LANDESARCHIV BADEN-WÜRTTEMBERG

Nr. 45 / September 2012

ARCHIVNACHRICHTEN

Architektenträume

Ein kleines Versailles

Baudenkmale im Bild

Schätze aus der württembergischen Kunstkammer

Architektenträume unter dem Skalpell Inhalt

Regina Keyler Elke Koch Christine Axer 3 || Editorial 25 || Wie man Traumschlösser 38 || Heimerziehung in Baden-Würt- praktisch baut. Die Überlieferung der temberg 1949 – 1975. Archivrecherchen ARCHITEKTENTRÄUME Baugewerkeschule in Stuttgart und historische Aufarbeitung

Konrad Krimm Stephan Molitor QUELLEN GRIFFBEREIT 4 || Architektenträume 27 || Baudenkmale im Bild. Die Glasplattensammlung des Landes- Sibylle Brühl Erwin Frauenknecht amts für Denkmalpflege 40 || An Bord der SMS Elisabeth. 7 || Gotische Baurisse im deutschen Tagebuchaufzeichnungen 1884–1886 Südwesten Birgit Meyenberg eines Marineoffiziers 28 || Avantgarde in Hohenzollern. Kurt Andermann Entwürfe des Architekten Martin Elsaes- Niklas Konzen 9 || Fürst – Achse – Planstadt. ser für den Fürsten von Hohenzollern 42 || Schätze aus der württembergischen Rastatt, Karlsruhe und Mannheim 1948 Kunstkammer. Ein Erschließungsprojekt zu den Ursprüngen des Landesmuseums Peter Müller Jürgen Treffeisen 10 || Kampf ums Rathaus. 29 || Die Post im Dorf. Die Plan- KULTURGUT GESICHERT Balthasar Neumanns Tätigkeit für den sammlung der Deutschen Bundespost Fürstpropst von Ellwangen im Generallandesarchiv Karlsruhe Cornelia Bandow 44 || Architektenträume unter dem Martina Heine Claudia Wieland Skalpell. Risse und Planzeichnungen als 12 || Ein kleines Versailles in Wertheim. 30 || „Ein Landkreis baut auf“. restauratorische Herausforderung Die Umbaupläne des fürstlichen Bau- Baumaßnahmen im Landkreis Tauber- meisters Tilman Ruland bischofsheim in den 1950er Jahren ARCHIVE GEÖFFNET

Ute Bitz Thomas Kreutzer Franz-Josef Ziwes 14 || Ein Traum von einem Schloss 32 || Masse und Klasse. 45 || Plakate und Karikaturen zur Süd- Bauakten in Kommunalarchiven weststaatsbildung Julia Riedel 16 || „2 Erkerthürmchen von Stein Martin Häußermann Wolfgang Mährle angebracht“. Das fürstliche Marstall- 34 || Staatliches Bauen nach dem Krieg 46 || Armee im Untergang. gebäude in Sigmaringen in Württemberg. Die Überlieferung der Württemberg und der Feldzug Napoleons Oberfinanzdirektion gegen Russland 1812. Die 200. Wiederkehr Gerhard Kabierske des französisch-russischen Krieges 18 || Curjel & Moser. Ein Karlsruher Joachim Kleinmanns Architekturbüro der Jahrhundertwende 35 || Das saai. Südwestdeutsches Archiv HÄUSER MIT GESCHICHTE für Architektur und Ingenieurbau am Joachim Brüser Karlsruher Institut für Technologie KIT Volker Trugenberger 20 || Historistischer Architektentraum 47 || Palais für drei. Die Anfänge des mit wissenschaftlicher Grundlage. ARCHIV AKTUELL Sigmaringer Prinzenbaus Der Umbau des Schlosses Neuenstein Daniel Fähle GESCHICHTE ORIGINAL: Peter Bohl 36 || Löwenstark! Die Beiträge des QUELLEN FÜR DEN UNTERRICHT 44 22 || Einkaufstempel. Die Anfänge des Landesarchivs für LEO-BW Warenhauses Hermann Tietz in Stuttgart Markus Fiederer Michael Aumüller 48 || Baden-Württemberg und seine Martin Laiblin 37 || Epochaler Schritt. Grundbuch- „Wutbürger“. Zur Aktualität der politi- 24 || „Was Ihr wollt II“. zentralarchiv Baden-Württemberg ein- schen Debatte um die Gründung des 100 Jahre Littmann-Bau in Stuttgart geweiht Südweststaats vor 60 Jahren

2 Archivnachrichten 45 / 2012 Editorial

Was ist das Faszinierende an Plänen im konnten nicht mehr genutzt werden Archiv? Zunächst einmal unterscheiden oder waren baufällig geworden und sie sich rein formal vom üblichen Akten- wurden abgerissen. Manche wurden schriftgut. Sie sind oft großformatig, durch Kriegseinwirkungen zerstört, wie manchmal farbig – und für Schriftun- das Kleine Haus des württembergischen kundige sind sie über Sprach- und Zeit- Staatstheaters. Häufig lässt sich der ur- grenzen hinweg verständlich. Gerne sprüngliche Zustand der Traumobjekte werden sie daher für Ausstellungen und wegen der vielen baulichen Veränderun- Präsentationen herangezogen. Ihr beson- gen gar nicht mehr feststellen, z.B. beim deres Format birgt aber auch Risiken: ehemaligen Kaufhaus Hertie in Stuttgart. Entweder sie sind in die Akten integriert – Wenn sie aber heute noch vorhanden dann oftmals gefaltet und an den Knick- sind, können wir Vergleiche anstellen: stellen eingerissen. Oder sie sind geson- zwischen den Vorstellungen des Archi- dert als Großformat gelagert: Bevor es tekten, wie sie in den Bauplänen Gestalt in den Archiven großformatige Karten- angenommen haben, und der Realisie- und Planschränke gab, wurden sie oft rung aus Holz, Stein oder Beton, wie wir gerollt aufbewahrt – dadurch kann aber sie heute noch sehen. den Farbauftrag abblättern. Oder sie Viele der Beiträge zu den Architekten- lagerten offen, waren dadurch eine ideale träumen, hätten auch in die Rubrik Ablagerungsfläche für Staub und Dreck Quellen griffbereit aufgenommen werden und bleichten aus. Selbst das Material, können, denn häufig stellen sie bislang auf dem die Pläne gezeichnet sind, kann kaum bekannte Quellen in neu erschlos- Risiken bergen: Das bei Architekten senen Beständen vor. In der Quellenbei- beliebte Pergaminpapier zersetzt sich lage steht nochmals das Landesjubiläum chemisch sehr stark. Das Material kann im Mittelpunkt – das Jahr ist ja noch jedoch auch ausschlaggebend für die Über- nicht zu Ende – zieht jedoch mit dem lieferung sein: Die Pläne gotischer Kathe- Thema Bürgerbeteiligung Verbindungen dralen, die im Hauptstaatsarchiv Stuttgart zu den aktuellen Geschehnissen um lagern, blieben erhalten, weil das Perga- das Projekt Stuttgart 21. ment als Bucheinband recycelt wurde. Auch beim Landesarchiv bestehen Bauvorhaben können aus verschiedenen Notwendigkeiten, die noch mit einem Gründen initiiert werden: Notwendige Architektentraum verbunden sind. Gebäude für das Alltagsleben müssen Schon seit Jahrzehnten sind die räum- erstellt werden, wie z.B. Rathäuser oder lichen Verhältnisse im Staatsarchiv Postgebäude, oder es sollen durch Bau- Freiburg untragbar. Zuletzt hat der ten markante Zeichen der Repräsen- Rechnungshof auf die Realisierung des tation gesetzt werden. Über den dafür geplanten Archivverbunds mit dem notwendigen Aufwand wurde zu allen Stadtarchiv und dem Universitätsarchiv Zeiten diskutiert. Daher war vielfach Freiburg gedrängt, die einen Neubau offen, was aus den Träumen der Archi- verlangt. Hier muss der Traum zur tekten, den geplanten Bauobjekten wer- Wirklichkeit werden. den würde. Möglicherweise sind sie nicht Es grüßt Sie aus der sommerlichen realisiert worden – Beispiele für solche Redaktion, Luftschlösser finden Sie in diesem Heft. In manchen Fällen wurden sie umgesetzt, Ihre sind aber heute nicht mehr vorhanden: Sie waren in die Jahre gekommen, Dr. Regina Keyler

Archivnachrichten 45 / 2012 3 1 | C[arl?] Wilhelm Paret, Entwuf eines idealen Festungswerks, 1738. Architektenträume Vorlage: Landesarchiv GLAK Hfk Planbände XXIV Nr. 53

2 | Ausschnitt aus dem Projekt einer Londoner „Nationalgalerie“, wohl nach Entwurf des Grafen Joseph Franz von Waldburg-Zeil, um 1802. Vorlage: Landesarchiv GLAK N Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach Nr. 93

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4 Archivnachrichten 45 / 2012 2 Kleine Utopien nennt das Frankfurter herzoglichen Guidencorps im Haupt- den Technische Hochschulen mit Architekturmuseum die Architekturmo- staatsarchiv Stuttgart entsprechen die Lehrern, die ihrerseits Schule machen. delle in seiner Sommerausstellung 2012. markgräflichen Plansammlungen, in die Die Stile wechseln rasch, das Selbst- Sind Architekten also Utopisten? Künst- nicht zufällig dann auch Entwürfe des bewusstsein ist gewaltig. Fragt Heinrich ler sind sie auf jeden Fall und ihre Ent- Artilleriehauptmanns Balthasar Neu- Hübsch noch, in welchem Style wir würfe schaffen eigene Welten. Als Zaube- mann geraten sind. Wie sehr der Wunsch bauen sollen, ist bald jeder historische rer der Imagination führen sie ihre Ware nach perfekter Fortifikation alle Überle- Stil verfügbar. Die Stuttgarter Oper, das vor. Ob Heinrich Schickhardt auf dem gungen zum Wohnen von Menschen Große Haus, deren grandiose Entwürfe Reißbrett eine strenge Gottesstadt ent- übertrumpfen kann, zeigt der Idealent- im Staatsarchiv Ludwigsburg wir vorstel- wirft oder Augusto Burelli in der Com- wurf des badischen Ingenieurs C. W. len, verstrahlt den letzten, schon etwas putersimulation das Heidelberger Paret zu einer Festungssiedlung: Hier schweren Glanz der Epoche. Das Karls- Schloss in ein stilles Waldtal bettet (um bleibt nur noch Platz für Kasernen und ruher Gegenstück wurde nach 1945 Zubauten im Schlossgarten zu legiti- Übervater Vauban, der Schöpfer von nicht mehr aufgebaut, erhalten haben mieren), ob barocke Schlossanlagen sich Neubreisach, wird noch überboten. sich aber die Wettbewerbsentwürfe zum zeichnerisch ins Unendliche dehnen Visionen entstehen auch, wenn der Nachfolgebau von 1974 in der Original- oder ob der Neubau des Generallandes- Adel selber träumt, ob gleich ganze fassung der Präsentation – seltene Bei- archivs Karlsruhe im Modell eine zart- Städte gegründet werden, wie in Karls- spiele kollektiver Kubusverehrung. samtige Hülle erhält: Immer sind es ruhe oder Ludwigsburg, Straßenzüge Bezeichnenderweise hat sich in den Kunstwerke, die in der Vision des Archi- oder Vorstädte, wie in Friedrichshafen Archiven der Technischen Hochschulen tekten gestaltbare Zukunft zeigen. und Öhringen, Huldigungen an Ver- eher wenig aus der planerischen Leis- In unserem Heft geht es um die Über- sailles, wie in Wertheim. Ein fast tragi- tung der Lehrer und Schüler erhalten; lieferung solcher Architekturentwürfe in sches Schicksal erleidet Graf Joseph das Wissen um die eigene, künstlerische den Archiven des Landes. Gerade der Franz von Waldburg-Zeil, der um 1800 Qualität steht dem Zurücklassen des Kunstwerk-Charakter vieler Pläne macht mit seiner Gemäldesammlung durch Werks am Berufsort im Weg. So muss diese Überlieferung aber zu einem der Europa reist und dafür in London einen man hier auf die Nachlass-Suche gehen; schwierigsten – und darum auch interes- revolutionären Museumsbau entwirft; endet die Karriere anderswo, wandert santesten – Kapitel der Archivgeschichte. er nimmt alles vorweg, was erst viel auch das Planmaterial mit. Für einen der Denn sowohl der Architekt wie sein Pu- später gebaut wird, vom Oberlicht bis großen Träumer, der glaubt, Tradition blikum wissen genau, dass es um Wert- zur Cafeteria. Aber zum Schluss sind nur und Moderne in der Ehrlichkeit des volles geht. Der Architekt legt seine Pläne die Gemälde in alle Winde zerstreut Werkmaterials verbinden zu können, für dem Auftraggeber gehorsam vor, aber oft und die Baupläne bleiben im Nachlass Theodor Fischer, wird man in der Archi- nimmt er sie auch wieder an sich. Und des Grafen. tektursammlung der Münchener Tech- das begeisterte Publikum kauft, was auf Der Staat des 19. Jahrhunderts nimmt nischen Universität fündig: mit sehr viel den Markt kommt: So entstehen die gro- sich der vielen, immer differenzierteren mehr als den berühmten Bauten in und ßen Sammlungen, ohne die heute Bau- Bauaufgaben systematisch an. Vielglied- um Stuttgart, mit Stadtentwicklungs- forschung nicht möglich wäre; eine der rige Bauverwaltungen entstehen, ihre und Baufluchtenplänen für Orte im gan- wunderbarsten, von Ferdinand Friedrich Planüberlieferungen in Baden, in Würt- zen Südwesten. von Nicolai in der Württembergischen temberg und in Hohenzollern ergänzen Es ist das Verdienst der großen Archi- Landesbibliothek, umfasst 155 Groß- die Planbestände der Kommunen und tekturarchive, in diesen privaten, durch foliobände. berühren sich in dem Zentralthema seit fast keinen Kulturgutschutz abgesicher- Im Fürsten fallen Auftraggeber und 1871: dem rasanten Anwachsen der ten Bereich entschlossen eingedrungen Sammler vielfach zusammen, in der Städte, das geplant und gesteuert sein zu sein und die Architektenüberlieferung fürstlichen Plankammer haben die früh- soll. Aus dem Bedarf der Prosperität ent- nach Möglichkeit für die Forschung neuzeitlichen Plan-Bestände der Staats- stehen die Bauschulen; Oberbaudirektor gerettet zu haben. In unserem Heft stellt archive meist ihren Ursprung. Das mili- Friedrich Weinbrenner erträumt sich sich das Südwestdeutsche Archiv für tärische Interesse steht dabei – wie so mit seinen Schülern eine nüchtern-ver- Architektur und Ingenieurbau vor, das in oft – am Anfang. Der Kunst der Genie- klärte, antikische Welt und über das noch relativ kurzer Zeit eine eindrucks- bzw. Ingenieuroffiziere verdanken wir Großherzogtum Baden ergießen sich volle Zahl wertvollster Architektennach- das Gros der Überlieferung aus dem Tempelgiebel an Amtsgebäuden. Aus den lässe gesammelt hat. Entsprechende 17. und 18. Jahrhundert; den Plänen des Schulen in Stuttgart und Karlsruhe wer- Bestände im Landesarchiv stammen eher

Archivnachrichten 45 / 2012 5 von Baubeamten; nur als Stellvertreter Prüfungsarbeiten. Zum Teil bereits zeit- Hotelfoyer, noch Nachkriegszeit, schon genannt seien hier die Nachlässe des genössisch publiziert, öffnen die Ori- Wirtschaftswunder, noch reduziert auf fürstlichen Baumeisters Andreas Dierin- ginale ein wahres Spiegelkabinett der einfachste Ausstattung und bescheidene ger (tätig z.B. beim Bau des hohenzolle- Baugeschichte. Sehen wir in diesem Zu- Accessoires und doch unverkennbar rischen Landeshauses) im Staatsarchiv sammenhang ab von den Übungen zur stolz auf leichten, filigranen Schwung Sigmaringen oder des südbadischen Bauaufnahme (die als herausragende und den wiedergefundenen Anschluss Baudirektors Adolf Lorenz (mit Klinik- Quellen zur Denkmalpflege noch kaum an die Moderne und ihre konstruktiven und Kirchenbau) im Staatsarchiv Frei- entdeckt sind!): Entwerfen müssen auch Raster. burg. Im Nachlass des Karlsruher Baudi- die Baugewerkeschüler und selten findet Architektenentwürfe können also rektors Karl Kölmel finden sich Entwürfe man die Konventionen und die Sehn- immer beides sein: Kunstwerke für sich zum Wiederaufbau nach 1945; sie bele- süchte einer Zeit so konzentriert versam- allein (und als solche zählen sie sicher gen einmal mehr die wesentliche Ergän- melt. Die Bildbeispiele sind als badische zum Schönsten, was ein Archiv zu bieten zungsüberlieferung in Nachlässen (das Ergänzung zum Beitrag über württem- hat) und Schlüssel zum Verstehen ihrer Thema selbst, der Wiederaufbau, wird in bergische Traumschlösser ausgewählt: Die Zeit. In den Archiven ist es ihnen nicht unserem Heft für Württemberg anhand Renaissancevilla (s. das Titelbild), in der immer gut gegangen; die getrennte Lage- der Pläne der Oberfinanzdirektion Stutt- sich das Bürgertum des Kaiserreichs so rung als Pläne hat vielfach Entstehungs- gart dargestellt) – und sie belegen, dass gerne spiegelt, die der Inbegriff bürgerli- zusammenhänge verschwinden lassen. auch Beamte Visionen haben können. cher Errungenschaften und bürgerlichen Die Rekonstruktion von Kontexten ist Bescheidener als die Hochschulen geben Selbstbewusstseins ist, zu der Kostümfe- Archivaufgabe. Erst danach lässt sich z.B. sich die Baugewerkeschulen. Sowohl in ste und Umzüge in altdeutscher Tracht weiterfragen: Sind Architektenträume Stuttgart wie in Karlsruhe sprudelt aber gehören und der Adolf Menzel sein spöt- Utopien? gerade hier die Planüberlieferung über- tisch-zielsicheres Gemälde Beati possiden- reich. Erhalten haben sich vor allem tes gewidmet hat – und der Blick in ein Konrad Krimm

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3 | Eingangshalle eines Hotels, Schülerarbeit der Badischen Höheren Technischen Lehranstalt, 1957. Vorlage: Landesarchiv GLAK 592 Nr. 1983

6 Archivnachrichten 45 / 2012 Gotische Baurisse im deutschen Südwesten

Grundriss Westfassade Straßburger Münster (Strebpfeiler). Vorlage: Landesarchiv HStAS N 201 1a

Gotische Kathedralen sind Besucher- suchung und Inventarisierung der erhal- dem berühmten Baumeister Erwin von magnete, die himmelstrebende Kirchen- tenen gotischen Architekturzeichnungen Steinbach zurückführen (Liess) oder architektur zieht Betrachter in ihren Süddeutschlands wird seit 2008 am Karls- gehört es in die Zeit um 1350, als Meister Bann. Der Kölner Dom oder das Straß- ruher Institut für Technologie (KIT), Gerlach tätig war (Kletzl)? burger Münster sind prominente Bei- genauer am dortigen Institut für Kunst- Das zweite Blatt stellt einen Aufriss vom spiele, ebenso die Münsterbauten in Ulm, und Baugeschichte, in einem DFG- Südwestjoch des Langhauses des Wiener Freiburg und Konstanz im deutschen Projekt vorangetrieben. Stephansdomes mit dem sogenannten Südwesten. Zwei solcher Baurisse werden im Haupt- Friedrichsgiebel dar. Es wird neuerdings Vergleichsweise wenig weiß man dage- staatsarchiv aufbewahrt. Die sogenannten als Vorentwurf der Wiener Bauhütte ge- gen über konkrete Planungen der mittel- Kreßberger Fragmente enthalten auf deutet und zeitlich dem dritten Viertel alterlichen Baumeister. Architekturzeich- zwei abgelösten Einbandblättern aus Per- des 15. Jh. zugeordnet. nungen oder Baurisse können helfen, gament zwei unterschiedliche gotische Neben dieser Funktion als Aufbewah- diese Planungen sichtbar zu machen. Originalzeichnungen. Beide Blätter dien- rungsort liefert das Hauptstaatsarchiv Weil sich in Frankreich, im Mutterland ten als Umschlag für Rechnungsbücher noch weitere Impulse für die Erforschung der Gotik, oder auch in England so gut aus dem 17. Jh. des Rittergutes Kreßberg solcher Risse – nämlich über die Wasser- wie keine Bauzeichnungen erhalten bei Crailsheim. Sie werden gemeinsam zeichenexpertise. So konnte vor kurzem haben, kommt den in Deutschland über- unter der Signatur HStAS N 201 1a bzw. ein fast zwei Meter langer Aufriss der lieferten Stücken umso größere Bedeu- 1b aufbewahrt (http://www.landesarchiv- Westfassade des Konstanzer Münsters, tung zu. Mit über 400 Zeichnungen bw.de/plink/?f_1-976787). der heute im Hessischen Staatsarchiv in bewahrt die Akademie der bildenden Das erste Blatt zeigt den Grundriss eines Wiesbaden aufbewahrt wird, über die Künste in Wien rund 80% des weltweit Strebepfeilers der Westfassade des Straß- Wasserzeichen im Papier (Motiv Striegel) erhaltenen Bestandes auf. Die übrige burger Münsters. Das Fragment genießt zeitlich genauer eingeordnet werden. Überlieferung ist weit verstreut: Über 50 in der Forschung große Aufmerksamkeit, Die Zeichnung lässt sich nun Lux Böblin- unterschiedliche Einzelzeichnungen zum sein historischer Ort in der Planungs- ger zuweisen, der ab 1490 am Konstanzer Ulmer Münster finden sich im Stadtar- geschichte der Münsterfassade wird über- Münsterbau tätig war. chiv Ulm, weitere im Germanischen Na- aus kontrovers diskutiert: Lässt es sich tionalmuseum in Nürnberg. Die Unter- bis in die erste Bauphase (1277) unter Erwin Frauenknecht

Archivnachrichten 45 / 2012 7 Aufriss Südwestjoch Wiener Stephansdom (Friedrichsgiebel). Vorlage: Landesarchiv HStAS N 201 1b

Literatur: Julian Hanschke, Die Bau- und Planungs- geschichte der Westfassade des Konstanzer Münsters nach den mittelalterlichen Bau- rissen, in: Koldewey-Gesellschaft Tagungs- band 46 (2012) 175 –183. Otto Kletzl, Die Kreßberger Fragmente. Zwei Werkrisse deutscher Hüttengotik, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissen- schaft 13 (1944) 129 –170. Reinhard Liess, Das „Kreßberger Frag- ment“ im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsamm- lungen in Baden-Württemberg 23 (1986) 6–31. Reinhard Liess, Zur Entwurfseinheit der Portale der Strassburger Westfassade. Skulptur und Architektur, in: Bulletin de la Cathédrale de Strasbourg 24 (2000) 23–118.

8 Archivnachrichten 45 / 2012 Fürst – Achse – Planstadt Rastatt, Karlsruhe und Mannheim

1│ Plan der Residenz Rastatt, 1. Hälfte 18. Jahrhundert. Vorlage: Landesarchiv GLAK H Rastatt 3

2│ Plan der Residenz Karlsruhe, um 1739. Vorlage: Landesarchiv GLAK H Karlsruhe 113b

3│ Plan der Residenz Mannheim, 2. Hälfte 18. Jahrhundert. Vorlage: Landesarchiv GLAK H Mannheim 1a

Der Wandel in der Auffassung von Herr- Von größter Originalität ist die bald dar- schaft im Übergang vom Mittelalter zur auf von dem Baden-Durlacher Markgra-

Neuzeit brachte zwangsläufig auch neue fen Karl Wilhelm inmitten des Hardt- 1 Bau- und Repräsentationsformen her- walds gänzlich neu gegründete Stadt vor. Das gesteigerte Selbstverständnis des Karlsruhe. Den Mittelpunkt der Anlage modernen Fürsten und sein absoluter bildet hier der Turm des Schlosses. Von Herrschaftsanspruch mussten für jeder- diesem ausgehend durchziehen zahlrei- mann erfahrbar werden und fanden che strahlenförmig angeordnete Achsen ihren Ausdruck schließlich in der Ent- als Straßen und Richtwege die am Reiß- deckung der Achse. Zwar wurde eine in brett entworfene und streng symme- Rom bereits zur Zeit Papst Julius‘ II. trisch ausgeführte Stadt sowie den Wald (1503–1513) geplante Achse zwischen und das ganze darum gelegene Land – dem Petersdom und der Engelsburg erst bis auf den heutigen Tag. Jahrhunderte später ausgeführt, jedoch Als schließlich 1720 der Kurfürst von instrumentalisierte offensichtlich schon der Pfalz seine Residenz von Heidelberg wenige Jahre danach der Neubau des nach Mannheim verlegte, konnte er mit Schwetzinger Schlosses die Sichtachse seinem ambitionierten Schlossbau an zwischen dem Königstuhl über Heidel- eine bereits zu Beginn des 17. Jahrhun- berg und der Kalmit im linksrheinischen derts entstandene, streng planmäßig an- Haardtgebirge zur Demonstration des gelegte Festungsstadt (Friedrichsburg) kurpfälzischen Herrschaftsanspruchs anknüpfen und diese buchstäblich krö- über das Oberrheingebiet. Das ab 1599 nen. Um das auf das Schloss bezogene von Seiten Württembergs betriebene Straßenkreuz von Hauptachse (Breite Projekt Freudenstadt blieb ohne Schloss Straße) und Querachse (Planken) grup- 2 ein Torso. pieren sich innerhalb des Festungsbe- Mit allen Konsequenzen gebaut wurde rings exakt vermessene Quadrate, auf nach den Grundsätzen der Regelmäßig- deren Grundlage es in der Mannheimer keit am Oberrhein erstmals um die Innenstadt noch heute statt Straßen- Wende zum 18. Jahrhundert im Auftrag namen ein alphanumerisch bezeichnetes des Markgrafen Ludwig Wilhelm von System von Planquadraten gibt. Baden-Baden, des Türkenlouis, in Rastatt. Zweck solch konsequenter Planmäßig- Die dortige, nach der totalen Zerstörung keit war das absolutistische Verlangen im Orléans’schen Krieg ganz neu ge- nach strikter Zuordnung von Stadt und schaffene Stadt und ihr Residenzschloss Land auf den Fürsten und sein Haus: sind von einer Achse durchzogen, die Stets durchqueren die Achsen die vor- von Ettlingen im Norden bis nach St. nehmsten Räume des Residenzschlos- Louis im Elsass reicht. Darüber hinaus ses – in Rastatt den Ahnensaal, in Karls- sind der Stadtgrundriss und das Straßen- ruhe den Festsaal, in Mannheim den netz, soweit die Topographie im Bogen Rittersaal – und stellen so den Fürsten der Murg dies zuließ, regelmäßig gestal- mit seiner Dynastie und seinem Hof in tet, im Zentrum nach dem Vorbild von den Mittelpunkt allen Geschehens. Versailles mit dem Grundmuster des Drei- oder Gänsefußes. Kurt Andermann 3

Archivnachrichten 45 / 2012 9 1 2 Kampf ums Rathaus Balthasar Neumanns Tätigkeit für den Fürstpropst von Ellwangen

Balthasar Neumann, der Schöpfer der bau eines Kollegiengebäudes auf dem auch mehrmals in Ellwangen Station ge- zum Weltkulturerbe gehörenden Würz- Schönenberg eingebracht hat. macht, um mit den Verantwortlichen vor burger Residenz und zahlreicher anderer Zustande kam Neumanns Kontakt mit Ort über die Projekte zu beraten. Seinen weltlicher und kirchlicher Bauwerke, Ellwangen über den Trierer Kurfürst zahlreichen ausführlichen Schreiben gehört ohne Zweifel zu den berühmtesten Franz Georg von Schönborn, der seit nach Ellwangen und Koblenz merkt man Architekten des 18. Jahrhunderts. Auch 1732 in Personalunion auch Fürstpropst eine ungebrochene Lust am Bauen an. in Ellwangen wird Balthasar Neumann von Ellwangen war. Zwei jüngere Brüder Leicht lässt sich nachvollziehen, welchen gerne als Architekt mit drei, Mitte des Franz Georgs bekleideten den Bischofs- Schwung und welche Begeisterung seine 18. Jahrhunderts errichteten Bauwerken stuhl in Würzburg, wo Neumann im Persönlichkeit verbreitet haben muss in Verbindung gebracht. Da sich verschie- Hauptberuf beschäftigt war. Franz Georg und wie sich der Architekt auch von sol- dene Pläne von seiner Hand aus dem selbst residierte in Koblenz und hatte chen eher unbedeutenden Aufträgen Archiv der dortigen Fürstpropstei im von dort aus den Würzburger Baudirek- mitreißen ließ. Wer allerdings glaubt, Staatsarchiv Ludwigsburg erhalten haben, tor ins Gespräch gebracht, als 1747 der man sei in Ellwangen über das Engage- könnte man meinen, dass er auch im Neubau des Rathauses in Ellwangen in ment des berühmten Baumeisters begeis- Ellwanger Stadtbild seine Spuren hinter- Angriff genommen wurde. Neumann, tert gewesen, sieht sich getäuscht. Vor lassen hat. Bei einem genaueren Studium damals selbst schon ein sechzigjähriger Ort dominierten eher Eifersüchteleien der fraglichen Akten stellt man freilich Mann, hat sich mit großem Elan an die und Neid. Prahl hat die Aufforderung rasch fest, dass es sich bei besagten Plänen Arbeit gemacht, in rascher Folge Stel- seitens der fürstlichen Regierung, Neu- um nicht realisierte Entwürfe handelt – lungnahmen und Gegenvorschläge zu mann regelmäßig über die Bauarbeiten also um echte Architektenträume, die den Entwürfen des örtlichen Landbau- zu berichten, geflissentlich überhört. Neumann in diesem Fall als Berater und meisters Arnold Friedrich Prahl verfasst Und beim Stiftskapitel stießen Neu- Sachverständiger in die Planungen für und auf seinen zahllosen Reisen nach manns Entwürfe für einen Neubau des den Bau eines neuen Rathauses, die Er- Bruchsal und Neresheim, wo er damals Rathauses, das er gerne großzügiger weiterung des Hospitals sowie den Neu- ebenfalls große Bauvorhaben leitete, und an einem repräsentativeren Stand-

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ort in der Stadt errichtet gesehen hätte, auf wenig Gegenliebe und wurden schließlich verworfen. Neumann ließ sich durch derartige Rückschläge nicht beirren und hat, wenn man ihn während des Baus zu Rate zog, regelmäßig auch zu eher nebensächlichen Fragen Stellung bezogen. Nur vereinzelt hört man aus seinen Briefen eine gewisse Unzufrieden- heit über die schleppende Bezahlung heraus oder darüber, dass sich seine Ent- würfe vor Ort nicht durchsetzen ließen. Immerhin: In den Ellwanger Akten 4 haben sich seine Pläne erhalten und do- kumentieren so, was hätte werden kön- nen, wenn man seinen Ideen gefolgt wäre. Und seine ebenfalls ins Staatsarchiv gelangten Briefe belegen eindrucksvoll 1 | Aufriss der Seitenfassade des neuen Rathauses 3 | Plan des Ellwanger Marktplatzes mit Einzeich- in Ellwangen, kolorierte Federzeichnung von Arnold nungen für das neue Rathaus, Federzeichnung von die rastlose Arbeitsweise und den Ideen- Friedrich Prahl, um 1748. Balthasar Neumann, 1748. reichtum eines der größten Architekten Vorlage: Landesarchiv StAL B 416 Bü 5 Plan 12 Vorlage: Landesarchiv StAL B 416 Bü 5 Plan 1 seiner Zeit – auch bei Bauprojekten, bei denen er nicht zum Zuge kam. 2 | Entwurf (Auf- und Grundrisse) für ein neues 4 | Unterschrift Balthasar Neumanns aus einem Rathaus in Ellwangen, kolorierte Federzeichnung Brief an den Trierer Erzbischof Franz Georg von von Balthasar Neumann, 1748. Schönborn vom 12. Oktober 1748. Peter Müller Vorlage: Landesarchiv StAL B 416 Bü 5 Plan 2 Vorlage: Landesarchiv StAL B 435 Bü 363

Archivnachrichten 45 / 2012 11 Ein kleines Versailles in Wertheim Die Umbaupläne des fürstlichen Baumeisters Tilman Ruland

Architektenträume sind teuer. Manch- Woher Ruland kam, wissen wir nicht. mal zu teuer. Das musste jedenfalls Fürst Er stand seit 1. Juli 1741 in den Diensten Carl Thomas zu Löwenstein-Wertheim- des Fürsten Carl Thomas, dürfte aber Rochefort in der Mitte des 18. Jahrhun- schon vorher für ihn gearbeitet haben. derts erfahren. Wie viele andere Barock- Seine Entwürfe, von denen es weit mehr fürsten strebte auch er danach, sein als 100 Stück im Archivverbund Main- 1 | Entwurf zum Umbau der fürstlichen Hofhaltung Repräsentationsbedürfnis auszuleben, Tauber gibt, wurden nur selten ausge- in Wertheim zu einem – in Anbetracht der Topo- und was lag da näher, als seiner Residenz führt. Ob die Initiative vom Fürsten oder graphie viel zu großen – repräsentativen Residenz- schloss. Allerdings dürfte da der Wunsch der Vater ein ansprechendes Äußeres zu geben? von ihm selbst ausging, bleibt der Spe- des Gedankens gewesen sein. (www.landesarchiv- Die Hofhaltung in Wertheim war ein eher kulation vorbehalten. Die Wahrheit dürfte bw.de/plink/?f=7-320751) schlichter Bau mit zwei Flügeln, dem irgendwo dazwischen liegen. Tilman Ru- Vorlage: Landesarchiv StAWt-R K 776, S. 20 größeren Südflügel und dem kleineren land starb am 4. März 1762 in Wertheim. Ostflügel. Der Blick auf das große Vor- Erst in den 1970er Jahren, also rund 2 | Schlussbemerkung des „Unterthänigsten Knecht“ bild Frankreich und die damalige Mode 220 Jahre später, wurde der Traum des Tilmann Ruland am Ende seiner Kostenaufstellung ließen ihn von einer Dreiflügelanlage Fürsten und seines Architekten wahr. In aus dem Jahr 1755. träumen. Sein Hofarchitekt Tilman Ru- einer äußerlich dem vorhandenen Bau Vorlage: Landesarchiv StAWt-R NL 15, Nr. 703 land fertigte verschiedene Entwürfe für angepassten Form wurde im Westen der ihn an, die sich heute online auf den Zweiflügelanlage ein dritter Flügel hin- 3 | Entwurf zum Umbau der fürstlichen Hofhaltung Seiten des Landesarchivs Baden-Würt- zugefügt. Er beherbergte bis 1992 den in Wertheim zu einer Dreiflügelanlage mit Anbau. temberg betrachten lassen. Archivverbund Main-Tauber. Nach neu- Der vorhandene Bestand ist in diesem Fall integriert und heute noch erkennbar. (www.landesarchiv-bw. Sieht man heute die verschiedenen erlichen Umbauten zog schließlich das de/plink/?f=7-320745-1) Risse, fragt sich der Ortskundige nicht Rathaus der Stadt Wertheim ein. Vorlage: Landesarchiv StAWt-R K 776, S. 5a ohne Grund, wo an dieser Stelle so eine, in ihren Ausmaßen zum Teil etwas ge- Martina Heine waltig geratene Anlage stehen sollte. Die geographische Lage zwischen Burg- hang und Tauberfluss hätte das nicht hergegeben. Aber davon ganz unabhän- gig reichten auch die finanziellen Mittel bei weitem nicht aus. Für einen dritten Flügel kam Ruland in einem Überschlag aus dem Jahre 1755 auf eine Summe von mehr als 20.000 Gulden. Nur zum Ver- gleich: Der zur gleichen Zeit ranghöchste Beamte, Präsident Hieronymus Heinrich von Hinckeldey, bekam jährlich eine Besoldung von 1.500 Gulden neben freiem Logis und verschiedenen Natural- bezügen. Der Fürst hatte zudem bereits bei Regierungsantritt im Jahr 1735 be- trächtliche Schulden übernommen, die ständig mit Zinszahlungen bedient werden mussten. Auch für einen geplanten Schlossneu- bau in Kreuzwertheim auf der gegen- überliegenden Mainseite fertigte Tilman Ruland Pläne an. Von diesem Projekt sind allerdings nur die Grundmauern und der Grundstein nachzuweisen. Laut Rechnungen war wohl schon nach dem ersten Baujahr Schluss. 1

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Archivnachrichten 45 / 2012 13 Ein Traum von einem Schloss

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Seht her, das bin ich. Zu allen Zeiten Woellwarthsche Schloss nicht mehr dem ihm als viel beschäftigtem Architekten waren prächtige Bauten ein beliebtes Zeitgeist. Wilhelm ließ sich zwischen die Zeit fehlte, geht Atzel auf künstleri- Mittel der Reichen und Mächtigen, dem 1809 und 1815 von vier verschiedenen sche und bautechnische Details ein. So Rest der Welt ihren Erfolg und Reich- Baumeistern unterschiedliche Pläne an- gestaltete er einen weiten Balkon auf alt- tum vorzuführen. Das Bedürfnis nach fertigen. griechisch dorischen Säulen, um vorzüg- Repräsentation, den Wunsch nach einem Der erste Entwurf (A) stammt von lich der vorderen Fassade den Charakter herrschaftlichen Wohnhaus als Status- einem Steinhauermeister aus dem Nach- des Erhabenen, einer mit edler Simplizität symbol hatte auch Wilhelm August barort, der seine Pläne zu einem zwei- verbundenen Würde zu geben. Doch auch Friedrich von Woellwarth (geb. 1763). stöckigen herrschaftlichen Gebäude mit der Stararchitekt kam nicht zum Zug. Der über 30 Jahre in fremden Militär- französischen Beschreibungen versah Den vierten Entwurf (D) für ein noch diensten gestandene, kriegserprobte und und als bevorzugte Lage den östlichen aufwendigeres Schloss ließ sich Wilhelm unverheiratete Offizier stieg 1809 in Teil des Schlossgartens erachtete. Der wiederum von einem bodenständigen Württemberg zum Generalleutnant auf. Praktiker aus der Provinz errechnete die Handwerker machen, der zwar nur eine Er hatte zu dieser Zeit erstmals das Be- Kosten auf 9.211 Gulden. 1811 ließ sich einfache Bleistiftzeichnung, dafür aber streben, sich am Stammsitz seiner Fami- der in Stuttgart wohnende Generalleut- einen dicken Kostenkatalog lieferte. Der lie in Essingen niederzulassen. Seine nant von Stuttgarter Baumeistern einen stolze Baupreis: 17.686 Gulden. Mutter war dort 1806 verstorben und zweiten Entwurf (B) anfertigen. Kosten Doch auf einmal aus der Traum von keines seiner zahlreichen Geschwister für das ansprechende Palais mit Unter- einem neuen Schloss. Mangels Liquidi- lebte in Essingen. Ein neues vornehmes kellerung: 14.195 Gulden. Den ambitio- tät? Mehr Schein als Sein? Und ob! Domizil im angesagten klassizistischen niertesten Entwurf (C) legt Landbau- Wilhelm erhielt zwar nach seinem Aus- Baustil sollte es schon sein, entsprach meister Atzel aus Ulm vor. Statt des scheiden aus dem aktiven Militärdienst doch das bestehende, um 1555 erbaute geforderten Kostenvoranschlags, zu dem eine monatliche Pension, aber nach

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4 dem Einzug der Deutschordensgebiete auf Raten Reitpferde bei Kaufmann 1 | Entwurf A von Maurer- und Steinhauermeister brachen seine Einkünfte als Komtur der Kaulla. In den folgenden Jahren werden Michael Huttelmayer in Mögglingen, 1809. Alle Vorlagen: Landesarchiv StAL PL 9/3 Bü 762 Kommende Weddingen (Westfalen) seine Schuldverschreibungen bei Ver- weg. Über die Entschädigungsleistungen wandten und Privatleuten immer mehr 2 | Entwurf B von Hoessler und Klinsky in Stuttgart, führte er bis in die 1830er Jahre einen und höher. Nach dem Tod Wilhelms am 1811. erbitterten Prozess mit der Königlich 20. Juni 1839 sah sich die Familie ge- 3 | Entwurf C von Landbaumeister Atzel in Ulm, Hannoverschen Regierung und wandte zwungen, mehrere Gläubigeraufrufe zu 1814. sich in mehreren Bitt- und Protest- veröffentlichen, da gegen ihn so viele schriften an die Deutsche Bundesver- Schulden angemeldet worden sind, dass 4 | Entwurf D von Werkmeister Sapper in Heiden- sammlung. Allem Anschein nach lebte solche Gläubiger, welche kein Vorzugs- heim, 1815. Wilhelm über seine Verhältnisse, konnte recht haben, im gerichtlichen Wege auch mit Geld nicht umgehen. Sein Schulden- nicht einmal auf eine teilweise Befriedi- wesen ist im Archiv der Freiherren von gung rechnen können. Die Familie ver- Woellwarth nachweisbar. Bereits 1813 suchte, mit den Gläubigern eine gütliche Das Archiv der Freiherren von Woellwarth verkauft er seine als Dotation erhaltenen Abfindung zu erreichen und konnte die zu Essingen wird seit 1984 als Depositum Güter bei Dillingen. 1815 leiht er sich Kredite des Lebemanns Wilhelm erst im Landesarchiv, Abteilung Staatsarchiv privat 400 Gulden um Schuhmacher, mehrere Jahre nach seinem Tod vollstän- Ludwigsburg verwahrt und ist in die Be- Schneider und Sattler bezahlen zu kön- dig abbezahlen. Ein neues Schloss ist in stände PL 9/1 Rechnungen, PL 9/2 Urkun- nen, nimmt noch 1.100 Gulden beim Essingen bis heute nicht gebaut, es blieb den, PL 9/3 Akten und Amtsbücher sowie Gräflich Fuggerschen Rentamt zu Nieder- bei den Träumen … PL 9/4 Neueres Gutsarchiv unterteilt. alfingen auf. 1816 leiht ihm seine Schwes- Außer zu PL 9/4 stehen alle Findmittel on- ter aus Weimar 2.300 Gulden, er kauft Ute Bitz line zur Verfügung.

Archivnachrichten 45 / 2012 15 1 „2 Erkerthürmchen von Stein angebracht“ Das fürstliche Marstallgebäude in Sigmaringen

Auf dem Weg zum Schlosseingang wird wurde die aufschlussreiche Bauchronik kammer eingerichtet und die Instand- der Besucher des Sigmaringer Schlosses zutage befördert. setzung beheizbarer Ruheräume für die von zwei Gebäuden empfangen: der Karl Anton, der nach der Abtretung Kutscher veranlasst. Pfarrkirche St. Johann und dem fürst- des Fürstentums Hohenzollern an Preu- Das Äußere des Marstalls wurde dem lichen Marstall. Innerhalb des vom Stil ßen seit 1852 als preußischer General Zeitgeschmack angepasst. An der Fas- der Neogotik beherrschten Schlossen- der Infanterie und (ab 1859) Militär- sade wurden 2 Erkerthürmchen von sembles fällt der Marstall durch sein gouverneur für das Rheinland und West- Stein angebracht. Diese – auf der Zeich- barockes Aussehen ins Auge. In der Tat falen auf Schloss Jägerhof in Düsseldorf nung gut zu erkennen – hob Lasser, hat das 1724 unter Fürst Joseph von residierte, hatte sehr konkrete Vorstel- neben dem Schieferdach, das nun das Hohenzollern (1702–1769) errichtete, lungen von dem künftigen Aussehen alte Ziegeldach ersetzte, in seiner Bau- eingeschossige Gebäude seinen Ursprung des fürstlichen Marstalls. Zusammen chronik gesondert hervor. Bei Karl im Zeitalter des Barock. Mehrere Um- mit Lassers Bauchronik dokumentieren Anton löste der Fassadenschmuck den bauten im Verlauf der Jahrhunderte die im Fürstlichen Domänenarchiv Quellen zufolge jedoch nur mäßige gaben dem Marstall zeitweise jedoch ein verwahrten Schriftwechsel zwischen Begeisterung aus. Wenn ich in Beziehung ganz anderes Erscheinungsbild. Unter Sigmaringen und Düsseldorf die fürst- auf das Äußere jetzt schon eine Ansicht Fürst Karl Anton (1811– 1885) wurde lichen Bauanweisungen und geben aussprechen darf, ließ er den Baurat der fürstliche Marstall einer grundlegen- Einblick in die zeitgenössischen Anfor- Joseph Laur im Verlauf der Planungen den Neugestaltung unterzogen. derungen, die der Marstall zu erfüllen durch seinen Kabinettsrat Friedrich In seiner über 80 Seiten umfassenden hatte. von Werner wissen, so befürworte er Darstellung über die baulichen Ver- Bemerkenswert ist die moderne Aus- zwar den Bauvorschlag, jedoch mit Hin- änderungen am Residenzschloss in Sig- gestaltung des Innenraumes. Der Stall weglassung der Eckthürmchen. Dass sich maringen zwischen 1857 und 1895 wurde mit einer Wasserleitung versehen schließlich doch der Architekt durch- berichtet der Geheime Hofkammerrat und erhielt Gasbeleuchtung. Nicht setzte, lässt sich Lassers Ausführungen Heinrich Lasser (1824–1899) von den mehr hölzerne, sondern eiserne Säulen entnehmen. Abbildungen aus späterer Renovierungsarbeiten am fürstlichen und Pferdestände, Futterkrippen aus Zeit beweisen, dass die Türmchen bis Marstall in den Jahren 1866/67. Im Granit, eine marmorne Wandvertäfelung weit ins 20. Jahrhundert die Fassade des Zuge der Neuordnung des Bestandes und ein neuer, grau-roter Sandstein- Marstalls zierten. FAS Sa aus dem Fürstlich Hohenzollern- boden verliehen dem Zweckbau ein edles schen Haus- und Domänenarchiv Aussehen. Daneben wurde eine Sattel- Julia A. Riedel

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1 | Das fürstliche Marstallgebäude um 1867 (Zeichnung). Vorlage: Landesarchiv StAS FAS P 470-4

2 | Das fürstliche Marstallgebäude um 1920 (Foto). Vorlage: Landesarchiv StAS Dep 1 T 40 Nr. 2-4047

3 | Bauchronik (1857–1895) von Heinrich Lasser. Vorlage: Landesarchiv StAS Sa 271 (pag. 29)

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Curjel & Moser Ein Karlsruher Architekturbüro der Jahrhundertwende

Qualität und Modernität waren die Mar- nischer Avantgardearchitektur zu einer sicherlich nicht mehr möglich gewesen. kenzeichen des Architekturbüros Curjel & individuellen Formensprache im Sinne Seine Witwe und seine Tochter sollten Moser, das von 1888 bis 1915 in Karls- des Jugendstils. Zusammen mit Her- dem Holocaust zum Opfer fallen – un- ruhe bestand und von der badischen mann Billing galten sie bald als führende fassbar, wenn man bedenkt, dass noch zu Residenzstadt aus eine Vielzahl bemer- Figuren des damals viel beachteten Ar- Anfang des Jahrhunderts niemand in kenswerter Gebäude schuf. Das Werkver- chitekturzentrums Karlsruhe, das im ers- Karlsruhe Anstoß daran nahm, dass der zeichnis nennt für diesen Zeitraum nicht ten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts Jude Curjel und der Katholik Moser mit weniger als 420 Bauten und Projekte, selbst einen jungen Le Corbusier oder der Christus- und der Lutherkirche zwei die sich nicht nur über ganz Baden, son- spätere Berliner Größen wie die Brüder evangelische Gotteshäuser und zudem dern darüber hinaus bis nach Frankfurt Bruno und Max Taut anzog. Dem zu das Verwaltungsgebäude des Evangeli- und Kiel sowie über die ganze deutsch- Einfachheit strebenden Zeitgeist entspre- schen Oberkirchenrats realisierten. sprachige Schweiz verteilen – ein weiter chend beruhigte sich die Handschrift Karl Mosers weiteres Leben verlief ab Aktionsradius für damalige Zeiten. von Curjel & Moser ab 1907 mehr und 1915 unter Schweizer Bedingungen Curjel & Moser bewältigten die unter- mehr zu kühler Klassizität. Nach Aus- ungleich erfolgreicher. Als angesehener schiedlichsten Bauaufgaben, bekannt bruch des Ersten Weltkriegs – in Deutsch- Architekt und geschätzter Lehrer wurde waren sie aber vor allem für ihre zahlrei- land gab es nichts mehr zu bauen und er zur Leitfigur des Neuen Bauens im chen Kirchen und großbürgerlichen Karl Moser erhielt 1915 einen ehrenvol- Land. In der Jury des Wettbewerbs für Wohnhäuser, die häufig in Bau- und len Ruf als Professor an die ETH in Zü- den Völkerbundpalast in Genf setzte er Kunstzeitschriften publiziert wurden. rich – wurde das Büro aufgelöst. sich beispielsweise kompromisslos für Als gebürtige Schweizer hatten sich Robert Curjel blieb in Karlsruhe ansäs- eine moderne Lösung ein. Sein Plan- Robert Curjel und Karl Moser in der sig, betätigte sich aber bis zu seinem Tod nachlass gelangte nach seinem Tod 1936 prosperierenden badischen Hauptstadt 1925 nicht mehr als Architekt. 1928 an die ETH Zürich, wo er wie der Zeich- niedergelassen, wo Curjel zur Schule wurde der in seiner Familie verbliebene nungsbestand von Curjel im Landes- gegangen war und an der Technischen umfangreiche Planbestand des Büros archiv Baden-Württemberg die Blütezeit Hochschule studiert hatte. Nach späthi- glücklicherweise rechtzeitig in die Obhut Karlsruher Architektur der Jahrhundert- storistischen Anfängen fanden sie schon des Badischen Generallandesarchivs wende dokumentiert. Mitte der 1890er Jahre vor allem unter genommen. Nach 1933 wäre dies ange- dem Eindruck englischer und amerika- sichts der jüdischen Wurzeln von Curjel Gerhard Kabierske

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1 | Das Büro Curjel & Moser um 1907 bei einem Betriebsausflug zum Schloss Favorite bei Rastatt. In der Mitte rechts mit Melone Karl Moser, links vor ihm Robert Curjel. Aufnahme: Archiv gta, ETH Zürich

2 | Die Lutherkirche in der Karlsruher Oststadt, erbaut 1901–07. Eine von vielen Kirchen Curjel & Mosers, zeitgenössisch publiziert in einer renom- mierten Zeitschrift. Vorlage: Die Architektur des XX. Jahrhunderts 8, 1908, Taf. 20

3 | Kabinettstücke des Bestandes Curjel & Moser im Generallandesarchiv Karlsruhe: Entwürfe für Interieurs vornehmer Jugendstilvillen, hier für das Haus Weill in Karlsruhe, erbaut 1904. Vorlage: Landesarchiv GLAK G Karlsruhe Nr. 724

4 | Entwurfsskizze für die Pfeilerfassade eines Ge- schäftshauses in St. Gallen, entstanden um 1907. Vorlage: Landesarchiv GLAK G-S Curjel und Moser Nr. 529 4

Archivnachrichten 45 / 2012 19 Historistischer Architektentraum mit wissenschaftlicher Grundlage Der Umbau des Schlosses Neuenstein zu Beginn des 20. Jahrhunderts

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Dem Besucher der Stadt Neuenstein In den siebziger Jahren des 19. Jahrhun- Renaissance-Umbauten rekonstruieren. präsentiert sich das dortige Schloss als derts entschied die Familie, mit den Seine Hauptquelle war dabei ein Lager- prunkvoller Sandsteinbau der Renais- Beständen der fürstlichen Sammlungen buch von 1672, das eine Beschreibung sance. Erst bei Betrachtung historischer ein Hohenlohe-Museum einzurichten, und eine kleine Skizze des Schlosses ent- Aufnahmen kommt der Neuenstein- die im Kaisersaal des Schlosses ausge- hielt. Besucher ins Stutzen: Vor 1906 zeigte sich stellt werden sollten. Nach ersten Restau- Nur leider missverstand der archiv- das Schloss ganz schlicht mit einfachen, rierungsarbeiten wurde das Museum unerfahrene Autodidakt die Quelle giebellosen Dächern auf den vier Flü- 1878 eröffnet, es musste allerdings be- gründlich. Ergebnis waren Umbaumaß- geln, drei runden Ecktürmen und dem reits 1906 wegen der Baufälligkeit des nahmen, die ästhetisch und burgen- Bergfried. Schlosses wieder schließen. geschichtlich nichts zu wünschen übrig Urheber des neuen Schlosses Neuen- Parallel entwickelte Fürst Christian ließen, die aber nur wenig mit der ur- stein war der berühmte Burgenrestaura- Kraft Pläne zu einer vollständigen Re- sprünglichen Gestalt Neuensteins zu tun tor und -architekt Bodo Ebhardt. An staurierung des Schlosses, mit der dann hatten. Das Schloss wurde in großen ihn wandte sich 1905 Fürst Christian 1905 Bodo Ebhardt in betraut Teilen abgerissen und neu erbaut. Es Kraft von Hohenlohe-Oehringen mit wurde. Dieser ließ das Schloss vermessen wurde um ein Stockwerk aufgestockt und dem Auftrag, das heruntergekommene und studierte Unterlagen aus den fürst- mit einem zwischen den Ecktürmen um- Schloss Neuenstein zu sichern und zu lichen Archiven, um möglichst viel über laufenden Wehrgang versehen. Auch sanieren. die ursprüngliche Gestalt des Schlosses der an der Westseite nur halbhoch auf- Das repräsentative Residenzschloss ver- in Erfahrung zu bringen. Ebhardt lag geführte Turm wurde auf die Höhe der lor 1698 mit dem Aussterben der Linie daran, aus dem relativ unscheinbaren Ecktürme erhöht. Bei den imposanten Hohenlohe-Neuenstein-Neuenstein Renaissance-Schloss kein historistisches Volutengiebeln ließ Ebhardt sich von seine Funktion, wurde vom Landesherrn Ungetüm zu machen. Vielmehr wollte Langenburger Bauplänen inspirieren und wohltätigen Einrichtungen überlassen er in der denkmalpflegerischen Tradition gab so dem Neuensteiner Schloss ein und geriet schnell in einen baufälligen des 19. Jahrhunderts wissenschaftlich völlig neues Gesicht. Heute zieren ins- Zustand. den Bestand des Schlosses nach Ende der gesamt vier größere und neun kleinere

20 Archivnachrichten 45 / 2012 1 | Schloss Neuenstein vor dem Umbau (Anfang 20. Jahrhundert). Vorlage: Landesarchiv HZAN SB 100

2 | Schloss Neuenstein während der Umbau- und Restaurierungsarbeiten (zwischen 1906 und 1914). Vorlage: Landesarchiv HZAN SB 100

3 | Schloss Neuenstein nach dem Umbau (Erste Hälfte 20. Jahrhundert). Vorlage: Landesarchiv HZAN SB 100

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Renaissance-Giebel das Schlossdach und prägen die Erscheinung des Gesamtbaus nachhaltig. Die Pläne Bodo Ebhardts wurden im Laufe der Bauzeit immer umfassender und größer, so dass der Fürst ihn mehr- fach bremsen musste und schließlich 1914 – ursprünglich waren fünf Jahre Bauzeit vorgesehen – den unvollendeten Bau einstellen ließ. So verdankt Neuenstein dem Berliner Burgenbauer vom Beginn des 20. Jahr- hunderts ein prunkvolles Renaissance- Schloss, das den Vergleich mit Weikers- heim, Langenburg, Öhringen und anderen Hohenlohe-Schlössern nicht zu scheuen braucht.

Joachim Brüser

4 | Entwurfszeichnungen zu einem Giebel des Schlosses Langenburg (1616). Vorlage: Landesarchiv HZAN GA 115 I/170

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Archivnachrichten 45 / 2012 21 1 Einkaufstempel Die Anfänge des Warenhauses Hermann Tietz (HERTIE) in Stuttgart

Drei Jahrzehnte nach der Eröffnung des als Posamentier-, Kurz- und Wollwaren- nigstraße zu planen und zu bauen. Das Warenhauses Hermann Tietz in der geschäft firmierte. Ab Mitte der 1890er Architekturbüro konnte aber nicht nach Stuttgarter Königstraße 27 war dem Ma- Jahre kam noch ein Gebäude in der eigenem Belieben die Pläne entwickeln, nagement nicht mehr bewusst, wann Marktstraße hinzu. sondern musste die von der Unterneh- genau dies gewesen war. Man ging davon Im Jahr 1904 reifte bei Oscar Tietz und mensleitung vorgegebenen Richtlinien aus, dass die Eröffnung im Jahr 1906 der Geschäftsleitung der Plan, ein Wa- und gestalterischen Vorgaben in ein erfolgt sei. Doch das erste Warenhaus in renhaus als Vollsortimenter in zentraler Gesamtkonzept umsetzen. Stuttgart wurde bereits am 4. Oktober Lage in Stuttgart zu errichten. Die Stadt Der große, ausschließlich in Stein und 1905 feierlich eingeweiht und für den entwickelte sich in jener Zeit von einer Eisenbeton ausgeführte Bau war wohl Publikumsverkehr freigegeben. Der er- eher behäbigen Residenz zu einer mo- der erste in dieser Technik in Stuttgart folgreiche deutsch-jüdische Kaufmann dernen Großstadt mit einer rasch stei- erstellte Geschäftsbau und erzielte da- Oscar Tietz (1858–1923) hatte sein erstes genden Zahl an Einwohnern, die ihr mals durch Form und Farbe seiner zeit- Warenhaus 1882 in gebaut und er- Kaufverhalten änderten und denen der typischen neobarocken Fassaden eine öffnete 1884 in München sein erstes süd- Einzelhandel durch den Bau von Waren- eindrucksvolle Wirkung. Den Turm auf deutsches Geschäftshaus. Seit 1891 besaß häusern Rechnung trug. Das angesehene dem Dach zierte eine Weltkugel, die die Oskar Tietz, der seinen Warenhäusern und für seine Industriebauten bekannte Bedeutung des Geschäftshauses symboli- aus Dankbarkeit gegenüber seinem Onkel Stuttgarter Architekturbüro Bihl und sieren sollte. Das Gebäude bestand aus und Geldgeber Hermann Tietz den Woltz, dessen Archiv im Hauptstaats- neun Stockwerken. Der unter dem Ni- Namen Hermann Tietz gab, eine Filiale archiv Stuttgart verwahrt wird, erhielt veau der Schmalen Straße liegende Keller in der Friedrichstraße in Stuttgart, die den Auftrag, das neue Haus in der Kö- diente als Magazin, das Erdgeschoss an

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der Schmalen Straße beherbergte den bau der Königstraße zu einer modernen 1 | Ansicht zum Neubau Warenhaus Hermann Lebensmittelverkaufsraum, die Kantine Geschäftsstraße. Tietz, Königstraße 27, März 1904. Vorlage: Landesarchiv HStAS Q 3/41 Bü 1120 und die Garderoben. Über der König- Das Architekturbüro Bihl und Woltz, straße erhoben sich vier Verkaufsstock- das 1889 von Georg Friedrich Bihl in werke, darüber ein niedrigeres Fries- Stuttgart gegründet worden war, blieb 2 | Umbau des Warenhauses Hermann Tietz, 1929, Stockwerk mit dem Fotoatelier, den bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs Ansicht von der Schulstraße. Vorlage: Landesarchiv HStAS Q 3/41 Bü 1070 Räumen der Geschäftsführung und Ma- mit dem Warenhaus durch Aufträge gazinräumen, darüber der erste und für Planung und Bauleitung eng ver- zweite Dachstock mit weiteren Vorrats- bunden, auch in der Zeit der NS-Dikta- 3 | Umbau des Warenhauses Hermann Tietz, 1929, lagern. Das Gebäude umfasste somit fünf tur, als aufgrund der jüdischen Herkunft Ansicht Schmale Straße mit Einteilung der Stock- werke. Verkaufs- und vier Magazinstockwerke. der Eigentümer der Name von Hermann Vorlage: Landesarchiv HStAS Q 3/41 Bü 1070 Die einzelnen Stockwerke konnten über Tietz getilgt werden musste und das drei Aufzüge und drei feuer- und rauch- Warenhaus in Kaufhaus Union umbe- sicher abschließbare Treppenhäuser – nannt wurde. Erst 1963 kehrte der Name von denen zwei in den Gebäudeecken an Hermann Tietz mit der Kaufhausbe- der Schmalen Straße lagen, während zeichnung HERTIE wieder nach Stutt- die doppelarmige Haupttreppe die Mitte gart zurück. der Königstraßenfront einnahm – er- reicht werden. Mit der Errichtung dieses Warenhauses begann der Um- und Aus- Peter Bohl

Archivnachrichten 45 / 2012 23 „Was Ihr wollt II“ 100 Jahre Littmann-Bau in Stuttgart

Max Littmann (1862–1931) in seinem Münchener Atelier, um 1908, zur Zeit des Wettbewerbsprojekts „Was Ihr wollt II“, im Hintergrund die Entwurfs- Gipsmodell des Hoftheaters (1910) nach dem Wett- zeichnung für das Große Haus. bewerbsentwurf „Was Ihr wollt II“. Vorlage: Deutsches Theatermuseum München, Vorlage: Landesarchiv StAL E 18 V Bü 1437 Nachlass Littmann

Mit seinem Projekt unter dem Kennwort Parkfassade des Großen Hauses mit lagen unweit des Neuen Schlosses. Seit Was Ihr wollt II gewann Max Littmann dem davor gelagerten ovalen Anlagensee 1902 hatte es hierzu lange Erörterungen, am 20. Oktober 1908 den Wettbewerb griff Littmann auf die ausschwingende Gutachten und eine Reihe von Vorpro- um den Neubau des Königlichen Hof- Form des Kreissegments zurück und jekten gegeben, an denen Max Littmann theaters in Stuttgart, dessen bisherige gliederte die Fassade durch Doppelsäu- maßgeblich beteiligt war, was in dem Spielstätte 1902 bei einem Brand voll- len mit ionischen Kapitellen und der umfangreichen Briefwechsel zwischen ständig zerstört worden war. In den Be- darüber liegenden Dachterrasse. Bekrönt Littmann und dem federführenden Hof- ständen des Hoftheaters (E 18 III, V, VII) wurde die Fassade durch zehn allego- theaterintendanten von Putlitz im Staats- haben sich im Staatsarchiv Ludwigsburg risch Figuren: Plastik, Architektur, Tech- archiv Ludwigsburg nachzulesen ist. vielfältige Dokumente aus der Bau- und nik, Dramatik, Mimik, Gesang, Lyrik, Die Bauarbeiten für das Große Haus Planungsphase dieses Theatergebäudes Musik, Schauspielkunst, Malerei. Im Ge- begannen im September 1909; Anfang bis hin zu dessen Eröffnung am 14. und gensatz zu dieser barock anmutenden 1910 folgte dann das Kleine Haus, 15. September 1912 erhalten, darunter Ansicht demonstrierte das Kleine Haus welches der berühmte Theatermann Ausfertigungen der Pläne und Baupro- feinsinnige Bescheidenheit und klassizis- Max Reinhardt unmittelbar nach dessen gramme, der Schriftwechsel zwischen tische Strenge. Seine Architektur war Vollendung Anfang August 1912 als Littmann und der Hoftheaterintendanz, weniger aufwendig. Dem Foyer vor- das überhaupt schönste und eigenartigste, die gesammelten Presseberichte und gelagert war eine simpel gegliederte in jeder Beziehung vollkommene kleine Zeitungskritiken, sowie Bildmaterial in Tempelfront mit korinthischen Säulen- Theater, das er je gesehen hat, würdigte, Form von Fotoabzügen oder Glasplat- abschlüssen als Zeichen höchsten kul- wie die Württemberger Zeitung in ihrer ten von der Baustelle. turellen Anspruches. Ausgabe vom 31. August 1912 berichtete. Für Stuttgart entwickelte Max Littmann Die Deutsche Bauzeitung verwies in Der Doppelhauskomplex mit den ein vollkommen neuartiges funktionalis- einem Beitrag auf die vielen Dichter und zwei in Größe, Raumstruktur und Aus- tisches Doppeltheater: ein Großes Haus Denker, die aus Württemberg kamen, gestaltung bewusst differenzierten (für das große Wort- und Tondrama) und dass in jedem Schwaben daher das Theatergebäuden in Einheit mit dem und ein Kleines Haus (für die Spieloper logische Gefühl wohnen solle, dass es Verwaltungsbau galt bauhistorisch als und das Lust- bzw. Kammerspiel) als ein- neben den großen Kirchen und der könig- bedeutsames Spätwerk des Historismus, heitlicher Baukomplex mit gemeinsamen lichen Residenz im Schwabenland kein das übrigens bereits 1924 in die Liste Werkstätten und Verwaltungsräumen. bedeutungsvolleres Bauwerk gebe als der Baudenkmale eingetragen wurde, nur Littmann stellte beide Häuser parallel, jene nun in Maulbronner Sandstein zur 12 Jahre nach der Einweihung. rückte aber das Kleine Haus vor und ver- Ausführung kommende Baugruppe. band beide Gebäude durch den sachlich Diesem Anspruch entsprach auch der gestalteten Verwaltungstrakt. Für die hochrangige Standort an den Oberen An- Martin Laiblin

24 Archivnachrichten 45 / 2012 Wie man Traumschlösser praktisch baut Die Überlieferung der Baugewerkeschule in Stuttgart

Konkurrenz-Entwurf zu einem Bierrestaurant, 1900/01. Klasse VIb (A. Wacker). Alle Vorlagen: Landesarchiv StAL EL 268 I, Zugang 2009/033 (unverzeichnet)

Archivnachrichten 45 / 2012 25 Tuschzeichnung (Ornament), 1883. Klasse III a, Sommer 1883, (A. Mattes).

Bauen kann man eben nicht auf dem Das (Vor-)Praktikum auf der Baustelle zu einem Inventar zurückbehaltener Ar- Papier lernen, sondern nur in engster Füh- ist seit 180 Jahren ein elementarer Teil beiten gehörten. Da die Zeichnungen lung mit der Ausführung. Dieser Satz der Ausbildung. Bis nach dem Ersten jeweils mit Datum, Namen und Klassen- entstammt einer Denkschrift des Schul- Weltkrieg war sogar eine mindestens ein- angaben beschriftet sind, kann mithilfe vorstands der Württembergischen Bau- jährige praktische Tätigkeit oder Lehre der ebenfalls (größtenteils) erhaltenen gewerkeschule aus dem Jahr 1922 (StAL als Steinhauer, Maurer oder Zimmer- Schülerlisten durchaus auf den fleißigen EL 268 I Bü 26). mann Voraussetzung. Wer diese hand- Studenten geschlossen werden, der die Der Ursprung der Baugewerkeschule werklichen Vorkenntnisse durch die Arbeit im Rahmen seines Schulbesuchs war eine ab 1832 erst nur im Winter an- nach sechs Semestern abzulegende staat- anfertigte. Wahrscheinlich widerfuhr gebotene Schule für Bauhandwerker. liche Bauwerkmeisterprüfung ergänzte, besonders gelungenen Zeichnungen die In ihrer weiteren Entwicklung wurde sie konnte in den Staatsdienst treten. Im 19. Ehre, in das Inventar aufgenommen zu zur ganzjährigen Schule und ab 1869 Jahrhundert bildete die Baugewerke- werden. Sie sind fast immer eine Augen- zur Königlich Württembergischen Bau- schule zwar noch keine Architekten aus, weide, verraten aber auch, dass sich die gewerkeschule. Die Fachschule für Ma- sondern verstand sich als Ausbildungs- stilistische Ausbildung der mittleren schinenbauer, die seit 1868 ebenfalls an stätte für Techniker mittleren Ranges, für Bautechniker an sehr klassisch-konser- der Baugewerkeschule ausgebildet wur- Bauwerkmeister, mittlere Baubeamte vativen Vorbildern orientierte. Leider den, zog 1912 nach Esslingen um; aus und Wasserbautechniker. Doch auch in konnten bis jetzt zwar die Akten der ihr wurde die Maschinenbauschule Ess- deren Ausbildung kam dem Zeichnen Hochschule, aber noch nicht die zahlrei- lingen, die heutige Hochschule Esslin- und Entwerfen ein hoher Stellenwert zu. chen Zeichnungen im Detail erschlossen gen. 1938 erfolgte die Umbenennung Als sich die Hochschule für Technik werden, da allein zum Bewegen der gro- zur Staatsbauschule, 1964 zur Staatlichen 2006 entschloss, ihre historischen Unter- ßen Formate häufig zwei Personen not- Ingenieurschule für Bauwesen. Aus lagen dem Staatsarchiv Ludwigburg als wendig sind. Doch mit der Überführung dieser wurde 1971 die Fachhochschule Archivgut zu übergeben, fanden sich bei ins Archiv ist der Schatz gesichert, und für Technik – die heutige Hochschule der systematischen Durchsicht aller die Jugendträume der damaligen künfti- für Technik Stuttgart, die u.a. Studien- Altregistraturräume eine Vielzahl von gen Baumeister stehen jedermann zur gänge aus den Bereichen Bauingenieur- großformatigen Bänden und Einzel- Einsicht zur Verfügung. wesen, Bauphysik und Architektur zeichnungen. Dazu gehören zahlreiche anbietet. Zeichnungen, die offensichtlich einmal Elke Koch

26 Archivnachrichten 45 / 2012 Marbach am Neckar, „Schillermuseum“ bzw. „Schiller- Nationalmuseum“ (seit 1922) in der ursprünglichen, nach Plänen des Stuttgarter Architekturbüros „Ludwig Eisen- lohr & Carl Weigle“ errichteten Gestalt aus dem Jahre 1903. Die Aufnahme stammt aus der Zeit vor Beginn der Arbeiten zur Verlängerung der beiden Seitenflügel, einem Umbau, der an Schillers 175. Geburtstag am 10. Novem- ber 1934 in einer bereits nationalsozialistisch dominierten Feier eingeweiht wurde. Vorlage: Landesarchiv StAL EL 228 a II Nr. 446 (LDA- Nr. 3058)

Baudenkmale im Bild Die Glasplattensammlung des Landesdenkmalamts Baden-Württemberg

Im Jahre 2001 konnte das Staatsarchiv Bereits im Denkmalamt wurden die übernommenen Stücken eine doch er- Ludwigsburg die vom damaligen Lan- Glasplatten nach einer aus verpackungs- hebliche Diskrepanz besteht. desdenkmalamt Baden-Württemberg in technischen Gründen erforderlichen Auf- Die vorhandenen Glasplatten überlie- Stuttgart (seit 2005 als Landesamt für spaltung in formatabhängige Serien kon- fern auch Ansichten von Denkmalen, die Denkmalpflege Teil des Regierungspräsi- servatorisch vorbildlich verpackt. Als untergegangen oder – wie im Falle des diums Stuttgart) aufgebaute fotografi- Findmittel für die praktische Benutzung Schiller-Nationalmuseums in Marbach sche Dokumentation auf Glasplatten der Fotos diente eine nach Ortsalphabet am Neckar – in ihrer ursprünglichen übernehmen. Es handelt sich dabei um angelegte Kartei mit aufgeklebten, dem Gestalt nicht mehr erhalten sind. Beson- über 13.000 einzelne Stücke verschiede- Verwendungszweck entsprechend nicht ders die großformatigen Aufnahmen sind nen Formats. Die ältesten entstammen besonders hochwertigen (Kontakt-)Abzü- in der Regel von bestechender Qualität bereits dem Ende des 19. Jahrhunderts. gen, zu denen die Fotobuchangaben und und beeindrucken mit Schärfentiefe und Die dann bis in die 1950er Jahre fortge- oft auch ergänzende Informationen notiert Gradation. Meist findet sich auf der führte Sammlung sollte in den meisten wurden. Ein Teil dieser Karteikarten des Schichtseite die (insofern seitenverkehrt Fällen den Zustand eines Baudenkmals Landesdenkmalamts steht inzwischen – abgebildete) ursprüngliche Bildnummer. jeweils vor und nach einer Restaurie- vermischt mit weiteren Aufnahmen glei- Vereinzelt wurden auch Pläne und Zeich- rungsmaßnahme festhalten, diente aber cher Provenienz und leider ohne Recherche- nungen für geplante Um- oder Erwei- auch allgemein der fotografischen Si- möglichkeit nach den LDA-Nummern – terungsbauten reproduziert, welche so cherung von denkmalpflegerisch rele- in digitalisierter Form beim Bildarchiv nicht zur Ausführung gelangt sind. Wie- vanten Objekten und Ensembles sowie Foto Marburg online zur Verfügung. derum für Marbach sind dies insgesamt der Vortrags- und Bildungstätigkeit. Die Erschließung im Staatsarchiv er- vier Ablichtungen von Bauzeichnungen, Knapp die Hälfte der Aufnahmen sind folgte durch Abschrift und Abgleich mit die im Fotobuch mit einem Prof. Fiechter Großformate (13 x 18 und 18 x 24 cm), über 20.000 Fotobucheinträgen sowie in Verbindung gebracht werden. Bei die- der Rest ist kleiner (6 x 6 und 9 x 12 cm). unter Beibehaltung der vorgegebenen sem handelt es sich ohne Zweifel um Dokumentiert sind die einzelnen Auf- formatabhängigen Serien und der Grund- Ernst Robert Fiechter (1875–1948), einen nahmen nur spärlich. Sie wurden in struktur der Fotokartei nach Orten. Die Archäologen und Architekten, der von sog. Fotobüchern mehr oder weniger in Kartei selbst stand nicht zur Verfügung. 1911 bis zu seiner Emeritierung 1937 den der Reihenfolge ihrer Entstehung, aber Aus pragmatischen Gründen wurden die Lehrstuhl für Baugeschichte und Baufor- unabhängig von ihrem Format mit fort- jetzt auf vier Bestände (EL 228 a I bis IV) menlehre an der TH Stuttgart inne hatte laufender Zählung (= LDA-Nummer) verteilten Objekte mit Konkordanz zur und der von 1919 bis 1936 zugleich als eingetragen. Notiert wurden Ort und LDA-Nummer jeweils neu durchgezählt. ehrenamtlicher Referent der staatlichen jeweiliger Aufnahmegegenstand, nur Spätestens hier wurde sichtbar, dass Baudenkmalpflege in Stuttgart wirkte. selten jedoch Fotograf und Aufnahme- zwischen den in den Fotobüchern ver- datum. zeichneten Glasplatten und den faktisch Stephan Molitor

Archivnachrichten 45 / 2012 27 Avantgarde in Hohenzollern Entwürfe des Architekten Martin Elsaesser für den Fürsten von Hohenzollern 1948

Für viel Furore hatte zu Beginn unseres westdeutschland in der Zeit vor dem innehatte. Nach Stuttgart zurückgekehrt, Jahrtausends ein geplanter Neubau für Ersten Weltkrieg. Neben zahlreichen an- starb er am 5. August 1957. die Zwecke der Europäischen Zentral- deren Gebäuden entwarf er die Stuttgar- Im Frühjahr 1948 fertigte Elsaesser für bank in Frankfurt gesorgt, in den die ter Markthalle. Zwischen 1920 und 1925 das Fürstenhaus Hohenzollern 26 Pläne Frankfurter Gemüsekirche, also die 1928 wirkte er in Köln. Die Frankfurter Jahre zum Umbau des Landhauses in Krau- errichtete Großmarkthalle, integriert von 1925 bis 1932 dürften als seine er- chenwies und 16 Pläne zum Neubau werden sollte. Die Erben von Martin El- folgreichsten gelten. Still wurde es um eines Landsitzes in Hohenzollern ohne saesser (1884–1957), der das Frankfurter ihn in der Zeit des Nationalsozialismus, nähere Ortsidentifikation. Leider hat Stadtbild in der Weimarer Zeit entschei- in der sein Baustil nicht gefragt war. Er sich kein Briefwechsel zwischen Martin dend mitgeprägt hatte, sahen jedoch verbrachte diese Jahre, in denen von Elsaesser und der Fürstenfamilie bzw. durch den geplanten Abriss einiger Ne- seinen zahlreichen Entwürfen zu renom- deren Verwaltung über diese Bauprojekte bengebäude das Urheberrecht des Star- mierten Bauten lediglich jener für die im Fürstlich Hohenzollernschen Haus- architekten verletzt. Den anschließenden Sümerbank in Ankara verwirklicht wor- und Domänenarchiv erhalten. Rechtsstreit beendeten die Parteien 2008 den ist, in München und Berlin. Doch Angesichts des noch bis zu Beginn des außergerichtlich. Die Einigung sah da- auch nach dem Zweiten Weltkrieg 20. Jahrhunderts beim Wiederaufbau bei auch die Gründung der 2009 ins konnte der nach Stuttgart zurückge- des Schlosses in Sigmaringen bevorzugten Leben gerufenen Martin-Elsaesser-Stif- kehrte, einst gefeierte Architekt nicht Stils des Historismus, erscheinen man- tung zur Wahrung des Andenkens des mehr an seine früheren Erfolge anknüp- che der Entwürfe Elsaessers recht kühn. aus Tübingen stammenden Architekten fen. 1948 übernahm er die kommis- Vielleicht zu kühn für Hohenzollern. vor. Berühmt machten den Schüler sarische Vertretung einer ordentlichen Denn wie die meisten seiner Entwürfe Theodor Fischers nach dem Architektur- Professur für Entwurf an der TH Mün- nach dem Zweiten Weltkrieg wurden studium seine Kirchenbauten in Süd- chen, die er bis zu seiner Emeritierung weder der Umbau des Krauchenwieser Landhauses noch der Neubau eines Landsitzes in Hohenzollern verwirklicht. In den Unterlagen der Fürstlich Hohen- zollernschen Verwaltung über den Umbau des Landhauses Krauchenwies, der sich in den folgenden Jahren im Wesentlichen auf ein paar wenige Mo- dernisierungsmaßnahmen beschränkte, findet sich lediglich ein Schreiben vom 7. September 1948, mit dem ein Stutt- garter Architekt im Auftrag Elsaessers die Originalpläne des Landhauses zurück- schickt.

Birgit Meyenberg

Entwurf für den Neubau eines Landsitzes in Hohen- zollern, April 1948. Vorlage: Landesarchiv StAS FAS P 555/1

28 Archivnachrichten 45 / 2012 Post im Dorf Die Plansammlung der Deutschen Bundespost im Generallandesarchiv Karlsruhe

Heute hat es Seltenheitswert: das Post- stelle. Die dort tätigen Menschen waren sind nun zumindest durch ihre Pläne amt. Seit der Privatisierung und Öffnung angesehene Personen – schließlich arbei- erhalten geblieben. Die auf zerbrech- des Briefwesens wurden nach und nach tete man beim Staat. lichem Transparentpapier gezeichneten die meisten Postämter und Poststellen Im Jahr 2010 bot die Post AG, die Pläne umfassen Grundrisse der maßgeb- aufgelöst. Deren Aufgaben wurden von Nachfolgerin der Deutschen Bundespost, lichen Geschosse, Ansichten, Lageort, völlig andersartigen Geschäften mit dem Generallandesarchiv Karlsruhe oft auch Innenaus- und -umbauten im übernommen. Heute kauft man seine knapp 2000 Pläne von ehemaligen, in- kleineren oder größeren Stil. Oft ist auch Briefmarken im Jeansladen, in den eine zwischen aufgelösten und zumeist auch nur ein einziger Plan erhalten geblieben, kleine Postannahmestelle integriert ist. verkauften Postämtern und Poststellen in der Regel ein Grundriss des Schalter- Heute kommuniziert die Mehrzahl der an (GLAK Bestand 419-1, Online-Find- geschosses. Menschen in Europa per Mail, per SMS mittel). Es handelte sich hier um Post- Es handelt sich hier nicht um groß- oder twittert sich durch den Tag. Voll gebäude aus dem nordbadischen Raum. artige Baukunst oder gar stilprägende Verwunderung schaut man in seinen Aber auch angrenzende hessische Orte – Bauwerke. Aber eines oder mehrere Briefkasten, wenn sich darin mehr als vor allem im Odenwald – sind überlie- dieser Gebäude hatte praktisch jeder in nur Werbematerial befindet. Ein hand- fert, da diese offensichtlich zum Teil nord- der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts le- schriftlich geschriebener Brief sorgt badischen Poststellen angegliedert waren. bende Mensch im Laufe seines Lebens zudem für großes Erstaunen. Und gäbe Aus den größeren Städten, wie zum mehrfach betreten. Insofern spiegeln sie es die Notwendigkeit der Paketversen- Beispiel Karlsruhe, sind die Pläne mehre- einen wichtigen Teil der nordbadischen dung nicht, gäbe es wohl noch weniger rer Postämter aber auch anderer Post- Alltagsgeschichte wider, der mehr oder dieser Stellen. gebäude erhalten geblieben. Zwei Pläne weniger endgültig verloren gegangen Doch vor circa 20 Jahren sah die Welt haben vom ehemaligen Postamt Karls- ist – im Zeitalter weiterhin zunehmender noch anders aus. In jeder Stadt gab es ruhe 15 (Körnerstraße 15, Ecke Sophien- elektronischer Korrespondenz. mehrere Postämter und Poststellen. Ge- straße) die Zeit überdauert: Eine Grund- radezu sprichwörtlich ist die sogenannte risszeichnung des Erdgeschosses aus Hauptpost geworden, deren Stellenwert dem Jahr 1955 und die Schalterumrü- Jürgen Treffeisen fast mit dem eines Bahnhofs gleichzu- stung aus dem Jahr 1976 (GLAK 491-1 Nr. stellen war. Meist beeindruckten diese 92–93). Mit einem Grundriss des 1. OGs staatlichen Gebäude durch ihren impo- ist die Postarztpraxis in der Stephanien- santen Bau. Hier stellte der Staat eine straße dokumentiert. Das Postamt im wichtige Dienstleistung für die Bürger Karlsruher Stadtteil Mühlburg ist mit zur Verfügung. 22 Plänen aus der Zeit von 1954 bis 1985 Postamt Königsbach-Stein, Bahnhofstraße 16, Ansicht Süd 1:50, ohne Datum + Ansicht von West In jedem Dorf, in fast jedem Weiler gab erfasst. Aber auch zahlreiche kleine Orte 1:50, ohne Datum. es ein Postamt oder zumindest eine Post- aus dem gesamten nordbadischen Raum Vorlage: Landesarchiv GLAK 419-1 Nr.1647

Archivnachrichten 45 / 2012 29 „Ein Landkreis baut auf“ Baumaßnahmen im Landkreis Tauberbischofsheim in den 1950er Jahren

Badisch Sibirien, badisches Hinterland – historischen Gebäudes Riedernhof, ein 150.000 DM kamen auf diesem Wege auf diese Bezeichnungen für den agra- Erlass des Regierungspräsidiums stoppte zusammen, dazu Spendenzusagen von risch strukturierten Landkreis Tauberbi- diesen zunächst. Erst die Zusicherung, Handwerksfirmen, oft mit der Anmer- schofsheim traf Landrat Anton Schwan aus dem Altbau denkmalwürdige Stuck- kung falls wir bei den Bauaufträgen bei seinem Amtsantritt 1948. Große Auf- decken sowie einige Spolien zu über- berücksichtigt werden. Prof. Heinrich gaben standen mit der Schaffung von nehmen, ermöglichte den Baufortgang, Müller (Karlsruhe), Max Schmechel Ausbildungs- und Arbeitsplätzen an. für den sogar eine benachbarte Häuser- (Mannheim), Ernst Farrenkopf (Tauber- Noch heute sichtbar sind die architekto- zeile vollständig abgetragen wurde. bischofsheim), Erhard Heusslein (Küls- nischen Resultate dieser Aufbauzeit. Am 25. November 1959 wurde der Neu- heim) und Kurt Lutz (Wertheim) waren Das Landratsamt residierte in Tauber- bau des Landratsamts eingeweiht. die planenden und ausführenden bischofsheim im Riedernhof, einem drei- Der Neubau der Kreisverwaltung war Architekten, die Kunst am Bau wurde flügeligen barocken Adelspalais, wogegen der vorläufige Abschluss einer Aufbau- von Sepp Biehler entworfen. die Landkreisselbstverwaltung in ande- phase im Landkreis. Zunächst mussten ren Gebäuden der Stadt untergebracht nämlich die Bauten fertig werden, die un- Claudia Wieland war. Die Standorte der Kreisbehörden mittelbar der Bevölkerung dienten und sollten für einen effektiven Arbeitsablauf die vordringlichen Bedürfnisse der Kreis- zentralisiert werden, auch weil die schlechte bewohner befriedigten. Dazu gehörten Unterbringung zahlreicher Bediensteter die Berufs- und Landwirtschaftsschulen. gegen die einfachsten Forderungen men- Den Anfang machte 1951 die Handels- schenwürdiger Arbeitsbedingungen ver- und Gewerbeschule Wertheim, es folgten stieß. Dazu erwarb der Landkreis den die Landwirtschaftsschulen in Wertheim Riedernhof, um an seiner Stelle ein mo- und Tauberbischofsheim sowie das dernes Verwaltungsgebäude zu errichten. dortige Berufsschulzentrum. Doch die 1│ Außenansicht des Landratsamts mit dem Wappen des Landkreises Tauberbischofsheim. Der Wertheimer Architekt Kurt Lutz Baufinanzierung war für den struktur- Vorlage: Landesarchiv StAWt-A 57 II / Teil 2, plante das Gebäude. Künstlerisch ausge- schwachen Landkreis ein Kraftakt. Daher Nr. 262 staltet wurde das Treppenhaus. Der in griff Landrat Schwan zu Methoden, die 2│ Entwurf von Sepp Biehler für die Sonnenuhr an Boxberg ansässige und in Konstanz ge- man im ländlichen Bereich schon kannte der neuen Landwirtschaftsschule in Tauberbischofs- borene Kunstmaler Sepp Biehler entwarf – Selbsthilfe war gefragt. Die von ihm heim. Szenen aus der Geschichte des Land- 1952 ins Leben gerufene Aktion Bauern- Vorlage: Landesarchiv StAWt-K LRA 10, Nr. 597 kreises. Bildhauer Otto Horlbeck aus hilfe – Bauerndank sollte die noch feh- 3│ Berufsschulzentrum in Tauberbischofsheim. Grünsfeld setzte diese Entwürfe als lenden Gelder für den Bau der Landwirt- Vorlage: Landesarchiv StAWt-A 57 II / Teil 2, Steinschnitte in heimischem Kalkstein schaftsschulen durch Spareinlagen der Nr. 574 um. Den Stolz auf dieses Werk doku- bäuerlichen Bevölkerung, durch Prämi- mentiert die unter dem bezeichnenden ensparen und Spenden aufbringen. 4│ Barocke Stuckdecke im Treppenhaus des neuen Landratsamts. Namen Ein Landkreis baut auf erschie- Werbeaktionen in allen Kommunen des Vorlage: Landesarchiv StAWt-A 57 II / Teil 2, nene Schriftenreihe. Deren erste Folge Landkreises wurden durchgeführt. Die Nr. 269 Heimatbilder publizierte die Stein- einbezahlten Beträge sollten dem Land- schnitte, die diesen zu Grunde liegenden kreis dann zu tragbaren Bedingungen 5│ Milchbar (Cafeteria) in der Handels- und Gewerbeschule Tauberbischofsheim. Gedanken und historischen Bezüge. von den Kreditinstituten des Kreisgebiets Vorlage: Landesarchiv StAWt-A 57 II / Teil 2, Nicht unumstritten war der Abbruch des zur Verfügung gestellt werden. Etwa Nr. 600

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Archivnachrichten 45 / 2012 31 Masse und Klasse Bauakten in Kommunalarchiven

Bauakten bilden in kommunalen Ar- gehören im kommunalen Bereich zu den sowie weiterer Schriftverkehr, je nach chiven stets einen der umfangreichsten am meisten nachgefragten Archivalien. Gebäudeart. Unter strukturellen Aspekten Bestände im Hinblick auf die Zahl der Maßgebliche Bedeutung kommt den können Bauakten den gleichförmigen, einzelnen Einheiten wie der laufenden Beständen der Archive von Landkreisen massenhaften Fallaktenserien zugerech- Regalmeter. Schon in einer kleinen Ein- und kreisfreien Städten zu, wo die Bau- net werden, ähnlich wie Einzelfallakten richtung, wie dem Kreisarchiv Hohen- aufsichts- bzw. Baurechtsämter als feder- in der Personal- und Sozialverwaltung. lohekreis, umfasst der Bauaktenbestand führende Behörden angesiedelt sind. Bei der archivischen Bewertung, also der knapp 240 Meter. Große Archive, wie Die Akten der nachgeordneten Bauämter Frage, welche Akten als überlieferungs- das Stadtarchiv Stuttgart, kommen auf in den Gemeindearchiven können er- würdig anzusehen sind, führt dies zu weit über 500 Meter. Bauakten stellen die gänzend dazu genutzt werden. unterschiedlichen Konsequenzen: Bei Archive aufgrund der Masse regelmäßig Wer schon einmal ein Haus gebaut hat, personenbezogenen Einzelfallakten ver- vor Schwierigkeiten hinsichtlich einer kennt den Inhalt einer Bauakte aus eige- sucht man, der Masse Herr zu werden, angemessenen Erschließung sowie der ner Anschauung: Bauantrag, Baupläne indem man eine nicht allzu große, nach Lagerung im räumlich begrenzten Ma- (Grundrisse, Aufrisse, Lagepläne), amt- statistischen Kriterien getroffene Aus- gazin. Dass sich die Bewältigung dieser liche Stellungnahmen, Prüfberichte, Zu- wahl aus der Verwaltung in die Archive Schwierigkeiten lohnt, zeigt ein Blick in stimmungserklärungen der Nachbarn, übernimmt. Bei Bauakten bleibt kaum die Nutzungsstatistik, denn Bauakten Statikberechnungen, Baugenehmigung eine andere Möglichkeit als die der qua-

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litativen, d. h. inhaltlichen Auswahl, so- tenz von Gebäuden und Bauwerken. Die Praxis der Bewertung (und Erschlie- fern man nicht den Weg der Komplett- Ortsgeschichte bezieht sich nicht nur auf ßung) von Bauakten auf kommunaler archivierung geht. Kirchen, Rathäuser, Schulen, Herr- Ebene unterscheidet sich oft von Archiv Im Fall von Archiven, die nur einen schaftsbauten, sondern auch auf private zu Archiv, was nicht zuletzt bei regional Teil der Bauakten übernehmen, hat eben Häuser, Höfe, Scheunen und Fabriken. übergreifender Nutzung dieser wertvol- dies nicht selten mit Platznot zu tun, Bauakten ermöglichen die Erforschung len Quellengattung zu Problemen führt. aber auch mit der Überlegung, dass nicht von Bauwerken in architektur-, bau-, Für künftig entstehende Bauakten, die jedem Bauvorhaben ein historisch besitz-, sozial-, wirtschafts-, verkehrs- zunehmend in digitaler Form geführt bleibender Wert zukommt, etwa beim und rechtsgeschichtlicher Hinsicht. werden, wären daher einheitliche Lösun- Garagenbau. Daher wandern nur als Kassationen bergen somit stets die Ge- gen bei deren archivischer Behandlung bauhistorisch relevant angesehene Akten fahr des Informationsverlustes. Einen anzustreben – zum Vorteil der Nutzer ins Magazin. Andere Archive hingegen Mittelweg beschreiten Archive, die sich, wie der Archive. sehen Bauakten als wichtig und aussage- um Platz zu sparen, der mühevollen kräftig genug an, um sie möglichst voll- Arbeit des Ausdünnens der Akten unter- ständig zu archivieren. Nicht zuletzt ziehen und mehrfach vorhandene Pa- Thomas Kreutzer definiert sich ein Dorf oder eine Stadt – piere oder solche ohne Informationswert ganz räumlich gedacht – durch die Exis- entsorgen.

3 1│ Aufriss des Bahnhofsgebäudes in Dörzbach (Hohenlohekreis), 1900. Vorlage: Kreisarchiv Hohenlohekreis B 510, K 2.1.7

2│ Entwurf einer Obstdörre in Lipfersberg, Stadt Ingelfingen (Hohenlohekreis), 1862. Vorlage: Kreisarchiv Hohenlohekreis B 510, K 1.1.3

3│ Situationsplan zu einem Hausanbau in Ingelfin- gen (Hohenlohekreis), 1847. Vorlage: Kreisarchiv Hohenlohekreis B 510, K 1.1.1

Archivnachrichten 45 / 2012 33 1 Staatliches Bauen nach dem Krieg in Württemberg Die Überlieferung der Oberfinanzdirektion

Die Abteikirche von Neresheim, die ist. In Stuttgart spiegelt der Wiederauf- umstrittener Pipelines nun Teil des Schlösser von Ludwigsburg, Bad Mer- bau des Alten und Neuen Schlosses, des neuen Bestandes EL 403 – Oberfinanzdi- gentheim und Ellwangen – um nur ei- Königsbaus oder der Universitätsbauten rektion Stuttgart – Landesvermögen und nige von ihnen zu nennen –, die Stifts- in neuen, modernen Formen den Geist Bauabteilung, der im Lesesaal des Staats- kirche von Oberstenfeld oder die ober- der damaligen Zeit wider. So wurde von archivs Ludwigsburg eingesehen werden schwäbischen Klöster haben etwas ge- der Hochbauverwaltung beim Neubau kann. meinsam: Sie werden von der staatlichen des baden-württembergischen Landtages Hochbauverwaltung des Landes Baden- auf dem Gelände der ehemaligen Karls- Martin Häußermann Württemberg unter großem Aufwand akademie vehement die Beseitigung der restauriert und erhalten. noch erhaltenen Reste dieser traditions- Seit 1991 bewertet und übernimmt das reichen Einrichtung zugunsten einer Staatsarchiv Ludwigsburg die Unterlagen kompletten Bepflanzung des Areals ge- der Bauabteilung der ehemaligen Ober- fordert. 1│ Plan zum Wiederaufbau des Königsbaus in Stuttgart, Ansicht vom Schlossplatz, 1956. finanzdirektion Stuttgart, deren Zustän- Ab den 1960er Jahren beginnt schließ- Vorlage: Landesarchiv StAL EL 403 Bü 2745 NW digkeitsbereich sich auf die beiden lich die Zeit der großen Sanierungsmaß- Regierungsbezirke Stuttgart und Tübingen nahmen an den, das reiche kulturelle erstreckte. Im Jahr 2009 konnten schließ- Erbe des Landes darstellenden, Klöstern, 2│ Beschaffung neuer Glocken für die sich im Staatsbesitz befindliche Basilika lich die jahrelangen Aussonderungs- Burgen und Schlössern – erwähnt seien St. Martin in Weingarten, 1956. arbeiten mit der Übernahme der Unter- stellvertretend die oberschwäbischen Vorlage: Landesarchiv StAL EL 403 Bü 1033 SW lagen über die sich im Bundesbesitz Klöster, die Kapfenburg bei Lauchheim 2 befindlichen, jedoch von der baden- oder die Schlösser in Bad Mergentheim, württembergischen Hochbauverwaltung Ellwangen oder Weikersheim. Auch an betreuten Bauten beendet werden. der Sanierung der sich nicht in staatli- Für die Öffentlichkeit stehen damit chem Besitz befindlichen, von Balthasar rund 900 Regalmeter Akten zur Nutzung Neumann erbauten, wegen akuter Ein- bereit, deren Laufzeit gegen Ende des sturzgefahr zwangsweise gesperrten Ab- Zweiten Weltkrieges beginnt. Es waren teikirche in Neresheim war die staatliche vor allem Sicherungsarbeiten an den Hochbauverwaltung ab dem Jahr 1966 kriegszerstörten staatlichen Gebäuden, maßgeblich beteiligt. mit denen sich die damalige Hochbau- Aber nicht nur der Erhalt bzw. der verwaltung zu beschäftigen hatte. So Neubau der landeseigenen Gebäude fiel wurden beispielsweise bereits 1944 erste in den Zuständigkeitsbereich der staatli- Maßnahmen zur Erhaltung des bomben- chen Hochbauverwaltung, sondern auch zerstörten Alten Schlosses oder des Kö- die Bauten des Bundes. Die zahlreichen nigsbaus in Stuttgart ergriffen. Ab dem Unterlagen zu Kasernen, sowohl der Jahr 1946 setzte dann der Wiederaufbau Bundeswehr als auch der verbündeten in großem Stile ein, der besonders für Streitkräfte, bilden dabei den Hauptteil die stark zerstörten Städte Stuttgart, der Überlieferung. Zudem sind auch die Heilbronn und Ulm gut dokumentiert Akten betreffend den Bau zum Teil heftig

34 Archivnachrichten 45 / 2012 Das »saai« Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurbau am Karlsruher Institut für Technologie KIT

Das saai wurde 1989 auf Beschluss der Baden-Württemberg bzw. Südwest- den stetig zunehmenden Anfragen und Landesregierung Baden-Württemberg deutschland ausgerichteten Archivs, des- Besuchen aus aller Welt Ausdruck. als zentrales Landesarchiv für Baukunst sen vorrangiges Sammlungsziel die Ar- Auf seiner Website (http://www.saai.kit. gegründet. Es ist dem KIT angegliedert chitekturgeschichte des 20. Jahrhunderts edu/) und in zahlreichen Ausstellungen als eine dem Präsidium direkt unter- ist. In diesem Sinne konnten Materialien macht das saai seine Bestände publik. stellte Dienstleistungseinheit. zum architektonischen Werk von Ri- Darüber hinaus ist es Jahr für Jahr mit Seine vier Hauptaufgaben lauten: chard Döcker, Günter Wilhelm, Adolf Leihgaben an zahlreichen Ausstellungen • Materialien zu Leben und Werk bedeu- Bayer und Ludwig Schweizer sowie vieler des In- und Auslandes beteiligt. Publika- tender Architekten, Ingenieure und an- anderer bedeutender Architekten durch tionen des saai erscheinen als Ausstel- derer Bauschaffender zu sammeln, Schenkungen erworben, aber auch die lungskataloge oder Tagungsdokumenta- deren Werk einen Bezug zum Land alten Bestände von Hermann Billing und tionen. Daneben besteht die Reihe Noti- Baden-Württemberg hat, Max Laeuger wesentlich ergänzt werden. zen des saai, die Interessenten gedruckt • diese Materialien zu ordnen, durch Die Sammlung beginnt in der Zeit um und als PDF-Dokumente zur Verfügung Findmittel zu erschließen, zu archivie- 1700, ihr Schwerpunkt liegt in der zwei- stehen. ren und der Forschung zur Verfügung ten Hälfte des 20. Jahrhunderts und zu stellen, schließt Bestände von Weltrang ein • ausgewählte Bestände wissenschaftlich (Günter Behnisch, Egon Eiermann, Rolf Joachim Kleinmanns zu erforschen Gutbrod, Fritz Leonhardt, Frei Otto). • sowie durch Ausstellungen und Publi- Insgesamt bewahrt das saai weit über kationen Verständnis von Baukultur zu 200 Bestände mit über 500.000 Zeich- vermitteln. nungen und Plänen, 600.000 Fotos, saai | Südwestdeutsches Archiv für Das saai hat sich in den 23 Jahren seines 1.100 Regalmetern Akten, 400 Regalme- Architektur und Ingenieurbau Bestehens zur umfangreichsten Archi- tern Fachzeitschriften und -büchern, Kaiserstraße 8, 76128 Karlsruhe tektursammlung Deutschlands entwi- 900 Architekturmodellen und 50 Möbel- Telefon 0721 6084 4376 ckelt, mit hochkarätigen Vor- und Nach- stücken. [email protected] lässen sowie erfolgreichen Ausstellungen. Das saai ist zudem eine Forschungsin- Die Architektursammlung baut auf stitution, die erfolgreich mit Drittmitteln alten Beständen des Instituts für Bauge- eigene Projekte durchführt und externen Rund 600.000 Fotos in archivgerechter Verpackung schichte auf, hervorgegangen aus Lehr- Forschern exzellente Quellen zur Ver- lagern in Stahlschränken. materialien der Architekturabteilung der fügung stellt. Seine Bedeutung findet in Foto: Martin Kunz, saai ehemaligen Polytechnischen Schule. Deren Schwerpunkt bildeten die Ent- würfe bedeutender badischer Architek- ten und Architekturlehrer des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, u. a. von Fried- rich Weinbrenner und der so genannten Weinbrennerschule sowie von Heinrich Hübsch, Friedrich Eisenlohr, Joseph Berckmüller, Hermann Billing, Max Laeuger, Friedrich Ostendorf und Otto Warth, von Architekten also, deren Wirken über Baden hinausgegangen ist. Neben der Ergänzung dieser Altbe- stände erfuhr die Sammlung in den 1970er Jahren eine entscheidende Erwei- terung durch Schenkungen bedeutender und umfangreicher Nachlässe zeitgenös- sischer Architekten wie Egon Eiermann, Rudolf Büchner und Otto Ernst Schwei- zer. Diese Ausweitung der Sammlung war Anstoß für die Gründung eines auf

Archivnachrichten 45 / 2012 35 Bei der Freischaltung von LEO-BW am 25. April 2012: Pof. Dr. Robert Kretzschmar (Präsident Landesarchiv), Ministerin Theresia Bauer MdL (Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg), Prof. Dr. Sabine Holtz (Landesarchiv, inhaltliche Projektleitung) und Dr. Gerald Maier (Landes- archiv, technische Projektleitung). Aufnahme: Landesarchiv HStAS

Löwenstark! Die Beiträge des Landesarchivs für LEO-BW

Nach rund 16-monatiger Entwicklungs- sind Urkunden, Fotosammlungen, Kar- traktive Bebilderung der Gemeindeseiten zeit startete am 25. April das landeskund- ten, Pläne sowie Akten und Amtsbücher im Portal. liche Informationssystem LEO-BW. aus allen Archivabteilungen. Jeder Daten- Das bereits erwähnte Modul zur grafi- Neben Projektleitung, Koordination der satz ist dabei mit einem Link zur Quelle, schen Umsetzung von statistischen Daten Kooperationspartner und Steuerung der d.h. zum Online-Findmittelsystem des ist ebenfalls eine Neuentwicklung des Umsetzung durch einen IT-Dienstleister Landesarchivs, versehen. Dort finden sich Landesarchivs. Es ermöglicht, statistische trägt das Landesarchiv auch inhaltlich gegebenenfalls weitere Informationen Rohdaten auf anschauliche Art und in erheblichem Umfang zum neuen Por- und die Möglichkeit, die betreffenden Ar- Weise in Diagrammform abzubilden und tal bei. Von den aktuell ca. 1,2 Millionen chivalieneinheiten zu bestellen. beispielsweise auf Zeitreihen gestützte in LEO-BW enthaltenen Datensätzen Mit dem Ortslexikon und einem Statis- Entwicklungen plastisch vor Augen zu wird etwa ein Drittel allein vom Landes- tikmodul brachte das Landesarchiv aber führen. LEO-BW enthält zu allen 1.101 archiv beigesteuert. Hierbei wurden auch komplett neu entwickelte Ressourcen Städten und Gemeinden aktuelle statisti- bereits bestehende und etablierte digitale für LEO-BW an den Start. Die Notwen- sche Kerndaten zu den Themen Demo- Informationsquellen wie das Württem- digkeit einer vollständigen Ortsdatenbank grafie, Wahlen, Bildung, Erwerbstätigkeit bergische Urkundenbuch Online sowie ergab sich aus dem Anspruch, flächen- und (Land-)Wirtschaft. Für ca. 3.350 Teil- Auswanderer- und Klosterdatenbank für deckend (Basis-)Informationen zu jeder orte bzw. ehemals selbständige Gemein- LEO-BW bereitgestellt. Gemeinde und zu jedem Siedlungsplatz den sind darüber hinaus historische Auch 117 Archivbestände bzw. -find- in Baden-Württemberg zu liefern. Dazu Statistiken – etwa zur Bevölkerungsent- mittel, die zuvor als besonders relevant für gehörten z.B. topografische Informatio- wicklung ab 1852 sowie zu Wahlergebnis- landeskundliche Recherchen identifiziert nen, alle gültigen Gemeindewappen mit sen ab 1919 – verfügbar. Auch für das wurden, sind an allen Landesarchiv- Beschreibungen, textliche Ortsvisiten- Land als Ganzes liegen aktuelle und his- Standorten innerhalb eines ambitionier- karten, historische Angaben inklusive Er- torische statistische Informationen vor. ten Zeitplans für das Portal aufbereitet sterwähnungen und Namensformen Insgesamt finden sich in LEO-BW über worden. Dies betraf vor allem die Ver- sowie ausführliche Daten zur Kirchen- 60.000 Statistikdiagramme und -tabellen. knüpfung der Erschließungsinformatio- geschichte. Zudem waren alle Kommunen Die Datengrundlage wurde dabei einer- nen mit Normdaten, um eine Vernetzung Baden-Württembergs aufgerufen, cha- seits vom Statistischen Landesamt Baden- im Portal überhaupt erst zu ermöglichen. rakteristische Bildmotive ihres Ortes zur Württemberg gestellt. Zum anderen sind Mehrere Hunderttausend Datensätze Verfügung zu stellen und sich damit vor allem historische Statistikdaten vom sind so vorbereitend normiert worden. direkt an LEO-BW zu beteiligen. Der be- Landesarchiv unter Auswertung gedruck- Auch wurden eigens Digitalisierungs- achtliche Rücklauf von 3.000 Aufnahmen ter und handschriftlicher Quellen erho- projekte mit Blick auf die Veröffentlichung wurde anschließend im Ortslexikon ben worden. in LEO-BW vorangetrieben. Zu finden verankert und ermöglicht nun eine at- Daniel Fähle

36 Archivnachrichten 45 / 2012 1 2

1│ Vollständige Detailseite der Stadt Sigmaringen in LEO-BW.

2│ Tabelle und Grafik zur Bevölkerungsentwicklung Sigmaringens von 1852 bis 1970.

3│ Startseite von LEO-BW.

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Landeskundliches Informationssystem Baden-Württemberg

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Karlsruhe Esslingen Klöster

Stuttgart Gottlieb Daimler PHKUGD]X Freiburg Stammbäume Auswanderung Statistiken Landkreise Kartenmaterial :DUHQ6LHVFKRQHLQPDOLQ.DUOVUXKH" 6WDGWNUHLV(LQZRKQHU Architektur Künstler 6LW]GHV%XQGHVJHULFKWVKRIV Landesgeschichte Museumsobjekte Urkunden XQGGHV%XQGHVYHUIDVVXQJVJHULFKWV Gedenkstätten Denkmäler Wappen PHKUGD]X Literatur Biografi en Sehenswürdigkeiten Videos Fotos Porträts Historische Karten .HQQHQ6LHHLJHQWOLFK+DX‰PDQQ)ULHGULFK" 3-D-Objekte Handschriften 5HFKWVDQZDOW/DQGWDJVDEJHRUGQHWHU Baden-Württemberg Hohenzollern JHERUHQDPLQ6WXWWJDUW Gemeinden Teilorte Wüstungen PHKUGD]X

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Archivnachrichten 45 / 2012 37 Epochaler Schritt Grundbuchzentralarchiv Baden-Württemberg eingeweiht

Am 21. März diesen Jahres war der gro- stehenden Archivräumen geschätzte Schriftgut der Grundbuchämter. Damit ße Tag: Bei strahlendem Sonnenschein 182.000 lfd.m Grundbuchunterlagen positioniert es sich – wie auch erhielten Justizminister Rainer Stickel- Aufnahme finden können. der Präsident der Landesarchivs, Prof. berger und der Staatssekretär des Wis- Unter dem Dach und dem Namen Robert Kretzschmar, bei der Einweihung senschaftsministeriums Jürgen Walter Grundbuchzentralarchiv firmieren zwei betonte – deutlich als Dienstleister für den Schlüssel für das im Salamander- jeweils unterschiedlichen Ministerien die Verwaltung. Areal, Kornwestheim, neu eingerichtete zugeordnete Dienststellen. Die Justiz gibt Die Gäste konnten sich bei einem Grundbuchzentralarchiv aus den Hän- durch ihre Zweigstelle der grundbuch- Rundgang von der konkreten Aufgaben- den von Finanzstaatssekretär Ingo Rust. führenden Amtsgerichte rechtliche Aus- verteilung selbst überzeugen: Die Mit- Vor mehr als 150 Gästen würdigten künfte aus den Unterlagen, die das arbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienst- der Minister und die Staatssekretäre der Landesarchiv in der Außenstelle Grund- stellen demonstrierten, unterstützt von am Projekt beteiligten Ministerien den buchzentralarchiv Kornwestheim archi- Schautafeln, den Weg einer Grundbuch- epochalen Schritt für das Land Baden- viert. Die Namenswahl ist der sinnfällige unterlage von der Anlieferung per LKW Württemberg und natürlich auch für das Ausdruck der engen Zusammenarbeit über die Erfassung in einer eigens für die Landesarchiv. Sowohl die Justizverwal- bei der gemeinsam verstandenen Auf- Aufgabe entwickelten Fachanwendung tung als auch das Archivwesen des Landes gabe, die gesamten baden-württembergi- bis zur Einlagerung ins Magazin. Weiter betreten mit dem Grundbuchzentral- schen Grundbuchunterlagen zentral zu wurde gezeigt, wie die Unterlagen an die archiv Neuland; die vielen Besucher bele- lagern, dauerhaft aufzubewahren und die Justiz ausgeliehen und dort bearbeitet gen das hohe Interesse, welches das Pro- Informationen daraus möglichst zügig werden. jekt – inzwischen auch im Ausland – findet. zur Verfügung zu stellen. Gerade mit Der anschließende Imbiss bot die Mög- Der Umbau der ehemaligen Fabrikge- dieser engen, sehr intensiven Zusammen- lichkeit, die mannigfaltigen Eindrücke bäude durch einen Investor wurde vom arbeit bei der Vorbereitung des Projekts, Revue passieren zu lassen, die Gespräche Finanzministerium, Vermögen und Bau, aber auch im jetzt eingetretenen Arbeits- zu vertiefen und den Festtag ausklingen Amt Ludwigsburg, intensiv betreut. Im alltag, erweckt das Projekt überregionales zu lassen. Endausbau Anfang 2018 wird mit knapp Interesse. Weitere Informationen zum Grundbuch- 19.000 qm ein Großteil der ehemaligen Die Grundbuchunterlagen sind zuerst zentralarchiv finden Sie auf der Home- Salamander-Schuhfabrik nach den Be- Registraturgut, also im Sinne des Lan- page des Landesarchivs Baden-Württem- dürfnissen von Archiv und Justiz umge- desarchivgesetzes noch kein Archivgut. berg (http://www.landesarchiv-bw.de/ baut und eingerichtet sein. Nach der Grundbuchordnung sind auch web/53589 & http://www.landesarchiv- Im ersten Bauabschnitt konnten 3.640 diese Unterlagen dauerhaft aufzubewah- bw.de/web/53611) sowie in einem Film qm für Bürofläche, Werkstätten und ren und wurden vom Landesarchiv im Internetportal Youtube (www.you- vier Archivmagazine angemietet werden. vorab bereits als archivwürdig bewertet. tube.com) unter dem Stichwort Grund- Die Magazinräume sind mit elektrischen Das Landesarchiv übernimmt mit dem buchzentralarchiv. Rollregalanlagen ausgestattet, so dass Grundbuchzentralarchiv erstmals die in den siebzig bis 2018 zur Verfügung Funktion eines Zwischenarchivs für das Michael Aumüller

1│ Staatssekretär Ingo Rust übergibt an Justiz- minister Rainer Stickelberger und Staatssekretär Jürgen Walter (v.l.n.r.) den Schlüssel für das Grund- buchzentralarchiv. Aufnahme: Landesarchiv

2│ Entladen von Grundbuchunterlagen im Grund- buchzentralarchiv. Aufnahme: Landesarchiv 12 1

38 Archivnachrichten 45 / 2012 Heimerziehung in Baden-Württemberg zwischen 1949 und 1975 Eine Akte aus dem Innenministerium. Archivrecherchen und historische Aufarbeitung Vorlage: Landesarchiv HStAS EA 2/007 Bü 65

Im Zuge der weiteren Beaufsichtigung Berichte haben gezeigt, wie wichtig die des Heimes hat sich jedoch allmählich Einsichtnahme in die Akten für Betrof- immer deutlicher herausgestellt, dass das fene sein kann, vermittelt sie doch nicht Heim nicht so geführt wird, wie es für nur den Zugang zu bislang unbekannten die gedeihliche seelische und körperliche Aspekten der eigenen Biografie; sie för- Entwicklung von Säuglingen erforderlich dert auch das Verständnis für die eigene wäre. Bei allen Heimbesichtigungen, Lebensgeschichte und gibt Antwort auf die das Jugendamt und Gesundheitsamt drängende Fragen. Zugleich kann durch gemeinsam und auch die Vertreter des Re- die Akten der Nachweis erbracht wer- gierungspräsidiums als des zuständigen den, in einem Kinder- oder Jugendheim Landesjugendamts vorgenommen haben, gewesen zu sein. Es sollte jedoch nicht wiesen Ordnung und Reinlichkeit sowie unerwähnt bleiben, dass die Aktenein- die hygienischen Verhältnisse in dem sicht neue Fragen aufwerfen und mit Heim Mängel auf. Insbesondere fand jede unangenehmen Erkenntnissen verbun- Besichtigung in allen Kinderzimmern den sein kann. eine auffallend schlechte Luft mit stark Der Verwaltungsstruktur entsprechend urinösem Geruch vor. werden die für die Heimerziehung Mit Hinweis auf Zustände wie diese einschlägigen Unterlagen in unterschied- ordnete das Regierungspräsidium lichen Archiven und Beständen auf- Südwürttemberg-Hohenzollern im De- bewahrt. Auch liegen zahlreiche Unter- zember 1957 die Schließung eines Säug- lagen noch in den Heimen oder bei den lings- und Kleinkinderheims in seinem Heimträgern vor Ort. Dies erklärt die Regierungsbezirk an. Beinahe 50 Jahre mehrfach berichteten Schwierigkeiten später lenkten die Berichte ehemaliger ehemaliger Heimkinder bei ihrer Suche Heimbewohner über ihre traumatisie- nach den Akten. renden Erfahrungen, die sie als Kinder Vor diesem Hintergrund hat das Sozi- und Jugendliche in Heimen gemacht hat- alministerium Baden-Württemberg ten, das öffentliche Interesse auf die zusammen mit dem Landesarchiv Baden- individuelle Unterstützung bei der Suche Zustände, die in der Nachkriegszeit teil- Württemberg ab 1. Mai 2012 eine Stelle nach Akten erleichtert werden. Zugleich weise in Heimen existiert hatten. Insti- zu Archivrecherchen und historischer zählt auch die historische Erforschung tutionen wie der Landtag von Baden- Aufarbeitung der Heimerziehung zwischen der Geschichte der staatlichen Heime in Württemberg nahmen sich des Themas 1949 und 1975 in Baden-Württemberg Baden-Württemberg (1949 bis 1975) zu an und sprachen sich für die Unterstüt- eingerichtet. Mit ihr soll die Recherche den Aufgaben des Projekts. zung ehemaliger Heimkinder, d.h. auch Betroffener einerseits durch die Erstel- für die Unterstützung bei der Suche lung einer Übersicht über die einschlägi- nach Akten, aus. gen Unterlagen, andererseits durch die Christine Axer

Ehemalige Heimkinder können sich wenden an: Dr. Christine Axer Landesarchiv Baden-Württemberg – Fachprogramme und Bildungsarbeit – Eugenstraße 7 70182 Stuttgart Telefon: 0711/212–4277 Mail: [email protected]

Archivnachrichten 45 / 2012 39 An Bord der SMS Elisabeth Tagebuchaufzeichnungen zur Gründung deutscher Kolonien

Ehemaliger Palast des Sultans von Sansibar in Daressalam mit den für Kohlendepots vorgesehenen Gebäuden. Landesarchiv StAS Dep. 1 T 8 Nr. 194

Hissen der Reichsflagge in der Bucht von Angra Pequena, heute Namibia, am 7. August 1884. Vorlage: Landesarchiv StAS Dep. 1 T 8 Nr. 194

40 Archivnachrichten 45 / 2012 Die deutsche Kolonialgeschichte der Von dort aus folgten Abstecher der Kor- betraf, so hielt er die Deutsch-Ostafrika- Jahre 1884–1886 lässt sich in einem in vette nach Japan und China. Dann galt nische Gesellschaft für unseriös und unscheinbarem schwarzem Pappdeckel es noch den Sultan von Sansibar, der sich bezweifelte, dass sich deren Erwerbung eingebundenen Heft nachlesen: Am An- gegen das deutsche Engagement in Ost- Usagara im ostafrikanischen Hinterland fang seines bis 1897 geführten Tagebuchs afrika zur Wehr gesetzt hatte, durch ein für eine Besiedlung eigne. schildert Joseph Poock, Unterleutnant Flottenaufgebot zur Räson zu bringen. Wissbegierig knüpfte er Kontakte vor zur See auf der Korvette Elisabeth, die Danach konnte die Elisabeth den Heim- Ort und dabei kam auch das Amüse- Erwerbung deutscher Kolonien in Afrika weg antreten. Im April 1886 wurde sie in ment nicht zu kurz: Theater, Bälle und und im heutigen Papua-Neuguinea. Kiel außer Dienst gestellt. Landpartien waren angesagt. Sofern er Der in Sigmaringen geborene Poock war Autobiographische Aufzeichnungen Heimweh verspürte, seinem Tagebuch 1878 in die kaiserliche Marine eingetre- sind meist lückenhaft. So versteht man hat er es so wenig anvertraut wie andere ten. Zuletzt Fregattenkapitän wurde er die Aufträge der Elisabeth oft nur mit Befindlichkeiten. viele Jahre an Bord verschiedener Kriegs- Hintergrundwissen. Zur Dienstroutine Für die SMS Elisabeth war es die letzte schiffe in England, Skandinavien und an Bord finden sich keine Einträge. Weltreise. Auf Joseph Poock warteten Übersee eingesetzt. Sein Tagebuch gehört Poock interessierte vielmehr alles Unbe- neue Abenteuer, 1897/1898 in Kiautschou, zum Sammlungsbestand des im Staats- kannte. Sehr lebendig schildert er die der deutschen Kolonie in China, und archiv Sigmaringen deponierten Stadt- fremden Städte, Klima, Vegetation, tech- anderswo. Im Jahr 1907 erhielt er seinen archivs Sigmaringen. nische Errungenschaften wie Eisen- und Abschied bewilligt. Bis zu seinem Tod Nachdem Reichskanzler Bismarck Dampfstraßenbahnen, Museen, Missi- im Jahr 1944 lebte der Junggeselle im Anfang 1884 seine antikoloniale Haltung onsstationen und Handelsprodukte, väterlichen Haus in Sigmaringen. aufgegeben hatte, wurden Kriegsschiffe auch auf den florierenden Sklavenhandel nach Afrika gesandt, um Gebietserwer- Sansibars geht er ein. Die exotische bungen deutscher Kaufleute unter den Pflanzenwelt im Botanischen Garten auf Sibylle Brühl Schutz des Reichs zu stellen und weitere Mauritius beeindruckt ihn ganz offen- Schutzverträge abzuschließen. Mit dem sichtlich. Akribisch beschreibt er Be- Hissen der deutschen Flagge in Angra kleidung, Schmuck, Gerätschaften und Pequena (heute Republik Namibia) im Bräuche der jeweiligen Volksstämme. August durch die Besatzungen der Elisa- Dass er sie auf einer Entwicklungsskala beth und der Leipzig war die erste deut- einordnet, zeugt vom typischen Über- sche Kolonie, Deutsch-Südwestafrika, legenheitsgefühl des Europäers. So trifft gegründet. In der Südsee setzte die Elisa- Poock auf Matupi (Papua-Neuguinea ) beth ihre Mission fort. Eine der Inseln ein heiteres harmloses Völkchen, das spielt Benennung der Poock-Insel: „…da der Friedrich- Wilhelms-Hafen vorher unbekannt war, auch keine im Friedrich-Wilhelms-Hafen benannte anstatt zu arbeiten, in den Nächten sitzt weiteren Benennungen hatte, und so benutzten wir Poock mit seinem Namen. Google-Earth alles zusammen… und guckt den Mond die Gelegenheit, um nach der Sitte der Seefahrer findet im Bereich von Madang (heute an. Natürlich fehlen auch Menschenfres- noch unbenannten Theilen des Erdenrundes nach Papua-Neuguinea), so der heutige ser in Nusa (Indonesien) mit ihren Namen der Entdecker zu benennen. So gelang es auch mir eine kleine Insel, im Innern des Hafens, Namen des Hafens, tatsächlich ein Pook schauerlichen Praktiken nicht. Was die nach meinem Namen benannt zu sehen“. Island. Kolonisation der neuen Reichsgebiete Vorlage: Landesarchiv StAS Dep. 1 T 8 Nr. 194

Archivnachrichten 45 / 2012 41 Schätze aus der württembergischen Kunstkammer Ein Erschließungsprojekt zu den Ursprüngen des Landesmuseums

Die württembergische Kunstkammer im Alten Lust- Am 8. Juni 1599 bot ein sächsischer die Stiftung Kulturgut Baden-Württem- haus zu Stuttgart. Stich von Ludwig Som, um 1680. Hofbeamter Herzog Friedrich I. von berg finanziert wird. Am Ende wird Vorlage: Gustav Wais: Alt-Stuttgarts Bauten im Bild. Frankfurt a. M. 1977, Nr. 286. Württemberg ein Objekt aus der Kon- ein sachthematisches, über das Online- Original: Städtisches Museum Ludwigsburg kursmasse eines Leipziger Juweliers zum Angebot des Landesarchivs zugängliches Kauf an. Es handelte sich um eine Berg- Spezialinventar stehen, das längerfristig stufe, eine aus Korallen, Glas-, Gold- mit digitalisierten Archivalien und und Silbererzstücken montierte, von Abbildungen angereichert werden soll. Metallfiguren bevölkerte Miniaturland- Dieses Inventar wird zum einen der schaft auf einem vergoldeten, mit Sammlungsforschung des Landesmuse- Schnitzereien verzierten Holzsockel. ums dienen, gleichzeitig aber auch Stücke wie dieses waren typisch für die der interessierten Öffentlichkeit zur Ver- Kunst- und Wunderkammern der Spät- fügung stehen und in das Landeskunde- renaissance, in denen Fürsten und rei- Portal LEO-BW eingebunden sein. che Privatiers kostbare oder zumindest Das berücksichtigte Schriftgut aus dem kuriose Kunst- und Naturobjekte sam- 16. bis 19. Jahrhundert umfasst neben melten, um die Welt im Kleinen ab- den Akten des Kunstkammer-Bestands zubilden, zu ordnen und begreifbar zu A 20a auch Inventare, Rechnungen und machen. Auch Herzog Friedrich I. hatte Korrespondenzen aus vielen anderen um 1596 eine solche Kunstkammer Beständen der Hof- und Landesverwal- begründet, die von seinen Nachfolgern tung sowie Testamente, Aussteuer- und durch sämtliche Krisen und Katastro- Nachlasslisten des württembergischen phen der frühen Neuzeit bis zum Ende Hausarchivs. Die verzeichneten Objekte des 18. Jahrhunderts fortgeführt wurde. verdeutlichen eindrucksvoll die viel- Die württembergische Kunstkammer fältigen Sammelinteressen der Herzöge: hat im Landesmuseum Württemberg von wertvollem Kunsthandwerk über wie auch im Hauptstaatsarchiv Stuttgart Exotika, naturwissenschaftliche Präpa- deutliche Spuren hinterlassen: Im Mu- rate und Mineralien bis hin zu Kuriosa, seum befindet sich heute der Löwen- wie dem mumifizierten Laubfrosch, anteil jener Objekte, welche die Zeiten der laut Inventar von einer Hexe zum überdauert haben; im Archiv hat sich Erzeugen von Donner benutzt wurde. die Sammeltätigkeit der Herzöge in Die Archivalien belegen die Bedeutung Form einer reichen schriftlichen Über- der Kunstkammer als institutionellem lieferung niedergeschlagen. Die Erfassung Vorläufer der staatlichen Sammlungen und Erschließung dieser Archivalien in Stuttgart. ist seit September 2010 Gegenstand eines Projekts, das von beiden Institutio- nen gemeinsam getragen und durch Niklas Konzen

42 Archivnachrichten 45 / 2012 Zeichnung der „Bergstufe“, die 1599 der Kunst- kammer angeboten wurde. Laut beiliegender Beschreibung war das Objekt 3½ Ellen hoch (ca. 1,90 m bis 2,25 m), der Aufsatz ließ sich zur besseren Betrachtung um seine vertikale Achse drehen. Vorlage: Landesarchiv HStAS A 20 Bü 38

Archivnachrichten 45 / 2012 43 Architektenträume unter dem Skalpell Risse und Planzeichnungen als restauratorische Herausforderung

Zeichnung in der Klimakammer. Transparentpläne mit Verklebungen. Alle Aufnahmen: Landesarchiv IfE

Bei der kreativen Umsetzung ihrer Ge- eine harte, hornähnliche Oberfläche. und Bleistiftzeichnungen direkt auf- danken haben Menschen schon immer Anfänglich war die Rohfaser nur Baum- tragen. Heute bereiten uns diese Kartons ihre Ideen und Visionen skizziert, ent- wolle, die ab etwa 1900 weitgehend durch mit ihrem hohen Säuregehalt konser- worfen, verändert oder auch verworfen. Zellstoff abgelöst wurde. Ein drittes, vatorisch große Probleme. Ihr Erhaltungs- Im Zeitalter der computergestützten Zei- rein mechanisches Verfahren wurde als zustand ist weitgehend durch Brüchig- chentechnik begeistern uns noch heute billigere Alternative entwickelt. Der Mahl- keit, Verwerfungen, Risse und unsach- Detailreichtum und Phantasie der Archi- grad der Cellulose bei der Papierherstel- gemäße Verklebungen gekennzeichnet. tekten vergangener Zeiten – sie alle haben lung wurde so verändert, dass die Fasern Als grundlegende Maßnahme erfolgt uns einen unermesslichen Schatz ihrer sehr stark gequetscht, also schmierig ge- zuerst eine Trockenreinigung. Alle Pläne Kreativität hinterlassen. Diesen zu erhal- mahlen wurden, was die Oberfläche der und Karten werden großflächig mit ten und zu bewahren ist unsere Aufgabe. Fasern vergrößert. Dadurch wird das einem Latex-Schwamm und anschlie- Im Institut für Erhaltung von Archiv- Licht an der homogenen Masse weniger ßend mit speziellen weichmacherfreien und Bibliotheksgut treffen Pläne und gebrochen, so dass das Papier transparen- Radiergummis auf der Vorder- und Rück- Zeichnungen aus unterschiedlichsten ter erscheint. Auch bei den modernen seite gereinigt. Diese Tätigkeit ist gerade Beständen ein, die durch ihre Material- Naturpauspapieren wird mit Hilfe von bei brüchigem Papier sehr diffizil, aber vielfalt, Schädigung und Größe eine hohem Druck und bei hohen Temperatu- notwendig, da sich nach einer wässrigen besondere Herausforderung darstellen. ren Luft aus den Zwischenräumen der Behandlung eventuell anhaftende Staub- Für Architekturskizzen werden sehr häu- Fasern herausgepresst und dadurch ein partikel nicht mehr abtragen lassen. fig Transparentpapiere verwendet. Unter festes, mattes Transparentpapier erzeugt, Das Abnehmen diverser Verklebungen, diesem Begriff verstehen wir verschie- welches in unterschiedlichen Qualitäten das Sichern verschiedener Stempel und dene Papierqualitäten, deren Identifizie- unter anderem auch als Pergaminpapier Farben und das Entspannen der gerollten rung im Einzelnen nicht ganz einfach ist. bekannt ist. Heute werden diese ver- Materialien in einer Klimakammer sind Wir unterscheiden grundsätzlich drei schiedenen Verfahren auch miteinander Voraussetzungen, um festigende Maß- verschiedene Verfahren der Herstellung kombiniert. Aufgrund ihrer sauren nahmen durchführen zu können. Hierfür von Transparentpapieren: Schon im 15. Herstellung sind diese Papiere besonders sind Skalpell, Pinsel und Weizenstärke Jahrhundert wurden Papiere mit trock- stark säurebelastet und damit in ihrer oder Hausenblase zum Kleben unerlässli- nenden Ölen wie Leinöl oder Mohnöl Substanz gefährdet, so dass herkömmli- che Hilfsmittel. Japanpapiere in verschie- getränkt, heute werden auch Mineralöle che Entsäuerungsmaßnahmen wirkungs- denen Stärken und Farbtönen dienen und synthetische Harze verwendet. In los bleiben. zur Stabilisierung brüchiger Bereiche, Anlehnung an das englische Wort für Per- Ebenso häufig wie Transparentpläne müssen aber auch zugleich der Haptik gament werden sie auch als vellum paper wurden von Architekten dicke, volumi- der Materialoberfläche entsprechen. bezeichnet. Ihr Glanz ist schwach, und nöse Zeichenkartons verwendet. Für ihre Für eine objektgerechte Lagerung wer- die Fasern bestehen weitgehend aus Lei- Herstellung wurden seit dem 19. Jahr- den schließlich große, handelsübliche nen und Baumwolle. Seit Mitte des 19. hundert mehrere Lagen holzhaltigen Pa- Mappen oder speziell angefertigte Ver- Jahrhunderts wurden Papiere mit Schwe- piers im nassen Zustand aufeinander packungen aus alterungsbeständigen felsäure behandelt (sog. vegetabiles Per- gepresst. Aufgrund des minderwertigen Materialien verwendet, damit den archi- gament). Die Cellulose wurde mit Säure Rohstoffs waren diese Papiere und vierten Architektenträumen noch ein angequollen, wodurch eine gewisse Kartons in Menge herzustellen und so langes Leben beschieden ist. Transparenz entstand. Nach der Neutra- für Künstler und Architekten günstig zu lisation wurde das Papier kalandriert, d.h. erwerben. Auf diesen stabilen, meist stark geglättet. Das Trocknen erzeugte übergroßen Formaten ließen sich Tusche- Cornelia Bandow

44 Archivnachrichten 45 / 2012 Plakate und Karikaturen zur Südweststaatsbildung Ausstellung des Staatsarchivs Sigmaringen zum Landesjubiläum im Regierungspräsidium Tübingen

Kein anderer politischer Konflikt des tiert durch die Protagonisten Leo Woh- ersten Nachkriegsjahrzehnts hat in Süd- leb im Lager der Südweststaatsgegner westdeutschland für mehr Zündstoff und Gebhard Müller sowie Reinhold gesorgt als der Kampf um den Südwest- Maier auf Seiten der Südweststaats- staat. Die Heftigkeit, mit der um das befürworter, war den Karikaturisten eine staatliche Schicksal von Badenern, ebenso willkommene wie dankbare Ge- Württembergern und Hohenzollern ge- legenheit, ihr Können mit spitzer Feder stritten wurde, war in der weithin po- unter Beweis zu stellen. In den Akten litikverdrossenen Öffentlichkeit der der in Tübingen ansässigen Staatskanzlei Trümmer- und Wiederaufbaujahre eine des ehemaligen Landes Württemberg- ganz neue Erfahrung. Eine bis dahin un- Hohenzollern hat sich eine Vielzahl von geahnte Flut an Plakaten, Flugblättern, einschlägigen Dokumenten erhalten, Broschüren und Postwurfsendungen die heute im Landesarchiv Baden-Würt- ergoss sich über die Bevölkerung, der in temberg verwahrt werden. Wort und Bild die Vorzüge bzw. Nach- Das Staatsarchiv Sigmaringen gibt an- teile eines gemeinsamen Bundeslandes lässlich des Landesjubiläums Baden- Plakat zur Volksbefragung über den Südweststaat am 24. September 1950. vor Augen geführt wurden. Die sehr Württemberg mit einer Ausstellung Ein- Vorlage: Landesarchiv StAS Wü 2 T 1 Nr. 1977/05 emotional geführte Debatte, repräsen- blicke in diese grafischen Erzeugnisse der politischen Propaganda, welche auf unmittelbare und anschauliche Weise die bisweilen recht deftigen Auseinan- dersetzungen illustrieren, die in den Kampagnen zur Volksbefragung vom 24. September 1950 und zur Volksab- stimmung am 9. Dezember 1951 der Ge- burt des Landes Baden-Württemberg vorausgingen. Gezeigt werden die aus- schließlich aus den Beständen des Staats- archivs Sigmaringen stammenden Exponate ab dem 18. Oktober in den Räumlichkeiten des Regierungspräsidi- ums Tübingen. Sie sind damit in jener Stadt zu sehen, in der vor 60 Jahren mit Staatspräsident Gebhard Müller und Staatsrat Theodor Eschenburg zwei ent- scheidende Wegbereiter unseres Bundes- landes wirkten.

Franz-Josef Ziwes

Ausstellung „Plakate und Karikaturen auf dem Weg in den Südweststaat“

Geöffnet vom 18. Oktober bis 16. November 2012 werktäglich von 9.00 – 16.00 Uhr

Foyer 1. Stock des Regierungspräsidiums Tübingen Konrad-Adenauer-Straße 20 72072 Tübingen

Archivnachrichten 45 / 2012 45 Armee im Untergang. Württemberg und der Feldzug Napoleons gegen Russland 1812 Ausstellung im Hauptstaatsarchiv Stuttgart aus Anlass der 200. Wiederkehr des französisch-russischen Krieges

Bruder, jetzt geht’s Rußland zu. Unsere deutet, erwartete die Angehörigen der „Überfall bei Ponary“, 10. Dezember 1812, Aquarell Erwartung war sehr gespannt; wenn wir Grande Armée im Zarenreich. Sie fanden von Christian von Martens. auch keine goldenen Berge in Rußland Hunger, Krankheiten, Schneestürme Vorlage: Landesarchiv HStAS J 56 Bü 5 erwarteten, so glaubten wir doch die sowie – in den meisten Fällen – den Tod. schönsten und besten Pferde […] in Insgesamt verlor die französische Armee Menge, und die Lebensmittel im Ueber- in Russland etwa zwei Drittel ihres Per- fluß zu finden. sonals, es starben schätzungsweise Mit diesen – etwas ungelenken – 400.000 Soldaten. Über das Schicksal Worten beschreibt der frühere württem- der Toten schreibt Christian von Mar- bergische Kavallerieoffizier Heinrich tens: Viele blieben in den Waldungen August Vossler um 1828/29 die Hoff- liegen und dienten den Wölfen und Raben nungen, die er vor Beginn des französi- zur Nahrung. Von den württembergi- schen Kriegs gegen Russland im Jahr schen Feldzugsteilnehmern kehrten nur Ausstellung 1812 gehegt hatte. Vossler nahm an dem etwa tausend in die Heimat zurück. Armee im Untergang. Württemberg und militärischen Konflikt als Angehöriger In der vom Hauptstaatsarchiv Stutt- der Feldzug Napoleons gegen Russland des vom Königreich Württemberg ge- gart erarbeiteten Ausstellung werden 1812. stellten, knapp 16.000 Mann starken neben den politischen Hintergründen Kontingents der Grande Armée teil. Die und dem Verlauf des napoleonischen Öffnungszeiten kriegsbejahende Haltung des jungen Feldzugs vor allem die Kriegserfahrungen 18. September 2012 – 25. Januar 2012 Kavalleristen stand unter den Feldzugs- der württembergischen Soldaten be- Montag 10.00–17.00 Uhr teilnehmern aus Schwaben keineswegs leuchtet. Die Präsentation zeichnet fer- Dienstag und Mittwoch 8.30–17.00 Uhr isoliert. Auch die Memoiren anderer ner nach, wie der militärische Konflikt Donnerstag 8.30–19.00 Uhr Offiziere, etwa diejenigen des späteren in Schwaben wahrgenommen wurde. Freitag 8.30–16.00 Uhr Oberstleutnants Christian von Martens, Schließlich gilt ein besonderes Interesse Für Gruppen nach Vereinbarung lassen den Krieg zunächst als faszinie- den Kriegsfolgen sowie der Kriegserin- rendes Abenteuer erscheinen, das es nerung. Von den künstlerischen Werken Informationen und Anmeldung keineswegs zu verpassen galt. über den Feldzug von 1812, die von zu Führungen Bekanntlich sollten sich alle positiven ehemaligen Kriegsteilnehmern stammen, Landesarchiv Baden-Württemberg Annahmen, welche einige württember- erlangten die Aquarelle und Zeichnun- - Hauptstaatsarchiv Stuttgart - gische Soldaten vor dem französisch- gen des württembergischen Artillerie- Konrad-Adenauer-Straße 4 russischen Krieg hatten, ins Gegenteil offiziers Christian Wilhelm von Faber 70173 Stuttgart verkehren. Der Feldzug Napoleons im du Faur weltweite Bekanntheit. Telefon 0711/212-4335 Jahr 1812 wurde zu einer der größten Telefax 0711/212-4360 militärischen Katastrophen der Neuzeit. E-Mail: [email protected] Nicht Überfluss, wie bei Vossler ange- Wolfgang Mährle Internet: www.landesarchiv-bw.de/hstas

46 Archivnachrichten 45 / 2012 Fürstin Amalie Zephyrine von Hohenzollern-Sig- maringen. Gemälde von Auguste François Laby, 1828. Vorlage: Fürstlich Hohenzollernsche Sammlungen Sigmaringen Aufnahme: Katalog „Adel im Wandel“, 2006 (Ulrich Studios, Riedlingen)

Das „Schlößle“ der Fürstin Amalie Zephyrine von Hohenzollern-Sigmaringen. Ansicht der Vorderseite. Vorlage: Landesarchiv StAS FAS DS 92 T 9 NVA 16674

Palais für drei Die Anfänge des Sigmaringer Prinzenbaus

Das Staatsarchiv Sigmaringen ist im ehe- von Napoleons Marschall und Schwager lies getreten, um sich als Gouverneur um maligen Sigmaringer Prinzenbau unter- Murat zu verheiraten. Zusammen mit deren Mündel Friedrich von Salm- gebracht, der als Palais für Angehörige ihrem Sohn und ihrer 15-jährigen Schwie- Kyrburg zu kümmern. Von da an blieb des Fürstenhauses Hohenzollern errich- gertochter kehrte sie 1808 nach Hohen- er Amalies „Begleiter“, was immer man tet wurde. Seine heutige äußere Gestalt zollern zurück, lebte aber weiterhin von darunter verstehen mag, wie es Karl Wer- verdankt das Gebäude im Wesentlichen ihrem Mann getrennt und wohnte in ner Steim, der Biograph Helenes von einer Erweiterung in den 1840er Jahren Orten in der Nähe von Sigmaringen. Schatzberg, sybillinisch formuliert. durch den damaligen Erbprinzen Karl Am 30. November 1822 schloss Amalie Voumard, den 1818 Fürst Anton Aloys Anton und Umbauten durch dessen mit ihrem Mann einen Vertrag über den in den Adelsstand erhoben hatte, scheint Sohn Leopold in der zweiten Hälfte des Bau eines standesgemäßen Wohnpalais von seinem Wohnrecht indes nicht lange 19. Jahrhunderts. Die Anfänge gehen für sie in Sigmaringen. Danach wurden Gebrauch gemacht zu haben, sondern jedoch auf ein Palais zurück, das die die Baukosten je zu einem Drittel auf- hielt sich wohl überwiegend in seinem Fürstin Amalie Zephyrine in den Jahren geteilt zwischen dem Fürsten, der Fürstin 1819 erworbenen Schloss Worblingen im 1822–1824 bauen ließ. und einem Fräulein Helene von Schatz- Hegau auf. Seit 1831 wurde das Palais, Amalie Zephyrine ist eine der bedeu- berg. Helene war ein 1799 geborenes das auch Schlößle genannt wurde, nur tendsten und zugleich eine der schil- Findelkind, das Amalie aus Paris mitge- noch von Amalie bis zu ihrem Tod 1841 lerndsten Sigmaringer Fürstinnen. 1762 bracht und das ihr Mann 1820 in den bewohnt. als Tochter des Reichsfürsten Philipp Adelsstand erhoben hatte. Nach dem Vom alten Palais der Amalie ist durch Joseph von Salm-Kyrburg geboren, wuchs Vertrag besaß Amalie die lebenslängli- Umbauten in den letzten 150 Jahren sie in Paris auf und heiratete 1782 den che Verfügungsgewalt über das Haus, so gut wie nichts mehr vorhanden. Nur damaligen Erbprinzen Anton Aloys von Helene von Schatzberg erhielt ein in der Außenfassade lässt sich das Hohenzollern-Sigmaringen. Die Ehe war unentgeltliches Nutznießungsrecht auf Schlößle noch erahnen. Doch just an der nicht glücklich. Zweieinhalb Monate Lebenszeit, war aber verpflichtet, der Stelle, an der sich ihre Wohnräume nach der Geburt eines Sohnes flüchtete Fürstin, aber auch einer Hofdame und befanden, werden jetzt ihre Briefe und Amalie 1785 aus Sigmaringen zu ihrem einem Oberst Karl von Voumard Wohn- Memoiren im Archivmagazin des Staats- Bruder, der in Paris auf großem Fuß recht zu gewähren, wenn diese es archivs der Nachwelt überliefert. lebte. Amalie machte dort Bekanntschaft verlangten. Die Hofdame scheint davon mit Josephine Beauharnais, die 1796 keinen Gebrauch gemacht zu haben. Gattin Napoleons wurde, und mit dem So zogen nach der Fertigstellung, 1824, Volker Trugenberger nachmaligen französischen Außen- Helene mit ihrem Ehemann Friedrich minister Talleyrand. Aufgrund dieser Freiherr von Laßberg, den sie eben Beziehungen gelang es ihr 1806, die ho- in diesem Jahr heiratete, Amalie und henzollerischen Fürstentümer vor der Voumard in das zweigeschossige Mediatisierung zu bewahren und ihren Gebäude mit Mezzaningeschoss ein. Sohn zwei Jahre später mit einer Nichte Voumard war 1797 in die Dienste Ama-

Archivnachrichten 45 / 2012 47 Quellen für den Unterricht 44 Markus Fiederer

Baden-Württemberg und seine „Wutbürger“ Zur Aktualität der politischen Debatte um die Gründung des Südweststaats vor 60 Jahren

Die Auseinandersetzung um die Grün- innere Gestaltung wird es von ausschlag- Daraus ergibt sich die Frage nach dung des Südweststaats war Ende 1951 gebender Wichtigkeit sein, dass man die effektiven Formen politischer Partizi- endgültig auf der Zielgeraden angekom- Bürger so an die Mitwirkung im öffent- pation und, wiederum, ihrer identitäts- men. Ein beispielloser Wahlkampf, ge- lichen Leben heranlässt, dass alle anderen stiftenden Funktion für ein Gemein- würzt mit politischen Intrigen und Länder darin wieder ein Musterbeispiel wesen: Wie gestaltet man erfolgreich Ränkespielen, persönlichen Anfeindun- sehen. (…) Tatsächlich kann der Bürger politische Entscheidungsprozesse, wie gen und Diffamierungen mündete in nur über die Gemeinde zum Staat kom- beteiligt und repräsentiert man Bürger die Volksabstimmung des 9. Dezember. men. Nur in der Gemeinde kann er am sinnvoll an diesen Prozessen? Hier Ein Jahr zuvor war per Bundesgesetz der praktischen Beispiel unmittelbar erfahren, lohnt sich auch ein Vergleich des Stils umstrittene Abstimmungsmodus festge- was politische Verantwortung und was der politischen Auseinandersetzung legt worden, jetzt sollte die Mehrheit in politisches Entscheidungsrecht bedeutet. mit heute praktizierter politischer Kul- drei der vier Abstimmungsbezirke den Nur dann wird das in diesem Staat vor- tur. Weg zur Gründung des neuen Staates läufig fehlende Staatsgefühl allmählich endgültig freimachen. Wenige Tage vor durch das Gefühl des Bürgers ersetzt Obige Überlegungen sind Grundlage der entscheidenden Abstimmung hatten werden: das ist meine Verwaltung, die mir eines Unterrichtsmoduls, das im Rah- die Südweststaatsbefürworter in Karls- gehört, nicht ein von oben her geschaffe- men der archivpädagogischen Arbeit am ruhe zu ihrer Abschlusskundgebung ein- ner künstlicher Apparat. Staatsarchiv Sigmaringen für den Lan- geladen. Wer bei dieser Veranstaltung Alfred Gerigks Kommentar eröffnet desbildungsserver erstellt wurde (siehe auch nur den geringsten kritischen Zwi- eine didaktische Perspektive, die die unten). schenruf wagte, wurde von den stäm- Entstehung Baden-Württembergs weit Das Staatsarchiv Sigmaringen verwahrt migen Burschen des Saalschutzes aus dem über das Faktum des Gründungsakts die Überlieferung des Staatssekretariats Saal hinausgeworfen, verprügelt und in hinaus für den Geschichtsunterricht in- des Landes Württemberg-Hohenzollern, einzelnen Fällen sogar jämmerlich zu- teressant und fruchtbar macht: darunter eine Fülle von anschaulichem gerichtet. Mit Bestürzung berichtete der Wahlkampfmaterial in Form von Plakaten, badische Südkurier am 11. Dezember • Stil und Inhalte der politischen Aus- Flugschriften, Postwurfsendungen und 1951 von diesem Vorfall. Die Attacken einandersetzung sowie der politische Postkarten (Landesarchiv StAS Wü 2 T hätten auch bei der Schweizer Presse Re- Entscheidungsprozess mussten, trotz 1). Von besonderem didaktischem Wert sonanz gefunden – welche Peinlichkeit! des hohen Grades an Politisierung, ist eine Zeitschriften-, Zeitungs- und Grund genug für den Kommentator eher desintegrierend auf das neue Ausschnittssammlung der „Staatlichen des Südkuriers, Alfred Gerigk, das neu- Bundesland wirken. Die schwierige Ge- Nachrichtenstelle des Staatssekretariats“ geborene Bundesland zum Testfall für burt Baden-Württembergs steht in (Landesarchiv StAS Wü 5 T 1, 1946 bis die deutsche Demokratie zu erklären: starkem Kontrast zur Erfolgsgeschichte 1952). Diese Nachrichtenstelle war Haben die Deutschen den Willen und des Südweststaats. Daraus folgt die Presse- und Informationsorgan des die Fähigkeit, sich in demokratischen For- Frage nach identitätsstiftenden Fakto- Staatssekretariats und hatte die Ministe- men selbst zu regieren, was die Achtung ren für ein, wie Gerigk es nennt, künst- rien mit Informationen zu versorgen – vor den Rechten einer Minderheit in sich lich geschaffenes Land ohne tragende z.B. über die von den beiden politischen schließt? Es handelt sich ja um das erste historische Wurzeln. Die Argumen- Lagern publizierten Kampfzeitschriften neue deutsche Land, das nicht durch den tationen in der politischen Debatte für (Badnerland und Vom See zum Main), Willen einer Besatzungsmacht geschaffen und gegen die Staatenfusion bieten die mit zugespitzten Artikeln und Karika- wird, sondern durch den Willen der hierfür bereits reizvolle Ansatzpunkte. turen die Wortführerschaft zu erringen Mehrheit der abstimmenden Bürger. (…) • Sieht man wie Alfred Gerigk die Grün- versuchten. Das Unterrichtsmodul bietet Das südwestlichste deutsche Land, Baden, dung des Südweststaats als Testfall für ein didaktisches Konzept, wie Schüler nannte man einst das deutsche Muster- die deutsche Demokratie, so lohnt es mit einer Auswahl dieser Materialien so- ländle. Das neue südwestlichste deutsche sich, die Staatenfusion mit anderen wohl im Staatsarchiv Sigmaringen als Land sollte den Ehrgeiz haben, das deut- schwierigen Prozessen politischer Ent- auch in Form von Reproduktionen im sche Musterland zu werden. (...) Für seine scheidungsfindung zu vergleichen. Klassenzimmer arbeiten können.

48 Archivnachrichten 45 / 2012 1 | Instrumentalisierung des Begriffs „Heimat“, Emotionalisierung der Auseinandersetzung: Ano- nyme Postkarte. Vorlage: Landesarchiv StAS Wü 2 T 1, Nr. 237

Das Postkartenmotiv macht die Südweststaatsfrage anhand des Begriffs der „Treue“ zu einer Frage der Moral. Die historisierende Schriftart suggeriert Traditionsbewusstsein. Der anonyme Verfasser schreibt seine Postkarte, als die Regierung Wohleb die Volksabstimmung des Jahres 1951 noch durch eine Verfassungsklage abzuwenden versuchte. Er rückt Gebhard Müller und Reinhold Maier in die Nähe des Nationalsozialismus.

Als er da in einem badischen Dorfe unweit der württembergischen Grenze die Hei- matliebe der Bauern anpacken wollte und von den saftigen Wiesen, den schönen Fel- dern, den dunklen Tannen und den ewi- gen Bergen sprach, musste er sich nämlich vom Bürgermeister leise belehren lassen, dass die Berge hier württembergisch seien. 1 Es dürfte eben den Altbadenern schwer fallen, einen Unterschied der Landschaft und der Menschen zu konstruieren. Das einzige, an das sie sich halten können, ist höchstens ein Staatsbewusstsein, allerdings ein sehr junges, das sich erst in den letzten 150 Jahren zusammen mit einem dynas- tischen Bewusstsein gebildet hat. Mit diesem Staatsbewusstsein ist ein Heimatgefühl verbunden, das aber gar nicht bedroht ist. Verschiedenartige Elemente wurden vor 150 Jahren nach dem Willen Napoleons zusammengebracht. (...) In beiden Ländern sind verschiedene Teile gut zusammen- gewachsen, und in einem Südweststaat (...) wird es kaum anders sein. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Begriff der Heimat brachten auch die Verhandlungen der politischen Lager mit den Organisationen der Heimat- vertriebenen. Viele Heimatvertriebene konnten der südbadischen Propaganda Stil und Strategie der nutzt und instrumentalisiert. Besonders vom Verlust der alten Heimat angesichts politischen Auseinander- bemerkenswert: die wichtige Rolle, die in ihres eigenen Schicksals wenig Verständ- setzung der Auseinandersetzung noch immer nis entgegenbringen – ebenso wenig den alten Fürstenstaaten direkt oder in- wie der von Südweststaatsgegnern er- direkt – zukam. So erstaunt z.B. die hobenen Forderung, die Landfremden Betrachtet man die politische Debatte Wirkkraft der vom (süd-)badischen von der Volksabstimmung auszuschließen, um die Staatenfusion genauer, so fallen Staatspräsidenten Leo Wohleb (1947 bis sie zumindest aber zum freiwilligen mehrere charakteristische Merkmale auf, 1952) propagierten Treue zur badischen Stimmverzicht zu bewegen. die einen Vergleich mit aktuellen poli- Heimat in Südbaden – einem Gebiet, das Ein weiteres wichtiges Merkmal der tischen Auseinandersetzungen erlauben: erst durch die napoleonische Mediatisie- Debatte um den Südweststaat war die Der Begriff der Heimat war in beiden rung badisch geworden war (Material 1). stereotype Verwendung der Bezeichnun- politischen Lagern von zentraler Bedeu- Ein eindrückliches Beispiel der Instru- gen Badener und Schwaben. Sie diente tung. Als Oberbegriff des Beziehungs- mentalisierung des Begriffs Heimat fin- nicht selten dazu, Sachverhalte zu verall- geflechts von individueller Verwurzelung, det sich in der Schwäbischen Zeitung gemeinern, zu vereinfachen und auf kollektiver Traditionsbildung und poli- vom 7.12.1951. Dort wird von einer einen Grundkonflikt zu reduzieren. So tisch-staatlicher Zugehörigkeit wurde er Wahlkampfveranstaltung Leo Wohlebs zum Beispiel auf der Grafik einer Post- oft unreflektiert bzw. bewusst vereinfa- berichtet und das Geschehene kom- wurfsendung, die Leo Wohleb in lässiger chend für die eigene Argumentation be- mentiert: und weltmännischer Manier den Angriff

Archivnachrichten 45 / 2012 49 chend, als kleines Häschen. Die würt- tembergischen Politiker werden so selbst zu Angsthasen, Leo Wohlebs politische Bedeutung wird bis in Lächerliche zu- rückgestutzt. In einem Manuskript, das im Staats- archiv Sigmaringen verwahrt wird (Material 4), kommentiert der Staats- präsident von Württemberg-Hohen- zollern (1948 bis 1952) und spätere Ministerpräsident von Baden-Württem- berg (1953 bis 1958), Dr. Gebhard Müller, beide Zeichnungen und demas- kiert die Stereotypisierung der Schwa- ben in der badischen Version. Gebhard Müller nimmt das Märchen der Ge- brüder Grimm beim Wort und ordnet die sieben Schwaben gemäß ihrer Her- kunft den verschiedenen Landesteilen zu. Zwei der sieben Schwaben seien, so seine Schlussfolgerung, nachweislich Badener gewesen! Im Übrigen: im 16. Jahrhundert, in der Entstehungszeit der Legende von den Sieben Schwaben, habe Kaiser Maximilian I. das Reich in Kreise eingeteilt. Der Schwäbische Kreis habe damals ganz Württemberg und Baden umfasst und damit den Südwest- staat geradezu antizipiert. Gebhard Müllers wohl nicht ganz ernst gemein- ter Beitrag endet mit einem bitteren Kommentar zu seiner persönlichen Diffamierung in der Südweststaats- debatte. 2 Damit ist ein drittes Merkmal bereits angesprochen: Die gezielte Diffamie- rung des politischen Gegners, die ihrer- seits wiederum dazu diente, Ängste zu schüren, die Auseinandersetzung zu emotionalisieren und in Sachfragen zu polarisieren (siehe Material 5 und 6). Polarisierungseffekte zeigte auch die auf beiden Seiten betriebene und zuge- spitzte Stilisierung der inhaltlichen Streitpunkte, z.B. als Frage der Bewah- rung von Identität oder der Sicherung der Zukunft. Bemerkenswerterweise wurden dabei die von der Gegenseite verwendeten Stilisierungen bewusst 3 aufgegriffen, in veränderter Form in die eigene Argumentation integriert und der mit einem Füllfederhalter bewaffne- damit als Waffe des politischen Gegners ten Sieben Schwaben abwehren lässt entschärft (Material 7 und 8). Als Bei- 2 | Stereotype „Badener“ und „Schwaben“: (Material 2). Die württembergische Ant- spiel für eine besonders dreiste Zu- Postwurfsendung. Vorlage: Landesarchiv StAS Wü 2 T 1, Nr. 252 wort ließ nicht lange auf sich warten: spitzung der Kampagne gegen die Süd- Qu. 82 Eine Karikatur von Fritz Meinhard weststaatler sei der ebenso einprägsame (Stuttgarter Zeitung vom 9. 9. 1950, Ma- wie absurde Kampfbegriff Stuttgarter terial 3) zeigt Leo Wohleb nicht als Wirtschaftsimperialismus genannt, der 3 | Sterotype „Badener“ und „Schwaben“: Karikatur „Die Jagd geht auf!“ von Fritz Meinhard. mächtigen Politiker, sondern, dem Mär- sich im Badnerland, der Kampfzeit- (Stuttgarter Zeitung, 9.9.1950) chen der Gebrüder Grimm entspre- schrift der Südweststaatsgegner, fand.

50 Archivnachrichten 45 / 2012 4 | Stereotpye „Badener“ und „Schwaben“: Schwabenstreiche Auszug aus einem Manuskript von Dr. Gebhard Müller. von Staatspräsident Dr. Gebhard Müller Vorlage: Landesarchiv StAS Wü 2 T 1, Nr. 260 Qu. 327 Ein vortrefflicher Zeichner, der uns schon viel Vergnügen bereitet hat, hat vor wenigen Tagen in dieser Zeitung eine Karrikatur (sic) der sieben Schwaben gebracht. Herr Wohleb tritt in Gestalt jenes Männchen machenden Hasen auf, den die sieben Schwa- ben anstelle des gefürchteten Ungeheuers, dem ihr Feldzug gilt, plötzlich vor sich sehen. Die Arbeitsgemeinschaft der Altbadener hat gleichzeitig eine Postkarte heraus- gegeben, auf der der Staatspräsident Wohleb den ganzen Umfang der badischen Land- karte mit seiner Figur ausfüllt, mit energischer Handbewegung, fast eine cäsarische Figur im modernen, eleganten Zivil, die sieben Schwaben, die statt eines Speeres einen Federhalter tragen, zum Rückzug zwingt. Ist es nicht eine Verkennung der Person und der Politik des Herrn Wohleb, wenn man ihm die Figur dieses harmlosen Hasen gibt? Zieht nicht tagtäglich Wohleb mit scharfer Feder und noch spitzerer Zunge gegen die Schwaben, womit er nur die Württemberger meint, zu Felde? Haben nicht die Württemberger sehr viel mehr Ähnlichkeit mit jenem vermeintlichen Seeungeheuer, das sich als ein Hase entpuppt? Könnte man sich nicht viel eher unter diesen sieben Gestalten den streitbaren Herrn Wohleb (...) vorstellen? Was nun die altbadische Postkarte angeht, so scheint man es in Freiburg vergessen zu haben, dass von den sieben Schwaben nur drei Württemberger sind. Zwei stammen zweifellos aus dem Badischen (...). Die beiden anderen sind aus dem bayerischen Schwaben (...). Diese Legende taucht im 16. Jahrhundert auf. Damals hatte Kaiser Ma- ximilian I. das Reich in Kreise eingeteilt. Der schwäbische Kreis umfasste fast ganz Württemberg und Baden. Diese schöne Geschichte, die uns so oft belustigt und niemals verärgert hat, antizipiert gleichsam vor 6 Jahrhunderten den Südweststaat (...). Dies alles sollte man eigentlich wissen, wenn man diese Legende zur politischen Agita- tion missbraucht. Sie ist ein belustigendes Symptom dafür, wie leicht die altbadischen Argumente widerlegt werden können. Wir Württemberger lassen uns nur allzusehr von der badischen Agitation beeindrucken. (...) Ich würde am liebsten ein Preisausschreiben in allen badischen Zeitungen veranstalten und denjenigen prämieren, der mir aus Reden württembergischer Politiker Verun- glimpfungen gegen die Badener nachweist. Es gibt keine. Wir Württemberger wollen mit den Badenern zusammenleben, nicht sie unterdrücken oder beherrschen. (...) Anm.: Wenn einer wirklich das Recht hat, verbittert zu sein, dann bin ich es selber. Zwei Jahre lang habe ich mich unentwegt um eine Vermittlung der Gegensätze im Interesse der Sache bemüht (...). Ich werde heute in der Öffentlichkeit in einer Weise verleumdet und beschimpft, die ich nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches nicht wieder für möglich gehalten habe. Weil ich weiß, was mit dieser Kampagne 5 | Erzeugung von Angst: Postkarte. bezweckt ist, lasse ich mich nicht verbittern und beirren. Vorlage: Landesarchiv StAS Wü 2, Nr. 252 Qu. 83

© Landesarchiv StAS Wü 2 T1, Nr. 260, Qu. 327. Zitiert nach: Xaver Pfaff, Christof Rieber, Gebhard Müller, Christ – Jurist - Politiker, Reader 03 „Schule und Archiv“ am Staatsarchiv Sigmaringen, Sigmaringen 2000. 6 | Politische Diffamierung des Gegners: Karikatur in „Vom See zum Main“, 4.12.1951. Vorlage: Landesarchiv StAS Wü 5 T 1, Nr. 744. 4

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Archivnachrichten 45 / 2012 51 Von der Südweststaats- Bürger mit ihren politischen Ent- wo sind die Grenzen, und wo muss frage zu Stuttgart 21 scheidungsträgern führen? der Staat Akzeptanz für politische Ent- • Welche Rolle sollen bei Projekten, die scheidungen einfordern? in ihren Auswirkungen verschiedene • Welche Grundregeln einer politischen Auch inhaltlich bietet die Debatte um die staatliche Verwaltungsebenen betreffen, Kultur müssen gelten, damit im Mittel- Südweststaatsfrage eine ganze Reihe von die Länder, der Bund und die Kommu- punkt politischer Auseinandersetzun- Parallelen zu heutigen politischen Streit- nen spielen? Wie sind in einer föder- gen die eigentlichen Sachfragen und fragen. Lohnenswert ist ein Vergleich mit alen Struktur das Verhältnis und die politischen Argumente stehen? der (noch immer) aktuellen politischen Befugnisse von Bund und Ländern zu Auseinandersetzung um den Bau des definieren? Verkehrsprojekts Stuttgart 21, das eine • Welche Rolle kann dem Bundesverfas- Verwendung im Unterricht ganze Reihe von ähnlichen Fragen auf- sungsgericht bei schwierigen oder geworfen hat: scheinbar unlösbaren politischen Ent- Eine besonders fruchtbare didaktische scheidungsprozessen zukommen? Herangehensweise an das Thema ist die • Wie können Bürger sachgemäß und • Welche Bedeutung hat Transparenz für Vorbereitung und Durchführung eines repräsentativ an weitreichenden Ent- die Akzeptanz politischer Entschei- Rollenspiels. Dabei gehen die Schüler scheidungen beteiligt werden? Wie dungsprozesse? von einer Wahlkampfveranstaltung aus, können Partizipationsmöglichkeiten • Welche Formen des politischen Protes- bei der ein Befürworter und ein Gegner so gestaltet werden, dass sie in ihrem tes sind im Sinne bürgerlicher Parti- des Südweststaats (aus Württemberg Ergebnis zu mehr Identifikation der zipation einer Demokratie förderlich, bzw. aus Baden), sowie ein Vertreter

7 | Stilisierung von Sachfragen: Plakat von 1951. Vorlage: Landesarchiv StAS Wü 2 T 1, Nr. 1976

Das von den Südweststaatsgegnern gepflegte Motiv der Bewahrung von Tradition und Heimat wird von den Südweststaatsbefürwortern aufgegriffen: Die durch ihre Tracht erkennbar traditionsorientierten drei Landesteile vereinen sich zur Familie. Das Motiv der „Familie“ ermöglicht es, Traditionalismus und Staatenfusion thematisch miteinander zu ver- binden. Ähnlich geschieht dies im Wahlkampfslogan „Der Südweststaat – eine Forderung der Vernunft und Heimatliebe“. Auch hier wird das Argument der Südweststaatsgegner „umgedreht“: Die Bewahrung der Heimat erfordere eine zukunftsfähige, „vernünf- tige“ Lösung, und damit das Votum für den Süd- weststaat.

8 | Stilisierung der Auseinandersetzung: Plakat von 1951. Vorlage: Landesarchiv StAS Wü 2 T 1, Nr. 1976

Die Gründung des Südweststaats als erster Schritt zur europäischen Einigung. 7 8

9 | Stil der politischen Auseinandersetzung: Foto einer Plakattafel von 1951. Vorlage: Landesarchiv StAS, Wü 2 T 1, Nr. 293

Die Botschaft der Südweststaatsgegner wird durch das links ergänzte Plakat ins Gegenteil verkehrt. 9

52 Archivnachrichten 45 / 2012 Hohenzollerns als Redner auftreten. Modell zurückgreifen, die auf dem Lan- Literatur Nach einer Auswertung des Wahlkampf- desbildungsserver verfügbar sind. materials (im Original im Staatsarchiv Eine zweite, projektartige Möglichkeit, Franz-Josef Ziwes: Karikaturen und Sigmaringen bzw. als Reproduktion im aktuelle Bezüge der Südweststaatsdebatte Plakate zur Entstehung des Südwest- Klassenzimmer) formulieren die Schüler herauszuarbeiten, bietet der oben an- staats. Begleitveröffentlichung zur Aus- in Gruppen arbeitsteilig drei fiktive gesprochene Vergleich mit der Stuttgart stellung des Staatsarchivs Sigmaringen Wahlkampfreden. Während der Reden 21-Debatte. Im Rahmen einer Ausstel- „Politische Plakate und Karikaturen aus fungieren die Mitschüler als Besucher lungseröffnung anlässlich des 60. Jahres- der französischen Besatzungszeit und der Wahlkampfveranstaltung und bringen tages der Gründung des Südweststaates den Anfängen des Südweststaates“. Sig- ihre Sympathie bzw. ihr Missfallen für gestalteten Schüler des Martin-Heideg- maringen 2002. die einzelnen Redebeiträge zum Aus- ger-Gymnasiums in Meßkirch zwei druck. Die Reden ermöglichen es den parallele Demonstrationen, bei denen Reinhold Weber und Ines Mayer Schülern, die im Quellenstudium analy- in Form fiktiver Reden der Protest der (Hrsg.): Politische Köpfe aus Südwest- sierten Inhalte und Argumente sowie Altbadener dem der Stuttgart 21-Gegner deutschland. Herausgegeben von der Stil und Strategien der politischen Aus- gegenübergestellt und so die Parallelität Landeszentrale für politische Bildung einandersetzung in ihren fiktiven Reden der Argumentationen vor Augen geführt Baden-Württemberg. (Schriften zur po- einzuarbeiten. wurde. litischen Landeskunde 33). Stuttgart Zur Bearbeitung dieser Aufgabe sollte 2005. der Lehrer/die Lehrerin auf die Quellen, die Arbeitsblätter und das didaktische Klaus-Jürgen Matz: Kleine Geschichte des Landes Baden-Württemberg. Her- ausgegeben von der Landeszentrale für 10 | Das Thema im Unterricht: Annika Bitzer vom Neigungsfach Geschichte am Gymnasium Ebingen politische Bildung Baden-Württemberg. hält eine fiktive Wahlkampfrede für den Südwest- Leinfelden-Echterdingen 2010. staat. Foto: privat

11 | Das Thema im Unterricht: „Wutbürger“ einst und heute – Schüler des Martin-Heidegger-Gym- nasiums Meßkirch präsentieren anlässlich einer Ausstellungseröffnung zur Gründung Baden-Würt- tembergs am 25. April 2012 im Meßkircher Schloss zwei Demonstrationen der Jahre 1951 und 2010. Die Parallelen zwischen der Auseinandersetzung um den Südweststaat und um das Projekt „Stuttgart 21“ werden greifbar. Foto: privat 10 Das Unterrichtsmodul auf dem Landesbildungsserver:

www.landeskunde-bw.de Unterrichtsmodul Geschichte: Markus Fiederer: „Stuttgarter Wirt- schaftsimperialismus“? Der politische Kampf um die Gründung des Südwest- staats (1948 bis 1952).

Quellenreader: Christoph Rieber, Xaver Pfaff: Besatzungszeit und Werden des Südwest- staats. Gebhard Müllers Wirken als Regierungschef von Württemberg- Hohenzollern 1948–1952 – Akten aus Beständen des Staatsarchivs Sigmaringen. Reader 03 „Schule und Archiv“ am Staats- archiv Sigmaringen. Sigmaringen 2000. 11

Archivnachrichten 45 / 2012 53 Neue Veröffentlichungen des Landesarchivs Baden-Württemberg

Vom Büro ins Depot „Die Welt bewegt sich!“ Kulturlandschaft Autobahn Rationelle Verfahren der Bewertung und Quellen und Beiträge zur frühen Die Fotosammlung des Landesamts für Übernahme von Akten regionalen Eisenbahngeschichte. Straßenwesen Baden-Württemberg Vorträge des 70. Südwestdeutschen Vorträge eines landesgeschichtlichen Sym- Bearbeitet von Bernhard Stumpfhaus Archivtags am 19. Juni 2010 in Müllheim posiums des Stadtarchivs Reutlingen in Verlag W. Kohlhammer 2011 Herausgegeben von Jürgen Treffeisen Zusammenarbeit mit dem Landes- 168 Seiten, 115 Abbildungen, kartoniert Verlag W. Kohlhammer 2011 archiv Baden-Württemberg am € 18,– 80 Seiten, 15 Abbildungen, kartoniert 18. September 2009 in Reutlingen ISBN 978-3-17-022370-7 € 12,– Herausgegeben von Heinz Alfred ISBN 978-3-17-021959-5 Gemeinhardt und Volker Trugenberger Verlag W. Kohlhammer 2011 140 Seiten, 88 Abbildungen, kartoniert € 19,– ISBN 978-3-17-022032-4

Die Bände sind im Buchhandel oder direkt beim Verlag erhältlich.

Alle Neuerscheinungen finden Sie auf der Homepage des Landesarchivs Baden-Württemberg (www.landesarchiv- bw.de) unter „Aktuelles > Neue Publikationen“.

Archivnachrichten und Quellen für den Unterricht finden Sie auch auf der Homepage des Landesarchivs Baden-Würt- temberg (www.landesarchiv-bw.de) unter „Das Landes- archiv > Publikationen“.

54 Archivnachrichten 45 / 2012 Die Bestände des Generallandes- 365 Tage Baden – Württemberg Schadensprävention und Notfall- archivs Karlsruhe Belser-Verlag 2011 vorsorge in Archiven Teil 5. Nichtstaatliches Archivgut (69–70) 376 Seiten, 365 Abbildungen, Vorträge des 71. Südwestdeutschen Bearbeitet von Jutta Krimm-Beumann fester Einband Archivtags am 21. Mai 2011 in Wertheim Verlag W. Kohlhammer 2011 € 24,95 Herausgegeben von Anna Haberditzl 392 Seiten, Leinen ISBN 978-3-7630-2604-3 und Peter Müller € 40,– Verlag W. Kohlhammer 2012 ISBN 978-3-17-021761-4 68 Seiten. 38 Abbildungen, kartoniert € 12,– ISBN 978-3-17-022289-2

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