Geographischer Index
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2 Gerhard-Mercator-Universität Duisburg FB 1 – Jüdische Studien DFG-Projekt "Rabbinat" Prof. Dr. Michael Brocke Carsten Wilke Geographischer und quellenkundlicher Index zur Geschichte der Rabbinate im deutschen Sprachgebiet 1780-1918 mit Beiträgen von Andreas Brämer Duisburg, im Juni 1999 3 Als Dokumente zur äußeren Organisation des Rabbinats besitzen wir aus den meisten deutschen Staaten des 19. Jahrhunderts weder statistische Aufstellungen noch ein zusammenhängendes offizielles Aktenkorpus, wie es für Frankreich etwa in den Archiven des Zentralkonsistoriums vorliegt; die For- schungslage stellt sich als ein fragmentarisches Mosaik von Lokalgeschichten dar. Es braucht nun nicht eigens betont zu werden, daß in Ermangelung einer auch nur ungefähren Vorstellung von Anzahl, geo- graphischer Verteilung und Rechtstatus der Rabbinate das historische Wissen schwerlich über isolierte Detailkenntnisse hinausgelangen kann. Für die im Rahmen des DFG-Projekts durchgeführten Studien erwies es sich deswegen als erforderlich, zur Rabbinatsgeschichte im umfassenden deutschen Kontext einen Index zu erstellen, der möglichst vielfältige Daten zu den folgenden Rubriken erfassen soll: 1. gesetzliche, administrative und organisatorische Rahmenbedingungen der rabbinischen Amts- ausübung in den Einzelstaaten, 2. Anzahl, Sitz und territoriale Zuständigkeit der Rabbinate unter Berücksichtigung der histori- schen Veränderungen, 3. Reihenfolge der jeweiligen Titulare mit Lebens- und Amtsdaten, 4. juristische und historische Sekundärliteratur, 5. erhaltenes Aktenmaterial aus den ehemaligen Gemeindearchiven (G) sowie aus der Überliefe- rung der staatlichen bzw. kommunalen Behörden (S). Zweck dieser - einstweilen zum internen Gebrauch bestimmten - Datenbank war es zunächst, Einzelinformationen zu lokalen Verhältnissen abrufbar zu halten. Darüber hinaus soll sich ein zuse- hends genaueres Gesamtbild zusammenzusetzen, das zu einem kommenden Zeitpunkt hoffentlich auch eine statistische Auswertung erlauben wird. Da das besondere thematische Interesse des Forschungsprojekts dem institutionellen Modernisie- rungsprozeß des Rabbinats und seinen unmittelbaren Ergebnissen gilt, wurden als Eckdaten die Jahre 1780 und 1918 festgehalten, wobei der Emanzipationsepoche (1809-1871) und ihrer Gesetzgebung das Hauptaugenmerk gewidmet wurde. Um allerdings eine weitere historische Perspektive zu ermöglichen, wurde der chronologische Rahmen für die Rabbinerlisten in vielen Fällen bis auf die zwei Jahrhunderte von 1750-1945 ausgedehnt, soweit dies anhand der benutzten Literatur ohne besondere Nachforschun- gen möglich war. Die öffentliche Organisation des modernen Rabbinats geht vor allem auf Gesetze und Verordnun- gen der Restaurations- und Vormärzzeit zurück, so daß es sich als sinnvoll erwies, den Index nach der Staatenordnung des Wiener Kongresses aufzubauen. Als geographischer Rahmen wurden die Grenzen des Deutschen Bundes von 1815 (die sich mit denen des früheren Römischen Reiches bis auf einige für uns irrelevante Abweichungen decken) mit Einschluß der preußischen Ostprovinzen zugrundegelegt. In einem Schlußteil wurde die Erhebung auf die angrenzenden deutschsprachigen Gebiete ausgeweitet (Schweiz, Elsaß-Lothringen, Burgenland), ferner auf einige fremdsprachige Nachbarländer, deren Rabbinate einen starken deutsch-jüdischen Einfluß aufweisen (Niederlande, England, Skandinavien). Aus Osteuropa, insbesondere Ungarn, sind allein die nachgewiesenen Gemeinden hochdeutscher Sprache vermerkt. Hinzugenommen wurden einige vornehmlich von deutschen Emigranten besetzte Rabbinate in den USA. Geordnet wurden die Angaben nach Staaten (für Preußen, Österreich und Bayern zusätzlich nach den obersten innerstaatlichen Verwaltungseinheiten) und innerhalb dieser Einteilung nach Rabbinats- sitzen, die in alphabetischer Folge aufgeführt sind. Innerhalb der Städte wurden zunächst die gemeindli- chen, sodann die privaten Rabbinate abgehandelt, wobei als Ordnungsprinzip meist die chronologische 4 Reihenfolge ihrer Errichtung beachtet wurde; allein die zahlreichen Berliner Privatsynagogen sind al- phabetisch und die Wiener nach Stadtbezirken aufgeführt. Die Literaturauswahl am Anfang des vorliegenden Index berücksichtigt nur solche Beiträge, die das damalige Deutschland ohne weitere geographische Eingrenzung behandeln. Territorial-, orts- und gemeindegeschichtliche Publikationen stehen unter den jeweiligen Einträgen; für den gesamten Kom- plex der personenkundlichen Literatur sei auf den zweiten Band der Datenerhebungen, die "Rabbini- sche Prosopographie", verwiesen. Die Quellenangaben zu jüdischen Archivalien basieren auf Nachforschungen in der Jewish Natio- nal and University Library sowie in den Central Archives for the History of the Jewish People in Jerusa- lem, ferner im Archiv für die Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland in Heidelberg, im Centrum Judaicum – Stiftung Synagoge in Berlin sowie in den Leo Baeck Institute Archives in New York. Einzelne Akten aus dem Zidovské Muzeum in Prag und dem Zydowskie Instytut Historyzcny in Warschau wurden über Mikrofilme ausgewertet. An allgemeinen Archiven wurden bisher besucht: das Geheime Staatsarchiv in Berlin, die Haupt- staatsarchive in Dresden, Düsseldorf, Hannover, München, Stuttgart und Wiesbaden, die Landeshauptar- chive in Koblenz und Schwerin, das Generallandesarchiv in Karlsruhe, die Landesarchive in Schleswig und Speyer, die Staatsarchive in Augsburg, Bamberg, Darmstadt, Detmold, Leipzig, Ludwigsburg, Mün- chen, Münster, Nürnberg, Sigmaringen und Würzburg, die Stadtarchive in Frankfurt am Main, Fürth, Karlsruhe, Mainz, Mannheim, Schwabach und Worms, die Universitätsarchive in Bonn, Heidelberg und Würzburg. Die darüber hinausgehenden Angaben beruhen auf den Findbüchern über Archivalien von jü- dischem Betreff, zum Teil umfunktionierten Repertorien aus der NS-Zeit, die an den genannten Einrich- tungen in Heidelberg und Jerusalem einzusehen sind. Umfang und Qualität der staatlichen Überlieferung hängt von der Gesetzeslage ab; im allgemei- nen ist sie daher in Süddeutschland und in den Kleinstaaten besser als in Preußen und Österreich. Die Gemeindeüberlieferung stammt zum größten Teil aus dem Schriftverkehr der Vorstände, seltener auch aus den Archiven einzelner subalterner oder eigenständiger Institutionen wie Schulen, Stiftungen oder den Rabbinaten selbst. Die meisten Gemeindearchive waren in den Baulichkeiten der Synagogen untergebracht, denen bekanntlich die Verwüstungen während der Pogromnacht vom 9. November 1938 in der Hauptsache gal- ten.1 Umfangreiche Archivbestände sind dennoch der Zerstörung entgangen, und zwar auf zumindest vier verschiedenen Wegen. Erhalten sind erstens die seit 1905 an das Berliner "Gesamtarchiv der deut- schen Juden" überstellten Akten, die heute zwischen dem CJA Berlin und dem CAHJP Jerusalem aufge- teilt sind. Ein eigenes Schicksal hatten zweitens die Standesregister, die schon im Zuge der nationalso- zialistischen Rassenpolitik beschlagnahmt wurden. Der gesamte Bestand war, bevor er den Kriegsver- nichtungen zum Opfer fiel, verfilmt worden, und ist heute in Form von Fotoabzügen sowohl im CAHJP Jerusalem als auch in den jeweils zuständigen deutschen Staatsarchiven einzusehen. An vielen Orten er- hielten drittens die NS-Schergen vor den staatlich angeordneten Pogromen die Anordnung, die Archive sicherzustellen. Zwischenzeitlich in den Staatsarchiven deponiert, wurden diese Bestände in der Nach- kriegszeit an das CAHJP Jerusalem ausgeliefert. Schließlich verdanken zahlreiche Einzelstücke ihr Überleben den privaten Rettungsaktionen von Gemeindemitgliedern; diese Schriften sind, soweit sie sich nicht weiterhin in Privatbesitz befinden, an die Sammlungen verschiedener jüdischer Organisatio- nen gelangt. Eine Zusammensetzung der alten Gemeindearchive ist nicht mehr möglich; und der dahin- 1 Über die Verbrennung des Aschaffenburger Gemeinde- und Rabbinatsarchivs PK Bavaria, S. 413. 5 gehende, im CAHJP Jerusalem seit einigen Jahren unternommene Versuch der Volkswagenstiftung miß- achtet alle archivalischen Gepflogenheiten und hat das Chaos somit nur noch vergrößert. Die rabbinerbezüglichen Akten aus der allgemeinen Gemeindeverwaltung betreffen zumeist den organisatorischen Rahmen des Amtes: Besetzung, Gehalt, Wohnung und Gebühren, sowie die Streitfälle jeglichen Betreffs. Von einer internen Dokumentation, d. h. "Rabbinatsakten" im strengen Sinne, kann nur in wenigen Fällen die Rede sein. Erst spät nämlich haben die rabbinischen Gerichtshöfe begonnen, eigene Registraturen anzulegen. Das Prozeßwesen war ja im allgemeinen mündlich, und wo schriftliche Urteile (pesaqīm) oder Rechtsbescheide (tešūvōt) abgefaßt wurden, wurden diese als persönliche Papiere der einzelnen Rabbiner behandelt. So gingen die Korrespondenzen des berühmten Fürther Rabbiners M. S. Kohn schon kurz nach seinem Tod 1819 verloren (Wolf Hamburger, Šaar ha-Zeqenīm, Vorrede). Im besten Falle hat man die Amtspapiere eines Rabbiners nach seinem Tod zusammengeschnürt und dem Gemeindearchiv einverleibt. Das Archiv des Distriktsrabbinat Ansbach, dessen Inventar erhalten ist, enthielt seinerzeit Akten ab 1717 und anscheinend komplette Protokollbuchserien ab 1745 (CAHJP Jerusalem, S 77/5). Es gibt aber Belege dafür, daß eine solche systematische Sammlung und Aufbewahrung der Papiere vor der Emanzipation eher unüblich war, und zwar nicht einmal in jahrhundertealten Landesrabbinaten. In Hil- desheim legte Rabbiner Levi Bodenheimer eigener Aussage zufolge als erster eine Registratur an (HStA Hannover, Hann. 80 Hildesheim I N Nr. 25, vom 24. März