Titel Die Schandmauer Vor 40 Jahren ließen Ulbricht und Chruschtschow die Mauer bauen – Symbol der deutschen Teilung. Zehntausende versuchten das SED-Bollwerk zu überwinden, Hunderte ließen dabei ihr Leben. Wollten die Alliierten die Mauer nicht verhindern? Geheimdienstdokumente belegen: Der Westen wusste rechtzeitig Bescheid.

Bau der Mauer in -Neukölln JUNG / ULLSTEIN BILDERDIENST JUNG / ULLSTEIN

ie Stimmung auf der Gartenparty enhaus mit dem Walmdach verbrachte; Hit- LDPD wurde schließlich unruhig und von war prächtig. lers Protegé Hermann Göring hatte das Ge- wandte sich an den groß gewachsenen DDie Augustsonne strahlte vom Him- bäude einst für seinen Leibjäger nördlich Alfred Neumann, den damaligen Kron- mel, und nach dem Kaffee schlenderten die von Berlin errichten lassen. Etwas merk- prinzen Ulbrichts: „Sagen Sie einmal, Funktionäre über die Wiese hinter dem würdig mutete die Besucher allerdings Ul- Neumann, warum sind wir heute am Dölln- Haus zu den Birken am Großen Döllnsee. brichts betonte Heiterkeit an. Der asketi- see?“ Neumann, langjähriger Vertrauens- Partei- und Staatschef Ulbricht hatte eigens sche, arbeitswütige Sachse, der jeden Mor- mann des sowjetischen militärischen Ge- den sowjetischen Lustspielfilm „Rette sich, gen um sechs Uhr Frühsport trieb und gern heimdienstes GRU, log: „Ich habe keine wer kann!“ besorgen lassen; seine Gäste Rohkost mit Eiern aß, dozierte auch nach Ahnung.“ sollten sich nicht langweilen. Doch die DDR- Feierabend am liebsten über den Aufbau Es war gegen 22 Uhr; das Geschirr vom Minister, Staatssekretäre und Vorsitzenden des Sozialismus. Doch an diesem Nachmit- Abendbrot war bereits abgedeckt, als Ul- der Blockparteien plauderten lieber. Nur tag scherzte der Diktator mit der Fistel- bricht seine Gäste plötzlich in einen Ne- wenige hatten bei der Anfahrt die Panzer stimme so charmant, als sei er auf einer benraum bat: „Wir machen jetzt noch eine und Soldaten in den Wäldern gesehen. Feier zum internationalen Frauentag. kleine Sitzung.“ Die Gäste wussten, dass Ulbricht die Wo- Volkskammerpräsident Johannes Dieck- Ulbricht war der mächtigste Kommunist, chenenden oft in dem mehrstöckigen Feri- mann von der pseudoliberalen Blockpartei den Deutschland je hervorbrachte; er hat-

64 der spiegel 32/2001 STONE / GETTY IMAGES (l.); ULLSTEIN BILDERDIENST (r.) BILDERDIENST (l.); ULLSTEIN / GETTY IMAGES STONE Verbündete Chruschtschow*, Ulbricht (1961) „Beeil dich nicht so“

te Lenin noch persönlich erlebt und mit Stalin verkehrt. Nun wollte er, dass der Mi- nisterrat, die offizielle, aber machtlose Re- gierung der DDR, sein streng geheimes Vorhaben absegnete: den Bau der Berli- ner Mauer. Eine Diskussion war nicht vorgesehen: „Ich lasse sie nicht weg, bis die Aktion be- endet ist“, hatte Ulbricht tags zuvor dem sowjetischen Botschafter Michail Perwu- chin angekündigt, „sicher ist sicher.“ Seit Jahren ließ Ulbricht die deutsch- deutsche Grenze zwischen Ostsee und Bayerischem Wald mit Stacheldraht aus- bauen und ab 1960 auch Stockminen ver- legen. Grenzpolizisten durften auf Flücht- linge notfalls ohne Warnschuss feuern. Trotzdem flohen die Ostdeutschen zu Hun- derttausenden in den Westen – die meisten über Berlin. An den Grenzübergängen zwischen Ost- Berlin und den Westsektoren, etwa am Potsdamer Platz oder an der Bernauer Straße, kontrollierten die Posten nur spo- radisch; mit einer S-Bahn-Karte für 20 Pfennig konnten Fluchtwillige wie der spä- tere Außenminister Hans-Dietrich Gen- scher einfach in den Westteil der Stadt fah- ren und von dort in die Bundesrepublik ausfliegen. West-Berlin, schimpfte Ulbricht, sei „ein Paradies der Menschenhändler, Spione, Diversanten, eine Eiterbeule, die junge Menschen systematisch durch Filme verseucht, die Mord und andere Schwer- verbrechen lehren“. Seinen Gästen am Döllnsee verkündete Ulbricht, dass in einigen Stunden, am 13. August 1961 um 1 Uhr morgens, die Ope- ration „Rose“, wie die es nannte, be- ginnen werde: die Abriegelung West-Ber- lins. „Alle einverstanden?“, fragte der SED-Chef rhetorisch in die Runde. Ul- brichts Gäste schwiegen und nickten. 10680 Tage, bis zum 9. November 1989, sorgte die Berliner Mauer dafür, dass die

BPK * In der Uno-Vollversammlung am 13. Oktober 1960.

Flüchtender DDR-Soldat Schumann „Wir guckten ziemlich dämlich“ der spiegel 32/2001 65 BPK Konfrontation am *: „Keiner unserer Panzer sollte aus Versehen zu weit fahren“

Menschen in Ostdeutschland dem real exis- der Wannsee. Nie zuvor hatte eine Regie- zwischen Bundesrepublik und DDR. Min- tierenden Sozialismus der SED nicht ent- rung ihr Volk einfach eingesperrt, um es destens 230 Menschen kamen bei dem Ver- kommen konnten. Die Mauer rettete die einem gesellschaftspolitischen Experiment such ums Leben, die Berliner Mauer zu Existenz der DDR. „Wir mussten die offe- zu unterziehen. Von hohen Holzplattfor- überwinden; wie viele insgesamt starben, ne Wunde West-Berlin schließen“, recht- men aus schauten die Besucher über den weil sie die DDR verlassen wollten, ist bis fertigte sich Ulbricht in vertrauter Runde, Stacheldraht hinweg „nach drüben“, arg- heute ungeklärt. Die Experten Bernd Ei- „ich weiß, wie man mich dafür hasst, aber wöhnisch beobachtet von den Grenzern mit senfeld und Roger Engelmann rechnen mit ich musste das auf mich nehmen, für den dem Schießbefehl. Die Berliner Mauer – etwa 950 Toten**. Sie ertranken in der Ost- Sozialismus.“ Symbol politischen Staatsbankrotts. see oder im Schwarzen Meer, traten auf 165,7 Kilometer Betonmauer und Me- Die Fotos, die vom Minen oder wurden von Selbstschussanla- tallgitterzaun, bewehrt mit Wachtürmen, Westen an der Mauer gen getötet. Das letzte Opfer, Frank M., Panzersperren und Hundelaufanlagen, SED-Chef Wal- aufgenommen wur- der über das schon freie Polen flüchten trennten schließlich die Berliner und damit ter Ulbricht: den, diskreditierten wollte, wurde Anfang November 1989 aus alle Deutschen. Die Mauer riss Geschwis- „Niemand die SED für immer: der Oder gezogen (siehe Seite 74). ter, Liebende und Freunde auseinander. hat die Der Maurer Peter Während des Kalten Krieges war die An der extra eingerichteten Kontrollhalle Absicht, eine Fechter verblutet im Mauer das umstrittenste Bauwerk Deutsch- neben dem Ost-Berliner Bahnhof Fried- Todesstreifen, nach- lands. Die SED bejubelte sie als „anti- richstraße, über den West-Berliner und Mauer dem Grenzer den Flie- faschistischen Schutzwall“, der den Frie- Westdeutsche zum Besuch ein- und aus- zu errichten“ henden angeschossen den bewahrte; für den Westen war sie reisen durften, spielten sich Tag für Tag er- haben; eine Frau die Schandmauer. Wie es zu der Entschei- greifende Szene ab. Die Berliner tauften stürzt sich in der Bernauer Straße aus dem dung kam, die Grenze abzuriegeln, blieb das gläserne Gebäude „Tränenpalast“. Fenster in das Sprungtuch der Feuerwehr. dabei weitgehend im Dunkeln. Sprach Ul- Im Westen wurde die Berliner Mauer zur Das Haus steht im Osten, der Bürgersteig bricht die Wahrheit, als er in der berühm- grausigen Weltsensation, die Touristen an- gehört zum Westen. Mit Taschentüchern ten Pressekonferenz am 15. Juni auf eine zog wie das Charlottenburger Schloss oder winken tränenüberströmte Berliner in Ost Frage der Journalistin Annamarie Doherr und West einander zu, während Bauarbei- („Frankfurter Rundschau“) erklärte: „Nie- ter die Mauer immer höher ziehen. mand hat die Absicht, eine Mauer zu er- * Am 27. Oktober 1961. ** Bernd Eisenfeld, Roger Engelmann: „Mauerbau“. Edi- Im Osten brachte das mörderische Boll- richten“? Oder drängte er in Moskau auf tion Temmen, Bremen; 119 Seiten; 19,90 Mark. werk eine ganze Generation um die Wahl den Bau des tödlichen Bauwerks, wie ost-

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Schicksal einer ganzen Ge- deutsche zu Besuchen in den Westen fah- neration entschied. ren durften – und meist dort blieben. Damals, Anfang der sech- Entgegen Ulbrichts Erwartungen ver- ziger Jahre, war die Weltlage siegte der Flüchtlingsstrom jedoch nicht. hoch brisant, Berlin die Vor allem junge Leute und Akademiker Frontstadt des Kalten Krie- setzten sich ab, die DDR drohte ein greiser ges; Dutzende Geheimdiens- Arbeiter-und-Bauern-Staat zu werden. te bespitzelten und sabotier- Doch allein mit Proletariern ihrer Genera- ten einander. Im Berliner tion wollten der Tischler Walter Ulbricht, Umland lieferten sich die Jahrgang 1893, der Buchdrucker Otto Gro- westlichen Militärmissionen tewohl, Jahrgang 1894, und der Tischler mit den Vopos und den So- Wilhelm Pieck, Jahrgang 1876, den Sozia- wjets wilde Verfolgungsfahr- lismus lieber nicht aufbauen. ten, die gelegentlich mit 1957 schloss die SED weitgehend die

AP Schlägereien und manchmal innerdeutsche Grenze; Reisevisa wurden Chruschtschow, Kennedy*: „Wir wollen keinen Krieg“ auch mit Toten endeten. kaum noch ausgestellt. Wer die DDR Hochgerüstet standen Briten, ohne Erlaubnis verließ, beging „Repu- europäische Diplomaten gern durchblicken Amerikaner, Franzosen und Sowjets ein- blikflucht“; darauf standen bis zu drei ließen? Oder hat vielmehr Kreml-Chef ander in der alten Reichshauptstadt ge- Jahre Gefängnis. Den Bleibewilligen ver- Nikita Chruschtschow den Mauerbau an- genüber. Jedes Missverständnis konnte ei- sprach Ulbricht wenig später vollmundig, geordnet? nen Nuklearkrieg auslösen. den Lebensstandard in der Bundesrepu- Der Westen reagierte auf den 13. Au- Die Alliierten waren am Ende alle froh, blik werde man bis 1961 „ein- und über- gust 1961 mit lauen Protesten, und sofort dass sie am Dritten Weltkrieg vorbei- holen“. „Wieso wollt ihr den Kapitalismus stellten sich böse Fragen: Was wussten die schlidderten; den Preis dafür zahlten die überholen“, frotzelten die Berliner, „wenn westlichen Nachrichtendienste vorab von Ostdeutschen. Noch weitere 28 Jahre muss- er vor dem Abgrund steht?“ den östlichen Plänen? Gab es gar ein ge- ten sie die SED-Diktatur ertragen. Chruschtschow verfolgte die Entwick- heimes Einverständnis zwischen Chru- Die Flucht aus dem sowjetisch besetzten lung in der DDR besonders aufmerksam. schtschow und dem US-Präsidenten John Teil Deutschlands hatte gleich nach der Der Stalin-Nachfolger kannte Ulbricht F. Kennedy, wie damals der Verleger Axel Kapitulation 1945 begonnen. Bis zum seit 1942. Damals hatten die beiden sich an Springer mutmaßte und Sahra Wagen- Mauerbau 1961 setzten sich 2,7 Millio- der Front vor Stalingrad kennen gelernt. knecht von der Kommunistischen Platt- nen Ostdeutsche in den Westen ab, im Chruschtschow organisierte die Verteidi- form der PDS heute behauptet? Durchschnitt an jedem Tag ein mittelgroßes gung der Stadt mit; Ulbricht, der die Nazi- Elf Jahre nach dem Ende des Kalten Dorf. Zeit im Moskauer Exil verbrachte, suchte Krieges sind inzwischen Hunderte Doku- Der SED war die Massenflucht zunächst Wehrmachtssoldaten mit Flugblättern und mente in den Archiven der Weltmächte ganz lieb. „Uns erschien es vorteilhaft“, Lautsprecherappellen zum Überlaufen zu und auch der ehemaligen DDR zugäng- erinnert sich Fritz Schenk, der damalige bewegen. Besonders sympathisch waren lich geworden: Briefwechsel zwischen Büroleiter des DDR-Planungschefs Bruno sich der spontane, humorvolle Bergarbei- Chruschtschow und Ulbricht, Berichte der Leuschner, „wenn frühere Unternehmer tersohn aus der Ukraine und der miss- sowjetischen Botschaft in Ost-Berlin nach die DDR verließen; man hatte keine Be- trauische, berechnende Apparatschik aus Moskau, Aufzeichnungen von den Gipfeln schäftigung für sie.“ Die Volkspolizei gab Leipzig nie. Doch Chruschtschow glaubte, der Warschauer-Pakt-Staaten, Protokolle bereitwillig die Visa aus, mit denen Ost- „die Auseinandersetzung zwischen Sozia- des amerikanisch-sowjetischen Gipfels 1961 lismus und Kapitalismus“ wer- in Wien, Absprachen zwischen ostdeut- de in der DDR ausgetragen; der schen und sowjetischen Militärs, Termin- Beobachtungsturm ostdeutsche Staat müsse des- kalender Ulbrichts. Unterlagen, die als ver- halb zum „Schaufenster des nichtet galten, sind wieder aufgetaucht. Sozialismus“ werden. Nach Ulbrichts Tod 1973 hatte sich Nach- Kontakt- Fast jede Woche ließen sich folger Listen der Doku- zaun die Diplomaten der sowjeti- mente aus dem Nachlass des Verstorbenen Metallgitter- schen Botschaft in ihrem zaun vorlegen lassen. Er ordnete an, einen Teil düsteren Sandsteinbau an der in Archiven aufzubewahren; vieles sollte Beleuchtungs- Prachtstraße Unter den Linden anlage geschreddert werden. Doch die Archivare von den deutschen Genossen mochten manche Kartons mit Briefen, No- über den Flüchtlingsstrom in- tizen und Anweisungen nicht in den formieren. Im Sommer 1958 Grenz- Hunde- Reißwolf geben; die Papiere sind jetzt im streifen laufanlage hatten die Sowjets genug. „An- Berliner Bundesarchiv einsehbar. gesichts der Tatsache, dass die Selbst die Dienste in Ost und West haben Signalgerät Flucht der Intelligenz eine be- manche Vorlage freigegeben, vor allem sonders kritische Phase er- jene Prognosen, die sich als zutreffend er- West- Ost- Kontrollstreifen reicht hat“, notierte der dama- wiesen. Einige der Papiere zum Mauerbau Berlin Berlin Kolonnen- lige ZK-Abteilungsleiter und Kfz- weg konnte der SPIEGEL nun zum ersten Mal Graben spätere Gorbatschow-Förderer auswerten. Auch Zeitzeugen wie Ulbrichts Jurij Andropow, „müssen wir Dolmetscher Werner Eberlein und der so- mit dem Genossen Ulbricht wjetische Diplomat Julij Kwizinski er- sprechen.“ Der Vermerk liegt zählen heute bereitwillig von den dramati- Tödliches Bollwerk heute im Russischen Staats- schen Augenblicken, in denen sich das Grenzanlage in Berlin archiv für Zeitgeschichte in Beton- Moskau. platten- * Am 3. Juni 1961 im Musikzimmer der US-Botschaft in wand Mindestens zweimal trafen Wien. Ulbricht und Chruschtschow in

der spiegel 32/2001 67 jenem Jahr zusammen. Neben den beiden torengrenze“ diskutierten. Chruschtschow Parteichefs war nur ein Dolmetscher da- stellte eine Woche später grundsätzlich bei; in Moskau Wiktor Belezki, in Berlin klar: Ulbricht möge bitte „keine Maßnah- Werner Eberlein, dessen Vater einst die men durchführen, die die Lage an der KPD mit gegründet hatte und im Gulag Grenze zu West-Berlin verändern“. In den umkam. Über den Inhalt der Gespräche USA standen Wahlen an. Chruschtschow sagen beide Ähnliches aus. „Walter, du wollte abwarten, wie sich das Verhältnis musst eines begreifen“, erinnerte sich 1992 zu dem neuen Präsidenten entwickelte. Belezki an Chruschtschows Worte, „bei Für Ulbricht war schon Anfang 1961 die offenen Grenzen können wir mit dem Ka- Schließung der Grenze nur noch eine Ter-

pitalismus nicht konkurrieren.“ Ulbrichts AKG minfrage, wie der damalige Kulturfunk- Reaktion schildern die Dolmetscher gleich: Angeschossener Fechter tionär Hans Bentzien nach der Wende be- Er war „völlig damit einverstanden“. richtete. Der junge Greifswalder (Wahl- Schon Anfang der fünfziger Jahre hatte spruch: „Die Kultur soll bliehen, darum die SED die Abriegelung West- in wählt Bentzien“) begann am 23. Februar Moskau vorgeschlagen, vergebens. 1961 seinen Dienst als Kulturminister in Chruschtschow dem umgebauten Barockpalais am Berliner hielt es 1958 für mög- Molkenmarkt. Noch am selben Nachmittag „„Die Führer lich, Briten, Fran- musste der gelernte Lehrer mit den bu- der USA zosen und Amerika- schigen Augenbrauen zu Ulbricht kom- sind nicht ner aus West-Berlin men. Bentzien dachte, er würde eine Ein- solche zu vertreiben – und weisung in sein Amt erhalten, stattdessen Idioten, so das Flüchtlings- nahm er an einer Plansitzung zur Abrie- problem zu erledi- gelung der Grenze teil. die um Berlin gen. Die sowjetischen Chefplaner Leuschner jammerte, es gebe kämpfen“ Streitkräfte hatten im nicht genug Stacheldraht. Verkehrsminister Jahr zuvor ihre erste Erwin Kramer, der schon im Spanischen Interkontinentalrakete erfolgreich getes- Bürgerkrieg gekämpft hatte, legte Entwür- tet. „Die Führer der USA“, folgerte Chru- fe für die Fahrpläne der geteilten Stadt vor. schtschow, „sind nicht solche Idioten, die Ulbricht sprach das Schlusswort: „Der Ter- um Berlin kämpfen.“ min ist abhängig vom Ergebnis eines Tref- Im November 1958 forderte er den fens zwischen Genossen Chruschtschow Westen zu Verhandlungen über eine „Freie und Kennedy.“

Stadt“ West-Berlin binnen sechs Monaten BILDERDIENST ULLSTEIN auf. Andernfalls würde er der DDR in Bergung durch DDR-Grenzer 29. März 1961 einem Friedensvertrag alle Berlin-Rech- Was danach im sowjetischen Imperium ge- te übertragen. Ulbricht sollte die Kon- schah, erzählte Jahre später der tschecho- trolle über den Verkehr zwischen West- slowakische General Jan µejna, der in den Berlin und der Bundesrepublik überneh- Westen floh. Am 29. März um 9 Uhr trafen men; ostdeutsche Republikflüchtlinge sich Chruschtschow und Ulbricht mit den wären aus West-Berlin nicht mehr heraus- osteuropäischen Parteiführern im Kreml. gekommen. µejna zufolge zog Ulbricht richtig vom Unter den Ostdeutschen sorgte Leder: Die Monopolkapitalisten würden Chruschtschows Ultimatum für Torschluss- skrupellos die besten Produktivkräfte ab- panik. Ulbricht fand den Schritt gut. Doch werben. Auf die Frage der Genossen, was als das Ultimatum verstrich und nichts ge- man dagegen tun könne, soll Ulbricht „eine schah, da fing der SED-Chef an zu drän- rigorose Abschnürung West-Berlins“ ge- geln. Als ob der Viermächte-Status bereits fordert haben, „mit Posten unserer Grenz- nicht mehr existierte, schikanierten ost- organe, mit Barrieren, vielleicht auch mit deutsche Grenzposten einen US-Diploma- Stacheldrahtzäunen“. ten am Brandenburger Tor und lösten da- Die osteuropäischen Alliierten waren mit eine ostdeutsch-sowjetische Krise aus. laut µejna entsetzt. Die einen fürchteten „Beeil dich nicht so“, hatte Chruschtschow Krieg mit dem Westen, die anderen sorg- seinen deutschen Konfrater schon zuvor ten sich um das Ansehen des sozialis- gemahnt und ihn an die glanzvolle Zukunft tischen Lagers, wenn mitten durch die

des Sozialismus erinnert. Es gehe darum, AKG Stadt ein Stacheldrahtzaun verliefe. Zeit zu gewinnen: „Und was geschieht in Abtransport des Flüchtlings Chruschtschow hat angeblich am Abend dieser Zeit? Sie werden schwächer, und Mauer-Opfer Fechter 1962 abstimmen lassen: 5: 1 gegen Ulbricht, wir werden stärker sein.“ Symbol des politischen Bankrotts Chruschtschow soll sich enthalten haben. Ulbricht war ein raffinierter Apparat- Dolmetscher Eberlein ist einer der letz- schik, der listenreich und ergeben die Säu- den Rücken; davon entkamen 152291 über ten Überlebenden des Ostblockgipfels. Er berungen Stalins überstanden hatte. Histo- die offene Grenze nach West-Berlin. erinnert sich noch mit Schaudern an die riker trauen ihm zu, ein Anschwellen des Unterkunft der DDR-Delegation auf den Flüchtlingsstroms provoziert zu haben, um Leninbergen in Moskau. Das Grundstück Chruschtschow unter Druck zu setzen. Ul- war von einer meterhohen Mauer umge- bricht verschärfte im Frühjahr 1960 ohne 17. Oktober 1960 ben. Trat man aus dem Haus, so Eberlein, erkennbaren Grund die Kollektivierung Am 17. Oktober 1960 berichtete die so- „sah man immer nur diese Mauer“. der Landwirtschaft. 199 188 Menschen wjetische Botschaft in Berlin, dass „unsere An einen Vorstoß seines Chefs zur Ab- kehrten der ostdeutschen Republik 1960 Freunde“ über eine „Schließung der Sek- grenzung West-Berlins kann Eberlein sich

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nicht erinnern; das Redeprotokoll Ul- mit seinem Schuh auf den Tisch vor nedy: „Es scheint einen kalten Winter zu brichts, das inzwischen im Berliner Bun- sich. Bei einem DDR-Aufenthalt versuch- geben in diesem Jahr.“ desarchiv liegt, stützt seine Version. Von te er, auf der Herrentoilette den Wasser- Am Abend vergnügte sich Chruschtschow Stacheldraht ist dort keine Rede, Ulbricht hahn abzuschrauben; er wollte ein ähn- auf einem Empfang. Er tanzte, sang jammerte nur über das „große Loch in- liches Modell in der Sowjetunion fertigen und spielte Schlagzeug. „Ist das immer mitten unserer Republik“; gemeint war lassen. so?“, fragte Kennedy verstört seinen Mos- West-Berlin. Als er Kennedy am 3. Juni 1961 in dem kauer Botschafter. Antwort: „Mehr oder in Grau und Rot gehaltenen Musikzimmer minder.“ 19. Mai 1961 der amerikanischen Botschaft in Wien traf, In Wien gewann der junge US-Präsident Am 19. Mai meldete Botschafter Perwu- lief er sogleich „Amok“, wie Kennedy nach den Eindruck, Chruschtschow unterschät- chin nach Moskau: „Die Freunde möchten dem Treffen erzählte. Der intellektuelle ze ihn. „Solange der glaubt, ich habe kei- jetzt jene Kontrolle über die Grenze zwi- Kennedy, der sich als Student in Harvard ne Erfahrung und kein Rückgrat, werden schen dem demokratischen Berlin und mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges wir mit ihm kein Stück weiterkommen“, West-Berlin etablieren, die es ihnen, wie beschäftigt hatte, wollte eines verhindern: erklärte Kennedy einem Journalisten. Ende sie sagen, ermöglichen würde, das ‚Tor zum einen „Krieg aus Versehen“, insbesondere Juli verkündete er ein gigantisches Auf- Westen‘ zu schließen, die Republikflucht einen nuklearen. rüstungsprogramm. West-Berlin war für der Bevölkerung einzudämmen und den Chruschtschow stellte am nächsten Chruschtschow nur noch durch einen Einfluss der Wirtschaftsverschwörung ge- Tag seinem Gegenüber ein neues Berlin- Krieg zu haben, den er nicht wollte. Für gen die DDR … zu schwächen.“ Außen- Ultimatum. Kennedy: „Ich möchte fra- das Abdichten des Fluchtlochs mussten er minister Andrej Gromyko gab den Bericht gen, ob Ihre Worte bedeuten, dass un- und Ulbricht sich eine andere Lösung ein- an das Archiv des sowjetischen Außenmi- ser Zugang nach West-Berlin gesperrt fallen lassen. nisteriums weiter, wo ihn die Historikerin wird?“ „Sie haben richtig verstanden, Noch im Juni 1961 lud der SED-Chef Hope Harrison fand. Herr Präsident“, antwortete Chrusch- Botschafter Perwuchin zum Essen an den tschow. Dann, so Kennedy, „werden wir Döllnsee ein. Ulbricht prophezeite an je- 3. Juni 1961 uns von Angesicht zu Angesicht gegen- nem Tag „den Zusammenbruch“ der DDR, Kreml-Chef Chruschtschow war ein im- überstehen“. Chruschtschow: „Wir wollen wenn die Grenze offen bliebe. In Moskau, pulsiver Mann. In einer Sitzung der Uno- keinen Krieg, wenn Sie ihn uns aber aber auch in Ost-Berlin entwarfen Diplo- Vollversammlung trommelte er aus Protest aufzwingen, wird es einen geben.“ Ken- maten und Funktionäre damals immer neue Vorschläge, wie sich der Flüchtlings- strom stoppen ließe. Könnte man nicht SE eine Absperrung um ganz Berlin errich- AS STR ten, so dass Fluchtwillige gar nicht erst ER nach Ost-Berlin gelangen konnten? Un- AU N R möglich, lautete das Gegenargument, die E Übergang B stark zentralisierte DDR sei schließlich Chausseestraße ganz auf die Hauptstadt Ost-Berlin aus- Verlauf der Mauer gerichtet. CHAUSSEESTRASSE Ulbrichts Forderung umfangreicher im Stadtzentrum Wirtschaftshilfen aus dem Ostblock, um bis 1989 die DDR aufzupäppeln, lehnten die osteu- ropäischen Bruderstaaten ab; den Ost- deutschen ging es schon besser als allen anderen. Vergebens bat Ulbricht um Übergang sowjetische Arbeitskräfte als Ersatz für die Invalidenstraße Flüchtlinge. Chruschtschow gab zu beden- ken, wie sich ein Proletarier aus dem

ALEXANDER- Übergang PLATZ Friedrichstraße FERNSEHTURM Mauerverlauf zwischen West- REICHSTAG und Ost-Berlin BRANDEN- UNTER DEN LINDEN ROTES BURGER TOR RATHAUS FRIEDRICHSTRASSE BERLIN

POTSDAMER PLATZ

Übergang Checkpoint Charlie HEINRICH-HEINE-STRASSE Übergang Oberbaum- Übergang 500 m brücke Heinrich-Heine-Straße Titel Gerechtigkeit für Egon K.? Der letzte Staatsratsvorsitzende der DDR, Egon Krenz, rühmt sich, die Mauer ohne Blutvergießen geöffnet zu haben – doch kaum einer glaubt ihm.

m Ende reicht es selbst im vor- richtshof für Menschenrechte den nem maroden SED-Politbüro nach den maligen Leib- und Magenblatt Schuldspruch bestätigte, ist der Fall ersten großen Montagsdemonstratio- Anur noch zur kleinen Form. Be- erledigt. Dass der Musterschüler des nen wenigstens für einige Wochen zum scheiden und auf engstem Raum, aber Erich Honecker den an Mauer und Sta- Dreh- und Angelpunkt. Und dass er da an Details verwirrend überladen, ver- cheldraht praktizierten Schießbefehl eine womöglich folgenschwere Schieße- öffentlicht im Juni dieses Jahres das mitsamt seiner Konsequenzen unmit- rei scheute, lässt sich jedenfalls nicht einstige Zentralorgan „Neues Deutsch- telbar zu verantworten hat, behauptet bestreiten. land“ einen Leserbrief des letzten nun nicht mehr bloß die von ihm hef- Er habe aus Bammel vor der Volks- Staats- und Parteichefs der DDR. Un- tig angegriffene „bundesrepublikani- wut die Truppen in den Kasernen ge- terschrift: Egon Krenz, Justizvollzugs- sche Siegerjustiz“. lassen, mutmaßen vorgebliche Kenner anstalt Plötzensee. Juristisch sind damit alle Möglich- der Krenzschen Psyche, während er Der Ex-SED-Generalsekretär, der keiten ausgeschöpft, doch einen Typus selbst sein eindrucksvolles Verantwor- nach seiner Verurteilung zu sechsein- von der Unbeirrbarkeit des Egon Krenz tungsbewusstsein lobt. Der kurzfristige halb Jahren Haft in einem Berliner scheint das kaum zu erschüttern. Er SED-Generalsekretär probte – wie er Gefängnis als Freigänger geführt wird, habe „ein Urteil bekommen, aber kein zumindest behauptet – mit dem nimmt da zur Kritik am PDS- Großen Bruder Michail Gor- Spitzenfunktionär Peter Porsch batschow das „neue Denken“. Stellung. Er bestärkt ihn in Einmal Gefolgsmann, immer seiner Deutung, der Mauer- Gefolgsmann. Allen, die des- bau 1961 habe dem Frieden halb mit heiler Haut davonka- gedient. men, dürfte es egal sein, wel- Auf gerade mal 34 Druck- che Motive den gewendeten zeilen analysiert der „ND“-Le- DDR-Staatschef leiteten, als er ser Krenz die damalige Weltla- auf ein deutsches Tiananmen ge. Mit Willy Brandt und Egon verzichtete. Können sich nicht Bahr nennt er nicht nur zwei auch Menschen, denen in Schlüsselfiguren aus der Alt- wichtigen Augenblicken die BRD, die das angeblich genau- vorher stolz geschwellte Brust so bewerteten, wie er es sieht. schrumpft, objektiv historische Der ehedem oberste Einheits- Verdienste erwerben? sozialist führt außerdem den Manches spricht dafür, dass US-Präsidenten John F. Ken- dem bulligen, zunehmend nedy und selbst dessen Kolle- schrulligen und manchmal

gen, den als ignorant gelten- VERLAG / BERLINER JÖRG BERGMANN ziemlich naiven Egon K., der den Ronald Reagan, ins Feld. Freigänger Krenz sich gern als „Kind der DDR“ Alle, so sein Fazit, hätten Einmal Gefolgsmann, immer Gefolgsmann empfand, kaum in allen Belan- zwischen Propaganda und Po- gen Gerechtigkeit widerfuhr. litik sehr wohl zu unterscheiden ge- Recht“, kritisierte er die einhellige Ent- Wenn er darauf beharrt, es habe als wusst. Es sei folglich „grotesk“, heute scheidung der letzten Instanz und ar- Folge des Kalten Krieges und der Tei- für globale Entwicklungen der Nach- beitet wieder wie eh und je an seinem lung der Welt in zwei Blöcke auf öst- kriegszeit lediglich die kleine und ab- Selbstbild als Retter. licher Seite keine wirkliche Alternati- hängige DDR anzuprangern. Sollen die Gerichte, die er vom lan- ve zum herrschenden Zwangssystem Es geht Krenz wieder mal um Krenz gen Arm einer skrupellos eingesetzten gegeben, ist das gewiss nicht nur eine und seinen Platz in der Geschichte. Als Berliner Machtpolitik beeinflusst Lebenslüge. Walter Ulbricht den berüchtigten „an- glaubt, ihre Sichtweisen pflegen – der Geschichtsklitterung aber wäre, tifaschistischen Schutzwall“ auftürmen so genannte Diplom-Gesellschaftswis- wenn er sich einbildete, den Fall der ließ, machte der Sohn eines Schneiders senschaftler aus hält stoisch an Mauer angestrebt zu haben. aus Hinterpommern erst noch bei der seiner Wahrheit fest: Wenn sich der Die zu schleifen, gab es in den tur- FDJ Karriere. Umso nachdrücklicher waffenklirrende Arbeiter-und-Bauern- bulenten Tagen vor dem 9. November möchte er seine Rolle gewürdigt wis- Staat anno ’89 aus der Geschichte ver- 1989 weder bei Freund Gorbi noch bei sen, die er während der traumhaften abschiedete, ohne einen Tropfen Blut Krenz einen Gedanken. Beide kamen Tage des Zusammenbruchs dieses Bau- zu vergießen, sei das nicht zuletzt ihm zu spät – und was dann daraus folgte, werks gespielt haben will – aber kaum zu danken. hatte der Mann aus Moskau ja schon einer glaubt ihm. Alles nur Gerede? Immerhin avan- einige Wochen vorher mit einer in- Ganz im Gegenteil: Seit im März der cierte der Vorsitzende des Nationalen zwischen berühmten Spruchweisheit in Straßburg ansässige Europäische Ge- Verteidigungsrats, Egon Krenz, in sei- prophezeit. Hans-Joachim Noack

70 der spiegel 32/2001 Vaterland aller Werktätigen dabei Lastwagen von der innerdeutschen wohl fühlen würde: „Er hat den Grenze zunächst quer durch die ost- Krieg gewonnen, und nun muss er deutsche Republik, um die westli- eure Toiletten putzen. Wir können chen Geheimdienste zu täuschen, das nicht machen.“ ehe sie ihre Fracht im Umland Viele Flüchtlinge, das wusste Ul- Berlins deponierten. Nach einer bricht, flohen aus politischen, nicht Aktennotiz aus der Abteilung aus wirtschaftlichen Gründen. Die Honeckers im Bundesarchiv fehlten nahe liegende Schlussfolgerung allerdings kurz vor dem Mauerbau eines sanften Sozialismus mochte 300 Tonnen. Woher diese dann ka- Ulbricht nicht ziehen. „Der da hin- men, ist ungeklärt. ten kann sich alles leisten“, läster- Dolmetscher Eberlein erinnert te er über Tauwetter-Experimente sich, dass die Metalldornen Chruschtschows, „ich aber sitze im grundsätzlich über Rumänien im- Schützengraben. Welcher Soldat im portiert wurden; Diplomat Kwi- Schützengraben zündet sich eine zinski meint, 1961 seien die Rollen Zigarette an?“ mit dem stählernden Flechtwerk Am 4. Juli schrieb Botschafter von der deutsch-polnischen Grenze Perwuchin an Außenminister Gro- angekarrt worden. Die westdeut- myko, es gebe nur zwei Möglich- sche „Fachvereinigung Draht“ be- keiten: Entweder schließe man die teuerte nach dem Mauerbau, die Sektorengrenze, oder die DDR Unternehmen ihres Verbandes hät- müsse den Zugriff auf den gesam- ten nicht geliefert. ten Verkehr zwischen West-Berlin und der Bundesrepublik bekom- 25. Juli 1961 men, insbesondere auf den Flug- Für die fluchtwilligen Ostdeutschen verkehr. Die Maschinen von Pan- lief die Zeit nun ab. Am 25. Juli, Am, British European Airways und das belegt ein bislang unbekannter Air France flogen damals durch drei Vermerk, befahl Generalleutnant alliierte Korridore von den Flug- Grigorij Ariko, Stabschef der so-

häfen Tempelhof und Tegel aus. PRESS / SIPA LARAFLET wjetischen Streitkräfte in der DDR, Perwuchin wollte die West-Berliner Flucht in der Bernauer Straße*: Sprung in die Freiheit dass „die Gruppe der sowjetischen zwingen, nur noch DDR-Flughäfen Streitkräfte in Zusammenarbeit mit zu nutzen oder ostdeutschen Grenzpolizis- gen Sekretär für Sicherheitsfragen Erich dem Ministerium des Innern einen Plan ten das Recht einräumen, in Tegel und Honecker. Der gebürtige Saarländer zur Sicherung der Sektorengrenzen erar- Tempelhof die Reisenden zu kontrollieren. hatte das besondere Vertrauen des beitet“. Polizisten und Betriebskampf- DDR-Flüchtlinge hätten West-Berlin nicht SED-Oberen. Honecker hatte zu ihm ge- gruppen sollten die Grenzübergänge mehr verlassen können. halten, als das Politbüro Ulbricht während sperren, die Nationale Volksarmee (NVA) des Aufstands vom 17. Juni 1953 absetzen dahinter sollte größere Durchbrüche ver- 6. Juli 1961 wollte. hindern. Divisionen der 20. sowjetischen An den 6. Juli erinnert sich Sowjetdiplomat Honecker musste sich eng mit den So- Gardearmee sollten die Amerikaner von Kwizinski genau. Perwuchin rief ihn zu wjets abstimmen. Kwizinski übersetzte die einem Eingreifen abhalten. sich: „Wir haben ein Ja aus Moskau!“ Kwi- Berichte, in denen die deutschen Genos- Besonders raffiniert: Agitatoren der SED zinski bekam den Auftrag, Ulbricht sofort sen über die Trennung der U-Bahn oder hatten sich an der Grenze unter Schau- ausfindig zu machen; er fand ihn in der der Stromversorgung berichteten. An- lustige zu mischen und kleine Debatten zu Volkskammer. schließend schickte Kwizinski die Doku- provozieren. Der Deutsche, erläuterte Kwi- Mit einer dunklen Sil-Limousine rasten mente mit dem Kurier nach Moskau. Fun- zinski später das Kalkül, sei „bekanntlich die beiden Diplomaten in die nahe Lui- ken kam nicht in Frage; das Geheimnis der nicht abgeneigt, über alles Mögliche zu dis- senstraße. Er habe eine Nachricht von Grenzabriegelung sollte gewahrt bleiben. kutieren“. Die vielen kleinen Diskussions- Chruschtschow, erklärte Perwuchin dem Ein großes Problem war der Mangel an runden sollten die Ostdeutschen von Groß- SED-Chef, die Grenze dürfe geschlossen Stacheldraht. Über 100 Tonnen karrten demonstrationen abhalten. werden. Ulbricht, so Kwizinski, Spätestens am Dienstag, dem 8. „nickte mit dem Kopf und bat, August, so Ariko, hätten die Pläne Chruschtschow seinen Dank zu fertig zu sein. Ulbricht wollte unbe- übermitteln“. dingt an einem Sonntag losschla- Ulbricht und Perwuchin mochten gen. Der SED-Chef rechnete damit, sich nicht, heimlich sammelte der dass bei Sommerwetter die Berliner Deutsche Material gegen den Wirt- ins Grüne führen; ein Protest wür- schaftsexperten, der einst unter Sta- de geringer ausfallen. Der folgende lin als Hoffnungsträger gegolten hat- Sonntag war der 13. August 1961. te. Doch jetzt hielten sie zusammen. Der kräftige Oberstleutnant „Wenn etwas schief geht“, warnte Horst Skerra, der einst als Zuschlä- Perwuchin, „reißt man uns beiden ger im Braunkohlebergbau gearbei- den Kopf ab.“ tet hatte, wurde Ende Juli zu sei- Die Koordination der Vorberei- nem Vorgesetzten gerufen. Er solle tungen übertrug Ulbricht dem jun- sich sofort mit einigen Offizieren in das Schloss Wilkendorf bei Straus-

* Oben: im September 1961; unten: beim Kon- BILDERDIENST ULLSTEIN berg begeben. Als die Truppe im trollgang während des Mauerbaus. Mauer-Organisator Honecker (r.)*: „Marschiert!“ Autobus ankam, fiel den Offizieren

der spiegel 32/2001 71 Titel

6507 (ab 13. August)

Riskante Flucht Flüchtlinge, die unter Einsatz ihres Lebens direkt die Grenze überwanden 3155

KEYSTONE PARIS Notaufnahmelager in West-Berlin (1953): „Loch inmitten unserer Republik“ 1842 auf, wie stark das Gebäude bewacht war. dass Ulbricht der Einzige lang unbekannte interne Fast alle Fernmeldeverbindungen wurden war, der den Gesamt- Recherchen, die der 1203 sofort gekappt. Niemand sollte ohne Er- überblick besaß.“ 610 Dienst in den achtziger 463 590 laubnis telefonieren können. Dann mach- Besonders misstrauisch 901 283 Jahren für sich anstellte. ten sich die Soldaten ans Werk. „Wir haben waren Deutsche und So- 160 Mitte Juli sagte eine damals für den X-Tag“ geplant, erinnert wjets gegenüber den Po- Quelle des BND voraus: sich Skerra heute. „Das Datum war uns len und den Ungarn. Da- 1961 64 67 70 73 76 79 82 85 88 „Die Fluchtbewegung in- nicht bekannt.“ bei sprudelten viele In- nerhalb der SBZ-Bevöl- formationen aus der SED. Etwa 60 ost- kerung wird die SED in Kürze zu rigorosen 4. August 1961 deutsche Funktionäre und Militärs, schätzt Maßnahmen veranlassen ...“ Einige Tage Skerra war der Einzige aus der Gruppe, der Historiker Armin Wagner vom Mi- später erfuhr der BND, dass ein „SED- der am 1. August mit zu Chruschtschow litärgeschichtlichen Forschungsamt in Pots- Spitzenfunktionär“ von Plänen zur Abrie- nach Moskau fliegen durfte. Ulbricht und dam, waren eingeweiht. gelung West-Berlins berichtet hatte. Diese Chruschtschow wollten dort die osteu- lägen „seit langem ausgearbeitet vor“. Für ropäischen Verbündeten auf Linie bringen. 6. August 1961 die Ausführung dieser Pläne gäben die So- Insgeheim hoffte Ulbricht wohl noch, Am 6. August bekam die CIA von einem wjets „jedoch keine Erlaubnis“. Zugriff auf den Verkehr zwischen West- Arzt aus der Umgebung Berlins einen Tipp. Der BND-Auswerter notierte: „Es kann Berlin und der Bundesrepublik zu bekom- Der SED-Mann hatte in einem Parteiaus- durchaus damit gerechnet werden, dass men. Doch der Kreml-Chef raubte dem schuss davon gehört, dass „drastische Maß- sich die SED-Führung intensiv darum Deutschen gleich bei der Begrüßung alle nahmen“ zur Abriegelung West-Berlins am bemüht, die Einwilligung Moskaus für das Hoffnungen. Mit der Abriegelung der nächsten Wochenende vorgesehen seien. Inkraftsetzen wirksamer Sperrmaßnahmen Grenze sei er einverstanden, „aber keinen Mehrere sowjetische und ostdeutsche Di- zu erwirken.“ Millimeter weiter“. visionen sollten eingesetzt werden. Auch Nach dem Treffen Ulbrichts und Über die geplante Grenzabriegelung amerikanische Diplomaten wiesen früh auf Chruschtschows in Moskau herrschte wurde auch unter den Genossen nur unter die geplante Schließung der Grenzen hin. zunächst Unsicherheit in Pullach. Im Wo- größter Geheimhaltung gesprochen. Ul- Die Franzosen erfuhren von ihrem bes- chenbericht 32 vom 9. August hieß es: bricht ließ wohl deshalb die Passage seiner ten Agenten in Ost-Berlin, einem Zahn- „Vorliegende Meldungen zeigen, dass das Rede am 4. August, in der eine Sperrung arzt, dass die DDR einen großen Schlag Pankower Regime sich darum bemüht, die der Grenze erwähnt wurde, hinterher aus gegen West-Berlin plane. Der Mediziner Einwilligung Moskaus für die Inkraftset- dem offiziellen Protokoll entfernen, das hatte es von seinen Patienten aus der SED- zung durchgreifend wirksamer Sperrmaß- erst kürzlich in Moskau gefunden wurde. Prominenz erfahren. „Sie wollen Absper- nahmen – wozu insbesondere eine Abrie- Seine Delegation hielt Ulbricht streng rungen mitten durch Berlin bauen“, un- gelung der Berliner Sektorengrenze und unter Kontrolle. „Wir kamen nie zusam- terrichtete er seinen französischen Füh- die Unterbrechung des S- und U-Bahn-Ver- men“, erzählt Dolmetscher Eberlein, „nur rungsoffizier. kehrs in Berlin gehören würde – zu erhal- jeweils einzeln ging man zu Ulbricht ins Der Bundesnachrichtendienst (BND) ten ... Es bleibt abzuwarten, ob und wie Zimmer und verständigte sich mit ihm, so war ebenfalls informiert. Das belegen bis- weit Ulbricht ... in Moskau … mit entspre-

72 der spiegel 32/2001 chenden Forderungen durchzudringen ver- mochte.“ 12. August 1961 Den wohl größten Coup konnte der BND am Samstag, 12. August, vermelden. Aus Ost-Berlin ging folgende Information ein: Am 11.8.1961 hat eine Konferenz der Par- teisekretäre der parteigebundenen Ver- lage und anderer Parteifunktionäre beim ZK der SED stattgefunden. Hier wurde u. a. erklärt: 1. Jetzt könne nur der harte Weg be- schritten werden. Man rechne mit den „üblichen Protesten“ von Seiten des Wes- tens und eventuellen wirtschaftlichen Sanktionen, gegen die man aber die not- wendigen Gegenmaßnahmen ergriffen habe. Man rechne außerdem stark mit dem passiven Widerstand der Bevölke- rung in der SBZ und vor allem in Ost-

Berlin. Dagegen würden Verordnungen GERD SCHÜTZ / AKG erlassen werden, diesen Widerstand mit Mauer am Potsdamer Platz (1970): „Ich musste das auf mich nehmen, für den Sozialismus“ allen Mitteln zu brechen. 2. Die Lage des ständig steigenden Flücht- zweiten Stock des Berliner Polizeipräsidi- Tage später mit einem Sprung über den lingsstroms mache es erforderlich, die Ab- ums nahe dem Alexanderplatz. Stacheldraht in den Westen. riegelung des Ostsektors von Berlin und Durch das riesige Gebäude wuselten Alle zwei Meter zog ein Posten auf; Be- der SBZ in den nächsten Tagen – ein ge- Funktionäre und Uniformträger, als ginge triebskampfgruppen postierten Spanische nauer Tag wurde nicht angegeben – es um die Organisation der Weltjugend- Reiter auf den Straßen, legten Beton- durchzuführen und nicht, wie eigentlich festspiele. Schon seit 20 Uhr wurden die schwellen und montierten Straßensperren. geplant, erst in 14 Tagen. Offiziere der Volkspolizei, abgestuft nach 30 Minuten hatte Honecker dafür vorgese- Berlins Regierender Bürgermeister Wil- Rang, im Stundenrhythmus eingewiesen; hen, 68 der insgesamt 81 Übergänge nach ly Brandt sprach am Samstagnachmittag aus den Nebenräumen telefonierten Hans West-Berlin zu schließen; in weiteren drei auf einer Wahlkampfveranstaltung in Nürn- Modrow, der heutige Ehrenvorsitzende der Stunden sollten Polizisten und Militärs die berg. Seine prophetischen Sätze klangen, PDS, und andere SED-Funktionäre die Be- Übergänge ordentlich – „pioniertechnisch“ als habe er zuvor mit Pullach telefoniert. triebskampfgruppen zusammen. Verteidi- – verrammeln. Die Menschen würden aus der DDR flüch- gungsminister Heinz Hoffmann bereitete Es war eine gigantische Operation: 193 ten, rief er mit seiner heiseren Stimme, im Hauptquartier der NVA in Strausberg Haupt- und Nebenstraßen mussten abge- „weil sie Angst haben, dass die Maschen des die Kommandeure vor. Gegen Mitternacht riegelt werden, 12 U- und S-Bahn-Linien Eisernen Vorhangs zementiert werden. Weil rief Honecker an: „Die Aufgabe kennst du! und 48 S-Bahnhöfe wurden gesperrt. Vo- sie fürchten, in einem gigantischen Ge- Marschiert!“ Die X-Zeit war der 13. August pos hatten den Befehl, „die Einstiegs- fängnis eingeschlossen zu werden“. 1961, ein Uhr morgens. schächte des Kanalisationssystems ständig durch Streifen zu sichern“. 12. August 1961, ab 20 Uhr 13. August, ab 1 Uhr Um 3.25 Uhr unterbrach der Sender Rias Mauer-Organisator Honecker saß am Die Operation begann pünktlich. An der Berlin sein Programm, in dem gerade „Ma- Samstagabend an seinem Schreibtisch im Grenze gingen die Lichter aus. Militärlaster chen wir’s den Schwalben nach“ lief. Ein karrten Truppen und Stacheldraht herbei. Sprecher verkündete: „Starke Kräfte der Polizisten sprangen mit ihren Maschinen- Volkspolizei haben heute Nacht die Gren- pistolen von den Ladeflächen. Am Bran- ze zwischen Ost- und West-Berlin ge- denburger Tor tauchten Suchscheinwerfer sperrt.“ das Gelände in kaltes, bläuliches Licht; mit Auf dem Bahnhof Friedrichstraße Presslufthämmern rissen schweißüber- herrschte um kurz nach 5 Uhr Chaos. Die strömte Soldaten das Pflaster auf. Reisezüge aus dem Westen hielten nur Der 19-jährige Unteroffizier Conrad noch auf dem Bahnsteig A, der für Ost- Schumann wurde in seiner NVA-Kaserne deutsche nicht mehr zugänglich war. „Auf in Zepernick von einem Kameraden ge- den Bahnsteigen stehen Hunderte von weckt: „Los Mann, wir müssen an die Menschen, die nach W(est-)B(erlin) wol- Grenze!“ Ein Offizier teilte den jungen len“, notierte die Volkspolizei. Schreiend, Männern am Brandenburger Tor mit, sie manchmal in Tränen, erzählte der Journa- müssten die Grenze unter Kontrolle brin- list Peter Wyden, hätten die Menschen ver- gen, um sie „gegen die Feinde des Sozia- sucht, „den Bahnsteig der S-Bahn zu stür- lismus“ zu schützen. Schumann später: men, ohne zu wissen, dass der Verkehr in „Wir standen rum und guckten zuerst den Westen unterbrochen war“. ziemlich dämlich. Keiner hatte uns gesagt, Die Volkspolizei hat in jener Nacht und wie man so was macht: eine Grenze unter den darauf folgenden Tagen im Abstand Kontrolle bringen.“ Schumann floh zwei von beinahe fünf Minuten Berichte aus

ULLSTEIN BILDERDIENST ULLSTEIN verschiedenen Stadtteilen Berlins notiert, Bürgermeister Brandt (M.)* * Mit Senatskanzleichef Heinrich Albertz (r.) am 13. Au- die derzeit teilweise auch im Internet zu le- „Schrecklich“ gust 1961 am Brandenburger Tor. sen sind (www.chronik-der-mauer.de). Hin-

der spiegel 32/2001 73 Titel Sterben bis zum Schluss Die letzten Toten an der Grenze zwischen Ost und West

er Flüchtling hatte aufge- steuert das Paar eine Schrebergartenko- geben und stand mit dem lonie an. Dort betreibt das Energiekom- DRücken zum Grenzzaun, binat Berlin eine Gasversorgungsstation, als ihn die Kugel aus der Ka- an der die Freudenbergs ihren Ballon fül- laschnikow ins Herz traf. Der len. Unter dem Ballon ist mit rosa Gardi- Ost-Berliner , ge- nenstrippen und einem Kunststoffgürtel rade 20 Jahre alt, wurde am ein 40 Zentimeter langes Rundholz als 6. Februar 1989 an der Berliner Sitzstange befestigt. Mauer erschossen, als er ver- Ein Kellner, der auf dem Heimweg ist, suchte, von Berlin-Ost nach Ber- glaubt an eine Sinnestäuschung, als er lin-West zu fliehen. den am Boden schwankenden Ballon Der gelernte Kellner ging als sieht. Er ruft die Polizei – die beiden sind letzter Mauertoter in die deutsch- entdeckt. „Los, steig auf!“, habe sie Win- deutsche Geschichte ein. Doch fried zugerufen, schilderte Sabine Freu- dass mit Chris Gueffroys tragi- denberg Jahre später die dramatische Si- schem Tod das Sterben an der tuation der Berliner „B.Z.“. „Das Gas Mauer ein Ende hatte, ist eine reicht nicht für uns beide!“ „Nein, komm Legende. mit“, habe er zurückgebrüllt. Und sie: An , der „Nein, wir bleiben beide hier, wir stehen dem „Grenzregime“ der SED- das gemeinsam durch, Hauptsache, wir Diktatur noch einen Monat nach leben!“ Es knallt; sie glaubt an Schüsse – Chris Gueffroy zum Opfer fiel, beim Abheben hat der Ballon eine erinnerte bis vor kurzem nur ein Stromleitung touchiert. schlichtes Holzkreuz an einer Dann steigt Winfried Freudenberg, an Fußgängerbrücke im gutbürger- seine Konstruktion geklammert, allein in lichen Berliner Stadtteil Zehlen- den Nachthimmel. Sabine Freudenberg dorf, rund zwei Kilometer Luft- wird verhaftet; sie bekommt drei Jahre

linie von der ehemaligen „Sek- BILDERDIENST ULLSTEIN auf Bewährung. torengrenze“ entfernt. Bergung des Freudenberg-Gasballons Beim Flughafen Tegel, über den der Früh am Morgen des 8. März Plumpsendes Geräusch mäßige Nordostwind den fragilen Ballon 1989 gegen halb acht hatte ein treibt, wird später Freudenbergs Ge- Anwohner der Zehlendorfer Limastraße lins gelegene Blankenburg gemacht. Mit burtsurkunde gefunden. Gegen 7.30 Uhr draußen ein „plumpsendes Geräusch“ dabei: ein auffälliges, 38 Kilogramm wird der Flüchtende weiter südlich zum wahrgenommen, dem er keine Bedeu- schweres Paket – der Ballon, gefertigt aus letzten Mal lebend gesehen. Spazier- tung beimaß. Erst acht Stunden später Gartenfolie, wie sie zur Abdeckung von gänger erspähen den Ballon am Teufels- wurde im Garten der zerschmetterte Beeten verwendet wird: sieben Bahnen berg in etwa 500 Meter Höhe. Nur 20 Mi- Körper Freudenbergs gefunden. zu je 13 mal 2,50 Meter, in monatelanger nuten später weht seine Der 32-jährige Diplom-Ingenieur aus Nachtarbeit Zentimeter für Zentimeter leere Hülle in der Krone Lüttgenrode am Harz wurde nicht kalt- zusammengeklebt und tagsüber notdürf- einer Eiche auf dem Mit- blütig exekutiert wie Chris Gueffroy oder tig unter dem Bett versteckt. telstreifen der Potsdamer unter den Augen der Weltöffentlichkeit Anfang 1988 hatte Winfried Freuden- Chaussee/Ecke Spanische verblutend im Todesstreifen liegen gelas- berg zum ersten Mal seine verwegene Allee. sen wie – wohl der schockierendste Mau- Fluchtidee erwähnt. Einige spektakuläre Als Todesursache gibt ermord – der 18-jährige Peter Fechter am Ballonfluchten waren geglückt; die Ge- der West-Berliner Staats- 17. August 1962. Freudenberg hatte das schichte der Familien Wetzel und Strzel- schutz einen Sturz aus brutale Bauwerk in einem selbst gefertig- czyk, die es 1979 in einem Heißluftballon großer Höhe mit zahlrei- ten Gasballon schon heil überwunden und in den Westen geschafft hatten, wurde chen Knochenbrüchen

schwebte über sicherem West-Berliner sogar in Hollywood verfilmt. und inneren Verletzungen DER SPIEGEL (l.); PETER RONDHOLZ (r.) Gebiet, als er in wie Ikarus Freudenberg war Risiken noch nie aus an. Doch war es ein Un- Maueropfer Gueffroy, vom Himmel stürzte – fast auf den Tag ge- dem Weg gegangen; zweimal hatte der fall? Oder fürchtete Freu- nau acht Monate bevor die Mauer fiel. rasante Fahrer bei Motorrad- und Auto- denberg, über West-Berlin hinaus in die Bis heute sind die genauen Umstände unfällen nur knapp überlebt. Seiner Frau DDR zurückgetrieben zu werden – und seines Todesflugs nicht geklärt. Kurz nach Sabine dagegen hatte der Gedanke an sprang aus Verzweiflung aus mindestens Mitternacht am 8. März 1989 hatte sich eine Flucht, zumal durch die Luft, von 50 Meter Höhe ab? das Ehepaar Freudenberg aus seiner Hin- Anfang an Alpträume bereitet. Winfried Freudenberg war der Letzte, terhof-Wohnung im Stadtteil Prenzlauer Doch weil sie die Trennung fürchtet, der sein Leben bei der Überwindung der Berg auf den Weg in das im Norden Ber- macht sie schließlich mit. In Blankenburg Berliner Mauer ließ. Doch fast bis zum

74 der spiegel 32/2001 letzten Tag des Eisernen Vor- hangs kamen DDR-Bürger an den Grenzen des Ostblocks um, als sie sich in die Freiheit absetzen wollten: • Bei dem Versuch, mit sei- nem Lada den Schlagbaum an der tschechoslowakisch- österreichischen Grenze bei Petr¢alka zu durch- brechen, starb am 21. April 1989 der 21-jährige Ost- Berliner Ralph-Peter Sau- nen. • Am 15. Mai 1989 wurde ein achtjähriger Junge aus Ost- Berlin getötet, als seine

Mutter mit Freunden im BILDERDIENST ULLSTEIN Auto die Grenzsperren Mauer in Berlin-Neukölln (1961): Bierflaschen gegen Grenzer nach Bayern bei der tschechoslowa- kischen Ortschaft Strá¢n⁄ durch- ter den Meldungen verbirgt sich das Dra- Wer aufbegehrte, wurde in Schnellverfah- brach. ma der Millionenmetropole: ren abgeurteilt. • Der 19-jährige Michael Weber aus • 9.20 Uhr: „In der Kremmener Straße In West-Berlin hatten sich schon in den Mölkau bei Leipzig wurde am 7. Juli versuchen Bürger, die Haustüren einzu- ersten Stunden Nachtschwärmer an der 1989 auf der Flucht erschossen, als er schlagen, um in die Bernauer Straße zu Sektorengrenze versammelt und die „be- in der Nähe der bulgarischen Ort- gelangen.“ waffneten Organe“ (SED-Jargon) be- schaft Nowo-Chodshowo die Gren- • 10.45 Uhr: „Information Mitte: Am schimpft. Am Brandenburger Tor riefen sie ze nach Griechenland überwinden Übergang Köpenicker Str. haben sich „Pfui“ und sangen „Brüder, zur Sonne, wollte. auf beiden Seiten ca. je 100 Personen zur Freiheit“; am Bethaniendamm pras- • Am 23. September 1989 ertrank der angesammelt, die unsere Posten provo- selten Bierflaschen auf die DDR-Unifor- ebenfalls 19-jährige Mario Poetsch zieren. Sie versuchen die Sperre zu mierten nieder, in der Friedrich-Ebert- bei dem Versuch, von der —SSR in durchbrechen.“ Straße griffen einige Dutzend Passanten die Bundesrepublik zu gelangen. • 11.20 Uhr: „Information : Am die Genossen an und versuchten, die Sper- Die allerletzten Toten, die sich Flutgraben, Nähe Lohmühlenstr., hat ren zu zerstören. Honecker schickte eine Honeckers Diktatur zurechnen lassen sich ein junges Mädchen gegen 10.00 Uhr Hundertschaft Kampfgruppen. muss, starben jedoch – Ironie der Ge- bis auf die Unterwäsche entkleidet, ist in Am Brandenburger Tor versammelten schichte – bei der Flucht in Richtung den Flutgraben gesprungen und nach sich in der Mittagszeit Hunderte Berliner Osten: Als in Polen Anfang Juni 1989 WB geschwommen. Sie wurde von der und versuchten, „die Grenzbefestigungen die Kommunisten die Macht an die dortigen Menschenmenge ,empfangen‘.“ zu zerstören“, wie es das „Journal der Gewerkschaft Solidarno£ƒ verloren, • 11.30 Uhr: „Kontrollpunkt : Handlung“ der Volkspolizei vermerkt. Die strebten immer mehr DDR-Bürger il- Ca. 1500 Personen, die erkennen lassen, Vopos ließen fünf Wasserwerfer und vier legal in das östliche Nachbarland. Nicht dass sie nach West-Berlin wollen … Zwei Schützenpanzer auffahren. Später melde- wenige versuchten, die Oder zu durch- Hundertschaften der Kampfgruppen te der Kontrollposten 34, dass West-Berli- schwimmen. eingesetzt.“ ner Polizisten „ca. 3000 Jugendliche … un- • 16.05 Uhr: „Ca. 300 Jugendliche haben ter Einsatz von Polizeiknüppeln auseinan- die Drahtsperren in der Wolliner Straße dertrieben“. Die Jugendlichen riefen: „Ihr durchbrochen. 7. Bataillon der Kampf- schlagt gegen die falsche Seite.“ gruppen wurde … in Marsch gesetzt.“ Ein Mitarbeiter weckte Willy Brandt in • 17.50 Uhr: „Information Treptow: Vom der Nacht der Grenzabriegelung im Schlaf- demokr. Berlin aus schwimmen Jugend- wagen auf dem Weg von Nürnberg nach liche im Landwehrkanal von einer Seite Kiel. Brandt möge sofort nach Berlin kom- zur anderen und benutzen teilweise men. Stunden später stand er am Bran- Luftmatratzen.“ denburger Tor. • 18.10 Uhr: „Transportpolizei Berlin: Müde schaute er durch die dunkle Son- Durch den Stellwerker auf dem Bahn- nenbrille auf die Kampfgruppen mit den gelände Eberswalder Str. wurde be- Maschinenpistolen. „Schrecklich“, mur- Grabstätte: Kugel ins Herz kannt, dass Bürger aus dem demokr. melte Brandt. Ein West-Berliner Passant Berlin die Trennmauer zwischen Ebers- zog den Regierenden am Arm: „Wann Allein im Oktober 1989 ertranken walder Str. und Bahngelände überstie- kommen die Amerikaner und machen die- dabei vier junge Ostdeutsche – als gen und damit illegal das demokr. Ber- sem Spuk ein Ende?“ Letzter Frank M., der am 27. Oktober lin verließen.“ Am späten Vormittag fuhr Brandt in die in Bad Freienwalde aufgebrochen war. Die meisten Ost-Berliner wurden von Alliierte Kommandantur in die Kaisers- Seine Leiche wurde Anfang Novem- der Grenzschließung überrascht, wie die werther Straße. Er erzählte später, er habe ber aus dem Fluss gezogen. Vopos stolz vermerkten. Zwar registrier- die drei Stadtkommandanten General Al- Hans Michael Kloth ten die Polizisten in fast allen Stadtbezirken bert Watson (USA), General Rohan Dela- große Unzufriedenheit, doch ein Aufstand, combe (Großbritannien) und General Jean wie ihn die SED befürchtet hatte, blieb aus. Lacomme (Frankreich) angeherrscht: „Sie

der spiegel 32/2001 75 Titel PATRICK PIE / GAMMA / STUDIO X / STUDIO PIE / GAMMA PATRICK Maueröffnung am 11. November 1989: Das Jahrhundertbauwerk einfach überrannt haben sich heute Nacht von Ulbricht in ten, falls sich der Westen den Weg nach John F. Kennedy rechtfertigte das den Hintern treten lassen.“ Berlin freikämpfen müsse. Strauß empfahl Nichtstun damit, dass die Mauer zwar Der Bürgermeister wünschte zumindest ein Militärgelände, auf dem er 1942 Dienst „keine sehr schöne Lösung ist, aber im- symbolische Aktionen. Vergebens. Es ver- getan hatte. mer noch unendlich viel besser als ein gingen 24 Stunden, bis die erbetenen Mi- Hat der Westen also versehentlich für Krieg“. An den empörten Brandt schrieb litärstreifen an der Grenze erschienen, 48 die „falsche Krise“ geplant, wie Brandt er, die „brutale Schließung der Grenze“ Stunden bis zum alliierten Protest im so- milde urteilte? lasse sich nur durch „Krieg verändern“. wjetischen Hauptquartier in Karlshorst, 72 Kennedy hatte für die Lage Chru- Frankreichs Präsident Charles de Gaulle Stunden bis zur Demarche der westlichen schtschows großes Verständnis. Dieser ver- war anderer Meinung: „Wären sie (Ken- Botschafter in Moskau. liere Ostdeutschland, erklärte Kennedy ei- nedy und der britische Premier Harold Ein Mauerbau, behauptete später der nem Berater knapp zwei Wochen vor dem Macmillan –Red.) meinem Vorschlag ge- damalige Verteidigungsminister Franz Josef Mauerbau: „Das kann er nicht zulassen, folgt, den Stacheldraht sofort mit Panzern Strauß, sei „als nicht sehr wahrscheinlich denn wenn er Ostdeutschland verliert, niederzuwalzen, hätte es eine Mauer nicht angesehen“ worden. In einer ARD-Doku- wird er Polen und ganz Osteuropa verlie- gegeben.“ mentation, die am Montag der nächsten ren. Er muss etwas tun, um den Flücht- Einen solchen Schritt hätte man aller- Woche ausgestrahlt wird, attestiert der da- lingsstrom zu stoppen – vielleicht eine dings vorbereiten müssen. Der amerika- malige französische Verteidigungsminister Mauer bauen. Und wir werden das nicht nische Stadtkommandant Watson ver- Pierre Messmer, in Frankreich habe nie- verhindern können.“ warf die Idee am mand die Vorhersagen der Dienste ge- Trotz der großen Überlegenheit der Morgen des Mauer- glaubt. USA legte sich der Präsident Anfang Au- Am Abend des baus, weil er nur 27 Dabei lag die Abgrenzung Ost-Berlins gust fest: „Ich kann das Bündnis zusam- 13. August Panzer unter seinem so nahe, dass vier Tage vor dem Abriegeln menhalten, um West-Berlin zu verteidigen, herrschte in Kommando hatte. der Grenze der SPIEGEL schrieb, der SED aber nicht, um den Zugang nach Ost-Ber- der SED- Watson: „Eine ganz biete sich „nur noch die Radikallösung an, lin offen zu halten.“ Er warnte Chru- Führung Sie- einfache Rechnung die Sektorengrenze innerhalb Berlins für schtschow öffentlich, dass jeder Angriff auf ergab einen Panzer alle DDR-Bürger zu sperren“. Die Pläne lä- West-Berlin oder die Korridore einen Krieg gesstimmung pro Meile.“ gen seit Wochen bereit. auslösen würde; von Ost-Berlin war nie wie nie zuvor Dass die Amerika- Verschreckt von Chruschtschows Auf- die Rede. ner bereit waren, für treten in Wien sorgte sich die Nato um Es gab nicht einen einzigen westlichen ihre eigenen Rechte in Ost-Berlin ein Risi- Ernstfälle wie eine Berlin-Blockade und Versuch, Chruschtschow und Ulbricht auf- ko einzugehen, zeigte sich gut zwei Mona- sowjetische Attacken auf die drei Luftkor- zuhalten: keine Embargo-Drohung, um sie te nach dem Mauerbau. Vopos verlangten ridore zwischen dem Westteil der Stadt zu schrecken, kein Angebot, um sie zu vom amerikanischen Diplomaten E. Allan und der Bundesrepublik, nicht aber um locken. Keine Sondierungen möglicher Al- Lightner am Übergang Friedrichstraße den eine Abriegelung Ost-Berlins. Die Ameri- ternativen. Und auch keine öffentliche Ausweis. Lightner lehnte dies als Verstoß kaner fragten bei Strauß an, gegen wel- Warnung an die Ostdeutschen, die auf ge- gegen den Viermächte-Status ab. Kennedys chen sowjetischen Truppenübungsplatz in packten Koffern saßen und vom Mauer- Berlin-Beauftragter Lucius D. Clay ließ der DDR sie eine Atomwaffe einsetzen soll- bau überrascht wurden. zehn M-48-Panzer mit scharfer Munition

76 der spiegel 32/2001 M. WADA / GAMMA / STUDIO X / STUDIO / GAMMA M. WADA Verkauf von Mauerteilen in Tokio (1990): Begehrte Souvenirs des Kalten Krieges bis auf wenige Millimeter an die Sektoren- Vor allem West-Berliner Studenten hal- Staaten trotz Mauerbau und Stachel- grenze am Checkpoint Charlie vorrücken. fen. Noch am Abend des 13. August tat sich draht, Selbstschussapparaten und Minen, Chruschtschow gab Befehl, zehn sowjeti- eine Hand voll zusammen und gründete Hundelaufanlagen und Schießbefehl nie. sche T-54-Panzer, ebenfalls mit scharfer spontan die erste Fluchthilfe-Organisation: Die bundesdeutsche Statistik registrierte Munition, direkt gegenüber halten zu las- Das „Unternehmen Reisebüro“ – über das bis 1988 knapp 40000 „Sperrbrecher“ – so sen. 16 Stunden dauerte die Konfrontation. SPIEGEL TV am 13. August eine 30-minüti- nannte der Westen jene Ostdeutschen, die Über einen Mittelsmann einigten sich ge Dokumentation sendet – schmuggelte nach dem 13. August 1961 unter dem Einsatz Chruschtschow und Kennedy schließlich, in den folgenden Wochen und Monaten ihres Lebens die Flucht in den Westen die Tanks abzuziehen. Einer der gefähr- zunächst 450 Kommilitonen mit Hilfe ge- schafften. Über 200000 nutzten etwa Kurz- lichsten Momente des Kalten Krieges war liehener Pässe aus dem Ostsektor. besuche im Westen, um sich abzusetzen, vorüber. Ulbricht rief schließlich Botschafter Per- oder wurden von der Bundesregierung Die sowjetischen und ostdeutschen Of- wuchin zu sich. Der Stacheldraht, urteilte freigekauft. fiziere hatten lange darüber gegrübelt, wie der SED-Chef, provoziere zu immer neu- Als im September 1989 die ungarische man verhindern könne, dass der Westen en Fluchtversuchen. Nur am Potsdamer Regierung den Eisernen Vorhang an der die Schließung der Grenze für einen An- Platz und an wenigen anderen Stellen hat- Grenze zu Österreich öffnete, ergriffen griff halte. „Keiner unserer Panzer sollte te Ulbricht ab Mitte August Betonplatten Zehntausende die Chance, die Mauer der aus Versehen zu weit fahren“, erinnert sich aufstellen lassen; sie stammten von Groß- SED zu umgehen. der ehemalige NVA-Oberstleutnant Sker- baustellen aus der Umgebung. Nun wollte Mauerbauer und Ulbricht-Nachfolger ra. Doch die Spannung legte sich rasch. er die gesamte Grenze nach West-Berlin Honecker war zu diesem Zeitpunkt bereits Am Abend des 13. August berichtete eine zumauern. „Wir werden an Stelle des Sta- ein alter und kranker Mann, Symbol eines Quelle dem BND: „Es herrschte in der cheldrahts eine Betonmauer bauen“, über- gigantischen Reformstaus. Längst hatte der SED-Führung eine Siegesstimmung wie nie setzte Kwizinski, „und sie sogar verput- sowjetische Kreml-Chef Michail Gorba- zuvor.“ zen.“ Dafür werde man die Bauprogram- tschow den osteuropäischen Verbündeten Nur eines kam anders, als Walter me etwas reduzieren müssen. erlaubt, einen eigenen Weg zum Sozialis- Ulbricht erwartet hatte. „Wir haben ge- Am 20. September rief Honecker seinen mus zu suchen. Die Mauer, verkündete der glaubt, die Leute wären diszipliniert ge- bereits aufgelösten Einsatzstab ein letztes deutsche Greis trotzig, werde „noch in 50 nug“, sagt Dolmetscher Eberlein, „und Mal zusammen. Das Innenministerium gab oder 100 Jahren“ stehen. würden sich durch den Stacheldraht be- bekannt, dass man zunächst 18 bis 20 Ki- Für die Menschen, die alles zurück- eindrucken lassen.“ lometer Grenzmauer errichten werde. ließen, hatte Honecker nur Hohn und Spott Doch gegen jede Ordnung und trotz To- Unter den Genossen brach eine heftige übrig. „Man sollte ihnen keine Träne nach- desgefahr schwammen Ostdeutsche durch Diskussion los. Viele sprachen sich gegen weinen“, ließ er im SED-Zentralorgan den Teltowkanal, sprangen aus Häusern an eine Mauer aus. Ihr Argument: „Sie wirft „Neues Deutschland“ am 2. Oktober 1989 der Grenze, brachen mit dem Auto an der bei Nacht Schatten und gibt günstige Mög- verkünden. 38 Tage später befreiten sich Grenze durch. In den ersten vier Wochen lichkeiten der Annäherung für den Geg- die Ostdeutschen selbst; das Jahrhundert- nach dem Mauerbau registrierten die ost- ner.“ Das Bollwerk wurde dennoch gebaut. bauwerk des Walter Ulbricht wurde am 9. deutschen Behörden 216 „Grenzdurch- Ganz dicht schloss die Grenze in Berlin November einfach überrannt. brüche“. und zwischen den beiden deutschen Klaus Wiegrefe

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