf.in indessen tut es nicht, wenn sie in Kapi- tel 4 („Die allgemeine Verwaltung des Regierungsbezirks") unversehen knapp sechs Seiten den „Justizeinrichtungen" widmet. Damit betrachtet sie die Justiz als Verwaltungssektor, wird aber weder ihrer Eigenständigkeit (es ist unlogisch, in die Arbeitsgebiete der Regierung plötzlich die Justiz einzuschalten) noch ihrer Bedeutung gerecht. Die Quellen für die Tätigkeit der Bromberger Regierung in den Jahren 1815 bis 1847, wie die Arbeit richtiger geheißen hätte, fand die Vf.in insbeson- dere im Geheimen Staatsarchiv Berlin-Dahlem, daneben im Niedersächsischen Landesarchiv, wohin Akten des preußischen Staatsministeriums gelangt sind. Die noch in Bromberg verbliebenen Akten benutzte sie nicht. Wie sie vermutet, sind auch in Posen noch einschlägige Akten. Dazu zog sie gedruckte Quellen wie 1) S. Baske: Praxis und Prinzipien der preußischen Polenpolitik vom Be- ginn der Reaktionszeit [1849] bis zur Gründung des Deutschen Reiches. Wies- baden 1963. 2) Ingeburg Bussenius: Die preußische Verwaltung in Süd- und Neuost- preußen 1793—1806. (Studien zur Geschichte Preußens, Bd 6.) Heidelberg 1960. 122 Besprechungen und Anzeigen das „Amtsblatt der Regierung Bromberg" und die „Annalen der preußischen inneren Staatsverwaltung" heran. Die zeitgenössische Literatur — mit teilweise beachtlichem Quellenwert — wird nur bedingt ausgewertet. Die deutsche und polnische Sekundärliteratur ging an der speziellen Thematik der Vf.in bislang vorüber. Im 1. Kapitel („Entstehung des Regierungsbezirks") werden die vier Verwal- tungstraditionen, die der 1815 gebildete Regierungsbezirk Bromberg zu assimi- lieren hatte, gekennzeichnet: Königreich Polen, ab 1772 preußischer Netze- distrikt, 1793 bis 1807 West- und Südpreußen, 1807 bis 1813 Herzogtum War- schau. Das 2. Kapitel („Aufbau der Verwaltung") beschreibt das Zusammenspiel zwischen der Bromberger Regierung und den ihr untergeordneten Verwaltungs- instanzen. Von den (ab 1818) neun Landkreisen war der mit rund 20 000 Einwohnern der kleinste und der mit rund 42 000 Ein- wohnern der größte. Ein Spezifikum der Provinz Posen stellte das Woytamt dar, eine Polizeibehörde des platten Landes, seit 1833 für etwa 2 000 bis 6 000 Menschen zuständig; 1837 (so S. 44) oder schon 1836 (so S. 93) wurde der Woyt durch den Distriktskommissar ersetzt, der einen noch größeren Raum polizeilich zu betreuen hatte. Die städtische Verwaltung vermag die Vf.in weniger klar darzulegen. Die Bezeichnungen Magistrat, Bürgermeister und Schulze bleiben letztlich verschwommen. Z. B. wird den Städten (außer Bromberg) bis 1835 höchstens eine „Art" Magistrat zugestanden (S. 54 f.), und plötzlich soll Schnei- demühl schon 1817 einen Magistrat besessen haben (S. 58). Für 1837 auch eine „Reorganisation" der städtischen Verwaltung zu behaupten (S. 52), erscheint übertrieben. Kapitel 3 („Die führenden Beamten") hätte man sich ausführlicher gewünscht. Kapitel 4 („Die allgemeine Verwaltung des Regierungsbezirks") refe- riert — nicht immer logisch, wie oben schon kritisiert — die einzelnen Bereiche der Verwaltungsarbeit. Zwei weitere Kapitel heben „Wirtschaft, Handel und Verkehr" sowie „Die Landwirtschaft" besonders heraus, wobei die Abgrenzung zu Kapitel 4 nicht immer überzeugt.

Ob man eine Verwaltungsgeschichte nach sachlichen Gesichtspunkten gliedern sollte, wie es hier geschieht, wäre zumindest zur Diskussion zu stellen. Bei einer chronologischen Gliederung hätten die Folgen des Novemberaufstandes von 1830 komplexer dargestellt werden können. Dasselbe trifft für die Auswirkun- gen des Kölner Mischehenstreits auf den Regierungsbezirk Bromberg zu. In Zeitabschnitte aufgeteilt, wäre die Arbeit dem Nationalitätenproblem besser gerecht geworden. Sicher trifft es zu, daß es einstweilen nur periphere Bedeu- tung hatte (S. 255), es war aber eben doch, wie übrigens auch schon vor 1807, vorhanden. Rein verwaltungsgeschichtlich gelangt die Vf.in zu dem Ergebnis, daß die Bromberger Regierung „monarchische Prinzipien mit solchen der Selbstverwaltung", und das „im Steinschen Sinne", vereinte (S. 260). Dankenswert ist der sorgfältige Nachweis der ungedruckten und gedruckten Quellen. Sehr brauchbar sind die Verzeichnisse der Bibliographien und der Literatur, das Orts- und Personenregister und die Beamtenlisten. Die in dem Band enthaltene Karte hebt die Kreisstädte nicht hervor. Ein peinlicher Druck- fehler geschah auf S. 54, wo der Abschnitt „Die Einführung der Städteordnung" als 5. statt als 6. von Kapitel 2 erscheint. Besprechungen und Anzeigen 123 Die verschiedenen Einwände, die gegen die unter Walther Hubatsch als Bonner Dissertation entstandene Arbeit möglich sind, schmälern nur gering- fügig das Verdienst der Vf.in, wiederum beträchtliche Stoffmassen zur Verwal- tungsgeschichte der preußischen Ostprovinzen durchleuchtet und zugleich sor- tiert und analysiert zu haben. Winsen (Luhe) Jürgen Peter Ravens

Peter Letkemann: Die preußische Verwaltung des Regierungsbezirks Danzig 1815—1870. (Wiss. Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Ost-Mittel- europas, Nr. 80.) Verlag J. G. Herder-Institut. Marburg/L. 1967. 410 S., 1 Paltkte i. Anh. (Rotaprint-Vervielf.) Letkemann gibt in vier großen Abschnitten — die Organisation der Verwal- tung, die Regierungspräsidenten, die Unterbehörden, die Aufgaben und Pro- bleme der Verwaltung — eine Darstellung der preußischen Verwaltung im Regierungsbezirk Danzig in den Jahren 1815—1870. Er stützt sich dabei in erster Linie auf Akten der ehemaligen Staatsarchive in Danzig und Königsberg und des Geheimen Staatsarchivs in Berlin. Das gibt der Arbeit ihren Wert und ihre Bedeutung. Daraus folgt aber auch das Problem, vor das sich diese Arbeit ge- stellt sieht: die Gliederung und Anordnung des Stoffes. Diese Frage ist nicht ganz glücklich gelöst und wahrscheinlich in einer solchen Arbeit überhaupt nur schwer zu klären. In deren ersten drei Teilen geht Biographisches und Sach- liches durcheinander. Der Vf. bringt eine große Menge von Einzelheiten — und ergänzt damit in einer schönen Weise die grundlegende Arbeit von Max Baer: „Die Behördenverfassung in Westpreußen seit der Ordenszeit" (Dan- zig 1912) —, aber diese werden nur im biographischen Zusammenhang, in Ver- bindung mit der Tätigkeit der einzelnen Beamten, gebracht, ohne daß sie in einen größeren sachlichen Rahmen gestellt werden. Der Vf. geht eben von der Frage aus: „Was haben die Behörden bzw. die Beamten geleistet?" und sucht die Antwort darauf in den Akten. Da die Berichte der Behörden und Beamten aber meist nur sehr knapp sind — vielfach leider gerade in den wichtigen An- gelegenheiten, während unwesentlichere Episoden breit ausgewalzt werden (der Vf. beklagt sich selbst S. 227 über die Vordergründigkeit, um nicht zu sagen Oberflächlichkeit der Verwaltungsberichte) —, so entsteht oft nur ein fragmentarisches Bild; man erfährt wohl zahlreiche, manchmal sehr interes- sante Einzelheiten, sieht aber nicht den Zusammenhang, in dem diese ihre volle Bedeutung gewinnen würden. Erst im letzten Teil der Arbeit wendet sich der Vf. der Schilderung sachlicher Komplexe — der Wirtschaft, den Ver- kehrseinrichtungen, der Regulierung und Gemeinheitsteilung — zu. Hier stört aber der für die Arbeit angesetzte Zeitabschnitt, so daß auch in diesem Teil die großen Zusammenhänge nicht genug zum Tragen kommen. So ist das Buch mehr als eine bloße Verwaltungsgeschiehte, aber weniger als eine Darstellung der westpreußischen Geschichte der Jahre 1815—1870.

Trotz dieser Mängel ist es ein brauchbares Buch, das die bisher bekannte Literatur über die westpreußische Verwaltungsgeschichte ergänzt, und jeder, der sich mit der Geschichte Westpreußens im 19. Jh. befaßt, wird es mit Nutzen zur Hand nehmen. Das Namenregister wird ihm dabei gute Dienste tun. Schlüchtern Max Aschkewitz