Auf Der Spur Der Mauer
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Auf der Spur der Mauer 28 Jahre, zwei Monate und 27 Tage trennte die Berliner Mauer die Menschen in Ost und West. Die Mauer durchschnitt die Infrastruktur der Stadt, verlief mitten durch Gebäude, unterbrach Straßen, Wasserwege und Schienenverkehr, zerriss Familien, trennte Freunde und Liebespaare und zerstörte Hoffnungen und Leben. Die Mauer war omnipräsent. Dementsprechend war der Fall der Mauer in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 ein welthistorisches Ereignis, das als Symbol für das Ende des Kalten Krieges, die Aufhebung der Teilung Deutschlands und des europäischen Kontinents steht. Die Pressekonferenz von SED-Politbüromitglied Günter Schabowski am 9. November 1989 wurde berühmt durch einen Irrtum. Auf die Frage, wann die von ihm verkündete neue Reiseregelung für DDR-Bürger in Kraft träte, antwortete er zögernd: „Das tritt nach meiner Kenntnis – ist das – sofort, unverzüglich.“ Eine Spurensuche zu einem der bedeutensten Ereignisse deutscher Geschichte. Bernauer Straße, Blick auf Eberswalder Straße, Grenzanlage Wedding/Prenzlauer Berg, Foto: Karl-Ludwig Lange Deutschland und der kalte Krieg ls die Mauer 1961 in Berlin errichtet schnell. Die Sowjetunion baut ihre mili- vertreiben – und die Fluchtbewegung zu Awird, ist Deutschland bereits sechzehn tärisch errungenen Machtpositionen aus. unterbinden. Doch die Vereinigten Staa- Jahre lang ein geteiltes Land. Zuvor wa- Die USA belassen in Europa und Asien Trup- ten, Großbritannien und Frankreich geben ren mindestens 55 Millionen Menschen, pen. Der Kalte Krieg beginnt: Zwei unverein- dem Druck nicht nach. Zur Enttäuschung davon 25 Millionen Zivilisten, durch Krieg bare Weltanschauungen ringen weltweit der SED-Führung setzt Chruschtschow sein und Verbrechen der nationalsozialisti- um Macht und Einfluss. Deutschland ist ein Ultimatum mehrfach aus. Die entschiedene schen Gewaltherrschaft umgekommen. Die Hauptschauplatz dieses Kalten Krieges. Haltung der Vereinigten Staaten und die Kriegsniederlage, die der Nazi-Diktatur im akute Gefährdung der Existenz der DDR im Mai 1945 ein Ende bereitet, ist deshalb zu- Am 27. November 1958 stellt der sowjetische Sommer 1961 veranlassen Chruschtschow gleich eine Befreiung. Partei- und Staatsführer Nikita Chruscht- schließlich , von seinen weitergehenden schow ein Ultimatum auf: Falls die West- Zielen Abstand zu nehmen und stattdes- Das Deutsche Reich wird besetzt und in vier mächte nicht innerhalb von sechs Monaten sen der Abriegelung der Sektorengrenze in Besatzungszonen eingeteilt: eine sowjeti- in Verhandlungen über einen Friedensver- Berlin zuzustimmen. Im Juli 1961 leitet die sche, amerikanische, britische und franzö- trag und die Umwandlung West-Berlins in SED-Führung unter größter Geheimhaltung sische Zone. Die bisherige Hauptstadt Berlin eine „Freie Stadt“ träten, werde die Sowjet- gemeinsam mit dem sowjetischen Militär wird ebenfalls in vier Sektoren gegliedert. union einen einseitigen Friedensvertrag mit konkrete militärische und technische Vor- Die Siegermächte bestimmen die neue poli- der DDR abschließen. Sie werde darin alle bereitungen zur Grenzschließung ein. We- tische, wirtschaftliche und soziale Ordnung sowjetischen Rechte und Verantwortungen niger als einhundert Funktionäre aus dem in den vier Zonen. Ihre wichtigsten Ziele gegenüber Berlin an die DDR-Regierung ab- Partei-, Staats- und Militärapparat der DDR sind Entmilitarisierung, Entnazifizierung, treten. Das Ultimatum läuft darauf hinaus, sind bis zum Abend des 12. August 1961 in Dezentralisierung und Demokratisierung. den Viermächte-Status der Stadt aufzukün- die Pläne eingeweiht. Doch die Anti-Hitler-Koalition zerbricht digen, die Westmächte aus West-Berlin zu Mauerbau: 13. August 1961 In der Nacht zum Sonntag, dem 13. August Ausnahme von 13 Kontrollpunkten riegeln such Ost-Berlins einen Passierschein, den 1961, erteilt SED-Chef Walter Ulbricht den sie alle Sektorenübergänge ab. Der Durch- es jedoch ab dem 25. August nicht mehr Befehl zur Abriegelung der Sektorengrenze. gangsverkehr der S- und U-Bahnlinien wird gibt: Die Passierschein-Ausgabestellen der Die Einsatzleitung obliegt Politbüro-Mit- dauerhaft unterbrochen, der Intersektoren- DDR auf den Westberliner S-Bahnhöfen Zoo glied Erich Honecker. verkehr auf je einen S- und U-Bahnsteig im und Westkreuz werden auf westalliierte An- Bahnhof Friedrichstraße reduziert, dreizehn ordnung im Einvernehmen mit dem Senat Mehr als 10.000 Volks- und Grenzpolizisten, U-und S-Bahnhöfe werden für Ost-Berliner geschlossen. Aus statusrechtlichen Grün- unterstützt von einigen tausend Kampf- geschlossen. Am 14. August 1961 wird das den wird der DDR als nichtanerkanntem gruppen-Mitgliedern, reißen am frühen Brandenburger Tor als Sektorenübergang Staat die Ausübung von Hoheitsakten in Morgen mitten in Berlin das Straßenpflaster für West-Berliner geschlossen. Am 23. Au- West-Berlin nicht erlaubt. Bis zum ersten auf, errichten aus Asphaltstücken und Pflas- gust 1961 wird die Zahl der Sektorenüber- Passierscheinabkommen von 1963 bedeu- tersteinen Barrikaden, rammen Betonpfähle gänge auf sieben reduziert. West-Berliner tet dies für West-Berliner das Ende der Be- ein und ziehen Stacheldrahtverhaue. Mit benötigen von diesem Tag an für den Be- suchsmöglichkeiten von Ost-Berlin. 6 Auf der Spur der Mauer Reaktionen auf den Mauerbau Erst zwei Tage nach der Grenz- zur Verteidigung ihrer Ber- schließung, am 15. August lin-Rechte einen Atomkrieg 1961, protestieren die West- riskieren sollen. Im engsten Alliierten beim sowjetischen Kreis soll Kennedy gesagt Stadtkommandanten, Oberst haben: „Keine besonders an- A. J. Solowjew, gegen die „il- genehme Lösung, aber eine legalen“ Absperrmaßnahmen. Mauer ist verdammt viel bes- Eine Forderung, die Abriege- ser als ein Krieg.“ lung aufzuheben und den Stacheldraht wieder zu be- Neben Empörung, Resigna- seitigen, enthält der Protest- tion und Verzeiflung gibt es in brief nicht. Kühl weisen die Teilen der DDR-Bevölkerung Sowjets den Protest als „voll- auch Zustimmung zum Mau- ständig unangebrachte“ Ein- erbau. Die Fluchtbewegung mischung in Maßnahmen der in den Westen und die Ein- DDR-Regierung zurück. käufe von West-Berlinern im Ostteil der Stadt – bei einem Die Berliner fühlen sich vom Schwarzmarktkurs der D-Mark Westen im Stich gelassen. zur Ostmark von eins zu sechs Der Regierende Bürgermeis- – haben das Gefühl entstehen ter Willy Brandt bringt dies lassen, dass „etwas passieren in einem Brief an den ameri- muss“. In dieser Sicht kann die kanischen Präsidenten zum Grenzschließung die Chance Ausdruck: „Berlin erwartet eröffnen, in eine neue Phase mehr als Worte, Berlin er- ungestörten wirtschaftlichen wartet politische Aktionen.“ Mauerbau Berlin.- Mauerbau, Aufstellen von Betonblöcken mit einem Kran hinter Aufschwungs und sozialisti- Stacheldraht Foto Bundesarchiv, Bild 173-1321 / Helmut J. Wolf / CC-BY-SA 3.0 Nur durch eine militärische schen Aufbaus eintreten zu Aktion, so Kennedys ernüch- gemacht werden. Eine Sperrung der Zu- können. Ist die innere Sta- ternde Antwort, könne die offensichtlich gangswege nach Berlin als nächster Schritt bilisierung erreicht, so die Hoffnung, ver- von der Sowjetunion getragene Entschei- der Sowjetunion und der DDR würde die schwindet die Mauer eines Tages von ganz dung, die Grenze zu schließen, rückgängig West-Alliierten vor die Frage stellen, ob sie alleine. Das Grenzsystem Auf die Mauer der ersten und zweiten Ge- neration (aus Hohlblocksteinen bzw. Stra- ßenbauplatten) folgt in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre die Mauer der dritten Ge- neration in Plattenbauweise. Seit Mitte der 1970er-Jahre wird die Mauer der vierten Ge- neration errichtet ("Grenzmauer-75"). Sie besteht aus 1,20 Meter breiten und 3,60 Meter hohen, industriell gefertigten Be- ton-Stützwandelementen. Zu der Mauer treten befestigte Wege, Lichttrassen, elek- trische bzw. elektronische Zaun-Anlagen, Laufanlagen für Kettenhunde, Kfz-Sperran- lagen und Meldesysteme hinzu. Bis Ende der 1960er-, Anfang der 1970er-Jahre ent- steht mitten durch Berlin ein technisch aus- gebautes Grenzsicherungssystem, das fast unüberwindbar wird. Im ersten Jahr der Mauer unterstehen die Berliner Grenzbri- gaden noch dem DDR-Innenministerium. Im August 1962 werden die Berliner Grenz- einheiten dem Ministerium für Nationale ADN-ZB-Stöhr-4.12.1961-In der Nacht vom 3. zum 4.12.1961 wurde begonnen, an weiteren Abschnitten Verteidigung unterstellt. die Staatsgrenze der DDR zu Westberlin zu festigen. Foto Bundesarchiv, Bild 183-88574-0004 / Stöhr / CC-BY-SA 3.0 7 Auf der Spur der Mauer Gedenkkreuze für Opfer der Berliner Mauer am Spreeufer in Berlin. Im Hintergrund das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Foto: Beek100, WikiCommons Todesopfer an der Berliner Mauer Mindestens 140 Menschen werden zwi- Polizisten ums Leben kamen. 112 Anklagen gegen 246 Personen: gegen schen 1961 und 1989 an der Berliner Mauer „Mauerschützen“ und gegen ihre militäri- getötet oder kommen in unmittelbarem Zu- Darüber hinaus verstirbt eine unbekannte schen und politischen Befehlsgeber. Alle sammenhang ums Leben (Stand: August Anzahl zumeist älterer Reisender aus Ost Verfahren sind abgeschlossen. 2017). und West vor, während oder nach Kontrol- len an Berliner Grenzübergängen vornehm- Knapp die Hälfte der Angeklagten wird Darunter befinden sich: lich an den Folgen eines Herzinfarktes; mehr freigesprochen: In manchen Fällen ist der • 101 DDR-Flüchtlinge, die beim Versuch, als 200 von ihnen sind bis heute nament- Todesschütze nicht mehr zu ermitteln, in die Grenzanlagen zu überwinden, er- lich bekannt. Der letzte Flüchtling, der acht anderen ein Tötungsvorsatz