Informationen Zur Raumentwicklung, Heft 1.2014
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Informationen zur Raumentwicklung Heft 1.2014 49 Jens Imorde Shoppen ja, aber nur nicht im Warenhaus!? Rolf Junker Warenhäuser stehen seit einigen Jahrzehn triebstyp durch den Ersten Weltkrieg. Er ten unter einem erheblichen Wettbewerbs schnitt Deutschland von Warenlieferungen druck. Die Anteile am Einzelhandelsumsatz aus dem Ausland ab, führte zu sinkenden sinken kontinuierlich, und dementspre Bevölkerungszahlen und mündete letzt chend mussten viele Häuser schließen und lich in einer Weltwirtschaftskrise. Massive sogar einige Konzerne ganz aufgeben. We Umwälzungen in der Eigentumssituation gen der großen Bedeutung für die Entwick sind dann in Folge der Machtübernah lung der städtischen Zentren ist diese Pro me der Nationalsozialisten festzumachen. blematik auch stets Gegenstand politischer Da „jüdische Kaufleute und Unternehmer und planerischer Diskussionen gewesen. im Handel eine gewichtige Rolle spielten, Um die aktuellen Tendenzen und die Zu konnten aus dieser Tatsache heraus leicht kunftsfähigkeit der Warenhäuser besser ein Generalisierungen formuliert werden: Das ordnen zu können, lohnt sich zunächst ein Warenhaus selbst wurde zur jüdischen Blick auf die Entstehung und Entwicklung Einrichtung“ (Strohmeyer 1980: 155) und dieser besonderen Betriebsform und Han die Unternehmen nach und nach „arisiert“ delsarchitektur. Der folgende Aufsatz geht (ausführlich hierzu LadwigWinters 1997). auch auf die derzeitigen Entwicklungen ein Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu ei und betrachtet zudem die Rolle der Städte ner neuen Blütezeit der Warenhäuser (vgl. in den zu beobachtenden Umstrukturie von Schwanenflug 2013: o. S.). „Im Span rungsprozessen. nungsfeld zwischen Wiederaufbau und städtebaulichem Neubeginn im Sinne einer funktional gegliederten und aufgelockerten 1 Blüte und Niedergang sowie autogerechten Stadt bildeten die Wa der Warenhäuser renhäuser wichtige Fixpunkte in der City“ (PumpUhlmann 2011: 11). Bei einem brei Die Geschichte der Warenhäuser beginnt ten Warenangebot, das das „Wirtschafts etwa Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie ziel wunder“ der Nachkriegszeit für jedermann ten mit ihrem Warenangebot, im Gegen erlebbar machte, setzten sie baulich auf satz zu ihrem Vorläufer, den Passagen, auf demon strative Schlichtheit und Funktio eine breitere Käuferschicht, die mit dem nalität bei den Fassaden, die als Marken erstmals zur Verfügung stehenden Massen zeichen des jeweiligen Warenhauskonzerns angebot der industriellen Warenproduk gestaltet wurden. Demgegenüber wurde auf tion angesprochen werden sollte. Neue die Ausgestaltung der Erdgeschossfassade, Verkaufsprinzipien waren vor allem ein also dem Kontaktbereich zwischen Fußgän breites Angebot auf Vorrat, ein hoher Um gerweg und Verkaufsraum besonderer Wert satz sowie kleine und dabei feste Preise gelegt. Eingänge und Schaufenster wurden (vgl. Dörhöfer 2008: 27 f.). Als erstes echtes so gestaltet, dass die Passanten quasi in Warenhaus gilt der „Bon Marché“ in Paris die Verkaufsräume hineingezogen wurden. (Ulrich 2013: o. S.), der 1838 eröffnet wurde. Drittes Merkmal war schließlich – vor dem In Deutschland fanden die ersten Eröffnun Hintergrund der zunehmenden Mobilität – gen einige Jahre später statt und verbrei die Einbeziehung von Parkhäusern in das teten sich dank ihres Erfolgs rasch: 1876 bauliche Ensemble. übernahm Georg Wertheim in Stralsund Jens Imorde das Textilgeschäft seiner Eltern, 1881 er Ihren Bedeutungszenit überschritten die IMORDE Projekt- und Kultur- öffnete Rudolf Karstadt sein „Manufactur, Warenhäuser Anfang der 1970erJahre, als beratung Confections und Tuchgeschäft“ in Wis es in Westdeutschland noch 1 150 Kauf Schorlemerstraße 4 mar und ein Jahr später Hermann Tietz und Warenhäuser gab, die einen Umsatz 48143 Münster einen „Laden für Garn, Knopf, Posamen anteil von 10 % des gesamten Einzelhan E-Mai: [email protected] tier, Weiß und Wollwaren“ in Gera (Ess delsumsatzes auf sich vereinigten (vgl. Frei Rolf Junker Junker + Kruse linger 2009: o. S.). Die Liste lässt sich mit 1997: 160). Seitdem sank der Umsatzanteil Stadtforschung Planung Namen wie z. B. Theodor Althoff in Dülmen stetig: Lag er 1990 noch bei 4,6 %, waren es Markt 5 und Simon Schocken in Zwickau leicht 2010 nur noch 2,0 % (vgl. Hessert 2013: o. S.). 44137 Dortmund erweitern. Die erste Krise erlebte der Be Mitverantwortlich hierfür waren neben der E-Mail: [email protected] 50 Jens Imorde, Rolf Junker: Shoppen ja, aber nur nicht im Warenhaus!? allgemeinen Steigerung der Verkaufsflächen nehmlich auf der „grünen Wiese“ errichtet. und einem sich ständig ändernden Kun Seit den 1990er Jahren wurden die Ein denverhalten das Vordringen zweier neuer kaufs center mehr und mehr und schließlich Betriebstypen, dem Verbrauchermarkt und fast nur noch in den Innenstädten lokali dem Einkaufscenter, beide zunächst vor siert. Damit wurden sie zu einer räumlich unmittelbar benachbarten Konkurrenz der Warenhäuser Dieses „Auf und Ab“ der Be Abbildung 1 . Entwicklungsphasen wichtiger Betriebsformen des Einzelhandels triebsformen ist im Einzelhandel jedoch nichts Ungewöhnliches, sondern eher die Einführung Wachstum Reife Abschwung Regel. Die Abbildung 1 macht das verein facht deutlich. Die Kunden verabschiedeten sich nach und nach vom Motto „Alles unter einem Dach“ und suchten vermehrt spezialisierte An gebote. Zudem mieden sie immer häufiger Discounter die Obergeschosse, weil der Wunsch nach Supermärkte Bequemlichkeit stieg und in den Warenhäu sern zu wenig Aufforderungscharakter zum SB-Warenhäuser Convenience- Weitergehen entwickelt wurde. Gleichzeitig Stores Bedie- nungs- wurde auf der Angebotsseite deutlich, dass E-Commerce Einkaufscenter läden (Food) Fachmärkte häufig suboptimale Standortbedingungen Filialisierte Fachgeschäfte vorlagen, denn: In den Boomjahren der E-Commerce Nachkriegszeit schien jeder Standort ren (Non-Food) Kaufhäuser Traditionelle Fachgeschäfte tierlich zu sein, doch durch das oben er wähnte Verkaufsflächenwachstum und das Warenhäuser sich verändernde Kundenverhalten wur de eine suboptimale Lage mehr und mehr Betriebsformen im Lebensmittelhandel Betriebsformen im Non-Food-Handel zum Nachteil. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Eurostat (Hrsg.): Der Einzelhandel im EG-Binnen- Wie sich diese Entwicklungen auf Anzahl markt, Brüssel, Luxemburg 1993 und Umsatz der Warenhäuser niederge schlagen haben, verdeutlicht Abbildung 2. Danach ist die Anzahl der ehemals vier gro Abbildung 2 ßen Warenhausketten (Karstadt, Kaufhof, Entwicklung der Warenhäuser (Karstadt, Kaufhof, Hertie, Horten) Hertie, Horten) von rund 330 Häusern im Anzahl Warenhäuser Mrd. € Jahr 1990 bis 2012 um fast ein Drittel gesun 450 ken und der Umsatz im gleichen Zeitraum 14 sogar um fast zwei Drittel zurückgegangen. 400 Neben den Horten und HertieHäusern 12 350 waren von den Schließungen vor allem Warenhäuser in Städten unter 100 000 300 10 Einwohnern, in Regionen mit hohem Flä chenbesatz und solche abseits der 1ALa 250 8 gen betroffen. Glaubhafte Prognosen se hen weitere Schließungen voraus (Hessert 200 6 2013: o. S.). 150 4 100 2 Leerstehende Warenhäuser und 2 ihre Revitalisierung – Probleme und 50 Strategien 0 0 1990 1993 1996 1999 2002 2005 2008 2011 2012 Die Schließungen der Warenhäuser wurden Umsatz der Warenhäuser von der Öffentlichkeit gemeinhin als großer Anzahl der Warenhäuser Verlust eingestuft, zumal negative Ausstrah Quelle: Eigene Darstellung nach: Handel aktuell 1991, 1994, 1997, 2000, 2003, 2006/07, lungseffekte nicht lange auf sich warten 2009/10, EHI Retaile Institut, Köln und http://www.handelsdaten.de ließen. Die Warenhäuser waren meist der Informationen zur Raumentwicklung Heft 1.2014 51 zentrale Einkaufsort, vielfach sogar Identi 2010: 219) manche Standorte sind aller fikationspunkt, der Stadt bzw. Innenstadt, dings bis heute nicht wieder in Betrieb ge vor allem in Klein und Mittelstädten. Die nommen worden. Wiederinwertsetzung dieser Objekte stand Als Folgenutzung wird in den meisten Fäl und steht daher in allen Städten ganz oben len wieder Einzelhandel präferiert: So ist auf der Tagesordnung. Dabei wird der bei den leer stehenden insgesamt 35 Her Standort des Warenhauses grundsätzlich als tieHäusern in neun Fällen ein Einkaufs günstig für eine neue Nutzung eingeschätzt. center, in einem Fall ein SBWarenhaus, in Er liegt oft mitten in der Innenstadt bzw. zwei Fällen ein Kauf oder Warenhaus und im Stadtteilzentrum und zentral im Kun in zehn Fällen ein Geschäfts und Büroge denlauf (vgl. Meyer 2011: o. S.). Gleichwohl bäude als Nachnutzung vorgesehen; bei 13 verläuft die Wiedernutzung bisher nicht un Häusern ist die Zukunft noch ungewiss (vgl. problematisch. N. N. 2013: o. S.). Insgesamt ist jedoch – wie Verantwortlich hierfür sind vor allem die oben gezeigt wurde – ein deutlicher Rück folgenden drei Aspekte: gang bei der Betriebsform Warenhaus zu konstatieren. 1. Teilweise führen, oft durch Insolvenzen entstandene komplizierte, auch durch Vor diesem Hintergrund stellt sich die Fra internationales Recht tangierte Eigen ge, welche Rolle Städte einnehmen können, tumsverhältnisse und hohe Kaufpreis um die gewünschte Revitalisierung voran vorstellungen und damit verbunden eine zutreiben. Da es sich um privatwirtschaftli zögerliche Vermietungs bzw. Verkaufsbe che Immobilien handelt, sind die Einfluss reitschaft zwangsläufig zu langwierigen, möglichkeiten der Kommunen gering. Die oft zähen Verhandlungen. Dies zunächst Inwertsetzung bzw. die Revitalisierung des zwischen Eigentümern und Entwick jeweiligen Standortes