Foulspiel Gegen Die Armen Brasilien, Die WM Und Die Menschenrechte
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20. Jahrgang Nimm Juli 2014 fiftyfifty doppelt kaufen fiftyfifty und verschenken – mit fiftyfifty doppelt helfen Obdachlose von der Straße lesen. 1,90 Euro, davon 95 Cent für den/die VerkäuferIn Foulspiel gegen die Armen Brasilien, die WM und die Menschenrechte Kunst im Fußballlegende Conchita 1. Weltkrieg: Sócrates: Wurst: Der große Kapitän und Auf hohen Aderlass Kinderarzt Hacken S. 4 S. 14 S.22 02_intro Liebe Leserinnen und Leser, die Zahl akut obdachloser Frauen steigt in erschreckendem Maße. Allein zwischen 1998 und 2005 ist ihr Armutsrisiko von 13 auf 21 Prozent gestiegen. Und Frauen, die in Armut leben, haben oft eine lange Geschichte von Entmutigung und Enttäuschung hinter sich. In der „Ariadne – Notaufnahme für Frauen“, eine Einrichtung der Diakonie Düsseldorf, suchen jährlich etwa 300 Frauen in Not Unterkunft und Hilfe. Immer mehr kommen mit Babys und Kleinkindern – im vergangenen Jahr waren es 52 Kinder. Diese Frauen und Kinder haben oft alles verloren, auch das soziale Netz, das Mütter so dringend brauchen. Diese Frauen benötigen dringend Hilfe, um in der Gesellschaft wieder Fuß fassen zu können. Die Belegungssituation in der Ariadne ist mit zehn Doppelzimmern extrem schwierig. Jasmin, eine betroffene Frau, die mit ihrem dreijährigen Sohn Luca seit einigen Tagen in der Ariadne lebt, schildert uns das so: „Hier wohnt eine drogenabhängige Frau ne- ben der Familie, die nach ihrer Zwangsräumung nicht mehr wusste, wo sie hin soll. Thorsten Nolting ist Diakoniepfarrer in Die Frau, mit der ich ein Zimmer teile, ist psychisch labil und schaut mich immer mit Düsseldorf. diesem argwöhnischen Blick an. Manchmal habe ich Angst um mein Kind.“ Die MitarbeiterInnen der Ariadne sind sehr darauf bedacht, Mütter mit ihren Kindern Wir danken für Ihre Spende. so sicher und gut wie möglich unterzubringen. Trotzdem ist die Situation sehr ange- Unser Spenden-Konto lautet: spannt. Die Zimmer sind eng und einen Aufenthaltsraum oder eine Spielecke für die Asphalt e.V., Kinder gibt es nicht. Deshalb ist es fiftyfifty und der Diakonie Düsseldorf ein wichti- IBAN: DE 3536 0100 4305 ges Anliegen ein Appartement für drei bis vier wohnungslose Mütter und ihre Kinder 3966 1431 zu erwerben und bedarfsgerecht einzurichten. Bitte helfen Sie mit Ihrer Spende. Wir BIC: PBNKDEFF benötigen für dieses wichtige Projekt ca. 250.000 Euro, darin enthalten ist bereits die NEU! fiftyfifty-Beirat: Ingrid Bachér, Anschaffung der Wohnung. Schriftstellerin / Prof. Dr. Ulrike Übrigens: fiftyfifty und die Diakonie arbeiten seit über 15 Jahren schon erfolgreich zu- Eller-Rüter, Hochschullehrerin, sammen. So haben wir gemeinsam das sog. Punkerhaus gegründet und finanziert. Aber Künstlerin, Sängerin / Rainer Felkl, auch in verschiedenen Bündnissen arbeiten wir eng zusammen, etwa beim Netzwerk, Rechtsanwalt / Maria Fischer, Unter- das erfolgreich die Einführung eines Sozialtickets gefordert hat. Unser neues gemeinsa- nehmerin, Personalberaterin / Jasmin mes Projekt soll die Kooperation stärken – zugunsten benachteiligter Menschen ohne Hahn, Schauspielerin / Peter Martin, Wohnung. Es ist unser gemeinsamer christlicher Auftrag, für mehr Miteinander und Dipl. Kaufmann, Autor / Elvira Nagel, Solidarität einzutreten. fiftyfifty Verkäuferin / Martin Paul, In diesem Sinne grüße ich Sie herzlich und vertraue auf Ihre Unterstützung, fiftyfifty Verkäufer / Berndt A. Skott, Ihr Karikaturist Inhalt 04 „Wie viele und schreckliche Verstümmelungen!“ 18 Sparprogramme töten Macke in der Champagne gefallen, Marc bei Verdun, Beckmann Zwei US-Wissenschaftler rechnen vor, was Kürzungsauflagen à traumatisiert – der Erste Weltkrieg war auch kulturell ein Ader- la IWF anrichten. Und dass sie auch ökonomisch eher schaden. lass ohnegleichen. 22 Conchita Wurst schreibt ihrem jüngeren Selbst 10 Foulspiel gegen die Armen Mit einer dezenten Schwäche für Frauenkleider fing es an. Viele Hundertausende Brasilianer verlieren für WM und Olympische Erfahrungen und Haarfarben später kam der große Moment. Spiele ihre Behausungen. Der Staat zahlt lächerlich geringe Entschädigungen. Polizei und Armee helfen bei der Vertreibung Außerdem gewaltsam nach – Tote sind keine Seltenheit. 03 in memoriam mühsam 05 zwischenruf 09 bild einer ausstellung, neulich 16 splitter 20 kultur 21 literatur 22 menschen 23 echo, zahl, 15 Freihandelsabkommen TTIP – Pro und Contra fundstück, impressum Die einen sehen große transatlantische Wirtschaftschancen. Die Zum Teil abweichende Themen auf einigen Seiten unserer anderen befürchten die Aushebelung nationaler Gesetze. Lokalausgaben. in memoriam mühsam_03 Armer Teufel Von Erich Mühsam Ich kam nach Friedrichshagen Umzug zur Vorortstation ein- ungehobeltes Brett, außen wie als Mitbegründer, Mitarbeiter zuleiten, klagte mir Margarete innen ohne Klinke; sie schnapp- und verantwortlicher Redak- Beutler ihre Not: sie war im te beim Zuschlagen ins Schloss teur der Wochenschrift „Der Begriff, nach München zu zie- und konnte nur mit einem arme Teufel“, als dessen Her- hen, wo sie bei den „Elf Scharf- mächtigen Scheunentorschlüs- ausgeber Albert Weidner zeich- richtern“ auftreten sollte. In sel geöffnet werden. Der unbe- nete. Weidner war von Hause ihrer Schöneberger Wohnung zahlbare Vorzug der Behausung aus Setzer, die Zeitschrift wurde stand ihr ererbtes Mobiliar, das war aber das Fenster, das, vom dadurch materialisiert, dass er sie aus Pietät nicht verkaufen Hofe aus nicht erreichbar, in die sich auf Abzahlung den erfor- wollte, dessen Transport nach das ganze Anwesen rückwärts derlichen Schriftsatz kaufte; München aber zu teuer war abschließende Mauer eingelas- seine Artikel flossen stets ohne und das bei einem Spediteur sen war und ins dichte Kiefern- Manuskript aus dem Kopfe in einzustellen ihr ebenso sinnlos gehölz hinauszeigte. Verließ ich den Setzkasten, währenddes- wie kostspielig erschien. Wir mein Zimmer auf diesem Wege, sen ich dabei saß und mir bei lösten das Problem damit, dass so brauchte ich bloß einiges Ge- einer Tasse Kaffee und einer ich in Friedrichshagen statt ei- büsch und Gestrüpp zur Seite Erich Mühsam, Fotografie aus dem Jahr Zigarre das aktuell-satirische nes möblierten ein leeres Zim- zu kämpfen und befand mich 1928, kurz vor seinem 50. Geburtstag. Gedicht abquälte, das unter mer mieten sollte, worin ich auf der schönen Waldchaussee Foto: Wikimedia/Bundesarchiv dem Pseudonym „Nolo“ jede die Möbel aufzustellen, zu be- zwischen Friedrichshagen und Nummer beleben musste, oder nutzen und zu betreuen hätte. Köpenick. So gelang es mir Erich Mühsam technische Redaktionsarbeiten Zum Unglück fand sich in ganz mehrmals, unwillkommenen erledigte. Doch gehören die Friedrichshagen kein leeres Besuchen behördlicher Per- Erinnerungen, die unmittel- Wohnzimmer, sondern nur ein sönlichkeiten auszuweichen, geb. 1878 in Berlin als Kind bar mit dem „Armen Teufel“ höchst primitiver Nebenraum und einmal konnte ich auch jüdischer Eltern, anarchisti- verbunden sind, nicht in den zu einer Waschküche im Hofe ein junges Mädchen aus dem scher und antimilitaristischer Zusammenhang dieser unpoliti- eines Hauses in der Ahorn-Al- Rheinland, dem es in unserer Schriftsteller und Publizist. schen Rückschau. Um so mehr lee. Dort mietete ich mich ein. Friedrichshagener Gesellschaft Flog mit 17 Jahren wegen gehört das übrige Erleben mei- Ein Ofen war nicht vorhanden, besser gefiel als zu Hause, „sozialdemokratischer Umtrie- nes Friedrichshagener Jahres auch keine Tapete, dafür aber durch mein von keiner Straße be“ vom Gymnasium. Ab 1902 hinein. Schon die Wohnung. eine Kalkwand, die früher von sichtbares Fenster den Armen Redakteur bei der Zeitschrift Kurz bevor ich mein Köffer- weißer Farbe gewesen sein soll- der ihr nachjagenden Mutter chen packte, um den großen te. Die Tür war ein gewaltiges, entreißen. „Der arme Teufel“, 1905 beim „Weckruf“. In München schrieb er später u. a. fürs Kabarett und den „Simplizissimus“ und gab das Blatt „Kain – Zeit- schrift für Menschlichkeit“ heraus. Wegen Beteiligung an der Münchner Räterepublik 1919 wurde er zu 15 Jahren Fes- tungshaft verurteilt, wovon er fünf absaß. 1933 sperrten die Nazis Mühsam ins KZ Oranien- burg und ermordeten ihn dort vor 80 Jahren, am 10. Juli 1934. Karikatur.: Berndt A. Skott / www.berndtaskott.de 04_vor 100 jahren „Wie viele und schreckliche Verstümmelungen!“ Die Künstler im Ersten Weltkrieg Otto Dix, Selbstbildnis als Soldat, 1914, Öl auf Papier, 68 x 53,5 cm, Kunstmuseum Stuttgart, © VG Bild-Kunst, Bonn Kein Krieg darf sein. Wenn es schon die Bevölkerungen nicht – rückblickend. Immer aber haben Künstler auch spontan ihre Be- schaffen, Konflikte friedlich zu lösen, so müssen die Politik und troffenheit über das, was sie erleben mussten, formuliert: Dafür die Diplomatie den Ausbruch von Kriegen verhindern. Der Jour- gibt es besonders für die Zeit des Ersten Weltkrieges eine Menge nalismus hat dazu die Verpflichtung, auf die Krisenherde und die an eindrucksvollen Kunstwerken. Schrecknisse aufmerksam zu machen, am direktesten gelingt ihm Der Erste Weltkrieg traf die Gesellschaft in einer Phase der in- dies mit Filmen und Fotografien. Aber auch die Künstler protes- dustriellen und sozialen Umschwünge. Das spiegelte sich auch tieren mit Worten, Bildern und Klängen gegen Krieg. So gibt es in der Kultur wider, bei der eine Avantgarde-Bewegung auf die berühmte Denkmäler, die über die Erinnerung an die furchtba- nächste folgte. Die Kunst blühte auf. Der Kubismus entstand in ren Verbrechen hinaus zum Frieden aufrufen. Dazu gehören etwa Paris, der Futurismus in Italien. In Deutschland dominierte der Picassos monumentales Gemälde „Guernica“