Aus dem Lebenslauf einer Stadt in der Steiermark

eschichte & eschichten G von 2

Zum Werden der heutigen Steiermark

Von der Kärntner Mark zum Herzogtum Steiermark (siehe Seite 10 – 12)

Enns Wels

Steyr

HZGT. ÖSTERREICH U Wr. Neustadt TRAUNGAHERRSCH. STEYR

Pitten GFT. PITTEN GFT. MÜRZTAL HZGT. Mürzzuschlag BAYERN

GFT. IM ENNSTAL GFT. LEOBEN Bruck

Leoben Schladming KGR. Ungarn GFT. Hartberg Knittelfeld OST-STEIERMARK Judenburg Murau Neumarkt Fürstenfeld KÄRNTNER MARK

Wildon/Hengistburg HZGT. KÄRNTEN

Leibnitz

970 Die Kärntner Mark (0bere karantanische Mark) ist die Keimzelle der Steiermark mit den vier karantanischen Grafschaften Judenburg, Leoben, Ennstal und Mürztal. 1043 Zuwachs der Grafschaft Pitten und der Ost-Steiermark. 1056 Steyr (Burg und Herrschaft) sowie der Ort Enns im Traungau kommen hinzu. 1122 Zuwachs der Gebiete um Murau und Neumarkt. 1147 Zuwachs der Gebiete um Marburg und Pettau (heute Slowenien). 1180 Steiermark ist Herzogtum. Der übrige Traungau mit dem Salzkammergut gehört über die Beziehungen zu den dort herrschenden Ministerialen (Gefolgs- leute, Dienstmannen) zur Steiermark. 1260 werden Traungau und Pitten von der Steiermark abgetrennt und kommen zum Herzogtum Österreich. 3

Zum Werden der heutigen Steiermark Von der Kärntner Mark zum Herzogtum Steiermark

Enns Wels

Steyr 1 HZGT. ÖSTERREICH U Wr. Neustadt Liebe Knittelfelderinnen und TRAUNGAHERRSCH. STEYR Knittelfelder! Liebe Jugend! Pitten GFT. PITTEN GFT. MÜRZTAL HZGT. Als Bürgermeister freut es mich ganz besonders, Ihnen diesen his- Mürzzuschlag BAYERN torischen Streifzug durch die Geschichte der Stadt und der Region vorzustellen. GFT. IM ENNSTAL Bruck GFT. LEOBEN Es ist ein weiter Bogen, der sich von der Jungsteinzeit über die erst- Leoben Schladming KGR. malige namentliche Erwähnung Knittelfelds bis in die Gegenwart Ungarn GFT. JUDENBURG Hartberg spannt. „Des Drangsals viel hat diese Stadt erfahren und viel gelit- Knittelfeld ten in dem Sturm der Zeit …“ – diese Inschrift auf der Mariensäule OST-STEIERMARK Judenburg am Hauptplatz gibt Zeugnis davon, dass Knittelfeld eine bewegte, Murau Neumarkt Graz Fürstenfeld immer wieder von schweren Heimsuchungen geprägte Vergangen- KÄRNTNER MARK heit hat. War der 23. Februar 1945 der traurige Höhepunkt der Leiden unse- Wildon/Hengistburg HZGT. KÄRNTEN rer Stadt, so war die Landesausstellung zum Thema „Verkehr“ im Leibnitz Jahre 1999 ein Erfolg ganz besonderer Qualität. Ein ungeheurer Er- neuerungsschub erfasste die Stadt, Vorhaben wurden verwirklicht, die sonst nicht oder erst viel später verwirklicht worden wären. Knittelfeld hat sich durch gemeinsames Bemühen aller zu einer

Vorwort lebens- und liebenswerten Kultur-, Einkaufs- und Blumenstadt entwickelt. Vieles wurde bereits erreicht, vieles liegt noch vor uns! Möge dieses Werk dazu beitragen, Interesse und Verständnis für die geschichtliche Vergangenheit unserer Stadt zu wecken und zu fördern.

Ich wünsche Ihnen beim Schmökern und Lesen viel Freude!

Ihr Bürgermeister Siegfried Schafarik 4

Die Chronik „Geschichte und Geschichten von Knittelfeld“ erschien erstmals im Jahre 2002. Ich verfasste dieses Heft damals auf Anre- gung von Direktor Peter Eisenschmied anlässlich des 700-jährigen Jubiläums der Verleihung des Stadtrechtes durch den Habsburger Herzog Rudolf III. Dieser historische Wegweiser für Schüler/innen und an der Geschichte unserer Stadt Interessierte wurde in der nun vorliegenden Neufassung überarbeitet und aktualisiert.

Grundlage dieses Geschichtsführers ist, wie in der ersten Auflage, das Standardwerk des verewigten Lokalhistorikers Direktor Lois Hammer (*1889, †1986) „Aus Knittelfelds Vergangenheit“ aus dem Jahre 1959. Ebenso wurde die wesentliche Richtlinie beibehalten, die wechselvolle Geschichte unserer Stadt mit ihren politischen und kulturellen Vernetzungen zu Steiermark und Österreich kurz und übersichtlich darzustellen.

Mein besonderer Dank für ihre wertvolle Unterstützung und Mit- arbeit bei der Erstellung dieser Neuausgabe gilt den Stadtarchiva- ren Ing. Hans Rinofner und Erich Schreilechner.

Siegfried Bachler Einleitung

Bildnachweis: (1) Stadtgemeinde, (2) Stadtarchiv, (3) Südtiroler Archäologiemuseum, (4) Archäologiemuseum Schloss Eggenberg, (5) ©Keltenmuseum Hallein, (6) Egon Mayer, (7) Reinhold Kainbrecht, (8) Roman Findl, (9) Heinz Ellersdorfer, (10) Archiv Stift Admont, (11) Amt der Steiermärkischen Landesregierung, (12) P. Severin Schneider OSB, , (13) Stadtarchiv, (14) Steiermärkisches Landesarchiv, (15) (16) Archiv Stift Admont, (17) Universitätsbiblio- thek Graz, MS 32, fol. 106r, (18) Archiv Stift Admont, (19) Schaubergwerk Oberzeiring, (20) Stadtgemeinde, Urkunde Archiv Stift St. Lambrecht, (21) (25) P. Severin Schneider OSB, Seckau, (22) Siegfried Bachler, nach A. Niederstät- ter, (23) (24) Foto Siegfried Bachler, Wien Museum, Glasfenster aus der Bartholomäus-Kapelle St. Stephan, 14. Jh., (26) Erich Schreilechner, (27) ©Dommuseum Wien, (28) Foto Siegfried Bachler, Hl. Johannes, Kopie Steinplastik 14. Jh., (29) P. August Janisch, Zisterzienserstift Rein, (30) (31) Stadtarchiv, (32) Foto Herwig Arch, (33) Archiv Stift Admont, (34) P. Severin Schneider OSB, Seckau, (35) Erich Schreilechner, (36) Stadtarchiv, (37) P. Severin Schneider OSB, Seckau, (38) Erich Schreilechner, (39) Stadtgemeinde, (40) aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie, (41) Erich Schreilechner, (42) (43) (44) (45) Siegfried Bachler, (46) Foto Stadtgemeinde, Gemäldekopie Alois Erhart, (47) Foto Johann Friml, (48) Universalmuseum Joanneum, Neue Galerie, Graz, (49) Siegfried Bachler, (50) (51) Erich Schreilechner, (52) Stadtarchiv, (53) Siegfried Bachler, (54) Stadtarchiv, Gemälde Hans Eisenschmidt, (55) Erich Schreilechner, (56) Stadtarchiv, (57) (58) (59) (62) Erich Schreilechner, (60) Hans Rinofner, (61) Universitätsarchiv Graz, (63) (64) Stadtarchiv, (65) (66) Erich Schreilechner, (67) (68) (69) (70) Stadtarchiv, (71) (72) (73) Erich Schreilechner, (74) (75) Stadtarchiv, (76) Siegfried Bachler, (77) Erich Schreilechner, (78) Stadtarchiv, (79) Reinhold Kainbrecht, (80) (81) (83) Stadtarchiv, (82) Cristian Greucean 5

400.000–8000 v. Chr. 5000–2200 v. Chr. Altsteinzeit: Keine Spuren menschlichen Jungsteinzeit: Erste Spuren von Lebens im Aichfeld. (Wichtigste Fund- Menschen im Aichfeld – Zei- orte in der Steiermark: Repolusthöhle bei tenwende: Es tritt die sesshafte, Peggau und „Drachenhöhle“ bei Mixnitz.) bäuerliche Lebensform an Stel- Um 20.000 v. Chr. ist der Höhepunkt le der nomadischen der letzten Eiszeit: Das Aichfeld ist ab ein. Die Besiede- Grünhübel bei Judenburg (Endmoräne) je- lung des Aichfeldes doch eisfrei! Die das Aichfeld umgebenden geschieht durch bäu- Gipfel zeigen Lokalvergletscherungen. So- erliche Einwanderer genannte Talgletscher erstrecken sich im aus dem Donaubereich Hinter-, Ingering- und Feistritz-Tal. Nach der ungarischen Ebene, 20.000–10.000 v. Chr. Eiszerfall und Ab- die dem Lauf der Drau und schmelzen der Gletscher. Der Stadtkern von folgen. Im Gelände der Knittelfeld liegt auf einer in dieser Zeit ent- Email AG wurde im standenen Schotterterrasse. Jahre 1950 ein jungsteinzeitli- ches Beil aus serpentinartigem Stein freigelegt, ebenso vier 8000–5000 v. Chr. Beile aus demselben Material Mittelsteinzeit: Weiterhin kein Nachweis in Weißkirchen. Am Pölshals menschlichen Lebens im Aichfeld. (Ein- entdeckten Archäologen eine ziger Fundort in der Steiermark: Zigeuner- Siedlung aus dieser Zeit. Aus höhle bei Gratkorn) Durch das nun wärmere der Spätphase der Jungstein- Klima (seit ca. 9000 v. Chr. „Warmzeit“, in zeit (Kupferzeit) wurde hier der wir uns noch heute befinden), entwi- auch ein Kupferbeil ent- 3 ckeln sich im Aichfeld Flora und Fauna. deckt. Der aufsehenerre- „Ötzi“ – Rekonstruktion. gendste internationale Fund aus der Kupferzeit ist der 1991 am Haus- labjoch in den Ötztaler Alpen gefundene ca. 5.300 Jahre alte „Ötzi“.

2200–800 v. Chr. Bronzezeit: Aus ihr stammen Waffenfunde aus Strettweg und Scheiben bei Scheifling. Bronzebeile aus der bronzezeitlichen Spät- zeit um 1000 v. Chr. (Urnenfelderzeit) wur- den in Neufisching bei und Ober- 2 zeiring zu Tage gefördert. Jungsteinzeitliches Steinbeil – Knittelfeld. 6

800–400 v. Chr. Aus der Älteren Eisenzeit, der Hallstatt- Zeit, („Zeitalter der Fürsten“) stammt der berühmte Strettweger Kultwagen von einem Fürstengrab am Fuße des Fal- kenberges. Diese in ihrer damaligen Bedeutung noch nicht eindeutig zuzuordnende Grabbeigabe wurde 1851 von einem ackernden Bauern freigelegt. Strettweg liegt an der ehe- 4 maligen Salzhandelsstraße, die von Hallstatt nach Venetien und Slowenien Kultwagen Strettweg, führte, in der Römerzeit auch an der No- 7. Jh. v. Chr. rischen Hauptstraße. Bei seit 2004 auf dem deckt. Der Fürst von Strettweg hatte hier Falkenberg durchgeführten Grabungen wohl seinen Sitz! Darüber hinaus konnten wurden Spuren einer hallstattzeitlichen die Archäologen hier auch den Ort der ältes- Höhensiedlung für ca. 3.000 bis 4.000 ten Eisenverhüttung in Österreich nach- Einwohner im Ausmaß von 40 Hektar ent- weisen.

400 v. Chr. In der Jüngeren Eisenzeit, der La Tene- Zeit (400 v. Chr. bis Chr. Geb.) wandern aus dem Westen Deutschlands immer mehr keltische Stämme in unser Gebiet ein, bil- den eine Herrenschichte und gründen um 200 v. Chr. das Königreich Noricum. Das Aichfeld gehört zu diesem Königreich mit 5 dem politischen Zentrum auf dem Magda- Keltenmaske, um 400 v. Chr. lensberg im Zollfeld. Es ist das erste staat- und Grabsteinen der Römerzeit. Die Mutter- liche Gebilde auf heutigem österreichi- göttin ist Noreia, der Stammesgott Urvater schem Boden. Eisen vom Erzberg und von Latobius, auch Teutates genannt (davon Hüttenberg wird als Norisches Eisen über leitet sich das englische „daddy“ und unser Aquileia in das gesamte römische Welt- „Tati“ für Vater ab). 113 v. Chr. marschieren reich exportiert. Ebenso begehrt sind kel- die germanischen Stämme der Kimbern tische Pferde (Noriker) und das Tauerngold. und Teutonen auf ihrem Marsch nach Die Kelten hinterlassen zwar keine schrift- Italien durch das Aichfeld und siegen bei lichen Aufzeichnungen, keltische Namen Noreia (fraglich bei Neumarkt) über die findet man jedoch auf keltischen Münzen Römer („Erste Völkerwanderung“). 7

Römisch-keltischer Münzfund 15 v. Chr. vom Kirchbichl – Rattenberg. 6 Das keltische Königreich Noricum wird dem Römischen Imperium unter Kaiser Augustus kampflos angegliedert (im Ge- gensatz zu den Kelten Galliens, siehe „Aste- rix und Obelix“) und 45 n. Chr. unter Kaiser Claudius (41–54) freie kaiserlich-römische Provinz mit der neuen Hauptstadt Viru- zur Isis-Noreia, der num („Municipium Claudium Virunum“) Stammvater zu Mars- am Fuße des Magdalensberges. Diese hat Latobius. Der 1502 gefundene „Jüngling in ihrer Blütezeit ca. 30.000 Einwohner. Ihr von Magdalensberg“ ist diesem Gott ge- städtisches Territorium reicht von Villach weiht, sein Reliefbild wurde bei uns in Lind bis Feistritz bei Knittelfeld, wo sich murab- gefunden. Römische Grabsteine kamen in wärts jenes des Verwaltungsbereiches von Landschach, und St. Margarethen Flavia Solva („Muncipium Flavia Solva“) zu Tage. Zwei der drei, nunmehr an der anschließt. Diese Stadt bei Leibnitz wird Außenwand des Pfarrhauses der Kirche 70 n. Chr. von Kaiser Vespasian (69–79) St. Margarethen angebrachten, hoch- aus dem Hause der Flavier („Flavia“) an der rechteckigen Grabsteine („Stelen“) gehören Sulm („Solva“) gegründet und zu den ältesten der Steier- ist die einzige mit römischem mark: um 100 n. Chr. (Regie- Stadtrecht im Bereiche der heu- rungszeit von Kaiser Trajan, tigen Steiermark. Die Provinz 98–117). Die Reliefköpfe im Noricum umfasst den Großteil Giebelfeld („Ädicula“) erinnern des heutigen Österreich östlich noch an keltische Formen, vom Inn und südlich der Donau, ebenso zeigen die Steine neben nicht jedoch den Südosten von römischen einheimische kelti- Niederösterreich (mit Vindobo- sche Personennamen: wie z. B. na und Carnuntum) und das Properto, Togia, Vindo, Taparu. Burgenland. Diese Gebiete gehö- Insgesamt finden sich auf den ren zur römischen Provinz Pan- Grabinschriften im Aichfeld nonia superior. Die römische um ein Drittel mehr einhei- Herrschaft sollte beinahe 500 mische als römische Namen. Jahre bestehen. Romanisie- Funde von keltischen und rö- rung, vor allem der städtischen mischen Münzen im Aichfeld keltischen Bevölkerung in allen (z. B. am Kirchbichl von Ratten- Bereichen von Kultur und Reli- berg), sind wie die Römerstei- gion mit Verschmelzen der kel- ne Dokumente einer nur un- tischen mit der römischen Göt- vollständigen Romanisierung 7 terwelt: die Muttergöttin wird der keltischen Bevölkerung in Römerstein, St. Margarethen b. Knittelfeld, um 100 n. Chr. 8

unserer Heimat („am Lande“). Die wichti- ge Norische Hauptstraße zieht von Aqui- leia über Villach, den Neumarkter Sattel, die Mur bei Scheifling überquerend zum Pölshals und von dort über Hohentau- ern und Pyhrnpass nach Ovilava (Wels). 1976 wurde bei der Errichtung der S 36 Schnellstraße bei Strettweg ein

Schatz von 2.900 römischen Münzen aus 8 dem 3. Jh. n. Chr. freigelegt (Antoniniane). Römische Wagenspur – Weg zum Stüblergut. Räderspuren eines Römerweges zum Alten Almhaus auf der Stubalpe sind unter- und Soldaten vor allem über Aquileia in halb vom Stüblergut heute noch erkennbar. Noricum verbreitet: Erste Christianisie- Das Christentum wird durch Kaufleute rung.

300 n. Chr. Unter Kaiser Diokletian Aufteilung Nori- verfolgungen unter Kaiser Diokletian: cums in das nördliche Ufer-Noricum – Märtyrertod des Heiligen Florian in der Hauptort Ovilava (Wels) und mit den Tau- Enns. 313 Anerkennung des Christentums ern als Grenze in das südliche Binnen- als Religion durch Kaiser Konstantin den Noricum – Hauptort Virunum. Christen- Großen. Virunum wird Bischofssitz.

375 n. Chr. Beginn der Völkerwanderung infolge Ver- Konstantinopel) sollte bis 1453, also fast treibung der Ostgoten am Schwarzen Meer ein Jahrtausend länger bestehen bleiben. durch die Hunnen. Unter Kaiser Theodo- Odoaker ist der neue Herrscher auch sius I. wird 392 das Christentum alleinige in Binnen-Noricum. 488 befiehlt er der Staatsreligion (die heidnischen Olympi- romanischen Bevölkerung der Provinz schen Spiele werden nach 1169-jähriger Noricum, wegen der ins Land drängen- Tradition verboten!). 395 gehört Noricum den Völkerscharen nach Italien abzuzie- nach Zerfall des Römischen Reiches und hen. Das Eindringen fremder Völker hat in Schwinden der „pax romana“ zu West- unserem Land verheerende Folgen durch Rom. 468 siedeln Ostgoten in die heutige Gewalt, Zerstörung und Absiedelung. Steiermark. 476 Ende des Weströmischen 493 übernimmt der König der Ostgoten Reiches: der Germane Odoaker wird in Theoderich der Große die Herrschaft, Rom zum König ausgerufen und setzt den er wird in der Sage als „Dietrich von Bern“ letzten römischen Kaiser Romulus Augus- (= Verona) genannt. Binnen-Noricum ge- tulus ab. Das Oströmische Reich (Byzanz, hört jetzt zum Ostgoten-Reich (Hauptstadt diesen Namen trägt auch die Hauptstadt Ravenna). 9

6.–8. Jh. 526, Tod von Theoderich und Niedergang (Landbischof ohne eigene Diözese) die äl- des Ostgotenreiches durch das oströmi- teste Kirchengründung in der Steiermark sche Byzanz. Ab 568 Zug der Langobar- „ad Undrimas“ (an den Ingeringarmen), den aus Pannonien (dem heutigen Ost- im heutigen Aichfeld: Zweite Christiani- österreich und Westungarn) auch durch sierung. Die Urkirche „ad Undrimas“ wurde Binnen-Noricum nach Italien. Unser Land wahrscheinlich später durch aufständische gehört nur „dem Namen nach“ zu Byzanz, Slawen oder Magyareneinfälle zerstört. Ihr es ist durch die Völkerwanderung zu einem Ort ist derzeit nicht eindeutig bestimmt. Bei großteils verödeten und menschenleeren der Generalsanierung der sagenumwobe- Land geworden, die christlichen Stätten nen Friedhofskirche St. Johann im Felde im sind zerstört. In dieses „Niemandsland“ Ein- Jahre 1979 konnten unter der romanischen wanderung von heidnischen slawischen Anlage (Errichtung um 1180) Fundamente Bauern: Alpenslawen, Karantanen. Sla- einer früheren Bauphase freigelegt wer- wische Ortsnamen wie den. Sie konnten jedoch Gobernitz oder Feistritz nicht sicher als jene der erinnern daran. Das einstigen Urkirche „ad heutige Aichfeld gehört Undrimas“ identifiziert nun zum slawischen werden. Weitere Grün- Herzogtum Karanta- dungen sind Maria Saal nien mit dem Zentrum im Zollfeld (hier sollen Karnburg am Zollfeld. in einem römischen Kin- Es umfasst das heutige dersarkophag unter dem Kärnten und die Ober- Altartisch einer Seiten- steiermark. Anfang 8. Jh. kapelle die Reliquien übernehmen die von des Heiligen Modestus den Slawen gegen die ruhen) und Teurnia/ Awaren zu Hilfe gerufe- St. Peter im Holz im nen Bayern die Führung. Lurnfeld. Nach 788 gerät Beginn der bayerischen Karantanien nach dem Besiedlung unserer Re- Sturz des Bayern-Her- gion (Ortsname z. B. zogs Tassilo (durch Kaiser Baierdorf). Um 750 ent- Karl den Großen) unter steht im Rahmen der Fränkische Herrschaft. Slawenmissionierung 798 wird zum unter Bischof Virgil von Erzbistum erhoben. Salzburg durch Modes- tus, „Apostel Karantani- Hl. Modestus – Dom Maria Saal 9 ens“, seinen Chorbischof um 1500. 10

803 Nach Siegen über die Awaren gründet Karl befindet. 811 bestimmt Karl der Große die der Große die Pannonische Mark (Awari- Drau als Grenze zwischen dem Missionsge- sche Mark) mit der Mark an der Donau (da- biet des Patriarchats von Aquileia und dem rin liegt das erstmals 996 genannte Gebiet des Erzbistums Salzburg. 881 wird Graz von Ostarrichi, woraus der Name Öster- als Bairischgrätz erstmals erwähnt. 955 reich entsteht). Ebenso Gründung von Pan- Sieg von Kaiser Otto I. über die Ungarn nonien, worin sich die spätere Steiermark am Lechfeld.

970 Nach diesem Sieg Ottos entstehen an der karantanischen Grafschaften im Nor- Ostgrenze neue Marken, darunter die den: Judenburg (mit dem späteren Knittel- Mark an der Donau als nunmehr Otto- feld darin), Leoben, Ennstal und Mürztal. nische Mark mit Ostarrichi und die 970 Die südliche Grenze entspricht in etwa der erstmals urkundlich genannte Kärntner heutigen Landesgrenze. Erster Markgraf Mark (Obere karantanische Mark) um Graz: der Kärntner Mark wird der aus dem bay- Sie ist die Keimzelle der späteren Steier- rischen Geschlecht der „Markwartinger“ mark. Diese Kärntner Mark umfasst mit stammende Markwart, dessen Stamm- dem Hauptort Hengistburg (bei Wildon) burg wahrscheinlich in Judenburg liegt. das Gebiet zwischen Koralpe im Westen Sein Sohn „Eppo“ ist der Namensgeber der und der Wasserscheide zwischen Mur und Burg Eppenstein. Raab im Osten und die sogenannten vier

Burg Eppenstein 10 (Stich v. Vischer, 17. Jh.). 11

976 Kaiser Otto II. errichtet das Herzogtum Herzog von Kärnten. Er und seine Nach- Kärnten (es ist das älteste Herzogtum Ös- kommen benennen sich fortan nach ihrer terreichs), an das die Kärntner Mark mit den Burg „Eppensteiner“. Sie sollten die Kärnt- vier karantanischen Grafschaften ange- ner Mark für 65 Jahre leiten (970–1035). schlossen wird. Das Aichfeld sollte mit dem 1035 übernehmen die Markgrafen Wels- Großteil der heutigen Steiermark für fast Lambach die Kärntner Mark und bekom- 150 Jahre zum Herzogtum Kärnten gehö- men 1043 zusätzlich Pitten (Gebiet um Wie- ren. 1012 wird Markwarts Sohn Adalbero ner Neustadt) und die Ost-Steiermark dazu.

1056 Mit Otakar I. werden die bayrischen die Steiermark wird vom Herzogtum Traungauer (1056–1192) als Markgra- Kärnten gelöst. 1122 gilt als Geburts- fen eingesetzt. Sie nennen sich nach ihrer jahr der Steiermark und die Gebiete von Herrschaft mit der Burg Steyr im Traungau Murau und Neumarkt kommen dazu. Der „Steyrer Markgrafen“. Aus der Kärntner Traungauer Leopold der Starke wird ers- Mark mit den vier Grafschaften wird die ter selbstständiger Markgraf. Die erste Steiermark. 1103 wird Judenburg, wohl Traungauer Pfalz wird in Hartberg errich- die älteste Stadtanlage im Lande, als Kauf- tet. 1129 gründet Leopold der Starke das mannssiedlung genannt („mercatus Juden- derzeit älteste Zisterzienser-Stift in Rein, purch“). Im Jahre 1122 stirbt das Kärntner wo er auch begraben wird. Herzogsgeschlecht der Eppensteiner aus,

1140 1140 Gründung des ersten Augustiner- Johannes. Die erste Christus- Chorherrenstiftes der Steiermark durch figur wurde 40 Jahre später Adalram von Waldeck-Feistritz in St. durch eine „modernere“ Marein (als Sühne für den Totschlag am ersetzt, die originale Schwager und Ehebruch seiner Frau Ri- Christusfigur befin- chenza). 1142 Übersiedlung des Stiftes det sich nach aben- nach Seckau und Erbauung des Domes bis teuerlicher Irrfahrt 1164. 1156 wird Graz (statt Hartberg) un- jetzt im Ferdinan- ter dem Traungauer Otakar III. das neue deum Innsbruck. 1160 Zentrum der Steiermark. 1160 entsteht in sieht man erstmals das Seckau die älteste Kreuzigungsgruppe im persönliche Wappen von 11 deutschen Sprachraum als Hauptwerk der Otakar III. als Steirisches romanischen Holzplastik in Europa: Chris- Landeswappen mit einem Steirisches tus mit den Assistenzfiguren Maria und rechtsgedrehten weißen Landeswappen. 12

sämtlichen Körperöffnungen schlagen (z. B. im Giebel des Zeughausportales in Graz). Das derzeitige Steirische Landes- wappen zeigt auf grünem Schild mit Herzogshut einen weißen Panther in Phantasiegestalt, er hat einen langgestreckten Pferdeschädel mit Löwenmäh- ne, roten Stierhörnern und feuerspeiendem Rachen. Der Panther zeigt rote Krallen und

12 trägt einen Löwenschwanz. Das

Kreuzigungsgruppe, Basilika Seckau, 1160, 1200. ähnliche Wappen der Stadt Graz zeigt einen mit Laubkro- feuerspeienden Panther. Das „furchterre- ne geschmückten Panther, der jedoch aus gende“ Wappenbild zeigt in späteren Abbil- allen Körperöffnungen Feuer speit (z. B. auf dungen einen Panther, dem Flammen aus den neuen Kanaldeckeln in Graz).

1180 Die Steiermark wird unter Kaiser Friedrich I. stammt aus dem Anfang des 15. Jh., der Zeit „Barbarossa“ selbstständiges Herzogtum des Habsburger Herzogs Ernst des Eisernen. der Traungauer. Markgraf Otakar IV. wird Die Steiermark ist nunmehr mit Bayern, erster Herzog der Steiermark (die seiner- Österreich und Kärnten gleichberechtigt. zeitige Markgrafschaft Öster- reich wurde bereits 1156 unter dem Babenberger Heinrich II. „Jasomirgott“ Herzogtum, Privi- legium minus). Das Herzogtum Steiermark umfasst neben dem heutigen Bundesland Steiermark den Traungau mit der Herr- schaft Steyr, den Ort Enns und das Salzkammergut (jetzt Ober- österreich), das Pittenergebiet jenseits des Semmerings (jetzt Niederösterreich) sowie Gebiete bis südlich der Drau (Slowenien). Der im Joanneum Graz aufbe- wahrte Steirische Herzogshut 13 Friedhofskirche, St. Johann im Felde. 13

Um 1180 Errichtung der Kirche St. Johann (Adel und Kirche) Rechte und Freiheiten, die im Felde in romanischem Stil. 1186 wird zur Grundlage der steirischen Rechtsent- auf dem Georgenberg bei Enns (auf da- wicklung wurden. Sie sollte ihren Verfas- mals steiermärkischem Gebiet an der Gren- sungsrang bis 1848 behalten! Sie markiert ze zum Herzogtum Österreich) ein Erbver- die Entwicklung der Steiermark zu einem trag mit dem Babenberger Leopold V., Sohn selbstständigen politischen Gebilde. von Heinrich Jasomirgott geschlossen, da Otakar IV. unheilbar vom Aussatz befal- len, unverheiratet und kinderlos ist. Die Georgenberger Handfeste ist die älteste Verfassungsurkunde Österreichs und be- inhaltet für die steirischen Repräsentanten

1192 Herzog Otakar IV. stirbt kinderlos. Die Steiermark kommt auf Grund der Geor- genberger Handfeste zum Babenberger Herzogtum Österreich unter Leopold V. Dieser ist mit einer byzantinischen Prin- zessin verheiratet. Aus dem griechischen Kinderlied „Haidu o mu paidiu“ (= schlaf wohl, mein Kindchen) wird das heimische „Eia popeia“. Der englische König Richard Löwenherz gelangt auf der Heimreise vom dritten Kreuzzug nach einem Schiffbruch vor Grado als Pilger verkleidet über das 14 Aichfeld nach Wien-Erdberg, wo er am 21. Otakar IV. – Grabplatte, ehemalige Dezember (wegen eines Streites mit Herzog Kartause Seitz (Slowenien). Leopold V. bei der Erstürmung der Festung Akkon) verhaftet wird. In diesem Kreuzzuge konnte Jerusalem nicht befreit werden. Der edelmütige sowie tapfere Sultan Saladin gewährte jedoch christlichen Pilgern frei- en Zugang nach Jerusalem (für Gotthold Ephraim Lessing war Saladin das Vorbild für eine der Hauptfiguren in seinem Drama „Nathan der Weise“). Richard Löwenherz wird nach Haft in der Burg Dürnstein Wa- chau sowie hoher Lösegeld Zahlung freige- 15 lassen (Legenden: „Blondl“, „Robin Hood“). Richard Löwenherz, Stich 18. Jh. 14

1200 Geburt von Ulrich von Liechtenstein, dem Minnesänger („Frauendienst“), Ritter, Marschall und Landrichter der Steiermark. Der Stammsitz dieses Liechtensteiner Ge- schlechtes ist die heutige Ruine bei Juden- burg, sein Lieblingssitz ist die Frauenburg oberhalb von Unzmarkt. Seinen Ritter- schlag erhält er vom Babenberger Herzog Leopold VI. Walther von der Vogelweide weilt am Hofe Le- opold VI. zu Wien („Ze osterriche lernte ich singen und sagen“). Das

Bistum Seckau 17 wird 1218 ge- Fiedler und Tänzerin, 14. Jh. gründet, Seckau wird Bischofs- von Seckau. Sie enthält in mittelhoch- sitz (bis 1783). deutscher, französischer und lateinischer Die Liedersamm- Sprache gehaltene Liebes- und Trinklieder, lung „Carmina moralisch-satirische Dichtungen und geist-

16 Burana“ ent- liche Spiele. 1803 im Kloster Benediktbeu-

Ulrich von Liechtenstein steht am Hofe der ren (bei Bad Tölz in Bayern) aufgefunden. (Codex Manesse, 14. Jh.). ersten Bischöfe Vertonung durch Carl Orff im Jahre 1937.

1224 Knittelfeld wird als Chnuttelvelde nament- „Städtegründer“ auf einer späteiszeitlichen lich erstmals erwähnt (Judenburg erhält Schotterterrasse in H-Form mit drei To- in diesem Jahr bereits das Stadtrecht). Im ren planmäßig angelegt. Von der Ingering Jahr 1224 besteht bereits eine Pfarrkirche. wurde an ihrem Übergang ins Aichfeld der Der Name unserer Stadt leitet sich nach heutige Sachendorfer Bach (Stadtbach) ab- Ansicht mancher Historiker nicht (wie der geleitet, der jeweils auf der Ost- und West- Legende nach) von „Knütteln“ ab, sondern seite die Stadt umfließt. Knittelfeld liegt an vom altdeutschen Personennamen Hnu- der wichtigen „Venedigerstraße“ (Italien- tilo aus der Zeit der bairischen Besiedlung straße), die über Villach und den Semme- (6.–8. Jh.). Knittelfeld wurde im 13. Jh. unter ring nach Wien führt. 1227 zieht Ulrich dem Babenberger Herzog Leopold VI., dem von Liechtenstein auf seiner großen Tur- 15

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Knittelfeld (1681) – Vischer-Stich.

nierfahrt von Venedig nach Wien als Frau sagt. 1246 fällt der letzte Babenberger Venus verkleidet durch Knittelfeld. Bei rit- Herzog Friedrich der Streitbare in der terlichen Spielen in Knittelfeld „ ... stach Schlacht an der Leitha gegen König Bela von ich zwei Speere und gab ich zwei Ringlein“ Ungarn, Kaiser Friedrich II. setzt daraufhin wie er in seiner Dichtung „Frauendienst“ in der Steiermark einen Statthalter ein.

1251 „Als Knittelfeld noch bei Böhmen war“. Steiermark. Traungau und Pitten kommen Markgraf Przemysl Ottokar II. (ab 1253 zu Österreich. 1260 erstmalige Erwähnung König von Böhmen) heiratet nach dem Tode des Silberbergwerkes in Oberzeiring des letzten Babenbergers dessen verwit- (1361 nach Wassereinbruch und Tod vieler wete Schwester Margarethe und besetzt Knappen Ende des Bergbaues). 1275 stirbt die babenbergischen Herzogtümer Öster- Ulrich von Liechtenstein und wird in reich und Steier- der von ihm gestifteten und nach ihm mark. 1254 fällt die benannten Kapelle (an der Südseite des Steiermark jedoch Seckauer Domes) beigesetzt. Die Grabstätte an Ungarn. 1260 ist nach dem Abriss dieser gotischen Liech- besiegt Ottokar mit tensteinkapelle im Jahre 1837 nicht mehr Hilfe des steirischen nachweisbar. Adels die Ungarn und ist nun Herzog 1276 entzieht Rudolph I. von Habsburg (seit von Österreich und 1273 König) nach 16-jähriger böhmischer 19 Schaubergwerk Oberzeiring 16

Herrschaft Ottokar die Lehen Österreich den Tod findet (imD rama „König Ottokars und Steiermark. Im „Reiner Schwur“ (Stift Glück und Ende“ beschreibt Grillparzer die- Rein bei Graz) schließt sich der Steirische ses erbitterte Ringen um die Macht in Ös- und Kärntner Adel König Rudolph gegen terreich und Steiermark). Ottokar wird im König Ottokar an. Darunter der Teufenba- Veitsdom in Prag bestattet, sein Herz jedoch cher Offo von der Offenburg bei Pöls und in der Minoriten Kirche in Wien. Nach die- Otto, der Sohn von Ulrich von Liechten- sem Sieg begibt sich Rudolph I. mit großem stein. 1278 besiegt Rudolph Ottokar in Gefolge nach Oberzeiring. der Schlacht bei Dürnkrut, wo dieser auch 1282 Die Steiermark wird habsburgisch. König chronisten Ottokar Rudolph I. belehnt seine Söhne Albrecht I. aus der Gaal) Dank und Rudolph II., 1283 Albrecht alleine, sagt: „ ... daz si get- mit Österreich, Steiermark, Krain, der Win- riu gewesen waeren dischen Mark (= Unterkrain) und der Stadt des sagt er in danc ...“. Pordenone (wichtiger Handelsknoten zwi- 1288: das erste Stadt- schen Venedig und Triest). Dieser Besitz siegel von Knittel- wird zur Grundlage der habsburgischen feld trägt diese Jah- 20 Macht und ihres Aufstieges. Die Herr- reszahl, es zeigt drei Ältestes Stadtsiegel schaft der Habsburger sollte über senkrecht stehende Knittelfeld. 600 Jahre bis 1918 dauern. astlose Knüttel. 1301 wird die Verwal- In der Steiermark muss sich tung von Knittelfeld erwähnt: ein Stadt- König Albrecht I. seine Herr- richter und 11 „Geschworene“ (Ratsherren) schaft erkämpfen, wobei er bei bilden die oberste Behörde. Ab 1600 ist zu- seinem Zug durch die Ober- sätzlich zu diesem Inneren Rat ein Äußerer steiermark der jedoch mit sechs Männern, den „Sechsern“ aus habsburgfreundlichen der „gemeinen Bürgerschaft“ nachweisbar. Stadt Knittelfeld (nach Nach 1788 wird die Stadt vom Bürgermeis- den Worten des Reim- ter und dem Magistrat verwaltet. 1302 Herzog Rudolph III. Judenburger Stadtrecht sowie Rechte, die von Habsburg (*1282, der Stadt Knittelfeld angeblich bereits †1307), der 20-jähri- von seinen Vorfahren gewährt wurden; ge Sohn und seit 1298 der erste Freiheitsbrief dürfte 1275 beur- Nachfolger Albrechts I., kundet worden sein. Knittelfeld ist eine verleiht Knittelfeld bäuerlich geprägte, von Eisenwerken um- in Bruck a. d. Mur das gebene Handel, Gewerbe und Flößerei

21 Prankher Topfhelm mit Zimier (Kopie, Abtei Seckau). 17

1302 Machtbereich von Herzog Rudolph lll. von Habsburg betreibende Kleinstadt im Schatten der älteren und rei- chen Handelsstadt Juden- burg (und so blieb es über 500 Jahre, bis Knittel- feld durch die Eisenbahn zur Industriestadt wurde). Rudolph III. ist seit 1300 mit Blanche, einer franzö- sischen Königstochter aus dem Hause Valois verheira- tet. Der Reimchronist Otto- kar aus der Gaal berichtet dazu: „ ... daz er niht moht verstan dheinez irer wort“. Rudolph III. wird 1306 böh- mischer König, stirbt aber bereits 1307 bei einem Feld- zug in Böhmen und wird im 22 Veitsdom in Prag beigesetzt. Ältestes Stadtsiegel Knittelfeld. Nachfolger in unserem Lande wird sein Bru- der Adelsfamilie Pranckh bei St. Marein in der Friedrich der Schöne (ab 1314 König). der Rüstkammer des Kunsthistorischen 1309 besucht er Knittelfeld. 1314 heiratet er Museums in Wien zu bewundern. Ein zwei- in Judenburg eine spanische Königstochter. ter, vergleichbarer Helm ist der des „Schwar- Als einzigartiges Stück der Ritterzeit des zen Prinzen“ von England über seinem Grab 14. Jh. ist der sogenannte Prankher Helm in der Kathedrale von Canterbury.

Aus dem Freiheitsbrief Rudolfs III. zur Stadterhebung von Knittel- feld: Wir Rudolf von gotis gnaden her- zog ze Osterreich vnd ze Steyr, herre ze Chreyn in der March vnd ze Portena- we veriehen vnd tvon chunt mit disen prieue allen leuten die in sehent oder hoerint lesen, daz wir dur die lieb die wie han ze der stat ze Chnuttelueld, ... Diser prief ist gegeben ze Prvkk do van Christes geburte warin ergangen drev- zehen hundert jar vnd dar nach im an- dern jar, an der Mitwuchen nach Vnser 23 24 vrowen tach als sei geboren wart. König Rudolph I. von Habsburg. Herzog Rudolph III. von Habsburg. 18

Wir, Rudolf, von Gottes Gnaden Herzog von lesen oder hören, kund: Um der Liebe willen, Österreich und von Steiermark, Herr von die wir für die Stadt Knittelfeld empfinden, Krain, in der Mark (= Windische Mark) und ... Dieser Brief ist ausgestellt zu Bruck im von Portenau (= Pordenone) erklären und Jahre 1302 nach Christi Geburt, am Mitt- tun mit diesem Briefe allen Leuten, die ihn woch nach Mariä Geburt (= 12. September).

(Übersetzung aus dem Mittelhochdeutschen von Hofrat 1304 Dr. F. Vana) Der so genante „Reimchronist“ Ottokar Staufers Konradin und letzten Babenber- aus der Gaal (*1265, †1320) wird in sei- gers Friedrich v. Baden (der seine Kindheit nem Schloss in Maßweg sesshaft. Er ent- in Judenburg verbrachte) in Neapel. In Grill- stammt dem Geschlechte der Galler (einem parzers Drama „König Ottokars Glück Zweige der Strettweger) mit Sitz in der Gra- und Ende“ wird er vom Dichter in der be- den bei Knittelfeld (heute Hof Meir in der rühmten Lobrede auf Österreich irrtümlich Graden). Seine berühm- als Ottokar von Horneck bezeich- te Reimchronik in Mit- net. Der Reimchronist beschreibt telhochdeutsch umfasst auch einen Heuschreckeneinfall beinahe 100.000 Verse, im Jahre 1309. Ebenso berichtet die die Geschichte der er vom einzigartigen Auftreten Steiermark und des Rei- von in der Mur fischenden Peli- ches von 1246 bis 1320 kanen. Diese wurden letztlich in in poetischer Weise der Winterkälte fluguntauglich, beschreibt. Sie ist das von den Bauern gefangen und ge- erste umfassende Ge- gessen. Die verschollen geglaub- schichtswerk in deut- ten Grabsteine von Ottokar und scher Sprache. Eine seiner Frau wurden 2008 von Abt besondere dichterische Johannes Gartner im Kreuzgang Gestaltung erfährt da- des Klosters in Seckau entdeckt. rin das Ringen von Ot- 1308 wird Bernhart zu Chnutel- tokar Przemysl mit Bela veld als erster Pfarrer von Knit- von Ungarn und König telfeld genannt. Rudolph von Habsburg

sowie die Schilderung Gedenkstein für Ottokar aus 25 des Todes des letzten der Gaal (Basilika Seckau).

1338–1340 Heuschreckenplage und Hungersnot. kamen als ob es schneite, dass man bis zu Ebenso 1477–1478 und 1480. Aus einem den Knöcheln in ihnen ging, dass sie Hasel- Knittelfelder Bericht: „Schwärme die so dick stauden und Birken nieder ritten.“ 19

1348 Erstmaliges Auftreten der Pest, des „Schwarzen Todes“ in Knittelfeld. Aus- gangsort ist der Hafen von Genua. Die Über- tragung dieser damals meist tödlichen In- fektionskrankheit erfolgt über Stiche von mit Pestkeimen infizierten Flöhen („Pest- flöhe“). Das Keimreservoir sind pestkranke Nagetiere, vor allem Ratten (Schiffsratten!). Sichtbare äußere Zeichen sind die durch die Keime entzündeten, geschwollenen und schwarz verfärbten Lymphdrüsen, die „Pestbeulen“. Jeweils 2- bis 3-maliges Auf- treten im 14., 15. und 16. Jh., sowie zuletzt 1713. Eine Kapelle in Reifersdorf erinnert an den Knittelfelder Pestfriedhof. Erdbe- ben in Villach mit Absturz des Dobratsch- gipfels. Kaiser Karl IV. gründet in Prag die erste deutsche Universität. 26

Pestkapelle, Reifersdorf. 2. Hälfte 14. Jh. 1360: erste Erwähnung wahl festgelegt wird, von einer Mühle in Knittelfeld, Karl IV. übergangen wurde, der späteren Forchermühle versucht Rudolph durch (jetzt Teil der Molkerei Knit- Fälschung von Dokumen- telfeld). Herzog Rudolph IV., ten Sonderrechte und Frei- der Stifter, gewährt 1365 heitsbriefe, die über Rechte der Stadt Knittelfeld einen eines Kurfürsten hinausge- alljährlichen Gerichtstag hen, zu beweisen (Privilegi- (Pantayding, mit dem heu- um maius). Der von Kaiser tigen Bezirksgericht ver- Karl IV. zugezogene Huma- gleichbar). Rudolph, der nist Petrarca aus der Ge- ehrgeizige Schwiegersohn gend von Abano bezeichnet von Kaiser Karl IV., grün- ihn dafür als Erzschelm. det 1365 die Universität Durch Kaiser Friedrich Wien als zweite deutsche III. wird diese Fälschung Universität. Da Österreich in der Goldenen Bulle 1356 Herzog Rudolph IV. 27 in der die deutsche Königs- der Stifter, 1365. 20

später jedoch anerkannt! Der namentlich nicht bekannte Meister von Großlobming repräsentiert den Weichen Stil in der Gotik, vergleichbar mit Arbeiten aus der Wiener Werkstätte in der Zeit von Herzog Rudolph IV. Die 1928 aufgefundenen Sand- stein-Skulpturen aus der Kirche Groß- lobming, die wie der Hl. Johannes der Evan- gelist wahrscheinlich von der Burg Eppen- stein stammen, sind im Unteren Belvedere in Wien ausgestellt, weitere Originale fin- den sich in Steyr und Budapest.

Anfang 15. Jh.

Das Eisenhandwerk steht im Aichfeld 28 in Blüte. Der Sachendorfer Bach ist mit Hl. Johannes d. Evangelist, 14. Jh. seinen Hammerwerken und Mühlen die (Kopie Kirche Großlobming). Lebensader der Stadt. Herzog Ernst der Eiserne (*1377, †1424) von Innerösterreich vorragenden Unterkiefer – die „Habsburg- (Steiermark, Kärnten, Krain, Triest, Istrien) Lippe“ den Nachkommen vererbt haben. hat seine Residenz in Graz. Der Vater von 1423 wird ein Jörg aus Knittelfeld als Kaiser Friedrich III. ist der letzte Herrscher, Harnischmeister des Herzogs genannt, der sich 1414 dem alten Ritus der Herzogs- dessen Grabmal sich im Stift Rein befindet einsetzung aus der Zeit des slawischen (Marmorne Grabplatte mit Relief des Her- Herzogtums Karantanien zogs in Harnisch). Seine unterzieht. Der Ablauf der Schmiedewerkstätte soll Zeremonien auf dem so- später noch Waffen an genannten Fürstenstein Kaiser Maximilian I. ge- in Karnburg, im Dom liefert haben. 1429 wird von Maria Saal und auf in Knittelfeld erstmals dem Herzogstuhl im ein Spital mit einer Hei- Zollfeld wird von Ot- ligen Geist Kirche in der tokar aus der Gaal be- heutigen Herrengasse schrieben. Die zweite erwähnt. 1789 wurde Frau des Herzogs die Spitalskirche wegen Cimburgis von Ma- Bauschäden gesperrt, sowien (Polen) ist ein neues Kranken- ein „Kraftweib“, sie haus wurde erst 1872 biegt Hufeisen mit am Anfang der Gaaler bloßen Händen. Sie dürfte den 29 Herzog Ernst der Eiserne, Grabplatte Stift Rein, 1424. 21

Straße errichtet. 1948 wurden die ehema- bau zu einem Mehrzweckgebäude). 1435 lige Spitalskirche und das einstige Spital Baubeginn der Stadtpfarrkirche in goti- wegen Bombenschäden abgetragen und an schem Stil, Fertigstellung 1489. Sie ist, wie deren Stelle 1953 das spätere Volkshaus die Friedhofskirche, dem Heiligen Johannes errichtet, (1988 geschlossen, 1998 Um- dem Täufer geweiht („Patrozinium“).

1447 Knittelfeld erhält von König Friedrich III. (*1415, †1493, ab 1452 Kaiser, AEIOU-Logo) die Blutgerichtsbarkeit. Der Galgen wird im Westen der Stadt am Abhang zur Inge- ring errichtet, heute Standort eines 2012 er- öffneten Einkaufszentrums. Das Kreuz der ehemaligen Richtstätte steht nunmehr an der Westseite der Kreuzgasse mit Blickrich- tung Osten. Am Wege der Delinquenten von der Stadt dorthin steht heute noch das soge- nannte „Rote Kreuz“ (Kreisverkehr Gaaler Straße – Ghegastraße – Industriestraße), wo das letzte Gebet verrichtet werden konnte. Der Pranger befindet sich am Hauptplatz in der Gegend der heutigen Pestsäule. 1456 Nennung der Moosmühle (im Bereiche des späteren Austria-Email-Werkes). 1471 wird 30

Sonnenuhr, Pfarrheim.

erstmals eine Schule in der Kirchen- gasse, rechts neben dem Benefiziatenhaus der Katharinenstiftung, (dem Haus mit der Sonnenuhr), genannt. Über 400 Jahre lang wurde dort bis zur Eröffnung der Kärntner Volksschule 1874 unterrichtet (!). Benefizi- aten-, Schul- und das daran anschließende Mesnerhaus wurden später zu einem Haus vereinigt und dieses 1992 zu einem moder- nen Pfarrheim umgebaut. 1476 gewährt Kaiser Friedrich III. der Stadt das Recht auf freie Stadtrichterwahl – zuvor wurde die- 31 ser vom Landesfürsten eingesetzt. Herzog Ernst der Eiserne, Galgenkreuz – einstiger Standort. Grabplatte Stift Rein, 1424. 22

das Ächzen und Gejammer der misshandelten Bewohner des Murtales ...“. Es war das einzige Mal, dass die Türken in unsere Region gelangten. Die Not durch Türken, Pest und Heuschrecken wird von der Kirche als Gottesstrafe über die sündigen Menschen gese- hen – das berühmte „Gottes- plagenbild“ am Grazer Dom zeigt dies anschaulich. Seckau wird ebenso verschont, die 32 Kirche St. Johann im Felde

Gottesplagenbild – Stift Seckau, jedoch zerstört, St. Marein Kirche St. Marein b. Knittelfeld. und St. Benedikten werden 1480 heimgesucht. 1481 Wieder- Die Türken dringen in die Obersteier- aufbau von St. Johann im gotischen mark über den Neumarkter Sattel ein und Stil. 1509 wird die Pfarrkirche Knittelfeld lagern vier Tage vor den Mauern von Knit- dem Stift Seckau unterstellt (bis 1782). telfeld ohne sie zu stürmen. Der Seckauer 1515 werden die Obersteirer in einer deut- Historiker J. V. Sonntag (Sonntag Gasse) schen Landesbeschreibung als „kropfig“ berichtet über diese Belagerung: „ ... die bezeichnet („Steirisches Wappen“, insbe- Bürger hörten das Geschrei der Barbaren, sonders durch Jodmangel hervorgerufen). das Wiehern und Stampfen der Pferde und

1521 Kaiser Karl V. (Enkel von Maximilian I.) ver- hängt die Reichsacht über Martin Luther und seine Reformation. Karl V. überlässt seinem Bruder Ferdinand I. Österreich, die Steiermark, Kärnten und Krain. 1521 wird das Haus des Baders erstmals er- wähnt (1945 wurde es zerstört, darüber die Weningerbastei errichtet). 1528 wird erst- malig von „lutherischen Sekten“ in Knittel- feld berichtet. „Das Luthertum hat in der Stadt eingerissen“ steht in einem Visitati- onsbericht der Kirche aus dem Jahre 1562. 33 Martin Luther. 23

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Erzherzog Karl II. und Maria von Bayern – Mausoleum Seckau. 1564 Die Habsburgerländer werden unter Judenburg verstorbenen Sohnes, mit dem den drei Söhnen von Kaiser Ferdinand I. Bau des sogenannten Habsburger Mau- aufgeteilt. Ein Sohn, Erzherzog Karl II. soleums, einem Hauptwerk der Spätre- (*1540, †1590) erhält die Herrschaft über naissance am Grazer Hof, begonnen (1612 Innerösterreich mit Graz als Residenz vollendet). Das Grabmal zeigt Erzherzog (1564–1619). Sie umfasst Steiermark, Kärn- Karl in voller Rüstung mit seiner Frau. Die- ten, Krain, Triest, Istrien und zusätzlich Tei- se lässt sich 1608 jedoch im Klarissinnen- le von Friaul und Görz. Nachfolger wird ab kloster (heute Teil von Kastner & Öhler) in 1595 der Sohn Karls, Erzherzog Ferdinand, Graz beerdigen (später wurde sie in das (ab 1619 Kaiser Ferdinand II.). Die Zeit Erz- Grazer Mausoleum ihres Sohnes Kaiser herzog Karls II. ist durch den Kampf gegen Ferdinand II. umgebettet). Karl errichtet die Reformation und die Türkenabwehr Waffendepots im 1565 errichteten Land- gekennzeichnet. Vor seiner Ehe mit der haus, baut das landesfürstliche Lustschloss streng katholischen Maria von Bayern (ihr Karlau (heute Strafanstalt) und gründet Spruch soll gelautet haben: „Ich würde lie- 1585 die Jesuitenuniversität Graz (sie ber über einen Friedhof herrschen, denn wurde von Joseph II. 1782 aufgelöst und über ein Land, in dem auch nur ein Protes- 1827 von Kaiser Franz I. neu errichtet, da- tant wäre!“) waren Heiratsverhandlungen her der Name Karl-Franzens-Universität). mit Maria Stuart und Elisabeth I. von Ebenso richtet er in Lipizza im Karst (heute England geführt worden. Karl ist der Onkel Slowenien) ein Hofgestüt ein. 1619 werden von Don Carlos aus der spanischen Linie, die Lipizzaner nach Ernennung seinen Soh- dem Schiller ein literarisches Denkmal ge- nes Ferdinand zum Kaiser Ferdinand II. in setzt hat. 1587 wird im Dom in Seckau, der Hofreitschule in Wien eingesetzt. dem Begräbnisorte seines erstgeborenen in 24

1571 In Knittelfeld ist wie in der übrigen gang zur Stadt unter Umgehung des Kirch- Steiermark der Großteil der Bevölkerung tores schaffen. Bereits 1480 wurde eine „lutherisch“. Der als „fleißiger Lutheraner“ hölzerne Stiege mit „Türl“ erwähnt, die die bekannte landesfürstliche Hofkammerrat Schlachtbänke außerhalb der Stadtmauer von Praunfalkh stirbt (sein Haus mit den Geschäften in der Stadt verband. ist das Eckhaus Hauptplatz/Herrengasse; Im 19. Jh. Errichtung einer gemauerten der Sage nach bestand ein unterirdischer Stiege im Stil der Neugotik (Historismus). Geheimgang zum Schloss Hautzenbichl). 1948 wurde der aus der abgetragenen Die außerordentliche Gestaltung des Re- Spitalskirche stammende Grabstein des naissance-Grabsteins in der Stadtpfarr- 1563 verstorbenen Weltpriesters Andree kirche (jetzt Taufkapelle) dokumentiert die Khünigsfelder, in der Stiegenmauer (ehe- Rechtfertigung seines Glaubens in Bild und malige Stadtmauer) eingesetzt. 1594 wird Schrift. Die Stadt Knittelfeld bekennt sich Johannes Kepler Mathematiklehrer in 1572 auf dem „Winkellandtag“ in Bruck Graz, 1600 als Protestant ausgewiesen, zur lutherischen Lehre. Die Lutherstiege setzt er seine wissenschaftliche Arbeit in trägt den Namen von den lutherischen Prag fort. Seine protestantische Stiftsschule Hammerherren aus Ainbach, die sich so wird in das obenerwähnte Klarissinen- in der Reformationszeit einen eigenen Zu- kloster umgewandelt.

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Ehemaliges Praunfalk‘sches Freihaus. 25

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Lutherstiege, 19. Jh. Bischof Martin Brenner – Grab- platte, Bischofskapelle Seckau. 1600 Höhepunkt der Gegenreformation in Bis auf vier Ein- Knittelfeld. Eintreffen der „Reformati- wohner (diese onskommission“ gegen das Luthertum müssen Knittel- 37 unter Bischof Martin Brenner mit Mili- feld verlassen) tärbegleitung. Er trägt, einerseits den Bei- werden alle „katholisch“ gemacht. 400 namen „Apostel der Steirer“, andererseits Lutherbücher werden am Hauptplatz ver- „Ketzerhammer“ – malleus häreticorum: brannt. 1612 öffentliche Kundmachung: „Hammer“ auf Russisch „molot“, war auch „Wer zu Ostern nicht beichtet und kommu- Deckname des einstigen sowjetischen Re- niziert, wird nach Graz zitiert, muss den volutionärs und späteren Staatsvertrages – 10. Teil des Vermögens zahlen und die Hei- Außenministers Molot(ow) – (Hinweis von mat verlassen.“ 1628 erfolgt die Anordnung Benno Roth!). Die Bevölkerung muss sich Kaiser Ferdinands II., dass alle Adeligen am Hauptplatz versammeln und dem protestantischen Glaubens das Land zu ver- „Irrglauben“ des Luthertums abschwören. lassen haben.

1629 Ortolph von Teufenbach, Freiherr auf geht daraufhin ins Exil nach Regensburg. Landschach, Thann und Schielleiten (ihm Sein Besitz Gut Landschach mit dem gehört in der Stadt auch das nachmalige Adelssitz Schloss Landschach in Apfelberg Rathaus, das im 2. Weltkrieg zerstört wird) (heute völlig verschwunden) wird von den 26

Bürgern der Stadt gekauft; darüber berichtet das älteste Ratsprotokoll von Knittelfeld (Die Bürgergemeinschaft „Gut Landschach“ mit Besitz in Knittelfeld und Umgebung besteht noch heute). Die Gegenreformation kann als abgeschlossen bezeichnet werden, obwohl 1630 ein kirchlicher Bericht die Kri- tik anführt: „Es gibt noch Laue und Kalte“. In einigen Seitentälern hält sich jedoch der „Neue Glaube“: Geheimprotestantismus. Der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) belas- tet das Land lediglich durch hohe Steuern, 38 die die Bevölkerung verarmen lassen. Ehemaliges Teufenbach‘sches Freihaus – altes Rathaus.

1660 1660 besucht Kaiser Leopold I. Knittel- Türken bei Mogersdorf im heutigen Bur- feld, Seckau wird zum Markt erhoben. genland. Die auffallende Madonnensäule 1664 Sieg von Montecuccoli über die am Eisernen Tor in Graz erinnert daran. Die Muttergottes ist die Schutz- heilige bei Türkengefahr: die vielen Marienskulpturen und -bildnisse an den Häusern der Grazer Altstadt zeugen davon. 1664 erster großer Stadtbrand in Knittelfeld, ein weiterer Groß- brand ereignete sich 1742. Zwei Votivbilder über diese Ereignisse befinden sich im Rathaus. 1668 Hexenprozess in Paternion (Kärn- ten) gegen Regina Paumann wegen Wettermachens. Aus dem Protokoll ihres Geständnisses: „drei Jahre zu- vor sei sie während des Fahrens in Folge des Wetterschießens bei Knit- telfeld aus des Teufels Schoß auf ei- nen Stein herabgefallen und folglich krumm geworden“. Sie wird zum Tode verurteilt. 1670 wird das Koh- levorkommen in erst- 39 mals erwähnt. Erster großer Stadtbrand 1664. 27

1673, 1675 Hexenprozesse in Großlobming und Kobenz. Übliche Anklagen z. B. Wetterzau- ber, Viehsterben, Milchraub bei Kühen, Er- krankungen beim Menschen (z. B. „Hexen- schuss“). Die Stubalpe wird als Hexenberg angesehen, wo Hexensabbat und Teufels- treiben stattfindet. 1701 erfolgreiche Teu- felsaustreibung bei einer Köchin in Maß- weg. Stranitzky in typischer Haltung 40 1676 als Hanswurst. Josef Anton Stranitzky wird wahrschein- lich in Knittelfeld geboren. Er ist der Erfin- 1683 der des Wiener Hanswursts im Alt-Wiener Zweite Türkenbelagerung Wiens. Vor- Volkstheater und ein Meister der Stegreif- sorgliche Verlegung der landschaftlichen komödien. Im Wiener Theaterleben steht Behörden samt Kasse von Graz nach Ju- seine Kunst im Gegensatz zum erstarrten, denburg und Knittelfeld. Nach Sieg des schwülstigen Jesuitentheater. Daneben ab- vereinigten Entsatzheeres unter dem Polen- solviert er die Prüfung in Zahn- und Mund- könig Jan Sobiesky III. über die Belagerer heilkunde an der Universität Wien. Er stirbt Wiens ist die Türkengefahr für die Steier- 1726 als reicher Mann. 1680 wird in der mark endgültig gebannt. Steiermark das erste Mal „Kukuruz“ (Mais) angebaut. 1709 Die Kapuzinerkirche, mit Erlaubnis von Kaiser Leopold I. errichtet, wird eingeweiht. Das Grundstück außerhalb der Stadt stellte der Magistrat unentgeltlich zur Verfügung. Die Kirche wurde auf Wunsch der Knittelfelder Bürger errichtet, weil die Kapuziner „ … keine Güter, kein Eigentum, keine Kapitalien oder dergleichen an sich ziehen noch annehmen, sondern sich mit einigen Almosen, die man freiwillig an- bietet, begnügen.“ 1998 verlassen die Kapuziner, nach fast dreihundert Jahren, Knittelfeld – danach Rektorat der Diözese 41 Graz-Seckau. Kapuzinerkirche. 28

1713 1713 wird nach Abklingen der Pest die Er- die Bombenkatastrophe vom 23. Februar richtung einer Pestsäule gelobt und vom 1945, in der die Säule wie durch ein Wunder Judenburger Barockbildhauer Balthasar unversehrt geblieben ist. Prandstätter mit Skulpturen von vier Pestheiligen errich- 1726, die Semmeringstra- tet. Lateinische Aufschrift: ße wird unter Kaiser Karl „EX VOTO 1713“ (gemäß VI. ausgebaut, womit eine dem Gelübde 1713). Domi- sichere Verbindung zwi- nierend, auf dem Kapitell schen Wien und dem Sü- einer hohen Säule stehend, den, insbesondere dem ös- die Mutter Gottes. Die As- terreichischen Hafen Triest sistenzfiguren stellen den Hl. hergestellt wird („Triester Sebastian und den Hl. Rochus Bundesstraße“). dar, der die am entblößten linken Bein durch Engelshilfe 1734–1758 ist St. Johann heilende Pestbeule zeigt. Die im Felde aufgrund eines Figur in der Nische zeigt die angeblich wundertätigen Hl. Rosalia. Die ersten zwei Marienbildes eines hie- Inschrifttafeln am Sockel sigen Schusters Marien- dürften zwischen 1820 und wallfahrtsort. Mit Spen- 1840 hergestellt worden sein dengeldern beginnt man und beziehen sich auf die mit dem Bau eines Kirch- unten angeführten Jahres- turmes, dieser wird jedoch zahlen der vier Franzosen- 42 nicht fertig gestellt (jetzt Einmärsche und der großen Pestsäule. Vorhalle zum romanischen Stadtbrände. Die dritte Tafel (Verse von Westportal). 1760 erstmaliger Anbau von Musikschuldirektor Walter Titz) erinnert an Erdäpfeln in der Steiermark. 1748 Das Land Steiermark wird unter Maria The- von „Kretins“, ist jedoch vom Chorgesang resia (*1717, †1780) in fünf Kreise eingeteilt, „dieser Wilden“ begeistert. Das vorwiegend Knittelfeld gehört zum großen Judenburger durch Jodmangel verursachte Auftreten Kreis. (Knittelfeld konnte sich erst 1946 als von Kröpfen und Kretinismus war in der selbstständige Bezirksstadt von der Juden- Steiermark bis zur Einführung des jodierten burger „Bevormundung“ lösen.) 1748 hält Speisesalzes bzw. der Schilddrüsenhormon- sich der berühmte englische Philosoph Therapie ein häufigesK rankheitsbild. Ein David Hume in Knittelfeld auf. Ihn scho- angeborener Schilddrüsenhormon-Mangel ckiert das Aussehen vieler Bewohner mit ih- führt zu Kretinismus, einer hochgradigen ren „geschwollenen Hälsen“ und der Anblick geistigen Behinderung und Minderwuchs. 29

1751 schlägt der Versuch, den Bergbau in die Füllhöhe seiner Weinfässer durch Ab- Oberzeiring wieder aufzunehmen wegen klopfen feststellte (Adressen des LKH Graz: fortlaufender Wassereinbrüche fehl. 1754 „Auenbruggerplatz“). 1774 wird von Maria Errichtung einer Poststelle in Knittelfeld. Theresia die „Allgemeine Schulordnung“ 1761, der als Sohn eines Grazer Gastwirtes und Schulpflicht für 6- bis 12-Jährige ein- geborene Wiener Arzt Leopold Auenbrugger geführt (1869 Trennung des Schulbetriebes erfindet die medizinische Untersuchungs- von der jeweiligen Pfarre). 1776 Aufhebung technik des Abklopfens (Perkussion). Als der Folter. Kind hatte er beobachtet, wie sein Vater

1781 Der Reformkaiser Joseph II. (1765–1790), Sohn Maria Theresias sieht sich den Ideen der Aufklärung verpflichtet „Aufgeklärter Absolutismus“. Er hebt mit dem Unterta- 43 nenpatent die Leibeigenschaft auf und erlässt das Toleranzpatent, in dem er das Grabstein des Stadtrichters Franz Huber – Kirche St. Johann im Felde. Recht auf freie Religionsausübung für alle protestantischen Bekenntnisse und für die 1783 wird der Bischofssitz nach 565 Jah- Griechisch-Orthodoxe Kirche gestattet. Nur ren von Seckau nach Graz verlegt (Diözese wenige Jahre zuvor noch hatte seine Mutter „Graz-Seckau“), der Grazer Dom 1786 zur Evangelische aus der Obersteiermark in den Kathedralkirche erhoben. 1786 Josephi- Banat und nach Sie- nische Pfarr- und benbürgen verbannt. Diözesanregulierung. Die Kinder mussten Eine neue Diözese zurückbleiben und Leoben mit Bischofs- wurden katholisch sitz im 1782 aufgeho- erzogen. Aus Hygiene- benen Benediktinerin- gründen müssen Be- nenkloster Göß (es war erdigungen in Fried- das älteste Kloster der höfen außerhalb der Steiermark, Gründung Städte durchgeführt um 1000) wird ge- werden – der Friedhof schaffen, sie umfasst um die St. Johann-Kir- die Kreise Judenburg che wird zum Knittel- (somit Knittelfeld) und felder Stadtfriedhof. Bruck. Zur neuen Diö- 1782 wird von Kaiser zese Seckau gehören Joseph das Augusti- die Kreise Graz und ner-Chorherren-Stift 44 Marburg (also ohne Seckau aufgehoben. Kaiser Josef II. – Reiterstandbild, Wien, Josefsplatz. Seckau!). 1859 wird die 30

Diözese Leoben aufgehoben und das Gebiet wieder mit Graz-Seckau vereinigt. 1788 wird der Floßmeister Josef Weninger im Rahmen der Magistratsreform zum ersten Knittelfelder Bürgermeister gewählt. Sein Vorgänger war der letzte Stadtrichter, der Floßmeister Franz Huber, dessen aufwen- dig gestalteter Grabstein (am ältesten Grab des St. Johann-Friedhofs, links vom Südein- gang der Friedhofskirche), im Dreieck- Giebel die naturgetreue Abbildung eines Floßes mit Ladung schmückt.

1793

Erste Knittelfelder Feuerlöschverord- 45 nung, in der jedem Bürger im Brandfalle sei- Kaiser Franz I. von Österreich – Freiheitsplatz Graz. ne eigene verpflichtende Hilfeleistung vor- geschrieben wird. Seit der Französischen der Angst vor revolutionären Ideen und Revolution 1789 wird der aufklärungs- Gruppierungen im Lande beherrscht. 1794 feindlich gesinnte absolutistisch regie- werden im sogenannten Jakobinerpro- rende Römisch-deutsche Kaiser Franz II. zess in Wien Todesurteile und langjährige (*1768, †1835, ab 1806 als Franz I. „nur Kerkerstrafen wegen Landesverrates ver- mehr“ Österreichischer Kaiser), der äl- hängt (Jakobiner: radikale französische teste Bruder von Erzherzog Johann, von Revolutionäre).

1795 Der liberal gesinnte Knittelfelder Bürgermeister, Floß- meister und Hammergewerke Josef Weninger aus Ain- bach (*1762, †1833) wird wegen des Verdachtes, revo- lutionären Jakobinerkreisen anzugehören, verhaftet und unter der Anklage des Landesverrates, eines mit Todesstrafe bedrohten Staatsverbrechens, beinahe zwei Jahre in Wien in Untersuchungshaft gehalten. Nach Bittgesuchen der Bürgerschaft und nicht zuletzt seiner Frau wird er ohne Schuldspruch entlassen (Beethovens Oper Fidelio aus dem Jahre 1805 hat ebenfalls die Befrei- ung eines Unschuldigen aus Kerkerhaft durch Gattenlie- be zum Inhalt). 1974 wurde das vom Großlobminger Dra- 46 matiker Alfred Seebacher-Mesaritsch anlässlich des 750. Josef Weninger mit Ehrenmedaille. 31

Jubiläums der erstmaligen Stadtnennung „Goldene Zivile Ehrenmedaille“ (als Wie- verfasste Theaterstück „Der Bürgermeister“ dergutmachung?). Die Prozessunterlagen in Knittelfeld aufgeführt. 1800: Erzherzog waren bis 1918 (!) im privaten kaiserlichen Johann (*1782, †1859) überreicht Wenin- Handarchiv verschlossen und nicht zu- ger persönlich die vom Kaiser verliehene gänglich.

1797 Erster Koalitionskrieg (Koalition lat. = sie bringt schwere Belastungen der Bevöl- Bündnis) gegen Frankreich (1792–1797, mit kerung durch Einquartierung und Zwangs- Preußen). General Napoleon schlägt nach abgabe von Lebens- und Futtermitteln so- seinem erfolgreichen Feldzug in Oberitali- wie Ausrüstungsmaterial. 1799 ziehen im en und Kärnten am 6. April im Pfarrhof in zweiten Koalitionskrieg (1799–1802, mit Judenburg für drei Tage sein Hauptquartier England und Russland) eine Woche lang auf und unterzeichnet hier einen Waffen- auf Seiten Österreichs kämpfende russi- stillstand. Anschließend ist Napoleon für sche Truppen durch Knittelfeld nach Itali- einen Tag in Knittelfeld. Am 18. April un- en. Ende 1800 erneuter Franzosenein- terzeichnet er den so genannten Vorfrieden marsch mit zweimonatiger Besetzung zu Leoben. Der endgültige Friedensschluss der Stadt. Dritter Koalitionskrieg (1805, zwischen Österreich und Frankreich er- mit England, Russland und Schweden), folgte erst sechs Monate später in Campo- Gefecht in Aichdorf. Noch ärgere Belastun- formio. Die französische Besatzungszeit gen der Knittelfelder Bevölkerung durch die dauert in Knittelfeld an die drei Wochen, französische Besatzung.

Gefecht von St. Michael, 1809, Diorama mit 47 Walpurgis-Kirche. 32

1809 Neuerlicher Krieg gegen Frankreich. Zum Tirol, der letztlich misslingt. Hofer unter- vierten Mal Einquartierung innerhalb schreibt seinen Abschiedsbrief an Erzher- von 12 Jahren von französischem Militär zog Johann mit den Worten: „der armbe, in Knittelfeld. Die Fran- verlassene ßinder Andre zosen besiegen auf ihrem Hofer“. 1811 Gründung weiteren Vormarsch unter des ersten öffentlichen General Eugene Beau- Museums in Österreich, harnais, dem Stiefsohn des Joanneums durch Napoleons, mit 18.000 Erzherzog Johann. 1813 Mann die 8.000 Mann wird der Plan einer neu- starken österreichischen erlichen Volkserhebung Truppen bei St. Michael in Tirol unter Führung zwischen Walpurgiskir- Erzherzog Johanns verra- che und Mur. Auf österrei- ten. Daraufhin verbietet chischer Seite zählt man Kaiser Franz seinem Bru- 400 Gefallene, die franzö- der jegliche politische Be- sischen Verluste betragen tätigung und belegt ihn nicht einmal die Hälfte. mit Aufenthaltsverbot Das auffallende Denkmal 48 für das Land Tirol. Jo- in St. Michael erinnert Erzherzog Johann – Gemälde hann übersiedelt nun als an dieses Gefecht. Erz- von L. Kupelwieser. Privatmann in die Stei- herzog Johann ermuntert Andreas Hofer ermark, wo er als Erneuerer und Förderer trotz bereits erfolgtem Waffenstillstand (in von Wissenschaft, Kultur, Technik, Indus- der Hoffnung auf spätere Unterstützung trie, Landwirtschaft und sozialem Fort- durch Kaiser Franz) zum neuerlichen Auf- schritt zum volkstümlichen Steirischen stand gegen die französischen Besatzer in Prinzen wird.

1815 Neuordnung Europas durch die „Schluss- Zeitraum bezieht sich auf die gesellschaft- akte“ des Wiener Kongresses nach der liche Situation der „Inneren Emigration“, endgültigen Niederlage Napoleons bei Wa- mit Zirkelbildungen und „Schubertiaden“, terloo. Der folgende Zeitabschnitt bis zur sowie auf Kunst und Mode. Die von Erzher- Revolution im März 1848 wird später in zog Johann neu gegründete Radmeister- Hinblick auf die unterdrückten liberalen Communität Vordernberg erwirbt 1823 Bestrebungen in einem von Staatskanz- die Stiftsherrenschaft Seckau mit Stift ler Metternich diktierten Polizeistaat als und Waldbesitz (Holzkohlenerzeugung). „Vormärz“ bezeichnet. Der verklärende Grenzsteine mit der Abkürzung „R. C.“ sind Ausdruck „Biedermeier“ für denselben noch heute zu finden. Nach dem durch die 33

langjährigen Franzosenkriege verursach- tum schuf er sich in den napoleonischen ten wirtschaftlichen Niedergang kommt es Kriegen als Heereslieferant der kaiserlichen in der Mitte des 19. Jh. zum wirtschaft- Armee. Später demonstriert seine Firma lichen Aufschwung in der Steiermark. Die ihre Leistungsfähigkeit durch Lieferung der Industrielle Revolution durch Nutzung Glieder für die zwei Kettenbrücken (jetzt der Dampfkraft, Einsatz moderner Tech- Kepler- und Hauptbrücke) in Graz und die nologie im Eisen- und Stahlwesen sowie heute noch bestehende große Kettenbrücke den Bau der ersten Eisenbahnstrecken hat in Budapest (1840–1849). 1827 kauft er un- auch bei uns Einzug gehalten. Als herausra- ter anderem auch Herrschaft und Schloss gende Persönlichkeit im steirischen Eisen- Großlobming von wo aus er sein Imperi- wesen dieser Zeit ist der Unternehmer und um verwaltet (seit 1980, nach Renovierung „Frühkapitalist“ Joseph Sessler (*1768, und Ausbau Hauswirtschaftsschule). 1838 †1842) zu nennen, der vom Gastwirt und Gründung der ersten Apotheke am Haupt- Postmeister in Vordernberg zum Besitzer platz. des riesigen Sessler‘schen Wirtschaftsim- periums (Eisenindustrie, Landwirtschaft, 1840 Gründung der Steiermärkisch-Stän- Forstbesitz) aufsteigt. Er wird in der ersten dischen Montan-Lehranstalt in Vordern- Hälfte des 19. Jh. zu einem der einfluss- berg (Vorläuferin der Montanuniversität reichsten und mächtigsten Männer in der Leoben) durch den steirischen Technik-Pio- Steiermark. Die Grundlage für seinen Reich- nier Peter Tunner.

1842 Größter Stadtbrand in der Geschichte Knit- Erbe ist der Enkel Viktor Felix, der im Roman telfelds, ein Großteil der Häuser wird zer- „Jakob der Letzte“ von Peter Rosegger als stört. In der ersten Hälfte des 19. Jh. werden der unermesslich reiche „Kampelherr“ zu die Stadtbefestigungen aus dem 14.–16. Jh. großteils abgetragen. So die drei Stadttore (Judenburger- oder Turmtor, Leobner Tor am Stadthügel sowie Lobminger- oder Kirchtor) und Teile der Stadtmauer. Der Rundturm (jetzt an der Ecke Wiener Straße/Marktgas- se) und der Rest eines kleinen Turmes neben der Stadtpfarrkirche bleiben erhalten. Der Westarm des Stadtbaches wird vor 1825 trocken gelegt. Dem einstigen Bachver- lauf folgend wird später die Schmittstraße gebaut (Bürgermeister Schmitt, Amtszeit 1866–1872). Joseph Sessler stirbt und wird in dem für ihn geschaffenen Mausoleum 49 im Friedhof Großlobming beigesetzt. Sein Mausoleum Sessler – Friedhof Großlobming. 34

literarischen Ehren gelangt. Weltkrieg wegen Bomben- 1842 wird Nikolaus Forcher schäden abgetragen. 1843 von Ainbach (*1808, †1861), Geburt von Peter Rosegger Sohn eines Knittelfelder Bä- in Alpl bei Krieglach. Sei- ckers, sowie Großneffe und ne Familie väterlicherseits später Erbe von Josef Wenin- stammt aus der Glein. Knit- ger geboren. Er wird Besitzer telfeld hat 985 Einwohner, des Ainbacher Hammer- es sind vorwiegend „Acker- werkes und sollte durch bürger“ – zu jedem Bürger- 18 (!) Jahre das Knittelfel- haus gehört eine Landwirt- der Bürgermeisteramt in- schaft vor der Stadtmauer. nehaben. Das Forcher‘sche 1847, Errichtung eines Stahl- Herrenhaus in Ainbach werkes in Judenburg, 1850 in 50 wurde nach dem Zweiten Zeltweg. Peter Rosegger.

1848 Die durch die März-Revolution in Wien errungenen Freiheiten wirken sich auch in Knittelfeld aus. Kaiser Ferdinand I. geneh- migt am 15. März die allgemeine Volksbe- waffnung, das Ausarbeiten einer Verfas- sung (Konstitution) und die Pressefreiheit. Nikolaus Forcher wird Anführer der neu gebildeten Knittelfelder Nationalgarde und als Abgeordneter für den Wahlbezirk Judenburg in den erstmals konstituier- ten Österreichischen Reichstag gewählt (einer von 21 steirischen, bei insgesamt 283 Reichstagsabgeordneten). Forcher wird im Bericht des Judenburger Kreishauptman- nes nach Graz als ein etwas hitziger, aber so- lider und rechtschaffener Mann bezeichnet. Der Reichstag wird am 22. Juli 1848 vom nunmehr schon 66-Jährigen von der Frank- furter Nationalversammlung zum Reichs- verweser gewählten Erzherzog Johann eröffnet. Dieses Erste österreichische Parlament tagt in der Winterreitschule 51 in Wien (jetzt Spanische Hofreitschule mit Wehrturm. 35

ren das Monogramm Kaiser Ferdinands I. mit dem Datum, an dem die allgemeine Volksbewaffnung, das Verfassen einer Kon- stitution und die Pressefreiheit entschie- den wurden. Dieses wertvolle Symbol der Hoffnung auf Freiheit und Demokratie be- findet sich noch heute im Besitz der Stadt- gemeinde. Fahnenstifterin ist Katharina Sessler, die Enkelin von Joseph Sessler. Der Bericht des Kreishauptmannes drückt die Aufbruchstimmung der Knittelfelder Be- 52 völkerung deutlich aus. Im Oktober 1848 Fahne der Knittelfelder ziehen obersteirische Nationalgarden, Nationalgarde. möglicherweise auch die aus Knittelfeld, nach Wien, um den Revolutionären beizu- Lipizzanervorführungen). Forcher nimmt stehen, sie werden jedoch am Semmering hier an der Abstimmung über den Antrag vom Militär abgewiesen. Das revolutionäre Hans Kudlichs zur sogenannten Bauern- Wien wird von den kaiserlichen Truppen befreiung (Grundentlastung) teil. Auf die erobert, die Revolution in Österreich ist politische Arbeit dieses Reichstages gehen fehlgeschlagen. Ausspruch eines Revolu- darüber hinaus wesentliche zentrale tionärs vor der Hinrichtung: „Uns könnt Gesetze unserer heutigen Demokratie ihr erschießen, unsere Ideen nicht!“ Im zurück! Dezember 1848 dankt Kaiser Ferdinand in Olmütz ab. Der „blut“-junge (wegen der Am 17. September findet am Hauptplatz in gegen Revolutionäre gefällten Todesur- Knittelfeld die Fahnenweihe der Knittel- teile) Franz Josef besteigt den Thron. felder Nationalgarde statt (sie zählt 99 Mann). Stellvertreter von Forcher ist Dr. Friedrich Müller, der erste in Knittelfeld mit Universitätsausbildung (!) praktizieren- de Arzt, der 1860–1861 Nachfolger Forchers als Bürgermeister wurde (die medizinische Versorgung der Bevölkerung liegt ansonst in den Händen der „Wundärzte“/Chyrur- gen). Abordnungen aus Judenburg, Ober- zeiring, und Leoben nehmen daran teil. Die Knittelfelder Fahne trägt auf einer 53 Seite das Wappen der Stadt, auf der ande- Gedenktafel an der Spanischen Hofreitschule Wien. 36

Am 7. März 1849 wird der Reichstag, der am 22. Ok- tober 1848 nach Kremsier bei Olmütz (heute Tschechi- en) verlegt worden war, mit Waffengewalt aufgelöst, Nikolaus Forcher kehrt nach Knittelfeld zurück. Der Neo- Absolutismus hat gesiegt. 1849 Gründung der Gen- darmerie. 1851 Auflösung der Nationalgarden.

Herrenhaus Weninger – Forcher 54 in Ainbach.

1854 Die Semmeringbahn wird von Karl Ritter von Ghe- ga fertig gestellt. Der Verlauf der Bahnstrecke wurde von Erzherzog Johann entgegen dem Plan einer Strecke über Westungarn, aus militäri- schen, nicht zuletzt jedoch wirtschaftlichen Gründen für die Obersteiermark durchge- setzt. 1859 stirbt Erzherzog Johann in Graz, lässt sich jedoch aus alter Treue zu Ti-

rol in Schenna bei Meran in 55 Südtirol begraben. Nikolaus Viadukt – Kalte Rinne Semmeringbahn. Forcher stirbt 1861, er wird in der noch bestehenden Familiengrabstät- Stahlerzeugung). 1865 liefert das bedeu- te im St. Johann Friedhof beigesetzt. 1863 tendste Eisenwerk der Obersteiermark, die geht in Turrach (!) die erste Bessemerbir- Hugo-Hütte in Zeltweg (Kohle aus Fohns- ne des Kontinents in Betrieb (Vorläuferin dorf!) die Dachkonstruktion für den Bau der des österreichischen LD-Verfahrens zur Staatsoper in Wien. 37

1868 Knittelfeld ist Bahnstation! Aufnahme des Zugverkehrs der k. k. privilegierten Kron- prinz Rudolf-Bahn St. Valentin – Tarvis – Laibach. In der Steiermark werden anstelle der Kreiseinteilung politische Bezirke ge- schaffen. Knittelfeld gehört zum Bezirk Ju- denburg. 1869 wird die Hauptwerkstätte der Bahn errichtet. Unsere ehemals von Kleinbürgertum und bäuerlicher Umge- bung geprägte Kleinstadt wird zur Indus- 56 triestadt, sie „tritt aus dem Schatten“ der Bahnhof Knittelfeld mit Lok der Kronprinz Rudolf-Bahn. Bezirksstadt Judenburg. Der Eisenbahnbau bewirkt einen beachtlichen wirtschaftli- Initialen „R“ als beidseitige Henkel. 1874 chen Umschwung und eine soziale Um- wird die Haardt’sche Metallwarenfabrik, schichtung der Bevölkerung. Knittelfeld heute Austria Email AG, auf dem Gelände ist nun eine Arbeiterstadt („Eisenbahner- der 1456 erstmals erwähnten Moosmüh- stadt“) und hat 2.018 Einwohner. 1869 le errichtet. Im selben Jahr Eröffnung der Reichsvolksschulgesetz: die Schule ist un- Kärntner Volksschule, das alte Schulhaus ter staatlicher Obhut, Schulpflicht 8 Jahre, in der Kirchengasse hat ausgedient. In Zelt- kein Schulgeld. 1871 Gründung der Frei- weg wird der erste Kokshochofen der Stei- willigen Feuerwehr. 1872 Spitalsbau (an ermark angeblasen. 1876 Errichtung des der Stelle des jetzigen Kulturhauses). 1873 Siechenhauses (heute Landespflegezent- wird der Pfannhammer in der Sachendor- rum) in der Gaaler Straße. 1881 Gründung fergasse durch Brand zerstört. An einem der Alpine Montangesellschaft durch Zu- noch bestehenden Gebäude (jetzt Elekt- sammenschluss von sieben Eisenwerken. romotorenbau Kunz) findet sich noch das 1883 wird Seckau durch Beuroner Bene- Firmenzeichen des ehemaligen Besitzers diktiner (aus dem Mutterkloster Beuron in Reindl von Reindlingen: eine Pfanne mit den Baden-Württemberg) wiederbesiedelt.

Viadukt – Kalte Rinne Semmeringbahn.

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k. k. Staatsbahn-Werkstätte. Abtei Seckau. 38

1885 Petition der Stadt für den Bahnanschluss 1900 Spitalsneubau in der Gaaler Straße. von Wolfsberg an die Kronprinz Rudolf- 1901 Gründung der Ortsgruppe der Natur- Bahn. 1889 Petition für ein nicht verwirk- freunde. lichtes Lokalbahnprojekt Knittelfeld – Köf- lach. Verbot der Fabriksarbeit für Kinder unter 14 Jahren. Nach 1887 Verlegung des Lebensmittelmagazins für Bedienstete der k. k. Staatsbahnen von Steyr nach Knittelfeld, in die Leobner Straße. Die an- fangs nur für Eisenbahner vorgesehene günstige Einkaufsmöglichkeit entwickelte sich später zur Konsumgenossenschaft 59 Knittelfeld für jedermann. Nach Abriss eines später angebauten Hauses ist jetzt Krankenhaus, 1900. die Original-Aufschrift auf dem Stamm- haus noch sichtbar. 1890 die Feuerbäche 1902 in der Herren- und Frauengasse werden Das Testament des Arztes und Vizebürger- zugeschüttet. 1892 Gründung der Städti- meisters Dr. Anton Pölz ermöglicht die Er- schen Musikschule. 1894 erstes offizielles richtung des Knittelfelder Stadtparkes. Die Fußballspiel Österreichs in Graz. 1894– in Knittelfeld geborene Seraphine Puch- 1898 erster Kanalbau. 1899 Eröffnung leitner promoviert als erste Frau an der der städtischen Wasserleitung aus der Universität Graz (Geschichte und Geogra- Graden mit Hochbehälter in Sachendorf. phie). Der spätere Nobelpreisträger Wagner Jauregg verteilt in Knit- telfeld Schilddrüsenta- bletten zur Vorbeugung von Kropfwachstum und Kretinismus. 1903 Eröffnung der Real- schule in der Kärntner Volksschule sowie der Roseggerschule (Juden- burg hatte von 1820 bis 1857 ein k. k. Gymnasi- um der Benediktiner, das Bundesrealgymnasium wurde erst 1941 eröff- 60 61 net!). 1905 Elektrische Dr. Anton Pölz, Relief Stadtpark. Dr. Seraphine Puchleitner, Kriegsgefangenenlager. Promotionsfoto 1902. 39

Beleuchtung der Stadt. 1907–1908 Errichtung der Realschule. 1907 Einführung des Allge- meinen Wahlrechts, nur für Männer (!). Ers- ter Elektrostahlofen der Monarchie geht in Juden- burg in Betrieb. 1910 be- trägt die Einwohnerzahl 9.947 Personen. 1912 Eröffnung des ersten Kinos, des Stubalpen- kinos. 62 Roseggerschule, 1903. 1914 Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Er- 1917/1918: Eisenbahnerstreiks wegen richtung des Russenlagers für 33.000 Hunger! Der November 1918 markiert (Höchstzahl) Kriegsgefangene. Die „Zei- eine Zeitenwende: „Eine Welt geht un- linger-Villa“ in der Anton-Regner-Straße ter“: 3. November: Ende des Ersten Welt- (das ehemalige Offiziershaus der Wach- krieges, 11. November: Kaiser Karl I. tritt mannschaft) sowie das Pumpenhaus zurück, 12. November: Ausrufung der für die Wasserversorgung des Lagers, sind Republik „Deutsch Österreich“. 27. No - markante Relikte. Die Kriegsjahre sind vember: Neue Wahlordnung wird Gesetz: Jahre des Hungers und der Wohnungsnot Frauen erhalten erstmals das Wahlrecht!

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Kriegsgefangenenlager. Ehemaliges Offizierswohnhaus, später Zeilinger-Villa. 40

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Schutzbund-Aufmarsch Hauptplatz, 1928. 1919 1919 Im Staatsvertrag von St.-Germain- zu starken politischen Gegensätzen, zu en-Laye bei Paris („Der Rest ist Österreich“) politischem Hass und radikalen Feind- wird die Untersteiermark (ein Drittel der bildern. Bewaffnete paramilitärische Fläche und der Bevölkerung der Steiermark) Organisationen, der sozialdemokratische abgetrennt. Der Staatsvertrag (nicht Frie- „Republikanische Schutzbund“ und die densvertrag) wird vom Staatskanzler Karl christlichsoziale „Heimwehr“ entstehen. Renner „unter feierlichem Protest vor aller Streikaufrufe, Kampfparolen, Demonstra- Welt“ unterzeichnet. 1919 übernimmt die tionen, Massenaufmärsche, geheime Waf- Stadtgemeinde Knittelfeld das ehemali- fenlager und Zusammenstöße prägen die ge Kriegsgefangenenlager samt Werkstät- politische Landschaft. 1924 Schilling und ten. Die Baracken dienen als Notunterkunft Groschen an Stelle von Krone und Heller. für die notleidende Bevölkerung. Ein neuer 1925 geht der erste Radiosender der Stei- Stadtteil – die „Neustadt“ entsteht. 1921 ermark in Betrieb. 1926 Errichtung des Gründung der Sektion Knittelfeld des Öster- Steinplan-Schutzhauses. 1927 Eröffnung reichischen Alpenvereins sowie des ers- der Landschacher-Volksschule. 1930 die ten Knittelfelder Fußballklubs Red Star. Die Knittelfelderin Inge Griemberger wird Miss schlechte Wirtschaftslage mit Inflation, Austria und der Obersteirische Molkerei- Hunger und Massenarbeitslosigkeit führt ring Murboden gegründet.

1933 März: Ende der Demokratie nach Selbst- spätere Bürgermeister Portnigg sowie der ausschaltung des Parlamentes – Regierung spätere Staatssekretär Eibegger), Todesur- Dollfuß. Rechnungshofbericht 1933 und teile. 1. Mai 1934 Einparteienregierung 1935: die Gemeinde Knittelfeld ist auf der Vaterländischen Front unter Bun- Grund ihrer extremen Verschuldung kon- deskanzler Dollfuß, Ständestaat „Austro- kursreif! Februar 1934 Bürgerkrieg, Er- faschismus“. Juli 1934 Putschversuch der hebung des Republikanischen Schutzbun- Nationalsozialisten, Dollfuß wird ermor- des, Standrecht, Verhaftungen (darunter det, Schuschnigg folgt als Kanzler. 1936 in Knittelfeld Altbürgermeister Regner, der Einweihung der Evangelischen Kirche. 41

1937 Neubau des Postgebäudes auf dem Kapuzinerplatz mit Giebelbemalung durch den Grazer Künstler Ernst von Dombrovsky (berühmt als Meister der Holzschnittkunst). Das Postgebäude wird zu einem Wahrzei- chen der Stadt. 1937, triste Arbeitsmarkt- situation in der Steiermark: auf eine freie Stelle kommen 22 Stellungssuchende.

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Bundesheer am Hauptplatz, 1934.

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Postgebäude. 1938 März: Anschluss Österreichs an Hitler- Deutschland wird verkündet. Im April durch Volksabstimmung bestätigt – Ende 68 der Ersten Republik (neue Währung: NS-Gedenkfeier am „Adolf-Hitler-Platz“ Reichsmark und Pfennig). Hitler hält auf (Hauptplatz), 1938. seiner Durchreise unter großem Jubel am Bahnhof Knittelfeld. Der Hauptplatz wird und Krebsenbach überfluten die Stadt. Sep- in Adolf-Hitler-Platz umbenannt, ebenso tember 1938: Vollbeschäftigung in der erhalten manche Straßen neue Namen. Der Steiermark! 1939, die Flößerei auf der Mur Gemeindehaushalt wird durch das NS-Re- wird eingestellt, Flößer der Familie gime entschuldet. Jüdische Familien wer- Ritzinger aus St. Lorenzen betrieben als den aus Knittelfeld vertrieben, der Juden- letzte dieses traditionsreiche, aber harte friedhof an der Lendgasse erinnert an diese und gefahrvolle Gewerbe. 1. September ehemaligen Bewohner der Stadt. Beseiti- 1939: Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. gung der Arbeitslosigkeit durch Aufträge 1941: 77 behinderte Pfleglinge des Sie- der Rüstungsindustrie und Abwanderung chenhauses (heute Landespflegezentrum) von Fachkräften nach Deutschland. Im Mai werden nach Hartheim bei Linz gebracht Hochwasser, Überschwemmungen durch und ermordet (nationalsozialistische Be- Mur und Begleitbäche im Aichfeld, Stadt- gründung: „unwertes Leben“). 42

1944–1945 Schwere Bomben- und Tieffliegerangriffe auf Knittelfeld. Die angloamerikanischen Flugzeuge starten von Foggia in Apulien aus (der Stadt, wo sich einst die prachtvol- le Residenz von Kaiser Friedrich II. befand). 23. Februar 1945, Schreckenstag: Ein Flächenbombardement verursacht schwe- re Zerstörungen in der Stadt und den Be- trieben. Dieser Bombenangriff fordert 235 Todesopfer. Allein 20 Tote liegen unter

den Trümmern der Stadtpfarrkirche Knit- 69 telfeld. Die Stadt ist im Verhältnis zu ihrer Russischer Posten – Kapuzinerplatz. Größe die nach Wiener Neustadt am zweit- stärksten zerstörte Stadt Österreichs. Die werden: Adolf Schärf (SPÖ), Leopold Figl Bombenangriffe richten sich in erster Linie (ÖVP) und Johann Koplenig (KPÖ), der ehe- gegen die kriegswichtigen Bahnanlagen malige Knittelfelder Schustergeselle. Diese („Räder müssen rollen für den Sieg“) und Regierung wird erstaunlicherweise im Ok- den Rüstungsbetrieb Austria Email, die Zer- tober auch von den westlichen Alliierten störungen in der Stadt sind „Kollateralschä- anerkannt. Die Fehleinschätzung Stalins in den“. Nach der Befreiung Wiens wird am der Person Renners (er wurde nicht zur Ma- 27. April (noch vor Kriegsende am 8. Mai rionette zum Aufbau einer Volksdemokratie 1945) unter russischer Patronanz eine in Österreich) bewahrte uns vor einer Zu- Provisorische Staatsregierung gebildet: kunft hinter dem „Eisernen Vorhang“. Ab Geburt der Zweiten Republik, Österreich 11. Mai liegt Knittelfeld in der Russischen wird in vier Besatzungszonen unterteilt. Besatzungszone, am 24. Juli wird die Zo- Auf Befehl Stalins wird Karl Renner zum nengrenze an den Semmering verlegt und Staatskanzler ernannt, Staatssekretäre die Steiermark gehört zur Gänze zur Eng- lischen Besatzungszone. Das wichtigs- te Dokument der Nachkriegsjahre ist der Identitätsausweis in vier Sprachen mit ins- gesamt zwölf Stempeln, den jeder ab 15 Jah- ren bei sich tragen muss. Die Stadtgemeinde nimmt nach Bombentreffer des Rathauses Quartier im ehemaligen Spital in der Gaaler Straße. 25. November, Erste Nationalrats- wahl: ÖVP 85, SPÖ 76 und KPÖ 4 Mandate. Karl Renner wird Präsident der Zweiten Re- publik. Dezember 1945: Währungsreform: 70 Schilling und Groschen kehren wieder. 23. Februar 1945. 43

1946 Knittelfeld wird Bezirksstadt. Die Bezirkshauptmannschaft ist übergeordnete Verwaltungsbe- hörde für die Stadt und die Ge- meinden des Bezirkes. Das Leben der Nachkriegszeit ist geprägt vom Mangel an allem, vor al- lem Nahrung und Wohnungen. Zusätzlich belastet viele Men- schen die Trauer um die Gefal- lenen oder Ermordeten und die 71

Sorge um die kriegsgefangenen KZ-Mahnmal, 1953 errichtet. oder vermissten Väter und Söh- ne. Begriffe wie Entnazifizierung, Lebens- BRG. Eröffnung der neugeschaffenen Bun- mittelkarten „hamstern“, Schleichhan- desstraße nach Kobenz. Die alte Hauptstra- del, Schwarzmarkt, Schulausspeisung, ße über Gobernitz wird zur Landesstraße CARE-Pakete, ERP-Hilfe (Marshall-Plan „degradiert“. 1950 entsteht auf dem über – European Recovery Program) prägen die den Hausruinen des Stadthügels abgelager- ersten Jahre des Wiederaufbaues. 1948 ten Bombenschutt der Stadt die Weninger- Verkaufsausstellung „Oberlandschau“ in bastei. Der Name wird vom Lokalhistoriker den Gebäuden der Kärntnerschule und des Lois Hammer vorgeschlagen.

1951 Bahnhofsneubau. In Knittelfeld wird ein daten verlassen Österreich. 1956 Ungarn- russischer Spionagering aufgedeckt. 1953 Aufstand. Die Steiermark nimmt 20.000 Bau des Volkshauses am Kapuzinerplatz ungarische Flüchtlinge auf, auch in Knit- (auf dem Grund des einstigen Heiligen- telfeld werden Flüchtlinge betreut. Im Geist-Spitals mit Kirche). Einweihung des selben Jahr Einweihung der wieder aufge- Mahnmals für die Knittelfelder Opfer bauten Stadtpfarrkirche unter dem neuen des Faschismus am Bahnhofsplatz. Der Patrozinium „Christus der König“ (ab 1945 Entwurf stammt von der weltberühmten diente St. Johann im Felde als provisorische Architektin und einstigen Widerstands- Pfarrkirche). Die Glasfenster (eines stiftete kämpferin Margarete Schütte-Lihotzky die Stadtgemeinde Knittelfeld), werden vom (*1897, †2000), einer Schülerin von Adolf Salzburger Maler Albert Birkle geschaf- Loos, Pionierin des sozialen Wohnungs- fen (gebürtiger Berliner, Künstlerkollege baues in Europa. 1955 Staatsvertrag: zehn von Käthe Kollwitz und Bert Brecht). Nach Jahre nach der Befreiung erhält Öster- dem Zweiten Weltkrieg gestaltete er auch reich auch die Freiheit. Die Besatzungssol- Glasfenster für Washington, Salzburg und 44

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Wiedererrichtete Stadtpfarrkirche, 1956. Bahnhof nach Wiederaufbau, 1951.

die Stadtpfarrkirche in Graz (hier befin- abgeordneten Nikolaus Forcher. Er stammte det sich das einzige Kirchenfenster der Welt aus einer Gewerken-Familie, die bereits im mit Bildnissen von Hitler und Mussolini). 16. Jh. Sensen produzierte. Mit ihm endet Der aus Lindenholz geschnitzte Kreuzweg nicht nur der Mannesstamm der Familie, stammt vom Knittelfelder Künstler Otto sondern auch die Geschichte eines 400 Jah- Hilgarth. 1960 Eröffnung der Lindenallee- re alten Unternehmens. Die Stilllegung sei- schule und des Jugendheimes, der ersten ner Hammerwerke erfolgte 1929 in Schat- Jugendtagesstätte in der Steiermark. Der tenberg und 1951 in Knittelfeld. Das nach von Professor Herbert Böckl in der Zeit von Abbruch der Werksanlagen stehengeblie- 1952 bis 1960 geschaffene Freskenzyklus bene spätbarocke Hammerherrenhaus in in der Engelskapelle des Seckauer Doms der Sachendorfergasse, das über zehn Jah- erregt international Aufsehen: „Seckauer re leer gestanden war, wird seit dem Jahre Apokalypse“. 1961 stirbt der Gewerke 2010 von der Familie der neuen Besitzerin Otto Zeilinger (geb. 1872), ein Enkel des renoviert. einstigen Bürgermeisters und Reichstags-

1963 Elektrifizierung der Bahnstrecke Wien – Schnitzer und Franz Bachler. 1964 Errich- Tarvis wird fertiggestellt. Städtefreund- tung der Sonderschule (jetzt Sonderpäd- schaft Knittelfeld – Kameoka in Japan agogisches Zentrum-SPZ). 1965 Bau des aufgrund eines Esperantokontaktes des Tiefbrunnens Uitz und Ausbau des Was- Knittelfelder Anwaltes Dr. Halbedel. Die Alte serleitungsnetzes. 1966 Schwimmbader- Kärntner Straße wird in Kameokastraße öffnung in der Parkstraße, das kleine Bad in umbenannt, später an ihr auch ein der Reselgasse („Gemeindelavoir“) Denkmal errichtet. Aus dem An- und das ASKÖ-Bad in der Neustadt fangsteil der Stubalpenstraße wird (ehemaliges Offiziersbad im Lager) die Esperantostraße. 1963 erste haben ausgedient. 1967 Neubau Dreitagewanderung vom 5. bis 7. der Bezirkshauptmannschaft September, Begründer Hermann Knittelfeld am einstigen Viehplatz 74 Logo Wakonig, Leopold Regner, Erich Kameoka. und Vergnügungspark. 1969 Bau 45

75 Bildstock in Kobenz, 750-Jahre-Jubiläum, Namensnennung. Heilige Familie, 1973. des neuen Rathauses und Eröffnung des die seinen Namen Österreich-Ringes. 1970 Das Ziegelwerk trägt. Ein Bildstock Tondolo in Hautzenbichl schließt und wird nahe der Schule zeigt abgetragen, der Ziegelteich erinnert noch die Heilige Familie, an das einstige Werk. 1971 stirbt der le- wobei dem Heiligen gendäre Nachkriegs-Landeshauptmann Josef, dem Schutzhei- Josef Krainer I. (der „Lärchene Stipfl“ nach ligen der Steiermark Johannes Koren), der in Forst bei Kobenz eine Ähnlichkeit mit aufwuchs. 1973 Eröffnung der land- und Josef Krainer I. nicht 76 forstwirtschaftlichen Schule in Kobenz, abzusprechen ist!

1974 Knittelfeld feiert im Beisein von Bundes- matorium geht in Betrieb. 1977 wird das präsident Dr. Rudolf Kirchschläger das Sportzentrum am Langweg eröffnet. 1978: 750-Jahre-Jubiläum der ersten Namens- der tiefste Bergbau Mitteleuropas – Fohns- nennung (1224). 1975 wird die neue dorf wird geschlossen. 1981 Knittelfeld Kärntner Volksschule eröffnet. Das Kre- wird an das Ferngasnetz angeschlossen. 1983–1995 Eröffnung der Umfahrungsstraße S 36. Errichtung der Landesberufsschule. Die vollbiologische Kläranlage des Abwas- serverbandes geht in Betrieb. 1984 Das Schulzentrum Leitnerstraße wird eröff- net. Beginn der Fernwärme-Installierung. 77 Februar 1986 „Jahrhundertschnee“: über 150 cm! April 1986: Reaktorunglück in Letzte bewohnte Baracke in der Neustadt. Tschernobyl (Ukraine) – das Aichfeld ist auf durch den Niederschlag („fallout“) radioak- Grund seiner Beckenlage und der zu diesem tiver Elemente belastet. 1987 Errichtung Zeitpunkt trockenen Witterung nur gering eines neuen Trinkwasser-Hochbehälters 46

in Einhörn. 1988 Fertigstellung des Kul- tur- & Kongresshauses. Abriss der letz- ten bewohnten Baracke („Dampfbad“, „Herberge“) in der Badgasse der Neustadt. 1989 Gründung des Eisenbahnmuseums. 1991 Eröffnung der Parkgarage. 1992 Parkraumbewirtschaftung, Eröffnung des Heilpädagogischen Kindergartens. 1993 Hauptplatz-Neugestaltung mit Fußgän- 78 gerzone. Ab 1995 fortlaufende Sanierung Kultur- und Kongresshaus. des Sachendorferbaches.

1998–2001 Der Kirchturm erhält einen in der seiner- zeitigen Form wiedererrichteten Helm. Die Knittelfelder Stadtkrone hat ihre alte Silhouette wieder, ein Symbol für den Ab- schluss des Wiederaufbaues unserer 79 Stadt! Eröffnung des Bürgerbüros und des Forum Rathaus mit Stadtbibliothek als Letzte Hauptausbesserung einer Schnellzugs- dampflokomotive (Serie 310). Informations- und Kulturtreffpunkt. LKH- Knittelfeld eröffnet Neurologische Abtei- „Schönste Lok der Monarchie“, Baujahr lung. 1999 Großer Erfolg der Landesaus- 1911 des berühmtesten österreichischen stellung „Verkehr“ in Knittelfeld. 1999 Lokomotivbauers Karl Gölsdorf (*1861, endet eine 130-jährige Ära, die Knittelfeld †1916) verlässt die Hauptwerkstätte (Göls- zur „Eisenbahnerstadt“ gemacht hatte. dorfweg). 2001 Übersiedlung des Gen- Die letzte serienmäßig ausgebesserte darmerie-Kommandos vom Postgebäude Schnellzugsdampflokomotive, die einst in die Franz-Leitner-Straße. 2002–2006 700-Jahr-Jubiläum der Verleihung des Pavillons errichtet. 2004 Stadtpark- Knittelfelder Stadtrechtes durch den habs- erneuerung. 2005 Begründung der Städ- burgischen Herzog Rudolph III. Neues Spi- tefreundschaft mit der ungarischen Stadt talskonzept: LKH-Knittelfeld übernimmt . 2005, Eröffnung des ersten Öster- die Interne, LKH-Judenburg die Chirurgie. reichischen Faschings- und Brauchtums- Knittelfeld hat 12.740 Einwohner. Euro museums. 2006 der Luftschutz-Bunker und Cent lösen Schilling und Groschen in der Lobminger Straße wird von Schülern ab. Das neugestaltete Denkmal für den der 7. Klasse des BG/BRG Knittelfeld unter Stadtparkgründer Dr. Anton Pölz wird im Prof. Mag. König, Prof. Mag. Schicho und den Park auf dem Platz des ehemaligen Musik- Stadtarchivaren Erich Schreilechner und 47

Ing. Hans Rinofner zum Mahnmal für die (*1889, †1986), in der nach Knittelfelder Bombenopfer gestaltet. Er- ihm benannten Gasse, Häu- öffnung des neu- und umgebauten Feuer- serbeschilderungen mit wehrrüsthauses. Enthüllung des Gedenk- historischer Kurzinformati- steines, für den in Historikerkreisen der on in der Innenstadt (Texte Steiermark hochgeschätzten und geach- Dr. Karin Thierrichter, Zeich- 80 teten Historiker Direktor Lois Hammer nungen BM Josef Löcker). Stadtwappen Barcs.

Kultur- und Kongresshaus. 2009 Vielbeachtete Ausstellung im Kapuzinerkirche wird zur Ru- Pumpenhaus des ehemaligen mänisch-orthodoxen Pfarrkir- Kriegsgefangenenlagers mit dem che. 2010 „Schönste Blumen- Titel „Geschlossene Gesell- stadt“ Knittelfeld: unsere Stadt schaft? Die Entwicklung der ist Landessiegerin im Blumen- Knittelfelder Neustadt vom schmuckwettbewerb. Die zweite Gefangenenlager zur aufstre- Ausbaustufe der vollbiologischen benden Wohngegend“. Kurator Verbands-Kläranlage geht in Be- Dr. Gerhard Dienes, wesentliche trieb (jetzt für 70.000 EW/Einwoh- Unterstützung durch die Stadt- 81 ner-Gleichwerte ausgelegt). 2011 Letzte Hauptausbesserung einer Schnellzugs- archivare Erich Schreilechner Wiedereröffnung der Rennstrecke dampflokomotive (Serie 310). Ausstellung „Geschlossene und Ing. Hans Rinofner. Die Gesellschaft“. in Spielberg als „Red Bull-Ring“.

2012 Zusammenlegung der politischen Be- in der Steiermark. Die Stadt Knittelfeld hat zirke Knittelfeld und Judenburg (wie 1868 mit Jahresbeginn 11.552 Einwohner und bis 1946) zum gemeinsamen Bezirk „Mur- in Bezug auf die Fläche (4,5 km2) die weitaus tal“. Das neue polizeiliche Kennzeichen für größte Einwohnerdichte im Bezirk. Kraftfahrzeuge ist MT. Der neue Bezirk hat in etwa die gleichen Grenzen wie die seinerzeitige Grafschaft Judenburg vor 1.000 Jah- ren. Hauptsitz der Bezirks- hauptmannschaft ist in Ju- denburg. Knittelfeld erhält das Polizei-Bezirkskom- mando Murtal. Dieser neue Bezirk ist nach Liezen flä- 82 83 chenmäßig der zweitgrößte Innenansicht der Schönste „Blumenstadt“ Knittelfeld, 2010. rumänisch-orthodoxen Kirche. Erweiterte Auflage, 2012 Herausgeber: Stadtgemeinde Knittelfeld, Hauptplatz 15, 8720 Knittelfeld Bürgermeister Siegfried Schafarik – Tel. 03512/83211-0, Fax 03512/83211-222 E-Mail: [email protected] www.knittelfeld.at

Für den Inhalt verantwortlich: Dr. Siegfried Bachler Bilder: siehe Bildverzeichnis; Abbildung Titelseite: oben: Vischer-Stich Knittelfeld um 1681; unten v.l.: Postgebäude; Schnellzugsdampflokomotive S( erie 310); Kulturhaus Konzeption & Grafik: GMK – Gesellschaft für Marketing und Kommunikation mbH & Co KG, 8020 Graz Organisation & Koordination: Mag.a Marietta Wolf Druck: Gutenberg Druck GmbH, 8720 Knittelfeld