Das Magazin der Kulturstiftung der Länder 2 2019

KULTUREN DES AUSTAUSCHS PERSPEKTIVEN DES DEUTSCH-RUSSISCHEN MUSEUMSDIALOGS

OTTO DIX IN DÜSSELDORF KULTURHAUPT- STADT EUROPAS 2025 EDITORIAL menschliches Leid geworden sind. Mit dem Schwer­ punkt „Deutsch-Russischer Museumsdialog“ widmet sich diese Ausgabe von Arsprototo den Möglichkeiten, die Kulturinstitutionen haben, um mit solchen sensib­ DAS MITEINANDER len Erzählungen auf respektvolle und behutsame Weise umzugehen und in vollem Wissen um das Vergangene STÄRKEN einer gemeinsamen Zukunft durch Austausch und part­ nerschaftlichen Dialog den Weg zu bereiten. Zu Wort kommen dabei Expertinnen und Experten aus Russland und Deutschland, die sich seit mehr als einem Jahr­ zehnt für diese ‚Kulturen des Austauschs‘ einsetzen und damit einen wichtigen Beitrag zu den deutsch-russi­ schen Kulturbeziehungen leisten. Das Miteinander steht auch im Mittelpunkt zweier Beiträge, die wichtigen Partnerinstitutionen der Kultur­ stiftung der Länder gewidmet sind, der Hermann Reemtsma Stiftung sowie der Ernst von Siemens Kunst­ stiftung. Ohne die enge, vertrauensvolle Partnerschaft Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder mit diesen und weiteren Förderinstitutionen könnte die Kulturstiftung der Länder ihre zahlreichen Aufgaben nicht angemessen erfüllen. Liebe Leserinnen und Leser, Miteinander im Wettstreit um den Titel „Kultur­ hauptstadt Europas 2025“ stehen in Deutschland „Wir müssen uns immer neu verständigen auf die derzeit mehrere Städte, die sich im Rahmen des von Werte, auf die Rahmenbedingungen und Grundlagen, der Kulturstiftung der Länder organisierten deutschen in denen wir im gesellschaftlichen Miteinander agieren Wettbewerbsverfahrens mit der Frage beschäftigen, wie wollen“, sagt der Hamburger Kultursenator Carsten Europa und die Idee der europäischen Einheit die Kul­ Brosda im Interview mit Arsprototo und beschreibt da­ tur einer Stadt maßgeblich prägen können und wie eine mit die Kernaufgabe einer Gesellschaft, die der Sozio­ Stadt ihren unverwechselbaren Platz in den vielfältigen loge Andreas Reckwitz unlängst als „Gesellschaft der kulturellen Landschaften Europas finden und behaup­ Singularitäten“ charakterisiert hat. Das stetige Aushan­ ten kann. Im Bericht „Kulturhauptstadt Europas 2025“ deln von Werten, Rahmenbedingungen und Grund­ erhalten Sie einen spannenden Einblick in die Wettbe­ lagen gesellschaftlichen Miteinanders ist dem Wesen werbsvorbereitungen der deutschen Bewerberstädte. nach ein Prozess des Kulturellen, in dem durch Erzäh­ Virtuoses, Fesselndes und vormals Bedrohtes begeg­ lungen Sinnangebote entstehen. Solche Erzählungen net Ihnen schließlich in den Rubriken „Erwerbungen“, „NUR DURCH GEGENSEITIGES VERTRAUEN, begegnen uns in ganz unterschiedlicher Form, sehr häu­ „Ausstellungen“ und „Restaurierungen“. Ebenso wie fig als Werke der Literatur, der Musik, der bildenden in „Zahlen und Fakten zur Kulturstiftung der Länder DEN UNGEHINDERTEN ZUGANG ZU DEN ARCHIVEN und darstellenden Kunst. Einen besonderen Wert für im ersten Halbjahr 2019“ finden Sie dort umfassende die Gesellschaft haben solche Erzählungen dann, wenn Informationen zur Fördertätigkeit der Kulturstiftung UND DURCH TRANSPARENZ KANN DIE ARBEIT ihre Sinnangebote überzeugen, Menschen dauerhaft der Länder. Ohne die fortgesetzte großzügige Unter­ AN DER GEMEINSAMEN GESCHICHTE miteinander verbinden und so Gemeinsamkeit stiften, stützung aller 16 Länder wäre diese Fördertätigkeit auch über räumliche und zeitliche Distanzen hinweg. nicht möglich, für mich ein weiterer, sinnfälliger Beweis DER VERLORENEN SAMMLUNGEN GELINGEN.“ Es ist die Gründungsidee der Kulturstiftung der für die Stärke des Miteinanders! Länder, diejenigen Vorhaben im Bereich Kunst und Kultur zu fördern, die von gesamtstaatlicher Bedeu­ Ihr Dr. Britta Kaiser-Schuster, Dezernentin der Kulturstiftung der Länder tung in dem Sinne sind, dass in ihnen das Verbindende und Gemeinsame in unserer Gesellschaft sichtbar wird. Dabei kann es beispielsweise um die Erwerbung von Werken der bildenden Kunst und der Literatur ge­ hen, die zu Referenzpunkten unserer Erzählungen über kulturelles und gesellschaftliches Zusammenleben in Deutschland geworden sind. Ebenso wichtig sind in diesem Kontext aber auch Projekte, die Dialog und Austausch in Situationen fördern, in denen Kultur­güter zum Gegenstand von Erzählungen über Verlust und

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AUTOREN HANS-GEORG MOEK Trinks’ Leidenschaft gehört jedoch der 3 EDITORIAL Mediävistik. Für Arsprototo analysiert Mehrere 1.000 Kilometer ist Hans-Georg Trinks die sinistre Bildsprache des Renais­ 4 AUTOREN Moek schon durch den Berliner Friedrichs­ sancemalers Baldung und berichtet über hain gejoggt, bei seinem Training für die die sensationelle Entdeckung zweier Ironman-Distanz. Dennoch war er faszi­ unbekannter Tafeln des Künstlers, die mit INHALT ERWERBUNGEN niert, als er erfuhr, was sich dort 1945 im Hilfe der Ernst von Siemens Kunststiftung Flakbunker abgespielt hat. Es sind aber jetzt nach Karlsruhe gelangten. nicht nur die Geschichten, die ihn faszinie­ ––– Seite 80 9 DECKELTERRINE ren, sondern auch die Vielfalt der mögli­ für den Ruppiner Landrat Friedrich chen Erzählformate­ und Kommunikations­ Wilhelm von Schenckendorff kanäle. Hans-Georg Moek hat nach dem Studium der Philosophie und der Theo­ 1 0 SCHLITTSCHUHLÄUFER logie und einer Journalistenausbildung  beim RBB-Fernsehen und als Sprecher IM TIERGARTEN im brandenburgischen Ministerium für von Adolph Menzel Wissenschaft, Forschung und Kultur ANASTASSIA BOUTSKO gearbeitet. In der Kulturstiftung der Länder 12 ZWEI ALABASTERRELIEFS ist er Leiter der Kommunikation und 1972 als Tochter einer Musikwissenschaft­ Chefredakteur. Hier produziert er Texte mit der Verkündigung an Maria lerin und eines Komponisten in Moskau und Videos, Interviews, Slideshows und geboren, wuchs Anastassia Boutsko in einer Fotos oder sonstigen Social Media-Con­ 14 OUVERTÜRE ZU DEN „SZENEN weltoffenen Künstlerfamilie auf, die sich tent. In den Podcasts können Sie seine AUS GOETHES ‚FAUST‘“ gegenüber der offiziellen politischen Linie Stimme hören. ––– Seite 48 von Robert Schumann in der Sowjetunion kritisch verhielt. Nach ANNA SCHULTZ ihrem Studium der Linguistik und Philolo­ 15 gie zog es sie wie viele junge Menschen der Als Wissenschaftliche Mitarbeiterin der BIBLIOTHEK Perestroika-Generation mit Anfang zwanzig Kunstsammlung der Berliner Akademie der in den Westen, auf der Suche nach neuen Künste betreut Anna Schultz die Bestände der Grafen zu Stolberg-Wernigerode Herausforderungen und Chancen. Boutsko der Kunst des 19. Jahrhunderts, die entschied sich für die Journalistik und Plakatsammlung und den künstlerischen 16 KNABENKOPF (WILLI BLAB) arbeitete fortan für öffentlich-rechtliche Nachlass von John Heartfield. Ihre Be­ von Gabriele Münter Sender wie WDR, SWR, Deutschlandfunk geisterung für die deutsche Kunst des 19. und Deutschlandradio Kultur, zudem Jahrhunderts wurde während ihres Studi­ SKIZZE ZU FIGURENBILD schrieb sie für die Frankfurter Allgemeine ums in London geweckt. Zunächst speziali­ (DER MALER) Zeitung, Monopol sowie viele andere sierte sie sich auf die Kunst auf Papier, hier 15 deutsche und russische Medien. Vor 20 insbesondere Druckgrafik. Nach langjähri­ von Willi Baumeister Jahren wechselte Boutsko zur Deutschen ger Tätigkeit in der grafischen Sammlung Welle, zunächst als freie Mitarbeiterin, des British Museum trat sie in eine KONSOLTISCH dann als Redakteurin für Kultur und STEFAN TRINKS Stelle am Kupferstichkabinett an und von Franz Conrad Link Leben. Zu ihren Kernthemen gehört seit wechselte schließlich zur Berliner Akade­ Der Maler Hans Baldung, der in der mie der Künste. Seit einigen Jahren 2001 auch der sogenannte Beutekunst­ 17 THRONENDE MADONNA MIT KIND komplex. Bei ihren Recherchen und Künstlerinschrift auf dem Freiburger beschäftigt sie sich dort mit der Rolle der Publikationen vermeidet sie stets den Hochaltar stolz „Grien“ als seinen Beina­ Akademie für die Berliner Kunstproduk­ eines Lucchesischen Meisters einseitigen Blick auf dieses hochkompli­ men angibt, fesselt den Kunsthistoriker tion seit dem späten 17. Jahrhundert. Ihr zierte und dramatische „Wimmelbuch der Stefan Trinks nicht erst seit seinem Vortrag Interesse gilt insbesondere der Rekon­ Geschichte“ und möchte damit einen zu Baldung auf dem Symposion des struktion der seit Kriegsende in weiten SCHWERPUNKT Beitrag zum Dialog und dem gegenseitigen Mediävistenverbandes „Farbiges Mittel­ Teilen verschollenen bzw. zerstreuten Verständnis leisten. Für Arsprototo sprach alter“ im Jahr 2009. Der ausgebildete akademischen Lehrsammlung. Als sie 2013 DEUTSCH-RUSSISCHER- Boutsko mit Barbara Schneider-Kempf Mittelalterarchäologe buddelte auch schon erstmals das Depot der Kunstsammlung und Vadim Duda über Durchbrüche und in der Erde seiner Studienorte Bamberg betrat, fiel ihr ein im Zweiten Weltkrieg MUSEUMSDIALOG Hindernisse des Deutsch-Russischen und Berlin nach mehr oder weniger schwer beschädigtes Gemälde von Oscar Bibliotheksdialogs. ––– Seite 29 farbigen Hinterlassenschaften. Trinks, der Begas gleich ins Auge. Für Arsprototo 20 VERTRAUEN UND TRANSPARENZ seit 2017 das Kunstressort der Frankfurter erzählt Schultz, wie dieses kapitale Werk Allgemeinen Zeitung leitet, promovierte wieder für die Öffentlichkeit zugänglich Der deutsch-russische Kulturdialog über die renaissancehaften Skulpturen des gemacht werden konnte. ––– Seite 114 — von Britta Kaiser-Schuster 11. Jahrhunderts entlang des spanischen Jakobswegs. Seine Habilitation untersucht 24 eigenbewegte Stoffe vom frühen Mittelalter Titel: Clemente RAUB UND RETTUNG bis in die zeitgenössische Kunst, also von Bandinelli, Bildnis Die Ergebnisse des Forschungsprojekts den schwebenden Grabtüchern im Sepul­ des Bacchio Bandinelli, zur Geschichte russischer Museen crum Christi bis zu Jasper Johns’ „Flags“ im Zweiten Weltkrieg liegen jetzt als und den Bildteppichen der Moderne. Als Florenz, 16. Jh., Privatdozent am Kunsthistorischen Institut 74 × 47 cm; Vor- Buch vor — von Bernhard Schulz der Humboldt Universität unterrichtet er kriegsabbildung des Reliefs aus die Kunstgeschichte in ihrer gesamten 29 PIONIERARBEIT dem ehemaligen Breite, von den Elfenbeinschnitzereien der Kaiser-Friedrich- Barbara Schneider-Kempf und Beinzeit 42.000 v. Chr. bis hin zur Bild­ 24 Vadim Duda über den Museum Berlin sprache aktueller Musikvideos. Stefan Deutsch-Russischen Bibliotheksdialog — von Anastassia Boutsko 4 ARSPROTOTO 2 2019 5 8 0 DIE ERNST VON SIEMENS KUNSTSTIFTUNG Der Renaissancemaler Hans Baldung Grien INHALT — von Stefan Trinks AUSSTELLUNGEN 33 FALL 62: DIE WIEDERGEBURT 85 LEBENSMENSCHEN DES BACCIO BANDINELLI Das Lenbachhaus München präsentiert das Das Forschungsprojekt „Kriegsverluste deutscher Künstlerpaar Marianne von Werefkin und Museen“ klärt ungelöste Fälle auf Alexej von Jawlensky — von Naomi Rado — von Hans-Georg Moek mit Anastasia Yurchenko 8 9 KAISER UND SULTAN 38 NÄHE UND EINIGKEIT Das Badische Landesmuseum zeigt Orient und Ein Gespräch mit Zelfira Tregulova, der General- Okzident als Nachbarn in Europas Mitte direktorin der Tretjakow-Galerie in Moskau im 17. Jahrhundert — von Jennifer Scheibel 43 GEMEINSAMES KULTURELLES EIGENTUM 33 9 2 IMPRESSIONISMUS IN LEIPZIG Ein Gespräch mit Karina Dmitrieva, der wissenschaft­- Das Museum der bildenden Künste lichen Leiterin der Rudomino-Bibliothek in Moskau rekonstruiert Ausstellungen von Liebermann, Slevogt und Corinth — von Clara Vogel 46 VON TRAGENDER BEDEUTUNG Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg 95 NACHRICHTEN möchte einen frühitalischen Gefäßständer restaurieren 64 85 96 NEUE BÜCHER 4 8 FÜR DAS GEFÜHL EINES MITEINANDERS 97 FREUNDESKREIS / SERVICE Ein Gespräch mit Carsten Brosda über die 9 8 KUNST UND KULTUR IN DEN LÄNDERN gesellschaftspolitische Bedeutung von 104 ZAHLEN UND FAKTEN ZUR Kunst und Kultur — von Hans-Georg Moek KULTURSTIFTUNG DER LÄNDER 2019 52 104 KULTURELLES ERBE KULTURHAUPTSTADT VERMITTELN EUROPAS 2025 Rede zum Auftakt des 9. Kinder zum Acht Visionen für eine europäische Zukunft Olymp-Kongresses in — von Markus Hilgert

58 DIE MUSE DER STUNDE RESTAURIERUNGEN ’ Porträt der Kunsthändlerin in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen 11 0 VON KAOLIN ZU EPOXID — von Oliver Jungen Die „Elementvasen“ im Dresdner Residenzschloss — von Stephanie Tasch 6 4 AUS LICHT UND SCHATTEN 11 4 POMPEJI GERETTET Die Kunstsammlungen Gera konnten 28 Fotografien Oscar Begas’ Gemälde „Der Untergang von Aenne Biermann erwerben — von Johannes Fellmann Pompejis“ in der Berliner Akademie 71 EIN LÖWE FÜR DEN LÖWEN der Künste — von Anna Schultz Der „Liegende Löwe“ von August Gaul in der 11 8 MARIENKRÖNUNG James-Simon-Galerie auf der Berliner Museumsinsel Eine neapolitanische Altartafel im Lindenau- — von Natascha Königs Museum Altenburg — von Johannes Schaefer

PARTNER DER KULTURSTIFTUNG 1 2 0 IMPRESSUM / SOCIAL MEDIA / DER LÄNDER BILDNACHWEIS 121 FÖRDERER DER ERWERBUNGEN, 76 DIE HERMANN REEMTSMA STIFTUNG 89 AUSSTELLUNGEN UND Die Kunstpioniere Aby Warburg und RESTAURIERUNGEN IN DIESEM HEFT Hugo Simon — von Carolin Vogel 1 2 2 FREUNDESKREIS ARSPROTOTO 2 2019 7 ERWERBUNGEN SILBERNER ERWERBUNGEN ABSCHIED

Neuruppin, 1860: Die Ruppi- ner Kreisstände machen dem scheidenden Landrat, Fried- rich Wilhelm von Schencken- dorff (1794–1861), ein Ge- schenk. Der auf Wulkow bei Neuruppin ansässige Gutsbe- sitzer war als Major Teil des preußischen Militärs, bevor er der Provinz Brandenburg als oberster Vertreter der Kom- munalverwaltung diente. Steht Schenckendorff selbst für eine Phase der preußi- schen Verwaltung durch adlige Ständevertreter, die im späte- ren 19. Jahrhundert zuneh- mend durch ausgebildete Verwaltungsjuristen abgelöst wurde, so vermittelt sein Abschiedsgeschenk aus heuti- ger Perspektive ebenfalls deutliche Signale des Um- bruchs. Angefertigt wurde die opulente, silbervergoldete Deckelterrine mit Präsenta- tionsplatte in einer be- kannten Berliner Silber- warenfabrik, die 1819 mit königlicher Unterstüt- zung gegründet, seit 1859 von dem Hofgold- schmied Wagner und dem Kaufmann Sy geleitet wurde. Die Firma Sy & Wagner produzierte (auch seriell) anspruchsvolle Hand- werkskunst in traditionellen Formen, und in diesem Fall mit zeitgenössischen Motiven. Besonders auffallend ist die Darstellung des Neuruppiner Kreiskrankenhauses, für dessen Bau sich Schencken- „WAS AN DER WIRKLICHKEIT AUSDRUCKSVOLL IST, dorff eingesetzt hatte. Aus dem Kunsthandel mit Unter- HOLE ICH HERAUS, STELLE ICH EINFACH DAR, stützung der Kulturstiftung der Länder für die Museen OHNE UMSCHWEIFE, OHNE DRUM UND DRAN.“ Alte Bischofsburg in Witt- stock a. d. Dosse erworben, Gabriele Münter (1877–1962) vermittelt das Ehrengeschenk des Landrats künftigen Besu- cherinnen und Besuchern die Identität einer Region im Wandel, am Beispiel eines Kunstwerks an der Schwelle zur industriellen Revolution.

Deckelterrine auf Présentoir für den Ruppiner Landrat Friedrich Wilhelm von Schen­ SEITE 9–17, 58–75 ckendorff, 1860; Museen Alte Bischofsburg, Wittstock a. d. Dosse

ARSPROTOTO 2 2019 9 ERWERBUNGEN WINTER­ VERGNÜGEN

Wie kommt die Großstadt ins Bild? Adolph Menzel (1815 – 1905) war ebenso Chronist eines imaginierten historischen Preußen wie Beobachter seiner Gegenwart. In der kürzlich in einer Privatsammlung (wieder) entdeckten Darstellung von Schlittschuhläufern im Ber­ liner Tiergarten bringt er das Kunststück fertig, ein Medium des 18. Jahrhunderts – das Pastell – so zeitgenössisch aussehen zu lassen wie das neue Medium Fotografie. Nicht zuletzt, indem er eine traditionelle Technik einsetzt, um das moderne Leben mit seinen urbanen Vergnügungen in Kunst zu verwandeln. Entstanden zum Jahresbeginn 1856, nach seinem ersten Paris-Besuch, skizziert Menzel, was die Fotografie damals noch nicht leisten kann: Vor unseren Augen weitet sich der Blick in den verschneiten Park, eine Gruppe von Eisläufern kommt frontal auf uns zu, um sich kurz vor der Kollision (oder der Grenze zwischen Bild und Realität) zu teilen. Menzel notiert Bewegung und Atmo- sphäre, Individuen zwischen Schwung und Sturz. Dabei arrangiert er seine Menge wie ein Choreograph; denn bei aller scheinbaren Spontaneität, die zur Technik der Pastell- kreide gehört, sehen wir eine Komposition, keinen sponta- nen Eindruck vor dem Motiv, wie eine Studie für die tänze- risch bewegte Frauen­figur im Vordergrund in einem der Skizzenbücher Menzels (Kup- ferstichkabinett – Staat­liche Museen zu Berlin) zeigt. Mit Unterstützung der Kultur­ stiftung der Länder in einer Versteigerung erworben, bereichern die „Schlittschuh- läufer“ nun im Berliner Kupferstichkabinett den weltweit größten und bedeu- tendsten Bestand an Werken Menzels.

Adolph Menzel, Die Schlitt­ schuhläufer, 1855/1856, 36,8 × 52,8 cm; Staatliche Museen zu Berlin, Kupfer­ stichkabinett

10 ARSPROTOTO 2 2019 11 ERWERBUNGEN Maria, durch den Erzengel Gabriel im Erforschung des ursprünglichen Entste­ zugte man den besonders weißen Stein Vorstellbar ist eine Einbindung in Reta­ niederländischen Skulptur im Museum Landeanflug aufgeschreckt, verharrt hungszusammenhangs der Werke bisher in hellgrauer Marmorierung, der von bel oder Lettner, der architektonischen Schnütgen. schon mit andächtiger Händefaltung: Sie nicht möglich. Jetzt will das Museum kräftigen, dunkelgrauen Adern durch­ Schranke zwischen Laien und Mönchen IN FROHER hat die Verkündigung erhalten und wird Schnütgen in Köln seine Neuerwerbung zogen ist. Ganz ungewöhnlich ist auch, bzw. Priestern in Kloster- und Stiftskir­ Alabasterreliefs mit der Verkündigung den Wunsch Gottes erfüllen, seinen aus der Blütezeit der Alabasterskulptur dass die Schriftbänder erhaben aus dem chen. Als national bedeutende Zeugnisse an Maria, um 1410 –1420, Sohn auf die Welt zu bringen. Über 100 des sogenannten Schönen Stils genauer Material geschält wurden. Eine spätere aus der Blütezeit der vermutlich im 28,5 × 28,5 × 6 cm; Museum ERWARTUNG Jahre befanden sich die beiden erstrangi­ unter die Lupe nehmen. Über das Mate­ Zutat wird die farbige Fassung sein, höfischen Auftrag entstandenen Kunst Schnütgen, Köln gen Alabasterreliefs aus dem frühen 15. rial glaubt Direktor Moritz Woelk dem ergaben bereits Materialuntersuchungen. der Internationalen Gotik schließen die Jahrhundert in deutschem Privatbesitz. Ursprung der Reliefs näherzukommen. Bei der ursprünglichen Aufstellung der beiden Reliefs eine klaffende Lücke Deshalb war eine wissenschaftliche In den südlichen Niederlanden bevor­ Reliefs gibt es noch Klärungsbedarf: der Präsentation der rheinischen und

12 ARSPROTOTO 2 2019 13 ERWERBUNGEN ÖFFENTLICHES WISSEN

Eine von Graf Wolf Ernst zu Stolberg (1546 –1606) begründete Bibliothek zählte mit geschätzten 4.000 Bänden im 16. Jahrhundert zu den größten in den deutschen Landen. Nachfolgende Generationen schenkten ihr kaum Beachtung, erst unter Graf Christian Ernst zu Stolberg-Wernigerode (1691–1771) erlebte die Bibliothek eine neue Blütezeit. Der Graf erklärte die Bibliothek bereits 1746 zur „Öffentlichen Bibliothek“, woraufhin die mittlerweile 10.000 Bände nun zweimal wöchentlich von wissen- schaftlichen Interessenten eingesehen werden konnten. Auf über 135.000 Bände war die Bibliothek in den 1920er-Jahren angewachsen, doch das Fürstenhaus war aufgrund massiver wirtschaftlicher Schwierigkeiten zum Verkauf der wertvollsten Exemplare gezwungen. Allein der renommierte Berliner Buchantiquar Martin Bres- lauer (1871–1940) verkaufte rund 35.000 Bände, bevor die Zusammen- arbeit mit dem als Juden verfolgten Experten 1933 beendet wurde. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde die Bibliothek geschlossen. Eine russische Trophäenkommission transportierte nach Kriegsende den größten Teil der Drucke in die Sowjet­union ab, weitere Bände gingen in den Besitz des Landes Sachsen-Anhalt über. 2017 bot ein Potsdamer Antiquariat 55 Bücher aus den von Breslauer verkauften Bestän- den zum Verkauf an. Mit Hilfe der Spannungsreiche Streicher Kulturstiftung der Länder erwarb die Schloss Wernigerode GmbH den Wohlbekannt ist Robert Schumanns (1810 – Kulminationspunkt des Schumann’schen Querschnitt durch die einstigen Bestände, darunter Gesangbücher 1856) Begeisterung für das literarische Komponierens nennen kann: Die expressi­ und Bibeln – auf Deutsch, Türkisch Werk Goethes, die „Faust-Szenen“ nehmen ven Schwünge der Crescendi vereinen sich und Hebräisch –, technologische im Œuvre des Komponisten einen exzepti­ auf dem Papier mit Akzentuierungen und Fachbücher, zoologische, astrologi- sche und philosophische Werke. Die onellen Rang ein. Weit weniger bekannt ist Anmerkungen des Komponisten. Zusam­ Bände stammen vor allem aus der hingegen Schumanns Handschrift zu den men evozieren sie das spannungsgeladene ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts „Szenen aus Goethes Faust“. Ursprünglich Schriftbild, das der Dramatik der zweistün­ und spiegeln eindrücklich die Inte­ der Sammlung Wiede entstammend, kam digen musikalischen Aufführung bereits ressen und Sammelleidenschaft des Grafen Christian Ernst wider. Das das Werk erst im vergangenen Jahr bei einer vorauseilt. Inspiriert wurde die innovative erworbene Konvolut ist nun in Versteigerung in Paris wieder ans Licht. Mit Komposition, an der Schumann in mehre­ historischen Schränken wieder im Unterstützung u. a. der Kulturstiftung der ren Schüben in der Zeit von 1844 bis 1853 Schloss Wernigerode der Öffentlich- keit zugänglich. Länder konnte das Freie Deutsche Hoch­ schrieb, vom Text des Faust II. stift in Frankfurt am Main das Autograph erwerben und damit nun erstmals in einer Die Ouvertüre zu Schumanns „Szenen aus öffentlichen Sammlung zugänglich ma­ Goethes ‚Faust‘“ in der Handschrift des chen. Die Notationsskizzen fallen in keiner Komponisten (2. Fassung), Klavierauszug, Weise hinter das zurück, was man den 1853; Freies Deutsches Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum 14 BELLA FIGURA 1958 legte der Direktor Rudolf Bornschein mit dem Ankauf des Gemäldes „Peruanische Mauer“ von Willi Baumeister (1889 –1955) den Grundstein für den Sammlungsschwerpunkt des Saarland­ museums. Mit „Skizze zu Figurenbild (Der Maler)“ erwirbt das Saar­brücker Museum jetzt ein Frühwerk des Bauhaus-Malers. Willi Baumeister, Skizze zu Figurenbild (Der Maler), 1923, 65 × 46,5 cm; Saarlandmuseum, Saarbrücken

DER NACHBARSJUNGE Nachdem Gabriele Münter (1877–1962) im Sommer 1908 mit ihrem Partner Wassily Kandinsky und dem befreundeten Paar Werefkin-Jawlensky in Murnau gemalt hatte, verbrachte sie den Winter in München. Dort, in der Adalbertstraße 19, befanden sich ihr Atelier und die Wohnung des Vergolders August Blab, dessen siebenjährigen Sohn Willi Blab die Expressionistin verbildlichte. In Köln zeigte Münter im gleichen Jahr erstmals ihr Schaffen in einer Ausstellung. 1925 setzte sich – ebenfalls in Köln – der Leiter des Kölner Kunstvereins, Josef Haubrich, für ihre erste Einzelaus­ stellung ein. Haubrichs Sammlung bildet heute den Grundstock des Museum Ludwig, in dessen Dauerausstellung jetzt auch das Porträt Blabs einen Platz einnimmt. Gabriele Münter, Knabenkopf (Willi Blab), 1908, 39,7 × 33,1 cm; Museum Ludwig, Köln TRADITION DER THRONENDEN Ein unbekannter Maler kombinierte im italienischen Lucca um 1260/70 die damals typischen Motive der stehenden und der sitzenden Madonna und beeinflusste damit nachfolgende 61 EINZELTEILE Künstlergenerationen maßgeblich. Die Dank des kunstsinnigen Kurfürsten Carl Theo- „Thronende Madonna mit Kind“ steht dor von der Pfalz (1724 –1799) lief nicht nur die am Anfang der europäischen Tafelbild- Residenzstadt Mannheim, sondern auch die tradition. Franz von Lenbach brachte benachbarte Frankenthaler Manufaktur zu das Bild im 19. Jahrhundert nach Höchstform auf. Aus vermutlich 61 Teilen wurde München. Seine Tochter Gabriele von dort um 1770 das wohl weltweit größte aus Neven DuMont übergab es 1968 als Porzellan gefertigte Möbel geschaffen. Der mit Dauerleihgabe ins Wallraf-Richartz- dem Monogramm des Kurfürsten geschmückte Museum & Fondation Corboud. Konsoltisch verschwand auf unbekannten Wegen Nachdem ein Abzug durch die Eigen- und tauchte erst 1991 bei einer Auktion wieder tümer noch rechtzeitig abgewendet auf. Nach über siebzehn Jahren in Privatbesitz ist werden konnte, wird das bis heute dieses Zeugnis höfischer Repräsentation nun an älteste Gemälde des Museums nun seinen historischen Standort im Mannheimer dauerhaft in Köln gezeigt. Schloss zurückgekehrt. Lucchesischer Meister, Thronende Franz Conrad Link, Konsoltisch mit Franken­ Madonna mit Kind, um 1260/70, thaler Porzellanzarge, um 1770, 104 × 63 cm; Wallraf-Richartz- 84 × 99 × 52 cm; Schloss Mannheim Museum & Fondation Corboud, Köln Ruine des Zarenschlosses SCHWERPUNKT Gattschina, um 1944 DEUTSCH-RUSSISCHER MUSEUMSDIALOG

„KULTUR WAR IMMER EINE PLATTFORM, AUF DER ÜBEREINSTIMMUNGEN UND KOMPROMISSE MÖGLICH WAREN. IN UNSERER ARBEIT WOLLEN WIR ERKLÄREN, ZEIGEN UND ERZÄHLEN, DASS UNS VERBINDET, WAS UNS EIGENTLICH VONEINANDER TRENNEN SOLLTE."

Ekaterina Genieva (1946 –2015), ehemalige ­Generaldirektorin der Allrussischen Staatlichen ­M.-I.-Rudomino-Bibliothek für ausländische Literatur in Moskau

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18 ARSPROTOTO 2 2019 19 SCHWERPUNKT DEUTSCH-RUSSISCHER MUSEUMSDIALOG ein umfangreiches Buchkonvolut der Gemälden an die Staatlichen Kunst­ Konferenzen von Jalta Rossi-Bibliothek aus deutschem Privat­ sammlungen als Freundschafts­ (Februar) und Potsdam (Juli/August). besitz nach Schloss Pawlowsk zurückge­ geste für den Militärpartner DDR an­ Im Februar erfolgt die Grün- führt. Seit 2015 konnten aus Privatbesitz gekündigt. Die noch im gleichen Jahr dung einer Sonderkommission mehrere Rückgaben an ein Partnermu­ erfolgte erste Restitution von bedeuten­ 1945 mit dem Ziel, die Koordinie- rung des Abtransports von VERTRAUEN UND seum in Nowgorod erfolgen. 2017 den Werken Dürers, Jan van Eycks sowie Trophäengut, unter anderem kehrte nach über 70 Jahren das Gemälde von Raffaels „Sixtinischer Madonna“ von musealer und generell „Waldweiher“ (1881) von Wassili D. bildete den Auftakt der umfangreichen kultureller Bedeutung, zu übernehmen. Mit der Erklä- Polenow aus der Kunsthalle Kiel zurück Aktion, durch die ab September 1958 rung der deutschen Gesamt­ TRANSPARENZ ins südrussische Taganrog. Polenovs Bild wertvolle Kunstschätze aus Moskau und kapitulation am 8. Mai endet war eines von mehr als 4.500 Kunst­ dem damaligen Leningrad zurückkehr­ der Zweite Weltkrieg. werken, die Taganrog während der ten. Sie wirkte als Impuls für den Wie­ Im Oktober erlässt die Sowjet- Der deutsch-russische Kulturdialog der regierung ein Ausstellungs­ deutschen Okkupation verloren hatte. deraufbau der kriegszerstörten Museen verbot von aus Nachkriegs- Kulturstiftung der Länder Diese Rückgaben werden in Russland in Mittel- und Ostdeutschland: Anfang deutschland verlagerten mit großer Freude gefeiert und stehen Oktober 1959 wurden das Pergamon­ Kunstwerken. Dieses Verbot von Britta Kaiser-Schuster kann als erster Schritt einer für den hohen Stellenwert­ dieser einzel­ museum mit dem zurückgekehrten einzig­ Geheimhaltung von kriegs­ nen Gesten von Wiedergutmachung. artigen Altarfries sowie große Teile des bedingt verlagertem Kulturgut Mit dem Projekt „Verlust + Rück­ Bode-Museums wiedereröffnet. Ähnlich angesehen werden. Gründung der amerikanischen gabe“ startete der Deutsch-Russische war es in Dresden, wohin 600.000 Central Collecting Points in ie Kulturstiftung der Länder land erzielt werden. Forschungen zur Museumsdialog 2008 seine Initiative. Kunstwerke zurückgegeben wurden, aber 1907 Haager Landkriegsordnung, die München und Wiesbaden versteht sich seit ihrer Gründung Sammlungsgeschichte zu unterstützen jede vorsätzliche Entfernung, Anlass war der 50. Jahrestag der zweiten auch in Dessau, Gotha, Leipzig oder in Abtransport von Kultur­ im Jahr 1988 als Förderin und sowie die Wege der einzelnen Kunst­ Zerstörung oder Beschädigung großen Rückgabeaktion von über 1,5 den Potsdamer Schlössern gab es spekta­ 1945— gütern aus deutschen Beraterin der Museen, Bibliothe­ werke während des Krieges und danach von Denkmälern und Kunst- Millionen Kunstwerken aus der Sowjet­ kuläre Wiedereröffnungen. Unter Beteili­ 1947 Museen, Bibliotheken und werken untersagt ken und Archive in Deutschland. für die deutschen und russischen Museen union an die Deutsche Demokratische gung von 28 deutschen Museen hat der Archiven in die Sowjetunion D Rückgaben von Kultur­ So ist es ihr auch ein Anliegen, wichtige zu rekonstruieren, bilden einen besonde­ Republik in den Jahren 1955 bis 1958. DRMD 2008 an dieses Ereignis erinnert: 1945— kulturpolitische Themen aufzugreifen ren Schwerpunkt der Aktivitäten des Insgesamt hatten die deutschen Museen 50 Jahre danach zeigten dazu neun der gütern aus den Central 1948 Collecting Points an die und in Projekten mit Modellcharakter zu DRMD. Restitutionsfragen werden in über 2,5 Millionen Kulturgüter verloren. beteiligten Museen in Ausstellungen die Sowjetunion bearbeiten. diesem Zusammenhang ausgeklammert, Am 31. März 1955 hatte der Minister- Geschichte ihrer zunächst verlorenen und 1948 Alle Informationen über Als Einrichtung, die im Auftrag der sie sind auf Regierungsebene zu behan- rat der Sowjetunion die Rückgabe von dann wiedergewonnenen Kunstwerke. kriegsbedingt verlagerte 16 Länder Vorhaben und Initiativen von deln. Kunstbestände in sowjeti- gesamtstaatlicher Bedeutung im Bereich In den letzten Jahren hat sich der schen Museen werden in Kultur fördert, unterstützt die Kulturstif­ DRMD zu einem wichtigen Fundament der UdSSR als Staatsge- heimnis eingestuft. tung der Länder den Austausch zwischen deutsch-russischer Kulturbeziehungen kulturerhaltenden Institutionen in entwickelt. Er ist vertrauenswürdiger Russland und Deutschland aktiv und Ansprechpartner für Museen und Kul­ engagiert. tur­einrichtungen in beiden Ländern und In diesem Kontext ist der Deutsch- übernimmt zunehmend Beratungsauf­ Russische Museumsdialog (DRMD) zu gaben, beispielsweise bei der Suche nach sehen, der 2005 in Berlin gegründet geeigneten Kooperationspartnern. So wurde, um den fachlichen Austausch startete 2019 auf Empfehlung der Kul­ und neue Kooperationen zwischen turstiftung der Länder die Staatliche deutschen und russischen Museen auf Tretjakow-Galerie in Moskau eine Zu­ den Weg zu bringen. In bilateralen sammenarbeit mit den Staatlichen Forschungsprojekten werden die Kriegs­ Kunstsammlungen Dresden. Das Inter­ verluste deutscher und russischer Museen view, das Arsprototo aus diesem Anlass bearbeitet. Der Dialog wurde initiiert mit Zelfira Tregulova, der Generaldirek­ Überfall der deutschen Wehr- von der Stiftung Preußischer Kulturbe­ torin der Tretjakow-Galerie, in Moskau macht auf die UdSSR; in der Folge werden russische, ukrai- Rückgabe von Kunstwerken sitz, der Kulturstiftung der Länder und geführt hat, finden Sie ab Seite 38 in nische, weißrussische Museen, aus Moskau und Kiew an über 80 deutschen Museen, um deutsch- diesem Heft. Auch bei der Erforschung Bibliotheken und Archive von die Dresdner Gemälde­ russische wissenschaftliche Vorhaben zu und Organisation von Restitutionen von verheerenden Zerstörungen galerie, darunter die und Verlusten betroffen. Rückgabe von Teilen 1955 „Sixtinische Madonna“ verstärken und auch kleinere Häuser in Kulturgütern, die aus Deutschland an 1941 der Rossi-Bibliothek beiden Ländern einzubeziehen. Damit die russischen Herkunftsmuseen zurück­ Auf Beschluss des Staatlichen in Leipzig: Alexej Beitritt der UdSSR zur soll nicht nur Aufklärung über die gegeben werden können, übernahm der Verteidigungskomitees der Gusanow vom Schloss- Haager Konvention zum 1943 UdSSR (GKO) werden im museum Pawlowsk (r.) Schutz von Kulturgut bei kriegsbedingt verbrachten Kunst- und DRMD die Federführung. So wurde Februar sogenannte Trophäen- und Stephan Graf von bewaffneten Konflikten Kulturgüter in Deutschland und Russ­ 2013 auf Basis bisheriger Forschungen brigaden ins Leben gerufen. der Schulenburg (l.) 1957 (BRD seit 1967)

20 ARSPROTOTO 2 2019 Wassili D. 1958 Insgesamt werden über 1950er-Jahre. Nachgezeichnet wurden diesem Heft. Nach den Katalogen zu den Polenow: Wald- 1,5 Millionen Kunstwerke weniger die Geschichte der einzelnen Sammlungen Friedrich-Werner Graf von weiher, 1881, von der UdSSR an die 134,5 × 90,5 cm; DDR zurückgegeben. Kunstwerke, sondern der einzelnen der Schulenburg (2009) und Peter Graf Kunstmuseum Sammlungen, die Wege zurück in ihr Yorck zu Wartenburg (2012) erschien Taganrog Herkunftsmuseum, ihre Weitertrans­ 2019 die Publikation des Katalogs der porte innerhalb der Sowjetunion oder „Bücher der Bibliothek der Grafen ihre Verlagerung durch die Deutsche Hardenberg in russischen Sammlungen“. Wehrmacht. Das deutsch-russische Der Katalog verzeichnet circa 600 Bü­ Forschungsprojekt wurde unterstützt cher in sechs russischen Bibliotheken. Weitere Ausstellungen von durch die Volkswagen-Stiftung. Gemeinsam recherchierten diese die 1994 kriegsbedingt verlagertem Mit der Publikation „Russische Herkunft ihrer Bestände und erschlossen Kulturgut in St. Petersburg Museen im Krieg“ starteten die Kultur­ so ein weiteres Kapitel der Geschichte und Moskau stiftung der Länder und die Stiftung deutsch-russischer Kulturgutverlagerun­ Preußischer Kulturbesitz dieses Jahr ihre gen. Sämtliche der 15.000 Bände, welche neue Schriftenreihe „Studien zu kriegs­ die Bibliothek des preußischen Staats­ bedingt verlagerten Kulturgütern“ und kanzlers und Reformers von Hardenberg setzten damit ein Zeichen für die bilate­ bei seinem Tod zählte, wurden im Zuge rale wissenschaftliche Kooperation. der Bodenreform in der sowjetischen 1999 Das von der russischen Jenseits der Initiativen im Museums­ Besatzungszone in Staatseigentum über­ Duma 1995 vorbereitete bereich verbindet die Kulturstiftung der führt. Während eine Hälfte in Deutsch­ Gesetz, das deutsches kriegs- bedingt verlagertes Kulturgut Länder mit der Allrussischen Staatlichen land verblieb und sich heute in der zu russischem Eigentum M.-I.-Rudomino-Bibliothek für auslän­ Zentral- und Landesbibliothek Berlin erklärt, tritt endgültig in dische Literatur in Moskau bereits seit befindet, transportierte die Rote Armee Kraft. 2006 eine erfolgreiche Kooperation im vermutlich 600 Bände ab. Der Verbleib Kontext der Publikationsreihe über der restlichen Bestände ist bis heute 2002 Die mittelalterlichen Glas- die „Bibliotheken des deutschen Wider­ ungeklärt. fenster der Marienkirche stands“, deren Erstellung die Kultur­ Damit ist ein für die Forschung und kehren nach Frankfurt/Oder zurück. stiftung der Länder unterstützt. Ein in die interessierte Öffentlichkeit wichtiger Moskau geführtes Interview mit Karina Schritt in Richtung Aufklärung unter­ Dmitrieva, wissenschaftliche Leiterin in nommen worden. Diese Form der ge­ der Bibliothek, finden Sie ab Seite 43 in meinsamen Erforschung deutscher Mit der Erforschung der Verluste deut­ Forschungs­projektes. Auch die Unter­ wie russischer Kriegsverluste steht im scher Museen in Kriegs- und Nachkriegs­ suchungen zu den vermissten Kunst­- Zentrum der Kooperation zwischen zeit hinsichtlich kriegsbedingt verbrach­ werken des Museums Schloss Frieden­ der Kulturstiftung der Länder und der ter Kulturgüter in die Sowjetunion, sehr stein in Gotha mündeten in eine Zusam­ Rudomino-Bibliothek wie auch der konkret der Rekonstruktion der Ge­ menarbeit mit dem Puschkin-Museum Arbeit des Deutsch-Russischen Biblio­ in Moskau, das 2016 nicht nur die erste theksdialogs. Deutsche und russische 2008 Veranstaltung im Pergamon- schichte der einzelnen Objekte, unter­ museum „Verlust + Rückgabe“ stützt der DRMD seit 2008 die Museen große Cranach-Ausstellung in Russland, Bibliotheken haben sich – auf Initiative des DRMD aus Anlass des darin, größere Klarheit über Art und sondern auch erstmals wieder nach Im Zuge der politischen und der Rudomino-Bibliothek und der 50. Jahrestages der großen Umfang ihrer verlorenen Kunst zu dem Zweiten Weltkrieg die komplette gesellschaftlichen Umbrüche in Kulturstiftung der Länder analog zum Rückgabeaktion in den der Sowjetunion beginnt eine 1950er-Jahren gewinnen. Auf dieser Basis können die Gothaer Cranach-Sammlung zeigte. Diskussion über bis dahin mehr Deutsch-Russischen Museumsdialog – Wege der Kunstwerke von deutschen 2017 war das Puschkin-Museum dann oder weniger geheimgehaltene 2009 zu einem Bibliotheksdialog und russischen Kolleginnen und Kolle­ zu Gast in Gotha mit Meister­werken Bestände von kriegsbedingt zusammengeschlossen. gen gemeinsam untersucht sowie in der französischen Kunst. 1989/ verlagertem Kulturgut. Nur durch gegenseitiges Vertrauen, Publikationen und Ausstellungen der Jenseits der Verlustgeschichte deut­ 1990 In der Eremitage werden den ungehinderten Zugang zu den Öffentlichkeit wieder zugänglich ge­ scher Museen wurde die Aufarbeitung Exponate aus einem Konvolut Archiven und durch Transparenz kann macht werden. Gelungene Beispiele auf der Geschichte der russischen Verluste der Bremer Kunsthalle aus­ die Arbeit an der gemeinsamen Ge­ Basis der detaillierten Objektrecherchen befördert. Mehr als 170 russische Mu­ gestellt („Baldin-Sammlung“). schichte der verlorenen Sammlungen Die Kunstschätze wurden des DRMD sind die Kooperationen seen waren von Kriegsverlusten betrof­ nach dem Zweiten Weltkrieg gelingen und auf dieser Basis ein neues zwischen den Berliner Gemälde- und fen. Untersucht wurden deshalb exem­ in die UdSSR gebracht. Kapitel deutsch-russischer Kultur­ko­ Skulpturensammlungen der Staatlichen plarisch die bedeutendsten Sammlungen Abkommen über kulturelle operationen eröffnet werden. Museen zu Berlin und dem Puschkin- in Nowgorod und Pskow sowie der vier Zusammenarbeit zwischen Dr. Britta Kaiser-Schuster ist Dezer­nentin Museum in Moskau im Rahmen des Zarenschlösser um Sankt Petersburg, Deutschland und Russland. und Projektleiterin „Deutsch-Russischer Die Vereinbarung sieht u. a. Zurückgegeben an die Akademie der Künste Berlin: Ausstellungsprojektes „Das verschwun­ Zarskoje Selo, Peterhof, Gattschina und die Restitution verschollener das von Anton Graff gemalte Porträt von Johann Museumsdialog“ bei der Kulturstiftung der dene Museum“ und des Donatello- Pawlowsk von 1941 bis in die frühen oder unrechtmäßig ver- Friedrich Reinecke aus der Städtischen Galerie Länder. brachter Kulturgüter an Dresden 1992 deren Eigen­tümer vor.

22 ARSPROTOTO 2 2019 23 SCHWERPUNKT DEUTSCH-RUSSISCHER MUSEUMSDIALOG RAUB UND RETTUNG. RUSSISCHE MUSEEN IM ZWEITEN WELTKRIEG Die Ergebnisse des großen Forschungsprojekts zur Geschichte russischer Museen im Zweiten Weltkrieg liegen jetzt in Buchform vor von Bernhard Schulz

ie Frage der Rückgabe kriegsbe­ sowjetischen Sieg über Hitlerdeutschland Eingestürzte Decke des Thron- dingt verlagerter Kulturgüter brandmarkten. Mit dem 1996 von der saals im Katharinen­palast in menhang mit der sowjetischen Ge­ Russische Museumsdialog“ – heißt es fand in den ersten Jahren nach Staatsduma der Russischen Föderation Puschkin, September 1941. schichte gegeben. Wie sich im Rückblick zusammenfassend in der Verlautbarung Fotografie der Propaganda­ der deutschen Wiedervereini­ verabschiedeten und 1999 nach einem kompanien der Wehrmacht zeigt, mangelte es an Kenntnis insbeson­ zum zehnjährigen Bestehen – „wurde D gung in der Öffentlichkeit gro­ entsprechenden Verfassungsgerichtsurteil dere der Ereignisse des Zweiten Weltkrie­ 2005 von der Stiftung Preußischer ßen Widerhall. Man erwartete die Rück­ endgültig in Kraft getretenen Gesetz ges, die überhaupt erst zum Phänomen Kulturbesitz, der Kulturstiftung der kehr zahlreicher, im und nach dem Krieg zur Verstaatlichung­ der Beutekunst der Beutekunst geführt hatten. Die Länder und über 80 deutschen Museen verloren gegangener Kunstwerke aus der verschwand das Thema aus der aktuellen Kriegserfahrung der Sowjetunion, die in Berlin gegründet, um Aktivitäten und Sowjetunion und ihren Nachfolgestaa­ Politik und wird seither allenfalls noch nach deren Auflösung 1991 zur Vorge­ Kontakte zwischen deutschen und rus­ ten. Doch die Hoffnungen erfüllten sich kursorisch erwähnt, als Merkposten für schichte der neubegründeten Russischen sischen Museen auf der Fachebene zu nicht. Im Gegenteil wurden diejenigen Unerledigtes. Föderation, aber ebenso Weißrusslands, ermöglichen oder zu intensivieren.“ russischen Stimmen immer lauter, die Es hat in den frühen 1990er-Jahren der Ukraine sowie aller weiteren im Ausdrücklich wurde im Jahr 2015 hinzu­ die Herausgabe von „Trophäenkunst“ in Deutschland wenig Verständnis für Westen der Sowjetunion gelegenen gesetzt: „Die Frage von Rückgabeforde­ rundweg ablehnten und als Verrat am die russische Position und ihren Zusam­ Nachfolgestaaten wurde, blieb in der rungen wird in diesem rein fachlichen Bundesrepublik und dann im vereinten Kontext ausgeklammert, sie ist auf Deutschland unbeachtet. Erst mit dem Regierungsebene zu klären.“ Scheitern der auf – völkerrechtlich Das sind nüchterne Sätze; aber durchaus wohlbegründete – Rückgabe­ hinter ihnen verbirgt sich eine tiefere ansprüche pochenden, offiziellen deut­ Einsicht. Der Historiker Wolfgang schen Politik gewann die Einsicht Eichwede, Gründer und langjähriger ­brei­teren Raum, dass der Weg zu einer Direktor der Forschungsstelle Osteuropa befriedigenden Lösung nur über die an der Universität Bremen, hatte die wechselseitige Annäherung und die Bemühungen um Rückgabe von Beute­ Vertiefung der historischen Kenntnisse kunst schon vor dem Fall des Eisernen erfolgen könne, und dies nicht auf Vorhangs begleitet, angeregt durch das staatlich-diplomatischer Ebene, sondern besondere Schicksal der Sammlung der auf der der unmittelbaren Akteure, Kunsthalle Bremen. Die Kulturstiftung nämlich der betroffenen Museen, Ar­ der Länder übertrug Eichwede die chive und kulturellen Einrichtungen. ­wissenschaftliche Leitung des 2009 Aus dieser Einsicht heraus und dem an­-ge­stoßenen Forschungsprojekts zur Willen, neue Wege der Verständigung zu ­Geschichte der russischen Museen im Mariä-Schutz-Ikone, um die Wende des 16. zum 17. Jahrhundert; Dreifaltigkeits­ suchen, entstand 2005 der Deutsch-Rus­ Zweiten Weltkrieg. Die Projektleitung Der Katharinenpalast in Puschkin bei St. Petersburg heute kathedrale, Pskow sische Museumsdialog. „Der Deutsch- als solche lag in den Händen von Britta

24 ARSPROTOTO 2 2019 25 Kaiser-Schuster. Die Ergebnisse des das „Verhalten der Truppe im Ostraum“ nötigen Genauigkeit erfasst. Darüber Forschungsprojekts sind nunmehr in vom 3. November 1941 zitiert. Darin aber fand jahrzehntelang kein Austausch Buchform veröffentlicht in dem umfang­ heißt es: „Im Übrigen liegt das Ver­ auf der Museumsebene statt. Wenn die reichen Band „Raub und Rettung. Rus­ schwinden der Symbole einstiger Bol­ Museen in der Sowjetunion so etwas wie sische Museen im Zweiten Weltkrieg“. schewistenherrschaft, auch in Gestalt Inseln halbwegs freier Geistigkeit gebil­ Darin macht Wolfgang Eichwede die von Gebäuden, im Rahmen des Vernich­ det hatten, so waren sie in vielen Fällen Intention des Forschungsprojekts noch­ tungskampfes. Weder geschichtliche auch Inseln selbstgenügsamer Abge­- mals deutlich. „Kunstraub ist nicht nur noch künstlerische Rücksichten spielen schlossenheit. und nicht einmal primär eine Sache der hierbei im Ostraum eine Rolle.“ Diese Das hat sich gründlich gewandelt. Statistiken und Zahlen – so erschütternd Vorschrift gilt es im Gedächtnis zu Seit 1999 gibt das russische Kulturminis­ ihre Größenordnungen sein mögen“, behalten, betrachtet man die im Buch terium eine fortlaufende Dokumentation schreibt Eichwede: „Um ein realitäts­ publizierten Fotografien, die die – teils der Kriegsverluste nach Orten und nahes Bild des Kunstraubs zu bekom­ mutwilligen und erst nach den Kampf­ Sachgebieten heraus, die inzwischen auf men, müssen seine unmittelbaren Opfer handlungen erfolgten – Zerstörungen an 18 Bände in 50 Büchern angewachsen – die Museen und ihre Sammlungen – in den Schlössern zeigen. ist. Zugleich konnten die in der unmit­ den Mittelpunkt treten. Erst die Rekons­ Das Forschungsprojekt formt aus telbaren Nachkriegszeit angegebenen, truktion ihrer Geschichte erlaubt es, die zahllosen Einzelereignissen, eben der von stets bis zum letzten Objekt addierten tatsächlichen Dimensionen dessen, was Eichwede angewendeten Methode der Verlustzahlen der Schlösser deutlich nach zerstört und verschleppt worden ist, zu Historische Aufnahme des Bernsteinzimmers­ im Mikrogeschichte, ein Bild des deutschen unten korrigiert werden. Denn nach ermessen. Zielte der Krieg darauf, den Katharinenpalast in Zarskoje Selo (Puschkin), Umgangs mit den eroberten Städten, Objekten, die einmal als Verlust katalogi­ Museen ihre Identität zu nehmen, ist der ca. 1938 Gebäuden und Sammlungen, das das siert waren, wurde nicht weiter gesucht. hier konzipierte Forschungsansatz von Ausmaß an Zerstörung, Plünderung und Sie fanden sich indessen oftmals an der vorsichtigen Hoffnung getragen, nicht zuletzt ordinärem Diebstahl durch anderen als ihren Vorkriegsstandorten ihnen diese – auch für die Epoche des Wehrmachtsangehörige vor Augen führt. wieder, ohne näher auf ihre Herkunft Krieges – wenigstens in Bruchstücken Die Fotografien der Zarenschlösser hin untersucht worden zu sein. Da hat zurückzugeben.“ machen den heutigen Betrachter fas­ der fachliche Austausch im Rahmen des Das Forschungsprojekt – Eichwede sungslos. Nur gestreift wird im Buch die Museumsdialogs viel zur Klärung bei­ spricht hier von „Mikrogeschichte“ – Problematik, dass die Zarenschlösser tragen können. nahm sich die Museen der Städte Pskow auch vor Kriegsbeginn bereits erhebliche Über all das berichtet das vorlie­ und Nowgorod sowie die vier Zaren­ Verluste zu verzeichnen hatten. So heißt gende Buch auf der Grundlage der schlösser und Ensembles von Peterhof, es an einer Stelle eher beiläufig: „In der Forschungen des Museumsprojekts Zarskoje Selo, Pawlowsk und Gattschina Zwischenkriegszeit erlitt Schloss Gatt­ ausführlich, und erst die Lektüre der zum Gegenstand. Diese Orte „lagen alle schina enorme Verluste durch die Kunst­ ortsbezogenen Kapitel macht verständ­ Die vom Sicherheitsdienst im Katharinenpalast in im Nordwesten Russlands und damit beschädigten Schloss Gattschina –, die Zarskoje Selo noch geborgenen Kunstschätze des verkäufe, angeblich über 100.000 Ob­ lich, was Eichwede in seinen eingangs im Befehlsbereich der Heeresgruppe vorgefundenen Kulturgüter zu sichten Palastes, 1942 jekte...“ Die unbeirrte Pflege und zitierten Bemerkungen gemeint hat: Nord“. Die gemeinsame militärstrategi­ und gegebenenfalls fortzuschaffen, wie Bewahrung der Schlössersammlungen dass es um die konkrete Darstellung der sche Situation machte eine gemeinsame es dem berühmtesten Beutestück, dem durch die wissenschaftlichen Mitarbei­ handelnden Personen geht, um das Untersuchung sinnvoll und zugleich Bernsteinzimmer aus dem Katha­ terinnen und Mitarbeiter, die in dem Ausmaß der Kriegsereignisse deutlich zu einfacher, weil sich das Vorgehen der rinenpalast in Zarskoje Selo, widerfuhr. zitierten Kapitel herausgestellt wird, steht machen wie zugleich die Tiefe der Ver­ Wehrmacht in diesem Frontbereich in Das Argument der „deutschen Her­ durchaus im Gegensatz zur rigiden letzungen, die der vom NS-Regime einander ähnlichen, örtlichen Hand­ kunft“, mit dem der Abtransport des Kulturpolitik der Stalinzeit vor 1941. aufgezwungene Krieg verursacht hat. lungen abbildet. Während die Städte im Bernsteinzimmers nach Königsberg – wo Umso tragischer, ja empörender sind die So ist das Buch mit seinen vielfach auf rückwärtigen Frontgebiet lagen, gerieten sich seine Spur bis heute verliert – ge­ anschließenden Verluste durch die deut­ Augenzeugenberichten, Tagebüchern die Zarenschlösser unmittelbar in den rechtfertigt wurde, konnte für die zahl­ sche Besatzung. und Memoirenliteratur beruhenden Frontbereich des Ringes um die Millio­ losen weiteren Beutestücke nicht in Diese Verluste galt es zunächst Schilderungen das eindrucksvolle Zeug­ nenstadt Leningrad, deren Eroberung Anspruch genommen werden; so wird einmal exakt zu bestimmen. Die Museen nis gemeinschaftlicher Anstrengung, die bereits im Herbst 1941 zugunsten der auch die Rolle der deutschen Kunst­ und musealen Einrichtungen der Sowjet­ tatsächlichen Verluste zu benennen und Belagerung bis zur erhofften Übergabe schutzoffiziere, die in gemessenem Ab­ union kannten zwar mehr oder weniger Spuren zu sichern, die im einen oder aufgegeben wurde, so dass der Vormarsch stand zur kämpfenden Truppe in die ihre jeweiligen Verluste. Die großflächi­ anderen Fall doch noch zur Auffindung zum Halten kam. eroberten Standorte einrückten, durch gen Verschiebungen aber, die sich durch und Rückgabe führen können und Der militärische Stillstand nach den die Forschungen des Projekts kritisch die in kurzer Zeit und meist ohne den schon geführt haben. So rühmt das Zerstörungen während des Vorstoßes der beleuchtet. Was den Umgang mit der nötigen Fachbeistand durchgeführten vorliegende Buch die Rückgabe der bei Wehrmacht erlaubte es den verschiedenen Bausubstanz angeht, so wird im vorlie­ Rückführungen aus dem besiegten Gläubigen als wundertätig geltenden Soldat beim Betrachten der Ikonen- Dienststellen, die sich nunmehr einrich­ genden Buch an einer Stelle die für die ausstellung im Pogankin-Palast in Deutschen Reich ergaben, waren kaum Mariä-Schutz-Ikone aus Pskow, die sich teten – insbesondere auch im kaum ganze Ostfront erlassene Vorschrift über Pskow, Oktober 1942 bis gar nicht oder jedenfalls nicht mit der bis 2002 in deutschem Privatbesitz

26 ARSPROTOTO 2 2019 27 befand (Abb. S. 25), vermerkt aber scher Länder, die beiden russischen SCHWERPUNKT DEUTSCH-RUSSISCHER MUSEUMSDIALOG beiläufig, dass „das russische Kulturmi­ Städte zur mittelalterlichen Hanse, die nisterium erst 1998 Interesse an dem Paläste über dynastische Verbindungen Verbleib“ der immerhin seit 1970 als zu deutschen Fürstenhäusern“, heißt existent bekannten Ikone zeigte. Auch es in dem jetzt vorgelegten Buch. Und das ist ein sprechendes Detail. Wolfgang Eichwede urteilt: „Selten „WIR LEISTEN Die Arbeit des Forschungsprojekts haben sich zwei Völker und Kulturen so zur Geschichte beispielhaft ausgewählter nah zueinander definiert wie Russen und russischer Museen im Zweiten Weltkrieg Deutsche. Selten haben sie sich dann in wäre nicht vollständig beschrieben, zwei Weltkriegen so bitter bekämpft und PIONIERARBEIT“ würde nicht auch das vorangehende verletzt. Die Verbindung von Nähe und Projekt „Kriegsverluste deutscher Mu­ Tod frappiert bis heute.“ Das vorliegende seen“ erwähnt. Beide Projekte greifen Buch ist eine Mahnung, ein Aufruf, sich Sowjetische und deutsche Fachleute begutachten Barbara Schneider-Kempf und Vadim Duda den Zustand der Gemälde bei einem Zwischenauf- ineinander, insofern sie die beiden Seiten der langen und intensiven Verbindungen enthalt in Berlin – hier vor Rem­brandts „Selbst- im Gespräch mit Anastassia Boutsko ein- und derselben Geschichte beleuch­ zwischen beiden Seiten zu erinnern und bildnis mit Saskia im Gleichnis vom verlorenen über die Errungenschaften und Perspektiven des ten, eben der des Umgangs mit Kultur­ gemeinsam die Wunden des Zweiten Sohn“, Oktober 1955 gütern während des Krieges und danach. Weltkriegs, so gut es mehr als siebzig Deutsch-Russischen Bibliotheksdialogs Die Bearbeitung der kriegs- und nach­ Jahre danach geht, zu schließen. kriegszeitlichen Bestands- und Verlust­ Bernhard Schulz ist Kulturredakteur des listen sowie der als Beutekunst ab April Berliner Tagesspiegels. 1945 empfangenen Objekte aus deut­ schem Besitz und der Vergleich dieser aum ein Bereich der Kultur hat direktorin der Staatsbibliothek zu Berlin Daten mit aktuellen Bestands- und im Zweiten Weltkrieg so gelitten und Vadim Duda ist Generaldirektor der Verlustdokumentationen präzisiert die wie der der Bibliotheken und Russischen Staatbibliothek Moskau. bis dahin oftmals nur vage Kenntnis über Archive. Die russische Seite tatsächliche Verluste, während zugleich K spricht von 200 Millionen auf Frau Schneider-Kempf, Herr Duda, die Geschichte verlagerter Objekte von dem Territorium der Sowjetunion ver­ vor zehn Jahren ist der Deutsch-Rus­ der Nachkriegszeit bis heute nachge­ nichteten oder verloren gegangenen sische Bibliotheksdialog gegründet zeichnet werden kann. Bestandseinheiten, wobei in Russland worden – eine Plattform zum Aus- Die sechs für das Museumsprojekt jedes aufbewahrte Dokument, etwa eine tausch der Kolleginnen und Kollegen ausgewählten Städte und Schlosskom­ Zeitung, als Bestandseinheit galt – nicht aus den beiden Ländern. Wie waren plexe stehen „auf sehr unterschiedliche etwa gebundene Kompendien, wie es in die damals gesetzten Ziele und wie ist Weise über viele Jahrhunderte für beson­ Westeuropa üblich war. Über 10 Millio­ die bisherige Erfahrung? dere Beziehungen zur Geschichte deut­ nen Kriegsverluste sind auf der deut­ Duda: Man muss sich vor Augen führen, schen Seite zu verzeichnen, darunter wer den Deutsch-Russischen Biblio­ 750.000 Bücher allein aus der Staats­ theksdialog initiiert hat. Von russischer bibliothek zu Berlin. Als „kriegsbedingt Seite wurde der Dialog von der M.I. verbrachte Kulturgüter“ wurden einzelne Rudomino-Bibliothek für ausländische Bände, aber auch ganze Büchersammlun­ Literatur unter der Leitung von Ekate­ gen und Archive, Handschriften, Inku­ rina Genijewa ins Leben gerufen. Die nabeln und frühe Buchdrucke auf zahl­ „Inostranka“ (M.I. Rudomino-Biblio­ reiche russische Bibliotheken in Moskau, thek für ausländische Literatur) hatte Petersburg, Rostow, Novosibirsk, Woro­ schon immer eine besondere historische nesch, Tomsk und andere Städte verteilt. Mission. Die Bibliothek war schon Jahrzehntelang blieb der Verbleib der immer Plattform für den Dialog, Anlauf­ „Trophäen-Fonds“ und deren genaue stelle und Vermittler zwischen Ost und Corinna Kuhr-Korolev, Ulrike Schmie- Zusammensetzung russischen wie deut­ West im weitesten Sinne des Worts. Das gelt-Rietig, Elena Zubkova in Zusammen- schen Fachleuten ein Geheimnis. Seit 10 Ziel dieser Gründung lag auf der Hand arbeit mit Wolfgang Eichwede, Raub und Jahren versucht der „Deutsch-Russische – man wollte Lösungen für komplexe, Rettung. Russische Museen im Zweiten Weltkrieg. Band 1 der Schriftenreihe Bibliotheksdialog“ Licht ins Dunkel zu oft heikle Probleme finden, die nicht „Studien zu kriegsbedingt verlagerten bringen. durch diplomatische Noten oder Ver­ Kulturgütern“ der Kulturstiftung der Für Arsprototo sprach die Kultur­ handlungen auf hoher, staatlicher Ebene Länder und der Stiftung Preußischer journalistin Anastassia Boutsko mit den gelöst werden können. Es ist erforder­ Kulturbesitz. Böhlau Verlag, Wien/Köln/ Weimar 2019. 383 Seiten mit 125 Abbil- Mitarbeiterinnen bei der Bestandsaufnahme in den beiden Vorsitzenden der Initiative: lich, jene Parteien mit einzubeziehen, die dungen, 45 Euro Ruinen des Schlosses Gattschina Barbara Schneider-Kempf ist General­ an bestimmten Angelegenheiten und

28 ARSPROTOTO 2 2019 29 Projekten beteiligt sind. Und das waren Nowgorod zurück. Durch den Muse­ die kriegsverbrachten Kulturgüter dies verlässlich in der Kooperation mit den die 1955 bei der Restitution der Gothaer Duda: Da stimme ich der Kollegin die Bibliotheken, denn uns verbindet umsdialog gingen ferner 135 Bände aus verbietet, und so müssen wir nach ande­ russischen Institutionen. Man muss Bibliothek an die DDR in Moskau vollkommen zu! eine Vielzahl gemeinsamer Angelegen­ der Sammlung von der Schulenburg mit ren Wegen suchen. Unser Austausch ist allerdings dabei hoch anrechnen, dass verblieben waren. Während des Treffens heiten. Die Hauptaufgabe des Dialogs ist russischen Stempeln nach Pawlowsk, ein fachlicher, kein politischer. Wir wir alle da gewisse Pionierarbeit leisten. in Kaliningrad nahm die Sächsische Vielen Dank an Sie beide für das daher, als Plattform für die Lösung sehr neun Bände nach Smolensk, ein Band erreichen auf anderen Wegen inzwischen Vor anderthalb Jahren gab es eine Sit­ Landesbibliothek – Staats- und Universi­ Gespräch! komplexer Probleme im Hinblick auf die nach Kaliningrad mit Stempel der Stadt­ Kenntnis über Bestände und Möglich­ zung des Bibliothekdialogs in Kalinin­ tätsbibliothek Dresden den Vorschlag der Wiedervereinigung historischer Samm­ bibliothek Königsberg. Das rechnen wir keiten der virtuellen Zusammenführung grad, wo endlich konkrete Schritte für RSB Mokau auf, die Digitalisierung der VIDEO lungen zu dienen. den deutschen Kolleginnen und Kolle­ der Sammlungen, die uns ja die Mög­ Projekte eingeleitet wurden. Das war ein in Moskau lagernden Musiksammlung 10 Jahre Deutsch- gen sehr hoch an, diese Rückgaben lichkeiten der Digitalisierung eröffnen. kritischer Punkt: Wenn es diesen Durch­ der Prinzessin Amalie von Sachsen als Russischer Biblio- Schneider-Kempf: Die Ziele des Biblio­ haben einen hohen emotionalen Wert. bruch nicht gegeben hätte, weiß ich gar gemeinsames Projekt zu entwickeln. Im theksdialog Glauben Sie, dass Digitalisierung eine Hören Sie das Grußwort theksdialogs waren von Anfang an, die nicht, ob wir jetzt das zehnjährige Jubi­ November 2018 wurde dann während von Dr. Britta Kaiser- verlagerten Bestände sichtbar zu machen, Verglichen mit den Millionenzahlen Lösung in langfristiger Sicht sein läum feiern könnten. des Internationalen Kulturforums in Schuster anlässlich des Jubiläums unter www. zu suchen, wo etwas ist, vielleicht auch der Verluste ist das ja wie ein Sandkorn kann? Sankt Petersburg ein entsprechender kulturstiftung.de/10- Hinweisen nachzugehen, um sich dem am Meeresstrand. Wo sehen Sie noch Duda: Das ist wirklich enorm wichtig! Worin bestand dieser Durchbruch? Vertrag unterzeichnet. jahre-bibliotheksdialog/ zu nähern. Es war nie auch nur eine Nachholbedarf, wo könnte es schnel- Derzeit ist der Dialog nicht nur eine Schneider-Kempf: Bei diesem Treffen ist Minute das Thema Rückgabe als Ziel ler, effizienter gehen? Plattform für die Erörterung schwieriger die Möglichkeit von virtuellen Samm­ Duda: Es geht auf jeden Fall voran, und formuliert. Duda: Wissen Sie, diese Fragen lassen Fragen im Zusammenhang mit geraub­ lungsrekonstruktionen kriegsbedingt wir hoffen auf weitere Schritte in der sich nie endgültig lösen, aber wir werden ten Kulturgütern, sondern auch eine verlagerter Sammlungen von beiden nächsten Zukunft. Zehn Jahre sind schon eine solide Zeit. uns auch weiterhin bemühen, historische Plattform für eine virtuelle Rekonstruk­ Seiten, deutscher wie russischer, als Was konnte konkret erreicht werden? Sammlungen nach bestem Wissen und tion von Sammlungen. Option und Ziel für gemeinsame Pro­ Was geben Sie dem Bibliotheksdialog Schneider-Kempf: Es gab Höhen und Gewissen wiederherzustellen. Unsere jekte akzeptiert worden. In Kaliningrad mit auf den Weg für die nächsten zehn Tiefen. Was auf jeden Fall erreicht wurde Kollegen vom Deutsch-Russischen Schneider-Kempf: Auch ich sage „ja!“ kündigte die Bibliothek des INION Jahre? und was, würde ich sagen, über allem Bibliotheksdialog in Deutschland sind – zumal es aus meiner Sicht keine andere [Institut für wissenschaftliche Informa­ Schneider-Kempf: Ich wünsche mir eine steht, ist der persönliche Kontakt. Das ideale Partner, sie tun viel, um das eine Lösung als die Digitalisierung geben tion in den Geisteswissenschaften der weitere Verstärkung der persönlichen hört sich jetzt vielleicht etwas simpel an. oder andere verlorene Buch und andere wird. Bei der virtuellen Zusammenfüh­ Russischen Akademie der Wissenschaf­ und fachlichen Kontakte. Und ich wün­ Aber es ist von enormer Bedeutung, dass Gegenstände ausfindig zu machen, und rung von Beständen haben Sie „nur“ die ten, Anm. d. Redaktion] eine Übergabe sche uns allen mehr konkrete Projekte, die Kollegen hier in Deutschland und in jedes Jahr kommt etwas in die histori­ Betrachtung am Bildschirm. Aber Sie von mehr als 1.400 Digitalisaten von die naturgemäß im virtuellen Raum Russland sich überhaupt kennengelernt schen Sammlungen zurück. In diesem haben natürlich alle Informationen für Büchern aus der Gothaer Bibliothek an, realisiert werden. haben, sich mehrfach an unterschiedli­ Sinne glaube ich, dass unsere Partner die Wissenschaft und Forschung, die Sie chen Orten getroffen haben – ich meine äußerst gewissenhaft alles ihnen Mög­ brauchen. Und wenn ich als Forscher jetzt nicht nur unsere regulären Treffen, liche und sogar mehr tun. etwa mittelalterlicher Handschriften, die die alle zwei Jahre stattfinden, sondern nach Moskau oder Sankt Petersburg auch andere vertiefte Kontakte. Es ist Die Rückgabe war zwar nie Ziel und verlagert worden sind, die Originale eine Vertrauensbasis entstanden. Das ist auch nie Thema beim Bibliotheksdia- einsehen möchte – die Reisemöglichkei­ schon mal ein gutes Ergebnis. log. Nichtsdestotrotz gibt es in Russ- ten sind gegeben und die Bestände sind land eine Reihe von Archivalien und zugänglich. Bei sehr wertvollen Büchern Duda: Im Laufe der zehn Jahre dieses Sammlungen, die für Deutschland oder Handschriften ist es ja die Aura des Dialogs erhielt Deutschland Kenntnis besonders große nationale oder regio- Originals. von Exponaten, die zuvor als vermisst nale Bedeutung haben – wie etwa die Außerdem ist es eine Frage der galten. Auf der anderen Seite gingen Hanse-Sammlung aus Lübeck, die vor Generationen: Meine Generation, aber seltene Ausgaben in die Bucharchivbe­ allem die Geschichte des Ostseeraums auch Menschen, die in ihren Vierzigern- stände Russlands zurück: Dank der spiegelt, oder die 5.000 Drucke aus Fünfzigern sind, sind tatsächlich einfach gemeinsamen Bemühungen der Beteilig­ den Zeiten von Martin Luther – eine noch damit groß geworden, dass sie ten des Deutsch-Russischen Bibliotheks­ Geschichte der deutschen Reformation Papier oder ein oder mehrere Bücher vor dialogs wurde 2017 das aus dem Alexan­ in Buchform. Gibt es bestimmte Fälle, sich liegen haben. derpalast gestohlene Buch „Le cardinal wo sie sagen würden: Diese Bestände Dubois et la régence de Philippe gehören nach Deutschland? Was sind die größten Hindernisse in d’Orléans: les cardinaux-ministres“ Schneider-Kempf: Ich kann da nur die Ihrer Arbeit? [1861, Anm. d. Redaktion] von Jean- offizielle Position der Bundesrepublik Schneider-Kempf: Dass alles so lange Baptiste Capefigue an das Museums­ Deutschland einnehmen, die lautet: dauert! Bis der Antrag auf Drittmittel­ reservat „Zarskoje Selo“ zurückgegeben. Diese Bestände gehören der Bundesrepu­ förderung geschrieben ist, dann die Ein Jahr später gingen dank seiner er­ blik Deutschland. Ich verstehe aber auch, Reaktion darauf kommt, und bis dann folgreichen Aktivitäten sieben wertvolle dass es ganz bestimmt zu keinen Rückga­ der Finanzierungsplan steht... Es sind Bücher aus dem 18./19. Jahrhundert an ben von russischer Seite kommen wird, Routinen, die nicht die Schnellsten sind. Vadim Duda, Direktor der Russischen Staatsbibliothek Moskau, und das Staatliche Museumsreservat von allein schon, weil das Duma-Gesetz über Aber sie sind da, und sie sind auch Barbara Schneider-Kempf, Generaldirektorin der Staatsbibliothek zu Berlin

30 ARSPROTOTO 2 2019 31 Clemente Bandinelli, Bildnis des SCHWERPUNKT DEUTSCH-RUSSISCHER MUSEUMSDIALOG Bacchio Bandinelli, Florenz, 16. Jh., 74 × 47 cm; Vorkriegsabbildung des Reliefs aus dem ehemaligen Kaiser-Friedrich-Museum Berlin FALL 62: DIE WIEDERGEBURT DES BACCIO BANDINELLI

Das Forschungsprojekt „Kriegsverluste deutscher Museen“ geht in Fallstudien auf Spurensuche nach vermissten Kunstwerken. Die Wissenschaftlerin Anastasia Yurchenko hat in den vergangenen sechs Jahren knapp 400 Fälle aufgeklärt von Hans-Georg Moek mit Anastasia Yurchenko

ie Sonne steht schon tief an diesem Freitagnach­ dem bedeutendsten Bildhauer seiner Zeit in Rom und mittag im November 2015, als im Büro von Florenz neben Michelangelo, von seinem Sohn Cle­ Anastasia Yurchenko das Telefon klingelt. In mente Bandinelli (1534 –1555) erschaffen. Die Spuren einem kurzen Gespräch bestätigt ihr Wassili des 1882 in Florenz erworbenen Terrakotta-Reliefs D Rastorguew aus dem 1.800 Kilometer entfern­ hatten sich 1945 im Berliner Friedrichshain verloren. ten Puschkin-Museum in Moskau, was sie zuvor nur zu Nach dem Angriff der königlich-britischen Luft­ hoffen gewagt hatte: Sie hat nicht nur einen weiteren waffe auf Berlin Ende August 1940 hatte Fall gelöst, ihren 62. Es ist womöglich der bedeutendste persönlich den Bau von sechs Flakbunkern in der in ihrer beruflichen Laufbahn; bis heute. Sie klappt Hauptstadt angeordnet. Doch dienten die schon kurz ihren Laptop zu und verlässt das Büro. Beim Italiener nach ihrer Fertigstellung nicht mehr nur der Luftvertei­ ganz nah am Sitz der Kulturstiftung der Länder bestellt digung. Als vom Herbst 1941 an die Berliner Museen sie einen Prosecco, ganz allein mit sich und dem Ge­ ihre Bestände in Schlössern, Kellern oder Bergwerken fühl, das sie erfasst hat, weil ihr Bemühen und eine auslagern, wandern zahlreiche Sammlungen in die glückliche Hand sich zu diesem unerwarteten und Flakbunker am Zoo und im Friedrichshain. Anfang unerwartet bedeutenden Erfolg gefügt haben. 1945 lagern im Friedrichshain Bestände der Gemälde­ Ihre Arbeit vergleicht Anastasia Yurchenko biswei­ galerie, der Skulpturensammlung, der Antikensamm­ len mit der eines Profilers, eines jener kriminalistischen lung, der Nationalgalerie, des Ägyptischen Museums, Fallanalytiker, die anhand von Spuren auf das Motiv der Ethnographischen Sammlung, der numismatischen und im Idealfall auf die Identität eines Täters schließen. Sammlung, der Islamischen und der Byzantinischen So wie ein Profiler im wesentlichen Akten studiert, Sammlung, aus der Kunstbibliothek, dem Schloss­ sichtet auch Yurchenko Akten und gleicht sie mit museum und dem Kupferstichkabinett. Um sie vor anderen Akten ab. Wenn die Indizien sich zu einer dem Zugriff der roten Armee zu schützen, hatte noch Hypothese verdichten, setzt sie sich mit den Beweis­ im März 1945 die Reichskanzlei angeordnet, die Flak­ stücken auseinander. Seit mittlerweile zehn Jahren sucht türme zu räumen. Dutzende Lastzüge hatten daraufhin die Kunsthistorikerin nach verlorenen Schätzen deut­ – beladen mit Kunstgütern – Berlin in Richtung Süden scher Museen, seit sechs Jahren nach Skulpturen und verlassen. Zahlreiche Kunstschätze bleiben am Ende in byzantinischer Kunst, die das Bode-Museum verlassen Berlin zurück, so auch das Bandinelli-Relief. haben, als es noch Kaiser-Friedrich-Museum hieß. Der Artilleriebeschuss des Flak­turmes im Fried­ Darunter ein Bildnis aus der Hochrenaissance von richshain beginnt am 25. April 1945. Die ersten Ver­ keinem geringeren als Baccio Bandinelli (1488 –1560), luste erleidet die Glasgemäldesammlung des Kunstge­

32 ARSPROTOTO 2 2019 33 1–3: Fragmente des Reliefs, die werbemuseums, die durch eine in den ersten Stock Als Anfang Juli 1945 eine Trophäenbrigade den Flak­ sich heute im Puschkin-Museum abgefeuerte Granate fast komplett zerstört wird. Als am bunker im Friedrichshain in Augenschein nimmt, in Moskau befinden; 4: das Fragment aus dem Berliner 2. Mai 1945 die Verteidigung des Flakbunkers aufgege­ notieren der Archäologe Vladimir Blavatzki und der Bode-Museum ben wird, fällt er an die Rote Armee. Vieles von dem, Restaurator Michail Iwanow-Tschuronow: „Der von was sich in den darauffolgenden Tagen dort abspielt, ist der Decke und den Wänden gefallene Putz hatte eine 1 bis heute nicht aufgeklärt. Zwischen dem 5. und 18. Schicht von 50-80 cm Dicke auf dem Boden gebildet. Mai brennt es in dem Bunker zweimal, Teile der Decke In manchen Räumen war der Boden mit einer 90 cm stürzen herab. Zahlreiche Kunstwerke werden durch das dicken Schicht brüchiger, weißer Asche bedeckt. In Feuer verkohlt, verformt, zerbrochen, verglüht oder verschiedenen Räumen lagen oben auf diesen Haufen zerstört. Wie viele Kunstwerke aus dem unbewachten Porzellanstatuetten. Mit Hilfe der Soldaten haben wir Bunker in diesen Tagen geraubt werden, kann nicht sie alle zusammengelegt, konnten sie aber nicht ein­ mehr rekonstruiert werden. packen, da wir keine Kisten hatten. Dann fingen der Dass das Relief von Baccio Bandinelli seinerzeit Archäologe und ich an, den Mörtelstaub bis zu einer zerbrochen sein könnte und Teile davon im Depot in Tiefe von zwanzig bis dreißig Zentimeter wegzukratzen. Berlin lagern, liest Anastasia Yurchenko im September Wir fanden einige Statuen aus Ton. Der Archäologe des Jahres 2015 in der sowjetischen Transportliste 1338. bezeichnete sie als Terrakotten. Da es immer spannen­ Der Eintrag datiert auf den 14. August 1946, der Tag, der wurde, begannen wir, uns in die Tiefen der Mörtel­ an dem Mitarbeiter der Staatlichen Eremitage in Lenin­ schicht vorzuarbeiten, und fanden kleine Scherben mit 2 grad eine von 1593 Kisten öffnen und deren Inhalt interessanten, in Schwarz und Braun gehaltenen Verzie­ 4 dokumentieren, angekommen mit dem Militärzug rungen. Mit dem typischen Archäologen-Instinkt griff 178/4090 – 4091 aus Berlin. Darin heißt es: „Selbst­ Blavatzki in einen Spalt zwischen den Putzhaufen und porträt des Baccio Bandinelli. – Terrakotta-Relief. Frag­ fischte ein Tongefäß mit einer langen Tülle heraus. Er ment. Im Gesicht die Lippen und ein Teil des Barts nahm es in beide Hände und fragte: ,Wissen Sie, wie alt verbrannt. Italienische Schule des XVI. Jahrhunderts.“ dieser Topf ist?‘. ,Nein‘, antwortete ich. ,Dieser Topf Bereits ab 1943 plante die UdSSR, systematisch wurde 2000 Jahre vor unserer Zeit angefertigt.‘ Mit der Kunstwerke aus Deutschland abzutransportieren – als Entdeckung des Gefäßes war unsere Arbeit für diesen Ausgleich für die durch die Wehrmacht in der Heimat Tag beendet. Zwei Tage später kamen der Archäologe vernichteten, verschleppten und verschwundenen und ich mit Kisten und Arbeitern zurück und organi­ Kulturgüter. Dafür werden eigens Kunsttrophäenbriga­ sierten die eigentlichen Ausgrabungen. An diesem Tag den gebildet, Einheiten der sowjetischen Armee unter holten wir circa fünfzehn Kisten mit antiken Gegen­ der Leitung von Kunsthistorikern­ und Altertumswissen­ ständen, mit Scherben von Gefäßen, Skulpturen und schaftlern in Uniformen, ausgestattet mit Militärrang. Traufen aus den Stucktrümmern.“ Im Zusammenhang mit dem Einsatz dieser Brigaden „In der dritten Etage befanden sich Skulpturen der werden in den Folgejahren über 20 Militärzüge mit Neuzeit aus Stein und Holz. […] Bei der Untersuchung Kulturgütern aus deutschen Städten in die UdSSR wurde aus dem Bauschutt eine große Anzahl von Denk­ rollen. Hinzu kommen mehrere Zulieferungen zu mälern der Antiken Kunst, vor allem der Zypriotischen, weiteren Zügen und zwei Transportflüge aus Leipzig herausgenommen: Terrakottastatuetten, Protomen, 3 und Danzig. Ein gewaltiger logistischer Aufwand; am Masken, kleine Altäre und Architekturteile, Tonvasen: Ende werden rund 2,5 Millionen Werke Deutschland einfache, bemalte und figurative, Gefäße aus farblosem verlassen. Zuvor hatte das Kunstkomitee der Sowjet­ und halbdurchsichtigem farbigen Glas, Bronzestatuet­ union ebenfalls im Jahr 1943 mit der Erstellung soge­ ten, Geschirr, Gebrauchsgegenstände und Werke der nannter Äquivalentenlisten begonnen. Darin aufgeführt neuen Skulptur. Ihre Gesamtzahl betrug bis zu 1.500 waren Kulturgüter aus den Sammlungen Deutschlands Gegenstände (40 Kisten). Eine genaue Anzahl der und seiner Verbündeten, ein vermeintlicher Gegenwert Gegenstände kann angesichts dessen, dass ein bedeu­ für die in der UdSSR zerstörte oder verschwundene tender Teil nur in Fragmenten, die ohne genaue Unter­ Kunst. In der Liste „Besonders erforderliche Kunst­ suchung schwer zu zählen sind, sowie vor allem verklebt werke aus den Berliner Museen“ findet sich auf Position vorliegen, nicht genannt werden.“ 33 – in der „ersten Linie westeuropäischer Bildwerke“, Die Bergungsarbeiten im Flakbunker Friedrichs­ so später der damalige Direktor der Staatlichen Eremi­ hain, regelrechte archäologische Ausgrabungen, begin­ tage Joseph Orbeli (1887–1961) – zwischen Objekten nen jedoch erst im Dezember 1945. Zunächst war der von Michelangelo und Sansovino ein Werk, das von Zoo-Bunker mit höchster Priorität und in aller Eile sowjetischer Seite als von besonderem Wert eingestuft zwischen dem 13. Mai und 8. Juni 1945 ausgeräumt und für die Sammlungen des Museums der Bildenden worden. Er lag im vorgesehenen britischen Sektor Künste in Moskau angefordert wird: das Relief des und wurde Anfang Juli 1945 leergeräumt der Baccio Bandinelli aus dem Kaiser-Friedrich-Museum. britischen Militärregierung überlassen. Was schließlich

ARSPROTOTO 2 2019 35 in der ersten Jahreshälfte 1946 im Friedrichshain ge­ Jahren gemeint haben könnte“, sagt Yurchenko. Anders Hand zu nehmen. Sie wurden einst im Friedrichshain borgen und auf Militärzüge Richtung Sowjetunion als die Berliner Kataloge enthalten die sowjetischen in eine Kiste gepackt mit einem Sack mit Beinen, ver­laden wird, sind vor allem brandgeschädigte oder Transportlisten keine Fotos. „Die Beschreibungen sind Flügeln und Fingern aus Marmor und weiteren nicht fragmentierte Kunstwerke. manchmal schlecht lesbar, subjektiv, uneindeutig oder erkennbaren Fragmenten, die noch immer auf ihre Im Dezember 1945 schreiben Andrej Belokopytow fehlerhaft. Ich sehe diese Dokumente als Botschaften, Identifizierung warten. Mit ihrem Handy fotografiert und Vladimir Blavatski über die bevorstehenden Arbei­ die damals für mich aufgeschrieben wurden und die ich sie die beschädigten Stücke. Ihre Mail an die Staatliche ten: „Die Untersuchung zeigte, dass es notwendig ist, nur verstehe, wenn ich mich jeweils in die Welt des Eremitage in St. Petersburg ist nur insofern erfolgreich, die gesamte Brandstätte auseinanderzunehmen, wofür damaligen Betrachters hineinversetze, ein Rätsel löse. als dass man ihr mitteilt: Es handelt sich um die restitu­ wir um Ihre Anweisung bitten. Die Fläche der bevorste­ Oft war ein Kunstwerk beschädigt oder fragmentiert. In tierten Objekte, weitere Teile lassen sich jedoch bei henden Ausgrabungen ist sehr groß: 500 – 600 m², die den kriegszerstörten sowjetischen Museen mangelte es flüchtiger Prüfung nicht finden. Sichtung des Mülls und die Entnahme der Gegenstände drastisch an Zeit, Raum und primär an Personal. Der Aus ihrer Erfahrung in dem Forschungsprojekt müssen sehr langsam vorgenommen werden. Da die Verfasser hat vor 70 Jahren beschrieben, was er persön­ weiß Anastasia Yurchenko, dass es durchaus vorkom­ Durchführung aller Arbeiten viel Zeit in Anspruch lich, subjektiv gefärbt, in dem Objekt sah.“ men konnte, dass Fragmente ein und desselben Werkes nehmen wird (einige Monate) erscheint es uns wün­ Einmal hat sie eine ins Puschkin-Museum in Mos­ in unterschiedliche Museen transportiert wurden, wo schenswert, dass zwei Archäologen zu dieser Arbeit kau transportierte Grabstele identifiziert, die folgender­ sie sich teilweise noch heute befinden. Die Dauer der herangezogen und zehn Mann als Arbeitskräfte vor Ort maßen dokumentiert worden war: „Darstellung einer Ausgrabungsarbeiten im Friedrichshain, die Unmög­ abgeordnet werden.“ Nach der Beendigung der Ar­ weiblichen Figur in Orantenhaltung und Darstellung lichkeit, verteilte Stücke gedanklich zu einem Gesamt­ beiten fasst Blavatski zusammen, er habe mit seinem zweier Fische auf hohen Sockeln an den Seiten – Ma­ bildwerk zusammenzufügen, der Wechsel von Archäo­ Kollegen um die 10.000 Gegenstände der antiken, donna freut sich über zwei Fische“ (Abb. S. 37). Nach­ logen und Restauratoren während der monatelangen westeuropäischen und angewandten Kunst gefunden dem sie zuvor immer wieder die Fotos der vermissten Bergung könnten Gründe dafür sein. Die Teile des und in 117 Kisten verpackt. Zusammen mit den Aus­ Kunstwerke durchgegangen war, konnte sie die Darstel­ Bandinelli-Reliefs könnten durch die Explosion im grabungen vom Sommer 1945 sind es rund 11.500 lung als Gottesmutter mit Kerzenleuchtern identifizie­ Flakbunker Friedrichshain im Raum verteilt worden Fundstücke und 157 Kisten, die aus dem Friedrichs­ ren, jenes Relief, das von dem deutschen Diplomaten sein, und während der regelrecht archäologischen hain in die UdSSR abtransportiert wurden. Gustav Travers (1839 –1892) einst in Kairo gekauft Ausgrabung erst zu verschiedenen Zeitpunkten und in Der Verbleib des Bandinelli-Meisterwerkes war worden und das dann in die Ägyptische Abteilung des unterschiedlichen Schichten gefunden worden sein. schon vorher von den Mitarbeitern des Bode-Museums Kaiser-Friedrich-Museums gewandert war. Der Mit­ Die Transporte aus dem Friedrichshain, auch das weiß nüchtern, aber eindeutig dokumentiert worden: In arbeiter im Puschkin-Museum hatte die Kerzen mit Yurchenko, hatten in der Regel zwei Destinationen: die der Liste „der im Bunker Friedrichshain verbrannten Fischen verwechselt, die dreifüßigen Kerzenständer Eremitage und das Puschkin-Museum in Moskau. Kunstwerke“, die sie noch 1945 verfasst haben. offenbar für Fischschwänze und die kleinen Vögel auf An jenem Freitag im November 2015 verzichtet 2014 begibt sich Anastasia Yurchenko im Rahmen beiden Seiten für Fischköpfe gehalten. Anastasia Yurchenko auf eine Mail. Sie schickt das eilig des Forschungsprojektes­ „Kriegsverluste deutscher Bei dem genannten Vermerk in der Akte 1338 im Depot mit dem Handy geknipste Foto an Wassili Museen“, einer Initiative des Deutsch-Russischen sowjetischer Provenienz, der sie Grabstele aus Kalkstein mit Maria Orans zwischen Kerzenleuchtern; Rastorguew, den Kunsthistoriker am Puschkin-Museum. Museumsdialogs, auf die Fährte der verlorenen Objekte auf die Spur von Baccio Bandi­ 39 × 31 cm, Ägypten Dann telefoniert sie hinterher. Zusammen mit ihrem aus dem Bode-Museum. In den kommenden Jahren nelli führte und in dem fälsch­ nach Deutschland zurückgekehrt. Darunter unversehrte Gegenüber in dem Forschungsprojekt hatte sie gerade wird sie eine von sechs Forscherinnen und Forschern licherweise von einem „Selbst­ Kunstwerke, aber auch Teile von Kunstwerken – Scher­ begonnen, einen Vortrag zu erarbeiten über die ersten sein, die sich mit den ungelösten Fällen deutscher bildnis“ die Rede ist, handelte es ben oder Fragmente –, die bei Transport oder Kriegs­ Erfolge der gemeinsamen Arbeit, die bald in der Akade­ Museen beschäftigen. Das Ziel: Klarheit über die sich, so vermutete sie, um Teile handlungen Schaden genommen hatten. mie der Künste in Berlin vorgestellt werden sollten. Schicksale der als verloren geltenden Kunstwerke zu des im Verlustkatalog des Bode- Ihre Entscheidung, es mit der Zerstörung des Am 27. September 1946, so der Aktenvermerk, den schaffen. Bis heute hat sie rund 550 Werke aus der Museums dokumentierten Reliefs von Baccio Bandinelli nicht auf sich beruhen zu Yurchenko ihrem Kollegen telefonisch durchgibt, byzantinischen Sammlung und 130 aus der Skulpturen­ „Bildnis Baccio Bandinelli lassen und sich auf die Suche nach den fehlenden Teilen hatten Mitarbeiter des Puschkin-Museums eine Kiste sammlung identifiziert. (Relief), Clemente Bandinelli, zu machen, erklärt Yurchenko mit der von ihr vermute­ aus Deutschland mit „musealen Wertgegenständen“ Die Arbeit gleicht einem Memoryspiel mit zusam­ Florenz, Mitte 16. Jahrhundert, ten guten Erkennbarkeit des Motivs und der Größe der entpackt und schriftlich festgehalten: „Tafel mit Relief­ mengehörigen, aber ungleichen Bildern. Allein bei der gebrannter Ton, H.74, B.47“, Stücke: Es wäre ein vergleichsweise leicht zusammen­ brustdarstellung eines Mannes; Puschkin-Museum, Skulpturensammlung geht es darum, den knapp 2.000 das 1958 aus der Sowjetunion setzbares Puzzle, vorausgesetzt, die restlichen Teile Verwaltungsnummer .8371; fragmentierter Zustand, Kunstwerke umfassenden Verlustkatalog, die Bestands­ an die Skulpturensammlung würden noch existieren und ließen sich finden. Die in 6 Teile zerbrochen, außerdem fehlen einige Teile, listen des Hauses von vor dem Krieg und die aktuellen zurückgegeben worden war. Teile, die noch fehlen, sind die Schulter und der Rest brandgeschädigt.“ Der Mitarbeiter des Puschkin-Muse­ Bestandskataloge mit den Informationen über die in die Rund 1,5 Millionen der aus des Gesichts mit der Stirnpartie, weiß sie, zumal sie das ums, der die Fragmente 1946 entpackt hat, die mit den UdSSR abtransportierten Kunstwerke abzugleichen: Deutschland abtransportierten unversehrte Kunstwerk aus der Verlustdokumentation Funden im Depot des Bode-Museums das Relief wieder Abertausende von Werken auf „Transportlisten“,­ die in Kunstwerke hatte Moskau in des Bode-Museums kennt. Die Hoffnung, ein Meister­ komplettieren würden, konnte sie offenbar nicht dem Moskau oder Leningrad verfasst wurden beim Auspa­ den 50er-Jahren an die DDR werk rekonstruieren und zusammenzufügen zu können, italienischen Meister zuordnen. cken von Tausenden von Kisten mit teilweise in viele zurückgegeben. So waren mit hat sie damals beflügelt. Yurchenko bittet Rastorguew, im Depot nachzu­ Bruchteile zerstückelten Kunstobjekten.­ Dazu kommen dem Pergamon-Altar, der Anastasia Yurchenko begibt sich auf die Suche nach schauen, ob es sich um die passenden, fehlenden Frag­ Sitzungsprotokolle über die Weiterverteilung und Dresdner Gemäldegalerie und den Puzzlestücken – ins Depot des Bode-Museums. Für mente des Bildnisses Baccio Bandinellis handeln Kunsthistorikerin Anastasia Yurchenko mit andere Dokumente. „Bisweilen geht es darum, eine dem Grünen Gewölbe auch Transportlisten der Kunsttrophäenbrigaden Yurchenko ist es so etwas wie ein feierlicher Akt, dort könnte. Der Rückruf erfolgt noch am Nachmittag um Phantasie dafür zu entwickeln, was der Kollege vor 70 Bestände des Bode-Museums aus dem Archiv Akinsha Koslow mit weißen Handschuhen die beiden Fragmente in die kurz nach Vier.

36 ARSPROTOTO 2 2019 37 SCHWERPUNKT DEUTSCH-RUSSISCHER MUSEUMSDIALOG ans-Georg Moek: Frau Tregu- jetzt zurückkehren: Wir versuchen, die für die Weiterentwicklung der Kunst in lova, wie würden Sie einem Besucherinnen und Besucher in den unserem Land. Menschen, der in der russi- Mittelpunkt unserer Arbeit zu stellen. Zu unserer Rolle in der internatio­ schen Museumslandschaft Und Projekte zu machen, die es dem nalen Zusammenarbeit: Ich bin der H nicht wirklich zu Hause ist, Betrachter ermöglichen, tief einzutau­ Meinung, dass die russische Kunst in der die Tretjakow-Galerie – den größten chen in die russische Kunst und in den Welt verkannt wird. Als ich vor vierein­ Museumskomplex russischer Kunst – entsprechenden Kontext jener histori­ halb Jahren Direktorin der Tretjakow- erklären? Welchen Sammlungsbestand schen Epoche, deren Kunst sie betrach­ Galerie wurde, habe ich mir zum Ziel besitzt sie und welche Rolle hat sie in ten. Wir versuchen, modern zu sein, gesetzt, mehr von der russischen Kunst der internationalen Museumswelt? ohne oberflächlich zu werden. in der Welt und in Europa zu zeigen. Zelfira Tregulova: Die Tretjakow-Galerie Wir sehen jetzt die Ergebnisse davon. ist vielleicht das demokratischste aller Man kann im Grunde sagen: Wer sich Inzwischen werden wir nicht mehr nur großen Kunstmuseen in Russland und mit russischer Kunst befassen möchte, wegen der Kunst der Avantgarde oder es ist das einzige Museum unter allen von der Ikonenmalerei bis in die Ge- des Schwarzen Quadrats, Chagall oder bedeutenden russischen Museen, das genwart, der muss hierherkommen? Kandinsky kontaktiert. Heute haben wir weder von einem Staat, noch von einem Ja natürlich! Unsere Sammlung hier in auch Anfragen wegen Werken der russi­ Herrscher gegründet wurde, sondern von der Tretjakow-Galerie ist mit der Samm­ schen Ikonenmalerei und der Malerei der einer Privatperson, nämlich dem Mos­ lung des Russischen Museums vergleich­ zweiten Hälfte des 19. und Anfang des kauer Kaufmann Pawel Tretjakow. Tretja­ bar. Wir haben hier die größte Samm­ 20. Jahrhunderts. kow hat sich von Anfang an die Aufgabe lung russischer Kunst in der russischen Ich denke, die Unkenntnis über die gestellt, keine eigene persönliche Samm­ Museumswelt. Und im riesigen Gebäude russische Kunst und die Unfähigkeit, sie Orest Adamovich Kiprensky, Porträt des Poeten Wassili Schukowski, 1815, 64,8 × 58,1 cm; Hängung in der Tretjakow-Galerie Moskau lung zu schaffen, sondern seine Mission der neuen Tretjakow-Galerie am Krim­ zu bewerten – was viel damit zu tun hat, war es, das erste nationale Kunstmuseum wall zeigen wir die größte Ausstellung dass es in den europäischen und ameri­ in Russland zu schaffen, das die natio­ russischer Kunst des 20. Jahrhunderts, kanischen Kunstsammlungen einfach nale Schule zeigt. angefangen vom Schwarzen Quadrat keine russische Kunst gibt –, gehören Ich denke, dass es das Demokrati­ von Malewitsch bis hin zu den moder­ langsam der Vergangenheit an. Wir un- NÄHE sche an dem Museum ist, zu dem wir nen Künstlern, die heute prägend sind ternehmen viel für die Verwirklichung UND EINIGKEIT Im Jahr 2020 wird die Tretjakow-Galerie in Moskau in einer Ausstellung die russische und deutsche Romantik thematisieren. Die Ausstellung soll 2021 auch in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gezeigt werden. Das Gemeinschaftsprojekt beider Häuser ist ein Ergebnis der deutsch- russischen Kulturkooperationen im Rahmen des Deutsch-Russischen Museumsdialogs, vermittelt wurde es durch die Kulturstiftung der Länder. Hans-Georg Moek hat in Moskau mit Zelfira Tregulova, der Generaldirektorin der Tretjakow-Galerie, über die große Anzahl an Berührungspunkten zwischen deutscher und Alexander Andrejewitsch Iwanow, Die Offenbarung des Christus gegenüber russischer Kunst gesprochen den Menschen, 1837, 55,3 × 75,5 cm; Tretjakow-Galerie Moskau

38 ARSPROTOTO 2 2019 39 von Ausstellungsideen, die ausländische lungen eingingen. Wie zum Beispiel die gezeigt worden sind. Und so kam es, dass Auch die russische Kunst der Romantik gesell­schaftlichen Wert hat diese Ver- Museen und große Galerien uns vor­ „Große Utopie“ in der Frankfurter wir uns dem 19. Jahrhundert zuwandten, ist für eine gewisse Zeit aus dem Fokus mittlung von Kunst? schlagen. So zum Beispiel die Ausstel­ Schirn oder „Berlin-Moskau Moskau- der Epoche der Romantik. Zumal Dres­ der Aufmerksamkeit verschwunden. Ich Die deutsche Philosophie und die Philo­ lung zu Repin, die jetzt in Paris und in Berlin 1950 –2000“ im Martin-Gropius- den das wichtigste Zentrum für die bin der Meinung, dass dies eine absolut sophie der Epoche der Romantik und die Helsinki gezeigt wird. Oder eine Ausstel­ Bau in Berlin. Dann begann eine Zeit, in Entwicklung der deutschen Romantik goldene Epoche in der Entwicklung der Philosophie der Kunst der Epoche der lung, die der deutschen und russischen der diese Kontakte stark abnahmen. Und ist, sich die herausragende Kunstsamm­ russischen Kunst war, die in Europa Romantik hatten einen enormen Einfluss Romantik gewidmet ist und sowohl in da ich seinerzeit an fast allen Projekten lung der Romantik im Albertinum in gänzlich verkannt und völlig unbekannt auf die russische Kunst. Die deutsche der neuen Tretjakow-Galerie als auch in für Deutschland gearbeitet habe, wollte Dresden findet und zudem unsere eigene ist. Es ist eine wunderbare Möglichkeit, Kunst war vor allem jenen russischen Dresden gezeigt werden wird. ich diese Kontakte erneuern, als ich Sammlung wahrscheinlich eine der hier in Russland eine der großartigsten Künstlern bekannt, die in Rom lebten Direktorin wurde. besten Sammlungen der russischen Epochen in der Entwicklung der deut­ und arbeiteten, denn dort arbeiteten Seitdem Sie hier am Museum sind, ist Zu diesem Zweck bin ich nach Romantik ist. Auch für mich selbst ist schen Kultur vorzustellen, die einen auch viele deutsche Künstler. Sie alle die Tretjakow-Galerie eines der führen- Berlin gefahren und traf mich unter die Kunst der deutschen Romantik von außerordentlich starken Einfluss auf die suchten Inspiration bei den gleichen den Häuser in dem Bemühen, russi- anderem mit Frau Dr. Kaiser-Schuster, großem Interesse. Ich habe mich wäh­ Entwicklung der russischen Kunst hatte. Quellen. sche Kunst im Ausland zu zeigen. der Projektleiterin „Deutsch-Russischer rend meines Studiums damit beschäftigt Und in diesem bedeutenden Dresdener Im Zeitalter der Romantik war in Was ist Ihre Motivation, welche Vision Museumsdialog“ bei der Kulturstiftung und meine Dissertation über die deut­ Museum die Kunst großartiger russischer Russland die Neogotik in Mode, die steckt dahinter? der Länder, und der Geschäftsführung sche Romantik geschrieben. Künstler zu zeigen. Wie zum Beispiel auch mit Deutschland assoziiert wurde. Nun, ich denke, die erste Motivation der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Niemals zuvor wurden Kunstwerke Alexander Iwanow, Orest Kiprenski, Es existierte eine Mode für altertümliche war, dass ich mich sehr gut erinnere, wie Ich hatte auch Gespräche mit der Natio­ der deutschen und der russischen Ro­ Alexei Wenezianow – Künstler, die deutsche Mythen und mittelalterliche beispiellos in den 90er-Jahren und zu nalgalerie in Berlin. Und dann, als Ma­ mantik zusammen gezeigt, zumal bereits keiner geringeren Aufmerksamkeit Literatur. Die Kunst der russischen und Beginn der 2000er-Jahre der Austausch rion Ackermann Generaldirektorin der genügend Zeit vergangen ist seit der würdig sind und die für die Entwicklung der deutschen Romantik nebeneinander und die Zusammenarbeit zwischen Staatlichen Kunstsammlungen Dresden Epoche der Romantik. Und so, nach des Selbstverständnisses der Kunst des zu präsentieren, veranschaulicht, dass russischen Museen und Deutschland wurde, haben wir mit ihr über eine einer grundlegenden Zäsur des allgemei­ 19. Jahrhunderts nicht weniger getan diese zwei Länder, die sich im 19. Jahr­ waren. gemeinsame Ausstellung nachgedacht, nen Interesses an der Romantik, dachten haben als ihre Zeitgenossen in Frank­ hundert in gewisser Weise an einer Zelfira Tregulova, Direktorin der In dieser Zeit wurde eine große die in Dresden und Moskau gezeigt wir, dass es hochaktuell sein würde, diese Tretjakow-Galerie in Moskau reich. Wiederum hat die deutsche Kunst Peripherie künstlerischer Entwicklung Anzahl von Ausstellungen veranstaltet, werden sollte. Die Ausstellung sollte aber Kunst einmal mit dem Blick der heuti­ der Romantik enorm viel dafür getan, befanden, im Unterschied zu Frank­ die zu Legenden und Mythen wurden nichts mit den Themen zu tun haben, gen Zeit zu betrachten. Daher soll jeder ginn der 2000er-Jahre aufgebaut hatten. dass die Kunst deutscher Künstler wie reich, sich ein außerordentliches Inter­ und in die Geschichte der Kunstausstel­ die bereits in den großen Ausstellungen Ausstellungsabschnitt mit einer zeitge­ Auf der anderen Seite ist die deutsche Anselm Kiefer, Gerhard Richter, Georg esse für den Sinn, den Wesenskern und nössischen Äußerung zu Themen, die Kunst des 19. Jahrhunderts ein sehr Baselitz in den Fokus der Aufmerksam­ den Inhalt bewahrt haben. Dies zu die Künstler der Romantik beschäftigten interessantes Phänomen, das in Russland keit gelangten. zeigen, ist unwahrscheinlich interessant, enden, einem Zitat oder einer Aussage völlig unbekannt ist, mit Ausnahme der da sich die Leute heute beim Analysieren eines deutschen oder eines russischen Werke von Caspar David Friedrich, die Warum denken Sie, sollten die Deut- von Kunst sehr häufig auf formale Künstlers. Das zeigt, wie außerordentlich von Wassili A. Schukowski für den Zaren schen sich mit russischen Romantikern Aspekte fokussieren und weniger über aktuell die Kunst der Romantik heute ist erworben worden waren und die derzeit beschäftigen, russische Kunst kennen das sprechen, was in der Kunst wirklich und wir beginnen zu verstehen, dass das, in der Eremitage gezeigt werden. lernen und umgekehrt? Welchen das Wesentliche ist, nämlich ihr Wesens­ was heute in der modernen Kunst als metaphysisch, absolut und universell Die Neue Tretjakow- Galerie in Moskau gilt, eigentlich auf jene Ideen zurück­ geht, die in der Zeit der Romantik entstanden sind.

Im Oktober 2020 werden hier in der Tretjakow-Galerie romantische Maler hängen, nicht nur aus Dresden, son- dern auch aus anderen deutschen Häusern und im Jahr 2021 dann in Dresden. Diese Kooperation kam auch durch die Beratungsleistung der Kul- turstiftung der Länder zustande – die Initiative ging von Ihnen aus. Warum dieses Interesse an Deutschland, an deutschen Museen, an einer Koopera- tion mit deutschen Häusern? Zum einen ist es die unglaubliche Effek­ Kasimir Malewitsch, Schwarzes Quadrat auf weißem Grund, 1915, tivität und Produktivität der Kontakte, 79,5 × 79,5 cm; Tretjakow-Galerie Moskau die wir schon in den 90ern und zu Be­

40 ARSPROTOTO 2 2019 41 Es gab eine große Anzahl an Berüh­ SCHWERPUNKT DEUTSCH-RUSSISCHER MUSEUMSDIALOG rungspunkten. Und, ich bin der Mei­ nung, dass gerade jetzt, wo die politi­ schen Beziehungen zwischen den Ländern höchstwahrscheinlich weniger „GEMEINSAMES EURO­ günstig sind als vor einigen Jahrzehnten, die Rückkehr zu diesem künstlerischen Dialog und zur Diskussion über Kunst PÄISCHES KULTURELLES eine außergewöhnliche Nähe und Einig­ keit innerer Positionen in der deutschen EIGENTUM“ Kunst und in der russischen Kunst demonstriert. Die Kunst der Romantik ist ein erstaunliches Beispiel für die Mit Karina Dmitrieva von der Rudomino-Bibliothek in Kombination der Bewusstwerdung Moskau sprach Hans-Georg Moek über die mächtiger nationaler Identität und dem Ansicht der Alten Tretjakow-Galerie, davor eine Statue ihres Gründers Erforschung der nach dem Zweiten Weltkrieg in die Versuch wesentliche globale Fragen zu kern, ihre spirituelle Botschaft, ihr Russischen Museumsdialoges, der das stellen und zu lösen, die die Menschheit Sowjetunion abtransportierten Bibliotheken Inhalt. mit auf den Weg gebracht hat. Wie damals interessierten und die uns auch dreier deutscher Widerstandskämpfer Wir möchten zeigen, dass die Kunst wichtig ist dieser deutsch-russische heute noch interessiert. der deutschen und der russischen Ro­ Museumsdialog in Ihren Augen und mantik nicht einfach nur historisches haben Sie möglicherweise auch An­ Vielen Dank für das Gespräch! ans-Georg Moek: Frau Dmit- Hinter all diesen Projekten steht die Interesse ist. Das, was diese Künstler liegen oder Wünsche an den Deutsch- rieva, welche Buchbestände enorme Schaffenskraft meines Teams, schufen, ist für uns heute enorm wichtig. Russischen Museumsdialog mit neuen INTERVIEW IM PODCAST beherbergt die Rudomino- meiner Kolleginnen und Kollegen der Wir, die danach streben, den Wesenskern Projekten oder weiteren Initiativen? Russische und Bibliothek? vergangenen Generationen und der freizulegen und die universelle große Ich glaube, dass die Herangehensweisen deutsche Romantik Karina Dmitrieva: Unsere gegenwärtigen. Als wir die Arbeit an Hören Sie das ausführliche H Idee, unter deren Einfluss wir stehen, zu der russischen und deutschen Künstler Bibliothek ist auf ihre Weise einzigartig. diesem Projekt aufnahmen, war uns Interview mit Zelfira erfassen und zu verstehen. Die Kunst der sehr ähnlich sind. Außerdem gab es Tregulova: www.kultur­ Sie ist eine Bibliothek ausländischer bewusst, dass eine große und wichtige stiftung.de/interview- Romantik ist der Versuch, diese großen zwischen unseren Ländern über einen moskau-tretjakow oder Literatur, die in Moskau im Jahre 1922, analytische Forschungstätigkeit zu den Auffassungen und Ideen visuell mitzu­ Zeitraum von vielen Jahrhunderten sehr auf iTunes und Spotify in den Jahren des Bürgerkriegs, von einer Sammlungen vor uns liegt. Es stellte sich teilen und weiterzugeben, die auf dem enge Interaktionen. jungen Frau gegründet wurde – Marga­ heraus, dass sie nicht nur aus Deutsch­ Reichtum der weltweiten Kunst basieren. rita Ivanovna Rudomino (1900 –1990). land, sondern auch aus Österreich und Die deutsche Romantik ist eine der aus Polen stammen. Was ich selbst daran deutschesten Entwicklungen der Kunst Schon unter der Leitung der General- so spannend finde: Es ist ein großes Feld in Deutschland. Und die russische direktorin Ekaterina Genieva wurde wissenschaftlicher Forschungsarbeit, mit Romantik ist die goldene Epoche der der Rudomino-Bibliothek große der sich nur wenige beschäftigen. Entwicklung der russischen Kunst. Aufmerksamkeit für das Thema kriegs- Es geht hier um die Entdeckung Wenn wir über die ‚Deutschheit’ der bedingt verlagerte Kulturgüter zuteil. neuer Namen, neuer und sehr persönli­ deutschen Kunst und die ‚Russischheit‘ Warum war das so? cher Geschichten. Diese tiefgründigen der russischen Kunst sprechen, dann ist Dahinter stehen vor allem Zivilcourage, Geschichten ermöglichen es uns, tief in das in erster Linie die Epoche der Ro­ Intellekt, enormes Interesse für Kultur das historische Material einzutauchen mantik. Und die nationale Identität hat als Ganzes und für europäische Kultur. und die Bindungen zwischen Russland sich in dieser Epoche enorm stark mani­ Die Bibliothek für ausländische Literatur und Deutschland und zwischen den festiert. Zudem haben beide Künste an verwahrt, bewahrt und verbreitet jene Familien zu verstehen. Vordergründig universelle, wesentliche, allgemeingültige Büchersammlungen, die nach dem Jahr handelt es sich um ein einziges Thema: Ideen appelliert. Und diese ungewöhn­ 1945 aus Deutschland nach Russland kriegsbedingt verlagerte Kulturgüter. liche Kombination einer nationalen und insbesondere in die Bibliothek Aber das Thema enthält eine so breite Herangehensweise, einer nationalen Idee ausländischer Literatur gekommen sind. Anzahl anderer Geschichten. Man hört mit dem Versuch, jene Fragen zu stellen, nicht auf, sich zu wundern über die die die ganze Menschheit beschäftigt, ist Sie persönlich haben in den vergange- Vielfalt dessen, was man entdeckst. das, was heute unwahrscheinlich aktuell nen Jahren mit solchen deutsch-russi- ist an der Kunst der Romantik in Russ­ schen Forschungsprojekten gearbeitet, Die Kooperationen zwischen Ihrem land und auch in Deutschland. zuletzt mündend in der Publikation Haus, der Rudomino-Bibliothek, und von Karl August von Hardenberg, die der Kulturstiftung der Länder ist Also ist diese Kooperation mit Ilja Repin, Bildnis Pawel Tretjakow, 1901, jüngst veröffentlicht wurde. Was ist schon 15 Jahre alt und hat zur Grün- Dresden auch ein Kind des Deutsch- 111 × 134 cm, Tretjakow-Galerie Moskau Ihre Motivation für diese Projekte? dung des Deutsch-Russischen Muse-

42 ARSPROTOTO 2 2019 43 umsdialogs geführt. Wie kommt es, schreibung zu erstellen. Hinter unserem Die Allrussische Staatliche dass Sie auf russischer Seite die An- Projekt verbirgt sich nicht einfach die M.-I. Rudomino-Bibliothek für ausländische Literatur in sprechpartnerin sind? Vorbereitung eines Kataloges, sondern Moskau Es ist immer wieder erstaunlich, dass wir die Möglichkeit, an jedem Exemplar in der Kulturstiftung der Länder und die individuell zu forschen. Das heißt, alle Stiftung in uns einen zuverlässigen Inschriften und Eigentumsmerkmale zu Partner gefunden haben. Wir haben uns beschreiben, zu schauen, wie dieses Buch gegenseitig sofort verstanden. Was mich mit oder nach seinem Besitzer lebte, bei der Kulturstiftung der Länder schon ob und von wem es gelesen wurde. Auf immer gefesselt hat, insbesondere beim diese Weise arbeiten wir wie Weber, Museumsdialog, ist das Interesse, die wir weben den Teppich des Lebens einer Energie, die Wissbegierde, der Wunsch, ganzen Bibliothek und ergänzen die so viele interessante und wichtige Berüh­ Geschichte der Bibliothek hier in Russ­ rungspunkte wie möglich zu finden und land. Wir beschreiben nicht nur mit und bereit sind, sich einzubringen. artige Sammlung aufbaut. Diese Hand­ dabei auch ein Ergebnis zu erzielen. Hilfe deutscher Quellen, wie diese Bib­ Gibt es weitere Projekte oder Biblio- schrift kam 1945 zurück nach Russland Kataloge, Ausstellungen, Seminare, liothek entstanden ist. Sondern wir theken, von denen Sie denken, dass und wird heute in der Bibliothek für Konferenzen, egal welches Projekt wir ergänzen sie um die Umstände, die der sie in ähnlicher Weise erforscht und ausländische Literatur aufbewahrt. mit der Kulturstiftung der Länder ange­ Karina Dmitrieva, wissenschaftliche Leiterin in der Rudomino-Bibliothek, und Sammlung hier in Russland widerfahren zusammengeführt werden sollten? gangen sind, es fand seinen Ausgang in Britta Kaiser-Schuster, Projektleiterin „Deutsch-Russischer Museumsdialog“ bei der sind. Wir haben zum Beispiel festgestellt, Ja natürlich. Sogar in Bezug auf Samm­ Welche Bedeutung haben solche einer ganz konkreten Sache. Oder sogar Kulturstiftung der Länder dass es gar keine bewusste Zuteilung der lungen, die bereits inventarisiert sind, ­Projekte für Ihr Haus? Und wie groß mit der Rückgabe von Büchern und „Bibliotheken des Widerstands“. Das bracht hat, waren der Grund, warum wir Privatbibliotheken gab. Die Bibliotheken wie zum Beispiel die Bibliothek in Wo­ ist die Resonanz in der russischen Museumsobjekten aus Deutschland in sind drei Bibliotheken, die während genau diese Namen ausgesucht haben. bestellten ein Buch und auf diese Weise ronesch. Sie wissen dort über ihre aus­ Öffentlichkeit? die russischen Museen und Bibliotheken. des Zweiten Weltkriegs nach Russland Wir haben in den 2000er-Jahren wurden die Sammlungen zerstreut, und ländische Sammlung bestens Bescheid. Die Resonanz in der Öffentlichkeit ist Wir verbeugen uns tief davor und sind transportiert wurden: die Bibliothek eine Umfrage unter den Bibliotheken jetzt sammeln wir alles wieder ein. Aber wenn es um einen konkreten Kata­ sehr unterschiedlich, das will ich nicht grenzenlos dankbar. Die Kulturstiftung von Prinz Karl August von Hardenberg Russlands durchgeführt, ob sie bereit log geht, dann kommen Details zum verheimlichen. Einige – und das sind der Länder versteht, dass die Bewegungs­ 2019, die von Friedrich Werner Graf sind, an diesen Projekten teilzunehmen Auf wie viele Bibliotheken sind Sie Vorschein, die besonders reizvoll und nicht wenige – Menschen in Russland richtung bei diesem schwierigen Thema von Schulenburg im Jahr 2009 und die und sich an der Arbeit an zusammen­ zugegangen, von denen Sie wussten: verführerisch sind. Man beginnt Wid­ verstehen bis heute nicht, warum und ein Aufeinander-Zugehen ist. Wir gehen von Graf Yorck von Wartenburg im fassenden Katalogen zu beteiligen. Viele Da liegen diese Bestände? mungsinschriften zu entziffern, findet wofür wir uns damit beschäftigen. Einige auf ein und demselben Weg und gehen Jahr 2012. Diese Bibliotheken waren Bibliotheken wussten schon, woran wir Zu Beginn der Arbeit an der Hardenberg alle möglichen Lesezeichen und Foto­ professionelle Kreise interessieren sich aufeinander zu. verteilt auf verschiedene russische arbeiteten, dass wir gründliche For­ Sammlung waren drei, vier Bibliotheken grafien in den Büchern. So beginnt man, sehr dafür, unterstützen uns und sind Bibliotheken und Sie haben in einem schungsarbeit betrieben und dass wir an dem Projekt beteiligt. Als wir bereits eine sehr persönliche Geschichte zu auch bereit sich zu beteiligen. Dafür In über zehn Jahren hat es drei Publi- Forschungsprojekt alles zusammen­ Sammlungen, die nach dem Krieg zu uns bei der Erstellung des Manuskripts beschreiben. Das gefällt den Leuten und haben wir das damals zusammen mit kationen gegeben, die man zusammen- gesammelt und in einer Publikation gelangt waren, erforschen und rekonstru­ waren, haben wir bei Auftritten auf ruft auch professionelles Interesse hervor. Ekaterina Genieva auch alles angefangen. fassen kann unter der Überschrift veröffentlicht, welche Bücher vorhan- ieren. Da diese gemeinsames europäi­ verschiedenen Konferenzen und Semina­ Wir wollen erklären, zeigen und erzäh­ den sind und wo sie stehen. Wie läuft sches kulturelles Eigentum sind und wir ren von unserem Projekt erzählt. Und Gibt es für unsere Leserinnen und len, dass uns verbindet, was uns eigent­ so ein Forschungsprojekt ab? zusammen alles möglich machen müs­ wir haben uns sehr gefreut, als wir Rück­ Leser möglicherweise bekannte lich voneinander trennen sollte, wie Diese drei Publikationen verbinden sen, damit diese Bibliotheken nicht meldungen aus Rostow am Don und aus Namen und Lebensdaten, die mit Ekaterina Genieva immer sagte. Mit den tatsächlich drei markante Namen der verschwinden. Tschuwaschien erhielten. Sie hatten dort diesen anstehenden Forschungs­­ deutschen und russischen Kolleginnen Geschichte Deutschlands und der Ge­ nicht besonders viele Exemplare, aber projekten verknüpft sind? und Kollegen verbindet uns der Wunsch, schichte Russlands. Sie sind so bedeu­ Wie viele Häuser waren an dem Pro- wichtig war, dass wir Rückmeldungen Es befinden sich beispielsweise die weiter zu forschen und es dann – so tend, dass es gar keiner großen Anstren­ jekt beteiligt? Kann man davon ausge- erhalten haben, dass die Leute uns hören prachtvollen Sammlungen zweier sehr ausführlich und attraktiv wie möglich gung bedurfte und wir niemandem groß hen, dass diese ihren Bestand schon bekannter deutscher Sprachwissenschaft­ – aufzubereiten. Damit die Leute mehr erklären mussten, warum wir Kataloge systematisch erfasst hatten oder haben ler, Vater und Sohn von der Gabelentz über unsere Bibliotheken und unsere dieser privaten Bibliotheken machen sie sich erst auf die Suche gemacht? [Hans Conon, 1807–1874, und Hans internationalen Kontakte erfahren. Und wollten. Sie haben in der Geschichte Das ist sehr unterschiedlich. In der Georg Conon von der Gabelentz, 1840 – dass dies alles zur Festigung unserer merkliche Spuren hinterlassen und waren Majakowski-Stadtbibliothek von Sankt 1893, Anm. d. Red.], in unserer Biblio­ Beziehungen beiträgt. im Zweiten Weltkrieg alle Teil der Wi­ Petersburg, mit der wir am Projekt zur thek. Wir haben dort sogar eine Hand­ derstandsbewegung. Die moralische Bibliothek von Yorck von Wartenburg schrift von Nikolai Miklucho-Maklai Ein wunderbares Abschlussplädoyer. Komponente dieser Persönlichkeiten, die zusammenarbeiteten, gab es einiges an [1846 –1888, Anm. d. Red.] gefunden, Vielen Dank für das Gespräch! Neubewertung ihrer Wertvorstellungen, Material, das inventarisiert und bekannt die er aus Papua-Neuguinea extra an die die sie in den Jahren des Krieges durch­ war. Aber durch ihre Beteiligung an russische Akademie der Wissenschaften INTERVIEW IM PODCAST machten, ihre Haltung gegenüber dem diesem Projekt fanden sie weitere Bü­ schickte mit der Bitte, diese an Gabel­ Bibliotheken des Nationalsozialismus und ihre Erkennt­ cher, von denen sie nicht geahnt hatten, entz weiterzuleiten, da er wusste, dass Widerstands Mit dieser Bronzestatue wird die Hören Sie das ausführliche ehemalige Direktorin der Rudomino- nis, welches Unglück dieser über dass sie sie haben. Wir haben ihnen Karina Dmitirieva im Gespräch mit dieser sich mit der Erforschung der Interview mit Karina Dmitrieva: www.kultur­ Bibliothek, Ekaterina Genieva, geehrt Deutschland und die ganze Welt ge­ geholfen, eine noch ausführlichere Be­ Hans-Georg Moek Sprachen beschäftigt und eine einzig­ stiftung.de/interview-­ moskau-rudomino-biblio- thek/ oder auf iTunes und Spotify

44 ARSPROTOTO 2 2019 45 HELFEN SIE MIT in unbekanntes Werk der Moderne? Unterteil. Als Vorbilder dienten orienta­ Gar eine von Picassos Keramiken? lische Metallständer und Kessel aus dem E – Auf den ersten Blick fasziniert die syrisch-urartäischen Kulturraum. Auch ungewöhnliche Form dieses Objektes, bei dem Hamburger Holmos ist ein VON TRAGENDER das man durchaus für eine Tonskulptur Kessel zu ergänzen, in dem wohl Wein der Moderne oder der zeitgenössischen und Wasser gemischt und an Gäste eines Kunst halten möchte. Tatsächlich wurde Festes ausgeschenkt wurde. Können wir BEDEUTUNG dieses rund 80 cm hohe Gefäß – ein in Analogie zur griechischen Sitte bereits sogenannter Holmos – um 650 bis 630 vom Symposion (Trinkgelage) sprechen? v. Chr. in Mittelitalien von einem un­ Lässt sich an dieser Gefäßform ein trans­ Das Museum für bekannten Töpfer auf der langsam kultureller Austausch ablesen? Wie ­drehenden Töpferscheibe geformt und gelangten die Vorbilder aus dem Alten Kunst und Gewerbe gebrannt. Charakteristisch ist die Gefäß­ Orient und die Trinkkultur des Orients Hamburg braucht form mit weit ausladendem Trichter, und der Griechen nach Italien? Was kleinem kugelförmigen Mittelteil und verrät uns ein solches Objekt über die Ihre Unterstützung glockenförmigem Unterteil. Das Gefäß Gesellschaftsordnung, (Werte-)Vorstel­ bei der Restaurierung wirkt beinahe wie ein stark abstrahierter lungen und Rituale? Das Gefäß zeugt eines frühitalischen menschlicher Körper, der auf dem Kopf von einer Zeit großen Wandels im vor­ eine Schale balanciert. römischen Italien und steht am Beginn Gefäßständers Sieht man genauer hin, fällt auf, dass der etruskischen Kultur. Von Rissen durchzogen, von Fehlstellen von Frank Hildebrandt das vordergründig vollständig erhaltene Bereits 1917 hatte das Gefäß mit geplagt: Der Gefäßständer benötigt Gefäß aus zahlreichen Fragmenten dem Erwerb der bedeutenden Antiken­ dringend eine Restaurierung zusammengesetzt ist. Als sich im Jahr sammlung des Hamburger Kaufmanns 2012 ein kleines Fragment aus dem Johannes W. F. Reimers seinen Weg in Längst sollte dieses beeindruckende Standring gelöst hatte, unterzog man den das Museum für Kunst und Gewerbe Gefäß unserem Publikum in der Dauer­ Holmos einer weitergehenden Untersu­ Hamburg gefunden. Im späten 19. und ausstellung zugänglich sein, jedoch chung. Auffällig war die große Wan­ frühen 20. Jahrhundert hatte Reimers konnten die notwendigen Restaurie­ dungsstärke des Unterteils. Ein vorsichti­ mit recht bescheidenen Mitteln eine rungs- und Rekonstruktionsarbeiten ger Abtrag der übermalten Bruchkanten vorzügliche Sammlung antiker Kunst­ bisher nicht ausgeführt werden. Liebe im Inneren ergab, dass sich hier weitere, werke zusammengetragen. Sogar Kaiser Leserinnen und Leser, bitte helfen Sie nicht zugehörige Scherben befanden, die Wilhelm II. hatte im Jahr 1911 bei uns bei der Wiederherstellung des Ge­ mit Gips und Zeitungspapier zur Festi­ einem Aufenthalt in Hamburg den fäßes und der Erforschung dieses span­ gung eingebracht worden waren. Die Wunsch geäußert, einige Hauptstücke nenden Objektes! Reste des Zeitungspapiers legen nahe, der Sammlung zu sehen. Dr. Frank Hildebrandt ist Leiter der dass diese alte Rekonstruktion um oder Mit Übernahme der Sammlung Antikensammlung am Museum für Kunst kurz nach 1900 in Italien erfolgte. Reimers etablierte sich eine eigenstän­ und Gewerbe Hamburg. Wie verhält es sich mit den restli­ dige Antikensammlung, eine der vielen chen Fragmenten? Waren auch hier nicht Besonderheiten des Museums für Kunst Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg zugehörige Stücke eingefügt worden? und Gewerbe Hamburg (MKG). Heute Steintorplatz, 20099 Hamburg Telefon 040 - 428134-990 Schließlich verkauft sich ein vollständi­ ist das MKG mit rund 500.000 Objek­ Öffnungszeiten Di – So 10 –18 Uhr, ges Gefäß besser als ein fragmentiertes. ten aus 6.000 Jahren eines der führen­ Do bis 21 Uhr Diese Fragen sind noch nicht abschlie­ den Museen für Kunst und Gestaltung www.mkg-hamburg.de www.sammlungonline.mkg-hamburg.de ßend geklärt. in Europa. Auf über 10.000 Quadrat­ Während solche Ergänzungen in metern zeigt das MKG hochkarätige Wir bitten Sie, liebe Leserin und lieber früherer Zeit, wenn auch nicht üblich, Sammlungen von der Antike bis zur Leser, um Unterstützung für das Mu- aber doch zumindest akzeptiert waren, Gegenwart, die den europäischen, seum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Spenden Sie für die Restaurierung des legen Museen heute großen Wert auf islamischen und fernöstlichen Kultur­ antiken Holmos und überweisen Sie eine möglichst präzise Rekonstruktion raum umfassen. Die Vielseitigkeit und unter dem Stichwort „Restaurierung und eine zurückhaltende Ergänzung der Qualität der Bestände ermöglichen es, Antike“ auf das Konto des Museums. Überweisungsträger finden Sie im Heft Dekoration. spannende Bezüge zwischen Epochen nach der Seite 122. Vielen Dank! Der Holmos weist eine reich geritzte und Kulturen, Vergangenheit und Ge­ und gestempelte Dekoration auf. Tier- genwart herzustellen. Zugleich dienen Gefäßständer (Holmos) der Villanova-Kultur in Italien, und Ornamentfriese werden von Kreis­ sie als Vorbilder und Inspiration für uns um 650 – 630 v. Chr. in seinem bändern getrennt. Dazu umringen je heute – und dafür benötigt es Objekte ursprünglichen Zustand vier plastische Tierköpfe das Mittel- und wie dieses.

46 ARSPROTOTO 2 2019 47 KULTURELLE BILDUNG immer wieder neu zu beantworten. der sozialen Verortung, der Lebensästhe­ mer verrücktes Möbelstück im Weg. Wenn wir eine gemeinsame Antwort tiken und ja auch Migrationshinter­ Und wir stolpern regelmäßig darüber. finden, kann ich auch jemanden davon gründe. Es kommt entscheidend darauf Die Kunst irritiert uns, sie verändert überzeugen, solidarisch zu sein und mehr an, dass wir in unserer Gesellschaft Perspektiven und Wahrnehmungen. Und zu geben, weil er ordentlich verdient. Räume schaffen und erhalten, in denen wann immer wir sie zur Seite schieben FÜR DAS GEFÜHL EINES Damit dann andere, denen es nicht so wir das Allgemeine wieder reklamieren wollen, das Möbelstück wieder an die gut geht, die Möglichkeit haben, auch können, das unabhängig von der jeweili­ Wand stellen, wenn wir das nächste Mal ihr Leben ordentlich gestalten zu gen Gruppenidentität ist. Diese Orte quer durch den Raum gehen, steht es können. sollen für alle betretbar sein, um gemein­ wieder irgendwie da, aber wieder irgend­ MITEINANDERS sam dort das Aushandeln des Gemeinsa­ wie anders und wir stolpern wieder Wir sind nicht nur mit zahlreichen men und Allgemeinen zu ermöglichen. darüber. Das heißt meistens passt Kunst Milieus konfrontiert, sondern müssen Das sind zum einen mediale Räume, nicht in die Wahrnehmungsroutinen Ein Gespräch mit Carsten Brosda über die gesellschafts­ die Fragen auch in einer migrantisch das sind vor allem aber auch kulturelle unseres Alltags. Adorno hat mal so schön politische Bedeutung von Kunst und Kultur geprägten Gesellschaft verhandeln. Räume, wenn wir sie entsprechend gesagt „Kunst hat die Aufgabe, Chaos Wie kann das gelingen? öffnen. Das kann beispielsweise das in die Ordnung zu bringen…“. von Hans-Georg Moek Wir haben schon lange an vielen Stellen Foyer eines Theaters oder eines kulturel­ Die Kunst muss nie eine Antwort Migrationsbeiräte, viele Kommunen len Zentrums sein. Genau diese Räume geben, aber sie kann uns irritieren in haben jetzt mit Blick auf die Geflüchte­ müssen wir nutzen und genau deswegen unseren Handlungsabfolgen und kann Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur politischen Auftrag: Wie können wir schritten. Tradition muss immer wieder ten auch nochmal neue Teilhabestruktu­ kommt auch Kultur auf einmal so eine eine wesentliche Inspirationsquelle sein. und Medien der Freien und Hansestadt erreichen, dass viele wieder das Gefühl neu begründet werden. Wir müssen uns ren geschaffen. Ich fand eine Studie der verändernde Rolle innerhalb unserer Natürlich sollen wir nicht auf die Idee Hamburg, ist seit März 2019 Gründungs- haben, dazuzugehören? immer wieder neu verständigen auf die Körber-Stiftung interessant, die wissen gesellschaftlichen Debatten zu. kommen, Kunst genau deswegen wieder vorsitzender der neu eingerichteten Kultur- Wenn man die Frage stellt, um welche Werte, auf die Rahmenbedingungen und wollte: Was heißt eigentlich Diversität zu verzwecken. Aber wir haben jetzt die Ministerkonferenz (Kultur-MK). In Grundwerte es die letzten 200 bis 250 Grundlagen, in denen wir im gesell­ heutzutage in den Städten? Weil wir Welche Angebote hat denn die Kultur Chance, viele Dinge zu verhandeln, die Arsprototo zieht er Bilanz nach dem ersten Jahre ging, dann kann man – sehr sche­ schaftlichen Miteinander agieren wollen. Diversität ja ganz häufig sehr schnell auf und welchen Anteil kann Kulturpoli- wir vielleicht in den letzten Jahren nicht Jahr des Bestehens der Kultur-MK. renschnittartig – sagen, bis zur Weimarer Das setzt viel intellektuelle, diskursive, den kulturellen, ethnischen, migrations­ tik und auch kulturelle Bildung leisten verhandelt haben. Kulturpolitik war ganz Verfassung ging es in erster Linie in den kommunikative Arbeit voraus. Glauben geprägten Hintergrund fokussieren. Aber zur Herstellung dieses Gemeinsamen? lange eigentlich durch zwei hauptsäch­ Hans-Georg Moek: Herr Brosda, ihr Debatten darum, die Freiheit überhaupt wir eigentlich, dass wir Teil der gleichen natürlich hat Diversität eine ganze Viel­ Vor allem den Beitrag, dass sie Kristalli­ liche Themenstränge geprägt: Das eine soeben erschienenes Buch trägt den zu ermöglichen. Die Menschen sollten Veranstaltung sind? Das ist die immer zahl sehr unterschiedlicher Facetten, sationspunkte für gesellschaftliche De­ war – wenn ich es auf den regionalen Teil Titel: Die Zerstörung. Warum wir für vor staatlicher Willkür geschützt werden, wiederkehrende Frage. das können materielle sein, das können batten schafft. Also um das mal in ein herunterbreche – die Frage, hat jeder den gesellschaftlichen Zusammenhalt sie sollten teilnehmen können an den kulturelle sein, das können Facetten der alltagspraktisches Beispiel zu übersetzen: das Geld, das er braucht, um vernünftig streiten müssen. Darin kritisieren Sie, gesellschaftlichen Entscheidungsprozes­ Warum fällt es uns heute anscheinend sexuellen Identität sein, Facetten auch Kunst steht häufig wie ein im Wohnzim­ klarzukommen, also ist die Förderung dass „Politik manchmal aus dem Blick sen. Das 20. Jahrhundert, insbesondere so schwer, darauf eine Antwort zu verloren hat, dass die Menschen das in der Aufbauphase der Bundesrepublik, finden? Gefühl eines Miteinanders brauchen, war stark von Fragen der sozialen Ge­ Wir haben in den Großstädten formal um sich als Teil der gleichen Gesell- rechtigkeit geprägt, wie verteilen wir hochgebildete, materiell gut dastehende, schaft zu empfinden“. Wie kam es zu materielle Ressourcen? Das wurde erwei­ kommunikativ und sozial hochkompe­ dem Buch? tert um die Frage, wie organisieren wir tente, kulturell versierte Eliten, die in der Carsten Brosda: Ich arbeitete gerade an Aufstieg durch Bildung. Wie kann jeder Lage sind, heute in London, morgen in einem Buch über den grundsätzlichen Ressourcen erlangen, um die Freiheits­ Paris, übermorgen in Berlin und am Tag Zusammenhang von Kunst, Kultur, rechte, die jedem zustehen, auch in danach in Rom zu leben. Menschen, die Demokratie und offenen Gesellschaften. Anspruch nehmen zu können? Nun, im autonom entscheiden, unter welchen Da wurde das Thema durch die aktuelle 21. Jahrhundert, rücken meiner Mei­ Rahmenbedingungen sie leben wollen. politische Lage plötzlich sehr konkret: nung nach zunehmend die Fragen der Und wir haben zum Teil Bürgerinnen Die Ergebnisse der Europawahl waren in gesellschaftlichen Solidarität, also des und Bürger, die nicht in diesen urbanen Teilen dramatisch, es gab die Debatte im Zusammenhalts und des Zusammen­ Milieus leben und das Gefühl haben, Zusammenhang mit dem Youtube-Video hangs von Gesellschaft in den Mittel­ irgendwohin geboren worden zu sein von Rezo. Für mich stand zentral die punkt. Unsere Gesellschaft wird bunter und dort jetzt klarkommen zu müssen, Frage im Raum: Wie verändert sich und vielfältiger. Damit wird es auch ohne Verfügungsgewalt über ihr alltäg­ eigentlich öffentliche Kommunikation? aufwendiger, gemeinsam herauszufinden, liches Leben. Wenn es Bürgerinnen und Meine Verlegerin hat mich dann gefragt, auf welcher Grundlage man miteinander Bürger gibt, die das Gefühl haben, dass ob ich nicht dazu vorab schon etwas leben möchte. Den Prozess, den Jürgen sie die nicht mehr haben, haben wir ein veröffentlichen will. Habermas in seiner Theorie des kommu­ Problem in unserer Gesellschaft. Es geht nikativen Handelns mal als die Verflüs­ darum, die Frage nach dem Gemein­ Sie gehen in dem Buch über die Ana- sigung lebensweltlicher Gewissheiten samen einer 82- Millionen-Gesellschaft lyse hinaus und fragen nach dem beschrieben hat, ist sehr weit fortge­ wie der Bundesrepublik Deutschland Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg

48 ARSPROTOTO 2 2019 49 ordentlich verteilt. Wenn man ein biss­ schaft haben? Oder müssen wir unsere die zunehmend als kulturfördernder rechtspopulistischer Seite in einer ver­ auch in der humanitären Dimension und dafür schaffen wir die Grundlagen chen ambitionierter war, wollte man Sicht auf kulturelle Objekte und Tradi­ Akteur auf dem Platz ist, wodurch in meintlich rechtsstaatlichen Argumenta­ immense Verbrechen stattgefunden mit den gemeinsamen Beschlüssen und zeigen, was für einen attraktiven Stand­ tionen grundlegender verändern, weil einem nicht unerheblichen Maße auch tionslogik sagen, ja natürlich ist die haben. Wir übernehmen dafür jetzt die der gemeinsam weiteren Arbeit in der ort man hat, um Fachkräfte aus aller natürlich Menschen als Teil unserer die Abstimmungserfordernisse zwischen Kunst frei, aber eine staatlich finanzierte historische Verantwortung, während in AG, die wir jetzt auch zwischen Bund, Welt anzuwerben. Darin haben sich Gesellschaft und damit auch als Teil Bund und Ländern gestiegen sind. Der Kultur­einrichtung ist doch, weil sie der französischen Politik seit dem Be­ Ländern, kommunalen Spitzenverbän­ lange Zeit kulturpolitische Initiativen unserer heutigen Kultur hier leben, die aktuelle Koalitionsvertrag der Bundesre­ staatlich errichtet worden ist, dazu richt von Sarr und Savoy weitgehend den, Deutschem Museumsbund und weitgehend erschöpft. Man hielt sich aus anderen kulturellen Traditionen gierung spricht von einem kooperativen verpflichtet, einen neutralen Raum zu Schweigen herrscht, haben wir so etwas anderen eingerichtet haben, um ganz sogar fast für clever, weil man eine Um­ stammen? Da finde ich die Debatte Kulturföderalismus und erwähnt in bilden. Uns war wichtig klarzumachen: wie einen gesamtstaatlichen, kulturpoliti­ konkret an diesen Fragen und den auf­ weg-Rentabilität herbeigerechnet hat, momentan verdruckst. Ich komme da jedem zweiten Satz, dass bestimmte Es gibt dieses Neutralitätsgebot an die schen Konsens hergestellt. Schon der tauchenden Fragestellungen auf der mit der man dann kulturpolitische auch an den Punkt, darauf hinzuweisen, Programme in Abstimmung mit den Kultureinrichtungen nicht, sondern sie Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU Grundlage der Eckpunkte zu arbeiten. Investitionen noch sicher stellen konnte. dass die gesamte mittelalterliche christli­ Ländern zu erarbeiten und umzusetzen sind frei. Sie sind frei in ihrer Program­ und SPD auf Bundesebene sieht vor, die Die Bereitschaft zur Rückgabe, zum Aber das wird der Kunst in ihrem Eigen­ che und auch jüdisch-christliche Tradi­ sind. Das setzt aber voraus, dass wir als mierung und es ist unsere Aufgabe als Aufarbeitung des Kolonialismus als eine Dialog und zur vertieften Kooperation wert natürlich nicht gerecht. tion ohne die Überlieferung des Islam Länder auch in der Lage sind, eine Staat, genau diese Freiheit zu schützen. der zentralen erinnerungspolitischen ist der Schlüssel zur Aufarbeitung. nicht nach Europa gekommen wäre. abstimmungsfähige und verhandlungs­ Diese Erklärung hilft als Argumentati­ und geschichtspolitischen Aufgaben der Die Länder Deutschlands haben ja ein Vieles, was wir heute als eine vermeint­ fähige Struktur bereitzustellen. Insbeson­ onsgrundlage vor allem im kommunalen Bundesrepublik anzuerkennen und auch Was sind die nächsten Heraus­ solches Instrument oder eine geeignete lich abendländische Tradition betrach­ dere zu der Fragestellung, wie wir mit Kontext, wenn es um die alltäglich aufzuarbeiten. Wir haben für uns als forderungen für die Kulturminister- Institution für diese Debatten zur ten, wäre ohne den Beitrag des Islam im der Aufarbeitung der kolonialen Samm­ werdenden Angriffe auf die Kulturein­ Länder gefragt, wie machen wir die konferenz? Verfügung, nämlich die Kulturstiftung Hochmittelalter gar nicht möglich lungsbestände umgehen, ist es uns gelun­ richtungen geht. Komplexität unserer föderalen Struktur Wir wollen weiter das Thema bearbeiten, der Länder. Welche Rolle hat die gewesen. Das gehört zum Begriff Patri­ gen, eine gemeinsame Position zu finden. greifbar für jemanden, der wissen will, wie Bund- und Länderförderung besser Kulturstiftung bei der Sinnstiftung, monium dazu, dass wir immer schon Darüber hinaus haben wir mit dem Eine weitere Debatte, die die Kultur- wo eigentlich das kulturelle Erbe meines zueinander passen, sodass sie sich wech­ bei der Suche nach dem Gemein- vernetzt waren, immer schon gegenseitig Erarbeiten von postkolonialen Erinne­ ministerkonferenz beschäftigt hat, war Landes liegt oder meiner Nation oder selseitig stützen. Uns beschäftigt die samen? offen waren, immer uns wechselseitig rungskonzepten durchaus weitreichende der Diskurs über den Umgang mit meiner Volksgruppe? Und dafür eine Frage, wie organisieren wir künftig eine Eine ganze Vielzahl von Aufgaben wartet befruchtet haben. Auch das ist eine Beschlüsse gefasst. Einmal mit den ersten Kulturgütern aus kolonialen Kontex- Anlaufstelle zu schaffen, die es ermög­ Förderung für kleinere, unabhängige auf die Kulturstiftung: Zum einen kön­ Aufgabe, die der Kulturstiftung der Eckpunkten, dann mit dem Beschluss ten. Hier haben Bund, Länder und licht, damit umzugehen, die notwendige Verlage in Deutschland? Viele Länder nen die Länder mit der Kulturstiftung Länder zufällt. zur Einrichtung einer Anlaufstelle für kommunale Spitzenverbände im Okto- Transparenz schafft und damit auch die sehen die Notwendigkeit, noch mehr der Länder gemeinsam kulturfördernd die Herkunftsgesellschaften. Auch eine ber 2019 beschlossen, eine Kontakt- Dialogfähigkeit überhaupt erst ermög­ zu tun, als es der Bund jetzt mit seinem handeln. Wir haben mit der Kultur­ Sie haben die neugegründete Kultur- inhaltliche Fokussierung haben wir stelle einzurichten, eine Anlaufstelle licht, das ist schon eine ganz wesentliche neuen Verlagspreis und viele Länder auch ministerkonferenz jetzt seit Jahresanfang ministerkonferenz als wichtiges Forum gleich mit dem ersten Beschluss, den die insbesondere für die Herkunftsgesell- Aufgabe. Die Anlaufstelle werden wir mit den in Eigeninitiative entwickelten einen Zusammenhang, in dem wir für die politischen Debatten erwähnt. Kultur-MK überhaupt gefasst hat, er­ schaften und -länder. In diesem Be- bei der Kulturstiftung der Länder jetzt Verlagspreisen tun. Brauchen wir dort kulturpolitisch diskutieren und entschei­ Wie ist es denn überhaupt zu dem reicht: Er ist ein deutliches Bekenntnis reich ist in Deutschland im internatio- einrichten. Damit wollen wir denen nicht eine strukturelle Förderung, die es den können. Wenn wir dann ein Hand­ Konsens gekommen, dass man so dafür, dass die Kulturfreiheit und die nalen Vergleich viel passiert in den entgegentreten, die sagen, die Europäer ermöglicht, Literaturproduktion auch lungsinstrument brauchen, mit dem wir etwas braucht? Kunstfreiheit, also Artikel 5 Grundgesetz vergangenen Monaten. diskutieren statt zu handeln. Gleichzeitig dauerhaft auf eine gesicherte Basis zu auch konkrete Programme und Projekte Wir hatten unter den Kulturministerin­ nicht nur dem einzelnen Künstler und Auch hier hat sich sofort gezeigt, warum ist es aber auch so, dass die Lösung, die stellen? Ganz wichtig wird die Frage sein, umsetzen wollen, dann ist die Kultur­ nen und Kulturministern diskutiert, was seinem Werk zusteht, sondern auch den es so wichtig war, diese Kulturminister­ Europäer mögen jetzt einfach mal bitte wie wir mit der digitalen Transformation stiftung der Länder dafür der erste Part­ wir machen können, um als Länder Kultureinrichtungen, wenn sie sich in konferenz zu gründen. Wir konnten alles zurückgeben, auch keine akzeptable im kulturellen Bereich umgehen. Die ner, auf den wir gucken, weil das die von handlungsfähiger zu werden. Außerdem öffentliche Debatten einbringen und nicht nur das Thema dort diskutieren, wäre. Frage der sozialen Situation von Künst­ uns gemeinsam getragene und errichtete standen immer mehr kulturpolitische Stellung beziehen. Sie müssen eben nicht sondern tatsächlich auch Entscheidun­ lerinnen und Künstlern wird uns be­ Stiftung ist. Wenn ich auf die Frage­ Fragen auf der Agenda, die nicht mehr einem staatlichen Neutralitätsgebot gen treffen und diese Entscheidungen Warum? schäftigen. Kurz: Ich bin mir aus der stellung gucke, die wir eben diskutiert nur dadurch zu beantworten sind, dass verpflichtet sein, auch wenn manche das dann umsetzen. Die Debatte hängt ja ein Es wäre neokolonial zu sagen, wir haben Erfahrung des ersten Jahres sehr sicher, haben, steht aber vor allem noch eine man in seinem eigenen, regionalen stoisch behaupten, um ihre Freiheit paar Jahre länger schon in der Luft. In euch das vor 150 Jahren geraubt, jetzt dass die Kultur-MK noch viele Jahre mit viel grundlegendere Frage im Zentrum Zuständigkeitsbereich dafür sorgt, dass einschränken zu wollen. Hamburg hat der Senat bereits im Jahr stellen wir fest, dass wir kein Interesse Lust an die inhaltliche Beschäftigung der der Stiftung: Nämlich was ist das, was die Förderbedingungen stimmen. Bei 2014 entschieden, dass wir ein postko­ mehr daran haben, deswegen kriegt ihr drängenden Themen geht. wir „Patrimonium“ nennen. Also was allen Kulturverantwortlichen der Länder Aber ist das nicht eine Selbstverständ- loniales Erinnerungskonzept schreiben es jetzt wieder. Wir dürfen nicht zu einer sind die bedeutsamen kulturellen Werke ist das Bewusstsein dafür gewachsen, dass lichkeit, die, wie Sie ja sagen, im wollen. Ehrlicherweise immer noch viel neuerlichen Differenzierung der Welt Herr Dr. Brosda, herzlichen Dank für die Geschichte unseres Landes? Die wir, wenn wir die Kulturhoheit der Grundgesetz verankert ist. Warum war zu spät, weil die Gruppen, die sich aus kommen, in der jeder wieder über sein für das Gespräch! Kulturstiftung der Länder sorgt dafür, Länder tatsächlich ernst meinen, dafür es notwendig, sich in dieser Art zu den postkolonialen Communitys oder kulturelles Erbe verfügt und dann wieder dass diese verfügbar sind, dass ihre eine Struktur brauchen, in der wir uns äußern? aus den Eine-Welt-Initiativen mit dem ganz glücklich bei sich selber ist. So war INTERVIEW IM PODCAST Geschichten erzählt werden, dass sie miteinander austauschen können. Wir Das war notwendig, weil wir viele An­ Thema auseinander gesetzt haben, das ja es ja auch nie wirklich. Wir müssen es Kultur, Kulturpoli- auch erlebbar sind. Einer der Kern­ haben viele Themen gehabt, die wir griffe auf genau diese Freiheitsräume teilweise schon Jahrzehnte vorher getan schaffen, dass wir die universelle Verfüg­ tik & Bilanz 1 Jahr aspekte der Arbeit der Stiftung ist, zu diskutieren müssen und dafür brauchten erleben, die es nahelegen, dass es nicht haben. Der Kolonialhistoriker Jürgen barkeit von Kulturgütern auch universell Kulturminister­ klären, wie wir heute definieren, was wir einen eigenen Raum. Was sicherlich mehr so selbstverständlich ist, wie es Zimmerer von der Universität Hamburg gewährleisten. Dazu ist aber die Zwi­ konferenz Hören Sie das komplette zu diesem Patrimonium dazu gehört? auch eine Rolle gespielt hat, ist, dass der erscheint. Im Grundgesetz steht: „Die hat das treffend mit dem Begriff koloni­ schenstufe der Souveränität über das Interview mit Dr. Carsten Brosda: www. Müssen Goethe, Schiller, Dürer und Bund seit 20 Jahren mit der Beauftragten Kunst ist frei“, so wie jeder kurze Satz ist ale Amnesie umschrieben. Wir hatten eigene kulturelle Erbe erstmal wieder kulturstiftung.de/ Konsorten anders vermittelt werden, für Kultur und Medien der Bundesregie­ er durchaus interpretationsfähig. Und es verdrängt, dass während der Kolonialzeit herzustellen. Da spielen Restitutionsfra­ carsten-brosda-kulturpoli- tik-bilanz-kulturmk wenn wir eine kulturell diversere Gesell­ rung eine eigene Struktur geschaffen hat, gibt nicht wenige, die insbesondere von in kultureller Dimension, aber natürlich gen natürlich eine ganz erhebliche Rolle oder auf iTunes und Spotify.

50 ARSPROTOTO 2 2019 51 KULTURELLE BILDUNG Podiumsgespräch mit Mitgliedern des STEGREIF.orchesters und der Weimarer KULTURELLES ERBE Stadtstreicher über die Entstehung einer VERMITTELN. Produktion WAS? WARUM? WIE? Rede zum Auftakt des 9. Kinder zum Olymp-Kongresses am 6. Juni 2019 in Weimar von Markus Hilgert

WARUM BRAUCHEN WIR Bürger einer globalen Welt heranbilden, die die Fähig­ KULTURELLE BILDUNG? keit besitzen, Ideen, Umwelt und Orte miteinander zu verknüpfen, das Scheitern zu überwinden, Probleme Am 29. Oktober 2018 veröffentlichte die in Abu Dhabi zu lösen und ihren eigenen Charakter zu stärken.“ erscheinende Tageszeitung „The National“ einen Mei­ Der Beitrag Tom Fletchers liest sich geradezu wie zur Interaktion und Beobachtung beginnt in der frühen Kulturelle Bildung bereits in der Kindheit sollte jedoch nungsartikel des ehemaligen britischen Botschafters ein Plädoyer für die Implementierung des sogenannten Kindheit. Gleichzeitig besteht heute ein wachsender nicht nur eine dienende, methodische Funktion haben, Tom Fletcher, der sich mit der Zukunft der universitä­ STEAM-Bildungsansatzes in universitäre Curricula. Bedarf an naturwissenschaftlich qualifizierten Arbeit­ indem sie lediglich zu einem kreativen Umgang mit ren Bildung auseinandersetzt. Fletcher argumentiert, STEAM steht als Akronym für Science, Technology, nehmern. Kompetenzen im Bereich STEM, die engli­ Problemstellungen in den MINT-Fächern anleitet. universitäre Curricula müssten zugänglicher werden, Engineering, Arts, Mathematics. Es handelt sich also sche Abkürzung für ‚Science, Technology, Engineering, Tatsächlich sprechen auch aus kulturpolitischer Sicht zugänglicher nicht nur für Studierende aus allen gesell­ um die Wissenschaftsbereiche Mathematik, Informatik, Mathematics‘, im Deutschen MINT genannt, werden gewichtige inhaltliche Argumente für eine Stärkung der schaftlichen Schichten, sondern auch als Ressource für Naturwissenschaften, und Technologie – im Deutschen gebraucht. Die Frage ist, wie eine Generation von STEAM-Bildung und damit auch der intensivierten die Gesellschaft insgesamt. Die Universität der Zu­ als MINT abgekürzt –, erweitert um Kunst und Kultur, Erwachsenen ausgebildet werden kann, die in der Kulturvermittlung in Schulen. So setzt sich etwa in der kunft, so Fletcher weiter, müsse ein Zentrum des freien im Englischen Arts. Die Protagonisten des maßgeblich Wirtschaft des 21. Jahrhunderts erfolgreich ist. Die wissenschaftlichen und politischen Auseinandersetzung Wissensaustauschs sein, kein Refugium, in dem Wissen in den USA entwickelten STEAM-Ansatzes beschreiben Antwort lautet: früh in der Bildungskette zu beginnen mit den Themen kulturelles Erbe und Kulturgutschutz eifersüchtig gehütet wird. Außerdem müsse die Uni­ den Unterschied zwischen der herkömmlichen STEM- und Naturwissenschaften und Kunst zu verbinden. … in den letzten drei Jahrzehnten zunehmend die Er­ versität der Zukunft kreativ und kollaborativ sein. Bildung einerseits und der innovativen STEAM-Me­ Als ‚MINKT‘, oder Englisch ‚STEAM‘, wird die Inte­ kenntnis durch, dass ein reiner Expertendiskurs ohne Fletcher führt dazu aus: „Die Lehrpläne des 21. Jahr­ thode andererseits wie folgt: STEM vermittelt, was und gration der bildenden Künste in die MINT-Förderung Einbeziehung der Zivilgesellschaft keine praktikablen hunderts werden weit über Arbeitsmarktfähigkeit und wie getan wird, während STEAM darüber hinaus bezeichnet. Die Abkürzung steht für Mathematik, und nachhaltigen Modelle für den Erhalt, die Pflege die Aneignung von Wissen um seiner selbst willen berücksichtigt, warum und von wem etwas getan wird. Informatik, Naturwissenschaften, Künste und Techno­ und den langfristigen Schutz von unbeweglichem wie hinausgehen. Sie werden die Lernenden vielmehr auf Das niedersächsische Institut für frühkindliche logie. Die begrenzte Anzahl nationaler und internatio­ beweglichem Kulturgut liefert. Ein strategischer Mei­ ihren Beitrag zur Gesellschaft vorbereiten. Sie werden Bildung stellt dazu fest: „Der Antrieb zum Entdecken, naler Studien dazu – insgesamt 22 Studien zwischen lenstein ist in diesem Zusammenhang das von der 2006 und 2016 – zeigt, dass es sich um ein recht neues UNESCO im Jahr 2015 verabschiedete „Policy Docu­ Prof. Dr. Markus Hilgert Forschungsfeld handelt.“ ment for the Integration of a Sustainable Development während seiner Rede auf dem Kinder zum Ungeachtet des bestehenden Forschungsbedarfs in Perspective into the Processes of the World Heritage Olymp-Kongress diesem Bereich zeichnet sich allerdings schon heute ab, Convention“, das eine Umsetzung der UNESCO dass STEAM-Bildung das Potential besitzt, durch die Welterbe-Konvention von 1972 im Dienste nachhalti­ Einübung transdisziplinären Denkens und transsekto­ ger Entwicklung unter anderem von der Partizipation raler Kooperation junge Menschen dazu zu befähigen, aller relevanten Interessengruppen nicht zuletzt auf mit komplexen Fragestellungen kreativ umzugehen und lokaler Ebene abhängig macht. Lösungsansätze zu erarbeiten, die alle jeweils erforder­ Doch damit nicht genug. Vieles deutet heute darauf lichen Kompetenzen gerade auch über herkömmliche hin, dass auch die Koordination und Leitung entspre­ Disziplingrenzen hinweg berücksichtigen. STEAM chender Prozesse und Projekte von der aktiven Teilhabe könnte somit eine wesentliche Voraussetzung dafür schaf­ der Zivilgesellschaft maßgeblich profitieren und daher fen, dass gesamtgesellschaftliche Herausforderungen wie nach Möglichkeit ebenfalls partizipativ gestaltet sein etwa eine nachhaltige Entwicklung, der Klimawandel und sollten. Im April 2018 hat die Europäische Union einen die digitale Transformation angemessen bewältigt werden. Bericht zur partizipativen Steuerung des kulturellen

52 ARSPROTOTO 2 2019 53 Juri de Marco mit Musike- Tanzaufführung der rinnen und Musikern des WE-DANCE-Company STEGREIF.orchesters und und Bewegungsküche der Weimarer Stadtstrei- e. V. am 7. Juni 2019 cher beim Auftritt im im Deutschen National­ Deutschen Nationaltheater theater Weimar Weimar

VIDEO Kulturerbe erfahrbar machen: Das STEG- REIF.orchester Sehen Sie das Video von Konzert und Probe beim diesjährigen Kinder zum Olymp!-Kongress unter www.kulturstiftung.de/ kinder-zum-olymp- kongress-in-weimar-3/

Erbes vorgelegt, dessen Ziel es ist, „vorbildliche Vorge­ Ich bin überzeugt davon, dass die systematische und 3. Schließlich stellt STEAM auch einen strategischen allein mit Instrumenten aus Wirtschaft und Techno­ hensweisen zu Bottom-up-Ansätzen für ein gemeinsames konsequente Integration von Kunst und Kultur in der und methodischen Rahmen für eine deutlich besser logie bewältigen können. Gefragt ist gerade auch die integratives Management des kulturellen Erbes zu erar­ schulischen und außerschulischen Bildung junger strukturierte Förderung von kultureller Bildung Kultur. Denn längst haben wir verstanden, dass wir für beiten und zu verbreiten“. Der Bericht gelangt insbeson­ Menschen im Sinne des STEAM-Bildungsansatzes eine und Kulturvermittlung sowie für eine entsprechend einen nachhaltigen Schutz des Erdklimas, für einen dere zu dem Ergebnis, dass „die partizipative Steuerung mögliche, wirksame Antwort auf diese Frage sein kann. angepasste Ausbildung von Lehrerinnen und Leh­ verantwortungsvollen Umgang mit den unabsehbaren des materiellen, immateriellen und digitalen kulturellen Drei Gründe sind dafür aus meiner Sicht ausschlag­- rern dar. STEAM bietet damit attraktive Perspek­ Möglichkeiten künstlicher Intelligenz sowie für eine Erbes … ein innovativer Ansatz“ ist, „mit dem sich gebend: tiven auch für die Weiterentwicklung der zukünfti­ menschliche und menschenwürdige Antwort auf spürbar ändert, wie das kulturelle Erbe verwaltet und 1. Der Erhalt unseres materiellen und immateriellen gen Hochschul-, Bildungs- und Kulturpolitik in Migrations­phänomene und ihre Ursachen nichts weni­ geschätzt wird. Langfristig ist dieser Ansatz nachhaltiger Kulturerbes kann als langfristige gesamtgesellschaft­ Deutschland. ger als einen Kulturwandel benötigen; eine grundle­ als der bisherige“. Aus der Analyse konkreter Fallbei­ liche Aufgabe nur dann gelingen, wenn er auf gende Überholung unserer herkömmlichen Handlungs­ spiele ziehen die Verfasser des Berichts weiterhin die einem ganzheitlichen Verständnis von Gesellschaft Mehr Kultur in schulischer und außerschulischer Bil­ muster, Denkweisen und Wertzuschreibungen, Schlussfolgerung, dass für eine erfolgreiche partizipative und Kultur, dem Zusammenwirken interdisziplinä­ dung ist also, so kann man schlussfolgern, durchaus ausgedrückt in neuen Erzählungen mit veränderter Steuerung des kulturellen Erbes „das öffentliche Interesse rer Kompetenzen und transsektoraler Kooperation nicht nur eine Forderung, die dem Fachkräftemangel Sprache und frischen Bildern. Woher aber sollten gefördert und Beziehungen, Flexibilität und Unterstüt­ basiert. Die Sensibilisierung für diesen Sachverhalt im MINT-Sektor entgegenwirken kann. Tatsächlich Handeln und Denken sowie Sprache und Bilder ihre zung für Projekte gestärkt sowie die Kompetenzen und muss bereits in der Schulzeit beginnen, damit brauchen wir mehr Kultur und mehr kulturell infor­ Energie beziehen, wenn nicht aus kraftvollen, materiel­ Ausbildung des Personals ausgebaut werden müssen; … spezialisierte Studien-, Aus- und Weiterbildungs­ mierte Strategien in allen gesellschaftlichen Handlungs­ len und immateriellen Ausdrucksformen von Kultur? dass der Prozess Teil des Ergebnisses ist, Bottom-up- und programme auf diesem Gebiet effizient darauf feldern, wenn wir unsere Gesellschaft widerstandsfähig Weil der globale Wettstreit der kulturellen Narra­ Top-down-Ansätze sich gegenseitig ergänzen können, aufbauen können. und damit zukunftsfähig machen wollen. Denn es ist tive zunehmend auch in digitalen Debattenräumen Mitwirkung und Transparenz in allen Phasen unerläss­ 2. Kultur und kulturelles Erbe spielen eine zuneh­ immer die Stärke der kulturellen Narrative und der ausgetragen wird, müssen wir überdies dafür sorgen, lich sind und das materielle, das immaterielle und das mend bedeutende Rolle auch außerhalb des Kultur­ damit vermittelten Werte, die über den Verlauf und den dass die materiellen und immateriellen Kulturgüter, digitale Erbe miteinander verknüpft werden sollten“. sektors und der Kulturpolitik, so etwa innerhalb Ausgang von Prozessen gesellschaftlicher Aushandlung auf denen diese Erzählungen basieren, auch in digitaler So grundlegend und bedeutsam diese Erkenntnisse der Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs-, Wirt­ und damit auch über das Maß des gesellschaftlichen Form zur Verfügung stehen und für die jeweiligen sind, so komplex sind die Aufgaben, die sich aus ihrer schafts- und Sozialpolitik. Kaum abzusehen ist Zusammenhalts entscheiden: Menschenwürde, Freiheit, digitalen Medien aufbereitet sind. Denn aus dem Umsetzung in konkretes Bildungshandeln ergeben. dabei derzeit, wie die zur Wahrnehmung dieser Demokratie, Toleranz und Solidarität sind nicht selbst­ digitalen Wandel in einer Gesellschaft ergeben sich für Wie können die Wissens- und Kompetenzgrundlagen erweiterten Funktion erforderlichen Kompetenzen verständlich, sondern müssen begründet und argumen­ Bildungs- und Kultureinrichtungen nicht nur Heraus­ geschaffen werden, die Mitglieder der Zivilgesellschaft und Kapazitäten im Bereich Kultur aufgebaut tativ verteidigt werden. Die entsprechenden Gründe forderungen unterschiedlicher Art, sondern auch zu­ dazu ermächtigen, sich kompetent und konstruktiv in werden können. Klar ist jedoch in jedem Fall, dass und Argumente sind ihrem Wesen nach jedoch stets kunftsträchtige Chancen insbesondere für die Kultur­ die Diskussion um kulturelles Erbe sowie Maßnahmen etwa die in diesem Zusammenhang unbedingt kulturell. vermittlung. Diese Chancen ergeben sich aus dem zu dessen Schutz und langfristigem Erhalt einzubrin­ gebotene Stärkung kultureller Infrastrukturen eines Ich will noch einen Schritt weitergehen: Die drei Potential digitaler Medien, verschiedene gesellschaft­ gen? Denn nicht alle, die einen Beitrag in diesem integrierten Ansatzes bedarf, dessen Grundlagen entscheidenden globalen Herausforderungen unserer liche Zielgruppen auf jeweils spezifische Weise anzu­ Bereich leisten können oder wollen, verfügen über die langfristig nur durch eine weitsichtige schulische Tage – der Klimawandel, die digitale Transformation sprechen und damit den Austausch über bestimmte notwendigen Voraussetzungen dazu. Kulturvermittlung sowie STEAM-Bildung geschaf­ sowie Demographie und Migration – werden wir nicht Themen sehr viel breiter und nachhaltiger in der Gesell­ fen werden können.

54 ARSPROTOTO 2 2019 55 schaft zu verankern, als dies bislang möglich war. Die Priorisierungen sind dabei kurz- und mittelfristig sowie die Verfügbarkeit der zu ihrer Erforschung not­ Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft, eine Investition, schulische und außerschulische Kulturvermittlung gerade auch aus kapazitären und finanziellen Gründen wendigen Infrastrukturen entscheidend von einer die hohe Dividenden ausschütten wird. Denn kulturelle sowie die damit angestrebte Stärkung kultureller Aus­ unvermeidlich. Langfristiges Ziel sollte aber stets größt­ breiten Teilhabe der Zivilgesellschaft und der damit Bildung leistet einen Beitrag zur Vielfalt, zur Wider­ handlungsprozesse innerhalb der Gesellschaft können mögliche Transparenz sein. verbundenen politischen Willensbildung in diesem standskraft, zur Demokratiebereitschaft, zur Integra­ also von den Prozessen der digitalen Transformation Darauf aufbauend ist die Kernfrage des Handlungs­ Bereich abhängen, wissen wir nach wie vor noch viel tionsfähigkeit und zum Zusammenhalt. Mit anderen maßgeblich profitieren. feldes Vermittlung, auf welche Weise und mit welchen zu wenig darüber, wie diese Teilhabe konkret gestaltet Worten: kulturelle Bildung in Schulen geht uns alle an, Medien der Kommunikation ausgewählte Inhalte werden kann und welche Konsequenzen damit für uns selbst, unsere Kinder und die Kinder unserer Kin­ FÜNF KULTURPOLITISCHE möglichst zielgruppenspezifisch, im Idealfall sogar herkömmliche Verfahren der gesellschaftlichen Partizi­ der. Daher können wir diese Zukunftsaufgabe auch HANDLUNGSFELDER individuell, so dargestellt werden können, dass sie pation und Teilhabe verbunden sein könnten. Sollten nur gemeinsam bewältigen, Schulen, Zivilgesellschaft, verständlich und potentiell handlungswirksam sind. wir in Zukunft über diejenigen Kulturgüter, die eine Kultureinrichtungen, Förderinstitutionen und Politik. Damit jedoch kulturelle Bildung an Schulen langfristig Zu den zentralen strategischen Leitlinien gehören dabei besondere Bedeutung für eine Gesellschaft haben und Ich freue mich darauf, in den kommenden Jahren gelingen kann, ist nicht nur ein besonderes Engagement Barrierefreiheit und Inklusion ebenso wie Differenzie­ daher ihres besonderen Schutzes bedürfen, im Internet gerade auch im Rahmen dieses Kongresses gemeinsam der Lehrkräfte und Schulleitungen erforderlich. Viel­ rung und Komplexitätsakzeptanz. Digitale Anwendun­ abstimmen, um einen möglichst breiten Konsens in mit Ihnen allen, mit unseren langjährigen Partnern, der mehr müssen gerade auch die außerschulischen Kultur­ gen erscheinen in diesem Zusammenhang als Kom­ dieser Frage zu erreichen und den bisher in diesem Bundeszentrale für politische Bildung und der Kultur­ partner die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die munikationsmedien der Wahl, da sie nahezu ohne Bereich vorherrschenden Expertendiskurs um ein stiftung des Bundes, sowie mit weiteren Expertinnen Fragestellungen, Inhalte und Methoden ihrer Arbeit in physische Beschränkungen eine schier unbegrenzte Votum der Zivilgesellschaft zu ergänzen? Deutlich ist und Experten auf den Gebieten der Kulturvermittlung die schulische und außerschulische Kulturvermittlung Auffächerung und abgestufte Vertiefung der Vermitt­ immerhin, dass digitale Anwendungen auch hier wich­ und kulturellen Bildung diese Zukunftsaufgabe mutig einfließen und damit diejenige Wirkung entfalten lungsangebote erlauben. Ungeachtet dessen ist selbst­ tige Instrumente für Interaktion und Partizipation sind, und kreativ zu bearbeiten. können, die als Beitrag der Kultur zu den drängenden verständlich jeweils im Einzelfall zu klären, welche deren Potential es stärker zu nutzen gilt. Prof. Dr. Markus Hilgert ist Generalsekretär der Herausforderungen in unserer Gesellschaft so dringend Darstellungsweise angemessen und effektiv ist. Ohne eine gelungene Teilhabe möglichst vieler, Kulturstiftung der Länder. notwendig ist. Dabei ist es die Aufgabe der Hochschul-, Damit ist bereits angedeutet, dass die verlässliche entsprechend ermächtigter Menschen dürfte es zuneh­ Bildungs- und Kulturpolitik, angemessene Rahmenbe­ Bewertung der Wirkung, die Zugangswege und Ver­ mend schwierig werden, in Zivilgesellschaft und Politik VIDEO dingungen für einen stärkeren Wissens- und Kompe­ mittlung bei den jeweils angesprochenen Rezipienten ein Verantwortungsbewusstsein für diejenigen materi­ Kulturelles Erbe tenztransfer zwischen Akteuren im Kulturbereich und erzielen, ein weiteres wichtiges Handlungsfeld mit ellen und immateriellen Kulturgüter zu wecken, denen vermitteln. Was? Warum? Wie? der Gesellschaft einzurichten. kulturpolitischer Relevanz ist. Denn nur durch eine eine stabilisierende, identitätsstiftende Funktion zuge­ Hören Sie die Rede von Ich möchte fünf Handlungsfelder benennen, denen Wirkungsanalyse, durch ein impact assessment, kann schrieben wird. Sie müssen erhalten, dokumentiert und Prof. Dr. Markus Hilgert über die Rolle von Kultur dabei eine besondere Bedeutung zukommt und die sehr deutlich werden, wie stark die Präsenz und transforma­ erforscht werden. und kulturellem Erbe: www.kulturstiftung.de/ viel systematischer als bisher weiterentwickelt und tive Kraft des Kulturellen in der Sphäre des Gesell­ Die schulische Kulturvermittlung schafft hierfür die kizo-rede-kulturelles-erbe/ durch Grundlagenforschung fundiert werden sollten. schaftlichen tatsächlich sind. Auch hier benötigen wir unverzichtbaren Grundlagen, sie bahnt erste Zugänge Diesen fünf kulturpolitischen Handlungsfeldern ist Erfahrungen aus der Praxis der Kulturvermittlung, zur Kultur, sie ermutigt zur Teilhabe und übt diese ein. gemeinsam, dass sie insbesondere unter Einsatz digitaler Fakten, Zahlen. So besteht die zentrale Herausforde­ Die kulturelle Bildung ist damit eine Investition in die Technologien auf eine möglichst breite Teilhabe der rung auch bei der digital unterstützten Vermittlungsar­ Zivilgesellschaft an Kultur sowie auf eine stärkere beit im Kulturbereich darin, die jeweilige Wirkung der Präsenz des Kulturellen in der politischen Gestaltung Maßnahmen und eingesetzten Instrumente möglichst Forum I. des Kinder des Sozialen zielen. Diese fünf Handlungsfelder sind exakt zu ermitteln. Die Gründe dafür sind insbesondere zum Olymp-Kongresses: 1. Zugang, 2. Vermittlung, 3. Wirkung, 4. Teilhabe methodischer Art, da sich die ‚Wirkung’ kultureller „Heimaten. Zugehörig- und 5. Verantwortung. Ich will abschließend kurz Vermittlungsangebote nur schwerlich in der Form einer keit und kulturelles Erbe“ im Malsaal des skizzieren, was ich darunter jeweils verstehe und wie Quantifizierung messen lässt. Im besten Falle kann sie Deutschen National­ sich diese Handlungsfelder zueinander verhalten. qualitativ erhoben – bei Web-basierten Vermittlungsan­ theaters Weimar Das Handlungsfeld Zugang wird in erster Linie geboten etwa durch Methoden der „Altmetrik“ – und von der Frage angetrieben, mit welchen analogen und/ in sogenannten impact stories erzählend beschrieben oder digitalen Mitteln möglichst viele Menschen mög­ werden. Welche Methoden und Verfahren dabei jeweils lichst umfassende Informationen zu kulturellen Inhal­ angemessen sind und wie sie für ein effektives Wir­ ten erhalten können. Ich denke dabei beispielsweise an kungsmanagement gerade auch unter Einbeziehung Objekte und Objektkonvolute in kulturbewahrenden digitaler Anwendungen eingesetzt werden können, ist Einrichtungen sowie an die mit diesen Objekten in derzeit weitgehend unklar und ein besonders drängen­ Verbindung stehenden Erzählungen. Es geht also da­ des Desiderat der Forschung. rum, unter Berücksichtigung der jeweiligen Rezeptions­ Eine wirkungsvolle Vermittlung über zielgruppen­ voraussetzungen der verschiedenen gesellschaftlichen spezifische Zugänge sowie die dadurch erzeugte Er­ Zielgruppen auf nationaler und internationaler Ebene mächtigung dieser Zielgruppen sind die Voraussetzung stark differenzierte Wege oder Kanäle für den Wissens­ für Teilhabe, deren Ziele, Formen und Verfahren den austausch mit der Gesellschaft zu identifizieren und Gegenstand des vierten kulturpolitischen Handlungs­ einzurichten. Vorgeschaltet ist dabei aus praktischen felds darstellen, das ich hier vorstellen möchte. Auch Gründen zunächst eine Entscheidung darüber, zu wenn inzwischen ein weitgehender Konsens darüber welchen Inhalten diese Zugänge eröffnet werden sollen. besteht, dass ein nachhaltiger Schutz von Kulturgütern

56 ARSPROTOTO 2 2019 57 ERWERBUNGEN Otto Dix, Bildnis der Kunsthänd­- lerin Johanna Ey, 1924, 140 × 90 cm; Kunstsammlung Nordrhein-West­ DIE MUSE falen, Düsseldorf DER STUNDE Otto Dix’ Porträt der Kunsthändlerin Johanna Ey ist wunderbar ironisch, aber nicht sarkastisch. Endlich gehört es zum festen Bestand der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen von Oliver Jungen

iemand kommt ungesehen an diesem Bild vorbei. sich sehr“, schreibt Johanna Ey in ihren Memoiren: „Ich Otto Dix, nach traumatischen Erfahrungen an bat Dix er möchte mir sein Foto schicken und da er mir N vorderster Kriegsfront in Dresden zum schwer auch gefiel, ein offenes, freches Gesicht hatte, lud ich verkäuflichen Bürgerschreck-Maler mit Dandy-Allüren ihn ein zu uns 14 Tage zu besuchen und unser Gast zu avanciert und während eines dreijährigen Aufenthalts in sein.“ Die Fünfzigjährige fühlte sich wohl inmitten Düsseldorf endgültig zu seinem manisch-realistischen adretter junger Männer. Stil gelangt, hat der unkonventionellen Kunsthändlerin Das schonungslose, ins Spöttische neigende Ausstel­ Johanna Ey in seinem berühmten Auftrags­porträt aus len besonderer äußerer Merkmale, das man von Otto dem Jahr 1924 einen eisernen, unbestechlichen Blick Dix erwarten darf, ist durchaus vorhanden: Eierförmige aus zwar glubschigen, aber messerscharfen Augen verlie­ Leibesfülle, Wurstfinger und Speckfalten in Kombina­ hen. Das kann durchaus als Reverenz des sich selbst als tion mit dem als Krone getragenen, aber an Tortenun­ „Auge der Welt“ betrachtenden Prole­tariersprösslings an tersetzer erinnernden Mantilla-Haarkamm verleihen die eigensinnige Düsseldorfer Kunst- und Künstler­ dem Bildnis eine leicht groteske Note. In den Vorder­ freundin gedeutet werden. Diese mutige, moderne Frau, grund spielt sich das jedoch nicht, weil alles Verletzende die über wenig formale Bildung verfügte und nach dem daran fehlt. Der Bordellszenen-Maestro verzichtet auch Scheitern einer unglücklichen Ehe mit zwölf Kindern, auf das krass Misogyne. Und selbst die unverkennbare von denen nur vier überlebten, in der Lebensmitte bildmotivische Anlehnung an das barocke Fürsten­ mittellos dastand, bevor sie sich mit einer Bäckereifiliale porträt im Stile eines Diego Velázquez, hier mit den selbstständig machte, die Studenten der nahen Düssel­ klassischen Elementen Säule, Vorhang und Tischchen, dorfer Kunstakademie mit Bildern ihre Schulden abzah­ Dreiviertelpose der Figur, pelzbesetztem Kleid in len ließ und dann tatsächlich in den Kunsthandel ein­ Kardinals­roben-Lila und spanisch-hochadeliger Frisur, stieg, hat für die Durchsetzung des modernen Stils am geht im Parodistischen allein nicht auf. Anders als die Rhein schließlich mehr geleistet als manche renom­ meisten der Ey zugeneigten Künstler, die in Überein­ mierte Institution. stimmung mit der lokalen Presse die seinerzeit als Die Inhaberin der Galerie „Neue Kunst Frau Ey“, „meistgemalte Frau Deutschlands“ geltende und sich die bald den kuriosen Mittelpunkt eines Zirkels aus gern als Spanierin inszenierende „Señora Huevo“ gern Stürmern und Drängern bildete, ebnete auch Otto Dix auf ihr gemütliches Naturell reduzierten – bis heute hält den Weg. Das begann auf denkbar informelle Weise. Im sich die von ihr verabscheute „Mutter Ey“-Bezeichnung Juli 1920 erbat sie bei dem weithin unbekannten Künst­ –, porträtiert ausgerechnet der Maler mit dem bösen ler einige Zeichnungen, die sie tatsächlich verkaufen Blick die resolute Geschäftsfrau in nur verhalten konnte. Bald folgten weitere Sendungen. „Dix freute ­ironischer Brechung als absolutistische Herrscherin.

58 ARSPROTOTO 2 2019 59 Als solche konnte Johanna Ey durchaus agieren, nicht nur, wenn es andere Frauen aus ihrem Wirkungskreis zu verbannen galt. Bereits zu Zeiten der Backwarenhand­ lung hat sie zu verhindern gesucht, dass auf Pump ausgegebene Waren an die jungen Modelle ihrer Studen­ ten gelangten. Die Malerin Trude Brück erinnert sich, freundlich gebeten worden zu sein, nicht mehr in den Laden zu kommen: „Bisher war ich hier bei meinen Malern die Mitte, aber seit du kommst, ist das nicht mehr so.“ Auch in Geschäftsangelegenheiten – Johanna Ey verfügte nie über eine ordentliche Buchführung – ging es später reichlich autokratisch zu, was mitunter zu Zerwürfnissen führte. Im Jahr 1923 kam es unter der Führung des Malers und Schriftstellers Adolf Uzarski, der sich gegenüber und Gert Wollheim zurückgesetzt fühlte, zur Abspaltung der „Rheingruppe“ vom Ey-Kreis. Die mythische Überhöhung bei Dix geht aber noch weiter, denn die Dargestellte posiert nicht einfach vor dem Vorhang, sondern wird von diesem dynamisch umspielt, wächst aus ihm hervor. Auffällig an dem Bild ist seine agonale Farbigkeit: das feurige, lodernde Rot scheint im Widerstreit zu liegen mit dem wüst-leeren Grauschwarz zur Linken. Es ist, als würde das Sonnen­ feuer gegen die ewige Nacht ankämpfen, das Sein gegen das Nichts – und genau auf der Grenze, gleichsam als Synthese und Bändigerin der Elemente, steht da, bei­ ßend lila, die Herrscherin vom Rhein. Unerschütterlich wie ein Fels in der Brandung, die massive Statur kein Makel, sondern Ausdruck von Standhaftigkeit. Das Bild versöhnt geläuterten Expressionismus mit neusachlicher Übersteigerung und vollzieht damit Dix’ künstlerische Entwicklung dieser Jahre in nuce nach. In Düsseldorf wandte sich der große Anti-Abstrakte in post-dadaisti­ scher Steigerung und unter Verwendung altmeisterlicher Feinmalerei und Lasurtechnik hart und direkt der Wirk­ lichkeit zu, wofür um 1920 der der Literaturgeschichte entliehene Terminus „Verismus“ gebräuchlich wurde. Es ist eine schöne Nachricht, dass das zunächst an den Krefelder Seidenfabrikanten Hermann Lange ver­ kaufte Gemälde, das viele Jahre als Leihgabe in Düssel­ dorfer Museen zu sehen war, dank der Unterstützung der Gesellschaft der Freunde der Kunstsammlung Nord­ rhein-Westfalen e.V., des Landes Nordrhein-Westfalen, der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Kulturstif­ tung der Länder nun heimgekehrt ist, und zwar „heim“ in einem fast schon unwahrscheinlichen Sinne, denn das die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen beherber­ gende Museum K20 steht just an der Stelle, an der vor einem Jahrhundert Johanna Eys Kunsthandlung lag. In diese Landessammlung gehört das Bild ganz unbedingt, und zwar nicht nur aufgrund seiner handwerklichen Qualität und seiner Stellung im Werk des Künstlers – ein frühes Beispiel für die markanten Charakterporträts, Arthur Kaufmann, Die Zeitgenossen, 1925, 182 × 245,5 cm; Stadtmuseum mit denen Dix ein überzeitlich gültiges Panorama der Düsseldorf. Die Dargestellten v. l. n. r., vorn: Gert H. Wollheim, Johanna Ey, Karl Schwesig, Adalbert Trillhaase; hinten: der Dichter Hermann Eulenberg, Theo Champion, Jankel Adler, die Schauspielerin Hilde Schewior, an der Staffelei Ernst te Peerdt, Arthur Kaufmann, Walter Ophey, Otto Dix, Elisabeth Kaufmann und der Pädagoge Hans Heinrich Nicolini 60 ARSPROTOTO 2 2019 61 Zwanzigerjahre schuf –, sondern auch, weil es ganz Frau Martha das Graphische Kabinett von Bergh & Co im September 1922 einen Exklusivvertrag mit dem direkt Bezug nimmt auf die enorm lebendige und leitete und seine Bilder in der Regel bei dem bedeuten­ Künstler abschloss. Ein monatliches Einkommen war wirkungsvolle Phase der rheinischen Kunst- und Gale­ den jüdischen Galeristen Alfred Flechtheim auf der zugesichert; selbst in der Inflationszeit waren es 25 rienszene in der jungen Weimarer Republik. Düsseldorfer Königsallee kaufte, war von Dix anlässlich Dollar. So eng wurde das Verhältnis, dass man bald Jung ist das Stichwort. Im Februar 1919 hatte sich seines erwähnten Besuchs im Herbst 1921 so begeistert, vom „Nierendix“ sprach, obwohl Nierendorf ansonsten in Anknüpfung an die Sonderbund-Tradition in Düssel­ dass er gleich zwei umstrittene Gemälde erwarb und Konstruktivistisches von Lyonel Feininger, Wassily dorf die Künstlervereinigung „Das junge Rheinland“ sein eigenes Porträt in Auftrag gab. Das missfiel Koch Kandinsky oder Paul Klee im Angebot hatte, womit gegründet. Viele ihrer Mitglieder, aber keineswegs alle, allerdings in seiner aufreizenden Bloßstellung, und so Dix nichts anzufangen wusste. gehörten zu den rheinischen Expressionisten. Den gelangte es an den Kölner Sammler Josef Haubrich, der Die lukrative Geschäftsbeziehung sollte ein Jahr­ Vorstand bildeten die Maler Heinrich Nauen, Adolf wiederum bald eng mit Nierendorf kooperierte. Dix zehnt lang halten, bis die Nationalsozialisten ihr ebenso Uzarski und Arthur Kaufmann sowie der Bildhauer Carl gefiel dafür Kochs Frau umso besser, die er gleich nach ein Ende machten wie dem in Geldnot geratenen Un­ Moritz Schreiner. Eine erste Ausstellung wurde in der Dresden mitnahm. Nach einer schnellen Scheidung ternehmen von Johanna Ey. Nach Abschluss des Ver­ Presse eher ablehnend kommentiert, aber der Durch­ – Koch hatte es ohnehin bereits auf Marthas Schwester trags hatte Nierendorf, um sein Monopol zu sichern, der marsch der gegen den konservativen akademischen abgesehen – heirateten Otto und Martha im Februar Konkurrentin noch ihre wichtigsten Dix-Werke abge­ Lehrbetrieb polemisierenden Kunstrevolutionäre war 1923. Da lebten sie bereits in Düsseldorf und machten kauft. Nierendorf war es auch, der Dix 1925 riet, nach nicht mehr aufzuhalten. Ende 1919 stießen die aus die Tanzsäle unsicher. Berlin zu gehen, wo ihm der endgültige Durchbruch als Ostfriesland kommenden Künstler und In karrieretechnischer Hinsicht bedeutender als Szene-Porträtist gelang. Zugleich endete damit auch die Gert Heinrich Wollheim zum „Jungen Rheinland“. Koch war für Dix indes die Verbindung zum Ey-Kreis, aufregendste Phase des Ey-Kreises, zumal im selben Jahr Parallel dazu engagierten sich die beiden im politisch einerseits der Kontakte zu Künstlern und Auftraggebern Wollheim Düsseldorf verließ. Freilich fanden noch linken „Aktivistenbund 1919“ und suchten den Kontakt wegen, andererseits aufgrund der vom „Jungen Rhein­ weitere Ausstellungen statt, auch wurde die Beziehung zu Johanna Ey, die zu dieser Zeit – ein kleiner erster land“ organisierten „Internationalen“, die ab 1922 die zur Akademie mit der Berufung des modernen Malers Laden existierte seit 1917, das Geschäft am Hinden­ „Große Düsseldorfer“ als Ausstellungshöhepunkt des Heinrich Campendonk wieder enger. Wenige Jahre burgwall 11 seit 1918 – noch mit akademisch-konser­ Jahres ablöste. Johanna Ey kaufte zudem das bedeutende später aber waren Eys Mietschulden und Bittbriefe an vativer Kunst handelte. Ohne langes Zögern stellte die „Elternbildnis I“ (1921) an. Über Befindlichkeiten des Johanna Ey als rettender Engel, Brief von Dix an Ey, 1922. Otto Dix den Oberbürgermeister das beherrschende Thema, bedankte sich mit dieser Zeichnung für die ersten zweitausend Mark, Galeristin Anfang 1920 ganz auf die neue Strömung Kreises setzte sich Dix kurzerhand hinweg, bewarb sich die ihm die Verkäufe der Galeristin eingebracht hatten während zugleich die Vermarktung der „Mutter Ey“ eine um, nicht zuletzt, weil die Spießbürger vor dem Schau­ etwa an der angefeindeten Kunstakademie, wo er ein neue Dimension erreichte. Die launigen Verse, die Max fenster tobten: „Morgens erwachte ich von Johlen und eigenes Atelier erhielt und nicht mehr auf die Atelier­ zehntausend Mark angekauften und nach rechtsnatio­ Ernst zum 65. Geburtstag der gleichwohl immer noch Schimpfen.“ Im Juli 1920 besuchte der Kölner Dadaist gemeinschaft mit Wollheim angewiesen war. Dix wurde nalen Protesten zurückgegebenen, später von den Unerschütterlichen telegrafierte – „Großes Ey, wir loben Max Ernst einen ästhetischen Kampfvortrag in Frau Eys 1922 Meisterschüler von Heinrich Nauen, dem der ­Nationalsozialisten als „entartet“ ausgestellten (Dix: Dich“ – passten da perfekt. Nach dem Krieg misslang Laden. Von da an gehörte er zum Ey-Kreis. Weggang vom „Jungen Rheinland“ zugunsten einer „begeifert[en]“) und als gemalte Wehrkraftzersetzung der Wiederaufbau eines Künstlerzentrums, auch weil Jetzt nahm „Das Ey“, das waren neben der Inhabe­ Akademieprofessur im Ey zumindest vorübergehend als vernichteten Gemäldes „Der Schützengraben“ (1920 Johanna Ey bereits 1947 starb. Sie geriet fast in Verges­ rin auch Pankok und Wollheim, Kontakt zu Otto Dix Verrat ausgelegt wurde, obwohl ein gemäßigter Expres­ begonnen, 1923 in Düsseldorf vollendet) als anklagen­ senheit. Erst nach Interventionen unter anderem durch auf. Der war nach einem Besuch im Herbst 1921 so sionist an der Akademie eigentlich deren Erneuerung den Pazifisten zu vereinnahmen, aber das ignorierte eine Heinrich Böll ging der Rummel um das so unkonven­ angetan, dass er die baldige Übersiedelung nach Düssel­ zeigte. Wichtig für Dix wurde an der Akademie zudem bis zu Nietzsches „Pessimismus der Stärke“ zurückrei­ tionelle Mütterchen wieder los, in neuerer Zeit oft mit dorf plante. Zur selben Zeit eskalierte im Vereinshaus Wilhelm Herberholz, von dem er das Aquatinta-Verfah­ chende Faszination für das Abschlachten, Zerstückeln emanzipatorisch-feministischem Einschlag. Inzwischen Malkasten zwischen den verschiedenen Künstlergruppen ren erlernte, das bald in den spektakulären Kriegsra­ und Verwesen bei Dix. Der Mensch in seiner unge­ ist in Düsseldorf mit Café, Platzname, Medaille und der Stadt ein Streit um Ausstellungskapazitäten. Das dierungen (1923/24) zum Einsatz kommen sollte. Mit schminkten Hässlichkeit, das war stärker und direkter Statuen für das Andenken Johanna Eys gesorgt. „Junge Rheinland“ trat lautstark aus dieser „Arbeits­ der politischen Agenda vieler Ey-Kreisler machte sich als jeder sozialistische Aktivismus. All das, auch wenn es im Jahr 1924 noch nicht zur gemeinschaft“ aus und verlegte seine Adresse in das Dix hingegen nicht gemein. Zwar war es einfach, den Es spricht für Johanna Ey, dass sie um die Grenzen Gänze intendiert gewesen sein kann, darf man mitsehen Geschäft der Johanna Ey, wo fortan Einzelausstellungen Schöpfer des vom Kölner Wallraff-Richartz-Museum für ihres Tuns wusste. Sie finanzierte ihren Schützlingen in dem verspielt ironischen, farbtechnisch gewagten, der Mitglieder im Zwei-Wochen-Rhythmus stattfanden manchen Wunsch – Max Ernst machte 1924 seine Reise aber doch einnehmend majestätischen Bild von Otto und die Bildung eines nationalen „Kartells fortschritt­ nach Saigon auf ihre Kosten, überließ ihr dafür freilich Dix, das nach einer nicht wahrgenommenen Kauf­ licher Künstlergruppen“ angegangen wurde. Die Berli­ sämtliche Werke aus Pariser Zeit –, Verbindungen zu option vor zwei Jahrzehnten doch noch an seinem ner „Novembergruppe“ und die „Dresdener Sezession“ besser organisierten Händlern stellte sie sich jedoch gebührenden Platz gelandet ist. Es stellt mit Sicherheit konnten als Gründungsmitglieder gewonnen werden. In nicht in den Weg, zumal bei einem gefragten Aufsteiger das wichtigste Denkmal für die so kolossale wie hellsich­ kürzester Zeit war Düsseldorf zur Speerspitze der Avant­ wie Otto Dix. Der verdankte der Kunsthändlerin im­ tige Geschäftsfrau dar, die viel mehr Muse und Herr­ garde geworden. merhin ein kleines Startkapital. Er bedankt sich 1922 scherin war als bloß Mutter und Altstadtoriginal. Dix verfügte 1921 freilich bereits über rheinische mit der Zeichnung „Johanna Ey als rettender Engel“ für Oliver Jungen ist freier Journalist in Köln und Händler seiner Werke: den noch kaum etablierten die ersten 2000 Mark. Bedeutender aber war wohl, dass schreibt u. a. für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Kölner Karl Nierendorf und die Düsseldorfer Kunst­ er mit dem „Ey“ nach dem verständlichen Abkühlen der handlung von Bergh. Letztere bot nicht nur Werke von Beziehungen zu Hans Koch eine Basis im Rheinland Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und Emil Nolde feil, sondern auch von hatte, um die eigene Vermarktung voranzutreiben. Diese Grabbeplatz 5, 40213 Düsseldorf Telefon 0211- 83 81 204 Conrad Felixmüller, der die Inkommissionnahme lief vor allem über den Kölner Kunsthändler Karl Nie­ Öffnungszeiten Di – Fr 10 –18 Uhr, einiger Zeichnungen seines Freunds Otto Dix vermittelt rendorf, der schon Mitte 1922 eine erste kleine Mono­ Sa, So 11–18 Uhr hatte. Der Arzt Hans Koch, der gemeinsam mit seiner Otto Dix und Johanna Ey in Düsseldorf, 1924 grafie samt Abbildungen zu Otto Dix herausbrachte und www.kunstsammlung.de

62 ARSPROTOTO 2 2019 63 ERWERBUNGEN AUS LICHT UND SCHATTEN Aenne Biermann prägte als eine der bedeutendsten Lichtbildnerinnen der 1920er-Jahre das „Neue Sehen“ in Deutschland: Der überwiegende Teil ihrer Werke gilt als verschollen – das Museum für Angewandte Kunst Gera konnte 28 Aufnahmen der Künstlerin erwerben von Johannes Fellmann

Aenne Biermann, Eichenblätter, um 1927, 17,5 × 24 cm; Sammlung Biermann

ziehen. Vielleicht ist es die hypnotische Wirkung der schen Provinz weltbekannt zu machen. Der Kunst­ Aufnahmen, die den Kunstkritiker Franz Roh dazu historiker, ein Freund der Geraer Familie Biermann, brachte, die Fotografien Aenne Biermanns zum magi­ war überzeugt, dass die Amateurfotografin zu den schen Realismus zu zählen. Roh setzte Mitte der großen Fotokünstlern ihrer Zeit Jahre zählte. Obwohl 1920er-Jahre alles daran, die Fotos aus der thüringi­ Biermann zunächst weitab der großen Städte, außerhalb der Kunstzirkel und Avantgarden ihrer Zeit lebte und Aenne Biermann, Feuerwerk, 1928, 40,6 × 54,6 cm; Museum für Angewandte Kunst, Gera wirkte, sind ihre Aufnahmen von den revolutionären Tendenzen der neuen Kunstströmungen geprägt. Man weiß relativ wenig über Biermanns Rezeption der Avant­ garde in Foto, Architektur und Design. Das Bauhaus war nicht weit von Gera entfernt, die Ideen der Neuen Aenne Biermann, o. T. (Bergljot Schoder-Dahl), ca. 1931, Sachlichkeit und des Neuen Sehens verbreiteten sich 17,5 × 23,4 cm; Museum für Angewandte Kunst, Gera in Ausstellungen, Büchern und Zeitschriften. Zu den Freunden der gesellschaftlich gut vernetzten Familie Biermann, die ein erfolgreiches Textilkaufhaus in Gera ur. Unmittelbar. Nah. Der Blick der norwegischen junge Fotografin Aenne Biermann aus Gera um 1930 betrieb, zählten auch etliche Künstler, Freundschaften Sopranistin Bergljot Schoder-Dahl trifft uns auch entwirft, wir sehen selbstbewusste Menschen, die in zu Carl Zuckmayer, Franz Werfel und Hans Carossa P heute noch so direkt, dass man meinen könnte, ihrer Individualität gezeigt werden. Was hier beiläufig, sind überliefert. Im Nachlass Henry van de Veldes mitten in der Szene zu stehen. Face to face mit der fast wie ein Schnappschuss wirkt, ist doch alles andere fanden sich Fotos von Aenne Biermann. Porträtierten wirkt ihr Blick unausweichlich. Das Foto als zufällig: vielmehr ein raffiniertes Arrangement aus Anfang der 1920er-Jahre hatte Biermann noch Aenne Biermanns (1898 –1933) reißt den Vorhang Lichtregie, Ausschnitt, Perspektive und inszenierter Szenen aus dem Leben der wohlsituierten, bürgerlichen hoch, hebt die Distanz auf zwischen Betrachter und Pose. Man kann sich dem Sog nicht entziehen, unmög­ Unternehmerfamilie mit ihrer Kamera festgehalten. „Bis Motiv. Es sind neue Bilder vom Menschen, die die lich, sich auf einen distanzierten Standpunkt zurückzu­ zum Jahre 1927 beschäftigte ich mich sozusagen mit der

64 ARSPROTOTO 2 2019 65 kunst oder einer die Malerei imitierenden Fotografie gesteht die breite Fachöffentlichkeit eine künstlerische Berechtigung zu. „Man trägt zur geistigen Niveau-Senkung und Nivellierung bei, wenn man die Fotografie propagiert. Fotografie ist höchstens ‚Kunstgewerbe‘, geistiges Par­ terre“, zitiert Franz Roh eine zeitgenössische Schmähung der neuen Kunstform, als er 1930 einen Band mit Aenne Biermanns Fotografien publiziert. Die von Jan Tschichold, einem auch später noch höchst einfluss­ reichen Kalligrafen gestaltete Reihe Fototek eröffnet mit einer Monografie zu László Moholy-Nagy. Damit ­wollen die Herausgeber für die Anerkennung der neuen Kunstform eintreten, mit hochwertigen Reproduktio­ nen der Fotos ein breites Publikum erreichen. Und Aenne Biermann, Kinderhände, 1928, schon der zweite Band der Fototek ist Aenne Biermann 12,8 ×17 cm; Museum für Angewandte Kunst, Gera gewidmet: 2019 ist ein erweiterter Reprint der außer­ gewöhnlichen Publikation im Klinkhardt & Biermann grafien im Zentrum einer neuen Kunstform, die aller­ Verlag München wieder aufgelegt worden. dings nicht alle Zeitgenossen schon als Kunst anerken­ Die Vertreter des „Neuen Sehens“, die unter dem nen. Als Vehikel von Werbung, für Propaganda oder in Einfluss der neusachlichen Strömungen das Medium als der Reportage wird das Medium breit anerkannt. Aber eigenständige Kunstform etablieren wollten, hatten es eine ureigene ästhetische Wirkung wird ihm meist noch nicht leicht: Sie waren auf der Suche nach einer fotogra­ abgesprochen. Höchstens der experimentellen Foto­ fischen Sprache, die die stark verbesserte Technik der

Aenne Biermann, o. T. (Kaktus), um 1929, 17 × 23,7 cm; Museum für Angewandte Kunst, Gera

vagabundierenden Photographie. Das soll heißen, dass lungen der nächsten Jahre wird sie vertreten sein, ob in sie lediglich für mich zum Zweck hatte, Erinnerungs­ Essen bei der Schau „Fotografie der Gegenwart“, die werte festzuhalten; beispielsweise: Bilder meiner Kinder nach Berlin, London, Frankfurt und Wien weiterwan­ in sehr markanter Entwicklungsperiode, Reiseeindrücke derte. Oder bei der bedeutenden Fotoausstellung des usw.”, erinnerte sich Biermann. Doch als sie für den Deutschen Werkbunds „Film und Foto“ genauso wie befreundeten Geologen Rudolf Hundt gestochen scharfe auf der internationalen Ausstellung „Das Lichtbild“. Aufnahmen seiner Mineralien und Steine herstellte, Biermann präsentierte ihre Bilder neben so bekannten dafür nächtelang in der Dunkelkammer ihre foto- und Künstlerinnen und Künstlern wie László Moholy-Nagy, labortechnische Raffinesse trainierte, erkannte Biermann Florence Henri, Germaine Krull und Albert Renger- die Ausdrucksmöglichkeiten des Mediums: „Durch Patzsch. In Gera wurde ihre Einzelausstellung gar zur diese Aufgabe wurde ich zu einer genaueren Beschäfti­ erfolgreichsten Schau der damaligen Jahre. Im Anschluss gung mit den technischen Vorbedingungen hochwer­ einer Präsentation in Oldenburg im Jahr 1929 erwarb tiger Bilder gezwungen. Ich erkannte immer mehr, daß die Moderne Galerie der Stadt acht Arbeiten – der erste die Frage der Beleuchtung für die Klarheit der Darstel­ Ankauf eines Museums von Werken Aenne Biermanns. lung von entscheidender Bedeutung war, und suchte die Auch die einschlägigen Fotomagazine publizieren ihre gewonnenen Erfahrungen in den Dienst erweiterter Aufnahmen. „Hier ist eine Fotografin, die ein gänzlich Aufgaben zu stellen.” neues Gesicht in ganz alltäglichen Dingen zeigt – die Die geologischen Aufnahmen beeindruckten Franz vielbeliebte Neue Sachlichkeit verliert unter ihren sehr Roh so stark, dass er Biermann 1928 ihre erste Einzel­ zarten Händen all ihren Schrecken – behutsam fasst sie ausstellung verschaffte, im Graphischen Kabinett von Dinge an, die ihre Augen sehen”, schreibt Das Magazin Günther Franke in München. Der Startschuss für einen 1931 über die Geraer Künstlerin. Aenne Biermann, o.T. (Vier Kinder am Tisch), 1929, 12,9 × 16,8 cm; Museum für Angewandte Kunst, Gera rasanten Aufstieg der Amateurfotografin in den Reigen Aenne Biermann steht mit ihren subtilen Porträts, der ganz Großen der Zunft. Auf allen wichtigen Ausstel­ Landschaftsaufnahmen, Straßenszenen und Objektfoto­

66 ARSPROTOTO 2 2019 67 Suggestiv hebt die Fotografin Situationen und Motive auf eine neue Bedeutungsebene, löst Objekte und Gesichter aus ihren ursprünglichen Zusammenhängen. Dabei wirkt die Szenerie selbst fast nie dramatisch, die dynamische Wirkung erzeugt Biermann nur über den visuellen Zugriff, beispielsweise durch eine harte Kon­ frontation in extrem nahen Bildausschnitten. Kaum war Aenne Biermann Anfang der 1930er- Jahre an die Spitze der Avantgarde gerückt, da wurden ihre erfolgreichen Aktivitäten auch schon jäh gestoppt. Eine schwere, unheilbare Krankheit zwang die Künstle­ rin ab 1931 zur weitgehenden Aufgabe ihres produkti­ ven Schaffens. Als Biermann am 14. Januar 1933 an den Folgen ihrer Erkrankung starb, hinterließ sie rund 5.000 Abzüge und 3.000 Negative. 1938 wird das Geraer Aenne Biermann, o.T. (Kleine Kastanie), ca. 1931, Kaufhaus ihres Ehemanns Herbert Biermann „arisiert“, 17,7 × 19,9 cm; Museum für Angewandte Kunst, Gera kurz danach verlässt die Familie Deutschland Richtung Palästina. Die Emigration Herbert Biermanns und der Kameras, Objektive und Labore umfassender nutzt als Kinder glückt, doch die 5.000 Fotografien, die als bisher. Noch beherrschte das künstlich ausgeleuchtete Fracht losgeschickt wurden, beschlagnahmten die Nati­ Foto im Studio mit steifen Personentableaus vor theater­ onalsozialisten in Triest. Seitdem gelten sie als verschol­ hafter Kulisse die Vorstellungen von professioneller len, vermutlich sind sie vernichtet worden. Die Negative Fotografie. Das „Neue Sehen“ der 1920er-Jahre entwirft Aenne Biermanns, die in Gera verblieben, wurden dagegen ein anderes Menschenbild, wagt einen neuen später wahrscheinlich Opfer eines Brandes. So haben Blick auf die Wirklichkeit. Die Künstler gingen auf die sich nur einige wenige hundert Abzüge in privaten und Straße, in die Natur, in die privaten Räume der Men­ öffentlichen Sammlungen erhalten. 73 originale Foto­ schen. Mit einem effektvollen Einsatz von Licht und grafien befinden sich in den Beständen der Stiftung Ann Schatten, Schärfe und dynamischen Bildausschnitten und Jürgen Wilde, sie wurden 2019 in einer Ausstellung sollte zwar durchaus ein dokumentarischer Blick auf die in der Pinakothek der Moderne in München gezeigt. Realität geworfen werden, gleichzeitig sollten die Foto­ Zuvor hatte bereits das Museum für Angewandte Kunst grafien aber auch zur Reflexion über die sich rasant Gera im Rahmen von „100 Jahre Bauhaus“ die bedeu­ verändernde Wirklichkeit dieser Zeit auffordern. Denn tende Künstlerin der Stadt in der Ausstellung „…der u. a. der wirtschaftliche Boom hatte für eine enorme Sachlichkeit verpflichtet. Aenne Biermann – Fotografien Beschleunigung des Alltags gesorgt. Eine sich emanzi­ 1926 bis 1932“ gewürdigt. 136 Aufnahmen hatte pierende Zivilgesellschaft musste sich in stark veränder­ Kurator Frank Rüdiger dafür versammelt. Auch in der ten Arbeits- und Lebenswelten zurechtfinden. ständigen Ausstellung in Gera werden Werke der her­ Deshalb sollte sich auch das Medium der Fotografie ausragenden Avantgarde-Fotografin Aenne Biermann wandeln: Insbesondere die „Bauchnabelperspektive“ präsentiert, denn 28 originale Abzüge konnten mit konventioneller Fotografien war den Erneuerern ein Unterstützung der Kulturstiftung der Länder aus der Dorn im Auge. Varianz und ungewöhnliche Blickwinkel­ Sammlung von Aenne Biermanns Sohn Gerd angekauft waren gefragt. Auch Aenne Biermann wählte meist eine werden. außergewöhnliche Perspektive auf ihre Motive. „Das Johannes Fellmann ist Redakteur von Arsprototo. einzelne Objekt, das innerhalb seiner Umgebung ­niemals aus dem Kreis der vertrauten Erscheinungen Museum für Angewandte Kunst herausfiel, gewann auf der Mattscheibe ein ureigenes Greizer Straße 37, 07545 Gera Telefon 0365 - 8381430 Leben; die Wirkung des Lichts auf der polierten Fläche Öffnungszeiten Mi – So, feiertags 12 –17 Uhr eines metallenen Gebrauchsgegenstandes, nie beobach­ www.gera.de tete Schattenspiele, überraschende Kontrastwirkungen Hans-Michael Koetzle, Franz Roh von Schwarz und Weiß, das Problem der glücklichen (Hg.), Aenne Biermann, 60 Fotos. Raumaufteilung eines Bildes, brachten unerschöpfliche Reprint mit einem Essay von Hans- Aenne Biermann, o.T., ca. 1931, 24 × 17,6 cm; Museum für Angewandte Kunst, Gera Ueberraschungen und ein Streben nach größter Ver­ Michael Koetzle, Verlag Klinkhardt & Biermann, München. 104 Seiten mit trautheit mit den Dingen und der Möglichkeit der 61 Abbildungen in Schwarzweiß, Darstellung”, analysiert Aenne Biermann in einem 22 Euro Beitrag für eine Kulturzeitschrift ihren künstlerischen Ansatz.

68 ARSPROTOTO 2 2019 69 ERWERBUNGEN EIN LÖWE FÜR DEN LÖWEN Einst empfing er die Gäste Rudolf Mosses: Heute begrüßt der „Liegende Löwe“ von August Gaul die Besucher der James-Simon-Galerie auf der Berliner Museumsinsel von Natascha Königs

esucher kommen und gehen, strömen zum Ticket­ Stiftung Preußischer Kulturbesitz rechtmäßig zurück­ schalter oder ins nahe gelegene Café im seit­lichen erworben werden. B Gebäudeteil mit Blick auf den Kupfergraben – es Im März 2017 startete zudem die „Mosse Art herrscht rege Betriebsamkeit in der James-Simon- Research Initiative“ (MARI). Hierbei handelt es sich um Galerie, dem neuen zentralen Eingangsgebäude zu den ein Pilotprojekt, das von der Kulturstiftung der Länder Schätzen der Museumsinsel Berlin. und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz initiiert Verhältnismäßig wenige Besucher halten jedoch wurde. Gemeinsam von den Mosse-Erben und der länger vor dem etwas überlebensgroßen Löwen aus Freien Universität Berlin ins Leben gerufen, bemüht hellem Kalkstein inne, der an prominenter Stelle in der sich die Initiative im Verbund mit weiteren Museen und Eingangshalle platziert ist, so friedvoll und bescheiden Archiven um die Rekonstruktion der Sammlung und präsentiert er sich: der „Liegende Löwe“ des Bild- die Identifizierung und Lokalisierung der Kunstwerke. hauers, Bronzegießers und Medailleurs August Gaul Der „Liegende Löwe“ ist nach der „Susanna“ von Rein­ (1869 –1921). Und doch gibt dieser sanfte Riese, der hold Begas bereits das zweite Kunstwerk, das restituiert einst dem deutsch-jüdischen Selfmade-Millionär und und für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz regulär berühmten Verleger des liberalen „Berliner Tageblatts“ erworben werden konnte. Daneben konnten bisher Rudolf Mosse (1843 –1920) gehörte, in mehrfacher sechs weitere Kunstwerke in den Museen der Stiftung Hinsicht zum Innehalten Anlass. als Bestandteil der ehemaligen Kunstsammlung Mosse Denn Rudolf Mosse, der den „Liegenden Löwen“ identifiziert werden, die vorerst als Leihgaben in Berlin um 1902 mittels des Kunsthändlers, Verlegers und verbleiben dürfen. Galeristen Paul Cassirer bei August Gaul in Auftrag gab An all dies soll der „Liegende Löwe“ fortan in der und dessen umfangreiche Kunstsammlung Opfer des James-Simon-Galerie erinnern und hier ein Stück nationalsozialistischen Raubzugs seit 1933 wurde, lebendiger Erinnerungskultur werden. Dass der stei­ gehörte gemeinsam mit James Simon und Eduard nerne Löwe in seiner kraftvollen und majestätischen, Arnhold zu den bedeutendsten jüdischen Kunstsamm­ zugleich jedoch gütigen und gar nicht raubtierhaften lern, Mäzenen und Stiftern Berlins um 1900. Ausstrahlung durchaus als eine Verkörperung seines Glücklicherweise markierte der Raub im Falle des ursprünglichen Eigentümers gesehen werden kann, lässt „Liegenden Löwen“ nicht den tragischen Schlussakkord. seine Aufstellung als besonders gelungen erscheinen Vielmehr konnte die Skulptur, die 1949 zunächst zur und verleiht der Skulptur einen ganz besonderen Reiz. Verwahrung in die Bestände der Alten Nationalgalerie Tatsächlich kann man Rudolf Mosses wirtschaft­ (Berlin-Ost) gelangt und mit der Wiedervereinigung in lichen Aufstieg zum „Medienlöwen“ insofern als kraft­ das Inventar der Staatlichen Museen übergegangen war, voll bezeichnen, als er sein Imperium in einer unfass­ 2015 an die Erben von Rudolf und Emilie Mosse resti­ baren Geschwindigkeit und mit großem Gespür für die tuiert und 2016 mit Hilfe der Beauftragten der Bundes­ Bedürfnisse und Chancen seiner Zeit aufgebaut hat. regierung für Kultur und Medien und mittels der Allerdings besaß Rudolf Mosse noch kein Vermö­ Unterstützung der Kulturstiftung der Länder für die gen, das er hätte in Kunst investieren können, als er

Der „Liegende Löwe“ von August Gaul in der James-Simon-Galerie auf 70 der Berliner Museumsinsel ARSPROTOTO 2 2019 71 abseits des akademischen Kunstbetriebs insbesondere für seine Tierplastiken bekannt. Bis August Gaul seine Passion als Tierbildhauer fand, hatte es jedoch verhältnismäßig lange gedauert. So absolvierte er zunächst eine Ausbildung zum Modelleur und Ziseleur in seiner Heimatstadt und konnte sich bereits hier durch den Gewinn von Medaillen und Geldpreisen hervortun. Auf seinen Umzug nach Berlin 1888 folgte 1889 der Eintritt in das Atelier des Bild­ hauers Alexander Calandrelli. Erste finanzielle Erfolge ließen nicht lange auf sich warten und so begann Gaul 1894 das Studium an der Hochschule der Bildenden Künste in Berlin, wo er schließlich von Reinhold Begas entdeckt wurde. Dieser machte ihn 1896 zu seinem Seitenflügel und Hof der Voßstraße 22, zur Straße hin gesehen, 1935 Meisterschüler. In Begas’ Werkstatt fertigte er auch seine ersten Benda ein Wohngebäude errichten, über dessen majes­ Bronze-Löwen, und zwar als Teil eines Kriegerdenkmals tätisches Gepräge in Architektur und Ausstattung die für Wilhelm I. Doch sind es nicht die zähnefletschenden „Deutsche Bauzeitung“ in einem großen Beitrag eigens und brüllenden Tiere Begas’, sondern die ruhenden berichtete. Hier heißt es sinngemäß, die Errichtung Löwen August Gauls, die sich erhalten haben und heute palastartiger, nur zur Benutzung einer einzigen Familie als schmückendes Beiwerk im Tierpark Friedrichsfelde bestimmter Wohnhäuser könne in einer Stadt wie Berlin zu bestaunen sind. Wie sehr sich August Gaul in seiner mit geschlossener Bebauung, in der das vielgeschossige bildnerischen Auffassung von Begas, aber auch von der Miethaus die Regel bilde, doch eher selten und naturge­ damals oft zum Vergleich herangezogenen französischen mäß nur an wenigen Orten stattfinden, im Gegensatz Referenz, dem Tierbildhauer Antoine-Louis Barye, zu vielen anderen Prachtbauten der letzten beiden Jahr­ unterschied, zeigt das Urteil Emil Waldmanns, der in zehnte trage das Mosse-Palais am Tiergarten in seiner seiner 1919 bei Paul Cassirer erschienenen Biografie August Gaul bei der Gesamtgestalt jedoch dazu bei, der Stadt Berlin „allmäh­ August Gauls schrieb: „Barye liebte die Tierseele in 1895 bei der Zeitschrift „Die Gartenlaube“ anfing. Als „Berliner Tageblatts“ eine Angebotslücke. Dass ihm Arbeit am „Liegenden lich einen weltstädtischen Hauch zu geben“. Aufruhr […]. Gaul weiß von solchen Freuden nichts Löwen“ für Rudolf Breitenmedium verfügte die Zeitschrift über eine sepa­ dabei in erster Linie eine lokale Tageszeitung vor­ Mosse, um 1904 Für die Ausstattung des Gebäudes, dessen Speisesaal und will von ihnen nichts wissen. Ausnahmeformen rate Beilage mit Werbeannoncen und es war hier, im schwebte und er damit – wieder einmal – ein außeror­ sich Rudolf Mosse – seiner kaisertreuen Haltung gemäß und Höchstspannungen sucht er so wenig, daß man Management eben dieses Anzeigenteils, in dem Rudolf dentliches Gespür für die Bedürfnisse der Konsumenten – von Anton von Werner, dem Lieblingsmaler Wilhelm sich von ihm noch nicht einmal einen brüllenden Mosse brillierte. Das bald darauf erfolgte Angebot einer an den Tag legte, eine Reihe äußerst begabter Redak­ II., im Jahre 1899 mit dem Monumentalgemälde „Gast­ Löwen vorstellen kann. Ein brüllender Löwe ist für Teilhaberschaft schlug der junge Mann jedoch aus und teure einstellte und ein weitgespanntes Korresponden­ mahl der Familie Mosse“ im Stile Rembrandts ausgestal­ Gaul zu sehr außer sich, als daß er ihn noch als typisch eröffnete 1867 die „Zeitungs-Annoncen-Expedition tennetz etablierte, legte den Grundstein für den lang­ ten ließ, gab Rudolf Mosse um 1902 auch den „Liegen­ löwenhaft empfände. Ganz abgesehen davon, daß der Rudolf Mosse“ in der Friedrichstraße 60, die er schon fristigen Erfolg des Blattes, das bis zur Gleichschaltung den Löwen“ bei August Gaul in Auftrag. Dieser war aufgerissene Rachen ihm plastisch unangenehm wäre als drei Jahre später in eine Offene Handelsgesellschaft 1933 für lange Zeit die auflagenstärkste Berliner Tages­ Drei sowjetische Soldaten (OHG) umwandelte. zeitung bleiben sollte (bis zur Einstellung 1939 wurde posieren vor dem „Mosse- Seine Geschäftsidee war so einfach wie genial: sie mehrfach verboten). Löwen“, Fotografie von Indem er den gesamten Anzeigenteil großer Blätter Beflügelnd wirkten sich auch jene Demokratisie­ Friedrich Seidenstücker, 1945 mietete und seine Firma in eigenen Inseraten „zur ge­- rungsschübe aus, die sich insbesondere in der Zeit von fälligen Betrachtung“ und zu attraktiven Konditionen 1848 bis zur Gründung des Deutschen Reiches im Jahre als zentrales Vertriebsorgan für Werbeannoncen aller 1871 auf dem Gebiet Preußens abspielten. So fiel etwa Art anbot, machte er seine „Annoncen-Expedition“ in Preußen nach Vormärz und Revolution 1850 end­ schnell zur entscheidenden Schnittstelle zwischen An­ gültig das Monopol des Staates, alleinig „Intelligenz“, gebot und Nachfrage im Werbegeschäft. d. h. Nachrichten, Anzeigen und öffentliche Bekannt­ Als Rudolf Mosse 1872 das „Berliner Tageblatt“ machungen zu publizieren. Zudem wurde mit der ins Leben rief, das insbesondere unter seinem späteren Reichsgründung das Recht der Gewerbefreiheit auf das Chefredakteur Theodor Wolff (1868 –1943) zum libera­ ganze Staatsgebiet ausgedehnt und Berlin zur Reichs­ len Leitmedium der Hauptstadt avancieren sollte, hatte hauptstadt erhoben. sein Unternehmen bereits eine große Zahl von Zweig­ Um seinen wirtschaftlichen Erfolg nicht verlegen, niederlassungen und bald über 250 Agenturen im In- ließ sich Rudolf Mosse in den Jahren 1881 bis 1885 (in und Ausland. Teilen bis 1888) auf einem bis dato unbebauten Grund­ Ähnlich wie mit der „Annoncen-Expedition“ stück im Zentrum Berlins (am Leipziger Platz 15/Voß­ schloss Rudolf Mosse auch mit der Etablierung des straße 22) von den renommierten Architekten Ebe &

72 ARSPROTOTO 2 2019 73 eine quälende, jenseits alles Gleichgewichts befindliche nene Katalog seiner Sammlung formuliert, die zu die­ nicht, auch wenn sich das Unternehmen durch Welt­ Grimasse. Er kann am meisten und am schönsten über sem Zeitpunkt im Palais am Leipziger Platz für die wirtschaftskrise, Inflation und wachsenden politischen die Tiere aussagen, wenn sie ihren Schwerpunkt über Öffentlichkeit zugänglich war. Ein besonderer Schwer­ Druck zu dieser Zeit in finanziellen Schwierigkeiten ihren Füßen haben. Das ist nun einmal sein ruhiges, punkt der Sammlung lag offenbar auf der zeitgenössi­ befand. Vielmehr findet sich die faktische Inbesitz­ maßvolles Temperament […].“ schen Skulptur, wie selbst der Auktionskatalog des nahme durch den nationalsozialistischen Apparat in 1898 schloss sich August Gaul der Berliner Seces­ Auktionshauses Lepke aus dem Jahre 1934 im Vorfeld hämischer Art und Weise erst in offizieller Korrespon­ sion um Max Liebermann an, in deren Vorstand er der Versteigerung der Sammlung feststellt: denz vom Juni 1933 beschrieben. An gleicher Stelle 1902 gewählt wurde. Über die Secession kam auch der „Ein Verdienst Mosses muss hervorgehoben werden: findet sich auch der Vermerk, dass sich in dem durch die Kontakt August Gauls zu Bruno und vor allem Paul er hat in großzügiger Weise die Bildhauerkunst unter­ Treuhandgesellschaft übernommenen Rudolf-Mosse- Cassirer zustande, der bald darauf exklusiv den Vertrieb stützt. Vielleicht ist die unmittelbare Veranlassung dazu Kunstpalais „die weltberühmte Gemälde-Galerie, eine der Kunstwerke Gauls übernehmen sollte. Beide ver­ das Haus gewesen; aber es geschieht so selten, dass Sammlung deutscher Meister, welche der alte verstor­ band zudem bald eine so enge Freundschaft, dass sie Bildersammler Plastiken grossen Stils erwerben, dass bene Rudolf Mosse gesammelt hat“, befinde. allenthalben als „Paulchen und Gaulchen“ bezeichnet eine Ausnahme, wie sie Mosse darstellt, nicht hoch Diese und andere Werke der Kunstsammlung wurden. Paul Cassirer dürfte auch den Kontakt zu genug zu rühmen ist. Er erwarb den prachtvollen wurden auf Veranlassung der Nationalsozialisten in zwei Rudolf Mosse vermittelt haben. ‚Marmor­löwen‘ von August Gaul und die gewaltige Auktionen im Mai und Juni 1934 verkauft und sind bis Tatsächlich ging Rudolf Mosse in der Zusammen­ granitne ‚Caritas‘ von Hugo Lederer, sowie manches heute zum größten Teil unauffindbar. Überhaupt fehlt stellung seiner Kunstsammlung im Vergleich mit den schöne Stück von Begas, Eberlein, Klimsch, Schott, von einem Großteil der Sammlung, insbesondere auch anderen wichtigen Berliner Sammlern Eduard Arnhold Lambeaux, Meunier, Glycenstein und anderen. In jener jener von Hans Lachmann-Mosse, jede Spur. Dies gilt und James Simon einen eigenen Weg. Dies drückte sich Zeit hat nur Wilhelm II. in ähnlicher Weise die Bild­ zuvorderst für jene Werke, die nicht Teil der Versteige­ unter anderem in der Tatsache aus, dass er sich in seiner hauer gefördert.“ rungen waren und sich nicht in den Auktionskatalogen August Gauls „Liegender Löwe“ im Foyer Sammelleidenschaft nicht – wie diese – von Wilhelm Dieser Umstand brachte Rudolf Mosse ausgerechnet der beiden Häuser Lepke und Union aufgeführt finden. der James-Simon-Galerie von Bode beraten ließ, sondern in Kunstfragen auf das Lob der Nationalsozialisten ein, die die Handels­ Der „Liegende Löwe“ war nicht Teil der Versteige­ seinen langjährigen Freund und Mitarbeiter beim „Ber­ gesellschaft 1933 zwangsweise in die – euphemistisch als rungen. Hatte er noch bis 1929 in der Halle der soge­ Berlin-Wilmersdorf mit dem Mosse-Stift ein interkon­ liner Tageblatt“, den Kunstkritiker Fritz Stahl, vertraute. „Treuhandgesellschaft“ bezeichnete – „Rudolf-Mosse- nannten Mosse-Galerie des Palais gestanden, wurde er fessionelles Waisenhaus errichten, das heute noch steht. In jedem Fall scheint Rudolf Mosse der „Dienst an Stiftung“ umwandelten. Die immer wieder zu lesende 1935 im Ehrenhof des Gebäudes Richtung Voßstraße Die neubarocke Dreiflügelanlage mit überkuppeltem der jungen Künstlerschaft seiner Generation“ ein beson­ Behauptung eines 1932 offiziell eröffneten Konkurs­ aufgestellt. Anders als das schwer beschädigte Mosse- Mittelrisalit beherbergt gegenwärtig unter anderem ein deres Anliegen gewesen zu sein, wie es der 1929 erschie­ verfahrens stützen die historischen Dokumente dagegen Palais blieb er jedoch vor der völligen Zerstörung be­ Jugendfreizeitheim und einen Kindergarten und zeigt wahrt und muss den sowjetischen Soldaten, die sich sich auf diese Weise dem Geist ihrer Stifter verpflichtet. 1945 an Ort und Stelle mit ihm fotografieren ließen, Seit 1989 erinnert zusätzlich eine Gedenktafel aus wie ein kleines Wunder erschienen sein. Das Wissen, KPM-Porzellan an den Erbauer der Anlage. Auch das dass der Löwe zuvor der Familie Mosse gehört hatte, war Grab der Familie Mosse auf dem Jüdischen Friedhof in jedoch in den Trümmern des Krieges verschüttgegan­ Weißensee erhält die Erinnerung an die Personen und gen, wurde der Löwe 1949 doch schließlich nur mit ihre Ideale aufrecht, denen sich die Nachkommen der dem Herkunftsvermerk „Sichergestellt aus einem Garten Familie Lachmann-Mosse bis heute auf den unterschied­ in der Voßstraße“, an die Nationalgalerie (Berlin-Ost) lichsten Gebieten verpflichtet zeigen. In diesem Sinne übergeben. ist zu hoffen und stimmt zuversichtlich, dass die James- So sehr James Simon, Eduard Arnhold und Rudolf Simon-Galerie heute im besten Sinne Werbung für Mosse als Kunstsammler und Mäzene in die Erinnerung Rudolf Mosse macht und jeder Besucher des „Liegenden zurückkehren sollten, so sehr gebührt ihnen dies auch Löwen“ auch etwas vom Wirken der Mosses mit nach auf andere Weise. Denn alle drei einte weit mehr als Hause nimmt. die Liebe zur Kunst. Im Zusammenspiel von liberaler Dr. Natascha Königs ist Referentin des Vorstands der Grundhaltung und der gleichzeitigen Verpflichtung auf Kulturstiftung der Länder. das jüdische Gebot der „Zedaka“, der Wohltätigkeit, entfalteten sie eine beispiellose karitative Tätigkeit für James-Simon-Galerie benachteiligte und verarmte Menschen in Berlin und Bodestraße, 10178 Berlin Öffnungszeiten Mo – Mi, Fr – So 9:30 –18:30 Uhr, andernorts. Fortschrittlich und progressiv waren ihre Do 9:30–20:30 Uhr, Eintritt kostenlos Hilfsangebote weder an Konfession noch Geschlecht www.smb.museum gebunden. Kranken- und Waisenhäuser, öffentliche www.mari-portal.de Badeanstalten, Bildungseinrichtungen und moderne VIDEO Wohngebäude für die Armen gingen – im wahrsten Der Mosse-Löwe in Sinne des Wortes – auf ihr Konto. Daneben richtete der James-Simon- Rudolf Mosse nach dem markanten Motto „Treue um Galerie Wie kommt der Löwe Treue“ als einer der ersten Unternehmer überhaupt eine in die Galerie? Sehen Sie Pensionskasse für seine zahlreichen Mitarbeiter ein. hier das Video: www. kulturstiftung.de/mosse- Zwischen 1893 und 1895 ließ das Ehepaar Mosse in loewe/ August Gauls „Liegender Löwe“, historische Aufnahme

74 ARSPROTOTO 2 2019 75 PARTNER DER KSL: DIE HERMANN REEMTSMA STIFTUNG ECHO AUS DEM EXIL Die Ideen der Kunstpioniere Aby Warburg und Hugo Simon leben

von Carolin Vogel

Aby Warburg (r.) EINE BIBLIOTHEK VERBINDET mit Gertrud Bing HAMBURG MIT ENGLAND und Franz Alber im Palace Hotel in Rom, 1928/29; im Bloomsbury, im Herzen von London: Hintergrund Über dem Eingang eines eleganten Fragmente zu Gebäudes der 1950er-Jahre steht in seinem berühmten Bilderatlas großen Lettern das rätselhafte Wort „Mnemosyne“. Hier beginnt das Reich Gleich neben Aby Warburgs der Erinnerung. 80.000 Bücher, per Wohnhaus, in der Heilwig- nahme der Bibliothek. Allein England straße 114 in Hamburg, Schiff vor den Nationalsozialisten ge­ baute der Architekt Gerhard garantierte, ihren Betrieb auch dauerhaft rettet, waren der Grundstock für Langmaack die Kulturwis- zu finanzieren. So wurden die Bücher und „The Warburg Institute“, heute eine senschaftliche Bibliothek das Bildarchiv Ende 1933 ins rettende Warburg, die 1926 von der führenden Forschungsstätten für Ernst Cassirer eingeweiht Exil nach London verschifft. Seit 1958 ist Kunstgeschichte. wurde das Institutsgebäude im Stadtteil Blooms­ Begonnen hatte alles in Hamburg, bury ein Hafen für Wissbegierige aus aller mit der Entscheidung des deutsch-­ 1933 wurde Warburgs Welt. Hier werden Aby Warburgs Ideen Bibliothek vor den Natio- jüdischen Bankierssohns Aby Warburg nalsozialisten gerettet und nicht nur archiviert, sondern für Gegen­ (1866 –1929), sein Leben ganz der Kunst nach London verbracht. wart und Zukunft nutzbar gemacht. zu widmen. Die Faszination für das eigenwillig angeordnete Bibliothek auf, Dort wird sie seit 1958 in Das ist das erklärte Ziel seines heu­ einem eigens dafür von Nachleben der Antike in der Renaissance um die Reisen der Bilder und Symbole Charles Holden erbauten tigen Direktors Bill Sherman, der die führte ihn zu der Frage, wie Menschen durch die europäische Kunst und Archi­ Gebäude, dem Warburg bevorstehende Renovierung des Hauses sich erinnern und wie Bildmotive Zeit tektur zu verfolgen. 1926 eröffnete er den Institute am Woburn für eine innere und äußere Erneuerung Square, aufbewahrt. Ab und Raum überwinden. Er lebte in Neubau seiner Kulturwissenschaftlichen 2020 ist eine behutsame des Instituts nutzen will. „The Warburg Florenz und besuchte die Hopi-Indianer, Bibliothek Warburg. Der ovale Lesesaal Neugestaltung geplant Renaissance Project“ orientiert sich bevor er 1902 nach Hamburg zurück- stand allen Interessierten offen und bot räumlich eng an Aby Warburgs Hambur­ kehrte. ein Forum für Vorträge und Forschun­ ger Konzept und will das Institut stärker Unter der Bedingung, dass man ihm gen. Als Aby Warburg 1929 starb, hatte zur Gesellschaft öffnen. Einmal mehr lebenslang jeden Bücherwunsch erfülle, diese Bibliothek internationale Bedeu­ steht Warburgs Erbe an der Schwelle zu verzichtete Aby Warburg auf das Erbe des tung erlangt. einer neuen Zeit. Einmal mehr braucht Bankhauses. Es sollte der teuerste Blan­ Doch im Nationalsozialismus drohte V.l.n.r.: Christopher Rossbach, Vorsitzender The es europäische Freunde, die die Finan­ Warburg Charitable Trust, Prof. Dr. Bill Sherman koscheck werden, den sein Bruder Max die Zerschlagung – die geistige Heimat Direktor The Warburg Institute, Maja Vukicevic, zierbarkeit garantieren. Die Hermann jemals unterschrieb. Aby führte ein war verloren. Aus mehreren Ländern gab Head of Development, University of London, Dr. Reemtsma Stiftung aus Hamburg ist mit Leben als Gelehrter und baute eine es Interessensbekundungen zur Über­ Peter Kopelman, Vizekanzler, University of London, dem ersten Teilbetrag an Bord. Bernhard Reemtsma, Vorsitzender der Hermann Reemtsma Stiftung, Dr. Sebastian Giesen, Geschäfts- führer der Hermann Reemtsma Stiftung 76 ARSPROTOTO 2 2019 77 Bis sein brasilianischer Urenkel Rafael Cardoso eine Kiste mit Fotos, Dokumen­ ten und Briefen erbte. Auch Seelower Bürger wurden neugierig, gründeten den „Heimatverein Schweizerhaus Seelow e.V.“, erforschten die Geschichte des Areals und schälen seitdem Schritt für Schritt die einstigen Anlagen aus der Wildnis heraus. Die Hermann Reemtsma Stiftung begleitet diese Wiederentde­ ckung seit 2012. Der Kunsthistoriker Rafael Cardoso lebt inzwischen mit seiner Familie in Berlin. Erste Bücher über Hugo Simon sind erschienen, eine Hugo Simon mit Familie auf der Eingangstreppe des Schweizerhauses Ausstellung lockt in sein Haus nach Seelow. Das Exil findet sein Echo in der EIN LANDGUT BEI BERLIN Heinrich und Thomas Mann – viele Heimat. berühmte Namen stehen im Gästebuch. Dr. Carolin Vogel ist Kulturwissenschaft­ UND BRASILIEN Doch am Ort des Geschehens war bis vor lerin und Projektleiterin der Hermann kurzem kaum mehr etwas zu sehen. Die Reemtsma Stiftung. Seelow im Landkreis Märkisch-Oder­ Natur hatte das Gelände fest im Griff. land, fünfeinhalbtausend Einwohner und Auf alten Fotografien wird die Welt https://warburg.sas.ac.uk/ viel Landschaft: Auch hier erwachen die von damals wieder lebendig: Das ehe­ https://www.heimatverein-seelow.de/ Ideen eines Kunstpioniers zu neuem malige Ausflugslokal Schweizerhaus, das Geförderte Bücher: Leben. 70 km östlich von Berlin empfing Simon 1919 erwarb und für seine Familie Jan Maruhn und Nina Senger, der Bankier, Politiker und Kunstsammler umbauen ließ. Der Wirtschaftshof, die Hugo Simon. Bankier, Sammler, Sozialist, Wädenswil 2020 Hugo Simon (1880 –1950) auf seinem Orangerie, das Bienenhaus, der Wein­ Rafael Cardoso und Anna-Dorothea Mustergut wegweisende Künstler, Den­ berg, die Vogelvolière, Obstbäume, all Ludewig, Hugo Simon in Berlin. ker und Politiker der 1920er-Jahre. Harry die Beete und Felder. Dazwischen Kunst­ Handlungsorte und Denkräume, Leipzig 2018 Graf Kessler, Walther Rathenau, Gerhart werke von René Sintenis, August Gaul Hauptmann, Otto Braun, Tilla Durieux, und anderen. Kein Bauernhof, sondern Samuel Fischer, Bruno und Paul Cassirer, eine gebaute Utopie auf dem Land. Auch Simons Berliner Villa ist aus HERMANN REEMTSMA STIFTUNG dem kulturellen Leben der Zwischen­ kriegszeit nicht wegzudenken. Hier gaben Die Hermann Reemtsma Stiftung ist langjähriger Partner der Kulturstiftung sich Aristide Maillol und Ernst Barlach der Länder, gemeinsam brachten die die Hand, begegneten sich Max Lieber­ Stiftungen die Initiative „Kunst auf mann und Albert Einstein, gestalteten Lager“ auf den Weg. Als private Förder- Paul Cassirer und Max Slevogt. Hugo stiftung unterstützt die Hermann Reemtsma Stiftung kulturelle und Simon war passionierter Kunstsammler, soziale Projekte in Nord- und Ost- kaufte deutsche Expressionisten ebenso deutschland, punktuell auch in Polen wie französische Impressionisten und und England. Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist Baudenkmalpflege und Alte Meister, engagierte sich für Museen Restaurierung. und Vereinigungen. www.hermann-reemtsma-stiftung.de 1933 blieb der jüdischen Familie nur die Flucht, sie führte über Paris nach Brasilien. Hugo Simon starb fünf Jahre nach Kriegsende im Exil. Seine Kunst­ INTERVIEW IM PODCAST sammlung war längst in alle Himmels­ richtungen zerstreut. Deutschland hatte Was macht die Hermann Reemtsma einen bedeutenden Mann verloren und Stiftung? wusste es nicht einmal mehr. Später Hören Sie dazu den Ge­ überwucherten Brombeersträucher die schäftsführer Dr. Sebastian Der Kunstsammler Hugo Simon (l.) mit seinem Bruder Giesen im Gespräch unter bröckelnden Mauern in Seelow. Hugo www.kulturstiftung.de/ Dagobert (r.) und dem Pianisten und Kulturpolitiker partner/ Simon verschwand aus der Erinnerung. Leo Kestenberg, 1911

Renée Sintenis, Esel von Seelow, 1927, von Hugo Simon auf einer Säule inmitten seines Mustergutes platziert 78 79 PARTNER DER KSL: DIE ERNST VON SIEMENS KUNSTSTIFTUNG as 16. Jahrhundert ist das Saeculum sehen ist, allen voran der heute im Nürn­ der Farbe – es wird von einem berger Germanischen Nationalmuseum D Rosselli-Rot gesprochen, weil dieser gezeigte Sebastiansaltar für den an der Maler das Fresko des Durchzugs der Syphilis leidenden Wettiner Erzbischof Israeliten durch das Rote Meer an der Ernst von Sachsen, auf dem sich Baldung CLIFFHANGER MIT Sixtinawand mit seiner Kryptosignatur in einem leuchtend grünen Mantel in eines roten Farbtiegels versah, auch ein unmittelbarer Nähe zu dem als Schutz­ Tizian-Karmesin oder Tintoretto-Zinno­ heiliger gegen Geschlechtskrankheiten ber kennt man, ein Veronese-Grün oder und die Pest angerufenen Märtyrer ZERSÄGTEN TÖCHTERN Caravaggio-Schwarz. Kaum je aber ist verewigt hat. Dennoch war Grün seiner­ von Baldung-Grün die Rede, obwohl zeit keine unumstrittene Farbe. dieser in jeder Hinsicht exzeptionelle Und so mogelt Baldung auch auf Nicht ganz drei Meisterwerke Maler als Erster und über eine Genera­ einem Fragment des von der Renaissance des Renaissancemalers tion früher als die vertrauten Renais­ geliebten Finster-Themas „Lot und seine Hans Baldung Grien, darunter sance-Vertreter eines Namens-Koloris­ Töchter“, das die Karlsruher Kunsthalle mus seine Signatur wie auch seine Person nun zusammen mit zwei weiteren Tafeln Albrecht Dürer, Der Reiter (Ritter, Tod zwei sensationelle Neuent­ mit einem eigentümlichen Grün derart – dem „Brennenden Sodom“ und der und Teufel), 1513, 25,9 × 20 cm; deckungen, kommen mit Hilfe eng verschmolzen hat. Kein Wunder, nackt wie die Liebesgöttin Venus lagern­ Städel Museum, Frankfurt am Main der Ernst von Siemens dass die Künstlerkollegen in der Dürer- den „Älteren Tochter Lots“ – mithilfe der Werkstatt, die er von Sommer 1505 bis Ernst von Siemens Stiftung und einer Spitze treibt. Nachdem Lots Frau aus Kunst­stiftung nach Karlsruhe Frühjahr 1507 während dessen zweiter privaten Mäzenin erwerben konnte, drei dem brennenden Sodom zwar gerettet Italien-Reise leitet, ihn mit dem farbigen markante Grüntöne in die Darstellung werden konnte, aber auf dem Weg von Stefan Trinks Beinamen „Grien“ bedachten. Das Faible Lots: der schwer fallende Samtvorhang bleibt, indem sie zur Salzsäule erstarrt, für Grün beginnt aber bereits früher: hinter und über ihm, seine graugrünen verfallen seine beiden Töchter als einzige Etwa im Jahr 1503 hält er sich als knapp Augen sowie der pyramidal geschliffene Überlebende der Katastrophe in Panik Zwanzigjähriger mit seinem Florhut auf Smaragd seines Rings. Es ist deshalb ein um den leiblichen Fortbestand ihrer einem grün grundierten Blatt fest, das Renaissancethema so recht nach Bal­ Familie. Sie verführen ihren alten Vater, Hans Baldung Grien, Die ältere sich heute in den Basler Kunstsammlun­ dungs Geschmack, weil es die in seiner der zuvor trunken gemacht wurde, um Tochter Lots (Fragment des Historien­ gen befindet. Tatsächlich existiert nahezu Zeit beliebten „Weiberlisten“, Vorfüh­ von ihm schwanger zu werden. Dieses gemäldes „Lot und seine Töchter“), kein Bild von Baldung, auf dem nicht rungen männlicher Einfalt durch weib­ Momentum hält Baldung fest, wenn er um 1535/40, 58 × 42 cm; Staatliche Kunsthalle Karlsruhe zumindest ein auffälliger Grünton zu liche Verführung, auf eine dialektische den bereits nicht mehr nüchternen Lot – im nächsten Moment wird ihm der gut sichtbare Rotwein durch die Schräg­ stellung des Gefäßes über seine Hände schwappen – mit viel zu weit nach vorne geneigten Oberkörper, als habe er etwas zu verbergen, zum Schein aus einem großen zylindrischen Messingbecher nippen lässt. Dabei schielt er mit lüster­ nem Blick unter den schweren Augen­ lidern nach seinen Töchtern, deren grazile Silhouetten sich raffinierterweise in dem Trinkgefäß spiegeln. Die feisten Finger, an denen der kostbare Ring prangt, sowie der auffällig breite Pelzbesatz seines ebenfalls teuren Mantels lassen eher an einen Patrizier der Zeit um 1535/40 erinnern, in die „Lot und seine Töchter“ stilistisch zu datieren ist, als an einen Protagonisten des Alten Testaments. Die eigenwillige Schreib­ weise von Lots Namen in der Art der Baldungzeit tut das Ihrige dazu, denn wie der Namensforscher Jürgen Udolph festgestellt hat, konnte etwa auch der

80 ARSPROTOTO 2 2019 81 einsam die verdrehte Salzsäule der Frau Tochter Lots“ in Privatbesitz, dessen ERNST VON SIEMENS Lots wie eine manieristische Serpenti­ Aussehen durch ein Foto von 1977 KUNSTSTIFTUNG nata-Skulptur steht und dass diese wie­ bekannt ist. Man darf gespannt sein, ob Erwerbungen, Ausstellungen, Restaurie- derum den Schemen in der Reflexion auf die fehlenden zwanzig Prozent von „Lot rungen und Bestandskataloge fördert die dem Messinggefäß sehr ähnelt, ist einer und seine Töchter“ ebenfalls noch ihren EvSK. Bei Auktionen oder Verhandlun- der Bildkniffe, die Baldung nutzt, um Weg nach Karlsruhe finden. Bis dahin gen sind es die kurzfristige Re­ak­ti­ons­zeit des fachkundigen Stiftungsrates und die die heterogenen Bildebenen in dieser fungieren die drei neu angekauften Möglichkeit von zinslosen Vorfinanzie- Simultandarstellung zusammenzu­ Tafeln Baldungs als aktuell wohl atem­ rungen, die prominente Ankäufe ermög- binden. Er greift damit voraus auf das beraubendste Cliffhanger der Kunst­ lichen: jüngst die Elfenbeinsammlung Winkler für das Liebieghaus Frankfurt Schicksal dieser unseligen „künstlichen“ geschichte. oder den Mars Giambolognas für die Befruchtung durch Lots Töchter. Nicht Kunstsammlungen Dresden. zuletzt weist auch das übergroß in Szene Staatliche Kunsthalle Karlsruhe gesetzte Weinfass auf die fatalen Verstri­ Hans-Thoma-Straße 2-6, 76133 Karlsruhe Telefon 0721- 9 26 26 96 ckungen der Überlebenden des Brandes Öffnungszeiten Di – So 10 –18 Uhr von Sodom im Hintergrund hin. www.kunsthalle-karlsruhe.de Es sind derartig sinistre Bildstoffe, INTERVIEW IM PODCAST Ausstellung: die Baldung zeitlebens beschäftigt haben. Hans Baldung Grien, Jugendliches Hans Baldung Grien. Was macht die Ernst Nur selten gibt es bei ihm ein Happy Selbstbildnis, um 1503, 22 × 16 cm; heilig | unheilig von Siemens Kunst­ End. Finster endende mythologische Kunstmuseum Basel, Kupferstich­ Große Landesausstellung stiftung? Themen wie „Pyramus und Thisbe“, kabinett Baden-Württemberg Hören Sie das Interview bis 8.3.2020 mit dem Generalsekretär gruselige und shakespearehafte Hexen „Melencolia I“ über Meisterstiche wie (siehe S. 98 in diesem Heft) Dr. Martin Hoernes: www.kulturstiftung.de/ oder in einer frühen Ästhetik des Häss­ „Ritter, Tod und Teufel“ bis hin zu den partner/ lichen zugleich anziehend wie abstoßend Landschaftsaquarellen der Italienreisen wirkenden Schilderungen der Lebensal­ mit furchteinflößenden Felsgesichtern kurze Name Luther im 16. Jahrhundert ter oder von Verführungen junger Frauen und Burgruinen mit toten Fenstern eine auf unterschiedlichste Weisen geschrie­ durch hässliche alte Männer stehen bei klare Spur der Unheimlichkeit. Das ben werden. Mit einem ähnlich kostba­ ihm im Fokus. Insofern haben sich mit ändert vieles im Hinblick auf das Ver­ ren Rückenmarderpelz wie ihn Lot trägt, Dürer und Baldung zwei wesensver­ hältnis zwischen Dürer und Baldung, das hatte sich Dürer auf seinem berühmten wandte Künstler gefunden, denn wie die man sich nicht als Lehrer-Schülerverhält­ Münchner Selbstbildnis von 1500 darge­ aktuelle Dürer-Ausstellung in der Wie­ nis vorstellen sollte, vielmehr als eine stellt. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, ner Albertina entgegen dem landläufigen Beziehung Gleichgesinnter auf Augen­ dass Baldung möglicherweise einer der Bild des Nürnberger Künstlers als Schil­ höhe, wie sich an der Übertragung der Lot, von einem spiegelnden Messinggefäß trinkend. Straßburger, Nürnberger oder Freiburger derer einer heiter aquarellierten Tier- Werkstattleitung an den Jüngeren zeigt. Rechts die Tafel „Das brennende Sodom“ Patrizier seiner Zeit vor Augen stand, die und Pflanzenwelt klarstellt, war Dürer Bleibt schließlich nur noch die sinnlichen Verführungen nie abgeneigt keineswegs von heiterem Gemüt. Viel­ merkwürdige Fragmentierung der insge­ wurden aufgrund von Schäden am Holz schen Auseinandersägen zwecks Mehr­ waren. mehr zieht sich auch durch sein Werk samt drei nun angekauften Tafeln. Da im Lauf der Jahrhunderte oft größere fachverkauf oder wegen Holzschäden der Wie Baldung aber beispielsweise das von dem inneren Selbstbildnis der es sich um Ölmalerei auf Holz handelt, Tafeln in kleinere zersägt, auf denen die Tafel nicht gedacht. Messinggefäß in grellem Gelb schim­ jeweiligen Figuren noch leidlich gut Der Ankauf bereichert die Samm­ mern lässt, macht ihn zu einem Manie­ erhalten waren und verkauft werden lung der Staatlichen Kunsthalle Karls­ risten avant la lettre. Auch seine Schilde­ konnten. Dies ist auch in diesem Fall zu ruhe um ein weiteres hochrangiges Werk. rung des lichterloh brennenden Sodom einem unbekannten Zeitpunkt, vermut­ Baldungs sogenannte Markgrafentafel, mit seinen glatten und stilisierten lich im 19. Jahrhundert, geschehen, entstanden um 1510 und aktuell mit Mauer­zacken erinnert eher an ein Ge­ sodass unter Lots Trinkbecher einsam ein Hilfe der Ernst von Siemens Kunststif­ mälde Giorgio de Chiricos als an ein roter Tuchrand stehen geblieben ist wie tung restauriert, ist bereits einer der vierhundert Jahre zuvor entstandenes auch auf dem zweiten Fragment links Höhepunkte der dortigen Altmeister­ Bild, zumal insbesondere das vordere unter dem Fass noch ein Teil des leuch­ abteilung. Die mit „LOTT“ bezeichnete Haus surrealerweise durch die augenähn­ tend roten Tuches der venushaft liegen­ Tafel mit der Darstellung des Wein lichen Kreuzstockfenster oben und das den älteren Tochter. Dabei sollten diese trinkenden Vaters ist seit 1969 bekannt. nasenähnliche Rundfenster mit einer Art Fragmente nicht mit modernen, an die Die nackt lagernde „Ältere Tochter Lots“ Zahnleiste unten eine wohl von Baldung Techniken der Collage und Formzer­ sowie „Das brennende Sodom“ sind beabsichtigte Ähnlichkeit mit einem trümmerung gewöhnten Augen gesehen dagegen Neuentdeckungen. Ihr Auf­ klagenden Gesicht aufweist. Dass vor werden – so avantgardistisch wie das tauchen nach rund 130 Jahren Baldung- dieser nachtschwarzen und nur vom Hochrechteck des ausgeschnittenen Forschung stellt eine Sensation dar. Dazu grellen Licht der hochschießenden Sodom auf uns heutige Betrachter wirkt, zählt sehr wahrscheinlich auch der heute Flammen erleuchteten Stadtsilhouette war es vermutlich beim sehr pragmati­ noch fehlende Teil mit der „ Jüngeren Rekonstruktion der Komposition des Gemäldes „Lot und seine Töchter“ von Hans Baldung Grien. Zwanzig Prozent des Gemäldes sind bis heute verschwunden 82 ARSPROTOTO 2 2019 83 AUSSTELLUNGEN

Alexej von Jawlensky, Bildnis des Tänzers Sacharoff, 1909, 69,5 × 66,5 cm; „DIE LIEBE IST EINE GEFÄHRLICHE Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München

SACHE, BESONDERS IN ls Marianne von Werefkin 1938 DEN HÄNDEN JAWLENSKYS.“ in Ascona 78-jährig stirbt, malt SEHNSUCHT UND A Alexej von Jawlensky (1860 – 1938) fast zeitgleich sein letztes Selbstbildnis. Marianne von Werefkin (1860 –1938) SYNERGIE „Ich bin mit ihr auseinander wegen Lebensnot [...]. Aber ich als Künstler bin ihr sehr verpflichtet“, beklagt er nur ein Das Künstlerpaar Alexej von Jawlensky Jahr zuvor in einem Brief an die Kunst­ und Marianne von Werefkin im sammlerin Galka Scheyer. Zu diesem Zeitpunkt ist der in Wiesbaden sesshaft Lenbachhaus und Kunstbau München gewordene Maler, der mit seinen „Ab­ von Naomi Rado stra­kten Köpfen“ Maßstäbe in der mo­ dernen Malerei setzte, nicht nur etliche SEITE 85–94 Kilometer von seiner früheren Lehrerin

84 ARSPROTOTO 2 2019 85 setzen sich bald in Wassily Kandinskys reien aus Murnau bestechen durch Schrift „Über das Geistige in der Kunst“ leuchtende Farben und einen flächigen (1912) fort. Gemeinsam mit der Initiie­ Auftrag in intuitiv-impulsivem Duktus. rung der Künstlergruppe „Der Blaue Doch sind es besonders zwei Porträts Reiter“ im Jahr 1911 bringen sie bahn­ Alexander Sacharoffs, die fast zeitgleich, brechende Neuerungen der malerischen kurz nach der höchst produktiven Zeit Abstraktion mit sich. in Murnau entstehen, die auf überaus Auch die innovativen Porträtdarstel­ unterschiedliche Ansätze verweisen, die lungen Jawlenskys, die das menschliche Jawlenskys und Werefkin in ihrer Kunst Vorbild fast bis ins Unkenntliche ver­ verfolgen. Zugleich handelt es sich nur fremden, dabei geschlechtliche Zuwei­ um eine von vielen Differenzen, die sungen gänzlich zurückweisen, formieren schließlich zum unausweichlichen Bruch sich als Idee bereits in diesem ersten des synergetischen Duos führen. Rückt Jahrzehnt, in dem er und Werefkin den Jawlensky in seinem Gemälde die durch­ Höhepunkt ihrer Schaffensphase er­ aus androgyne Erscheinung Sacharoffs reichen und in dem Tänzer Alexander in den Fokus und lässt sein Gesicht Sacharoff ihre gemeinsame Muse finden. schemenhaft zur Maske werden, die mit In der Münchener Zeit stellt Werefkin eindringlichem Blick und knallroten ihre Kunstpraxis für fast zehn Jahre ein, Lippen auf den Betrachter gerichtet ist, macht es sich stattdessen zur Aufgabe, dominiert in Werefkins Malerei vor Jawlensky in seinem Bestreben zu unter­ allem eine Art Theatralik, die Sacharoffs stützen. Sie sieht in ihm das Potenzial Augen, seine Wangen und Lippen subtil einer künstlerischen Karriere verwirk­ mit dem Farbton jener Blüte verknüpft, licht, das ihr als Frau verwehrt bleibt. die er grazil zwischen seinen Fingerspit­ Alexej von Jawlensky, Murnauer Landschaft, 1909, 50,4 × 54,5 cm; Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München In ihren Tagebucheinträgen, die sie als zen hält. Versunken blickt der Tänzer „Briefe an einen Unbekannten“ (Lettres hier zur Seite; die Blüte belebt das blasse Werefkin entfernt, sie haben sich auch priesen. Doch entgegen der frühen à un Inconnu) betitelt und die ihr die Antlitz der Muse und lässt sie zugleich seit etwa zwei Jahrzehnten weder ge­ Einschätzung ihres Lehrers revolutioniert postume Würdigung als Spiritus rector aus dem schwungvoll blau gemalten schrieben noch gesprochen. Und den­ Werefkin mit ihrem Weggefährten der Münchener Avantgarde verliehen Hintergrund hervortreten. Die abstrakte noch verweisen Jawlenskys Spätwerke, Jawlensky nicht die naturalistische Male­ haben, schreibt sie: „Das Vertrauen hat Formreduzierung und verstärkte Symme­ seine Köpfe und Variationen, mögen sie rei, sondern die expressionistische Land­ mir gefehlt. Die Gewohnheit, sich auf trisierung, die Jawlensky schließlich zu sich in ihrem reduzierten Formkanon, schaftsmalerei in Deutschland. Sie for­ den zweiten Platz zu stellen, hat den Rest seinen „Abstrakten Köpfen“ führt, steht in ihrer strikten Linienführung und der muliert schon um 1905 eine Theorie, gegeben. Bin ich eine wahre Künstlerin? der emotional aufgeladenen Symbolik dezent pastellenen Farbgebung noch so welche die Losgelöstheit der Farbe von Ja, ja, ja. Bin ich Frau? Ach, ja, ja, ja. gegenüber, die nicht nur Werefkins sehr von Werefkins dynamischen und der abgebildeten Form und damit ein­ Können die beiden gemeinsam marschie­ künstlerisches Werk, sondern auch ihr farbintensiven Gemälden unterscheiden, hergehend das Abrücken von einer ren? Nein, nein, nein.“ Alexej von Jawlensky, Abstrakter Kopf: Liebe, 1925, 59 × 49,9 cm; Privatleben durchzieht. auf die gemeinsame Vergangenheit – die realitätsstiftenden Perspektive propagiert. Kreativen Stillstand bedeutet das für Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München „Die Liebe ist eine gefährliche Sache, glanzvollen Jahre, die sie unzertrennlich Ihre vorausschauenden Aufzeichnungen die begabte, aber zweifelnde Malerin in besonders in den Händen Jawlenskys“, zwischen der Kunstmetropole München, keiner Hinsicht. Glaubt man den Wor­ Während eines Aufenthalts in Murnau schreibt Werefkin und deutet mit diesem ihren unzähligen Reisen und schließlich ten des Kunsthistorikers Gustav Pauli, 1908 beginnt Werefkin nach langjähriger kurzen Satz auf den Kosmos des sich im Schweizer Exil verbrachten. so verstrahlte Marianne von Werefkin Abstinenz wieder zu malen. Hier in der immer weiter zuspitzenden Beziehungs­ Nur vier Jahre bevor sie nach Mün­ „Kraftwellen fast physisch spürbar“, Peripherie gelangt sie – mit Jawlensky, dramas hin, das den gemeinsamen Wer­ chen umziehen, lernen sich die Künstle­ wenn sie in ihrem „rosafarbenen Salon“ Gabriele Münter und Wassily Kandinsky degang stets begleitet. Denn Helene rin und ihr Protegé 1892 in Sankt Peters­ in der Giselastraße über Kunst philoso­ – zu einer gänzlich neuen Nutzung von Nesnakomoff, Werefkins Hausmädchen, burg kennen. Durch den Tod des Vaters, phierte. In seiner Wohnung im Künst­ Farbigkeit in der Landschaftsmalerei. mit dem sie bereits den Umzug nach eines hohen Generals unter dem Zaren, lerviertel Schwabing schart das Paar Kräftige Farben, ein präzise-pointilisti­ München begehen, erwartete bald darauf erhält Werefkin eine stattliche Pension. Kreative und Intellektuelle um sich, scher Stil prägen ihre Tempera-Male­ Jawlenskys Kind. Der tiefe Rückschlag Sie ermöglicht ihr ein Leben à la bohème verwandelt so das gemeinsame Wohn­ reien, die stets eine Geschichte erzählen; lässt Werefkin erkennen, dass nicht die – unverheiratet, intellektuell und selbst­ zimmer in den Hotspot der deutsch­ gar zu diesem Zeitpunkt schon das Liebesbeziehung zu Jawlensky im Fokus bestimmt. Jawlensky findet erst durch sprachigen und russischen Avantgarde. tragische Auseinanderleben mit ihrem ihres Zusammenseins steht, mindert aber diese Begegnung, in der Kunst, die Be- Igor Grabar, das Ehepaar Marc und künstlerischen Partner erahnen lassen. nicht ihre Verletztheit. Es ist ihre über freiung aus dem Offiziersdasein und in Kandinsky sind dabei nur einige ein­ Jawlensky misst dieser Reise in seinen die persönliche Ebene hinausgehende, Werefkin seine bedingungslose Förderin. schlägige Namen unter den vielen Memoiren eine außerordentliche Stel­ kreative Verbindung, welche beide noch Von Ilja Repin wird die Künstlerin be- Persönlichkeiten, die im Salon Werefkin lung zu, die zu einem Durchbruch in weit über ein Jahrzehnt zusammenhält. reits als „russischer Rembrandt“ ge- Marianne von Werefkin und Alexej von Jawlensky im Atelier ein- und ausgehen. seiner Kunst geführt habe. Seine Male­ Auch der Ausbruch des Ersten Welt­ auf Gut Blagodat, Litauen, 1893

86 ARSPROTOTO 2 2019 87 Weltkrieges und dem gleichzeitigen AUSSTELLUNGEN Automatenuhr Aufbrechen der Avantgarde in die Abs­ – Osmanischer Reiter, Augsburg, traktion. Die bereisten und belebten um 1580; Histori- Ortschaften verdeutlichen den bewegten sches Museum Lebensweg der beiden, der als gemein­ DAS VERMEINTLICH FREMDE Basel samer im Schweizer Exil endet. Die von der Kulturstiftung der Nachbarn in Europas Mitte: Das Badische Landes­ Länder geförderte Ausstellung im Kunst­ museum zeigt eine lebendige Brücke zwischen Orient bau findet in Zusammenarbeit mit dem Museum Wiesbaden sowie der Fondazi­ und Okzident im 17. Jahrhundert one Marianne Werefkin in Ascona, von Jennifer Scheibel Gemeinde des Schweizer Kantons Tessin, statt. Beide Institutionen werden im nächsten Jahr ebenfalls Ausstellungen zu urbane, Gebetsteppiche und Streit­ andersetzungen zu einem Transit- und während der „Türkenkriege“ erbeutet, den „Lebensmenschen“ Jawlensky und kolben, aber auch Zuckerdosen Grenzraum wandelte. heute zählt sie zu den wertvollsten Zeug­ Werefkin zeigen. T und Kaffeekannen sind Zeugen Den militärischen Auseinanderset­ nissen osmanischen Kunstschaffens in „Das Lenbachhaus hat schon meh­ eines von Krieg und Glaubenskonflikten zungen im Europa des 17. Jahrhunderts, den Sammlungen Europas und ist fester rere Ausstellungen zu den Künstler­ geprägten Schauplatzes des 17. Jahrhun­ den sogenannten Türkenkriegen, widmet Bestandteil der Regionalgeschichte freundschaften der Avantgarde umge­ derts. Politische, wirtschaftliche und das Badische Landesmuseum anlässlich Badens. Neben Waffen, Hoheitszeichen setzt, so auch zu Kandinsky und Klee, religiöse Interessen führten zu zahlrei­ seines 100. Jubiläums die Große Landes­ und Alltagsgegenständen ist auch das Macke und Marc“, erklärt Annegret chen Auseinandersetzungen zwischen der ausstellung „Kaiser und Sultan – Nach­ Panzerhemd des Janitscharenağa und Hoberg, Kuratorin der Münchener Habsburgermonarchie und dem Heiligen barn in Europas Mitte 1600 –1700“. Den späteren Großwesirs Mustafa Pascha aus Marianne von Werefkin, Fabrikstadt – Der Heimweg, 1912, 69,5 × 83 cm; Ausstellung. „Durch die großen Werk­ Römischen Reich Deutscher Nation auf Kern der von der Kulturstiftung der Rodosto (1682) Bestandteil des osmani­ Museo Comunale d'Arte Moderna, Ascona blöcke, die sich sowohl im Besitz des der einen und dem Osmanischen Reich Länder geförderten Ausstellung bilden schen Beuteguts. Rund 320 Exponate im Lenbachhauses als auch des Museum auf der anderen Seite. Begleitet wurden – erstmals vereint – die zwei größten Ostflügel des Karlsruher Schlosses zeu­ krieges schweißt die ungewöhnliche der Klassenunterschied offenbaren und Wiesbaden von beiden Künstlern befin­ diese von breiten Flucht- und Migrati­ Museumsbestände osmanischer Kunst­ gen, kombiniert mit ausgewählten Bio­ Familie, bestehend aus Jawlensky, Nes­ Werefkin selbst in die Armut treiben. den, war es uns ein großes Anliegen, onsströmen. Im Zentrum der Konflikte gegenstände in Deutschland, die „Tür­ grafien, von der Macht und dem Einfluss nakomoff, dem gemeinsamen Sohn Der erfolgreiche Sturz des Zaren führte ihnen eine gemeinsame Schau zu wid­ stand der auf der Balkanhalbinsel gele­ ckische Cammer“ aus der Rüstkammer einzelner Herrschergruppen wie der Andreas und Werefkin, zusammen. Den zur sofortigen Einstellung der Waisen­ men“, führt sie fort. Doch die Künstler­ gene Teil des Osmanischen Reiches. der Staatlichen Kunstsammlungen multikulturellen Janitscharen. Die von russischen Staatsbürgern wird der Auf­ rente der russischen Aristokratin. In freundschaft zwischen Jawlensky und „Rumelien“ nannten die Osmanen dieses Dresden und die „Karlsruher Türken­ ihnen ausgetragenen Machtkämpfe enthalt in München verwehrt. Ihren dieser Zeit klafft die Beziehung zwischen Werefkin war, verglichen mit denen ihrer Gebiet, das sich gemeinsam mit dem beute“. Badische Markgrafen hatten wurden begleitet vom Aufstieg und Hausstand müssen sie so zügig räumen, Jawlensky und Werefkin zunehmend Zeitgenossen, nicht nur dynamischer, dreigeteilten Ungarn unter den Ausein­ diese Trophäensammlung größtenteils Untergang der Dynastien des 17. Jahr­ dass es ihnen nicht möglich ist, Mobiliar auseinander. So sucht der Familienvater sondern auch durchaus konfliktreich – und größere Besitzstücke mitzunehmen. bereits in den frühen Kriegsjahren eine vielleicht liegt gerade darin die große Ringkragen des Kur- Wie der Zufall will, sollen sie nicht die Wohnung für sich und Andreas, ehelicht Anziehungskraft, die beide auf ihr Um­ fürsten Johann Georg einzigen sein, die im Schweizer Exil eine alsbald Helene Nesnakomoff, um seinen feld hatten und die sie Zeit ihres Lebens II. von Sachsen, 1664; lebenswerte Freistätte finden. Erben zu legitimieren und zieht mit in den Mittelpunkt des pulsierenden Staatliche Kunstsamm- lungen Dresden Ein Großteil der Münchener Kunst­ seiner Familie nach Wiesbaden. Die künstlerischen Geschehens rückte. szene, so auch Sacharoff, findet Zuflucht Zuspitzung des Verhältnisses führt Naomi Rado ist Kunsthistorikerin in und einen neuen kulturellen Kulmina­ schließlich zum vollständigen Kon­ Frankfurt am Main. tionspunkt in Zürich, wo DADA im taktabbruch zwischen Jawlensky und Cabaret Voltaire seinen künstlerischen seiner einstigen Mentorin. Werefkin Lebensmenschen. Höhepunkt erreichen soll. Den jungen bleibt in Ascona und baut sich dort ein Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin Avantgardisten wohlgesonnen, verkehren neues Leben auf. bis 16.2.2020 im Kunstbau Jawlensky und Werefkin mit Persönlich­ Im Kunstbau des Münchener Len­ Städtische Galerie im Lenbachhaus und keiten wie Hans Arp, Hugo Ball, Else bachhauses widmet sich die Ausstellung Kunstbau Luisenstraße 33, 80333 München Lasker-Schüler und Tristan Tzara – und „Lebensmenschen“ nun der vielschich­ Telefon 089 - 23396933 einer langen Liste weiterer Bekanntschaf­ tigen Künstlerpartnerschaft Jawlensky Öffnungszeiten Di 10 –20 Uhr, Mi – So, ten. Doch ein weiterer Schicksalsschlag – Werefkin. Nicht nur die überaus feiertags 10 –18 Uhr bahnt sich an: War Werefkin Zeit ihres komplexe gemeinsame Lebens- und www.lenbachhaus.de Schaffens an sozialkritischen Themen Schaffensphase steht im Zentrum, son­ interessiert und bildete in unzähligen dern auch die Aufenthaltsorte des Paares Werken die verschiedensten Arten von – in einer Zeit, geprägt von der rasanten Arbeit und Arbeitenden ab, sollte sich Zunahme an Mobilität, deren schneller mit der Revolution in Russland 1917 Zäsur durch das Ausbrechen des Ersten

88 ARSPROTOTO 2 2019 89 men in den Gebieten Siebenbürgen, Schwert und Säbel mit Scheiden, königliches und osmanisches Zentral­ 1610, Belehnungsgeschenk von Kaiser Rudolf II. an Kurfürst ungarn beobachten: Mithilfe von osma­ Christian II. von Sachsen, Schwert- nischen Textilien und anatolischen klinge osmanisch, Säbelklinge Teppichen kreierten die Menschen vor Steiermark oder Genua (?). Montur Nikolaus Gros, Wien, um 1600; allem in den Kirchen Siebenbürgens eine Staatliche Kunstsammlungen eigene Identität in Abgrenzung zu den Dresden, Rüstkammer Habsburgern. Die Schau widmet diesen erstaunlichen Phänomenen ein eigenes Kapitel. Die Ausstellung fragt gezielt, wohin Menschen im 17. Jahrhundert vor Krieg und Verfolgung flüchteten und welche Rollen Menschen mit multiethnischer, multireligiöser und multilingualer Her­ kunft hatten. Mit den Antworten schlägt „Kaiser und Sultan“ eine Brücke zur Gegenwart und rekonstruiert nicht nur die Militärgeschichte, sondern vor allem die historischen und kulturellen Ver­ flechtungen in der Zeit der „Türken­ kriege“. Der Existenz der Transiträume verdankt die europäische Kultur eine Vielzahl von Innovationen, die auf die Impulse von einwandernden Hand­ werkern und religiösen Minderheiten zurückgehen. Im Schatten von Glau­ benskonflikten entstanden dank des interkulturellen Austauschs Neuerungen in Kunst, Mode, Technik und Architek­ tur. Die Ausstellung versteht das 17. Jahrhundert somit als einen Spiegel der heutigen Zeit. Sie hinterfragt gegenwär­ tige Stereotypen um das vermeintlich Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden im Kostüm eines Osmanen, um 1700 –1706, Ludwig Ivenet zugeschrieben; Schloss Favorite bei Rastatt Fremde und fokussiert den Mehrwert interkultureller Gesellschaften für hunderts. Prunkstück der Ausstellung ist leute, Gesandte und Diplomanten teilten ­Europa. ein 1683 vor Wien erbeutetes osmani­ ihr Wissen, aber auch ihre Kulturen. Sie Jennifer Scheibel arbeitet in der sches Zelt aus Krakau, das allein einen führten die Kaffeekultur in Europa ein, Kommunikationsabteilung der Kultur­ großen Ausstellungsraum füllt. Ergän­ trugen zur Verbreitung der „Türken­ stiftung der Länder. zende Leihgaben aus weiten Teilen mode“ bei und brachten den Buchdruck Deutschlands, aus Basel, Budapest, mit beweglichen arabischen Lettern in „Kaiser und Sultan – Nachbarn in Krakau, Stein am Rhein, Ptuj in Slowe­ das Osmanische Reich. Prestigeträchtige Europas Mitte 1600 –1700“ Badisches Landesmuseum, nien und Wien gewähren einen Einblick Waffen wie Säbel, Dolche und Streitäxte Schloss Karlsruhe in den engen Austausch der Kontrahen­ erzählen in der Ausstellung von den bis 19.4.2020 ten sowohl in Kriegs- als auch in engen kulturellen Verflechtungen in der Öffnungszeiten Di – So, Friedenszeiten. Goldschmiedekunst. So wurden etwa im Feiertage 10 –18 Uhr www.landesmuseum.de In der gewählten Zeitspanne vom Europa des 17. Jahrhunderts osmanische „Langen Türkenkrieg“ (1539 –1606) bis Streitkolben zum Standessymbol für Badisches Landesmuseum zum Ende des „Großen Türkenkrieges“ ungarische und polnische Adlige. Jene (Hg.), Kaiser und Sultan– (1683 –1699) wurde der Transitraum in polnischen Adligen etablierten während Nachbarn in Europas Mitte 1600 –1700, Ostmittel- und Südosteuropa zu einer der „Türkenkriege“ auch eine spezifische Hirmer Verlag, München. Drehscheibe von Menschen, Wissen und Mode mit orientalischen und römischen 416 Seiten mit rund 400 Gegenständen. Migranten, religiöse Stilmerkmalen. Im damals dreigeteilten Abb., 29,90 Euro Minderheiten, Kriegsgefangene, Kauf­ Ungarn lässt sich ein ähnliches Phäno­

90 ARSPROTOTO 2 2019 91 AUSSTELLUNGEN ie Künstler kommen Zug um Zug reiter des deutschen Impressionismus – nicht, wie bei Themenausstellun­ Einzelausstellungen im Museum der Dgen meist üblich, auf einen Blick, bildenden Künste Leipzig, das 1837 aus sondern zeitlich gestaffelt: erst Lieber­ einer Bürgerstiftung von Leipziger Kauf­ IMPRES ­- mann, dann Slevogt, dann Corinth. leuten, Verlegern und Bankiers gegrün­ Vom 24. November 2019 an bis zum det worden war. Das gesellschaftliche SIO ­­NIS­M U S Juni 2020 zeigt das Leipziger Museum ging hier mit dem kulturellen Engage­ der bildenden Künste das Ausstellungs­ ment einher. Die moderne Kunst war ein projekt „Impressionismus in Leipzig Attribut der modernen Stadt, ein Um­ IN LEIPZIG 1900 –1914“. Leipzig im Licht sozu­ stand, den die Ausstellung sichtbar sagen, nämlich im Licht der um 1900 machen will, indem sie mit der Kunst 1 9 0 0 —1914 neuen, aus Frankreich importierten die Metropole Leipzig um 1900 in den leuchtend-flimmernden Bilderkunst. Blick nimmt. Das Museum der bilden­ Sachlich und konzeptionell verspricht Die mitteldeutsche Messestadt war die Schau ein Ereignis, das Kurator eine Boomtown des frühen 20. Jahrhun­ den Künste rekonstruiert Marcus Andrew Hurttig als ein „Gesell­ derts. Ende des 19. Jahrhundert stieg die sechs Ausstellungen schaftsspektakel“ inszenieren will, das Leipziger Bevölkerung explosions­artig von Max Liebermann, den künstlerischen und gesellschaftlichen an. Von 1871 bis 1914 versechsfachte Aufbruch vor 100 Jahren widerspiegeln sich die Einwohnerzahl und die Stadt Max Slevogt und erlebbar machen soll. avancierte zum Hochtechnologie­ und Lovis Corinth Der deutsche Impressionismus standort des Buchdrucks und zum entstand zwar nicht in Leipzig, aber die Verkehrsknotenpunkt für Mitteldeutsch­ von Clara Vogel Handels- und Universitätsstadt war ein land. Mit dem Wohlstand der Leipziger wichtiger Umschlagplatz der neuen stieg die Nachfrage nach Kunst. Die Kunst: Hier wurde präsentiert, debattiert neue Mittel- und Oberschicht zeigte und verkauft. Bereits vor Ausbruch des Kaufinteresse – und das wurde vom Ersten Weltkrieges hatten mit Lieber­ Museum der bildenden Künste bedient. mann, Slevogt und Corinth die Wegbe­ Vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs

Ansicht der Ausstellung französischer Kunst, 1910; Max Liebermann, Reiter am Meer, 1900, Museum der bildenden Künste Leipzig 70,5 × 49 cm; Nationalgalerie Prag

92 ARSPROTOTO 2 2019 93 präsentierte es jährlich mehr als 50 NACHRICHTEN nachlässe e.V., auf der gemeinsamen Beitrag zur Bewahrung kulturellen Erbes; Ausstellungen, davon im monatlichen Pressekonferenz in der Kulturstiftung sie sollten grundsätzlich in das Förder­ Wechsel bis zu vier Einzelexpositionen der Länder: „Kulturelles Erbe kann nur spektrum der öffentlichen Hand aufge­ gleichzeitig und das alles auf engstem erforscht und erlebt werden, wenn seine nommen werden, heißt es in dem Papier. Raum. Wie das aussah, soll jetzt wieder DAMIT KUNST Produktion und seine Bewahrung ge­ Die wissenschaftliche Rezeption sichtbar werden. fördert werden. Daher muss neben der eines künstlerischen Œuvres durch die Die Schau rekonstruiert sechs Aus­ BLEIBT Künstlerförderung auch die Erhaltung kunsthistorische Forschung könne nur stellungen, die in den Jahren von 1900 von Kunstwerken im Sinne der post­ gelingen, wenn die Auffindbarkeit von bis 1914 vom Leipziger Kunstverein im Die Kulturstiftung der humen Nachsorge in kulturpolitische künstlerischen und schriftlichen Nach­ Museum der bildenden Künste ausge­ Strategien einbezogen werden”, so Jain. lässen gewährleistet werde, betonte Britta richtet wurden, und zwar als Verkaufs­ Länder startet kultur­ Bereits 2016 hatte der Kulturaus­ Kaiser-Schuster. Daher sei die digitale ausstellungen in Zusammenarbeit mit politische Initiative schuss der Kultusministerkonferenz auf Erfassung eines Kernbestands eines den Galerien Paul Cassirer (Berlin) und zu Künstlervor- und Anregung der Kulturstiftung der Länder Nachlasses ein wichtiger Schritt zur Ernst Arnold (Dresden). Damals wie eine Arbeitsgruppe zum Thema Künst­ Förderung von dessen Sichtbarkeit. Zwar heute werden drei der prägenden Künst­ -nachlässen lernachlässe beauftragt. Nun legt die seien zentralisierte bundesweite Lösun­ ler des deutschen Impressionismus Kulturstiftung der Länder ein Positions­ gen für die Aufbewahrung von Künstler­ gezeigt: Max Liebermann (1847–1935), papier zum Umgang mit Künstlervor- nachlässen wenig praktikabel, stellte Max Slevogt (1868 –1932) und Lovis Viele Hinterbliebene fühlen sich mit und -nachlässen vor. Kaiser-Schuster fest. Eine zentrale regel­ Corinth (1858 –1925). Die Leipziger dem Nachlass aus einem Künstlerleben Das Papier enthält Handlungsemp­ mäßig erreichbare Beratungsstelle sei Lokalpresse bezeichnete die drei Maler überfordert. Bundesweit haben sich fehlungen, die auf ein „sinnvolles Zu­ aber sinnvoll. ausnahmslos als „Impressionisten“. zahlreiche Initiativen des Themas Künst­ sammenwirken zwischen staatlichen, Allerdings versuchte man, die Künstler lervor- und -nachlässe angenommen öffentlichen, privatwirtschaftlichen und VIDEO & PODCAST aus dem französischen Zusammenhang, (siehe Arsprototo 1/2019). Der Bundes­ zivilgesellschaftlichen Aufgaben und Umgang mit Künst- von der künstlerischen Referenz ins Land verband Künstlernachlässe e.V., der Akteuren“ abzielen. So solle unter ande­ lervor- und -nach- des „Erbfeindes“ zu lösen. Das Kalkül Lovis Corinth, Kreuzabnahme, 1906, solche Initiativen vernetzt und berät, rem ein „hoher Grad von Eigeninitiative lässen 190,5 × 201 cm; Museum der bildenden Künste Leipzig Sehen Sie das Video zur ging auf, wenn auch mit unterschied­ verfolgt das Ziel der Anerkennung sol­ von Seiten der Vor- und Nachlasshalter Pressekonferenz des Bundesverbandes Künstler- lichen Resultaten. damals zum Verkauf angebotenen Ge­ dustriellen Max (1875 –1947) und Paul cher Nachlässe als schützenswertes Kul­ sowie deren Kooperationsbereitschaft mit nachlässe e.V. und der Ab 1900 setzte sich der Impressio­ mälde, andererseits jene Werke, die vom (1877–1938) von Bleichert. turgut. Die Kulturstiftung der Länder wissenschaftlichen und Facheinrichtun­ Kulturstiftung der Länder und hören Sie das Interview nismus als Kassenschlager auf dem Museum erworben worden sind, gezeigt. Im Dokumentationsraum der Aus­ formulierte jetzt in einem Positionspa­ gen“ Voraussetzung für ein Beratungs­ mit Dr. Britta Kaiser- Schuster zum Position­s­ deutschen Kunstmarkt durch. Das Die Ankaufspolitik des Hauses wird stellung werden diese Leipziger gewür­ pier Handlungsempfehlungen für das angebot sein, forderte Dr. Britta Kaiser- papier unter www.kultur- stiftung.de/ Museum reagierte mit zeitlicher Verspä­ problematisiert und dem Kunstinteresse digt und ihre Sammlungen in das kul­ Zusammenwirken der relevanten Ak­ Schuster, die als Dezernentin der kuenstlervor-und- tung und auch nur zögerlich. Der Kon­ des vermögenden Leipziger Bürgertums turelle Gedächtnis der Stadt zurück- teure und Kriterien für die Beurteilung Kulturstiftung der Länder das Positions­ nachlaesse/ servatismus der Institution stand mög­ gegenübergestellt. Zu den bedeutendsten gerufen. Das alles geschieht im Kontext von Künstlervor- und -nachlässen. papier erarbeitete. Beratungsangebote für lichen Ankäufen impressionistischer Privatsammlern zählten der Verleger der Entstehungszeit. Von der Werbean­ „Das Thema Künstlernachlässe ist Künstlernachlässe seien ein wichtiger Kunst entgegen. Die rekonstruierten Emil Meiner (1865 –1952), der Privatier zeige bis zum Wetterbericht machen kein kulturpolitisches Nischenthema. Ausstellungen machen diese Spannung Arnold Ulrich (1857– ?) sowie die im regionale Nachrichten die Welt von Vor- und Nachlässe zu bewahren heißt, sinnfällig. Hier werden einerseits die Drahtseilbahnbau führenden Großin­ gestern erlebbar. Die Fülle an multime­ unser kulturelles Erbe zu sichern. Dieser dial vermittelten Informationen will das Aufgabe müssen wir uns jetzt stellen. Lebensgefühl der Stadtbewohner um Nicht jeder Künstler bekommt sein 1900 nachvollziehbar machen – auch in eigenes Museum, und nicht jeder Nach­ der Taktung der Ausstellungen, die sich lass kann in eine Museumssammlung in ihren schnellen Abläufen teilweise übergehen. Wir müssen Erben die drin­ überschneiden. So wird das historische gend benötigte Unterstützung bieten Ereignis als Erlebnis in die Gegenwart und Hilfestellungen für Künstlerinnen geholt: Wer junge Kunst erleben will, und Künstler schaffen, damit diese im muss in Leipzig schnell sein. besten Fall ihr Werk schon zu Lebzeiten Clara Vogel studiert Kunstgeschichte systematisch erfassen und digitalisieren in Berlin. können“, sagte Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Impressionismus in Leipzig 1900 –1914: Länder, anlässlich der Pressekonferenz Liebermann, Slevogt, Corinth am 15. Juli 2019 in Berlin. Museum der bildenden Künste Leipzig Teil 1: Max Liebermann, bis 16.2.2020 „Künstlerisches Erbe ist kulturelles Teil 2: Max Slevogt, 17.1.–19.4.2020 Erbe und seine Vielfalt gilt es zu bewah­ Teil 3: Lovis Corinth, 26.2.–1.6.2020 Max Slevogt, Tiger im Zoo, 1901, ren“, sagte Prof. Dr. Gora Jain, Vorsit­ Dr. Britta Kaiser-Schuster, Prof. Dr. Markus Hilgert, Prof. Dr. Gora Jain und Karin Nüssle www.mdbk.de 44 × 66 cm; Saarlandmuseum Saarbrücken zende des Bundesverbandes Künstler­ auf der Pressekonferenz zum Thema Künstlervor- und –nachlässe

94 ARSPROTOTO 2 2019 95 Penny skizziert Lösungen, warnt davor, erneut DAS PORZELLAN­ wissenschaftliche Sammlungen staatlich zu NEUE BÜCHER instrumentalisieren. Geeignet sei zeitgenössische FREUNDEN SIE SICH MIT UNS AN! KABINETT IM DRESDNER Technik in Präsentation und Kommunikation, eine mit indigenen Mitwirkenden erarbeitete RESIDENZSCHLOSS Erneuerung des Wissens, die Befreiung aus der Verlust und Rettung – Restaurierung und Re­ Umarmung von Bürokraten, um die zentrale DIE KULTURSTIFTUNG konstruktion: Zwischen diesen Polen bewegt Frage zu beantworten: Was soll mit dieser DER FREUNDESKREIS sich die Kriegs- und Nachkriegsgeschichte des Sammlung heute geschehen? Porzellankabinetts in der Festetage des Dresdner DER KULTURSTIFTUNG DER LÄNDER Schlosses. Bis zur Auslagerung und teilweisen H. Glenn Penny, Zerstörung und Plünderung waren Objekte der Im Schatten Hum- DER LÄNDER Die Kulturstiftung der Länder wurde 1987 boldts. Eine tragi- kurfürstlich-königlichen Porzellansammlung fast von den Ländern der Bundesrepublik Deutsch­ 200 Jahre im Turmzimmer präsent. Neben Vasen sche Geschichte der deutschen Ethno­ land gegründet und nahm am 1. April 1988 in aus China und Japan stellte August III. hier auf Kommen Sie den bedeutenden Kunstschätzen logie, Verlag vergoldeten Konsolen vor rot lackierten Wänden unseres Landes in Museen und Sammlungen, Berlin ihre Arbeit auf. Im Oktober 1991 traten C.H.Beck, Mün- die besten Erzeugnisse seiner Meissener Manu­ chen. 287 Seiten mit Schlössern und Gärten näher: Seit 1999 be­ die neuen Bundesländer bei. Als Stiftung Bür­ faktur zur Schau, u.a. die sensationellen „Ele­ 37 Abbildungen, gleitet ein Freundeskreis die Kulturstiftung gerlichen Rechts verfolgt sie ausschließlich ge­ mentvasen“ von Johann Joachim Kaendler. Zur 26,95 Euro meinnützige Zwecke. Sie hat die Berechtigung, Wiedereröffnung des rekonstruierten Ensembles der Länder, um die Ziele der ersten länder­ steuerlich wirksame Spendenbescheinigungen mit den erhaltenen und restaurierten Objekten übergreifenden Einrichtung dieser Art nach­ FOTOGRAFIE IN DER zeichnet eine Monografie die Geschichte von haltig zu unterstützen und ihr Fundament in auszustellen. Spenden an die Kulturstiftung der WEIMARER REPUBLIK Architektur und Ausstattung dieses Raum­ der Gesellschaft weiter zu stärken. Mit ihrem Länder sind steuerlich abzugsfähig. Die Kul­ kunstwerks nach, von der Entstehung in den turstiftung der Länder unterstützt und berät 1730er-Jahren bis zu seiner Zerstörung 1945. Jahresbeitrag ab 500 Euro fördern die Mitglie­ Utopien in Schwarz-Weiß: Kaum etwas wird so Historische Fotos dokumentieren die Verluste der des Freundeskreises insbesondere in Ost- deutsche Museen, Bibliotheken und Archive stark mit dem Bauhaus assoziiert wie die Revo­ DAS HULDIGUNGSSILBER des Porzellanbestands in einem umfangreichen bei der Erwerbung, Vermittlung und Bewah­ lutionierung der Sehgewohnheiten durch die und Mittel­deutschland die Restaurierung von Katalogteil. fotografische Schule des Neuen Sehens. Die DER WELFEN Kunst- und Kulturgütern und eröffnen dem rung von national wertvollem Kulturgut. abstrakt wirkenden Aufnahmen von Baukon­ Staatliche Kunst- Die Geschichte von Objekten ist häufig die Ge­ Museumsnachwuchs mit jährlichen Reise­ struktionen, experimentelle Perspektiven und sammlungen Dres- schichte ihrer wechselnden Funktionen: So wird stipendien zur Kunstmesse TEFAF in Maas­ Weitere Informationen zur Satzung und den verspielt kompositorische Fotogramme bilden den, Porzellan- aus den kostbaren frühbarocken Huldigungs­ Initiativen finden Sie in diesem Heft nach jedoch nur einen geringen Teil dessen, was tricht kostbare Einblicke in den Kunstmarkt. sammlung, Anette geschenken an die Herzöge von Braunschweig- während der kurzen, aber wegweisenden Zeit Der Junge Freundeskreis fördert mit seinem Seite 98 und unter www.kulturstiftung.de Loesch (Hg.), Das Lüneburg der erlesene Schmuck einer Privat­ der Weimarer Republik an fotografischen Erzeug­- Porzellankabinett im sammlung, um nun in öffentlichem Eigentum Beitrag ab 100 Euro insbesondere Museums­ nissen entstand. Der Band „Fotografie in der Hausmannsturm des zum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung zu volontäre z.B. mit der alljährlichen Reise zur Weimarer Republik“, der anlässlich der gleich­ Dresdner Residenz- werden. Der Ankauf der drei seltensten silberver­ Kunstmesse Art Basel oder der Vergabe des namigen Ausstellung im LVR-LandesMuseum schlosses, Sandstein goldeten Trinkgeräte aus ehemaligem Welfenbe­ ARSPROTOTO und im Rahmen des großen Bauhaus- Volontär­spreises für die Umsetzung künstle­ Verlag, Dresden. 320 sitz in der Versteigerung der Sammlung von Yves Jubiläums erschienen ist, liefert nun einen rischer Projekte an Museen. Auf gemeinsamen Arsprototo, das Magazin der Kulturstiftung Seiten mit 294 Ab- Saint-Laurent und Pierre Bergé im Februar 2009 fundierten Überblick. Die große fotografische bildungen in Farbe war eine Sensation, die mit Hilfe einer Finan­ Reisen wandeln die Mitglieder beider Freun­ der Länder, erscheint zweimal im Jahr und Vielfalt, die in dieser Blütezeit der Avantgarde und Schwarzweiß, zierungskoalition aus Kulturstiftung der Länder deskreise auf den Spuren unseres kulturellen berichtet über die Tätigkeit der Stiftung, ihrer des 20. Jahrhunderts entstand, reicht von 48 Euro und zahlreichen öffentlichen und privaten Förde­ Zeitdokumenten der Kriegsjahre, der politischen Erbes und erhalten exklusiven Zugang zu Freundes­kreise und über die Kunst und Kultur rern gelang. Die Kostbarkeit dieser bürgerlichen privaten Sammlungen und zu den sammelnden in den Ländern. Das Abonnement ist kosten­ und sozialen Umbrüche über Architektur- und Gaben aus Städten, Flecken und Ämtern zum Landschaftsaufnahmen bis hin zu innovativen IM SCHATTEN Regierungsantritt des Herrschers ist zugleich der Einrichtungen, die sich der Bewahrung dieses los.Wir möchten Sie dennoch herzlich bitten, Porträtabbildungen, Werbekampagnen, Bewe­ Grund für ihre extreme Seltenheit, wurden sol­ Erbes verschreiben. sich mit einem kleinen Beitrag an den Her­ gungsstudien und Collagen. Der Glanz der che Gaben der Untertanen an die Herrscher – in Zwanziger Jahre wird in der Publikation der HUMBOLDTS stellungs- und Vertriebskosten zu beteiligen. diesem Fall die drei zwischen 1640 und 1705 in Wenn Sie mehr über die Aktivitäten unserer Bitte überweisen Sie unter dem Stichwort überaus schwierigen Umbruchsphase zwischen Die gute Nachricht: Das Berliner Ethnologische Celle residierenden Herzöge von Braunschweig- zwei Weltkriegen gegenübergestellt. So bezeugen Museum „muss nicht als die Institution enden, Lüneburg – doch im Fall von Liquiditätsengpäs­ Freundeskreise und ihre Fördertätigkeit „Arsprototo“ auf eines unserer Konten die Bildwerke auch ein paradoxes Spannungs­ die Wilhelm von Bode wollte, eine weitere sen meist eingeschmolzen. Die Studie von Ines erfahren möchten, informieren Sie sich gerne ­(beispielsweise 20 Euro). Vielen Dank! verhältnis: das Ansteigen von Armut und seelenlose Schausammlung mit einer Espresso­ Elsner untersucht nun die Funktion und Bedeu­ unter www.kulturstiftung.de/freundeskreis Leider können wir Ihnen für diesen Beitrag sozialen Missständen, die schließlich die Macht­ bar“. Aber: „Rückgabe ist nur ein kleiner Teil der tung der gesamten, noch erhaltenen Gruppe des oder sprechen Sie uns direkt an: keine Spendenbescheinigung ausstellen. übernahme der Nationalsozialisten begünstigen, Antwort.“ Befürworter wie Kritiker des Hum­ welfischen Huldigungssilbers in der frühneuzeit­ und den gleichzeitigen technischen Fortschritt, boldt Forums sollten tief in die Sammlungsge­ lichen Geschenkkultur. [email protected] oder der als Voraussetzung die Bedingungen für den schichte eintauchen, um den richtigen Umgang 030-893635-17 So können Sie Arsprototo bestellen: Zweiten Weltkrieg schafft. Die künstlerischen Ines Elsner, Das mit den dort verwahrten 500.000 Objekten per E-Mail: [email protected] Werke moderner Koryphäen wie Man Ray, zu finden, meint Autor H. Glenn Penny. Der Huldigungssilber der Hannah Höch und UMBO finden hier die Historiker rekonstruiert minutiös die Entstehung Welfen des neuen im Internet: www.kulturstiftung.de Hauses Lüneburg gleiche Beachtung wie der zu dieser Zeit ver­ des Museums. Den Gründer Adolf Bastian (1520 –1706). stärkt ins Bilde rückende Fotojournalismus. (1826 –1905), Vater der deutschen Ethnologie, Geschenkkultur und LVR-LandesMuseum Bonn (Hg.), Fotogra- porträtiert Penny beim „Hypersammeln“ und als symbolische Inter­ fie in der Weimarer Republik, Hirmer Verlag, hellsichtigen Wissenschaftler, der ein universales aktion zwischen München. 264 Seiten mit 250 Abbildungen, Archiv der Menschheit im Blick hatte. Bastian Fürst und Unter­ 39,90 Euro kombinierte ähnlich wie sein Vorbild Humboldt tanen, Verlag Schnell anthropologische, archäologische, ethnologische & Steiner, Regens- und linguistische Methoden. Die Nachfolger burg. 256 Seiten mit zerstörten die transnationale Vision, später wurde 48 Abb. in Farbe und die Völkerkunde für Ideologien missbraucht. 10 in Schwarzweiß, 59 Euro 96 ARSPROTOTO 2 2019 97 wie Pechstein den Tanz-Trend seiner um Bildlösungen trat ans Licht. lungsrevision lernen Besucherinnen runter Max Liebermann und Lovis Zeit künstlerisch verarbeitete. Die Als Schüler Peter Paul Rubens’ mit BERLIN und Besucher Arbeiten von lange BRANDENBURG Corinth. Erstmals werden auch

KUNST UND KULTUR Varietés in seiner Wahlheimat Berlin einem (über)mächtigen Vorbild vergessenen Frauen wieder kennen; Gemälde Hagemeisters aus privaten

inspirierten das „Brücke“-Mitglied konfrontiert, rang Anthonis van darunter die Bildhauerin Ambrosia Sammlungen zu sehen sein.

dabei ebenso wie seine Reise in Dyck (1599 –1641) heftig um einen Tønnesen, die auch als Salonmalerin Potsdam Museum, Potsdam

IN DEN LÄNDERN den Inselstaat und ehemaligen eigenen Stil – mit Erfolg: In ganz erfolgreiche Vilma Parlaghy oder www.potsdam-museum.de Teil Deutsch-Neuguineas, Palau. Europa begeisterte man sich für die Avantgarde-Pionierin Natalija von Carolin Hilker-Möll 8.2. – 5.7.2020 Tänze seiner eigenen Kultur und seine Porträts. So auch im Hause Gončarova. jener, die er im Pazifischen Ozean Wittelsbach, aus dessen Sammlung Alte Nationalgalerie, Berlin MONET — ORTE kennenlernte, bannte Pechstein in die meisten der gezeigten Werke www.smb.museum bewegten Bildern. In ihnen treffen stammen. Nach Abschluss des bis 8.3.2020 Wie verändern sich Orte und ver­ Zeitgeschichte, Unterhaltungskultur Forschungsprojekts teilt die Alte mitteln andere Stimmungen, wenn und Kunst schwungvoll aufeinander. Pinakothek die neuen Erkenntnisse NAH AM LEBEN — 200 JAHRE Licht und Wetter wechseln? Worin Kunsthalle Tübingen in der von der Kulturstiftung der unterscheiden sich die Gemälde www.kunsthalle-tuebingen.de Länder geförderten Ausstellung nun GIPSFORMEREI Claude Monets, die der französische mit der Öffentlichkeit. Sabine Lepsius, Selbstbildnis, 1885 bis 15.3.2020 Wie kann man dem Lebenden, aber Impressionist an den immer wieder Alte Pinakothek, München — Karl Hagemeister, Seedorn an der Steilküste gleichen Orten auf der Leinwand KAMPF UM SICHTBARKEIT auch dem Toten näher kommen bei Lohme (Rügen), 1915 BIENNALE FÜR AKTUELLE www.pinakothek.de KÜNSTLERINNEN DER NA- als mit einem direkten Abguss? entstehen ließ? In der gemeinsam FOTOGRAFIE bis 2.2.2020 TIONALGALERIE VOR 1919 Anlässlich ihres 200-jährigen Jubi­ KARL HAGEMEISTER — mit dem Denver Art Museum erar­ läums geht die Gipsformerei der LANDSCHAFTSMALEREI beiteten Ausstellung befragt das Mu­ Die Begegnung zeitgenössischer KUNSTSCHÄTZE DER ZAREN – Es dauerte 223 Jahre, bis die 1696 Staatlichen Museen zu Berlin dieser DES DEUTSCHEN seum Barberini rund 110 Gemälde, und historischer Positionen ist MEISTERWERKE AUS durch Kurfürst Friedrich III., Frage nach. Als Eröffnungsschau IMPRESSIONISMUS darunter auch die berühmten See­ zentral für die Biennale für aktuelle SCHLOSS PETERHOF den späteren preußischen König der James-Simon-Galerie auf der rosen. Sowohl an Monets Reiseziele Fotografie. In Mannheim treffen Friedrich I., gegründete Berliner Museumsinsel zeigt die Sonder­ Auch wenn der deutsche Impres­ wie auch seine Wohnorte entführt zwei Fotografie-Schulen, die sich auf An grauen Wintertagen bietet das Kunstakademie Frauen aufnahm: ausstellung die seit der Antike sionist von Rügen bis Berchtes­ die Retrospektive. den berühmten, 1975 verstorbenen Schaezlerpalais Zuflucht und Vor einem Jahrhundert begann überlieferte Praxis der bildnerischen gaden, nach Brüssel, Antwerpen, Museum Barberini, Potsdam Fotografen Walker Evans berufen, entführt in die schillernde Welt der die erste dort ihr Studium. Zu Annäherung in ihrer gesamten Rotterdam und Amsterdam und www.museum-barberini.com aufeinander: jene, die seine Alltags­ Sommerresidenz des Zaren Peter des diesem Anlass bringt die Alte Breite. End- und Schwerpunkt schließlich nach Venedig und Paris 22.2. –1.6.2020 fotografie fortsetzen und jene, die Großen. Auch wenn das „russische Nationalgalerie die Werke und bildet die zeitgenössische Kunst: reiste, blieb Werder an der Havel direkt auf seine Arbeiten reagieren. Versailles“ durch den Zweiten Geschichten jener Künstlerinnen Einst nur technisches Hilfsmittel, stets seine Heimat. Karl Hage­ Neuinterpretationen, Hommagen, Weltkrieg stark zerstört wurde und an die Öffentlichkeit, die es bereits ist der Abguss hier eigenständiges meister (1848 –1933) lebte dort PFAUENINSEL ZU GAST Collagen – all das erwartet Evans- heute als Rekonstruktion Besuche­ vor 1919 in die Kunstwelt und die Kunstwerk geworden. Die weltweit in, von und – mit seiner Kunst – IN PARETZ Fans und Fotografie-Begeisterte. rinnen und Besucher empfängt, Museumssammlung geschafft hat­ größte Museumsformerei erzählt durch die Natur. Als erster widmete Wenn König Friedrich Wilhelm Unter dem Titel „The Live and Love existieren noch viele originale ten. Die 60 gezeigten Malerinnen ihre Geschichte zudem mithilfe sich das Gründungsmitglied der III. und Königin Luise nicht auf of Images” zeigt die Biennale noch Ausstattungsobjekte, darunter und Bildhauerinnen erarbeiteten von Gemälden, Druckgrafiken und Berliner Secession der märkischen und erkämpften sich ihren Platz ihrem idyllischen Sommerschloss Hans Baldung Grien, Ungleiches Liebespaar, 1528 an fünf weiteren Orten Fotos und Gemälde aus der ersten profanen Videos. Landschaft als malerischem Motiv. in Paretz sein konnten und Unter befragt das Medium als Symbol für Gemäldesammlung des Landes, trotz struktureller Benachteiligung — | James-Simon-Galerie, Berlin Die Potsdamer Retrospektive zeigt den Linden residierten, erinnerten HANS BALDUNG GRIEN HEILIG UNHEILIG gesellschaftliche Extreme. höfisches Tafelgeschirr, aber auch im Ausbildungssystem und auf dem www.smb.museum diesen Wegbereiter der Moderne im sie immerhin die um 1800 von Fächer und Schuhe. Kunstmarkt. Dank dieser Samm­ Ob Heilige oder Hexe: Der eigenwillige Maler, Zeichner und Kupfer­ Kunsthalle Mannheim bis 1.3.2020 Dialog mit seinen Zeitgenossen, da­ Franz Hiller gemalten Ansichten im stecher suchte für seine Bildsujets unermüdlich nach aufrüttelnden www.kuma.art Kunstsammlungen und Museen Schlafzimmer des Königs an den und mitreißenden Formen. In ausdrucksstarken Tafelgemälden und 29.2.– 26.4.2020 Augsburg, Schaezlerpalais, UMBO. FOTOGRAF Sehnsuchtsort. Dort präsentiert die kraftvollen Holzschnitten verhandelte der vermutlich in Schwäbisch Augsburg neue Dauerstellung nun Geschirre, Gmünd geborene Hans Baldung, genannt Grien (1484 –1545), traditi­ www.kunstsammlungen-museen. Die Arme greifen scheinbar aus der Bildfläche heraus, Moden, Spiele und Kunstwerke, die augsburg.de onelle Sujets aus Antike wie Christentum. Auch die Auseinandersetzung ihre Schatten und die der Kamera fallen aufs Gesicht. der königlichen Familie ihre Som­ BAYERN 15.12.2019 –15.3.2020 mit seiner Gegenwart und seine Faszination für Hexen zeigt die Große Mit sonnenbebrillter Lässigkeit nahm UMBO meraufenthalte ausschmückten. Landesausstellung Baden-Württemberg. Neben Werken aus der eigenen (1902 –1980) sein Selfie auf. Nachdem ihm sein Schloss Paretz, Paretz / Ketzin Sammlung präsentiert die von der Kulturstiftung der Länder geförderte Freund aus Bauhaus-Tagen, Paul Citroen, seine erste DIE FÄDEN DER MODERNE www.spsg.de Retrospektive zweihundert Leihgaben und stellt das Werk Griens dem Kamera geschenkt hatte, begannen die beiden mit Dauerausstellung seiner Zeitgenossen Albrecht Dürer und Lucas Cranach d. Ä. gegenüber. 1607 mit einem königlichen Patent Porträtfotografie zu experimentieren. Nach langer

Satellitenausstellungen in Freiburg i. Br. und Straßburg aktualisieren in Paris gegründet, heute vom Suche fand UMBO zu dem Medium, für das er heute den von Grien gelebten deutsch-französischen Kulturaustausch. französischen Kulturministerium steht. Doch nicht nur mit (Selbst)Porträts leistete der verwaltet und noch immer hoch BREMEN Staatliche Kunsthalle Karlsruhe als Otto Maximilian Umbehr geborene Fotograf im Geschäft: die Manufacture des www.kunsthalle-karlsruhe.de Pionierarbeit. Die Entwicklung des Bildes der Neuen

bis 8.3.2020 Gobelins. Aus Schuss und Kette Frau, des neuen Bildes der Straße und der fotogra­ entstehen hier seit Jahrhunderten fischen Reportage werden ihm zugeschrieben. 200 textile Kunstwerke. Tapisserien, TANZ! MAX PECHSTEIN Werke aus UMBOs Nachlass zeigt nun die Berlinische die seit 1918 nach Entwürfen von Galerie und feiert damit die Erwerbung, welche 2016 BADEN-WÜRTTEMBERG BÜHNE, PARKETT, MANEGE Anthonis van Dyck, Selbstbildnis, um 1615 Künstlerinnen und Künstlern wie mit den Kooperationspartnern Bauhaus Dessau und Louise Bourgeois, Sonja Delaunay, Sprengel Museum Hannover und mit Unterstützung Max Pechstein (1881–1955) tanzte VAN DYCK Henri Matisse, Pablo Picasso und der Kulturstiftung der Länder gelang. Nach ihrer gerne, mit dem Pinsel über die vielen mehr gefertigt wurden, zeigt ersten Station in Hannover lädt die Retrospektive in Yves Klein, Monopink (IKB 75), Monogold (MG 17), Leinwand, mit den Füßen übers Die Bayerischen Staatsgemälde­ nun „Die Fäden der Moderne“. Die Berlin ein, die Werkentwicklung dieses „Urknalls“ der Monoblue (MP 16), 1960 Parkett. Als Inbegriff von Bewegung sammlungen verschafften sich französische Moderne durchwirkte modernen Fotografie, wie Kunsthistoriker Herbert und Ausdruck durchzieht das The­ Durchblick: Mit Röntgenaufnah­ die Traditionstechnik. Molderings UMBO bezeichnete, nachzuvollziehen. IKONEN — WAS WIR ma sein Werk. Mit siebzig Arbeiten men u. ä. eröffneten sich Einblicke Kunsthalle München MENSCHEN ANBETEN in chronologisch-thematischer in den Arbeitsprozess des flämischen Berlinische Galerie, Berlin Präsentation und in Kombination www.kunsthalle-muc.de www.berlinische-galerie.de Von einem Reliquienschrein Barockmalers; das hinter der bis 8.3.2020 mit Filmen und Fotografien führt Umbo, Ohne Titel (Der rasende Reporter), 1926 21.2. – 25.5.2020 aus dem 13. Jahrhundert bis zu Max Pechstein, Tanz, 1909 Bildoberfläche liegende Ringen die Ausstellung erstmals vor Augen, einer Auftragsarbeit von Kehinde

98 ARSPROTOTO 2 2019 99 Wiley, der Barack Obama für die und Grafikers erfahren, seine Suche litischen Potential der Aktionen Doch nicht nur die Erhaltung an National Portrait Gallery malte: Die nach neuen Ausdrucksformen und HESSEN und Gedanken des Künstlers. Von GROSSE REALISTIK & GROSSE ABSTRAKTION sich, auch ihr Gegenstand ist hoch

Kunsthalle zeigt 60 Meisterwerke in Darstellungsmöglichkeiten von manchen zwar als Schamane, als spannend: Hinter der religiösen ihren 60 Ausstellungsräumen. Wie ­Perspektive und Realität erleben. charismatischer Showmaster oder Zwischen diesen beiden Darstellungsformen siedelt das Thematik vermutet das Museum wandelte sich der Begriff „Ikone“ als Scharlatan, Magier und Mystiker Städel Museum seinen 1.800 Blatt umfassenden Zeich­ eine politisch brisante Kritik. Bucerius Kunst Forum, Hamburg nungsbestand an. Eine erlesende Auswahl von 100 in diesen neun Jahrhunderten? www.buceriuskunstforum.de verstanden, bleibt Beuys ein Aus­ Herzog Anton Ulrich-Museum, Werken bringt dem Museumspublikum das Medium Was verbindet Beyoncé und Jay -Z 1.2. –10.5.2020 nahmekünstler, der provoziert und des Suchens, Findens und Experimentierens nahe und Braunschweig mit der Mona Lisa? Große Fragen, inspiriert. www.3landesmuseen.de zeichnet die Beziehung von Figuration und Abstraktion denen das Bremer Museum seinen Hessisches Landesmuseum bis 17.5.2020 gesamten Raum eröffnet. Mittelal­ JETZT! JUNGE MALEREI IN in der deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts nach. Wie Darmstadt sieht die Entwicklung von der Zeichnung als Vorstudie terliche Kunst, moderne Avantgar­ DEUTSCHLAND www.hlmd.de den und Social Media ermöglichen hin zum eigenständigen Ausdrucksmittel aus? Welchen DAS ERSTE JAHRTAUSEND IN Ohne ideologische oder konzeptuelle 14.2. – 24.5.2020 verschiedene Zugänge zum Thema. Stellenwert nimmt sie in der individuellen künstleri­ NIEDERSACHSEN Einschränkung einfach nur zeigen, schen Entwicklung von u. a. Max Beckmann, Ludwig Kunsthalle Bremen was der aktuelle Stand des Mediums ROTES KÄPPCHEN, BLAUER Kirchner, Joseph Beuys, Georg Baselitz, Gerhard Richter Politisch motivierte Geschichts­ www.kunsthalle-bremen.de ist: Das haben sich das Kunstmuse­ oder Sigmar Polke ein? An einfache Bleistiftskizzen, schreibung? Nicht nur ein Problem bis 1.3.2020 Joseph Beuys, Transsibirische Bahn, 1961, BART um Bonn, das Museum Wiesbaden, LICHAMEN, 1967, Block Beuys, Raum 1 leuchtende Pastelle und Aquarelle, miniaturhafte der Gegenwart, wie die von der die Kunstsammlungen Chemnitz Manchmal steht sie direkt im Titel – Kreidezeichnungen, aber auch an monumentale Colla­ Kulturstiftung der Länder geförderte SPURENSUCHE — GESCHICHTE – Museum Gunzenhauser und die KRAFTWERK BLOCK BEUYS das rote Käppchen, der blaue Bart –, gen stellt die Sonderausstellung diese Fragen. Auf den Landesausstellung zeigt. Die Ge­ EINES MUSEUMS Deichtorhallen vorgenommen. Min­ manchmal ist sie weniger prominent vielfältigen Blättern verhandeln die ausgestellten Zeich­ schichte der Eroberung des „alten destens je drei Bilder der seit den spä­ Politische, sozial engagierte und und doch gleichermaßen nachhaltig ner ihr Verständnis von Politik, Geschichte und Sachsen“, die dort praktizierte Mit der Leitidee „Die ganze Welt ten 1970er-Jahren geborenen und in umweltbewusste Kunst – aktueller platziert: Wir wissen, welche Farbe Gesellschaft. Demokratie: Mythen, die schon im ­unter einem Dach“ wurde das Über­ Deutschland arbeitenden Malerinnen geht es wohl kaum. Und doch feiert das Haar von Schneewittchen oder Mittelalter instrumentalisiert wur­ Städel Museum, Frankfurt a. M. see-Museum vor über hundert Jahren und Maler werden in Bonn, Wies­ das Hessische Landesmuseum ein Rapunzel hat, dass das Glück golden den. Aufgrund archäologischer und www.staedelmuseum.de 50. Jubiläum. 1970 richtete Joseph glänzt. Zu der Zeit der Veröffent­ historischer Forschungen stellt die gegründet. In der neuen Dauer­- baden und Chemnitz ausgestellt, eine bis 16.2.2020 ausstellung fragt das Bremer Haus Auswahl von 150 Werken wandert Beuys (1921–1986) in Darmstadt lichung dieser Märchen publizierten Ausstellung eine kritische Revision jetzt: Wie genau kamen die Expo­ im Anschluss nach Hamburg. den „Block Beuys“ ein. Mit Aus- Philipp Otto Runge, Johann Sigmar Polke, Großer Kopf, 1979 der Geschichte Niedersachsens vom stellung, begleitender Podiumsdis­ Wolfgang von Goethe und Isaac 1. bis 10. Jahrhundert vor. nate denn unter ihr Dach? Und Deichtorhallen, Hamburg wie wurden sie seither präsentiert? kussion und Konferenz widmet sich Newton ihre Farbenlehre. Diesem schen Zusammenhang und seinen Prinzessin Alexandrine von Preußen Niedergangs des Bürgertums im www.deichtorhallen.de das Museum dem gesellschaftspo­ Braunschweigisches Landesmuseum, Neueste Provenienzforschungsergeb­ 14.2. – 17.5.2020 wissenschafts- und kulturhistori­ symbolischen Konsequenzen geht aus dem Jahr 1822. Entworfen 20. Jahrhunderts und setzte mit der Braunschweig nisse klären, was gestohlen, gekauft, die Ausstellung in Kassel nach. wurden die Einzelstücke von den „Deutschen Chronik“ seiner Hei­ www.3landesmuseen.de geschenkt oder getauscht wurde. bis 2.2.2020 Grimmwelt, Kassel führenden Künstlern der Zeit. matstadt ein Denkmal. Gemeinsam Auch die Rolle des Museums selbst www.grimmwelt.de Staatliches Museum Schwerin, mit dem Kempowski-Archiv begibt wie zum Beispiel die der Reedereien, bis 13.4.2020 Schloss sich das Kulturhistorische Museum SUCHE NACH HERKUNFT Kaufleute und Missionare kann nun www.museum-schwerin.de nun auf die Spuren seines schrift­ besser charakterisiert werden. Dauerausstellung stellerischen Schaffensprozesses. Drei Jahre lang erforschte das Mu­ Übersee-Museum Bremen MECKLENBURG- Kulturhistorisches Museum Rostock seum mit Unterstützung des Deut­ www.uebersee-museum.de DÄNISCHE MALEREI – DIE www.kulturhistorisches-museum- schen Zentrum Kulturgutverluste Dauerausstellung VORPOMMERN rostock.de seine Bestände und stellt nun die Er­ SCHENKUNG CHRISTOPH 14.12.2019 – 22.3.2020 gebnisse vor. NS-verfolgungsbedingt MÜLLER entzogene Kunst- und Kulturobjekte

fanden ihren Weg auf unterschied­ HAMBURG Zu Gast in Schwerin ist eine liche Weise in die Celler Sammlung: Auswahl aus den fast 400 Gemäl­ NIEDERSACHSEN teils direkt aus dem lokalen Umfeld, den, Zeichnungen und Grafiken teils über den Kunsthandel aus dänischer Kunstschaffender, die der

Frankreich und den Niederlanden. Sammler Christoph Müller (*1938)

vor zwei Jahren dem Land schenkte. Bomann-Museum Celle

www.bomann-museum.de Erstmalig zeigt das Museum Malerei des nordischen Nachbarlandes. bis 29.3.2020

Die bisher in Deutschland wenig bekannten dänischen Künstler und

ihre Genreszenen im häuslichen Pieter Brueghel der Jüngere, Kreuztragung NORDRHEIN- David Hockney, My Parents, 1977 Große Prunkvase mit farbigem Rückzug oder mit Fischern am Christi, 1629 Blumenkranz, nach 1832 Strand, aber auch ihre weiten, WESTFALEN

DAVID HOCKNEY licht­erfüllten Landschaften und BRUEGHEL. EIN MEISTER- KÖNIGLICHE GESCHENKE fein­fühlige Porträts warten darauf, WERK RESTAURIERT Sein feines Gespür für zwischen­ Jean-Honoré Fragonard, Der Philosoph, um 1764 um Philosoph, Der Fragonard, Jean-Honoré Ein prächtiges Service zur Hochzeit, entdeckt zu werden. menschliche Beziehungen und Was es bedarf, um ein Meisterwerk ein geschmücktes Ei zu Ostern, Staatliches Museum Schwerin sein künstlerisches Interesse am GOYA, FRAGONARD, TIEPOLO sprache, in kühnen Bildfindungen. Ihre innovativen, wieder fit fürs Publikum zu machen, männlichen Körper zeigen die Por­ prunkvolle Vasen zu Geburtstagen: www.museum-schwerin.de persönlichen und reflektierten Werke kommen in der verrät das Herzog Anton Ulrich- Bei Geschenkanlässen aller Art griff 20.3. – 30.8.2020 träts und Akte, welche das Bucerius In Madrid, Paris und Venedig arbeiteten die vier Sonderausstellung erstmals zusammen. So lassen sich Museum. Mit Fotos und Videos das preußische Königshaus gerne Kunstforum in Zusammenarbeit Künstler unabhängig voneinander an einem gemein­ einzelne Schaffensperioden ableiten und grundsätz­ macht die Sonderausstellung die Re­ auf die eigene Porzellanmanufaktur Oskar Schlemmer, Zwölfergruppe mit Interieur, 1930 mit Tate London präsentiert. Erst- samem Projekt: den Grundlagen der Moderne. Be­ liche Veränderungen nachvollziehen. Mit 100 Gemäl­ WALTER KEMPOWSKI. ICH staurierung der „Kreuztragung“ von zurück. Über die Jahre sammelte malig in Deutschland zu sehen reits Mitte des 18. Jahrhunderts verarbeiteten Fran­ den und Grafiken aus nationalen und internationalen MÖCHTE ARCHIV WERDEN Pieter Brueghel d. J. (1564 –1638) das mecklenburgische Herzoghaus OSKAR SCHLEMMER sind einige der Hauptwerke des cisco de Goya (1746 –1828), Jean-Honoré Fragonard Museen beendet die Kunsthalle ihr Jubiläumsjahr mit anschaubar. Einen Blick in die so einen Schatz „weißen Goldes“. bedeutenden britischen Gegenwarts­ (1732 –1806), Giovanni Battista (1696 –1770) einem fulminanten Schlussakt. In sechs Romanen und drei Depots und Werkstätten selbst Am Ende des Bauhaus-Jubiläums­ künstlers David Hockney (*1937). und Giovanni Domenico Tiepolo (1727–1804) Im Schloss Schwerin ist dieser nun Befragungsbüchern erzählte der Hamburger Kunsthalle kann man auf den wöchentlichen jahres richtet das Von der Heydt- In der Retrospektive lässt sich die zu bewundern. Besonders beein­ weltanschauliche, politische und gesellschaftliche www.hamburger-kunsthalle.de gebürtige Rostocker Kempowski Führungen werfen. Vorträge und Museum den Blick auf die Jahre druckend: das Hochzeitsservice für Vielfältigkeit des Malers, Zeichners Umbrüche in einer zunehmend radikalen Form­ 13.12.2019 –13.4.2020 (1929 – 2007) die Geschichte des Filmabende rahmen das Programm. danach. Wie entwickelte sich

100 ARSPROTOTO 2 2019 101 Oskar Schlemmers (1888 –1943) in ihr neues Gebäude gezogen ist? diesen mit Originalen ausgestatteten hörte. In Gottorf strahlen nun 145 Œuvre weiter, nachdem er 1929 Schenkungen und Ankäufe der letz­ Räumen passieren Sie das Porzellan­ SCHLESWIG-HOLSTEIN Arbeiten die Kraft und Formlust THÜRINGEN die berühmte Schule verließ? ten Jahre stellt das Koblenzer Muse­ kabinett. Warum die dort präsen­ Fettings aus und geben Einblick in Insbesondere sein Spätwerk, das um seinem Publikum vor. Darunter tierten Elementvasen sehenswert ein Künstlerleben, das in Berlin und er in der Wuppertaler Lackfabrik die zwei Gemälde von Januarius sind, verrät Stephanie Tasch ab Seite verwurzelt ist. von Kurt Herbert schuf, steht im Zick (1730 –1797), die nach dem 110 in diesem Heft. Museum für Kunst- und Kulturge- Zentrum der Ausstellung. Dank des Zweiten Weltkrieg als verschollen schichte Schloss Gottorf, Schleswig Residenzschloss, Dresden großen Schlemmer-Bestands kann galten, doch 2017 zurückerworben www.skd.museum www.schloss-gottorf.de die Schau auch die vorangehenden werden konnten, u. a. mit Unterstüt­ Dauerausstellung 24.4. –18.10.2020 Werkphasen abbilden. zung der Kulturstiftung der Länder.

Von der Heydt-Museum Wuppertal Mittelrhein-Museum Koblenz DER DRESDNER HOF­ 66. LANDESSCHAU www.von-der-heydt-museum.de www.mittelrhein-museum.de bis 23.2.2020 bis 26.7.2020 JUWELIER JOHANN Jährlich zum Jahreswechsel zeigt der Marcel Breuer, Klubsessel B3 Wassily, 1925 HEINRICH KÖHLER Bundesverband Bildender Künstle­ rinnen und Künstler / Landesver­ DAS BAUHAUS KOMMT ARNT DER BILDERSCHNEIDER SALVADOR DALÍ UND An seinem 350. Geburtstag tritt Jo­ AUS WEIMAR hann Heinrich Köhler (1669 –1736) Rainer Fetting, Here are the lemons band Schleswig-Holstein (BBK SH) HANS ARP (Desmond Cadogan), 2015 einen repräsentativen Einblick in die Seine Bildschnitzerschule erfreut sich endlich aus dem Schatten des be- Mit den Objekten der weltweit generationen- und medienübergrei­ großen Erfolgs im 15. Jahrhundert. Rätselhafter Humor, instabile Rea­ rühmten Dresdner Goldschmieds ältesten Sammlung an Bauhaus- RAINER FETTING fende Kunst-Community des Lan­ In Kalkar gegründet und in Zwolle litäten: Das erwartet Besucher, die und Hofjuweliers Johann Melchior Originalen geht die jüngste Ergän­ HERE ARE THE LEMONS des. Die 66. Ausgabe ist dieses Mal weitergeführt, produzierte Arnts sich in diese surrealistische Begeg­ Dinglinger (1664 –1731) heraus. zung der Klassik Stiftung Weimar, Werkstatt außerordentlich lebendige in Schloss Gottorf zu Gast – Teil nung wagen. Sogar ein Spaziergang Zur gleichen Zeit hatten beide im Seine Porträts sind mehrere Lein­ das Bauhaus-Museum, der Frage Schnitzereien, die heute u. a. im des Konzepts ist der jährliche Orts­ durch die surrealen Landschaften ist Dienst August des Starken gestan­ wände groß, monumental in ihrer nach: „Wie wollen wir zusammen Pariser Musée Cluny zu finden sind. wechsel der jurierten Landesschau, dank Virtual Reality möglich. Und den, doch Köhlers kunstfertiges Wirkung. Als einer der Berliner leben?“ Denn in den hundert Jahren

Diese zeigt das Museum Schnütgen 2005 Feininger), à (Hommage Lagerfeld,Narrenschanzen Karl um die Kunst der Gegenwart in alle wer einen Schritt zurücktritt und und ideenreiches Œuvre geriet in „Moritzboys“, der Neuen Wilden, seit der Gründung der Schule hat mit Unterstützung der Kulturstif­ Regionen zu bringen. beide Werke vergleichend betrachtet, Vergessenheit. Im Grünen Gewölbe, steht der wichtige deutsche Maler sie an Aktualität nichts eingebüßt. tung der Länder in der ersten mono­ wird überraschende Gemeinsamkei­ KARL LAGERFELD. FOTOGRAFIE an dessen Einrichtung er 1723 bis und Bildhauer (*1949) für gegen­ Museum für Kunst- und Kulturge- Die radikalen und experimentellen grafischen Schau zum Künstler. ten entdecken zwischen den Arbei­ 1729 maßgeblich mitgewirkt hatte, schichte Schloss Gottorf, Schleswig „Ich habe keinen Stil, sondern viele oder keinen.“ Die kreative Flexibilität ständliche Kunst, heftig in Ausdruck Gestaltungsideen, die ein neues Museum Schnütgen, Köln ten von Salvador Dalí (1904 –1989) strahlen nun seine Werke. und Farbe. Schließlich verstehen www.schloss-gottorf.de Zusammenleben und damit eine und Hans Arp (1886 –1966). und das Bedürfnis, der Wiederholung zu widersagen, führen die in Halle bis 23.2.2020 www.museum-schnuetgen.de gezeigten fotografischen Arbeiten des gebürtigen Hamburgers (1933 – 2019) Grünes Gewölbe im Residenz- sich die Neuen Wilden als Revival neue Gesellschaft entwarfen, wirken 1.4. – 5.7.2020 Arp Museum Bahnhof Rolandseck, vor Augen. Eigens für die Sonderausstellung ausgewählt und produziert, schloss, Dresden der französischen Fauves, denen u. a. bis in unsere Gegenwart. Dank Remagen zeigen die 250 Werke Karl Lagerfelds bildnerische Visionen, seine immer gruenes-gewoelbe.skd.museum Henri Matisse (1869 –1954) ange­ eines modernen Online-Zeitkarten- LUCIA MOHOLY. FOTO­ www.arpmuseum.org wieder neu gedachte Konzeption des Mediums. Nicht nur Moden bannte bis 2.3.2020 Systems können Besucherinnen und 16.2. –16.8.2020 GESCHICHTE SCHREIBEN der Chefdesigner von Chanel auf Film, sondern auch Landschaften, Archi­ Besucher direkt und ohne lange tekturen und Porträts. Sie alle verhandeln den Grenzraum, in dem Lagerfeld Wartezeiten die beliebten Objekte erleben. Ihre Fotografien der Bauhaus-Ge­ lebte: das Feld zwischen Kunst und Kommerz. SACHSEN-ANHALT bäude und -Objekte prägen deren SAARLAND Bauhaus-Museum Weimar Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) Image bis heute. Doch nicht nur für www.klassik-stiftung.de www.kunstmuseum-moritzburg.de deren Geschichte ist Lucia Moholy Dauerausstellung 8.3. – 23.8.2020 (1894 –1989) eine zentrale Figur, sondern auch für die der Fotografie. Mit „A Hundred Years of Photo­ SCHNEEMANN IM MAN RAY – ZURÜCK IN graphy 1839 –1939“ etablierte sie BRIEFKASTEN SACHSEN das Medium vor dem Hintergrund EUROPA Wer sich um den Jahreswechsel seiner hundert Jahre währenden Ge­ Als Man Ray (1890 –1976) nach fragt „Wohin nur mit den ganzen schichte als der Malerei ebenbürtig. dem Zweiten Weltkrieg nach Silberring mit mystischer Inschrift. Paußnitz, Grußkarten?“, kann sich in den Gem. Strehla, Lkr. Meißen (Sachsen), um 1200 Museum Ludwig, Köln Europa zurückehrte, hielt er Meininger Museen von deren www.museum-ludwig.de kulturhistorischem Wert überzeugen sich 1952 auch in Saarbrücken RINGE DER MACHT bis 2.2.2020 auf. In diesen Jahren war der lassen. Vor 150 Jahren wurde

Auguste Rodin, Le Penseur, um 1880 Fotograf, Filmregisseur, Maler und Drei Worte zieren den 12-seitigen die „Correspondenz-Karte“ in Objektkünstler auch in mehreren Ring. 2002 gelang endlich die Österreich erdacht. Anfangs noch RODIN / NAUMAN Saarbrücker Ausstellungen vertreten. Entschlüsselung der magischen rein funktional konzipiert – Adresse RHEINLAND-PFALZ Elina Brotherus, Der Wanderer 2, 2004 Sieben Jahrzehnte später fragt die Inschrift: „Verneine mich, Gott“ – und Briefmarke auf der Vorder-, Welche Möglichkeiten des Mediums aktuelle Sonderausstellung, welche ein in Metall geprägter Ausdruck FRISCHER WIND AUS DEM NORDEN! Grußworte auf der Rückseite –, ent­ sind noch nicht ausgeschöpft? In Bedeutung Man Rays Zeit in der nach dem Wunsch vollkommener wickelte sich die Postkarte schnell

den letzten drei Jahrhunderten Stadt für sein Werk hat und prä­ Johann Joachim Kaendler, Elementvase Selbstaufgabe um des Seelenheils Ein Spiel mit den Konventionen der Landschaftsmalerei, mit den zur Trägerin vielfältiger Motive. 300 stellen Auguste Rodin (1840 –1917) sentiert seltene Zeugnisse aus jenen „Feuer“, um 1741/42 Willen. Welche Macht wurde Übergängen vom Unheimlichen zum Sublimen, den Grenzen von historische Winter-, Weihnachts- und Bruce Nauman (*1941) ihr Jahren. Bekannte Malereien und Ringen zugeschrieben? In welchen menschenfreundlich zu -feindlich; all das bieten die „Naturmotive und Neujahrskarten zeigen die Medium immer wieder auf den DIE KÖNIGLICHEN PARADE­ Objekte stellt das Saarlandmuseum Formen brachten sie Macht zum in der Helsinki School of Photography“. Die Mitglieder der seit den Meininger Museen. Gesammelt hat Prüfstand. Ihre Interessen dabei? gemeinsam mit den berühmten RÄUME AUGUSTS DES Ausdruck? Anhand ausgewählter 1990er-Jahren bekannten, multigenerationalen Fotografie-Schule sie Gerd Maning. Wie viele andere Verblüffend ähnlich, wie die erste Aktfotografien, Solarisationen und STARKEN Ringe erkundet die Ausstellung die verbindet ihre Hinwendung zur Natur, die künstlerische Auseinander­ auch, begeisterte Maning sich große, von der Kulturstiftung der Fotogrammen aus. Fotografien, aber Glaubens- und Herrschaftswelt des setzung mit der Landschaft. In ihren Werken tarieren sie das Verhält­ für Postkarten und erkor sie zum Länder geförderte Konfrontation 300 Handwerkbetriebe aus ganz auch Filme stehen im Fokus. europäischen Mittelalters. nis von Natur und Kultur behutsam und zugleich bildmächtig aus. Sammlungsobjekt. zwischen den beiden Positionen Europa arbeiteten daran, 300 Jahre Sowohl vor als auch hinter der Kamera nehmen die Fotografinnen der Januarius Zick, Alexander der Große und die Familie zeigt. Körperlicher Ausdruck emoti­ Saarlandmuseum, Saarbrücken Geschichte nachzubilden. Pünktlich Landesmuseum für Vorgeschichte Meininger Museen, Baumbachhaus, www.kulturbesitz.de Schule eine starke gestaltende Rolle ein. Meiningen (Die Enthaltsamkeit des Scipio), um 1780 onaler Bewegungen in ihren Werken zum Jubiläum ihrer Einweihung Halle (Saale) bis 8.3.2020 www.landesmuseum- www.meiningermuseen.de vereint die beiden Bildhauer. 1719 eröffnen die Staatlichen Kunsthalle St. Annen, Lübeck GESCHENKT, GEKAUFT UND vorgeschichte.de bis 1.3.2020 Kunstsammlungen Dresden die re­ www.die-luebecker-museen.de WIEDERGEFUNDEN Saarlandmuseum, Saarbrücken bis 1.6.2020 26.1. – 26.4.2020 www.kulturbesitz.de konstruierten Paraderäume. Damit Welche Kunstwerke ergänzten die bis 26.1.2020 schließt der Residenzwiederaufbau Sammlung, seit sie vor sechs Jahren glanzvoll ab. Auf dem Weg zu ARSPROTOTO 2 2019 103 PROJEKT KULTURHAUPTSTADT Kulturhauptstadt Europas kann Impuls und Katalysator für neue Entwicklungen einer Stadt sein. Vor den Bewerberstädten liegt in den nächsten Wochen und Monaten ein anspruchsvoller Weg, doch die begonne­ „KULTURHAUPTSTADT nen Prozesse der Reflexion, der Entwicklung langfris­ tiger Kulturstrategien und das Knüpfen neuer Netz­ werke von der lokalen bis zur internationalen Ebene EUROPAS 2025“ werden sich nachhaltig positiv auf das Leben der Men­ schen vor Ort auswirken.“ Markus Hilgert begrüßte das große öffentliche Acht Visionen für eine europäische Zukunft Interesse am deutschen Kulturhauptstadt-Wettbewerb von Mirco Drewes und Linda Lücke und an der Arbeit der kandidierenden Städte. Die Kulturstiftung der Länder, die Kunst- und Kulturpro­ jekte von gesamtstaatlicher Bedeutung fördere, habe die Organisation des Auswahlverfahrens mit großer Freude chon vor vierzig Jahren stand die Vielfalt der Kul­ Bewerbung ein Statement für die europäische Kultur übernommen. Doch die Kulturstiftung sei nicht turen im Mittelpunkt: Auch wenn 2025 Deutsch­ gesetzt. Das Bewusstsein für unsere gemeinsamen ­ausschließlich Geschäftsstelle, sondern immer auch S land, neben Slowenien, die Kulturhauptstadt Wurzeln und die Kraft der Kultur geben uns wesent­ ­„Ermöglicherin und Beraterin“. Ziel der während des Europas stellt, geht es um das, was sich die Initiatoren liche Antworten auf die Frage, wie wir in unseren Bewerbungsverfahrens organisierten Workshops sei auch des Programms 1985 ausgedacht hatten. Das Pro­ Städten miteinander leben und unser Zusammenleben die Entwicklung einer alternativen Kulturstrategie, eines gramm will den Reichtum der Kulturen Europas sicht­ gemeinsam gestalten wollen. Ich wünsche den teilneh­ „Plan B“, gewesen. „Am Ende dieses Wettbewerbs wird bar machen, um das Zugehörigkeitsgefühl zu einem menden Städten im Wettbewerb gutes Gelingen und es zwar nur eine Siegerinnenstadt geben, aber es wird gemeinsamen Kulturraum zu fördern. Heute hat das die notwendige Kreativität, die auch über das Auswahl­ acht Gewinnerinnen geben“, betonte Generalsekretär Thema eine ungleich größere Bedeutung, weil die Idee verfahren hinaus wichtige Impulse für die Entwicklung Hilgert, „denn die Bewerberinnen haben sich auf einen des vereinten Europa mitunter kontrovers diskutiert, der Städte geben kann.“ Den Städtedelegationen Weg begeben, der die Kulturentwicklung in ihren wenn nicht sogar unmittelbar in Frage gestellt wird. wünschte Senator Brosda Glück und Kreativität für das Städten stärkt und die Einbindung der Bürgerinnen und Die Kultusministerkonferenz­ und die Kulturstif­ „großartige Abenteuer“, auf das sie sich eingelassen Bürger in die kulturelle Sphäre und das städtische Leben tung der Länder haben die Bewerber um den Titel am hätten. Das Kulturhauptstadt-Programm stelle zentrale fördert. Wir hoffen, dass die aus den Bewerbungen 1. Oktober 2019 auf einer Pressekonferenz in Berlin Fragen unserer Zeit: „Welche Werte tragen unser Zu­ erfolgreich gestarteten Projekte verstetigt werden und bekannt gegeben. Doch erst im nächsten Jahr, nach sammenleben? Was schafft Sinn in unserer Gemein­ wünschen den Städten die nötige Unterstützung dafür.“ einem mehrstufigen Auswahlverfahren, wird feststehen, schaft?“ Brosda wies besonders auf den enormen Be­ welche deutsche Stadt ihren Vorgängern West-Berlin deutungszuwachs der kulturellen Sphäre für das euro- Chemnitz: Für die Stadt Chemnitz erläuterte Oberbür­ (1988), Weimar (1999) und Essen für das Ruhrgebiet päische Gemeinschaftsgefühl hin. Für die einzelnen germeisterin Barbara Ludwig die Motivation zur Be­ (2010) als „Kulturhauptstadt Europas 2025“ folgen Kommunen berge die Bewerbung auch die Chance, werbung mit der wechselvollen Geschichte der Stadt: wird. kulturelle Orte und Angebote neu im sozialen, politi­ „Unsere Stadt ist viele Städte. Mehrere Stadtnamen und Der Wettbewerb wird die Städte zunächst bis zur schen und wirtschaftlichen Miteinander zu verankern. Gesellschaftssysteme in wenigen Jahrzehnten. […] Aus Hürde der Vorauswahl im Dezember 2019 führen, Mit Blick auf die kulturellen Unterschiede in Europa den Brüchen und Widersprüchlichkeiten der Vergan­ anschließend empfiehlt eine Jury europäischer Exper­ und Deutschland hob er hervor, dass das „Erleben genheit“ solle in der Bewerbung „ein zukunftsorientier­ tinnen und Experten die beste Bewerbung für den dieser Vielfalt Resultat einer großartigen Freiheitsge­ tes Selbstverständnis für Chemnitz“ entwickelt werden Kulturhauptstadt-Titel. schichte“ sei. Für den deutschen Wettbewerb erhoffe – als Stadt im Herzen Europas. „Wir haben es mehrfach In der Nacht zum 1. Oktober 2019 war die Frist er sich, dass er die „Kraft der föderalen Vielfalt von erlebt: Aufbrüche sind dynamisch und optimistisch, zur Einreichung der Bewerbungsbücher bei der Kultur­ Kultur“ zeigen werde. Und was auf kommunaler Ebene getrieben von Neugier auf das Unbekannte, von Hoff­ stiftung der Länder abgelaufen. In das Rennen um die in Gang gesetzt werde, sei pars pro toto für den Konti­ nung auf eine bessere Zukunft.“ Chemnitz2025 wolle „Kulturhauptstadt Europas 2025“ gehen die Städte nent zu sehen: „Die Einheit in Vielfalt ist die Kernidee Antworten auf Fragen liefern, die viele Regionen in Chemnitz, Dresden, Gera, Hannover, Hildesheim, Europas. Und das ist eine kulturelle Frage“, betonte Europa beschäftigten: Das Zusammenwirken von Stadt Magdeburg, Nürnberg und Zittau. Die Delegierten der Carsten Brosda. Er begründete seine Faszination für das und Land, ökologische Mobilität, Konzepte gegen das Städte präsentierten die ausgearbeiteten Leitideen ihrer Kulturhauptstadt-Projekt damit, dass „man jenseits der Auseinanderfallen der Gesellschaft und die Förderung Bewerbung und gaben einen kurzen Einblick in die beschwörenden Sonntagsreden im Alltag erlebbar eines Zugehörigkeitsgefühls nannte Ludwig als zentrale Kampagnen. machen [kann], dass Europa ein tolles Projekt ist“. Themen der Kulturhauptstadt-Bewerbung. Carsten Brosda, Hamburgs Senator für Kultur und Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung Medien, begrüßte als Vorsitzender der Kulturminister­ der Länder, sagte in seiner Begrüßung der Delegatio­ Dresden: Dresdens Bewerbung präsentierte Unterneh­ konferenz die Vertreterinnen und Vertreter der Städte nen: „Die Geschichte des Kulturhauptstadt-Program­ merin Elisabeth Kreutzkamm-Aumüller, die ihre Unter­ und betonte die kulturpolitische Bedeutung des Kultur­ mes ist reich an Beispielen für langfristig positiv stützung für die Kampagne begründete: „ ,Neue Heimat hauptstadt-Programms: „Alle Bewerber um den Titel ­wirksame Veränderungen des Lebensgefühls und der Dresden 2025‘ – das Motto unserer Bewerbung richtet ‚Kulturhauptstadt Europas 2025‘ haben mit ihrer Lebensbedingungen vor Ort. Eine Bewerbung als sich an die gesamte Stadtgesellschaft, denn diese entwi­

104 ARSPROTOTO 2 2019 105 ckelt unsere Zukunft“, führte Kreutzkamm-Aumüller Rückbesinnung auf dessen Kernidee an: „This competi­ Assoziationen zu seiner Stadt ins Gedächtnis: von aus und betonte, dass das kulturelle Erbe der Stadt tion does not exist in a vacuum. The cities should be­ Lebkuchen und Bratwurst über die Sandsteinburg und nicht ausreichend sei, um Kulturhauptstadt zu werden. come the aid of the union. Strong cities strengthen Albrecht Dürer, aber auch dem Nationalsozialismus bis Der Umgang mit kulturellen und sozialen Verwerfun­ Europe.“ Mit dem John-Cage-Zitat ‚Other people think‘ hin zur Fußball- und Spielzeugstadt. „Es ist eine sehr gen sei Triebfeder der Bewerbung. „Gerade weil Dres­ und einem langen Schweigen endete der Monolog. ambivalente Vergangenheit, die unser Bild von uns den um die eigene Geschichte ringt, gerade weil sich selbst und das Bild der Anderen von Nürnberg be­ hier soziale Spannungen auf der Straße entladen, gerade Hildesheim: Thomas Harling, Leiter des Kulturhaupt­ stimmt“, schloss Wagner. Wie keine Stadt werde Nürn­ weil das friedliche Zusammenleben hier so zerbrechlich stadt-Bewerbungsbüros der Stadt Hildesheim, begann berg mit der Geschichte des Nationalsozialismus ver­ erscheint“, wolle man Kulturhauptstadt Europas wer­ seine Präsentation frei nach Shakespeares berühmtem bunden, nirgendwo sonst definiere man sich so stark den, denn „all dies steht für Entwicklungen, die in ganz Hamlet-Zitat. An eine aus seiner Stadt mitgebrachte über das mittelalterliche Erbe. Daher sei die Leitfrage Europa zu beobachten sind“. Dem wolle man eine Zuckerrübe richtete er die Frage: „The beet or not the der Bewerbung: „Wie können wir die Zukunft gestal­ „neue Kultur des Miteinander“ entgegensetzen und beet? That indeed is our question.“ Mit dem Image als ten, wenn wir gewissermaßen in der Vergangenheit plane im Sinne eines gesamtgesellschaftlichen Prozesses Provinz kokettierend verlieh Harling der Überzeugung leben?“ Nürnbergs Bild als „deutscheste der deutschen die Hälfte des Kulturhauptstadtbudgets in die Hände Ausdruck, man könne „auch mit einem Feldkulturerbe“ Städte“ solle unter dem Motto „past forward“ in „einer direkt gewählter Stadtteilparlamente zu legen. Kulturhauptstadt werden. Das Motto der Bewerbung außergewöhnlichen Zeitreise in das Nürnberg von „beets, roses and the meaning of life“ erinnere an das morgen“ einer Revision unterzogen und dabei „das Gera: Geras Oberbürgermeister Julian Vonarb leitete „visionäre Hoffnungszeichen“ der Hildesheimer Rose, Europa von morgen eingeübt, erlernt, erspielt“ werden. die Präsentation der Kulturhauptstadt-Bewerbung der die für das „Zukunftsgewandte“ der Stadt stehe. Hildes­ Stadt mit einem Zitat des Augustinus von Hippo ein: heim bewerbe sich als „progressive Provinz“ und wolle Zittau: Den Bewerberinnenreigen beschloss Oberbür­ „Der Zeiten sind drei: Es gibt eine Gegenwart des zu einer „europäischen Modellregion“ werden, die „auf germeister Thomas Zenker, der die Bewerbung der Vergangenen, eine Gegenwart des Gegenwärtigen und ganz neue Lösungen kommen kann, weil sie das Ur­ Stadt Zittau mit der deutsch-polnisch-tschechischen eine Gegenwart des Zukünftigen.“ Gera stehe am bane und das Rurale zusammendenken kann“, sagte Dreiländerregion in den Kontext der jüngeren euro­ Beginn eines neuen Kapitels der Stadtgeschichte und Harling. Aus der kirchlichen Tradition der Stadt sei päischen Geschichte stellte. Die ländliche Dreiländer­ wolle „mit einem neu zu entdeckenden kulturhistori­ „das Gespür für die wichtigen Fragen geblieben“. „Die region sei angesichts des demografischen Wandels ein schen Erbe und vielen neuen Ideen“ Kulturhauptstadt kulturelle Frage nach dem Sinn“ bilde, so Harling, den „ungeschönter Spiegel dieses Teils der europäischen Ent- werden. An wenigen Orten sei „die Idee des europäi­ Kern der Bewerbung, verstanden als Besinnung auf wicklung“. „Die enorme Symbolkraft des Dreiländer- schen Humanismus, der Weltoffenheit und Toleranz die eigene Geschichte und eine „Neubestimmung des ­ecks“ entstehe, so Zenker, „aus der Herausforderung, so eng verknüpft mit ökonomischem Fortschritt und Kurses“, um eine exemplarische Rolle in Europa ein­ die Krieg, Vertreibung, Versöhnung und der Eiserne Zukunftsfreude“. Mit diesen Qualitäten könne Gera nehmen zu können. Vorhang unseren Menschen abverlangt haben“. Nach Modellcharakter als industrielle Transformationsregion, dem Zusammenbruch der Wirtschaft nach 1989 hätten als Region des Vielfältigen, für ein politisches Europa Magdeburg: Die Magdeburger Kulturhauptstadt-­ viele Menschen den Glauben an die Stärke der Region der Regionen und als fürsorgendes Gemeinwesen Bewerbung präsentierte der Leiter des Bewerbungs­ verloren. Die Bewerbung Zittaus sei „der Versuch eines beanspruchen. „Die Bewerbung der Stadt ist ein Signal büros Tamás Szalay. Im Sinne der Halbkugelversuche Gegenentwurfs“, denn „unsere Kultur ist unser Anker, für ganz Thüringen. Im Spiegel des ehemaligen Uran­ des Otto von Guericke werde Magdeburg als „Stadt des offene Grenzen sind unsere Grundlage, Europa gelebter bergbaus in der Region setzt Gera2025 auf das Thema Vakuums“ unter dem Motto „Out of the Void“ inter­ Alltag“. Zittau wolle mit der Bewerbung Europa einla­ Ressourcen der Zukunft und eine vielfältige Stadt- pretiert. „Die Leerstellen im Magdeburger Stadtbild, den, eine seiner „Nahtstellen“ zu besuchen, wo das, Land-Region“, umriss Vonarb die zentralen Themen die Stadt als blinder Fleck auf der europäischen Land­ „was in den Parlamenten beschlossen und erdacht wird, der Bewerbung. karte sowie der fehlende soziale Zusammenhalt auf vor der Haustür erarbeitet und gespürt wird“. lokaler und europäischer Ebene – unsere Verantwor­ Linda Lücke ist Projektkoordinatorin, Hannover: Die Präsentation der Kulturhauptstadt-­ tung liegt darin, diese Leerstellen mit positiven Visio­ Mirco Drewes ist Projektassistent von „Kultur- Bewerbung von Hannover war ein künstlerischer Mono­ nen zu füllen“, erklärte Szalay. In drei Programmsäulen hauptstadt Europas 2025“. log. Die britische Schauspielerin Hannah Gibson schlug seien die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammen­ einen Bogen vom bevorstehenden Austritt Großbritan­ halts, die Entwicklung einer zeitgemäßen und natur­ VIDEO niens aus der Europäischen Union bis hin zur Forderung nahen Urbanität sowie die Stärkung des kulturellen Die Bewerberstädte einer urbanen europäischen Bewegung. Gibson be­ Profils bestimmende Themen. „Dabei knüpfen wir Sehen Sie das Video mit den kannte sich eingangs zu ihrer Sorge um Europas Zu­ an die vielseitigen Magdeburger Traditionen an. Wir Präsentationen aller acht deutschen Bewerberstädte um kunft und fragte das Publikum: „Don’t you sometimes interpretieren das Länder überspannende Magdeburger den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2025“ in Deutschland: think we can’t carry on like this, we have to change Recht neu, etablieren Magdeburg als Stadt der Musik www.kulturstiftung.de/ kulturhauptstadt-europas- course?“ Gibson sprach über Fehlentwicklungen wie die und nutzen das wissenschaftliche Know-how der Stadt 2025-bewerberstaedte/ Kriminalisierung von Seenotrettung, die Bedrohung der für Crossover-Projekte.“ Pressefreiheit und den Raubbau an den natürlichen VIDEOS Ressourcen. Nach Jahren des Wachstums sei das Über­ Nürnberg: Hans-Joachim Wagner, Leiter des Nürn­ Welche Städte schaffen leben des Kontinents zweifelhaft. „European cities must berger Kulturhauptstadt-Bewerbungsbüros, rückte die es auf die Shortlist? Sehen Sie die Videos mit den react on this crisis facing the union“, forderte Gibson Fremd- und Selbstwahrnehmung Nürnbergs in den Kurzvorstellungen und und mahnte für den Kulturhauptstadt-Wett­bewerb eine Mittelpunkt seiner Präsentation. Zunächst rief Wagner Statements der Bewerber: www.kulturstiftung.de/acht-be- werberstaedte-kulturhauptstadt- europas-2025/

106 ARSPROTOTO 2 2019 107 RESTAURIERUNGEN

„IM MEISSENER PORZELLAN GEHEN FÜRSTLICHES PRESTIGE, POLITIK, MERKANTILISMUS, DIE SÄCHSISCHE BERGBAUTRADITION, HANDWERK UND ÄSTHETIK EINE UNAUFLÖSLICHE, BIS HEUTE FASZINIERENDE VERBINDUNG EIN.“

Dr. Stephanie Tasch, Dezernentin der Kulturstiftung der Länder

Für die Restaurierung der sogenannten Elementvasen aus dem Residenzschloss Dresden angefertigte Ergänzungsstücke, hergestellt in der Porzellan­ SEITE 109–119 manufaktur Meissen

108 ARSPROTOTO 2 2019 109 RESTAURIERUNGEN werk und Ästhetik eine unauflösliche, bis im Moment der Fertigstellung des un­ heute faszinierende Verbindung ein: Aus gemein aufwendig zu produzierenden der Jagd nach Gold wird die Produktion Vasensatzes im Sommer 1742 bereits des „weißen Goldes“ des porzellanver­ politisch obsolet ist. Dass Kaendler Form VON KAOLIN rückten 18. Jahrhunderts, und Sachsen und Dekor der „Elementvasen“ inspiriert gelingt es zumindest acht Jahre lang, der von den Rokoko-Entwürfen des in erste und einzige Hersteller von Porzellan Geschmack und Ästhetik führenden ZU EPOXID in Europa zu sein. Die Abwanderung Frankreich entwickelt, erscheint in dieser eines der gehüteten Mitarbeiter nach Situation beinahe wie eine Ironie der Die restaurierten Meissener Wien führte zur Gründung der ersten Geschichte. Und da auf Grund der „Elementvasen“ im Konkurrenz­manufaktur im Jahr 1718. aufwendigen und risikoreichen Produk­ Und auch der Entstehung der „Element­ tion einer solchen „Tour de Force der Dresdner Residenzschloss vasen“ geht der Versuch von französischer Porzellanmodellierung“ – wie Julia We­ von Stephanie Tasch Seite voraus, entweder Mitarbeiter der ber, die Direktorin der Dresdener Porzel­ Manufaktur abzuwerben – nicht zuletzt lansammlung die Vasen charakterisiert Kaendler selbst! – oder zumindest anläss­ – stets mehrere Sätze angefertigt wurden, lich einer Besichtigung der Manufaktur standen nun im Depot der Manufaktur m Beginn und am Ende dieser im Sommer 1741 so viel Wissen wie eine ganze Gruppe von plötzlich funk­ Geschichte steht eine technologi­ möglich mitzunehmen. Der Versuch tionslos gewordenen, monumentalen A sche Innovation: Als Johann Joa­ dieser frühen Form der Industrie­spionage Porzellan­skulpturen zur Verfügung. Was chim Kaendler (1706 –1775) im Winter misslingt (die erste französische Manu­ nun folgt, ist die Umwidmung eines 1741/42 beginnt, im Auftrag Augusts III. faktur war 1740 in Vincennes gegründet Herrscher­geschenkes in die Demonstra­ (1696 –1763) in „mühsamer“, wie er worden), jedoch ist der dringliche Auf­ tion der sächsischen Überlegenheit in selbst schreibt, auch am Feierabend ge- trag des Königs an Kaendler vom Dezem­ Sachen Porzellan: Zunächst in das Japa­ leisteter Arbeit in der „Königlich- ber desselben Jahres unmittelbar verbun­ nische Palais überführt, werden die Polnischen und Kurfürstlich-Sächsischen den mit der politischen Großwetterlage, „Element­vasen“ zentrale Prunkstücke des Porzellan-Manufaktur“ auf der Albrechts­ unter der auch der Besuch des französi­ wohl seit den 1730er-Jahren eingerichte­ burg bei Meißen einen fünfteiligen schen Emissärs stand. Während Sachsen ten Porzellankabinetts im Turmzimmer Vasensatz zu modellieren, reizt er die versucht, zwischen Österreich, Preußen des Dresdener Residenzschlosses. Das technischen Möglichkeiten seines neuar­ und Frankreich seine Interessen durchzu­ Kabinett entstand aus dem anlässlich der tigen Werkstoffs mit fast schon halsbre­ setzen, erscheint August III. ein opulen­ Hochzeit Augusts mit Maria Josepha von cherischer Virtuosität aus. Denn die tes diplomatisches Geschenk an Ludwig Österreich (1699 –1757) im Jahr 1719 mythologisch-allegorischen Figuren der XV. opportun – eine Geste, die jedoch eingerichteten Silberbüffets. An die Stelle „Vier Elemente“, Feuer, Wasser, Luft und Erde, die im Relief sowie vollplastisch gearbeiteten Blüten, Tiere und andere Schmuckelemente, welche die Gefäßkör­ per umkränzen, an ihnen auf und ab turnen oder mit minimaler Befestigung am Gefäßrand schweben, scheinen der Schwerkraft und dem keineswegs schwe­ relosen Material zu trotzen. Der Bildhau­ erkunst am sächsischen Hof fügt Kaend­ ler – als Bildhauer ausgebildet – mit dem 1708 in Meißen erfundenen europäi­ schen Porzellan eine weitere Facette hinzu: Statt sich in Form und Dekor weitgehend auf die Imitation der ostasia­ tischen Vorbilder zu beschränken, geht er in seinen Entwürfen, vor allem bei den monumentalen „Elementvasen“, über solche Adaptionsleistungen weit hinaus. Im Meissener Porzellan gehen fürst­ Mit 84 cm die größte der liches Prestige, Politik, Merkantilismus, Präsentation der Elementvasen im Turmzimmer Elementvasen: die Prunk- die sächsische Bergbautradition, Hand­ des Dresdener Residenzschlosses, 1896 vase mit dem Reliefbildnis Ludwig XV., 1742

110 ARSPROTOTO 2 2019 111 des Silbers traten ostasiatische und Einzelobjekten, die sich durch minimale prosaische und doch revolutionäre Me­ Blick nimmt, den historischen Bestand Meißener Porzellangefäße, in einem Abweichungen voneinander unterschei­ thode des 3D-Drucks ein. Mit größter und die Verluste dokumentiert und die Raumensemble mit symmetrisch vor den, ihren ganz eigenen Reiz. Präzision wurde jedes Einzelteil der technologische Innovation des 18. Jahr­ rotlackierten Wandpaneelen angebrach­ 26 Ausformungen der „Element­ Applikationen, aber auch die neu ange­ hunderts ebenso würdigt wie die histo­ ten vergoldeten Konsolen. Da sich die vasen“ blieben erhalten, die nach der fertigten, fehlenden Füße und Deckel risch-politisch-ästhetische Komplexität zentrale Installation der „Elementvasen“ Auslagerung im Zweiten Weltkrieg auf abgeformt, aus Epoxidharz gegossen, einer Kunstform, deren Funktion nur an der Südwand des Raumes offenbar bis Grund von Beschädigungen nicht mehr bearbeitet und schließlich eingesetzt. scheinbar rein dekorativ ist. weit ins 19. Jahrhundert fast unverändert ausgestellt werden konnten. Nun gelang Als Vorbilder dienten neben historischen Dr. Stephanie Tasch ist Dezernentin der erhalten hatte, bietet eine Innenauf­ es mit einer Mischung traditioneller und Modellformen die Originale selbst sowie Kulturstiftung der Länder. nahme von 1896 einen guten Eindruck technisch avancierter Restaurierungs­ historische Fotos aus dem Archiv der der Inszenierung der weißen Porzellane techniken, 19 kostbaren Stücke pünkt­ Porzellansammlung. Bei größeren Fehl­ VIDEO mit ihren bewegten Umrissen vor dunk­ lich zur Wiedereröffnung der rekonstru­ stellen an den Ausgüssen zweier Kannen Die Restaurierung lem Hintergrund: Als Basis erscheint der ierten Paraderäume des Residenzschlosses wurde die Handarbeit durch 3D-Drucke der Elementvasen Satz der fünf Vasen und Kannen, flan­ und des Porzellankabinetts im Turm des ergänzt, ebenfalls aus Kunststoff mit Sehen Sie zehn Videos zur Historie des Porzellan­ kiert und bis unter den Gewölbeansatz Schlosses der Öffentlichkeit zurückzu­ Nanokeramikpartikeln. Bei der Retusche kabinetts und den Vasen im Dresdner Residenz- überragt von symmetrisch arrangierten geben. Neben der Reinigung der Ober­ ließ man die Ansatzstellen bewusst sicht­ schloss unter www.kulturstiftung.de/ Einzelstücken. Seit dem 18. Jahrhundert flächen ging es vor allem um die Ergän­ bar stehen, um den Übergang zwischen meissener-elementvasen/ Rekonstruktion des Göttervaters Jupiter äußerten sich Augenzeugen immer wie­ zung von Applikationen sowie ganzen überliefertem Originalzustand und der für die Elementvase „Feuer“ der bewundernd über die Kostbarkeiten Füßen und Deckeln der Vasen. Einen Restaurierung transparent zu machen. Oben, v.l.n.r.: Elementvase „Feuer“, des Porzellankabinetts; für heutige Besu­ wichtigen Beitrag leistete zum einen die Zur Wiedereröffnung des Porzellan­ Elementvase „Erde“, als Kanne gestaltete cherinnen und Besucher und vor dem heutige staatliche Porzellan-Manufaktur kabinetts erscheint eine umfangreiche In der Restaurierungswerkstatt der Elementvase „Luft“ und als Kanne Hintergrund unserer Seherfahrung der mit Rückgriff auf ihr historisches For­ Publikation (siehe S. 96 in diesem Heft), gestaltete Elementvase „Wasser“ Porzellanmanufaktur Meissen Moderne hat diese Präsentation einer menarchiv. Zum andere setzte man in die sämtliche Facetten der Geschichte quasi-seriell gefertigten Gruppe von Dresden erstmals die vergleichsweise von Bauwerk und Ausstattung in den

112 ARSPROTOTO 2 2019 113 RESTAURIERUNGEN POMPEJI GERETTET Der Freundeskreis der Kulturstiftung der Länder unter­ stützte die Restaurierung von Oscar Begas’ Gemälde „Der Untergang Pompejis“ aus der Kunstsammlung der Berliner Akademie der Künste von Anna Schultz

ls Sohn des Berliner Hofmalers und „Flucht aus Pompeji“ produziert werden. Akademieprofessors Carl Joseph Begas brannte für den Stoff: Schon als A Begas d. Ä. war Oscar Begas Kind hatte er sich für Pompeji interessiert (1828 –1883) das künstlerische Talent in und Edward Bulwer-Lyttons historischen die Wiege gelegt worden: Für eine Kar­ Roman „The Last Days of Pompeii“ aus riere als Maler prädestiniert, betätigte er dem Englischen übersetzt. Das Thema sich schon als Kind aktiv im väterlichen bot zudem Gelegenheit, seine künstleri­ Atelier. Ab 1847 besuchte er regelmäßig schen Fähigkeiten anhand einer dynami­ die Akt- und Malklassen der Akademie. schen Komposition optimal zu präsen­ Gemeinsam mit seinem Vater unternahm tieren. Innerhalb der nächsten dreizehn er 1847 eine Reise nach Venedig und Wochen arbeitete er fieberhaft hinter Mailand. Rom, den Sehnsuchtsort und verschlossenen Türen in einem von der Anziehungspunkt für deutsche Künstler Akademie zur Verfügung gestellten des 19. Jahrhunderts, hatte der Vater Atelier an einem Gemälde, das all seine bereits besucht – der Filius kam zunächst früher entstandenen Werke in den Schat­ nicht in den Genuss. ten stellen sollte. Der Bildaufbau war Als 1852 von der Königlich Preußi­ gewollt kompliziert und vereinte sämtli­ schen Akademie der Künste der Staats­ che potenziellen Fallstricke für Maler, die preis für Geschichtsmaler ausgeschrieben Begas gekonnt umschiffte: Körperverdre­ wurde, der dem Gewinner ein dreijähri­ hungen und perspektivische Verkürzun­ ges Romstipendium in Aussicht stellte, gen, ein großes Spektrum an Posen und witterte der 24-Jährige seine Chance und exaltierter Mimik der Protagonisten, Porträtfoto von Oscar Begas aus dem Foto­album bewarb sich. Insgesamt zehn Konkurren­ flatternde Draperien verschiedener Tex­ „Deutsche Künstler“ des Vereins Berliner Künst- ten, Künstler die nicht älter als dreißig turen und ein komplexes Spiel von Hell ler, um 1860; Akademie der Künste, Berlin Jahre sein und an den Akademien in und Dunkel mit dem lavaspeienden Berlin, Düsseldorf oder Königsberg Vulkan als bildmächtigem Eyecatcher begehrte Preis verliehen. Bald darauf ausgebildet sein mussten, wurden zu dem – das alles löste der junge Künstler mit brach er in Richtung Italien auf. streng reglementierten Wettbewerbsver­ Bravour und technischer Finesse. Zwar war das Stipendium prestige­ fahren zugelassen. Die Teilnehmer muss­ Die Entwürfe der Konkurrenten trächtig, aber mit 500 Talern pro Jahr ten zunächst innerhalb von zwölf Stun­ sind nicht überliefert, aber mit zehn von nur mäßig vergütet – ehemalige Pensio­ den eine Kompositionsskizze zu einem siebzehn gültigen Stimmen der Senats­ näre hatten sich bereits bei der Akademie gesetzten Thema entwerfen und hatten mitglieder für das Gemälde mit der beschwert, dass von der Summe „Woh­ anschließend sechs Tage Zeit, um einen unten prominent aufgetragenen Start­ nung, Unterhalt und Modellkosten“ gemalten Akt anzufertigen. In der zwei­ nummer Sieben ging Begas souverän nicht zu bestreiten wären. In Abwesen­ ten Runde – für die sich fünf Teilnehmer als Sieger aus dem Wettbewerb hervor. heit von Oscar engagierte sich Begas qualifizierten – wurde die Hauptaufgabe Die Kunstsammlung der Akademie der senior, der sich während der Konkurrenz gestellt: Zunächst sollte eine Modell­ Künste übernahm das Gemälde in ihre dezent im Hintergrund gehalten halten skizze, dann eine großformatige, in Öl Sammlung – und am 15. Oktober, dem hatte, aktiv für die Belange seines Sohnes ausgeführte Komposition zum Thema Geburtstag des Königs, wurde Begas der und erwirkte schließlich eine Verkürzung Oscar Begas, Der Untergang Pompejis, 1852, 165,6 × 131,5 cm; Kunstsammlung der Akademie der Künste, Berlin 114 115 der Aufenthaltsdauer auf zwei Jahre bei Eine Zuwendung des Freundeskreises der volles Schlaglicht auf die „Concurrenz“ gleichhoher Zuwendung. Kulturstiftung der Länder ermöglichte des Jahres 1852 wirft und die Praxis der Die Akademie erwartete von ihren es, das Gemälde im Anschluss an die Romwettbewerbe vor Augen führt. Stipendiaten, dass diese die Zeit in Italien Ausstellung durch Barbara Haussmann Archivalien und Fotografien aus dem „gewissenhaft“ nutzten und nicht nur restaurieren zu lassen. Die Restaurierung Historischen Archiv der Akademie und fleißig an eigenen Werken arbeiten, gestaltete sich aufgrund der vielfältigen der Archivabteilung Bildende Kunst sondern auch die Schöpfungen der und gravierenden Schadbilder äußerst verorten das Werk in der Biografie des Antike und der alten Meister studierten komplex und ging mit einer detaillierten Künstlers, in der Akademiegeschichte und Skizzen anfertigten, die nach ihrer technischen Analyse und Dokumen­ und der Kunstszene des preußischen Rückkehr in die Heimat als Inspirations­ tation einher. Auch gelang es mit Hilfe Berlins. Die dramatische Historie des quellen dienen konnten. von Olaf Lemke, einen passenden anti­ Begas-Werkes fand somit ein Happy End. In Oscars Werken ist die Auseinan­ ken Rahmen für das Gemälde zu finden, Der Achill auf Heynachers preisge­ dersetzung mit italienischen Vorbildern der, von ihm selbst restauriert, das Werk kröntem Gemälde von 1787 wird bis auf evident. Bald zeigte sich zudem, wie sehr perfekt ergänzt. weiteres im Depot trauern müssen – er sich für die auch bei den kunstaffinen Ende September konnte das konser­ ebenfalls in einem doppelten Sinn: Denn Berlinern beliebten italienischen Sujets vierte Gemälde im Rahmen einer Abend­ wie so viele im Krieg stark beschädigte begeisterte. Für die Akademieausstellung veranstaltung am Pariser Platz mit einem Werke, die noch heute in deutschen 1854 sandte er drei Gemälde aus Rom Vortrag des Begas-Experten Wolfgang Museen eingelagert sind, wartet das nach Berlin: Ein Mädchen mit Orangen, Cortjaens erstmals im restaurierten Gemälde darauf, mithilfe einer Restaurie­ Landsleute aus der Gegend von Albano Zustand öffentlich präsentiert werden. rung zu neuer Schönheit erweckt und (Berlin, Alte Nationalgalerie) und eine Für die Kunstsammlung der Akademie der Öffentlichkeit zurückgegeben zu heute verschollene, wahrscheinlich im ist mit der Restaurierung nicht nur ein werden. Krieg zerstörte Kreuzabnahme, die bedeutendes Werk, sondern auch ein Johann Ludwig Jachtmann und Publikum und Jury begeisterte, dem anschauliches Stück Akademiegeschichte Akademie der Künste Christoph Carl Pfeuffer, Preismedaille der Königlich Preußischen Akademie Künstler die goldene Preismedaille zurückgekehrt: Sie hat ein Werk zurück­ Pariser Platz 4, 10117 Berlin www.adk.de der Künste, nach 1842; Münzkabinett einbrachte und seinen Erfolg manifes­ erhalten, das exemplarisch ein eindrucks­ der Staatlichen Museen zu Berlin tierte. Begas nutzte den Italienaufenthalt auch, um sich selbst vor Ort ein Bild von Pompeji und den Ausgrabungen zu machen. In einem Brief an seine Ver­ lobte Marie-Elise Beerend, der sich als Depositum im Begas-Haus in Heinsberg erhalten hat, beschreibt Begas seine Eindrücke: „Es hat einen eigenthüm­­ lichen Reiz, so klar in die jahrhunderte alte Vergangenheit zu blicken, den alten Römern so in das Innere ihrer Häuser zu gucken. Etwas Spielzeug artig kam Bildcollage aus Vorzustand, UV-Aufnahme und Endergebnis mir doch die ganze Stadt vor, alles ist so klein eingerichtet, Straßen, Läden, selbst Heynacher 1878 den Rompreis gewon­ invaliden Werke in die Akademie zurück. Tempel, daß es kaum aussieht wie für nen hatte – an die Berliner Staatsbiblio­ Eine erste Gelegenheit, Begas’ Gemälde ausgewachsene Menschen berechnet. thek als Wandschmuck für die Dienst­ nach 90 Jahren wieder öffentlich zu Ich nun ganz besonders hätte nicht in wohnung des Generaldirektors. Während zeigen, bot sich 2018 im Rahmen der Pompeji wohnen dürfen, ich hätte des Zweiten Weltkriegs wurden diese Ausstellung „Entfesselte Natur“ in der mir an jedem Thürbalken den Kopf Werke nicht zusammen mit den Bestän­ Hamburger Kunsthalle. Neben weiteren gestoßen.“ den der akademischen Kunstsammlung eindrucksvollen Darstellungen von Das Gewinnerbild überdauerte die ausgelagert. Sie verblieben in der Staats­ Vulkanausbrüchen und anderen (Natur-) nächsten Jahrzehnte in der Akademie, wo bibliothek, bis sie 1963 als Depositum Katastrophen wurde das Gemälde ohne es anderen Künstlern zu Studienzwecken an die Alte Nationalgalerie überwiesen Rahmen, unrestauriert, also mit Löchern, zur Verfügung stand. 1926 entlieh die wurden. Da die Gemälde durch Kriegs­ Kratzern, Farbverlusten und Sicherungs­ unter Raumnot leidende Akademie der einwirkung und Verlagerung schwer pflastern, präsentiert. In der Ausstellung Künste zwei repräsentative Gemälde – beschädigt waren, konnten sie nicht wirkte es als Sinnbild einer doppelten neben Begas’ Flucht aus Pompeji auch öffentlich präsentiert werden, sondern Katastrophe – der thematisch im Bild die großformatige Komposition „Achilles’ verschwanden für weitere vierzig Jahre präsenten und, sinnbildlich, der des Blick in das Depot der Akademie der Künste mit dem restaurierten Gemälde von Begas und Trauer um Patroklos“, mit der Franz im Depot. Erst 2008 kehrten die beiden Krieges. dem stark beschädigten Gemälde „Achilles’ Trauer um Patroklos“, 1887, von Franz Heynacher

116 ARSPROTOTO 2 2019 117 RESTAURIERUNGEN Buono oder einen anderen Künstler aus Überarbeitungen unabdingbar. Für die weise auf Form und Gestalt der origina­ dessen Umfeld handeln könnte. kunsthistorische Forschung waren die len Altararchitektur. Aufgrund der lokal Die linke Seitentafel mit der Darstel­ Ergebnisse der Freilegung des Originals sehr unterschiedlichen Erhaltungszu­ lung des Apostelfürsten Petrus befand besonders spannend. Trotz teilweise stände der originalen Oberflächen wurde MARIEN­ sich vor der Restaurierung in einem sehr starker Verputzungen konnte nach der bei der Integration von Fehlstellen und schlechten Erhaltungszustand und war Abnahme von Retuschen und Überma­ Verputzungen eine sehr zurückhaltende KRÖNUNG AUF seit langer Zeit nicht mehr Bestandteil lung besonders im Inkarnat die Hand­ Form der Retusche ausgeführt. der ständigen Ausstellung des Museums. schrift des Malers neu interpretiert wer­ Es ist geplant, die beiden anderen Die Malerei war durch verbräunte Firnis­ den. Wesentliche Veränderungen gab es Tafeln des Triptychons ebenfalls zu NEAPOLITANISCH schichten sowie grobe, farbveränderte auch im Bildhintergrund. Hier konnte restaurieren und nach der Freilegung aller Retuschen und großflächige Übermalun­ eine grüne Fläche mit reichen Pflanzen­ drei Gemälde über Form und Ausmaß Durch die Unterstützung gen stark beeinträchtigt. Mit der Verän­ darstellungen freigelegt werden. Am der abschließenden Retusche zu entschei­ des Freundeskreises der Kultur­ derung des originalen Bildformates durch rechten Bildrand kam überraschend die den. Das restaurierte Triptychon soll Teil stiftung der Länder konnte seitliche Holzergänzungen wurde auch Darstellung einer betenden Stifterfigur der neuen Präsentation der frühitalieni­ die Hintergrundmalerei flächig überar­ zum Vorschein, deren Inkarnat aber schen Malerei des Lindenau-Museums ein neapolitanisches Triptychon beitet. Ziel der Konservierung und leider verloren gegangen ist. werden, das ab 2020 umfänglich saniert aus dem Lindenau-Museum Restaurierung war es, durch die Ab­ Die Neuformulierung des Mantels und bedeutend erweitert wird. Die nahme der späteren malerischen Ergän­ des Apostels, die im 19. Jahrhundert Neueröffnung ist für 2023 geplant. Altenburg restauriert werden zungen, verdunkelten Firnisse und Re­ durch eine flächige Übermalung im Johannes Schaefer ist Diplom-Restaurator von Johannes Schaefer tuschen sowie der Rückführung des damals üblichen Stil vollzogen wurde, in Altenburg. Formates auf seine ursprüngliche Größe konnte rückgeführt werden. Der Mantel ein authentisches Bild des überlieferten zeigt nun wieder seine differenzierte Lindenau-Museum Altenburg Originals in der neuen Dauerausstellung Farbigkeit und feine Abstufung von Licht Gabelentzstraße 5, 04600 Altenburg Telefon 03447- 89553 as von dem Astronomen, Politiker präsentieren zu können. und Schatten bei der Modulation der Öffnungszeiten Di – Fr 12 –18 Uhr, und Mäzen Bernhard August von Als erstes mussten aufstehende Gewandfalten. Durch die Abnahme der Sa, So, Feiertage 10 –18 Uhr DLindenau (1779 –1854) gegründete Malschichtschollen, fragile Bildränder späteren Holzergänzungen und Hinter­ www.lindenau-museum.de Museum im ostthüringischen Altenburg sowie sich trennende Malschichten grundübermalungen an der rechten und ist weltberühmt durch seine 180 Werke konsolidiert werden. Für eine dauerhafte linken Bildseite konnten originale Mal­ zählende Sammlung früher italienischer Malschichtkonsolidierung, aber vor allem kanten sowie der exakte Verlauf des Tafelmalerei, die als eine der größten für die Verbesserung des Erscheinungs­ Vielpasses am oberen Abschluss definiert außerhalb Italiens gilt. Der Freundeskreis bildes war die Abnahme der späteren werden. Dies wiederum gibt uns Hin­ der Kulturstiftung der Länder ermög­ lichte dort jetzt die umfangreiche Kon­ servierung und Restaurierung zunächst der linken Seitentafel eines neapolitani­ schen Triptychons – mit überraschenden und spannenden Ergebnissen. Die drei zusammengehörigen Tafeln zeigen auf dem zentralen Bildfeld eine Marienkrönung mit den Figuren Gott­ vaters, Christus’ und der Taube des Heiligen Geistes. Auf dem linken Flügel ist der Apostel Petrus ganzfigurig wieder­ gegeben, auf dem rechten Paulus. Das Triptychon besticht vor allem durch die kostbare Goldbrokatmusterung der Gewänder im Hauptbild. Entstanden ist es in Neapel am Hof von Ferrante d’Aragona, und zwar im Oktober 1488, wie eine Inschrift auf dem geöffneten Buch in der linken Hand von Paulus verrät. Dort gibt auch ein Monogramm (TER oder PETR) Auskunft über den Linke Seitentafel des Triptychons mit der Darstellung des heiligen Petrus Autor, bei dem es sich vielleicht um den im Vorzustand; Mitteltafel mit der Darstellung der Marienkrönung; aus Salerno stammenden Maler Pietro rechte Seitentafel mit der Darstellung des Heiligen Paulus

Gesamtansicht der Altartafel nach Integration der Fehlstellen ARSPROTOTO 2 2019 119 durch eine zurückhaltende Retusche Seite 14: Robert Schumann, Seite 17: Lucchesischer Meister, Seite 89: Kaiser und Sultan – Nach- IMPRESSUM MULTIMEDIA INHALTE BILDNACHWEIS FÖRDERER Szenen aus Goethes ‚Faust‘ in der Thronende Madonna mit Kind, barn in der Mitte Europas 1600 – Handschrift des Komponisten um 1260/70 1700, Badisches Landesmuseum, In dieser Arsprototo-Ausgabe finden Sie unter Titel: © Staatliche Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz Skulpturen- Arsprototo sammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Foto: Archiv SBM; S. 3: © (2. Fassung), Klavierauszug, 1853 Kulturstiftung der Länder, Ernst von Schloss Karlsruhe zahlreichen Artikeln QR-Codes. Diese können Foto: Götz Schleser; S. 4 o.l.: © Foto: privat; S. 4 u.l.: © Foto: Hans-Georg ERWERBUNGEN, Das Magazin der Kulturstiftung der Länder Kulturstiftung der Länder, die Be­ Siemens Kunststiftung Kulturstiftung der Länder, Ministeri­ Sie mithilfe Ihrer Smartphones einlesen oder Moek; S. 4 m.: © Foto: Wolfgang Eilmes; S. 4 o.r.: © Foto: Simon Turner; S. 5 Lützowplatz 9, 10785 Berlin o.: © Schloss Wernigerode GmbH; S. 5 u.: © Bundesarchiv, Bild 183-B26930 auftragte der Bundesregierung für um für Wissenschaft, Forschung und den Web-Links neben den Codes folgen. AUSSTELLUNGEN Telefon 030 - 89 36 35-0 Fax 030 - 8914251 / Foto: Georg Schmidt-Scheeder; S. 6 o.: © Staatliche Museen zu Berlin Kultur und Medien, Hessische Kul­ Kunst Baden-Württemberg, Karlsru­ Redaktion 030 - 89 36 35-27 Öffnen Sie auf Ihrem Smartphone die Foto- Preußischer Kulturbesitz Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst / Foto: M. Herrschaft, SBM; S. 6 u.: © Museum für Angewandte Kunst turstiftung, Fritz Thyssen Stiftung, her Verkehrsverbund, Sparkassenver­ E-Mail Funktion und richten Sie diese auf die schwarze UND RESTAURIE­ ­- [email protected] Gera / Foto: Aenne Biermann; S. 7 o.: © Städtische Galerie im Lenbachhaus Rudolf-August Oetker-Stiftung, band Baden-Württemberg Internet Abbildung. Dann öffnet sich in Ihrem Browser und Kunstbau München, Foto: Lenbachhaus; S. 7 m.: © Foto: Ralf Rühmeier www.kulturstiftung.de Erich und Amanda Kress-Stiftung, eine Webseite mit den weiteren Inhalten. / KMK; S. 7 u.: © Sammlung Privatstiftung Esterhazy, Eisenstadt, Burg ­RUNGEN DEUTSCHER Forchenstein – Schatzkammer, Foto: Andreas Hafenscher; S. 9: © Museen Dr. Ilse Hoffmann-Meckenstock, Herausgeber Prof. Dr. Markus Hilgert, Alle multimedialen Inhalte finden Sie über­ Alte Bischofsburg, Wittstock a.d. Dosse; S. 10-11: © Staatliche Museen zu MUSEEN, BIBLIO­ Friedrich von Metzler, Ulrike und Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder Berlin, Kupferstichkabinett, Foto: Dietmar Katz; S. 12-13: © Rheinisches sichtlich aufgelistet auf der Webseite der Prof. Dr. Udo Ebert Leiter Kommunikation Bildarchiv, Köln, Foto: M. Mennicken; S. 14: © Freies Deutsches Hochstift Hans-Georg Moek Kultur­stiftung der Länder unter www.kultur- / Frankfurter Goethe-Museum, Foto: Axel Schneider; S. 15: © Schloss THEKEN UND Seite 58: Otto Dix, Bildnis der (V. i. S. d. P.) stiftung.de/arsprototo-media-19-2/ Wernigerode GmbH; S. 16 o.l.: © VG Bild-Kunst, Bonn 2019; S. 16 o.r.: © Kunsthändlerin Johanna Ey, 1924 Redaktionsleitung Carolin Hilker-Möll VG Bild-Kunst, Bonn 2019; S. 16 u.: © Staatliche Schlösser und Gärten oder über den unten­stehenden QR-Code: Baden-Württemberg, Foto: Andreas Friedrich; S. 17: © Wallraf-Richartz- ARCHIVE IN DIESEM Kulturstiftung der Länder, Land Redakteur Johannes Fellmann Museum & Fondation Corboud; S. 19: © The Gatchina State Palace and Park Nordrhein-Westfalen/Bezirksregie­ Wissenschaftliche Koordination Museum; S. 21: © Foto: Alexander Schmidt; S. 22: © Foto: Kunsthalle zu Kiel; S. 23: © Foto: Stefan Gloede; S. 24: © ullstein bild 7 Galli Max; S. 25 HEFT UND IHRE rung Düsseldorf, Ernst von Siemens Seite 92: Impressionismus in Dr. Stephanie Tasch o.: © Bundesarchiv, Bild 101I-352-1475-03 / Foto: Johannes Rompel; S. 25 u.: Kunststiftung, Gesellschaft der Leipzig 1900 –1914: Liebermann, Redaktionelle Mitarbeit Jennifer Scheibel, © Pskov State United Historical, Architectural and Art Reserve Museum; S. FÖRDERER Freunde der Kunstsammlung Nord­ Slevogt, Corinth Naomi Rado 26: © Deutsches Historisches Museum, Berlin; S. 27 o.: © bpk; S. 27 u.: © Bundesarchiv, Bild 101I-234-0924-25 / Foto: Kripgans; S. 28 o.: © bpk 7 Foto: Seite 14 –15: Konvolut Stolberg- rhein-Westfalen e.V. Kulturstiftung der Länder, Ernst Senior Editor Dieter E. Beuermann Herbert Hensky; S. 28 u.: © The Gatchina State Palace and Park Museum Wernigerode von Siemens Kunststiftung, Rudolf- Konzeption und Gestaltung Stan Hema mit S. 31: © Olaf Hamann, SBB-PK; S. 32: © Staatliche Museen zu Berlin Kulturstiftung der Länder, Ostdeut­ August Oetker-Stiftung Vladimir Llovet Casademont, www.stanhema.com Preußischer Kulturbesitz Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische ERWERBUNGEN Kunst, Foto: Archiv SBM; S. 34: © Staatliche Museen zu Berlin Preußischer sche Sparkassenstiftung gemeinsam Kulturbesitz Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Foto: Seite 9: Deckelterrine auf mit der Harzsparkasse, Gesell­ Abonnements Arsprototo – Abonnementservice, SOCIAL-MEDIA-KANÄLE Archiv SBM; Collage: Vladimir Llovet; S. 36: © Foto: Hans-Georg Moek; S. 37: ©Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst; Archivphoto; Présentoir für den Ruppiner schaft der Freunde des Schlosses Bessemerstraße 51, 12103 Berlin DER KULTURSTIFTUNG S. 38-42: © State Tretyakov Gallery, 2019; S. 44-45: © Foto: Hans-Georg Landrat Friedrich Wilhelm Wernigerode E-Mail [email protected] Moek; S. 46-47: © Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Foto: Maria von Schenckendorff, 1860 Telefon 030 - 89 36 35-36 Fax 030 - 26 55 56‑71 DER LÄNDER Thrun; S. 49: ©Hernandez für Behörde für Kultur und Medien; S. 52-57: © Foto: Stefan Gloede; S. 59: © VG Bild-Kunst, Bonn 2019; S. 60-61: © VG Erscheinungsweise zweimal jährlich Kulturstiftung der Länder, Stiftung Bild-Kunst, Bonn 2019; S. 62: © Galerie Remmert und Barth Düsseldorf; S. Seite 64: Konvolut von 28 Foto- Erscheinungstermin dieser Ausgabe: 12.12.2019 Sie finden alle Social-Media-Kanäle mit 63: © VG Bild-Kunst, Bonn 2019; S. 64-69: © Museum für Angewandte für den Landkreis Ostprignitz-Rup­ grafien, Aenne Biermann Gedruckte Auflage dieser Ausgabe: 16.500 Verlinkungen im Überblick unter Kunst Gera; S. 69 u.: © Klinkhardt & Biermann Verlag; S. 70: © SPK, Foto: pin, Ministerium für Wissenschaft, Stefan Müchler; S. 72: © Städtische Museen Hanau; S. 73 o.l.: © bpk / Foto: Kulturstiftung der Länder, Freistaat www.kulturstiftung.de/social-media- Atelier Bieber/Nather; S. 73 u.l.: © bpk / Foto: Friedrich Seidenstücker; S. 74: Forschung und Kultur des Landes RESTAURIERUNGEN Nachdruck von Bildern und Artikeln, ueberblick/ oder über den QR-Code: © Staatliche Museen zu Berlin; S. 75: © SPK, Foto: Stefan Müchler ; S. 76-77: Brandenburg Thüringen, Sparkassen-Kulturstif­ auch auszugsweise, nur mit schriftlicher © The Warburg Institute, London; S. 78-79: Foto: privat (Familienbesitz); S. tung Hessen-Thüringen Seite 110: Restaurierung der Genehmigung der Redaktion. 80-81 u.: ©Staatliche Kunsthalle Karlsruhe; S. 81 o.r.: © Städel Museum; S. Meissener Elementvasen von 82 o.l.: Gemeinfrei / Foto: Kunstmuseum Basel, Martin P. Bühler; S. 82 u.r.: ©Staatliche Kunsthalle Karlsruhe; S. 83: ©Staatliche Kunsthalle Karlsruhe; Seite 16: Gabriele Münter, Johann Joachim Kaendler, um 1742 Litho Mega-Satz-Service, Berlin S. 85: © Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Foto: Knabenkopf (Willi Blab), 1908 Kulturstiftung der Länder, Invest Ost Herstellung Buch- und Offsetdruckerei Lenbachhaus; S. 86 o.l.: © Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau H. Heenemann GmbH & Co., Berlin München, Foto: Lenbachhaus; S. 86 m.: © Alexej von Jawlensky-Archiv S.A., Kulturstiftung der Länder, Ernst Muralto; S. 87: © Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau Mün- Vertrieb OML KG, Berlin von Siemens Kunststiftung Twitter: @LaenderKultur chen, Foto: Lenbachhaus; S. 88: © Fondazione Marianne Werefkin, Museo ISSN 1860 - 3327 Comunale d'Arte Moderna, Ascona; S. 89 o.r.: © Historisches Museum Basel, Instagram: kulturstiftungderlaender Foto: M. Babey; S. 89 u.r.: © Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Seite 10: Adolph Menzel, Die Facebook: Kulturstiftung der Länder Elke Estel, Hans-Peter Klut; S. 90: © Staatliche Schlösser und Gärten Baden- Seite 71: August Gaul, Liegender Kulturstiftung der Länder Schlittschuh­läufer, 1855/1856 YouTube: Kulturstiftung der Länder Württemberg – Schloss Favorite bei Rastatt, Foto: Adi Bachinger; S. 91: © Löwe, 1903 Stiftung bürgerlichen Rechts Rüstkammer, Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Inv. Y 351 /Inv. Y 352; Kulturstiftung der Länder, die Be­ Kulturstiftung der Länder, die Be­ Lützowplatz 9, 10785 Berlin S. 92: © Museum der bildenden Künste Leipzig; S. 93: © National Gallery auftragte der Bundesregierung für Prague 2019; S. 94 o.r.: © Museum der bildenden Künste Leipzig; S. 94 u.l.: auftragte der Bundesregierung für Telefon 030 - 89 36 35-0 Fax 030 - 89 14 251 © Saarlandmuseum – Moderne Galerie, Stiftung Saarländischer Kulturbesitz; Kultur und Medien, Ernst von Sie­ Kultur und Medien Seite 114: Oscar Begas, E-Mail [email protected] S. 95: © Foto: Johannes Fellmann; S. 96: © bei den Verlagen; S. 98 o.l.: © mens Kunststiftung, Rudolf-August Staatliche Kunsthalle Karlsruhe; S. 98 u.l.: © 2019 Pechstein – Hamburg / Der Untergang Pompejis, 1852 Internet www.kulturstiftung.de DIE PODCASTS DER Oetker-Stiftung Tökendorf, Foto: Roman März; S. 98 u.m.: © Gemäldegalerie der Akademie Freundeskreis der Kulturstiftung Generalsekretär Prof. Dr. Markus Hilgert KULTURSTIFTUNG DER der bildenden Künste, Wien; S. 99 o.l.: © Staatliche Museen zu Berlin, Seite 16: Willi Baumeister, Skizze Nationalgalerie / Jörg P. Anders; S. 99 u.l.: © Phillis Umbehr / Galerie Kicken zu Figurenbild (Der Maler), 1923 der Länder Stellv. Generalsekretär Prof. Dr. Frank Druffner Berlin / VG Bild-Kunst, Bonn 2019; S. 99 o.r.: © Potsdam Museum, Foto: Dezernentinnen Dr. Britta Kaiser-Schuster, LÄNDER Michael Lüder; S. 99 u.r.: © The Estate of Yves Klein / VG Bild-Kunst, Bonn Kulturstiftung der Länder, Ernst Dr. Stephanie Tasch 2019, Foto: Paul Buchard / Brøndum & Co.; S. 100 u.l.: © David Hockney, © von Siemens Kunststiftung, Deut­ Förderungen, Initiativen, kulturpolitische Foto: Tate, London 2019; S. 100 u.m.: © Hamburger Kunsthalle / bpk, Foto: Leiter Kommunikation Hans-Georg Moek scher Sparkassen- und Giroverband, Debatten und Hintergründe. Elke Walford; S. 100 o.m.: © Hessisches Landesmuseum Darmstadt / VG Redaktionsleitung Arsprototo Carolin Hilker-Möll Bild-Kunst, Bonn 2019, Foto: Wolfgang Fuhrmannek, HLMD; S. 101 o.l.: © The Finanzgruppe Sparkassenverband Mitarbeiterin Kommunikation Jennifer Scheibel Estate of Sigmar Polke, Cologne / VG Bild-Kunst, Bonn 2019 Foto: © Städel Saar, Staatskanzlei des Saarlandes Museum; S. 101 u.l.: © Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen AUSSTELLUNGEN Leiter Verwaltung Ronny Günther Mecklenburg-Vorpommern; S. 101 u.m.: © C. Cordes, HAUM; S. 101 u.r.: © Seite 13: Alabasterreliefs mit Seite 85: Lebensmenschen. Finanzbuchhalterin Jana Dziakowski Von der Heydt-Museum Wuppertal; S. 102 u.l.: ©MRM; S. 102 u.m.: © Foto: der Verkün­digung an Maria, Musée Rodin – Christian Baraja; S. 102 o.r.: Foto: © Karl Lagerfeld; S. 102 Alexei von Jawlensky und Marian- Sekretariat Gabriele Lorenz, Monika Michalak um 1410 –1420 u.r.: © Porzellansammlung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: ne von Werefkin, Städtische Gale- Seite 118: Neapolitanisches Referentin des Vorstands Dr. Natascha Königs Adrian Sauer; S. 103 l.: © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Kulturstiftung der Länder, Ernst Sachsen-Anhalt, Foto: Juraj Lipták; S. 103 m.o.: © Rainer Fetting; S. 103 rie im Lenbachhaus und Kunstbau Triptychon, 1488 Hören, Abonnieren, Herunterladen! von Siemens Kunststiftung, Stadt m.u.: © Elina Brotherus; S. 103 o.r.: Dauerleihgabe der Ernst von Siemens München Freundeskreis der Kulturstiftung Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Hier finden Sie alle Podcasts und Plattformen Kunststiftung an die Klassik Stiftung Weimar, © unbekannt; S. 105, 107: Köln Kulturstiftung der Länder, Ernst der Länder Publikation überwiegend die männliche Form im Überblick: © Foto: Ralf Rühmeier / KMK; S. 109: © Foto: Julia Weber; S. 110: ©SKD, Kunstbibliothek, Andreas Diesend; S. 111: © Porzellansammlung, Staatliche von Siemens Kunststiftung in der Bezeichnung von Personen verwendet. Die Podigee: Kulturstiftung der Länder Kunstsammlungen Dresden, Foto: Adrian Sauer; S. 112-113 o.: © Porzellan- Bezeichnungen sind geschlechtsneutral zu verstehen. Spotify: Kulturstiftung der Länder sammlung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Adrian Sauer S. 112, Seite 16: Franz Conrad Link, iTunes: Kulturstiftung der Länder 113 u.l.: © Foto: Julia Weber; S. 114-117: © Akademie der Künste, Berlin; Konsoltisch, um 1770 außer: S. 116: © Akademie der Künste, Berlin / Foto: Barbara Haussmann; Kulturstiftung der Länder YouTube: Kulturstiftung der Länder S. 117 o.r.: © Münzkabinett, Staatliche Museen zu Berlin. Aufnahme durch (Podcast-Playlist) Karsten Dahmen; S. 118-119: © Lindenau-Museum Altenburg, Foto: Johannes Schaefer; Titelrückseite: S. 34: © Staatliche Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Foto: Archiv SBM; Collage: Vladimir Llovet

120 ARSPROTOTO 2 2019 121 FREUNDESKREIS Seit 20 Jahren wird die Kulturstiftung der Länder von einem bundesweiten Freundeskreis begleitet. Die diesjäh­ rige Mitgliederversammlung fand im Oktober auf Ein­ ladung des Ersten Bürgermeisters der Freien und Hanse­ DER FREUNDES­KREIS DER stadt Hamburg Dr. Peter Tschentscher statt. Rund 90 Mitglieder nahmen an der Versammlung in der Hamburger KULTURSTIFTUNG DER Kunsthalle und an dem begleitenden Kulturprogramm des Wochenendes teil, so u. a. an exklusiven Führungen durch LÄNDER FEIERTE SEIN das Museum für Kunst und Gewerbe und die Hamburger Kunsthalle sowie einem Empfang im Landhaus J. H. Baur 20-JÄHRIGES BESTEHEN durch die Hermann Reemtsma Stiftung. Mehr über die Aktivitäten und die Fördertätigkeit IN HAMBURG unseres Freundeskreises finden Sie unter www.kulturstif­ tung.de/freundeskreis und auf Seite 97 in diesem Heft.

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ZAHLEN UND FAKTEN ZUR KULTURSTIFTUNG DER LÄNDER IM ERSTEN HALBJAHR 2019 1. JANUAR —30. JUNI 2019

INHALT

2 GEZAHLTE FÖRDERMITTEL DER KULTURSTIFTUNG DER LÄNDER 5 INITIATIVEN DER KULTURSTIFTUNG DER LÄNDER 6 MITGLIEDER DES STIFTUNGSRATS 6 MITGLIEDER DES KURATORIUMS 7 GESCHÄFTSSTELLE DER KULTURSTIFTUNG DER LÄNDER 8 SATZUNG Kunstforum Ostdeutsche Galerie Sachsen GEZAHLTE ERWERBUNGS­ Regensburg (Regensburg) Sächsische Landesbibliothek – Alexander Kanoldt, Stillleben I Staats- und Universitätsbibliothek FÖRDERMITTEL FÖRDERUNGEN 60.000,00 Euro Dresden (Dresden) DER KULTUR­ UND WEITERE Martin von Wagner Museum der Carl Maria von Weber, Autographe Universität Würzburg (Würzburg) Reinschrift der Jubel-Kantate Op. 58 STIFTUNG DER AKTIVITÄTEN Bartolomeo Passerotti, Porträt 36.275,00 Euro Sebastiano Serlio LÄNDER AUSZAHLUNGEN IM ERSTEN Städtische Galerie Dresden 47.000,00 Euro HALBJAHR 2019 (Dresden) Brandenburg Kunstwerke aus ehemaliger Gemäß ihrem Satzungszweck (siehe Sammlung Familie Bienert Die Kreismuseen Alte Bischofsburg Seite 8) bewahrt und fördert die Berlin 69.000,00 Euro (Wittstock/Dosse) Kulturstiftung der Länder Kunst und Deutsches Historisches Museum Werkstatt Sy & Wagner, Silberne Staatliche Kunstsammlungen Kultur von nationaler Bedeutung (Berlin) Deckelterrine mit Présentoir Dresden (Dresden) – dazu zählen Erwerbungen, Ausstel- Georg Grosz, Cain or Hitler in Hell 14.166,66 Euro Giambologna, Mars lungen, Restaurierungen, die Förde- 100.000,00 Euro 575.000,00 Euro rung von Institutionen und weitere Hessen Baden-Württemberg Aktivitäten. Alle folgenden Angaben Sachsen-Anhalt Freies Deutsches Hochstift – beziehen sich auf die für das erste Linden-Museum (Stuttgart) Frankfurter Goethe-Museum Kunstmuseum Moritzburg Halle Halbjahr 2019 ausgezahlten Mittel. Sammlung japanischer Propaganda- (Frankfurt am Main) (Halle / Saale) Kimonos und -Textilien Robert Schumann, Faust-Skizzen Objekte aus der Sammlung 48.250,00 Euro 95.000,00 Euro Heinz Thormann Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 75.999,03 Euro GEZAHLTE FÖRDERMITTEL Museumslandschaft Hessen Kassel (Karlsruhe) ERSTES HALBJAHR 2019 (Kassel) Thüringen Karl Hofer, Selbstbildnis mit Dämonen Künstlerstammbuch für Wilhelm von 100.000,00 Euro Klassik Stiftung Weimar (Weimar) Auszahlungen für Blankenhagen Sammlung Burger zu Erwerbungs­förderungen und Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 23.000,00 Euro Friedrich Nietzsche weitere Aktivitäten (Karlsruhe) Mecklenburg-Vorpommern 325.000,00 Euro 2.212.569,19 Euro Zwei Altarflügel des Meisters von Meßkirch Universität Rostock (Rostock) Auszahlungen für 300.000,00 Euro Amerigo Vespucci, Epistola Albericij Ausstellungs­förderungen 63.000,00 Euro WEITERE AKTIVITÄTEN 559.400,00 Euro Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (Mannheim) Nordrhein-Westfalen Auszahlungen für Konsoltisch Frankenthal Deutsches Zentrum Kulturgut­ Förderungen von Institutionen BEGAS HAUS Museum für Kunst 13.000,00 Euro verluste (Magdeburg) 545.904,99 Euro und Regionalgeschichte Heinsberg 20 Jahre Washingtoner Prinzipien Völkerkundemuseum der Josefine & (Heinsberg) Auszahlungen für 9.000,00 Euro Eduard von Portheim-Stiftung Fünf Kunstwerke aus dem Nachlass Restaurierungsförderungen (Heidelberg) von Astrid Begas Freie Universität Berlin, Kunst­ 137.583,23 Euro Sammlung japanischer Propaganda- 4.500,00 Euro historisches Institut (Berlin)

Kimonos und -Textilien Mosse Art Research Initiative MARI 2 Pina Bausch Foundation (Wuppertal) 48.250,00 Euro 3.000,00 Euro Summe Ankauf von Videobändern ILLICID-Projekt 3.455.457,41 Euro Bayern (1975 –1993) des künstlerischen Werks von Pina Bausch Leitfaden für (politische) Akteure Antoniter-Museum und Strigel- 100.000,00 Euro 5.762,50 Euro Museum im Antonierhaus INTERVIEW IM PODCAST (Memmingen) Universitäts- und Landesbibliothek Die Kulturstiftung Bernhard Strigel, Johannes (ULB) Bonn (Bonn) der Länder stellt sich vor Cuspinian und seine Familie Bücherkonvolut aus dem vormaligen Gesamtsumme der gezahlten Bestand der ULB Bonn Erfahren Sie mehr über 80.000,00 Euro Fördermittel im Bereich die Stiftung, ihre Aufgaben 17.366,00 Euro Erwerbungsförderungen und und Förderungen im In- terview mit dem General­ weitere Aktivitäten im ersten sekretär Prof. Dr. Markus Halbjahr 2019 Hilgert unter www.kultur- stiftung.de/podcasts/ oder 2.212.569,19 Euro auf iTunes und Spotify

2 ZAHLEN UND FAKTEN ZUR KSL ARSPROTOTO 2 2019 3 AUSSTELLUNGS­ Sachsen-Anhalt FÖRDERUNGEN RESTAURIERUNGS- INITIATIVEN DER Gleimhaus – Museum der deutschen FÖRDERUNGEN Aufklärung (Halberstadt) VON FÖRDERUNGEN KULTURSTIFTUNG Scherz – die heitere Seite der AUSZAHLUNGEN IM ERSTEN Aufklärung. Ausstellung zum INSTITUTIONEN IM RAHMEN DES DER LÄNDER HALBJAHR 2019 300. Geburtstag Gleims 34.400,00 Euro AUSZAHLUNGEN IM ERSTEN BÜNDNISSES HALBJAHR 2019 Baden-Württemberg „KUNST AUF INITIATIVEN IM ERSTEN HALBJAHR 2019 ZKM | Zentrum für Kunst und Gesamtsumme der gezahlten Deutsche Akademie für Sprache LAGER“ Medien Karlsruhe (Karlsruhe) Fördermittel für Ausstellungen und Dichtung Kinder zum Olymp! Writing the History of the Future AUSZAHLUNGEN IM ERSTEN im ersten Halbjahr 2019 124.500,00 Euro 100.000,00 Euro HALBJAHR 2019 Deutsch-Russischer Museums- 559.400,00 Euro dialog Deutscher Bühnenverein, Theater- Bayern preis DER FAUST (für 2018) Baden-Württemberg Geschäftsstelle für das nationale 20.000,00 Euro Auswahlverfahren für die deutsche Bayerische Staatsgemälde­ Museum Weltkulturen (Mannheim) Kulturhauptstadt Europas 2025 sammlungen, Pinakotheken Barocker Hausaltar Deutscher Musikrat gemeinnützige im Auftrag der Kultusminister- (München) 16.698,56 Euro Projektgesellschaft mbH konferenz Van Dyck. Gemälde von 231.900,00 Euro Staatliches Museum für Naturkunde Anthonis van Dyck Bund-Länder-Stipendienprogramm: Karlsruhe (Karlsruhe) 100.000,00 Euro Organisation der Jurysitzungen zur Deutscher Übersetzerfonds e.V. Pilzbelege des ehemaligen Universitäts- Vergabe der Künstlerstipendien für 9.800,00 Euro herbariums der Universität Greifswald die Villa Massimo in Rom, die Brandenburg 12.400,00 Euro Deutsche Akademie Rom Casa Baldi, Deutscher Verein für Kunst­ Brandenburgische Gesellschaft für das Deutsche Studienzentrum wissenschaft e.V. Kultur und Geschichte (Potsdam) Brandenburg Venedig sowie die Cité Internationale 12.388,33 Euro fontane.200/Brandenburg – Bilder des Arts Paris Filmmuseum Potsdam, Institut der und Geschichten Koordinierungsstelle für die Filmuniversität Babelsberg (Potsdam) Restaurierungsbündnis „Kunst 75.000,00 Euro Erhaltung des schriftlichen Hofkleid Zarah Leanders auf Lager“ ­Kulturguts 5.000,00 Euro Hessen 25.000,00 Euro WEITERE PROJEKTE Museum Wiesbaden (Wiesbaden) Niedersachsen Sektion Bundesrepublik Deutschland Lebensmenschen. Alexej von Jawlensky Schriftenreihe PATRIMONIA der internationalen Gesellschaft der Landesmuseum Oldenburg und Marianne von Werefkin bildenden Künste e.V. (Oldenburg) Magazin Arsprototo 50.000,00 Euro 34.650,00 Euro Jacopo Palma il Giovane, Städelsches Kunstinstitut und „Fürbitte der Heiligen“ Städtische Galerie (Frankfurt am Stiftung TANZ – Transition 23.484,67 Euro Main) Zentrum Deutschland

Victor Vasarely. Im Labyrinth der Nordrhein-Westfalen Moderne Zentrum Bundesrepublik 100.000,00 Euro Deutschland des Internationalen Erzbischöfliches Diözesanmuseum Theaterinstituts e.V. und Domschatzkammer (Paderborn)

87.666,66 Euro Lettner des Paderborner Doms Niedersachsen 80.000,00 Euro Landesmuseum Hannover und Braunschweigisches Landesmuseum Gesamtsumme der gezahlten (Hannover, Braunschweig) Fördermittel für Förderungen Saxones. Eine neue Geschichte der Gesamtsumme der gezahlten von Institutionen im ersten alten Sachsen Fördermittel für Restaurierungen Halbjahr 2019 100.000,00 Euro im ersten Halbjahr 2019 545.904,99 Euro 137.583,23 Euro

4 ZAHLEN UND FAKTEN ZUR KSL ARSPROTOTO 2 2019 5 Rheinland-Pfalz Sachverständige PROJEKTE DER KULTUR- MITGLIEDER DES Staatsminister Prof. Dr. Konrad Wolf MITGLIEDER DES GESCHÄFTS- Prof. Dr. Hartmut Dorgerloh STIFTUNG DER LÄNDER STIFTUNGSRATS Saarland KURATORIUMS Generalintendant des Humboldt STELLE DER Minister Ulrich Commerçon Forums im Berliner Schloss STAND: 30. JUNI 2019 STAND: 6. MAI 2019, JÜNGSTE KULTURSTIFTUNG Bildungsinitiative „Kinder Sachsen KURATORIUMSSITZUNG Dr. Hans-Georg Küppers zum Olymp!“ Staatsministerin Kulturreferent der Stadt München DER LÄNDER Dr. Margarete Schweizer Der Stiftungsrat entscheidet über alle Dr. Eva-Maria Stange und Vorsitzender des Kulturausschusses Projektleiterin Förderungen, die die beantragte Das Gremium aus Sachverständigen des Deutschen Städtetages STAND: 30. JUNI 2019 Sachsen-Anhalt Summe von 100.000 Euro über- und Förderern diskutiert alle Anträge Daniela Obkircher Staatsminister Rainer Robra Prof. Dr. Pia Müller-Tamm schreiten. Außerdem beschließt er die mit einer Fördersumme von über Kongressmanagerin Direktorin der Staatlichen Kunsthalle Ausstellungsförderungen der Kultur- Schleswig-Holstein 100.000 Euro. Seine Empfehlung zu Vorstand Karlsruhe Nora Landsberg stiftung der Länder und diskutiert Ministerin Karin Prien Förderung oder Ablehnung gibt das Prof. Dr. Markus Hilgert Projektassistentin alle wichtigen Projekte der Stiftung. Kuratorium an den Stiftungsrat. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Thüringen Generalsekretär Er besteht aus jeweils einem Mitglied Das Kuratorium besteht aus bis zu Parzinger Staatssekretärin Dr. Babette Winter der Landesregierungen der an der 15 Förderern und bis zu 15 Sachver- Stiftung Preußischer Kulturbesitz Prof. Dr. Frank Druffner Kulturhauptstadt Europas 2025 Stiftung beteiligten Länder sowie ein Auswärtiges Amt ständigen, die Mitglieder werden auf Stellvertretender Generalsekretär Peter Riegelbauer Linda Lücke bis zwei Mitgliedern der Bundesre- Staatssekretärin Antje Leendertse fünf Jahre berufen. Die Sitzungen des Geschäftsführung der Karajan- Dezernentinnen Projektkoordinatorin gierung. Den Vorsitz des Stiftungs- Kuratoriums gehen den Sitzungen Beauftragte der Bundesregierung Akademie der Berliner rats hat die Regierungschefin oder des Stiftungsrates voraus. Die Mit- Dr. Britta Kaiser-Schuster Mirco Drewes für Kultur und Medien Philharmoniker e.V. der Regierungschef des Landes inne, glieder des Gremiums zum Zeit- Dezernentin, Projektleiterin Deutsch- Projektassistent Staatsministerin das jeweils den Vorsitz in der punkt des 6. Mai 2019 waren: Andreas Schmid Russischer Museumsdialog Prof. Monika Grütters Minis­terpräsidentenkonferenz führt Bildender Künstler Dr. Heribald Närger (†) Dr. Stephanie Tasch (kursiv herausgehoben). Der Ehrenvorsitzender des Kuratoriums Hortensia Völckers Dezernentin, Redaktionsleiterin Stiftungs­rat tritt zweimal im Jahr Künstlerische Direktorin der Patrimonia, Wissenschaftliche zusammen. Vorsitz Kulturstiftung des Bundes Koordination Arsprototo Prof. Dr. Rolf-E. Breuer Verwaltung Baden-Württemberg Vorsitzender des Kuratoriums Ministerin Theresia Bauer Ronny Günther Dr. Werner Müller (†) Leiter der Verwaltung Bayern Stellvertretender Vorsitzender Staatsminister Bernd Sibler Jana Dziakowski des Kuratoriums Finanzbuchhalterin Berlin

Bürgermeister und Senator Ljuba Popkova Förderer Dr. Klaus Lederer Kaufmännische Mitarbeiterin Hubertus von Baumbach Brandenburg Vorstandsassistenz und Sekretariat Ministerin Dr. Martina Münch Volker Doppelfeld Jenny Berg Bremen Dr. Thomas Lange Referentin des Vorstands Präsident des Senats und Bürger­ Dr. Nicola Leibinger-Kammüller Gabriele Lorenz meister Dr. Carsten Sieling Assistentin des Vorstands Andreas de Maiziére Hamburg Monika Michalak Präsident des Senats und Erster Bürger- Christopher Freiherr von Sekretärin des Vorstands meister Dr. Peter Tschentscher Oppenheim Kommunikation und Presse Hessen Dr. Florian Schilling Staatsministerin Bettina Martin Hans-Georg Moek Georg Graf Waldersee Leiter Kommunikation Mecklenburg-Vorpommern Ministerin Birgit Hesse Carolin Hilker-Möll Redaktionsleiterin Arsprototo Niedersachsen Minister Björn Thümler Jennifer Scheibel Mitarbeiterin Kommunikation Nordrhein-Westfalen Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen

6 ZAHLEN UND FAKTEN ZUR KSL ARSPROTOTO 2 2019 7 von insgesamt mindestens 10 Millio- 2. die Förderung von und die § 4 SATZUNG DER nen DM bleibt erhalten. Mitwirkung bei Vorhaben der Doku- MITTEL DER STIFTUNG Das Abkommen kann von mentation und Präsentation deut- KULTURSTIFTUNG jedem Land durch schriftliche Er- scher Kunst und Kultur, z. B. durch (1) Das Stiftungsvermögen besteht DER LÄNDER klärung gegenüber den übrigen die Unterstützung von Ausstellungs- nach dem Stande vom 1. Oktober Ländern zum Schluss eines Kalender- vorhaben, Restaurierungsprojekten, 1991 aus Wertpapieren und Barmit- STAND: APRIL 2017 jahres mit einer Frist von 2 Jahren die Herausgabe von Publikationen teln im Gesamtwert von rd. 500.000 gekündigt werden, erstmals zum 31. eigener Förderungen; es werden nur DM sowie aus der Geschäftsausstat- Dezember 1997. Zum Zeitpunkt der Projekte bzw. kulturelle Einrich- tung. Zusätzlich zum Stiftungsver- ABKOMMEN ZUR ERRICH­ Aufhebung der Stiftung bestehende tungen unterstützt, die entweder mögen kann ein Sondervermögen TUNG DER KULTURSTIFTUNG vertragliche Verpflichtungen zur auch gemeinnützig oder Körperschaf- gebildet werden, das ausschließlich DER LÄNDER Versorgung von Mitgliedern des ten des öffentlichen Rechts sind für die Vergabe von Darlehen zur Vorstandes der Stiftung werden von (§ 58 Nr. 2 AO); Erfüllung satzungsgemäßer Aufgaben vom 4. Juni 1987, in der Fassung den Ländern nach dem Königsteiner 3. die Förderung zeitgenössischer genutzt werden darf. Über die vom 25. Oktober 1991 *) Schlüssel getragen. Formen und Entwicklungen von Bildung und die Auflösung dieses Die Bundesrepublik Deutsch- besonderer Bedeutung auf dem Sondervermögens entscheidet der I. land (Bund) kann nach Maßgabe Gebiet von Kunst und Kultur, z. B. Stiftungsrat. eines mit den Ländern zu schlie- durch die Unterstützung von Preis- (2) Die Stiftung erhält zur Erfüllung Die Länder Baden-Württemberg, ßenden Abkommens an der Stiftung vergaben; ihrer Aufgaben Mittel der Länder Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, mitwirken. 4. die Förderung von überregional nach Maßgabe des Abkommens zur Hessen, Niedersachsen, Nordrhein- und international bedeutsamen Errichtung der Kulturstiftung der Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland II. Kunst- und Kulturvorhaben, z. B. Länder in der jeweils geltenden und Schleswig-Holstein errichten zur durch die Unterstützung von den Die Stiftung erhält folgende Satzung: Fassung. Förderung und Bewahrung von Ländern ausgewählter kultureller Kunst und Kultur nationalen Ranges Einrichtungen; es werden nur Pro- (3) Die Stiftung kann Zuwen- mit Wirkung vom 1. Januar 1988 die § 1 jekte bzw. kulturelle Einrichtungen dungen des Bundes erhalten. „Kulturstiftung der Länder“. unterstützt, die entweder auch NAME, SITZ, RECHTSFORM (4) Die Stiftung soll sich um einma- Die vertragschließenden Länder gemeinnützig oder Körperschaften lige und laufende Zuwendungen verpflichten sich zur Beteiligung an (1) Die Stiftung führt die Bezeich- des öffentlichen Rechts sind Dritter bemühen. der Kulturstiftung der Länder nach nung „Kulturstiftung der Länder“. (§ 58 Nr. 2 AO). Maßgabe der in Abschnitt II verein- (5) Die Stiftung kann durch einen (2) Sie ist eine rechtsfähige Stiftung (3) Die Kulturstiftung verfolgt barten Satzung. Die Länder Branden­ Förderverein unterstützt werden. des bürgerlichen Rechts und hat ausschließlich und unmittelbar burg, Mecklenburg-Vorpommern, ihren Sitz in Berlin. gemeinnützige Zwecke im Sinne (6) Zur Erfüllung des Stiftungs- Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thü- des Abschnitts „Steuerbegünstigte zweckes dürfen nur die Erträge des ringen sind bis zum 31. Dezember ­Zwecke“ der Abgabenordnung. Sie Stiftungsvermögens sowie die jähr- 1994 von der Zahlung von Mitteln § 2 ist selbstlos tätig und verfolgt nicht lichen Mittel der Länder und Spen- für die Stiftung befreit. Die übrigen in erster Linie eigenwirtschaftliche den Dritter herangezogen werden, Länder entrichten nach Maßgabe der STIFTUNGSZWECK Zwecke. soweit die Mittel nicht als Zustif- jeweils geltenden Haushaltsgesetze an (1) Zweck der Stiftung ist die tungen zur Vermehrung des Stif- die Kultur­stiftung der Länder die Förderung und Bewahrung von tungsvermögens bestimmt sind. Mittel der gemeinsamen Finanzie- Kunst und Kultur nationalen Ranges. § 3 rungen (vgl. Teil II der Liste der REGIONALE (7) Die Mittel der Stiftung dürfen Vorhaben gem. § 2 Abs. 2 Nr. 4 der (2) Der Stiftungszweck wird insbe- AUSGEWOGENHEIT nur für satzungsgemäße Zwecke Stiftungssatzung) und jährlich sondere verwirklicht durch verwendet werden. Es darf keine mindestens 10 Millionen DM für die Bei der Förderung von Kunst und Person durch Ausgaben, die dem Durchführung laufender Aufgaben. 1. die Förderung des Erwerbs für Kultur durch die Stiftung soll eine Stiftungszweck fremd sind, oder Die Anteile der einzelnen Länder die deutsche Kultur besonders regionale Ausgewogenheit angestrebt durch unverhältnismäßig hohe werden nach dem Königsteiner wichtiger und bewahrungswürdiger werden; dies gilt nicht für die Ver- Vergütungen begünstigt werden. Schlüssel ermittelt. Die Länder Kulturgüter, vor allem wenn deren wirklichung des Stiftungszwecks (8) Den durch die Stiftung Begün- können auch das Stiftungsvermögen Abwanderung ins Ausland verhindert nach § 2 Abs. (2) Nr. 2. stigten steht aufgrund dieser Satzung durch Zustiftungen aufstocken. Für werden soll oder wenn sie aus dem ein Rechtsanspruch auf Leistungen die Zeit ab 1. Januar 1995 sind die Ausland zurückerworben werden nicht zu. Mittel und die jeweiligen Anteile der sollen, z. B. durch finanzielle und/

Länder neu festzulegen; die Zah- oder ideelle Unterstützung gemein- lungsverpflichtung der an der Errich- nütziger und öffentlich zugänglicher tung der Stiftung beteiligten Länder kultureller Einrichtungen;

8 ZAHLEN UND FAKTEN ZUR KSL ARSPROTOTO 2 2019 9 § 5 (6) Der Stiftungsrat entscheidet erhalten, die vom Stiftungsrat festge- § 11 lungen über die Einnahmen und *) Abschnitt I geändert durch Artikel II STIFTUNGSORGANE über die Aufstellung des Wirtschafts- legt wird. Sie haben darüber hinaus AUSGLEICH DER Ausgaben der Stiftung und über ihr des Abkommens über den Beitritt der planes. Anspruch auf Ersatz der aus dienst- ZUWENDUNGEN Vermögen durch einen öffentlich Länder Brandenburg, Mecklenburg- Organe der Kulturstiftung sind licher Veranlassung entstandenen bestellten Wirtschaftsprüfer oder eine Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt (7) Der Stiftungsrat erlässt eine notwendigen Ausgaben. anerkannte Wirtschaftsprüfungsge- und Thüringen vom 25. Oktober 1. der Stiftungsrat, Geschäftsordnung für die Stiftung. Soweit Mittel der Stiftung für den sellschaft prüfen zu lassen. 1991, zum Abkommen zur Errichtung 2. der Vorstand, Erwerb besonders wichtiger und der Kulturstiftung der Länder vom 4. 3. das Kuratorium. § 9 § 14 bewahrungswürdiger Zeugnisse Juni 1987 und zur Änderung dieses § 7 KURATORIUM deutscher Kultur aufgewendet RUHEN DES STIMMRECHTS Abkommens: der zweite Absatz wurde § 6 BESCHLUSSFASSUNG DES werden, ist ein angemessener Aus- UND DES VORSITZES IM neugefasst, der dritte Absatz wurde STIFTUNGSRAT STIFTUNGSRATES (1) Das Kuratorium besteht aus bis gleich zwischen den Ländern durch STIFTUNGSRAT eingefügt, und der ursprüngliche dritte zu 15 Förderern und bis zu 15 Sach- den Einsatz von Erwerbungsmitteln wurde zum vierten Absatz. (1) Der Stiftungsrat besteht aus (1) Der Stiftungsrat entscheidet verständigen. anzustreben. (1) Solange ein Land mit Ausnahme jeweils einem Mitglied der Landes­ einstimmig. Jedes Mitglied des der Mittel der gemeinsamen Finan- Satzung vom 4. Juni 1987, genehmigt (2) Die Mitglieder des Kuratoriums regierungen der an der Stiftung Stiftungsrates mit Stimmrecht hat zierungen (vgl. Teil II der Liste der am 17. November 1987; geändert am werden vom Stiftungsrat auf 5 Jahre § 12 be­teiligten Länder sowie ein bis zwei eine Stimme. Vorhaben gemäß § 2 Abs. (2) Nr. 4.) 12. Juni 1992 durch Beschluss des berufen; Wiederberufung ist zulässig. Mitgliedern der Bundesregierung. AUFHEBUNG DER STIFTUNG keine Zahlungen nach Abschnitt I Stiftungsrates – Änderungen in §§ 4, 7 (2) Beschlüsse gemäß §§ 2 Abs. 2 Die Mitglieder des Kuratoriums Diese kann auch Staatssekretäre/ des Abkommens über die Errichtung und 14 –, genehmigt am 28. August Nr. 1 bis 3, 12 und über Änderungen können aus wichtigem Grunde ab- Staatssekretärinnen als Mitglieder (1) Die Kulturstiftung soll vom der Kulturstiftung der Länder an die 1992; geändert am 24. Juni 1994 dieser Satzung bedürfen nur der berufen werden. bestellen. Vertretung ist zulässig. Stiftungsrat aufgehoben werden, Stiftung entrichtet, ruht das Stimm- durch Beschluss des Stiftungsrates Stimmen der Mitglieder der Länder. (3) Das Kuratorium kann zur wenn mindestens sechs Länder das recht des von diesem Land bestellten – Ergänzung des § 4 –, genehmigt am (2) An den Sitzungen des Stiftungs- (3) Beschlüsse können auch außer- Erfüllung einzelner Aufgaben auch Abkommen über die Errichtung der Mitgliedes des Stiftungsrates im 7. September 1994; geändert am 5. rates können die Mitglieder des halb von Sitzungen gefasst werden, Nichtmitglieder beratend hinzu- Kulturstiftung gekündigt haben, die Stiftungsrat. Führt dieses Land Dezember 1997 durch Beschluss des Vorstandes sowie die oder der Kura- wenn sich alle stimmberechtigten ziehen. Kündigung des sechsten Landes während dieser Zeit den Vorsitz in Stiftungsrates – Änderung in § 11 –, toriumsvorsitzende und deren oder Mitglieder daran schriftlich beteili- wirksam geworden ist und die der Ministerpräsidentenkonferenz, genehmigt am 23. Juli 1998; geändert dessen Stellvertreterin oder Stellver- (4) Das Kuratorium wählt die gen. Die Beschlussfassung erfolgt verbleibenden Mittel die weitere verlängert sich die Amtszeit der oder am 11. Dezember 1998 durch Be- treter beratend teilnehmen. Vorsitzende oder den Vorsitzenden einstimmig. Bei mehr als drei Stimm- nachhaltige Erfüllung des Stiftungs- des bisherigen Vorsitzenden und der schluss des Stiftungsrates – Berücksich- und eine Stellvertreterin oder einen (3) Den Vorsitz des Stiftungsrates enthaltungen kommt kein Beschluss zwecks nicht mehr sicherstellen. oder des stellvertretenden Vorsitzen- tigung der Feminin-Formen in den Stellvertreter. hat die Regierungschefin oder der zustande. den des Stiftungsrates (§ 6 Abs. (3)) entsprechenden Passagen der Satzung (2) Bei Aufhebung der Stiftung oder Regierungschef des Landes inne, das (5) Das Kuratorium fasst seine um den entsprechenden Zeitraum. –, genehmigt am 9. April 1999; bei Wegfall steuerbegünstigter den Vorsitz in der Ministerpräsiden- § 8 Beschlüsse mit der Mehrheit der geändert am 16. Juni 2000 durch Zwecke fällt das Vermögen an die (2) Absatz (1) findet auf die Länder tenkonferenz führt; sie oder er kann abgegebenen Stimmen. Es ist be- Beschluss des Stiftungsrates – Änderung VORSTAND Länder Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vor- sich durch ein anderes Mitglied der schlussfähig, wenn die Hälfte der des § 9 Abs. 1, Zusammensetzung des Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, pommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt Landesregierung vertreten lassen. (1) Der Stiftungsrat bestellt den Mitglieder anwesend ist. Kuratoriums –, genehmigt am 18. Sep- Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, und Thüringen bis zum 31. Dezem- Die Stellvertretung hat das von der Vorstand. Dieser besteht aus zwei tember 2000; geändert am 25. Juni (6) Die Mitglieder des Kuratoriums Rheinland-Pfalz, Saarland und ber 1994 keine Anwendung. Landesregierung des Landes bestellte Personen: der Generalsekretärin oder 2007 durch Beschluss des Stiftungsrates werden ehrenamtlich tätig. Schleswig-Holstein in dem Verhält- Mitglied, das den Vorsitz in der dem Generalsekretär und deren oder – insbesondere Wegfall des Stiftungs- nis, in dem sie zu seiner Bildung Ministerpräsidentenkonferenz in dessen Stellvertreterin oder Stellver- III. rates in seiner erweiterten Zusammen- beigetragen haben. Sie haben es dem vergangenen Jahr geführt hat. treter. § 10 setzung –, genehmigt am 2. Novem- ausschließlich und unmittelbar für Sofern diese Länder nicht an der AUFGABEN DES Die Zuwendungen der Länder ber 2007; geändert am 26. November (2) Die Generalsekretärin oder der ähnliche gemeinnützige Zwecke im Stiftung beteiligt sind, verlängert sich KURATORIUMS werden über den Haushalt des 2014 durch Beschluss des Stiftungsrates Generalsekretär führt die laufenden Sinne dieser Satzung zu verwenden. die Amtszeit der oder des bisherigen Sekretariats der Ständigen Konferenz – Ergänzung des § 8 Abs. 4, genehmigt Geschäfte der Stiftung, bereitet die Vorsitzenden und der oder des (1) Das Kuratorium berät den der Kultusminister der Länder zur am 11. Juni 2015; geändert am 04. Beschlüsse des Stiftungsrates vor und stellvertretenden Vorsitzenden des Stiftungsrat bei der Erfüllung seiner § 13 Verfügung gestellt. Dezember 2015 durch Beschluss des führt sie aus. Stiftungsrates um den entspre- Aufgaben, insbesondere bei der RECHNUNGSLEGUNG Stiftungsrates – Änderung der §§ 2 chenden Zeitraum. (3) Jedes Mitglied des Vorstandes Festlegung von Förderungsschwer- UND PRÜFUNG Bonn, den 4. Juni 1987 Abs. 2 sowie 12 Abs. 2, genehmigt am vertritt die Stiftung gerichtlich und punkten für die Arbeit der Stiftung. 28. Februar 2017; geändert 22. Juni (4) Die Mitglieder des Stiftungsrates Unterzeichnet von den außergerichtlich allein. Im Innenver- (1) Der Rechnungshof des Landes 2016 durch Beschluss des Stiftungsrates werden von den jeweiligen Regie- (2) Die Mitglieder des Stiftungsrates Regierungschefs der Länder. hältnis ist das stellvertretende Mit- Berlin prüft die Haushalts- und – insbesondere Spezifizierung des rungen bestellt. sind berechtigt, an den Sitzungen des glied gehalten, nur im Falle der Kuratoriums ohne Stimmrecht Wirtschaftsführung der Stiftung. Stiftungszwecks in § 2 Abs. 2, geneh- (5) Der Stiftungsrat berät und Verhinderung der Generalsekretärin teilzunehmen. migt am 19. April 2017. entscheidet über alle Fragen, die zum oder des Generalsekretärs tätig zu (2) Die Generalsekretärin oder der Aufgabenbereich der Stiftung ge­ werden. Generalsekretär hat unbeschadet der hören, soweit es sich nicht um die Prüfung nach Abs. (1) die zum Ende (4) Die Mitglieder des Vorstandes Führung der laufenden Geschäfte eines jeden Geschäftsjahres (Kalen- können eine angemessene Vergütung handelt. derjahres) zu fertigenden Aufstel-

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