Journal of Social Science Education Journal für sozialwissenschaftliche Studien und Didaktik

JSSE, Volume 8, 2009, Number 2, © JSSE 2009, ISSN 1618-5293

Ausbildungsdidaktiken: Lehrerausbildung Didaktik Sozialwissenschaften Educating Social Science Educators

Herausgeber: Tilman Grammes Editor: Tilman Grammes

Tilman Grammes: Editorial: Ausbildungsdidaktiken – Themen und Aufgaben einer Hochschulfachdidaktik der Sozialwissenschaften in der Lehrerausbildung ...... 2–22 Sibylle Reinhardt: Gelingende Lehrerbildung – Professionstheorie und Fachdidaktik, Erfahrungen und Konse- quenzen ...... 23–31 Bettina Zurstrassen: Kompetenzorientierte Lehrerbildung in den sozialwissenschaftlichen Unterrichtsfächern – Blühende Landschaften in der sozialwissenschaftlichen Lehrerbildung von morgen? ...... 32–45 Anja Besand: 12 Jahre Berufserfahrung – Die besondere Situation des Lehramtsstudiums als Herausforderung für die fachdidaktische Ausbildung ...... 46–56 Andreas Petrik: „… aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Skizze einer kompetenz- und fallorientierten Hoch- schuldidaktik für die Politiklehrer-Ausbildung ...... 57–80 Niklas Eklund, Anna Larsson: Teacher Education in Social Science in Sweden in Historical and Comparative Per- spectives ...... 81–93 Peter Davies: Improving the quality of students’ arguments through ‘assessment for learning’ ...... 94–104 Praxisteil Anselm Cypionka, Heike Hornbruch, Waltraud Kallenbach: Stand, Probleme, Perspektiven der Ausbildung im Fachseminar SoWi ...... 105–123 Rezensionen Matthias Busch: Planungsdidaktiken in sozialwissenschaftlichen Fächern. Bereichsrezension aktueller fachdidak- tischer Planungskonzepte ...... 124–145 Tilman Grammes: Vermittlungswissenschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens am Beispiel einer Wei- terbildung ...... 146–164 Linkliste: ...... 165–175 Wiedergelesen (Dokumentation) ...... 176–201 Keywords: Higher Education, Ausbildungsdidaktiken, Hochschuldidaktik, Weiterbildungsdidaktik, Wissen- schaftsdidaktik [der Fachdidaktik], Professionalisierung, Politiklehrerausbildung, Lehrerausbildung, Hochschul- didaktik, Methoden der politischen Bildung, Methodencurriculum, Politikdidaktik, Fallarbeit, Fachdidaktische Kompetenzen, Konstanzer Wanne, Verwendungsforschung, Theorie-Praxis-Problem, Praxisschock, Burn-Out, Wissensformen, Social studies education, Brückenproblem, Lehrkunstdidaktik, Genetisches Prinzip Journal of Social Science Education © JSSE 2009 Volume 8, Number 2, 2009, pp. 2–22 ISSN 1618-5293

Tilman Grammes Editorial: Ausbildungsdidaktiken – Themen und Aufgaben einer Hochschulfachdidaktik der Sozialwissenschaften in der Lehrerausbildung

Inhalt manistischen Universität in der Realität immer schon 1. Hochschuldidaktik – eine Trivialisierung von Wis- gefährdet bzw. nicht gegeben waren. Die freie, sich senschaft und Studium? von selbst regulierende Kommunikation zwischen 1.1 „… nach Bologna“ – neue Hochschulpolitik Lehrenden und Lernenden wird unter den Bedingun- 1.2 Generation Klick – neue Wissensarchitekturen gen der Massenuniversität zum Problem, was eine Pä- 1.3 „Sie schäumen lieber Milch auf, als auf die Straße dagogisierung der Lehre notwendig erscheinen lässt zu gehen.“ – neue Sozialisationslagen – Hochschuldidaktik als „Reparaturdidaktik“ (Mittelst- 2. Themen und Aufgaben einer Hochschulfachdidak- rass). In der “Hochkonjunktur” der Hochschuldidaktik tik: Zu den einzelnen Beiträgen in den 1960er Jahren steht eine kritische Auseinander- 2.1 Erste Phase: Universität setzung mit Inhalten von Studiengängen und die Stu- 2.2 Zweite Phase: Referendariat dienreform im Mittelpunkt. Der “Vermittlungsaspekt”, 2.3 Dritte Phase: Weiterbildung d.h. die Planung und Durchführung von Unterricht 2.4 Wiedergelesen und Lehrveranstaltungen (Hochschulmethodik) ist 2.5 Linkliste ebenfalls bereits Thema (Remmele/Ritsert/Voegelin 3. Literatur 1976, Hagemann-White 1976). Die Hochschulreform- bestrebungen der 1970er Jahre führen zur Gründung Keywords einer Reihe von hochschuldidaktischen Zentren und Ausbildungsdidaktik, Higher Education, Hochschuldi- Arbeitsstellen in Deutschland, so z.B. 1971 des Interdis- daktik, Hochschulmethodik, Hochschulfachdidaktik, ziplinären Zentrums für Hochschuldidaktik (IZHD) der Hochschulpädagogik, Professionalisierungsforschung, Universität (vgl. Linkliste). Ende der 1990er Referendariat, Vermittlungswissenschaft, Weiterbil- Jahre hat die Hochschuldidaktik mit der Umsetzung dungsdidaktik, Wissenschaftsdidaktik der Bologna-Beschlüsse zur europaweiten Einführung gestufter Studiengänge mit den Abschlüssen Bachelor 1. Hochschuldidaktik – eine Trivialisierung und Master und den damit erforderlichen Änderungen von Wissenschaft und Studium? wie Modularisierung der Studienangebote, studienbe- „Keiner scheint die Universität zu lieben: die Politiker nicht, gleitendes Prüfungswesen, systematische Evaluation weil sie Geld kostet, die Professoren nicht, weil das Ideal usw. erneut stärkere Aufmerksamkeit erhalten. Inzwi- freier Forschung und Lehre nicht mehr aufrechterhalten schen gibt es eigene Fachzeitschriften Studiengänge wird, und die Studenten nicht, weil sie die angeblich schöns- zum Master of Higher Education (siehe Linkliste). Eine ten Jahre ihres Lebens in Wissensfabriken verbringen.“ (Allgemeine) Hochschuldidaktik ist als Disziplin im in- (Hörisch 2006, Klappentext) ternationalen (Cannon/Newble 2003) und im deutsch- Dieses Schwerpunktheft von JSSE widmet sich dem sprachigen Diskurs (im Überblick: Huber 1995, Reiber/ Thema „Hochschulfachdidaktik“ der Sozialwissenschaf- Richter 2007) etabliert. ten in der Lehrerbildung („Ausbildungsdidaktiken“). Als Disziplin ist Hochschuldidaktik allerdings nach Hochschuldidaktik (in der DDR bis 1989: Hochschul- wie vor umstritten. Sie fördere die Trivialisierung von pädagogik) beschäftigt sich mit allen Aspekten von Wissenschaft und Studium anstelle notwendiger wis- Studium, Lehren und Lernen an Hochschulen. Sie hat senschaftlicher Selbstbildungsprozesse (Mittelstrass eine lange Tradition, die in Deutschland auf die Ahn- 2006). Hochschuldidaktik könne, auch wenn sie sich herrn der Berliner Universitätsgründung Anfang des anders versteht, Universität nur als Schule denken; 19. Jahrhundert zurückgeht, die eine konsistente Ver- hochschuldidaktische Modelle würden die Forschung bindung der drei Pole personale Bildung, Teilhabe an nicht erreichen – die Einheit von Forschung und Leh- Wissenschaft, Befähigung zu praktischem gesellschaft- re mache aber gerade das didaktische Geheimnis der lichen Handeln konzipieren (vgl. den ausgezeichneten deutschen Universität aus. Studieren heißt vor allem, historischen Abriss bei Huber 1995, S. 117ff.) Die klas- sich selbst etwas beizubringen (Rost 1999), ist Auto- sischen Begründungsschriften von Fichte, Schelling, Didaktik, die den Wechsel von der Fremderziehung zur v. Humboldt, Schleiermacher und Steffens dokumen- Selbsterziehung erfordert (Schiek 1982).1 Ein Lehramts- tiert Anrich (1960). Die Gesellschaft für Hochschul- pädagogik (1898-1934) setzt sich damit auseinander, 1 Der auch als Politikdidaktiker prof��������������������������lierte Erziehungswissen- dass die Voraussetzungen dieser humboldtschen hu- schaftler Hermann Giesecke dazu: „Im Prinzip kann ein gei- 2 Tilaman Grammes Journal of Social Science Education Editorial Volume 8, Number 2, 2009, pp. 2–22

studierender muss zunächst und vor allem sein eigener Die Kritik an der Trivialisierung von Wissenschaft Lehrer werden, eine reflexive Lernhaltung einnehmen. durch Hochschuldidaktik macht deutlich, dass auch Reflexion und Verantwortungsübernahme von Studie- die (Allgemeine) Hochschuldidaktik immer den Ge- renden für ihren eigenen Lernerfolg wird nicht erst seit genstandsbezug ins Zentrum stellen muss, sonst wird heute mit Hilfe des Führens eines Seminartagebuchs sie zur technokratischen Hochschulmethodik werden, oder von Portfolios gefördert (vgl. Völkel 2007). Ein ein- wie es sich zur Zeit in der Entwicklung eines ABK-Berei- drucksvolles Dokument der Rolle von Umwegen und ches (Allgemein Berufsqualifzierende Kompetenzen; Lernkrisen ist der Studienbericht von Eduard Spranger Vermittlungswissenschaft�������������������������) mit „Schlüsselkompeten- (vgl. unter Wiedergelesen/Dokumentiert). ������������Das Verhält- zen“ abzeichnet (vgl. Dok. 6, Wildt 2004). Hochschul- nis Hochschullehrende – Studierende an der Universi- didaktik benötigt eine Wissenschaftsdidaktik (Hentig tät ist also nicht identisch mit dem Verhältnis Lehrer 2005) und wird durch diese Fokussierung zur disziplin- – Schüler in der Institution Schule. Studieren, nicht Ler- spezifschen Hochschulfachdidaktik. Jede schulische nen ist das „Kerngeschäft“ der Universität (Ulrich Her- Fachdidaktik hat so auch ihre zugeordnete Hochschul- mann)! Wieder bei Giesecke kann man schon lange „vor fachdidaktik. Am Beispiel der Disziplin Biologie kann Bologna“ eine beißende Kritik an dem hausgemachten eindrucksvoll gezeigt werden, dass dieses Denken Trend zu verschulten Studiengängen gerade in den So- nicht der Wissenschaft äußerlich bleibt, sondern zu zialwissenschaften nachlesen: Nur wenn eine Disziplin inhaltlichen Veränderungen führen kann: Eine extern im Studienplan obligatorisch und mit Leistungsnach- herangetragene wissenschaftsdidaktische Kritik (Tier- weis verankert ist, kann ihr Lehrstuhl als gesichert gel- experimente) bewirkt über forschendes Lernen und ten und verfügt über Reputation. Die Folge: Zu hohe Projektstudium eine inhaltliche Veränderung der Fach- SWS/Workloads und den Studierenden bleibt keine wissenschaft bis hin zur Implementation eines neuen Zeit mehr zum Lesen. „Wenn ein Student sehr fleißig Studiengangs Naturschutzbiologie/Biodiversität, der ist, schafft er pro Semester etwa drei Referate, dafür starke sozialwissenschaftliche Bezüge aufweist (Schu- braucht er drei Seminare (=6 SWS). An einem Seminar rig 2007). teilzunehmen, für das man nicht arbeiten kann, ist im Hochschulfachdidaktik ist bislang jedenfalls ein allgemeinen reine Zeitverschwendung; diese Zeit wäre ungewohnter Begriff (Grammes 1998, 465ff., 739ff.) besser verwendet mit konzentrierter Lektüre. (Ausnah- – „ein Phantom“ (Krings 2007), denn es gibt sie noch me: Studienanfänger sollten ‚kiebitzen’, um sich einen nicht. �����������������������������������������������Erste Ansätze bilden sich für das Fach Philoso- Eindruck von der Arbeit im Seminar zu verschaffen …). phie, in dem Wissen und Bildung unmittelbar zusam- Wenn zu den drei Seminaren noch drei Vorlesungen menfallen (Rohbeck 2007) oder für das Fach Geschich- kommen, die regelmäßig und intensiv gehört werden te (Pöppinghege 2007 oder Lingelbach 2006). – möglichst mit begleitender Lektüre – dann kommen Hochschulfachdidaktik ist womöglich auch ein miss- wir je nach Dauer der Vorlesungen auf neun bis zwölf verständlicher Begriff. Er könnte ein verbreitetes Fehl- SWS und haben es – wie gesagt – mit einem wirklich verstehen des Theorie-Praxis-Verhältnisses befördern fleißigen Studenten zu tun ... Die erforderlichen SWS im Sinne einer räumlich-institutionellen Zuordnung, kann man auch angeben ohne dabeigewesen zu sein, so als gäbe es zwei Kulturen von Fachdidaktiken: eine denn nachprüfen kann das im allgemeinen niemand.“ „theoretische“ an der Hochschule, die „abstrakt“ ist (Giesecke 1994, S. 34 und S. 38)2 und daher wenig nützlich; daneben eine „praktische“ für den Alltag der Lehrerinnen und Lehrer in der Schu- le, die „konkret“ ist (Rezeptliteratur, Methodiken). steswissenschaftliches Fach wie Pädagogik ohne eine Lehrver- anstaltung studiert werden. Zu empfehlen ist das nicht, aber Eine Hochschulfachdidaktik der Sozialwissenschaf- dieser Satz soll deutlich machen, worauf es ankommt: auf die ten untersucht mit quantitativen und qualitativen Initiative und Selbsttätigkeit der Studierenden. Dabei kann er Methoden das Lehren und Lernen in allen sozialwis- auf die anderen nicht verzichten … Studieren heißt, von sich senschaftlichen Studiengängen (vgl. Hamers 1978, aus den Wunsch zu haben sich eine Wirklichkeit zu erschließen, Knüppel/Johann 1987). Die Ausbildung für ein Lehr- was in einer Geisteswissenschaft wie der Pädagogik primär durch Lektüre einschlägiger Literatur geschieht.“ (Giesecke amt bildet darunter nur einen Sonderfall innerhalb 1994, S. 27f.) der möglichen Berufsorientierungen; die Anteile von 2 Letzteres hat sich inzwischen geändert und auch die „Wor-„Wor- Studierenden für ein Lehramt sind in den Sozialwis- kloads“ sind andere. Dieses Phänomen ließ sich bei der Ausge- senschaften sogar meist geringer als in Geschichte staltung der BA/MA-Modulbeschreibungen beobachten: Eine oder Chemie. Der Begriff „Ausbildungsdidaktiken“ Fachdidaktik muss durch eine Grundvorlesung verankert sein, sonst gilt sie nicht als ernstzunehmendes Fach neben den Fach- wissenschaften. Dies führt dazu, dass es ein Projektstudium und forschendes Lernen im Bachelor im Moment so gut wie entworfen werden. Hinzu kommt, dass wir außerstande sind, nicht gibt. Das ist aber nicht Schuld von „Bologna“, sondern die Erreichbarkeit von Lernzielen hochschuldidaktisch auch nur hausgemacht. Ein Rückblick in die 1970er Jahre hätte auch hier für die Mehrheit der Studenten zu garantieren. Jede detaillier- zur Vorsicht gemahnt: „Die immer häufger von der Verwal- te Angabe von Lernzielen gegenüber der Verwaltung impliziert tung angeforderten Studienpläne sollten daher mit äußerster aber, dass deren Erreichung verlangt und überprüft werden Vorsicht und einem Höchstmaß an Spielraum für Variationen kann.“ (Hagemann-White 1976, Anmerkung 8) 3 Tilaman Grammes Journal of Social Science Education Editorial Volume 8, Number 2, 2009, pp. 2–22

bezieht sich in der vorliegenden Ausgabe von JSSE auf lisches Lernen und Erwachsenenbildung. Der Lernort die Vorbereitung auf den Beruf des Lehrers/der Leh- Hochschule, aber auch Studienseminar/Referendariat rerin, also auf alle Phasen der Lehrerbildung, neben und Lehrerweiterbildung sind nicht vertreten (V. Rein- der Universität (Hochschulfachdidaktik) auch auf das hardt 2007). Gleiches gilt für die in letzter Zeit erschie- Referendariat und die Berufseingangsphase bzw. Leh- nen Hand- und Wörterbücher der politischen und öko- rerweiterbildung. nomischen Bildung. Von einer quantitativ und qualitativ forschenden Insofern muss das Thema Hochschulfachdidaktik in Disziplin Hochschulfachdidaktik der Sozialwissen- den Beiträgen dieser Ausgabe von JSSE erst erprobt schaften wären Untersuchungen zu folgenden The- und ausgelotet werden. Dieser Kraftakt war diesmal men zu erwarten: leider nur möglich um den Preis eines bis auf zwei Bei- – Videobasierte Analysen politik- und wirtschaftswirtschafts-- träge deutschsprachigen Heftes. �������������������Zur zukunftsweisen- wissenschaftlicher Einführungsvorlesungen (vgl. den Rolle der „German Didaktik Tradition“ im inter- Apel 1999), z.B. im Hinblick auf den Aufbau von nationalen Joint Venture aus einer US-amerikanischen Fach- und Basiskonzepten; Perspektive (Dennis Shirley) vgl. die – tröstliche? – Be- – Social Science Textbooks – Wissenschaftsdidaktik merkung von Andreas Petrik S. 59. der Sozialwissenschaften am Beispiel von Lehrbü- Gegenwärtig fndet ein von vielen als „dramatisch“ chern und Einführungen; empfundener Wandel pädagogischer Fachkulturen an – Defensive und expansive Lernsituationen im den Hochschulen statt, der durch drei Entwicklungen Praktikum und ihre Reflexion in Lerntagebüchern angestoßen wird: (Portfolios, didaktische Akte); – Analysen von Examensklausuren im Hinblick auf 1.1 „… nach Bologna“ – neue Deutungsmuster und Strategien des Umgangs mit Hochschulpolitik exemplarischen Themen; Mit der mantrahaft wiederholten Formel „wie wir seit – Berufseingangsphase: Interviews mit Studienrefe- Bologna wissen und müssen …“ lässt sich so ziemlich rendaren in Fachseminaren der 2. ���������������Ausbildungspha- jede bildungspolitische Veränderung als kausal not- se und Begleitung im Fachunterricht; wendig herausstellen. 2010 wird der Bologna-Prozess – Die Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens offziell abgeschlossen sein. Obwohl die Bologna- in Weiterbildungen Willenserklärung von 1999 keinerlei rechtliche Ver- u.a. bindlichkeit hat, beweist sie seither eine erstaunliche Zu den hier beispielhaft genannten Themen liegen Durchsetzungskraft. Im deutschen Universitätsbe- Einzelstudien in der allgemeinen Hochschuldidaktik trieb wird damit u.a. die Einführung von Bachelor- und der Lehrerbildungsforschung durchaus vor.3 Do- und Masterabschlüssen, von modularisierten Studi- mänspezifsche Untersuchungen aus der Perspektive enstrukturen und Leistungspunkten (credit points) der Sozialwissenschaften sind dagegen selten und verbunden. Kritiker sehen im gegenwärtigen Umbau weisen untereinander keine Kontinuität auf (Erkennt- der Hochschulen eine „veritable Revolution von oben“ nisprogression). Für die sozialwissenschaftlichen Fach- (Frank-Olaf Radtke; vgl. Liesner 2009, Pongratz 2009, didaktiken zeigt sich dies daran, dass aktuelle Handbü- Scholz/Stein 2009). ������������������������������������Aber das hinter den Kritiken fröhli- cher „Hochschul(fach)didaktik“ nicht thematisieren. che Urständ feiernde „Modell Humboldt“ könnte auch So zählen z.B. zum „Basiswissen Politische Bildung“ eine romantische Idealisierung der Vergangenheit unter den Faktoren „Bildungsbedingungen“ und „in- sein. �����������������������������������������������Als Deutsche Universität (Modell Humboldt) ver- stitutionellen Bedingungen“ Lernorte wie außerschu- sus Universitäten in Deutschland (Modell Universität als Unternehmen) hat Clemens Albrecht die Konfliktli- 3 Mitzubedenken ist hier: Die Ausbildung für ein Lehramt bezieht nien auf den Punkt gebracht (Dok. 1) sich in der Regel auf mindestens zwei Fächer!

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Dok. 1: Deutsche Universität oder nach Anerkennung durch Erkenntnisse, nach Reputati- Universitäten in Deutschland? on, Forscher an Universitäten in Deutschland nach Aner- Ich beobachte schon seit einiger Zeit, dass die Gesprä- kennung durch Mittelzuweisung, nach Prestige. che auf Konferenzen sich immer mehr auf den materi- 3. Dieses Steuerungsmodell präferiert beim Per- ellen Apparat konzentrieren: “Wir haben ja in X den sonalbestand einen bestimmten Typus: den Wissen- Sonderforschungsbereich Y...” – “In unserem Exzel- schaftsmanager. Die Herrschaft des Sekundären, der lenzcluster Z...” – “Mein DFG-Projekt A...” usw. Bezeich- Mittel, verlangt nach ihm. ����������������������������Er ist stets beweglich, ori- nend ist, dass man in solchen Gesprächen wenig über entiert sich am Markt der Wissensanforderungen, hat den Gegenstand der SFB, Cluster oder Projekte erfährt, die EU- und DFG-Ausschreibungen im Auge. ���������Sein For- geschweige denn über ihre Ergebnisse, sondern nur schungsinteresse speist sich weniger aus der langfris- noch über ihre Existenz, die als Leistungsnachweis ei- tigen Entwicklung der Fachfragen, aus dem Dialog mit nen rein demonstrativen Charakter bekommt … den Leittheorien der Klassiker, als aus der Nachfrage Die Mittelzuweisung nach Leistung verändert also anderer gesellschaftlicher Teilbereiche, die sich in die Leistungsziele des wissenschaftlichen Personals: Prestige umsetzen lassen – ein shareholder der akade- Weil man an deutschen Universitäten um die Mittel der mischen Vita. Grundausstattung nicht kämpfen muss, liegt das Feld Strukturell unwahrscheinlicher wird in diesem For- der Anerkennungskämpfe in der Wissenschaft. Auch schungsbetrieb ein Typus, den die deutsche Universität hier existiert ein Wettbewerb, aber er ist diachron: Man präferiert: der Grundausstattungsprofessor, der die konkurriert weniger mit den lebenden Kollegen um Bedürfnisse der Industrie und der Verwaltungen nach Forschungsmittel, als mit den toten Klassikern und den Legitimationswissen souverän, weil verbeamtet, ig- noch nicht Geborenen Nachfolgern um Ruhm. Sobald norieren kann. Als Niklas Luhmann im Jahre 1969 den die Mittelzuweisung umkämpft wird, tendieren die Ruf an die Universität Bielefeld annahm, trug er in den Mittel selbst dazu, Endzweck der wissenschaftlichen Fragebogen über seine künftigen Forschungsprojekte Tätigkeit zu werden: der Wettbewerb wird synchron. ein: Projektname: Theorie der Gesellschaft. Laufzeit: Die Umsteuerung auf Leistungsanreize erhöht also 30 Jahre. Kosten: keine. nicht die Leistung, sondern das Streben nach dem Me- (Albrecht 2009, S. 8f.; vgl. satirisch Wunderlich 1993; dium der Leistungsmessung. Und da dieses Medium in literarisch Schwanitz 1996, der Held ist immerhin So- ein quantifzierbares, erkenntnisneutrales Belohnungs- ziologieprofessor! Hochschulromane sind überhaupt system wandert, ändert sich die Grundorientierung: eine hochschuldidaktische Fundgrube, dazu Kehm Wissenschaftler an deutschen Universitäten streben 2001.)

1.2 Generation Klick – neue sich erwerben, veralten entsetzlich schnell.“ (Enzens- Wissensarchitekturen berger 1988, S. 18) Die Berufsausbildung dieser drei Im Umbruch vom so genannten Gutenberg-Zeitalter jungen Leute kann über Nacht schrottreif werden und in das digitale Zeitalter fndet eine grundlegende sie sehen sich einem lebenslänglichen Trommelfeuer Veränderung der Wissensarchitekturen statt (Liess- von Informationen ausgesetzt. „Ich habe Grund zu mann 2006). Geradezu prophetisch anmutend, hat der Vermutung, dass Zizis Kenntnisse, gemessen an Enzensberger (1988) dazu ein Gedankenexperiment ihrer Situation, durchaus funktionell sind. Jedenfalls durchgeführt, das sich als Basistext zum Wissenskon- ‚kommt sie mit ihnen durch’.“ (ebd., S. 21) zept in Lehrveranstaltungen eignet. Er versucht sich Medientheoretisch ist umstritten, ob Wissen in di- vorzustellen, wer wohl mehr wisse: der junge Philipp gitalen Netzwerken seine Orte und damit seine immer Schwartzerdt (Melanchthon, 1497-1560) oder Bruno auch räumliche Struktur verliert, weil die Wissensräu- und seine Freundinnen Helga und Zizi, die eigentlich me sozusagen „verflachen“; sie sind vermittelt nur Friseuse gelernt hat und im Moment erst mal von der über einen Maus-Klick an der Schnittstelle des Inter- Stütze lebt. Das Ergebnis des Gedankenexperiments face – weshalb man von einer „Generation Klick“ spre- bleibt offen: „Während sich Melanchthon beim Auf- chen könnte. Kann eine ältere Pädagogengeneration bau seines Wissens auf einen stabilen Kanon verlassen das WWW noch mehr oder weniger souverän vor dem konnte, während ihm von vornherein klar war, was Hintergrund einer kategorial strukturierten Guten- überhaupt wissenswert war und was nicht, so dass er berg-Welt nutzen, hat die neue Generation der Abitu- es im Verlauf eines dreiundsechzigjährigen Lernpro- rienten ihre Wissensstrukturen nur in dieser digitalen zesses zu einem haltbaren, wohlgeordneten Weltbild Welt aufgebaut. Dieser Aufbau von Wissensstruktu- bringen konnte, verfügen Zizi, Helga und Bruno, trotz ren ist an erfahrbare Räume gebunden. Das Internet nimmermüder Aneignung, nur über ein buntschec- nun „gefährdet systembedingt, unabhängig von der kiges Quodlibet, um nicht zu sagen über einen Müll- Art seiner Nutzung, den Aufbau einer kognitiven und haufen, der noch dazu einer ständigen Umschichtung selbst einer ethischen Orientierung. Da das Netz sei- unterliegt. Die Kenntnisse und Fähigkeiten, die sie nem Nutzer Wege erspart und eine aufwendige Suche 5 Tilaman Grammes Journal of Social Science Education Editorial Volume 8, Number 2, 2009, pp. 2–22

abnimmt, erschwert es die Konstruktion eines gedank- gestellt, aber intellektuell irgendwie orientierunglos – lichen Raumes durch quasi-geographische Fixpunkte. zumal kein ansprechbares und zur Reflexion hin geöff- Solche Fixpunkte können Personen oder Bücher sein netes Bewusstsein der „Lücke“ vorhanden sein kann, …“ (Odendahl 2008, S. 195). Es gilt das Paradox des schließlich macht man täglich die Erfahrung, „surfen“ Wissens, dass man nur nach etwas Recherchieren kann, zu können. Damit ist Studierfähigkeit im klassischen von dem man schon weiß oder zumindest ahnt, dass Sinne auf unglückliche Weise blockiert. ����������Der Frank- es dafür einen bestimmten Ort geben könnte. Das Web furter Erziehungswissenschaftler Andreas Gruschka setzt ein Netz von Vorstellungen für eine souveräne beschreibt – auch ein diskussionswürdiger Basistext Nutzung voraus, es schafft sie nicht! Deshalb wirken – die phänotypischen Auswirkungen bei Studierenden, heutige Studienanfänger, die Generation Google, auf die bereits Folge neuer schulischer Umgangsformen Dozenten vielfach ungewöhnlich nett und sozial ein- mit Wissen sind (vgl. Dok. 2).

Dok. 2: Beobachtungen zum Verhalten der In Ausarbeitungen dominieren Funde aus Internet- Studierenden recherchen, die eine gekonnte didaktische Aufberei- Ich teile zunächst einige Beobachtungen zum Ver- tung bereits zu enthalten scheinen. (Warum sich die halten der Studierenden mit. Auf ihrer Basis wird es Mühe der Zueignung eines Themas machen, wenn an- schwer, Studien mit ihnen und für sie zu betreiben, dere bereits erfolgreich sich den Gegenstand angeeig- weil sie von der Universität vor allem die konsequente net haben und Vorschläge zur Vermittlung ihrer An- Fortführung schulisch angeleiteter Instruktion erwar- eignung machen? Was sich dort als einfach darstellt, ten. ist auch das Angemessene für mich.) Sie suchen im Programm der Vorlesungen und Se- Es dominiert die Bereitschaft, das zu Referierende minare nach fertigen Schemata, Defnitionen als ko- ungeprüft zu übernehmen, es, obwohl unverstanden, difzierten und didaktisierten Ergebnissen (Vereinfa- schlicht zu wiederholen. Referiert wird also nicht Er- chungen), »die sie getrost mit nach Hause nehmen« arbeitetes, sondern bloß medial Bearbeitetes. Dabei (Adorno) und auswendig lernen können. Die mit einer wird das Abgeschriebene als schon gültig mit der Graphik gegebene Suggestion eines modellhaften Zu- Wiederholung ausgegeben, ohne dass also der Sinn sammenhangs von Verschiedenem (Theorie als Zeich- und die Geltung überhaupt befragt oder belegt wäre. nung) ist dabei so stark, dass noch der leeren Sche- Rückfragen lösen schon deswegen Kopfschütteln aus: matisierung der Vorzug vor einem anspruchsvollen So als ob man für Unklarheiten im Referierten verant- Argument eingeräumt wird. wortlich gemacht würde, die der Autor zu verantwor- Sie zeigen vielfach Abwehr gegenüber Lektüren, die ten hat, den man doch nur reproduzierte. Zuweilen nicht durch Markierungen des Wichtigen und Kompri- mündet das in den blanken Protest, der Autor habe mierten ausgezeichnet werden: etwa von natürlichen sich gefälligst klarer auszudrücken. Protokollen, Quellen, Originaltexten. Sie wollen wis- Sie sind ausgerichtet auf die Inhalte, die als Prü- sen, was sie mit dem machen sollen, was eigentlich fungsstoff (erfolgreiche Lehrbücher) in Berechti- als Erkenntnisgegenstand, den es zu ergreifen gilt, für gungen eingetauscht werden können. Der Wert des sich sprechen müsste. Gleichsam vorgemachte Lektü- Lehrbuchs bemisst sich daran, wie leicht es mit ihm ren, die versprechen, die eigenen Lektüren zu ersetzen, fällt, gut durch die Prüfung zu kommen. Diese Bücher haben Konjunktur. Je mehr etwas in solchen Bearbei- betreiben einen Wettlauf der Vereinfachung, jenseits tungen bereits im Sinn des instrumentellen Nutzens des fachlichen Gewissens, ob damit eine sachlich an- und Umgangs vermittelt ist, desto beliebter sind sie. gemessene und damit gekonnte Verdichtung erfolgt. Letztlich entfällt auf diese Weise das sinnerschließen- Es triumphiert in ihnen die akademische Variante der de Lesen von Texten. verkaufsfördernden Halbbildung, der professorale Sie erwarten klare Bearbeitungsaufgaben vor allem Ausverkauf akademischer Bildung. Gleichzeitig wird in technischer Hinsicht. Dazu zählt eine Erklärung zum die Lektüre wissenschaftlicher Werke zum exotischen rein quantitativen Ausstoß (Anzahl der zu schreiben- Ausnahmefall. den Seiten/Zeichen). Mit dieser Information können In dem Maße, in dem die Konfrontation mit wis- sie auch dann 15 Seiten schreiben, wenn sie gar kein senschaftlicher Argumentation abnimmt, wuchert eigenes Thema als Fragestellung haben: Routiniert die Naivität als unbekümmerte Unwissenheit (ohne füllen sie die Seiten mit wie aufgeschnappt wirkenden schlechtes Gewissen) und selbstsichere Ignoranz als Stücken der oft willkürlich ausgewählten Informati- schlecht behandelter Kunde eines Dienstleisters, des- onsträger. Gliederungen stiften nicht einen textlichen sen Programm man, so man es kann, abschaltet und Zusammenhang, drücken keine Komposition aus, son- wo dies nicht möglich ist, Forderungen wie die folgen- dern das schiere Nacheinander dieser Stücke. Weil sie de stellt. »Wenn Sie als Pädagoge nicht so sprechen, keine Frage zu beantworten haben, können diese Tex- dass auch Kinder dies verstehen, dann haben sie etwas te beliebig viel an unbefragter Thematik versammeln. 6 Tilaman Grammes Journal of Social Science Education Editorial Volume 8, Number 2, 2009, pp. 2–22

falsch gemacht!« Ein solches Evaluationsurteil kann schaftlichen Inhalten wie an pädagogischen Einsich- man als akzelerierte Selbstinfantilisierung verstehen. ten sind sie in dem Maße interessiert, in dem deren Präsentiert wird gekonnt Medialisiertes, oft aber Nützlichkeit für die Bewältigung von Unterricht evi- Unbegriffenes (Powerpoint). Wenn man sich auf diese dent ist. Die Lehrstoffe werden demnach streng utili- Weise gut verkauft, erfährt man eine positive Rückmel- taristisch bewertet: Was kann ich damit anfangen, was dung der Zuhörer, die als technisch gut Informierte kriege ich dafür, was kostet mich das an Arbeit? ggf. gar nicht merken, dass sie sinnloses oder sinnwid- Studierende haben einen einfachen Zugang zum riges Zeug abgeschrieben haben. Die immanente Lo- naturalistischen Fehlschluss. Er tritt mit der Wahrneh- gik der Powerpointpräsentation besteht in der engen mung der Einheit von Faktischem und Richtigem auf. Lenkung durch schnell aufeinander folgende Sequen- Was »normal« ist, ist zugleich alltäglich, erwartbar zen von gegliederten Überschriften und graphischen und möglich: »Das ist eben so, wie es ist.« Und in dem Systematisierungen, deren Abschrift alle Aufmerk- Wiedererkennen gewinnt es alternativlose Geltung. samkeit absorbiert. Wenn das gut getaktet erfolgt, Sein wird wie Sollen verstanden. Dazu passt, dass erschafft das den Glauben, alles mitbekommen zu ha- allfältige Beschreibungen des Sollens, die sich an der ben. Das geht einher mit dem Ausschalten des Nach- Praxis brechen, bevorzugt indikativisch vorgenom- denkens darüber und Problematisierens dessen, was men werden. Ein verdinglichtes affrmatives Verste- man gefunden und zusammengeklaubt hat. Man wird hen wird vor allem gegen die Kritik an falscher Praxis zum Infotainer auch seiner selbst und zugleich über- vorgebracht. Darin zeigt sich eine Identifkation mit nimmt man keine Verantwortung für das Vorgestell- einer als übermächtig erfahrenen Praxis, für die kriti- te. So passt der häufg zu hörende Selbstkommentar sche Erkenntnis überflüssig wird, auch weil sie nichts angesichts von Lücken und Brüchen der Darstellung: zu ändern vermag ... »keine Ahnung« zur methodischen Könnerschaft. Selten kommt es deswegen dazu, dass das Studium Viele angehende Lehrer verfolgen einen blinden in eine Krise der Bildung führt, die Studierenden sich Praktizismus. Ohne schon einen Begriff der Praxis zu in ihrem mitgebrachten geistigen Habitus oder ihren haben, auf den sie sich vorbereiten wollen, klagen sie Deutungsmustern in Bezug auf die Sache (etwa den Handlungskompetenz ein. Nicht selten reklamieren Unterricht) so herausgefordert fühlen, dass sie sich sie, dass die Praktika das Beste am Studium waren, zu- auf den Weg zu einem neuen Muster machen und an- gespitzt, dass sie dort nicht studieren mussten, son- dere Muster als wählbare Angebote erfahren. Wenn dern handeln konnten. Auch wenn sie noch nichts zu das Studium selbst als krisenhaft erfahren wird, dann lehren haben, unterrichten sie gerne. Es genügt schon weil in ihm nicht wiedererkannt wird, was vordem in die Reprise des Unterrichts, der ohne substanziellen der Schule der Unterricht an Erwartungssicherheit ver- Inhalt auskommt. Sobald es sozial rund Iäuft, handelt mittelte. es sich um erfolgreichen Unterricht. An fachwissen- (Gruschka 2007, S. 263-266)

1.3 „Sie schäumen lieber Milch auf, als ist eine „Generation Praktikum“ entstanden, die auf auf die Straße zu gehen.“ – neue Veränderungen der Arbeitswelt einerseits mit einer Sozialisationslagen – vordergründigen – Lockerheit und Flexibilität rea­ Ergebnisse der Einstellungs- und Sozialisationsfor- giert. Das normative Generationenmodell der 1968er schung zu domänspezifschen Deutungsmustern jun- – Wir sollen rebellieren, dann sind die Leute beruhigt ger Erwachsener/der Studierenden informieren über (Dok. 3) – ist für diese Generation kein Vorbild mehr. die Lernausgangslagen einer Hochschulfachdidaktik Hinter solcher Lockerheit verbirgt sich aber auch ein als Wissenschaft vom Lernen. Dazu haben wir in die- Wandel in den subjektiven Theorien des Politischen – ser Ausgabe von JSSE zwar keinen eigenständigen die Hochschulforschung verzeichnet eine unpolitische Forschungsbeitrag. Lassen wir uns einstweilen aus der Studentengeneration und auch konservativere Einstel- Krisendiagnostik des Nachrichtenmagazins DER SPIE- lungen (vgl. den Hochschulsurvey, Bargel 2008). Eine GEL die Fragerichtungen aufzeigen. Unter der Über- punktuelle Beobachtung aus dem letzten Winterseme- schrift „Wir Krisenkinder. Wie junge Deutsche Ihre Zu- ster: Innerhalb einer studentischen Aktionswoche im kunft sehen“ (Spiegel Nr. 25 vom 15.6.2009) entsteht Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität das Selbstporträt einer Generation, die vorwiegend Hamburg entwickelte Kritiken und Proteststrategien düster in die gesellschaftliche Zukunft blickt. Die gipfeln in dem mehr oder weniger spaßig gemein- Deutschen von morgen, die 20- bis 35-Jährigen seien ten Vorschlag, Unterschriftenlisten in Seminaren ver- vernetzt, denken global, aber sie sind angepasst. Die schwinden zu lassen – es fehlt ein Gedanke daran, wie Krise trifft sie härter als andere, aber nicht einmal das aus der „subversiven Aktion“ strukturelle Kritik her- treibt sie zur Rebellion. „Sie schäumen lieber Milch auf, vorgehen könnte, etwa ein Antrag auf Abschaffung als auf die Straße zu gehen.“ (ebd.) Als Reaktion auf und Verbot von Teilnehmerlisten in den zuständigen die Umbrüche einer globalisierten Wissensgesellschaft Gremien – aber welche wären das eigentlich? Und 7 Tilaman Grammes Journal of Social Science Education Editorial Volume 8, Number 2, 2009, pp. 2–22

darf man das? Derweil verzichtet ironischerweise eine (vgl. zu solchen nicht-intendierten Handlungsfolgen große Zahl der Lehrenden bereits wieder auf entspre- der verbreiteten „Evaluitis“ im Hochschulsystem Frey chende Listen, weil deren kontraproduktive Effekte 2008; satirisch bereits die Wissenschaftsbetriebslehre offensichtlich wurden: eine insgesamt erhöhte Fehl- von Wunderlich 1993). Ausbildung����������������������������� an einer Universi- quote, weil zugestandene Abwesenheits-Kontingente tät als Schule ist so immerhin funktional – sie bildet – zwei Sitzungen im Semester – unter dem Diktat von perfekte „Aufwandsminimierer“ aus. Workloads nun von allen voll ausgeschöpft werden

Dok. 3: Adrian Renner, 23, Student, über Keine Sorge, meine Agenda beinhaltet nicht, dass Politik mir alles egal ist. Leute, denen alles egal ist, wählen, „Ich kann nicht mehr sagen, wann ich merkte, dass um wenig Steuern zu zahlen, oder gehen zu Amnesty Politik von langweiligen Menschen mit langweiligen International, um das in ihren Lebenslauf zu schreiben. Leben gemacht wird – und dass ich keiner von ihnen Ich kann sehr genau sagen, welche Dinge mich interes- sein will und mir mein eigenes langweiliges Leben sieren, Dinge, bei denen Wut, Zorn, Betroffenheit und reicht. Ich stand in im Bundestag, in Straßburg Empörung da sind, und was ich dann tue, um damit im Europaparlament, in München im Landtag und klarzukommen. Nichts nämlich. Aber es ist nicht so, habe sie reden hören, sie das tun sehen, was sie den dass das mir leicht fällt. Oder dass ich es mir einfach Politikbetrieb nennen. Es ist wirklich ein Betrieb. Ich machen will. Gerade das nicht. lese die Zeitungen und Magazine und schaue die Ta- Natürlich wähle ich. Natürlich demonstriere ich. Ich gesschau und jede Landtagswahl, und denke: Na, wie kann nur nicht Parteimitglied werden oder sonst et- geht‘s dem Betrieb denn so? Der hat dem wieder eine was. Vielleicht haben Jusos, Demonstranten und Stei- ausgewischt. Oh, ein neuer. Was sie da genau alles ma- newerfer mir etwas voraus. Vielleicht haben die Leute, chen, kriege ich auch mit. Ich vergesse es nur schnell die dafür sorgen, dass in einem Vertrag die erste Zahl wieder, so schnell. hinter dem Komma genau richtig groß oder klein ist Politiker haben eine Agenda, ich habe keine Agenda. und es damit vielleicht ein paar Menschen besser ha- Wer mich fragt, ob ich ein politischer Mensch sei, dem ben, mir etwas voraus. Vielleicht ist das Politik. Ich sage ich: nein, und denke: stimmt nicht. Ich sage: ja, kann das nicht. Ich kann nicht einmal genau sagen, und denke immer noch, dass das nicht stimmt. Und warum. Es ist so etwas wie ein ästhetisches Unbeha- dass ich eigentlich eine Antwort auf diese Frage ha- gen. Die Angst, dass mein Leben so hässlich wird wie ben sollte. Ich habe nur keine Ahnung, was ‚politisch die Parteizentralen und ich so dumm wie alle, die ein- sein‘ heute überhaupt noch bedeutet. Was ich weiß: fach nur dagegen sind. Die Angst vor der Langeweile. auf welcher Seite des politischen Spektrums ich ste- Es ist die gleiche Langeweile, wie sie in Gesprächen he. Was ich tue: Ich defniere mich politisch, wenn das über Politik herrscht. Dieses eklige Das-ist-ja-schreck- heißt, dass ich über mein Leben, und über die Welt, in lich, das klingt, als wäre es auswendig gelernt. Ich der sich mein Leben abspielt, in politischen Kategori- will ratlos sein und ehrlich und wütend, und deshalb en nachdenke. Das ist meine Agenda. rede ich nicht über Realpolitik, über Erbschaftssteuer- Wir sollen rebellieren, dann sind die Leute beruhigt reformen, Mindestlöhne, Asylrecht und die Zukunft Meine Agenda sagt nicht: Engagiere dich, trete der Volksparteien. Ich rede über Liebe und Musik, einer Partei bei, löse das Welthungerproblem, über- über die letzten Wahlen in Israel und über ökosoziale winde den Kapitalismus, gehe fleißig demonstrieren, Marktwirtschaft, über Bücher und Kunst, und wie fas- gestalte die Globalisierung oder gründe eine Bürger- sungslos man jedes Mal aufs Neue ist, wenn man sieht, initiative. Ich weiß, das wird erwartet von mir, von wie schlecht es Menschen in Deutschland gehen muss. uns, von der Jugend, von meiner Generation. Wir sol- Aber ich rede nicht über Politik. Nie.” len rebellisch sein, und protestieren, gegen den Neo- Quelle: Der Spiegel 2009, Nr. 25 vom 15.6.2009, S. liberalismus und Studiengebühren und alles Mögliche. 55. http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/doku- Dann sind die Leute, die das wollen, irgendwie beru- ment.html?titel=Die+Krisenprofs&id=65717404&top higt. Aber warum eigentlich? =SPIEGEL&suchbegriff=wir+sollen+rebellieren&quelle n=&qcrubrik=artikel

Wird der Student/die Studentin zum Feindbild? Schon falsch herausgestellt hat (Killy 1963, S. 9). Die Rede ist 1963 beschrieb der Germanist Walter Killy die Proble- von einer akademischen Freiheit als Verwahrlosungs- me des „Durchschnittsstudenten“: Die Hochschulen Kultur, die nur als Symbol gepflegt wird, in bezug „billigen dem mittleren Studenten ein Maß an Freiheit auf die Studierenden aber Freiheit „oft als Vorwand zu, das zu gebrauchen er außerstande ist; sie geben für Gleichgültigkeit und Desinteresse an den studen- vor, er sei geistig mündig, obwohl es sich längst als tischen Bildungsprozessen“ benutzt (Homfeldt 1983, 8 Tilaman Grammes Journal of Social Science Education Editorial Volume 8, Number 2, 2009, pp. 2–22

S. 21, kursiv im Original). „Wer sich eine Weile lang von dem Politikdidaktiker Kurt Gerhard Fischer gerne umhört, bemerkt, dass die Lehrenden unter sich oft gebraucht wurde – soll eine Aufgabe dieses Editori- Einschätzungen ihrer Studenten abgeben, die sich wie als sein. Wenn die Geschichte der Lehrerbildung als die Beschimpfung einer ‚schlechten’ Hauptschulklas- Geschichte der Kritik an deren Wirksamkeit gelesen se im Lehrerzimmer anhören können. Man nennt sie werden kann (Schubarth u.a. 2007, S. 12), dann folgt etwa ‚die Meute’; sie haben ‚überhaupt keine Ahnung’, eine Rückschau mehr als bloß antiquarischem Inter- machen ‚überhaupt nichts’, sind unpünktlich und völ- esse. Häufg haben wir es mit nichts weiter als seman- lig unzuverlässig, lesen die vorgeschlagenen Texte tischen Umkodierungen zu tun – im Grundsatz also ‚sowieso nicht’, erwarten, dass ein Tutor ‚alles für sie nicht Neues! Der��������������������������������������� Soll-Operator der klassischen Lern- tut’, lehnen sich in einer Konsumentenhaltung zurück zielformulierung wird in der Kompetenzorientierung …“ (Hagemann-White 1976, S. 86) zunächst nur durch eine Ist-Formulierung ersetzt und damit das Lernergebnis defniert (ähnlich Sander 2009, 2. Themen und Aufgaben einer S. 24).5 Nützlich könnte ein Blick in die Geschichte der Hochschulfachdidaktik: Zu den einzelnen Bildungsreform der 1970er Jahre sein, um aus deren Beiträgen partiellem Scheitern zu lernen. Eine „Modularisierung“, Der Beitrag von Sibylle Reinhardt „Gelingende Lehrer- ein curriculares Denken in Studiengängen und curricu- bildung. Professionstheorie und Fachdidaktik, Erfah- laren Einheiten, hat es schließlich auch „vor Bologna“ rungen und Konsequenzen“ eröffnet den Horizont schon gegeben. Ein Curriculummodell sei erinnert: An unseres Themas mit einem Überblick über Probleme der von der Zahl der Professuren und Studierenden her und Aufgaben in allen Ausbildungsphasen der Lehrer- danmals mit Abstand grössten politikwissenschaftli- bildung. Die emeritierte Hallenser Politikdidaktikerin chen Ausbildungsstätte in der Bundesrepublik, dem schreibt dabei bewusst aus einer autobiographisch re- Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin, ent- flektierten Perspektive auf Stationen einer Berufskar- wickelten Dozenten ein vielbeachtetes und diskutier- riere. Die beständige reflexive Vermittlung von Theo- tes „Alternatives Kerncurriculum“. Es war organisiert rie und Praxis, die „Erfahrungen und Konsequenzen“ als Alternatives Kernkurs-Studium (AKS), heute würde auf dem Weg von der Schülersprecherin zur erfolgrei- man statt von Kernkursen von „Modulen“ sprechen chen Hochschullehrerin machen Professionalität aus; (Megerle/Narr 1976, vorbereitet durch Fitterling 1971; Paul Heimann nannte es das “theoretisieren lernen”, vgl. Dokumentation/Wiedergelesen). Die Aufstellung die Kultivierung von Reflexivität. Dazu zählen ganz eines Curriculum soll folgenden vier Forderungen ge- handfest auch Rahmenbedingungen wie das Erkämp- nügen: fen von Freiräumen für Lesen und Schreiben parallel „1. Forderung: Ein politikwissenschaftliches Curricu- zur Unterrichtstätigkeit und in den Sommerferien. Vor lum muß die Politikwissenschaft repräsentieren, dem Hintergrund einer aktuellen und exemplarischen also nicht die Politikwissenschaftler und ihre Posi- Kontroverse in der Professionstheorie zwischen einem tionen, sondern Kernelemente des Fachs … strukturtheoretischen (Oevermann, Helsper) und ei- 2. Forderung: Ein politikwissenschaftlicher Studien- nem kompetenztheoretischen (Baumert) Ansatz wird gang soll durch seinen Aufbau die ‚Fähigkeiten’ eine dreifache Konfliktstruktur der Lehrerrolle her- gewährleisten, die in der Regel von Absolventen ausgearbeitet. Diese Konfliktstruktur wird als antino- eines politikwissenschaftlichen Studiums erwar- misch, d.h. als prinzipiell unauflösbar gekennzeichnet; tet werden können … sie kann nur „balanciert“ werden. 3. Forderung: Der beliebige Pluralismus, der die heu- tigen politikwissenschaftlichen Studiengänge be- 2.1 Erste Phase: Universität stenfalls zu Perlen ohne Kette macht, ist zu beseiti- Der Beitrag von Bettina Zurstrassen „Kompetenzorien- gen … tierte Lehrerbildung in den sozialwissenschaftlichen 4. Forderung: Ein politologisches Curriculum darf Unterrichtsfächern“ prüft zentrale Thesen, die in der nicht nur das in Tradition gefestigte ‚Kulturgut’ ei- Debatte um Bildungsstandards in modularisierten nes Faches repräsentieren.“ (Grauhan/Narr 1973, S. Studiengängen aufgestellt werden.4 Kompetenzori- 100ff.) entierung wird dabei auch in einen bildungshistori- schen Kontext gestellt, die Lernzielorientierung der 1970er Jahre und deren Kritik. „Lektüre schützt vor 5 In der klassischen Lernzielformulierung leistet das der sog. Neuentdeckung“ – dieser meist dem Göttinger Histo- Operator (tätigkeitsanzeigendes, möglichst spezifsches Prädi- riker Hermann Heimpel zugeschriebene Satz, der auch kat) und der nachgeschobene, bevorzugt mit „indem“ eingelei- teten Modalsatz, der ein beobachtbares Verhalten des Schülers beschreibt, das das Erreichen des Lernziels anzeigt. Beispiel: 4 Die Linkliste führt in der unübersichtlichen curricularen Land-Land- „Die Schülerinnen und Schüler analysieren (Operator) das Info- schaft „nach Bologna“ zu einigen Studienplänen und Modul- tainment einer Talkshow, indem sie mindestens ein Merkmal in handbüchern in der Lehrerbildung für Sozialwissenschaften. einer Simulation anwenden und benennen.“

9 Tilaman Grammes Journal of Social Science Education Editorial Volume 8, Number 2, 2009, pp. 2–22

Dok. 4: Ausbildungsordnung Studienschwerpunkt Sozialkundelehrer

(Megerle/Narr 1976, S. 147)

10 Tilaman Grammes Journal of Social Science Education Editorial Volume 8, Number 2, 2009, pp. 2–22

Die Grundidee des AKS bestand darin, ein forschungs- Herr Kollege?“7 Es gibt bislang nur wenige Vorbilder und projektorientiertes Studium mit großen Graden für publizierte fachdidaktische Seminarkonzepte und an Wahlfreiheit zu verknüpfen mit einer Standardisie- –erfahrungen.8 Seltene Ausnahmen sind Giesecke (2000, rung, die eine Lernprogression zwischen den Lehrver- S. 211ff.), Janssen (1989) oder Hagemann-White (1976, anstaltungen sicherstellt, so dass tatsächlich ein hö- S. 87ff.) zur schleppenden Textarbeit im Seminar (vgl. heres Niveau der Qualifkation (Graduierung) erreicht die Materialien unter Wiedergelesen/Dokumentation). werden konnte. Die Umsetzung dieser Aufgabe folgt Besand thematisiert eine Besonderheit der Lehrer- einem klassischen didaktisch-methodischen Prinzip: ausbildung, die zunächst als Vorteil wirkt, sich dann das exemplarische Lernen. Im Grundkurs „Politik aber als Nachteil erweisen könnte: die Studierenden und Wirtschaft“ soll bspw. die Kompetenz erworben kennen „ihren“ Beruf vermeintlich – aus der Schüler- werden, systematisch nach dem Zusammenhang perspektive, die über weite Strecken eine mehr oder von Politik und Wirtschaft zu fragen und dafür Hin- weniger langweilige Beobachterperspektive ist (Brei- tergrundtheorien und Kategorien zu erwerben; ob denstein 2006). ����������������������������������Anfangssituationen, die Übergangs- dieses Problembewusstsein am exemplarischen Fall phase Studienbeginn (Barbara Friebertshäuser), sind „Die Weltwirtschaftskrise“ oder „Angebots- oder nach- lernbedeutsame Initiationen.9 Wird eine Differenz frageorientierte Politiken im Vergleich“ erfolgt, blieb von Schulunterricht und Universitätsseminar deut- ganz den Interessen der Studierenden und den aktuel- lich markiert, da akademische Studien „ihren Sinn len Forschungsschwerpunkten der Dozenten überant- schlechterdings nicht in der Fortsetzung der Schule wortet. In jedem Fall wurden mehrere Kurse parallel haben können, sondern auf Bildung im Medium der angeboten. Die Kursdozenten sollten sich über ihre Wissenschaft abzielen müssen“ (Gruschka 2007, 263)? Erfahrungen austauschen. Leider hat das Alternative Oder werden Seminare als verlängertes 13. und 14. Kernkurs-Studium in der Praxis nicht entsprechend sei- Schuljahr wie schulische Grund- oder Leistungskur- ner Intentionen funktioniert. Es blieb im Alltag doch se wahrgenommen? Die Markierung der Differenz zu oft bei einem Seminar über „Die Weltwirtschaftskri- erfolgte traditionell durch akademische Rituale und se“, ohne dass verallgemeinerbare Kategorien explizit Zeremonien, die entsprechend habitusprägend wir- herausgearbeitet und Transfermöglichkeiten geprüft ken sollen (zur Rolle akademischer Fachkulturen vgl. worden wären. Die Neigung zum unreflunreflektierten ektierten Spe-Spe- zialistentum teilen Wissenschaftler mit Studierenden, spätestens wenn es um schriftliche Arbeiten für den 7 Es bedeutet für einen Fachdidaktiker eine äußerst effektive Leistungsnachweis geht. Etwa zu Beginn der 1980er Weiterbildung, sich mit den Lehramtsstudierenden zumindest punktuell in fachwissenschaftliche Einführungsvorlesungen Jahre werden die 4 SWS umfassenden Projektkurse der Wirtschaftswissenschaft, Soziologie, Politikwissenschaft wieder zurückgefahren und konventionell aufgeteilt zu setzen, das empfohlene Einführungslehrbuch zu lesen, die in 2 SWS Überblicksvorlesung (orientierendes Lernen) begleitenden Skripte mitzuverfolgen und sich an den Klau- und 2 SWS Proseminar/Übung6 – so wie wir heute die suraufgaben zu versuchen. Und umgekehrt sollten Fachwissen- Modulschneidungen auch meistens vorfnden. schaftler wissen, was in fachdidaktischen Seminaren gelernt wird; wenn sie nicht sogar im Kernpraktikum wieder einmal im „Curriculumforschung darf nicht vernachlässigt wer- Fachunterricht hospitieren! Die zunehmende Zahl von E-Vorle- den!“ ist deshalb eine weitere Forderung von Zurstras- sungen wird die kollegiale Hospitation in Zukunft erleichtern sen – nicht das Modulhandbuch entscheidet letztlich (diese Forderung schon bei Giesecke 1994). über den Ausbildungserfolg, sondern was „drin“ ist, 8 Eine Analyse der Homepages der Lehrstühle führt inzwischen die Auswahl und Prozessierung von Wissen in den auch nicht mehr so recht weiter. Konnte man vor einigen Jah- ren im Web relativ gut mit einer virtuellen Reise einen Ein- und Lehrveranstaltungen. Der Beitrag von Anja Besand „12 Überblick über Seminarprogramme, Literaturlisten und Skrip- Jahre Berufserfahrung – die besondere Situation des te gewinnen, sind solche Materialien inzwischen meist in Lehramtsstudiums als Herausforderung für die fachdi- passwortgeschützte universitäre Content Management Syste- daktische Ausbildung“ leitet entsprechend dieser For- me eingestellt und nur noch für eingeschriebene Studierende derung eine Gruppe von Beiträgen ein, die uns eine zugänglich. Dies gilt selbst für Kommentierte Vorlesungsver- zeichnisse – früher eine Fundgrube (die einer thematischen kollegiale Hospitation („Werksspionage“) ermöglichen Analyse harrt!), heute entbehrlich, weil die Modulbeschreibun- als Einblick in die curriculare Gestaltung eigener fach- gen sowieso standardisiert und meist extrem langweilig und didaktischer Seminare auf der Basis einer explorativen leerformelhaft sind. Empirie: „Wie machen sie es eigentlich, Frau Kollegin, 9 In der Geschichte der Universität widmete sich an diesem Über-Über- gang die sog. Hodegetik (vgl. Rosenbrock 1979) der Wegweisung durch eine Art akademische Morallehre. Eine „Studierfähigkeit“ 6 Wie wir auch aus der unterrichtsbezogenen Didaktik wissen, war trotz Abitur als zertifzierter allgemeiner Hochschulreife sind eine am exemplarischen Prinzip orientierte Wagenschein- offenbar bereits im 19. Jahrhundert nicht umstandslos voraus- Didaktik und eine kategoriale Didaktik leichter zu fordern als zusetzen. Die Stelle der Hodegetik hat Literatur zur Einführung zu realisieren. Exemplarisches und kategoriales Lernen müsste in die Techniken wissenschaftlichen Arbeitens eingenommen. schon aus diesem Grund in universitären Fachdidaktiksemina- Beachtenswerte und auflagenstarke sozial- und erziehungswis- ren pointiert vorgelebt und in seinen Gelingens- und Mißlin- senschaftliche Beispiele sind die immer auch bis in Ratschläge gensbedingungen reflektiert werden – so eine Forderung von zur Lebensführung hineinreichenden Werke von Junne (1976), Petrik. Rückriem/Stary (1997), Rost (1999). 11 Tilaman Grammes Journal of Social Science Education Editorial Volume 8, Number 2, 2009, pp. 2–22

Bourdieu 1988). �������������������������������Die Konstruktion von Zugehörig- stellte sozusagen wenigstens ein formales Bündnis keit in der Studieneingangsphase, wie sie heute in der Jungakademiker am Schreibtisch mit der Arbeiter- Orientierungswochen praktiziert wird, dürften bei klasse her, indem es empfahl, geistige Arbeit in Lohn- weitem nicht so wirkungsvoll sein wie die Inszenie- arbeit umzuwandeln. Studentinnen und Studenten rung, mit der der Rektor der Johann-Wolfgang-Goethe sollen mit sich selbst Lern-Verträge abschließen, feste Universität, Max Horkheimer, die neu immatrikulier- Arbeitszeiten vereinbaren und vor allem einhalten ten Studierenden zum Wintersemester 1952 an der (keine Überstunden! Telefon��������������������������������� abstellen!), produktions- Frankfurter Universität begrüßt (vgl. Wiedergelesen/ orientiert arbeiten (Output-Orientierung), „incentives“ Dokumentation). Kultstatus hatte bei der Dekonstruk- (Anreizsysteme, Belohnungen) aussetzen – „wenn ich tion dieser Zusammenhänge in der Kritik der 1968er- sechs Stunden am Schreibtisch geblieben bin, darf Studentenbewegung („Unter den Talaren – Muff von ich mich mit meiner Freundin oder meinem Freund in tausend Jahren“ http://de.wikipedia.org/wiki/Unter_ meiner Lieblingsbar treffen“. Mit diesen Techniken des den_Talaren_%E2%80%93_Muff_von_1000_Jahren) Selbst sollte das in der Doppelfunktion von Wissen- für Generation von Studierenden Wolf Wagners (1973, schaft begründete Bildungsprivileg – Wissenschaft ist 1977, 10/2007, vgl. Rumpf 1978) Veröffentlichungen nicht nur Mittel zum Lösen spannender und wichtiger zum „Uni-Bluff“. ���������������������������������Thema sind die machtbesetzten In- Probleme, sondern auch Mittel zum Aufstieg (kultu- teraktions- und Kommunikationsstrukturen in den relles und soziales Kapital) – unterlaufen werden; das Seminaren – das „Dilemma der linken Überforderung“ „Aufstiegsstudium“ (Prestige) sollte zum „Inhaltsstu- (Burkhard Müller). Uni-Bluff besteht „im Sich-Verber- dium“ (intrinsische Motivation) werden. gen, im Schweigen und So-tun-als-ob-man-verstünde. Eine biografsche Arbeit mit Lehramtsstudierenden, Man zeigt ein kluges, aufmerksames Gesicht und ver- wie Besand vorschlägt, steht in der Tradition biogra- steckt dahinter die Angst vor einer möglichen Blama- phischer Lehrerforschung. Sie kann bis auf Siegfried ge. Diese Angst, die ‚Uni-Angst’, hält einen davon ab, Bernfelds psychoanalytisch inspiriertes Theorem der mitzudiskutieren, mitzuarbeiten und sich mit Freude Angst des Lehrers vor seinem Schüler als dem inneren Themen zu erschließen. Das Stillhalten bietet zwar Si- Kind vor ihm zurückverfolgt werden. �����������������In der so genann- cherheit vor einer bedrohlichen Situation. Aber gleich- ten subjektiven Wende der Studentenbewegung wur- zeitig verhindert es das Lernen.“ (Wagner 10/2007, S. de Biografearbeit bedeutsam (Brück 1978, Ortmann 45) Die angebotene Lösungsstrategie, in der Erstaufla- 1977, Homfeldt u.a. 1983, Schülein 1977, Schiek 1988, ge noch aus einer marxistischen Wertlehre hergeleitet 1992). Die Einsicht, dass Praxis nicht nur außerhalb (vgl. Greiff 1975 mit Bezug auf einige Lieblingstheore- des Studiums zu suchen ist, sondern dass die Lern- tiker der damaligen Zeit, Alfred Sohn-Rethel, Wolfgang arbeit an der Universität auch Praxis sein kann. Dies Fritz Haug10), vom Tauschwert zum Gebrauchswert führte in der Lehrerausbildung zur Entdeckung des so genannten doppelten Theorie-Praxis-Verhältnisses, 10 Diese marxistische Erkenntnistheorie zum Zusammenhang von indem „die Pädagogik als Wissenschaft sowohl in der Ästhetik und Kommunikation, von Form (der Aneignung von Lehre als auch in der Forschung immer gleichzeitig Wissen) und Inhalt, thematisiert das Erleben und die Wahrneh- eine pädagogische Praxis schafft, in der sich die be- mung des Sozialen, Ökonomischen und Politischen. Angesichts teiligten Personen über Wahrnehmungs-, Verstehens- sich wandelnder Wissensstrukturen im digitalen Zeitalter (vgl. Dok. 2+3) ist dieser Theoriestrang zumindest von der Fragestel- und Interpretationsprozesse pädagogisch qualifzie- lung nach dem Zusammenhang von Ästhetik und sozialwissen- ren können …“ (Homfeldt 1983 S. 11). schaftlicher Erkenntnis hochaktuell.

Dok. 5: Das doppelte Theorie-Praxis- mit anderen und bezogen auf eine gemeinsame Aufga- Verhältnis be ermöglicht. Dann nämlich bedeutet Studium nicht „Wie kann sich die dialektische Wechselbeziehung zwi- bloßes Akkumulieren von Theorie, dann erscheint schen Erfahrung und Praxis, Praxis und Erfahrung so Theorie selbst auch nicht als Warenlager, dessen Besitz einstellen, daß Theorie als mittelbare Erfahrung ihre für alle später auftretenden Bedarfsfälle der „Praxis“ aufklärende Kraft entfalten kann? Führt der Weg dahin ausreichen und zudem seinem Eigentümer Ansehen nicht doch über die Praxis? – Ich kann diese Frage mit und Einkommen verleihen muß. Die Theorie ist dann ja beantworten, wenn die Begriffe Theorie und Praxis im Verhältnis zur Lernpraxis eine aus ihrem Warenzu- und ihr Verhältnis zueinander auf dem Hintergrund stand befreite Theorie, die in der Lage ist, das Wesen der bisherigen Darlegungen präziser gefaßt werden. Es praktischer Probleme durchschaubar zu machen und dürfte zumindest deutlich geworden sein, daß Praxis einen übergreifenden Zusammenhang sichtbar wer- nicht nur außerhalb des Studiums zu suchen ist, son- den zu lassen. Das leistet der herrschende Seminarbe- dern daß die Lernarbeit an der Universität auch Praxis trieb allerdings nicht!“ sein kann: dann, wenn sie den Individuen praktische (Ortmann 1977, S. 90) Lernerfahrungen über sich selbst im Zusammenhang 12 Tilaman Grammes Journal of Social Science Education Editorial Volume 8, Number 2, 2009, pp. 2–22

Der Beitrag von Andreas Petrik “… aber das klappt Bewerber zur Verfügung stehen (vgl. ähnlich schon nicht in der Schulpraxis!” skizziert eine kompetenz- den Mahn- und Weckruf von Gagel u.a. in den 80er und fallorientierte Hochschuldidaktik für die Politi- Jahren in der Zeitschrift Gegenwartskunde; für NRW klehrer-Ausbildung und präsentiert gleich eine kom- Hedtke 1995)? Hier müssen faire Angebote zur Nach- plette fachdidaktische Modul-Sequenz, eine „Didaktik Qualifzierung gemacht werden. Das Instrument der der Politikdidaktik“. Für Diskussionsstoff dürfte die auf zweimal drei Jahre ausgelegten Juniorprofessur These zur Personalentwicklung und Berufungspolitik bietet hier, ähnlich der früheren Assistenzprofessur, von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern in bei verbindlichem Tenure-Track-Angebot, viele Mög- der Fachdidaktik am Ende des Beitrages sorgen: Es lichkeiten zur kreativen Ausgestaltung, die im öffent- stelle „für die meisten Menschen schlicht eine Über- lichen Dienstrecht aber noch ungewöhnlich sind. forderung (dar), für einen Beruf auszubilden, den sie Petrik geht übrigens wie zuvor Besand wie selbst- selbst nie ausgeübt haben“.11 Obwohl es individuelle verständlich von der grundständigen Variante des und unkonventionelle berufsbiografsche Wege im Ein- Lehramtsstudiums aus, in der es als unverzichtbar gilt, zelfall geben soll, wird dieses Qualifkationskriterium schon im Bachelor „grundständig“ reflexive Bezüge auch von Reinhardt mit der Bemerkung stark gemacht, zur künftigen Berufspraxis herzustellen, um einen län- Lehrer würden nach drei Sätzen über Unterricht „rie- gerfristigen Bildungsgang zu gewährleisten. Dies ist chen“, ob der Redende nur über Unterricht redet, oder jedoch nicht die einzige an deutschen Universitäten ob er Erfahrungen verarbeitet. Eine breit angelegte derzeit vorfndliche Modellierung.14 Es gibt auch den Studie zur Erziehungswissenschaft und Lehrerbildung „rein“ fachwissenschaftlichen Bachelor, Berufsbezug an österreichischen Universitäten pflichtet dem bei: erst “konsekutiv” im Master. Der Bachelor hat anstelle „Ohne nachweisliche Berufsbewährung als Schullehrer von Erziehungswissenschaft ein Begleitstudium mit können erziehungswissenschaftliche Schultheoreti- ABK (Allgemein Berufsqualifzierende Kompetenzen). ker oder psychologische Schulforscher schwerlich bei In diesem ABK-Bereich werden „Schlüsselkompeten- Lehramtsstudenten und Lehrerschaft jene Autoritäts- zen“ vermittelt, darunter kann neben Rhetorikkursen, anerkennung gewinnen, die für erfolgreiche Lehreraus- Präsentationstechniken (Power point!), Bewerbungs- bildung und –fortbildung notwendig ist.“ (Brezinka trainings etc. offenbar ziemlich viel verstanden wer- 2008, S. 366)12 Welche berufsbiografsche Rolle spielt den, ein Lehrertraining (Microteaching) hätte hier ei- daneben oder als Kompensation die Übernahme von nen curricularen Ort.15 Fachdidaktische Module sind anderen didaktischen, d.h. zeigenden/hinweisenden erst im Master vorgesehen.16 Evaluationen, welche Tätigkeiten in nicht-schulischen Kontexten, etwa als Pu- Vor- und Nachteile die beiden Varianten haben, blei- blizist oder Moderatorin eines Wissenschaftsjournals; ben abzuwarten. Wenn die gegenwärtige Studenten- oder von erzieherischen Tätigkeiten, in der Elternrolle Generation zunächst einmal das eigene Verhältnis als Vater oder Mutter, als Coach, als Experte der eige- zum Politischen für sich bestimmen muss, dann nen Lebensführung?13 Jedenfalls werden im Deregu- könnte „reflexive Praxis“ im Bachelor-Studium auch lierungsansatz die Grenzen zwischen durch staatliche oder zunächst einmal vordringlich heißen, ein politi- Examina geprüften Lehrkräften und Nicht-Pädagogen sches, wirtschaftliches oder juristisches Praktikum zu fließender werden (vgl. dazu z.B. die umstrittene In- machen; während der verfrühte Wiedereintritt in den itiative „Teach frst“ im in Deutschland bislang durch schulischen Kontext zu einer defensiven „pennälerhaf- das Staatsexamen geschützten und reglementierten ten“ Lernhaltung zurückführen kann. Lehramt, siehe Link-Sammlung). Was bedeutet dies für Personalentwicklung und Berufungspolitik der Diszi- 14 Heute werden eine Eingangsphase oder ein Vorsemester gefor- plin Fachdidaktik in einer Situation, wo erneut mehr dert und erprobt. Vgl. exemplarisch das Studienreformmodell Hochschullehrerstellen ausgeschrieben sind als ent- der Leuphana/Universität Lüneburg, deren Bachelor sich im sprechend doppeltqualifzierte Bewerberinnen und Rahmen eines persönlichkeitsbildend gedachten „College“ in gemeinsames Leuphana Semester, Major, Minor und Komple- mentärstudium gliedert: www.leuphana.de. Die Erfahrungen 11 Als Argument gegen diese Position hört man immer wieder am Bielefelder Oberstufenkolleg spielen eine erstaunlich gerin- den Einwand, dass ein Onkologe schließlich auch nicht erst an ge Rolle in der gegenwärtigen Diskussion. Krebs erkrankt gewesen zu sein braucht, um erfolgreich und 15 Vgl. Günther/Massing 1980. Im Unterschied zum (früheren) nobelpreisfähig zu sein! Ein schiefes Bild – denn – um im Bild studium generale (Hamburg: Allgemeines Vorlesungswesen), zu bleiben – an der „Krankheit“ Schüler-sein haben wir wohl das meist eher Volkshochschulcharakter hatte. In der DDR gab alle mindestens 12 Jahre laboriert! es das Marxistisch-Leninistische Grundstudium (MLG), vgl. die 12 Dilthey: „Ich habe selbst als Gymnasiallehrer Erfahrungen in Zeitschrift „Beiträge zum (bis 1978: für das) marxistisch-leni- dem Geschäft der Erziehung gesammelt, und für eine nüchterne nistischen Grundlagenstudium für Hoch- und Fachschullehrer“ und fruchtbare Behandlung pädagogischer Fragen ist das uner- (Leipzig: 1967-1989). läßlich. Ich habe den Bildungsgang Unzähliger, die sich diesem 16 Dies macht es sog. Quereinsteigern leichter, die mit BerufsausBerufsaus-- Geschäft widmeten, verfolgen dürfen.“ (Dilthey 1986, S. 7) bildung und –erfahrung und einem Fachstudium die Qualifka- 13 Noch eine interessante Frage: Wie steht es mit der Möglichkeit tion für ein Lehramt erwerben wollen. Die Personalentwicklung eines Fachwechsels zwischen den Fachdidaktiken? Z.B. um für an Schulen ist auf diese Gruppe angewiesen. Vgl. Lemmermöh- frischen Wind zu sorgen … le/Jahreis 2004. 13 Tilaman Grammes Journal of Social Science Education Editorial Volume 8, Number 2, 2009, pp. 2–22

Dok. 6: ABK: Wahlmodul den spannenden Trend, die disziplinäre Basis des Studi- „Schlüsselkompetenzen“ ums aufzulösen zugunsten einer Orientierung an pro- Im Rahmen dieses Moduls erlernen Sie grundlegende blemorientierten Themen des schulischen Lehrplans, Kenntnisse (Know what) über methodische, sozial- die interdisziplinär sind.17 Dieses Curriculum wirkt kommunikative und selbstregulative Schlüsselkompe- „demokratiepädagogisch“ (civics). An deutschen Hoch- tenzen, Fähigkeiten dieses Wissen umzusetzen (Know schulen sind ähnliche Modelle durchgespielt worden. how) und in Ihre Persönlichkeit bzw. den sozialen Erinnert sei an das singuläre interdisziplinäre Bielefel- Kontext zu integrieren (Know why). Im engeren Sinne der Einführungsmodul in das Studium der Sozialwis- geht es hier um Felder, die wesentliche überfachliche senschaften, in dem ein gesellschaftliches Problem aus Merkmale von typischen Berufskontexten der Absol- den Perspektiven mehrerer Disziplinen betrachtet und venten der Studiengänge Psychologie, Erziehungs- von mindestens zwei Dozenten aus unterschiedlichen wissenschaft und Bewegungswissenschaft besitzen: Disziplinen betreut wird (Otto 1997 http://www.sowi- online.de/reader/integration/03beitrag.htm, als Ver- Sich selbst Zeit- und Stressmanagement, Emotions- such eines integrativen Lehrbuchs vgl. Timmermann steuern: management und mit inneren Konflikten 1978). Einiges����������������������������������������������� spricht aber auch für die komplexitäts- umgehen, seine Lernfähigkeiten steigern reduzierende Lösung aus einer „Ankerdisziplin“ her- und beibehalten, Berufseinstieg planen, aus (Politikwissenschaft als Kern!), u.a. das klassische usw. Modell des Otto-Suhr-Instituts mit gut ausgebauten, Kooperieren: Im Team arbeiten, Konflikte mit ande- in anderen Disziplinen ausgreifenden Arbeitsberei- ren bewältigen, Interkulturell zusam- chen Politische Ökonomie, Politische Soziologie usw. menarbeiten, usw. (vgl. Forndran u.a. 1978). Dieser Konflikt um die Mo- Vermitteln: Ideen und Vorstellungen präsentieren, dellierung des sozialwissenschaftlichen Curriculums Trainingskurse durchführen, usw. wurde in Deutschland unlängst virulent, als die KMK Beraten: Hilfreiche Gespräche mit anderen füh- Einheitliche Standards angesichts der „nach Bologna“ ren, offen Fragen, Probleme beschreiben drohenden Provinzialisierung des europäischen Hoch- lassen, gemeinsam Lösungen entwi- schulraums – jeder Standort bastelt sein eigenes Cur- ckeln, usw. riculum, so dass ein Wechsel des Hochschulstandorts Einfluss Initiative zeigen und proaktiv Ideen noch nie so schwierig war wie „nach Bologna“ – nach- nehmen: mit anderen umsetzen, Gruppen mode- zuschieben versuchte. Im ersten Entwurf war der Kern rieren, Projekte managen, Verhandeln, aus der Disziplin Politikwissenschaft heraus entwic- andere Führen und (An-)Leiten, usw. kelt; nach z.T. massiver Intervention der anderen so- Medien Moderne, digitale Medien kompetent zialwissenschaftlichen Bezugsdisziplinen gibt es nun nutzen: nutzen, um Informationen und Wis- eine plurale Fassung, in der Ökonomie, Soziologie und sen zu sammeln, bewerten, verwalten, Politikwissenschaft gleichberechtigt nebeneinander aufzubereiten und sich mit Anderen stehen (http://www.kmk.org/fleadmin/veroeffentli- auszutauschen, Wissensbestände weiter chungen_beschluesse/2008/2008_10_16-Fachprofle. entwickeln, usw. pdf , S. 36ff. Sozialkunde/Politik/Wirtschaft). URL: http://www.epb.uni-hamburg.de/de/abk.htm Auch für fachdidaktische Module stellt sich die Frage, ob diese disziplinär oder an Schulfächern ori- entiert angeboten werden. Wenn in ungefähr der Der Beitrag von Niklas Eklund und Anna Larsson „Teacher Hälfte der Fälle, übrigens auch in Bayern und Baden- Education in Social Science in Sweden in Historical and Württemberg, in der Schulpraxis ein integratives Fach Comparative Perspectives” thematisiert eine weitere (Geographie, Geschichte, Politik/Wirtschaft) unter- Schwierigkeit der curricularen Gesamtkonzeption ei- richtet wird, stellt dies für die Lehrerbildung die Fra- nes Lehramtsstudiengangs, die durch die multidiszip- linäre Basis der Sozialwissenschaften entsteht: Welche 17 Auf der 10. Jahrestagung der (bundesdeutschen) Gesellschaft Disziplin(en) soll(en) studiert werden? Politikwissen- für Politikdidaktik 2009 (GPJE http://politischebildung.univie. schaft, Soziologie, Volks- und Betriebswirtschaftslehre, ac.at/fleadmin/user_upload/did_pol_bild/Jahrestagung2009. dazu ein bisschen Jura, Wirtschafts- und Sozialgeo- pdf) an der Universität Wien macht Wolfgang Sander den graphie oder Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Sozi- Vorschlag, die sozialwissenschaftlichen Fächer proflbildend analog den naturwissenschaftlichen Fächern in einem „Fach- alpsychologie, Ethnologie, Anthropologie u.a. Welche bereich“ Soziale Studien zu bündeln, der das Fächerspektrum Disziplin steht im Zentrum (Ankerfach), welche sind Sozialkunde/Politik und Wirtschaft, Geschichte und Geogra- wählbar? Die Geschichte der Lehrerausbildung für das phie umfassen soll. Diese neugeprägte Fachbezeichnung soll Schulfach Samhällskunskap (Gesellschaftskunde) an sich öffentlichkeitswirksam an die eingeführte „Marke“ Social schwedischen Universitäten seit dem Zweiten Welt- Studies in den USA anlehnen. Sander plädiert für eine Kombina- tion disziplinärer Phasen (Fachunterricht, Lehrgänge) und pro- krieg zeigt ganz unterschiedliche Kombinationen mit blemorientierter fächerübergreifender Kurse (Projekte) – ein ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen. Aktuell gibt es anspruchsvolles Modell! 14 Tilaman Grammes Journal of Social Science Education Editorial Volume 8, Number 2, 2009, pp. 2–22 ge nach so genannten Bereichsdidaktiken. ����������Eine Koor- Dok. 7: Lesekompetenz dinationsinstanz wie die Allgemeine Didaktik (und An der Universität Münster wurden Tests mit Studie- Theorie der Unterrichtsplanung, vgl. den Beitrag von renden der Anfangssemester durchgeführt. Untersucht Matthias Busch) als ehemalige Kerndisziplin einer Leh- werden Stärken und Schwächen bei der Verarbeitung rerausbildung ist – als „Stricken ohne Wolle“ kritisiert von Texten und Informationen. Die Veränderungen – in den letzten Jahren in erheblichem Umfang durch von den 80er Jahren bis zur Gegenwart werden folgen- Schulpädagogik verdrängt worden. Eine Allgemeine dermaßen resümiert: Fachdidaktik (der Begriff wurde m.W. von Gerd Heur- Heutige Stärken: sen geprägt) hat sich nicht ausbilden können. schnelles Finden von Schlüsselinformationen auf einer Das normative Curriculum ist nicht das empirische Web-Seite, Curriculum. Wir haben wenig systematische Informa- Detailerfassung in schnell geschnittenen Filmen, tion darüber, welches Curriculum letztlich im Kopf der schnelle Überblicksgewinnung über umfangreiche In- Studierenden entsteht. Den Studierenden bleibt die formationen, Koordination der additiv nebeneinander stehenden Bildschirminhalte nach passenden Stichwörtern oder fachwissenschaftlichen Module letztlich aufgegeben. grafschen Elementen absuchen, Fachseminarleiter (s.u.) geben Hinweise darauf, dass Erinnerung an viele Einzelheiten und im groben Zu- mehr als die formale Schneidung der Disziplinen die sammenhang, Art und Weise der Vermittlung von Wissen einen posi- Multi-Tasking-Fähigkeit: mehrere Aktivitäten gleich- tiven oder negativen Einfluss auf die fachdidaktische zeitig verfolgen zu können bzw. synchron erledigen Lehrkompetenz hat. ������������������������������Eine große Herausforderung be- zu können, steht darin, ausgehend von einem linear ausgerichte- schnelles bildliches Verständnis, ten Studium, das häufg aus „gesetzten Wahrheiten“ schnelles Navigieren zu einer Information, ohne sich besteht, ein Bewusstsein für problemhaltige Situa- durch Analyse des Kontextes oder des Gesamtinhalts tionen zu entwickeln. Damit sind die epistemischen aufhalten zu lassen, (epistemologischen) Überzeugungen in den subjekti- dekontextualisierte Informationen werden segmen- ven Theorien/Alltagstheorien der Studierenden an- tiert gespeichert gesprochen, die Frage nach den subjektiven Kriterien und entwickelte Selbstorganisations-Fähigkeit. von Wahrheit, Angemessenheit und Urteil (Mueller/ Heutige Schwächen: Paechter/Rebmann 2008) und ihrer Veränderung im Probleme beim Verständnis längerer oder logisch ge- Laufe von Studium, Referendariat und Berufseingangs- schachtelter Texte, phase. Didaktik setzt ein epistemisches Verhältnis zur Texte zusammenfassen, Welt. Unterschieden werden eine faktenorientierende, Texte zu restrukturieren, memorierende und eine kontextorientierende, elabo- geringe Beharrlichkeit in der thematischen Auseinan- rierende Lernstrategie (vgl. zu Lernstilen und Lernstra- dersetzung, tegien klassisch Perry 1970). Gruschka (vgl. oben Dok. typische Aufmerksamkeitsspanne von nur wenigen 2) spricht vom naturalistischen Fehlschluss, der mit der Minuten, danach benötigen sie Wiederholungen, The- Wahrnehmung der Einheit von Faktischem und Richti- menwechsel oder neue Reize zur Aufrechterhaltung gem auftritt. Der Beitrag von Peter Davies „Improving der Konzentration, the quality of students’ judgements through assess- Abnahme von Tiefenschärfe/Argumentationstiefe zu- ment for learning” setzt auf der Ebene der Qualität des gunsten einer breiteren, aber der Oberfläche verhafte- Wissens an. Schriftliche Leistungen von Studierenden18 ten Perspektive, werden im Hinblick auf Progressionen/Graduierungen geringere Genauigkeit der sprachlichen Formulierung, und der Domänenspezifk (Buisiness Education, Geo- höhere Reizschwelle; nur jene Themen verdienen In- graphy) in den Argumentationskompetenzen unter- teresse, denen es gelingt, sich aus der Fülle visueller, sucht – ein Verfahren, das auch Andreas Petrik in den akustischer Reize hervorzudrängeln, Evaluationen von Bildungsgängen im Dorf-Modell ein- Vorstellung, dass jeder Lernstoff unmittelbar und setzt. Für die Art und Weise des Weltverhältnisses ist ohne jedes Bemühen erschließbar sein müsse wie ein gerade in den Sozialwissenschaften das Textverstehen neues Computerspiel, das man sich nebenbei erklickt. und die Lesekompetenz eine Voraussetzung (vgl. Dok. (Ziehe 2005) 6).

18 Nicht ausgeschöpft für die Analyse subjektiver Theorien und von Argumentationsmustern ist die Quellengattung der Staats- examensarbeiten und Klausuren. Für die Juristenausbildung liegt die qualitative Studie von Schütte (1982) vor, die eine Hochschulfachdidaktik der Juristenausbildung fundiert (vgl. Grammes 1996: S. 465-468). 15 Tilaman Grammes Journal of Social Science Education Editorial Volume 8, Number 2, 2009, pp. 2–22

Sozialwissenschaftliche Methodenkurse sowie die zuvor allerdings hatte es einen Titel gegeben „Die theorieorientierten Grundlagendisziplinen wie Politi- schlimmste Zeit meines Lebens“ (SZ 15.1.2007). Vom sche Theorie, Soziologische Theorien, Geschichte und „vergessenen Teil der Lehrerbildung“ (Frech 1977) wird Theorien der Ökonomie sind die natürlichen Bündnis- man angesichts der Forschungslage zum Referendari- partner fachdidaktischer Einführungskurse. In kombi- at heute nicht mehr sprechen können. Es liegen eine nierten oder curricular sorgfältig abgestimmten Kur- ausgezeichnete Bilanzierung des Forschungsstandes sen können die bekanntlich hartnäckigen subjektiven mit einer kommentierte Forschungsbibliographie der Epistemologien der Studierenden in besonderer Weise disparaten Studien vor (Schubarth/Speck/Seidel 2007, bearbeitet werden. S. 12-29) und aktuelle Untersuchungen (Schubarth u.a. 2007, Schulte 2008). Zum vergessenen Teil scheinen al- 2.2 Zweite Phase: Referendariat lerdings weiterhin die Fachseminare und der eigenver- Die Forderung nach mehr und besserem Praxisbezug antwortliche Fachunterricht zu gehören. Es gibt ältere ist ein Topos der Lehrerbildungsreform (Hedtke 2000 Daten aus Befragungen, u.a. Ackermann (1978) oder http://www.sowi-onlinejournal.de/lehrerbildung/ Breit/Harms (1989), aber keine qualitativen Untersu- hedtke.htm). ���������������������������������������Der an dieser Stelle gerne herangezoge- chungen über fachliche Bildungsgänge (Praxis- und ne Topos vom „geborenen Erzieher“, so der Titel des Erfahrungsberichte unter Wiedergelesen/Dokumen- Vortrages von Eduard Spranger zur Entlassfeier der tation: Jung/vonStaehr 1997, Holling/Bammé 1976) Studierenden der Pädagogischen Hochschule Weingar- durch hospitierten und eigenverantwortlichen Unter- ten im Jahre 1957, kann leicht missverstanden werden, richt sowie dessen Reflexion bis hin zu fachbezogenen denn Spranger setzt sich von der These vom gebore- Zweiten Staatsarbeiten. Dies ist verwunderlich, weil nen Erzieher ab (eine ausgezeichnete und nützliche immer wieder zu hören ist, dass das über zwei Jahre Textsammlung für die Seminararbeit: Kauder 2002). gehende persönliche Coaching in der Entwicklung Lehrerbildung ist Persönlichkeitsentwicklung und eigenständigen Fachunterrichts durch einen Mentor erfordert Auseinandersetzung mit der eigenen Lern- in der Ausbildungsschule und kontinuierlich hospi- biografe. Kommt es nicht zu Differenzmarkierungen, tierende Fachseminarleitung zu den nachhaltigsten dienen z.B. Erfahrungen im Schulpraktikum unter den Erfahrungen im Bildungsgang eines werdenden Leh- Bedingungen massiv empfundener Unsicherheit („sur- rers überhaupt gehören können. Finden wöchentlich vival stage“) häufger dazu, bestehende Kompeten- gemeinsame Hospitationen des Fachseminars (auch zen zu bestätigen als neue Kompetenzen zu riskieren. im Unterricht der Seminarleitung!) und Reflexionsge- „Möglicherweise dominiert während der gesamten spräche statt, die professionell und weitgehend ohne Ausbildung das Motiv, sich als LehrerIn zu beweisen Notendruck ausgestaltet sind, haben wir es mit genau (vor den Dozierenden, vor sich selbst, aber ebenso vor der so genannten kollegialen Praxisgemeinschaft zu den betreuenden Lehrpersonen in Praxisphasen und tun, die nach aller internationalen empirischen Ex- vor den SchülerInnen) und Erfahrungen zu sammeln, pertise die erfolgreichste Form der Ausbildung von gegenüber dem Motiv, sich zum Lehrer/zur Lehrerin Professionalität ist. Nun droht gerade dieser zentrale ausbilden zu lassen, besser formuliert: zu lernen, Leh- Ort der Professionalisierung ohne Not preisgegeben rerIn zu werden.“ (Hascher 2007, S. 14019) Es überlagert zu werden: das Referendariat wird allerorten verkürzt; dann eine defensive über eine expansive Lernhaltung die Ausbildung wird „modularisiert“, was vor allem (Klaus Holzkamp), der Student hat gelernt, ein perfek- bedeutet, dass die Taktfrequenzen seltener werden – ter „Aufwandsminimierer“ zu sein. Wenn Lehrerinnen manche Fachseminare treffen sich nur noch im Rhyth- und Lehrer mit Burn-out „nie gebrannt haben“ (so die mus von drei Wochen, was bei auf 1½ Jahren verkürzter viel zitierte Rauin-Studie): Welche Rolle können bei der Dauer und Ausfallzeiten am Anfang und am Ende für Aufnahme eines Lehramtsstudiums dann Eignungs- Prüfungen kaum mehr als 12-15 Sitzungen insgesamt tests und Assessments haben? (vgl.�������������������� dazu Wiederge- ausmacht. Durch diese Diskontinuität ist der Impact lesen/Dokumentation der Bericht von Fiege aus der des Fachseminars ziemlich genau auf die Semesterfre- Praxis des Pädagogischen Instituts der Universität quenz eines universitären Seminars abgeschmolzen. Hamburg in den 50er Jahren). Über Stand, Probleme und Perspektiven der Aus- „Frohe Referendare – es gibt sie“ titelte kürzlich in bildung im Fachseminar Sozialwissenschaften (Wirt- einem Bericht über eine Siegener Studie (Menck/Schul- schaft und Politik etc.) in der Zweiten Phase der Leh- te 2009) die Süddeutschen Zeitung (SZ 5.2.2007), kurz rerausbildung in den 16 Bundesländern gibt es keine aktuell-vergleichende systematische Bestandsaufnah- me und qualitative Forschung. Das explorierende 19 Diese österreichische Studie führt hierzu zwei Indizien an: Gruppengespräch im Praxisteil20 von Fachseminarlei- – Studierende befragen ihre MentorInnen in Praktika nur un- tungen aus drei Bundesländern – Waltraud Kallenbach gern zu deren professioneller Entwicklung, (Frankfurt/Main, Hessen), Heike Hornbruch (Overath, – Studierende sind nur schwer vom Studium des Lehramts ab- zubringen, wenn sie sich gezielt für das Studium als LehrerIn entschieden haben (Hascher 2007). 20 Die Beiträge im Praxisteil unterliegen nicht dem Peer Review. 16 Tilaman Grammes Journal of Social Science Education Editorial Volume 8, Number 2, 2009, pp. 2–22

NRW), Anselm Cypionka (Jena, Thüringen) – zu “Stand familien unverbunden nebeneinander stehen. In der und Entwicklungsperspektiven der Ausbildung von konkreten Modellierungsarbeit können die reklamier- Lehrern im Fachseminar“ kann als Grundlage für ein ten Planungsprinzipien, vor allem der Implikationszu- Reflexionsgespräch im Fachseminar dienen. Auf der sammenhang der Struktur- und Bedingungsmomen- inhaltlichen Ebene werden trotz Kulturföderalismus te von Unterricht (Interdependenz), kaum stimmig gemeinsame Entwicklungsaufgaben deutlich, die Be- durchgehalten werden. Planungstheorien müssen sich rufsanfänger im Fach auf dem Weg der Professionali- immanent an ihren eigenen (und oft leider seltenen!) sierung zu bewältigen haben. Vor allem fällt es Lehr- zu Illustration und Veranschaulichung eingesetzten amtsanwärtern schwer, sich von der inhaltlichen Ebene Beispielen messen lassen. Daraus lassen sich Maßstäbe zu lösen; nicht Gegenstände, sondern Fragestellungen der Kritik und Ansätze für konstruktive Vorschläge zur zu unterrichten. Damit verknüpft ist die Schwierigkeit, Weiterentwicklung gewinnen. Gegenstandsbereiche fachlich tiefgründig zu erschlie- Der Durchgang durch die Literatur macht offene Fra- ßen, d.h. auf Kernprobleme oder Exemplarisches zu gen sichtbar: reduzieren – eine solide fachwissenschaftliche Grund- – Der wissenschaftstheoretische Status dieser hand- lage zumindest in einigen Themenbereichen scheint lungswissenschaflichen Theorie ist merkwürdig dafür sehr wichtig. Dabei geht es vor allem auch unausgelotet; es ist schwierig, zwischen der Me- um Methodenkompetenz im Bereich der Fachwissen- thodologie des Planungsvorgangs (modus proce- schaft: Wie nähere ich mich einer politischen Problem- dendi) und dem Vorgehen im Unterricht (Artikula- stellung wissenschaftlich an? Es ist interessant, dass tion) zu unterscheiden. Praktiker den Problemkern in epistemischen Überzeu- – Gerade wo Fachdidaktik sich stark fachwissen- gungen (s.o.) verorten, und nicht nur in Problemen des schaftlich positioniert, wären Anleihen und Be- classroom management (vgl. zu Fachleiterdidaktiken züge bei anderen Professionen, in denen Planen Weißeno 1998). ebenfalls im Zentrum steht, zu erwarten: Verwal- „Ich fürchte, meine Referendare lesen wenig fachdi- tungshandeln, Stadtplanung, Finanzplanung, Ge- daktische Literatur!“ (Waltraud Kallenbach, vgl. Lang- sellschaftsplanung – Planen als „Kernpraxis der ner 2006) Dies liege vor allem an der geringen Zeit, modernen Welt“ und „zentrale(r) Mythos der Mo- die ihnen zur Verfügung steht. Sie sind vollauf damit derne“. beschäftigt, ihren Unterricht vorzubereiten und sich – Planungsdidaktiken für die in mindestens 50% der fachlich zu informieren. Welche Literatur kann ich Fälle multidisziplinäre Fächerschneidung (Geogra- zu Rate ziehen, wenn Referendare doch einmal nach phie, Geschichte, Politik/Wirtschaft) – Fehlanzei- entsprechender Literatur fragen oder wenn ich ein ge! fachdidaktisches Seminar zur Unterrichtsplanung kon- – Die immer wieder geäußerte explorative Hypo- zipiere? Die Bereichsrezension21 von Matthias Busch zu these, dass die Planungspraxis gerade auch von Planungsdidaktiken bilanziert den state of the art in erfahrenen Lehrkräften nicht deduktiv von Ziel- einem zerklüfteten Feld, das einmal als Kerngeschäft entscheidungen ihren Ausgangspunkt nimmt der Profession galt. Unterrichtsplanungen sind „das – diese allumfassende Planungseuphorie als „Pro- Kapital des Lehrers“; einen stimmigen Plan zu verfas- duktionsstätte pädagogischer Illusionen“ (Bernd sen, stellt „ein kleines Kunstwerk“ (Sibylle Reinhardt) Janssen) scheint der Vergangenheit anzugehören dar. Einerseits scheint der Bereich etwas in die Jahre –, sondern mit der Auswahl eines Mediums beginnt gekommen zu sein, das hat den Vorteil, dass er nicht und dieses auf quasi inhärente Zielpotentiale (di- so sehr von modischen Theoriekonjunkturen betrof- daktische Valenzen) prüft, müsste endlich empi- fen ist wie andere Themenfelder. Die Innovations- risch geprüft werden. kraft der allgemeindidaktischen Konzeptionen gilt als – Der geforderte „notwendige Abschied von der Il- „erlahmt“. Als „Säulenheilige“ der 1960er und 1970er lusion der Steuerbarkeit des Lernens“ und damit Jahre wird Planung „nach“ Klafki und „nach“ Hei- verknüpft die Betrachtung des Unterrichtsgesche- mann/Otto/Schulz22 empfohlen, wobei beide Theorie- hens wie ein „Schachspiel“ (Christoph BergXXXX http://www.jsse.org/2004-1/lehrkunst_english_ berg.htm XXXXX) hat eine Wendung zu indivi- 21 ������������������������������������������������������������Eine vergleichende Rezensionskultur ist in den sozialwissen- dualisiertem Lernen, offenen Lernarrangements, schaftlichen Fachdidaktiken – vorsichtig gesagt – wenig ent- handlungsorientierten Bauformen und einer neu- wickelt. Man hat den Eindruck, es würde mehr geschrieben (publish or perish) als gelesen. Dies wirkt sich vor allem auf der en Aufgabenkultur bewirkt. Die allseits propa- Ebene von Qualifkationsarbeiten aus, die oft im empirischen gierten „offenen“ Unterrichtsformen wie Statio- Design sehr anspruchsvoll sind und dennoch wenig nachhalti- nenlernen, Lerntagebuch, Wochenplanarbeit oder gen Erkenntnisfortschritt bewirken können, weil sie disparat methodische Großformen wie die Open Space bleiben und nicht in disziplinäre Forschungsverbünde einge- bettet sind. 22 Diese in der Fassung der älteren „Berliner Schule“; die spätere von Wolfgang Schulz scheint in der Praxis kaum mehr rezipiert schüler- und partizipationsorientierte „Hamburger Didaktik“ worden zu sein. 17 Tilaman Grammes Journal of Social Science Education Editorial Volume 8, Number 2, 2009, pp. 2–22

Technology sind für eine Planungstheorie noch planen stärker in den Focus auch der Hochschuldozen- nicht systematisch erschlossen. Es sieht zunächst ten rücken wird. Berufseingangsphase (Hericks 2006) so aus, als ob die Schülerinnen und Schüler hier und Kernpraktika erfordern die Zusammenarbeit von selbst planten, also hochprofessionelle Lehrauf- Expertenlehrern und Novizen. Dick (1994) berichtet gaben übernähmen (Lernen durch Lehren). Aber: über ein Praktikum, das beide Gruppen in einem struk- Hat nicht zunächst nur der Ort der – weiterhin leh- turierten Setting zusammenbringt. Wie lässt sich rerzentrierten – Planung gewechselt, indem die Planungskompetenz aufbauen – die Schwierigkeiten Planung jetzt im Material steckt, ohne dass dies beim Aneignen didaktischen Theoriewissens (Hilbert bewusst würde. Früher wurde dies als „heimlicher Meyer) sind für Studierende andere als für Referenda- Lehrplan“ bezeichnet. Wie verändert der Zwang re? Wie unterscheidet sich eine Berufsanfängerdidak- zu Präsentationen innerhalb dieser neuen offenen tik von der Didaktik einer Lehrerin, eines Lehrers im Lernformen und das dazu genutzte Medium/Soft- „mastery stage“? ware Point mit seinen inhärenten Planungsalgo- rithmen die Wissensarchitekturen (Adams 2008)? 2.3 Dritte Phase: Weiterbildung Eine Analyse der Arbeitsbogen-Didaktik , der Auf- Der Beitrag von Tilman Grammes „Vermittlungswis- gabenkultur des Stationenlernens und der Schüler- senschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen pläne (Lernstrategien der Schülerinnen und Schü- Wissens am Beispiel einer Weiterbildung“ ist die Re- ler in offenen Unterrichtsformen) ist notwendig. analyse einer qualitativen Fallstudie zur Wissensver- Die Decke empirischer Forschung ist insgesamt ge- wendung in der 3. Phase der Professionalisierung, der sehen dünn. Wie in den anderen Forschungsfeldern Fort- und Weiterbildung. Thema sind am Beispiel einer muss gefragt werden, ob die gegenwärtige Praxis von Fortbildung für kommunale Bedienstete zum „Auslän- Einzelpromotionen einen nachhaltigen Erkenntnisfort- derproblem“ Sozialwissenschaftler als „Wissensrelati- schritt bewirken kann oder ob über die Fachgesellschaf- onierer“. Didaktik wird als Transformation von Wissen, ten nicht thematische Verbünde geschaffen werden als Vermittlungswissenschaft in einem spezifschen müssten. Zum nachhaltigen Anstoß entsprechender Sinn bestimmt. Die krisenhaften Lerndynamiken kön- Forschungen kann die Umgestaltung der Lehreraus- nen in Lehrerweiterbildungen wiedererkannt werden. bildung werden, die mit der engeren Verzahnung von erster und zweiter Phase in BA-MA-Studiengängen und 2.4 Wiedergelesen der Vorverlagerung von Teilen des Referendariats in In der Rubrik Wiedergelesen (Dokumentation) ha- so genannte Kernpraktika23 die Aufgabe Unterricht zu ben wir eine Auswahl älterer Texte und Materialien zum Thema versammelt, die wenig beachtet und nur schwer zugänglich sind. Sie können in Seminaren als 23 Ebenfalls eine traditionsreiche Einrichtung: das Didaktikum an der Pädagogischen Hochschule Berlin, aus dem die Berliner Di- Reflexionsimpuls genutzt werden, um aus einer ver- daktik (Heimann/Otto/Schulz) hervorgegangen ist, sah in der fremdeten Perspektive auf das aktuelle Tagesgeschäft Mitte des Studiums ein Praxissemester vor, ein halbes Jahr als zu blicken. Lehrer in der Schule. Reflexionsinstrument war die sog. Didak- tische Akte. Eine Analyse der Didaktischen Akten ist überfällig. 2.5 Linkliste Sie lagern vermutlich an der Technischen Universität Berlin. Praktikumsberichte und Zweite Staatsarbeiten sind als Quellen- Die Linkliste erleichtert den Einstieg in die weitere gattung für einen Hochschulfachdidaktik noch nicht erschlos- Recherche zu Hochschulfachdidaktiken und Ausbil- sen. dungsdidaktiken der Sozialwissenschaften.

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22 Journal of Social Science Education © JSSE 2009 Volume 8, Number 2, 2009, pp. 23–31 ISSN 1618-5293

Sibylle Reinhardt Gelingende Lehrerbildung – Professionstheorie und Fachdidaktik, Erfahrungen und Konsequenzen. Abstract Handlungsprobleme des Lehrers sind zum einen allgemeine konfligierende Ansprüche an die Lehrerrolle, zum anderen fachspezifsche Anforderungen an das Unterrichten (strukturtheoretisches bzw. kompetenztheoreti- sches Professionsverständnis). Konflikte müssen reflexiv balanciert werden, professionelles Unterrichten ver- langt Wissen, Können und Reflexion. Fachdidaktische Prinzipien formulieren den Zusammenhang in fachspezi- fscher Weise. Lehrerbildung muss das Wechselspiel von Theorie und Praxis von Anfang an und durch alle Phasen, wenn auch mit unterschiedlichen Gewichten, verwirklichen. Denn Theorie bleibt ohne Praxis unbegriffen, Praxis bleibt ohne Theorie blind in Krisen und für Veränderungen; Reflexion verweist das eine aufs andere. Unterrichten involviert ganze Personen, weshalb die Ausbildung das Risiko von Kränkungen besonders in der Referendarzeit mit sich bringt. Für die Ausbildung durch die Universität ist zu fordern, dass die Hochschullehrer nicht nur wissen, sondern auch können, also selbst ausgebildete Professionelle sind. Seminarausbilder wieder- um müssen auch theorienah reflektieren können, also nicht bloß praktizieren.

The teacher has to deal with generally conflicting expectations and with the specifc tasks of teaching a subject (theories of structural understanding versus theories of teaching competence of the profession). Conflicts call for reflexive balancing, professional teaching needs knowledge, routines and reflexions. Content-specifc didac- tical principles describe and explain the linkage between these three dimensions. Teachers’ education has to realize the switch of theoretical and practical approaches in every phase, no matter that the emphasis might differ. Thinking without doing remains to be just words, doing without theoretical thinking will remain blind in the cases of crisis and changes. Reflexion links the one to the other and vice versa. Teaching is done for and by whole persons. Therefore the risk of humiliation is very present especially during the practical phases. University teachers teaching to-be-teachers should be educated professionals themselves and not only gifted scholars. School teachers in teachers’ education should be able to reflect on teaching with theoretical means.

Inhalt 1. Autobiographische Notiz 1. Autobiographische Notiz Sehr rasch nach Beginn meines Studiums der Sozial- 2. Kompetenztheorie versus Strukturtheorie wissenschaften in Frankfurt am Main 1961 hatte ich 3. Die Konfliktstruktur der Lehrerrolle den Eindruck, die Soziologie sei eine für mich nütz- 4. Fachdidaktik: Wissen und Können und Reflexion liche Wissenschaft. Die Rollentheorie half mir, meine 5. Lehrerbildung: Theorie und Praxis, Praxis und Handlungsprobleme als gewählte Schülersprecherin – Theorie ich saß zwischen vielen Stühlen (meine Wählerinnen, 5.1 Zur Vergeblichkeit von Theorie und von Praxis Schulleiterin, LehrerInnen) – in der Rückschau mit 5.2 Das Ziel der Lehrerbildung und die Institutionen Begriffen und Erklärungen zu versehen. Die Rollenthe- 5.3 Die Bedeutung der Person orie als Integrationsansatz war dabei der Ausgangs- 5.4 Die Bedeutung des Handelns punkt, der durch die Analyse von Rollenkonflikten 6. Lehrerbildung: Phasen (Intra- und Inter-Rollenkonflikte) dynamisiert und 6.1 Lehrerbildung für Studenten kompliziert wurde. Ein Ergebnis meiner Faszination 6.2 Lehrerbildung für Referendare war schließlich die Diplom-Arbeit zur Schülermitver- 6.3 Lehrerbildung für Lehrerinnen und Lehrer waltung (SMV), wie die Schülervertretung (SV) damals 7. Fazit: Gelingende Lehrerbildung verknüpft genannt wurde (1967, 1971). Theorie und Praxis Als Studienreferendarin 1968/1969 verfolgte ich Literatur zwei Themen: Wie lerne ich zu unterrichten? Was läuft – soziologisch gesehen – in der Schule ab? Die zweite Keywords Frage führte zum Thema meiner Dissertation, in der Lehrerbildung, Professionstheorie, Strukturtheorie, ich Handlungsprobleme des Lehrers analysierte (die Kompetenztheorie, Lehrerrolle, Theorie-Praxis-Ver- Konfliktstruktur der Lehrerrolle – 1972, 1978, 1995). hältnis Als Lehrerin, von 1970 bis 1994 in Wuppertal, verar- beitete ich in den ersten Jahren häufg eines meiner großen Probleme des vergangenen Schuljahres sozial- wissenschaftlich, indem ich las und dann in den Som- 23 Sibylle Reinhardt Journal of Social Science Education Gelingende Lehrerbildung Volume 8, Number 2, 2009, pp. 23–31

merferien schrieb. Für mich war das eine Notwendig- bedingt lesenswert). Zum Fachwissen von Lehrern keit, die mir Begründungs- und Handlungsfähigkeit und seinen Auswirkungen gibt es kaum Forschung, verschaffte. Wenn dieselbe Sorte Problem später auf- zum fachdidaktischen Wissen werden Forschungen tauchte, begrüßte ich es als bekannt und durchdacht. hauptsächlich zu Mathematik (u. a. COACTIV) refe- Ein Beispiel ist die Bearbeitung der Frage „Wie poli- riert. Über Erwerb und Entwicklung professioneller tisch darf der Politik-Lehrer sein?“ (1976 im Februar in Handlungskompetenz, also die Lehrerbildung in den der Beilage zum „Parlament“ veröffentlicht – der Beu- unterschiedlichen Phasen von Universität, Referenda- telsbacher Konsens lag in der Luft; die Konferenz fand riat und Beruf, ist wenig bekannt. im Herbst 1976 statt.) Meine wissenschaftliche Arbeit Ganz offensichtlich ist der Zugang von Baumert war also handlungsgeleitet: ich wollte problematische und Kunter näher am Unterrichten als dem Kernge- Erfahrungen begreifen. schäft des Lehrers. Dreierlei ist aber unbefriedigend: Die beiden Schwerpunkte – allgemeine Lehrerrolle Dieser Schwerpunkt beseitigt nicht die Konfliktstruk- und fachdidaktische Konstruktionen – können neu- tur der Lehrerrolle; die Bestimmung des Wissens ist erdings mit einer aktuellen Kontroverse der Schulpä­ wohl unscharf (formales und praktisches Wissen reicht dagogik (oder Allgemeinen Didaktik) verknüpft und als Unterscheidung nicht); andere Domänen als Mathe- in ihrem komplementären Verhältnis klarer bestimmt matik bleiben blass (was die Autoren selbst anmerken, werden. Dem���������������������������������������� strukturtheoretischen Professionsan- 496). Alle drei Lücken dieses Ansatzes möchte ich im satz von Oevermann und Helsper ist von Baumert und Folgenden ein wenig füllen, indem ich die allgemeine Kunter 2006 mit einem kompetenztheoretischen Pro- Konfliktstruktur der Lehrer-Rolle skizziere, das fachli- fessionsansatz widersprochen worden, worauf Helsper che Lehren mit den Dimensionen Wissen, Können und 2007 reagiert hat. Reflexion bestimme und dabei Politik-Didaktik zeige. Für die Struktur der Lehrerrolle greife ich auf mein 2. Kompetenztheorie versus Strukturtheorie Modell der dreidimensionalen Konfliktstruktur zurück, Die strukturtheoretische Professionstheorie betont, weil Oevermann (z. B. 2008) wegen seiner Präokkupa- dass das Lehrerhandeln – wie jedes Professionshan- tion durch Therapie und Lehrer-Scheitern wenig auf- deln – von grundlegenden Spannungen (Antinomien) schließt (bei allen Verdiensten auf methodischer Seite) durchzogen ist und deshalb eine widersprüchliche Ein- und weil die Antinomien-Systematik von Helsper viel heit im Handeln herstellt (Helsper 2007:570). Baumert zu kompliziert ist und wohl eher eine Schultheorie und Kunter haben 2006 einen glänzenden Übersichts- verkörpert (vgl. die Darstellung bei Werner-Bentke artikel zur professionellen Kompetenz von Lehrkräften 2009:24-28). �������������������������������������Die dann folgende Bestimmung des Leh- veröffentlicht, in dem sie der Strukturtheorie von Oe- rens führt in die Fachdidaktik, die hier konkret als vermann und Helsper deren Betonung von Widersprü- Didaktik der politischen Bildung bzw. der Sozialwis- chen und Dilemmata vorwerfen; „von hier führt kein senschaften erscheint. Erfahrungen führen zu Überle- konzeptueller Weg zum Grundproblem professionellen gungen zur Lehrerbildung in den verschiedenen Pha- Lehrerhandelns“, nämlich dem Unterrichten (472). Hel- sen und integrieren zugleich die unterschiedlichen sper sieht in seiner Replik (2007) zu Recht die Abwehr Zugänge zum Lehren. von Widersprüchen als falsche „Bereinigung“ (575), ak- zeptiert aber die Feststellung, dass die Strukturtheorie 3. Die Konfliktstruktur der Lehrerrolle bisher Unterrichtsprozesse zu wenig rekonstruiert hat. Lehrerinnen und Lehrer müssen in ihrer Rolle eine drei- Baumert und Kunter nutzen europäische (Oser, fache Konfliktstruktur handhaben, die dauerhaft den Terhart) und amerikanische Kompetenzmodelle und Lehrer-Schüler-Interaktionen unterliegt, also ein typi- die Expertenforschung für ihr Modell professioneller sches allgemeines Handlungsproblem darstellt (vgl. Handlungskompetenz. Professionswissen enthält dar- auch Oevermann 2008:56). Es gilt, die Handlungslogik in u. a. die zentralen Wissensbereiche Pädagogisches der Profession in Reaktion auf dieses Handlungspro- Wissen, Fachwissen und Fachdidaktisches Wissen, die blem zu rekonstruieren. als theoretisch-formales Wissen und als praktisches 1) Wer ist der Klient des Lehrers? ����������������������(Gesellschaft / Selek- Wissen und Können vorliegen (in unterschiedlichen tionsfunktion versus Schüler/Funktion der Förderung) Anteilen) (483).1 Die internationale Forschungslage Im Unterschied zu anderen Professionen (wie häufg zum allgemeinen pädagogischen Wissen und Können beim Arzt) lässt sich für den Lehrer nicht klar angeben, ist dabei am ergiebigsten und wird geschildert (un- wer sein Klient ist. Wäre der Schüler alleiniger Klient, dann könnte sich der Lehrer auf die Aufgabe der För- derung des Schülers auf seinem Wege zum Erwachse- 1 Unterteilt wird dieses allgemeine pädagogische Wissen (und nen konzentrieren. Tatsächlich ist der Lehrer in eine Können) in vier Facetten: Konzeptuelles bildungswissenschaft- andere gesellschaftliche Funktion eingeschaltet, die liches Grundlagenwissen, allgemeindidaktisches Konzeptions- in Widerspruch zur Förderung seines Schülers geraten und Planungswissen, Unterrichtsführung und Orchestrierung von Lerngelegenheiten, fachübergreifende Prinzipien des Dia- kann: der Lehrer fungiert als Begutachter von Schü- gnostizierens, Prüfens und Bewertens (485). lern, als Experte für die Beurteilung von Leistungen 24 Sibylle Reinhardt Journal of Social Science Education Gelingende Lehrerbildung Volume 8, Number 2, 2009, pp. 23–31

und ist damit in die gesamtgesellschaftliche Aufgabe Unterrichts. �������������������������������������Diese mögliche Theoretisierung unter- von Allokation und Selektion involviert. Seinem Klien- scheidet den Professionellen vom Prof, der sehr wohl ten Schüler kann der Lehrer durch objektive leistungs- erfolgreich Routinen reproduziert, dies aber auf intui- gerechte Einstufung (was einer offenen, der Idee nach tiver oder eingeübter Grundlage tut. Sein Handeln ist durch Leistung strukturierten Gesellschaft entsprä- eher rezeptgesteuert und kaum im Falle von Krisen che) aber schaden. (Denkbar wäre eine Verschiebung (der Motivation, des Lernens, des Wissens o. a.) der dieser Funktion in andere gesellschaftliche Teilberei- Distanzierung, der Reflexion und der Änderung zu- che wie Beruf oder Hochschule; dies ist zurzeit nicht gänglich. Die neue Generation von Lernenden ist viel- realistisch und würde sich für die Schule und die Ler- leicht fremd, materielle Gegenstände sind neu, ein ge- nenden auch nicht nur positiv auswirken.) Es bleibt in wandelter Schulkontext modifziert die Bedingungen, jedem Fall der zweite Konflikt: wissenschaftliche Fortschritte drängen sich auf – die 2) Was will der Klient Schüler? (Schüler-Zukunft versus alten Wege tragen nicht mehr, und nun wären Alterna- Schüler-Gegenwart) Der Lehrer soll den Schüler auf ein tiven zu erwägen und zu handeln. Leben vorbereiten, das dieser nicht kennen kann. Ziel Fachdidaktische Prinzipien wie z. B. Konflikt- oder ist der Erwachsene, dessen Entwicklung und Entfal- Problemorientierung (vgl. Reinhardt 2005) formulie- tung die Schule fördern soll. Aktuell gefördert wird ren die Begründung und die Konkretisierung unter- aber ein Jugendlicher, der im Moment ganz andere richtlicher Strategien. Als Professionswissen bauen Bedürfnisse und Fähigkeiten haben mag, als diese ide- sie die Brücke zwischen Theorie und Praxis, integrie- elle Figur des Erwachsenen verlangt. Das, was er im ren in kurzer Form Ziele, Inhalte, Bedingungen und Moment will, muss überhaupt nicht das sein, was er Methodik des Unterrichts und setzen vier unterschied- später für heute gewollt haben würde. Der Lehrer muss liche Wissensformen in Beziehung (eine Anregung deshalb die Schüler-Rolle für den Schüler mit interpre- von Grammes 1994). Diese vier Wissensformen sind tieren. Es geht also um die Überbrückung der Distanz 1. normatives Wissen: Werte und Überzeugungen vom zwischen dem Heute und dem Morgen. Diese Konflikt- Sinn und Ziel des Lernens (Demokratie-Lernen mit dimension kennzeichnet den Kern der Bildungsaufga- dem Ziel der Mündigkeit), 2. Fach(wissenschaft)liches be der Schule. Die Kompetenz des Lehrers muss es sein, Wissen: Die Gegenstände des Faches werden u. a. von die Brücke zu bauen, zu vermitteln zwischen Wissens- den Sozialwissenschaften beschrieben und erklärt, 3. und Lebenswelten, also: zu unterrichten. Alltagswissen: Alltägliche Zugänge der Lernenden 3) Die Konfliktlage kompliziert sich dadurch, dass der sind andere als die der Fachwissenschaften oder der Lehrer nicht einzelne Schüler unterrichtet, sondern Experten, 4. Berufswissen: Lehrer verfügen über eine Gruppen. Die����������������������������������������� Diagnose der Bedürfnisse und Möglich- Fülle von Verfahren und Strategien, wie Lernprozesse keiten der Klienten (selbst schon ein schwieriges Ge- organisiert werden können (von Methoden als Struk- schäft) führt zu widersprüchlichen Ergebnissen: die tur einer ganzen Unterrichtsreihe bis zu Medien als Ar- Legitimität der Bedürfnisse eines Schülers entscheidet beitsmittel – vgl. Reinhardt / Richter (Hg.) 2007). Das sich nicht nur daran, ob sie seinen eigenen Entwick- Beispiel der politisch-moralischen Urteilsbildung mag lungsprozess fördern, sondern ebenfalls an den Lernbe- dies demonstrieren. dingungen und Voraussetzungen der anderen Schüler. Was tun? Diese Widersprüche in der Rolle kann der Beispiel: Politisch-moralische Urteilsbildung Lehrer bei Strafe des Scheiterns nicht bereinigen. Da Normative Dimension: Demokratie erstrebt wertvolles die konfligierenden Ansprüche ständig zugleich beste- und sachlich informiertes politisches Handeln und ist hen, muss er situativ entscheiden, welche Norm er ge- der Menschenwürde als oberster Maxime verpflichtet. rade wie zum Ausdruck bringt – und wie er die Gegen- Fach(wissenschaft)liche Dimension: Tatsachenwis- norm dabei bewahrt. Die Metapher des „Balancierens“ sen und Sollensvorstellungen, Politik und Moral, empi- umschreibt dieses Handeln der Konfliktstruktur (vgl. rische und normative Aussagen, Zweck- und Wertrati- Reinhardt 1972, 1978, 1995). Konflikte zu balancieren onalität, Kontexte und Rahmenbedingungen machen je nach Situation und Fall bedarf der reflexiven Kom- die Komplexität der Sache aus. petenz, damit in Krisen des Lehrer- oder Schülerhan- Alltägliche Zugänge: Alltagsleben und Politik rufen delns über mehr als Routine-Handeln verfügt werden moralische Reaktionen (z.B. Empörung über Ungerech- kann. Eine solche reflexive Kompetenz ist ebenfalls tigkeit) hervor. Die Strukturen und Kriterien des Urtei- nötig beim besonderen Handeln des Lehrers, wenn er lens sind nach Entwicklungsstand, Lerngelegenheiten Politik /Sozialwissenschaften unterrichtet (vgl. auch und nach Kontexten unterschiedlich. Werner-Bentke 2009:62). Berufswissen: Politisches Entscheidungsdenken und Dilemma-Methode bezeichnen zwei Methoden, deren 4. Fachdidaktik: Wissen und Können und Phasen sie artikulieren: Reflexion Der professionelle Lehrer benutzt theoretische fach- didaktische Konstrukte für die Konstruktion seines 25 Sibylle Reinhardt Journal of Social Science Education Gelingende Lehrerbildung Volume 8, Number 2, 2009, pp. 23–31

Politisches Entscheidungsdenken: Dilemma-Methode:

1. Einstieg und Planung 1. Konfrontation mit Dilemma

2. Analyse der Situation 2. Strukturierung des Dilemmas

3. Erörterung der Möglichkeiten 3. Reflexion der Argumente

4. Urteilen und Entscheidung 4. Politisierung des Dilemmas (vgl. hierzu May 2007) 5. Anschluss-Betrachtung

Die Methoden formulieren die Dynamik, wie sich die 5. Lehrerbildung: Theorie und Praxis, Lernenden mit dem Gegenstand auseinandersetzen, Praxis und Theorie inszeniert durch den Lehrer. Eine Problemstudie (eine 5.1 Zur Vergeblichkeit von Theorie und von andere Methode) arrangiert einen anderen Zugang zu Praxis Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft als eine Konflikt- Alle Theorie der Sache und der Bildung ist unverbind- analyse oder ein Planspiel oder eine Fallstudie. Dem- lich, wenn sie nicht in der Praxis des Lehrens und gegenüber sind Schemata der allgemeinen Didaktik Lernens erscheinen kann. Die Perspektiven von Uni- zu unspezifsch, zu abstrakt (vgl. z.B. Meyer 1987:191 versität und Schule sind unterschiedlich, was wechsel- – Einstieg, Erarbeitung, Schluss); sie können nicht die seitige Schwierigkeiten bedingt: Praktiker empfnden Bewegung der Sache (hier der Politik) und die Bewe- häufg die universitäre Arbeit als „abgehoben“, Wis- gung des Lernens parallelisieren (vgl. Reinhardt/Rich- senschaftler empfnden häufg Lehrer als „schwierig“ – ter 2007:14f. mit dem Hinweis auf Osers weiterführen- und beide haben Recht! Wissenschaft muss in Distanz de Choreografen des Unterrichts). Beispielsweise wird zur Wirklichkeit arbeiten und Schule muss konkrete durch die Phase der Politisierung in der Dilemma-Me- Lehr- und Lernprozesse arrangieren. In der Lehrerbil- thode das individuelle moralische Dilemma transzen- dung stellt sich dann das Problem, wie beide Perspek- diert und in den übergreifenden Kontext politisch ge- tiven ihren Ort fnden können. stalteter Rahmenbedingungen des Handelns gestellt. Die verkürzte Hoffnung auf die Handlungsbedeu- Methoden beschreiben also die fachspezifsche Struk- tung theoretischen Wissens scheitert an der Beob- tur des Lehr-/Lernprozesses. achtung, dass glänzendes Reflektieren im Seminar Diese vierte Wissensform, das Berufswissen, ist dem der Universität oder des Studienseminars nicht das unterrichtlichen Handeln am nächsten. Trotzdem ist es entsprechende Handeln im Unterricht garantiert. Es Wissen über Handeln, über Können. Baumert und Kun- kann passieren, dass jene(r) Student(in), der/die wie ter sprechen vom praktischen professionellen Wissen, eine graue Maus zu leise und uninspiriert im Seminar vom Expertenhandeln, das auf einer intuitiven Inter- in der Ecke saß, im Unterricht durch Körpersprache pretation der Situation beruhe (484), von Expertise, in sofort Kontakt herstellt und einfühlsam beobachtend dem als praktischem Können formales und praktisches mit deutlichen Vorgaben inhaltlich und emotional Wissen aufgehoben seien (505). Diese Begrifflichkeit sinnvolle Lernprozesse organisiert. Als Fachleiterin ist verwirrend. Es muss festgehalten werden, dass alle habe ich die Illusion aufgegeben, ich könnte aus den Wissensformen sich „nur“ reflexiv zum Handeln, zum Einstellungen und dem Verhalten einer Person prog- Können verhalten. Zwar ist das Berufswissen dem Han- nostizieren, wie dieser Referendar oder diese Referen- deln am nächsten, es ist aber nicht gesagt, dass das darin im Unterricht handelt. Als Lehrerin wiederum richtige Wissen, wie zu handeln sei, auch das Können habe ich beobachtet, dass Kollegen mit progressiven verbürgt. Diese Diskrepanz hat weit reichende Folgen Vokabeln in dem Bereden von Schule und Unterricht für die Strukturen der Ausbildung zum professionel- nach Erzählungen von Schülern eher das Gegenteil len Lehrer! handelten (bis hin zu Kollegen, die sich über Lehrer Reflexive Kompetenz ist unerlässlich, damit profes- ihrer Kinder beschwerten mit solcher Kritik, die ihre sionell gehandelt werden kann. Routinen genügen eigenen Schüler an ihnen übten). Und dann kommt ja nicht in veränderlichen Umständen. Die eingespielten noch das Problem hinzu, dass es nicht den einen gu- Pfade müssen bedacht und beurteilt werden können ten Lehrer für alle Schüler gibt und dass Erzählungen (Reflexion) und können dann eher modifziert oder von Schülern und Eltern nicht die Realität „spiegeln“. verlassen werden. Dafür wiederum müssen alternati- Die verkürzte Hoffnung auf die Handlungsbedeu- ve Unterrichtskonstruktionen gedacht und gehandelt tung praktischen Wissens (Motto: Praxis lernt von Pra- werden können. xis) wiederum verkennt die Enge dieses Zugangs. ���Na- türlich lernen Praktiker von Praktikern, aber erst sich einzulassen auf Sinnfragen, auf (auch außerschulische) 26 Sibylle Reinhardt Journal of Social Science Education Gelingende Lehrerbildung Volume 8, Number 2, 2009, pp. 23–31

theoretische und praktische Kontexte öffnet den Blick on der Praxis auch die Theorie einbeziehen muss. Das für ungewohnte Möglichkeiten. Dabei ist Wissenschaft kann mit unterschiedlichen Gewichten geschehen, nicht der einzige sinnvolle Bezug, sondern Experten denn nicht jede Institution kann alles gleich gut und können auch theorie-bewusste und Praxis verarbeiten- die Vorteile von Arbeitsteilung und Spezialisierung de Kollegen sein, die ihrerseits den Kontakt zu theore- dürfen nicht verspielt werden. ������������������������Ein Beispiel: Falls Uni- tisierenden Kontexten halten. versitäten die Referendarausbildung oder einen Teil davon übernehmen müssten, kann man prognostizie- 5.2 Das Ziel der Lehrerbildung und die ren, was fünf Jahre später klar geworden sein würde: Institutionen dass Studienseminare und staatliche Aufsichtsbehör- Das Ziel der Bildung für die Lehrerprofession ist der den und Prüfungsämter organisatorische, beratende, Aufbau von Wissensbeständen und Handlungsrouti- rechtsstaatliche und – der Kern – ausbildende Funk- nen, die reflexiv vermittelbar sind. Es geht also um tionen erfüll(t)en, von denen Universitäten gar nichts den Erwerb theoretischen und praktischen Wissens ahnen und zu denen sie auch nicht verpflichtet sein und um die Ausbildung von Handlungsfähigkeiten sollten – auch sie haben nämlich genug Sinnvolles, (Können, Routinen) und um deren wechselseitige Ver- aber anderes, zu tun. mittlung und Störung (Reflexion). Wissen, Können und Reflexion sind die drei Dimensionen von Professionali- 5.3 Die Bedeutung der Person tät, die sich gegenseitig helfen und irritieren. Deshalb Für alle Phasen der praktischen Ausbildung gilt, dass müssen sie nicht jederzeit gleichgewichtig, aber doch der Student, der Referendar, der Lehrer sich selbst zum parallel in der Ausbildung auftauchen. Thema wird, was u. U. Ängste auslöst und es unmög- Die Universitäten mögen den Praxisbezug häufg lich macht, die Bedeutung der Vorgänge als z.B. „es nicht, was verständlich ist. Das Personal muss ein geht ja nur um die Organisation von Unterricht“ zu anderes sein als das für die Forschungsprojekte, die verkleinern. Oevermann betont mit Recht, dass es organisatorischen Abläufe sind völlig andere (nur ein beim Unterrichten um die Strukturlogiken „der Verge- kleines Beispiel: Schulen arbeiten in einem anderen meinschaftung, der material rationalen Sachhaltigkeit Jahresrhythmus als Universitäten), in manchen Fä- und der Strukturlogik der Beziehung zwischen ganzen chern taugen die üblichen Module nicht sehr für die Menschen“ (2008:69) geht. Der spezielle Ausschnitt, fachliche Lehramtsausbildung, die ohnehin nervende den z.B. der Techniker beim Reparieren der Heizung und ablenkende Selbstverwaltung hat das zusätzliche von sich offenbart, schützt zugleich seine Person vor Thema „Lehrer“ zu bedenken – und danken wird es ganzheitlichem Ausdruck und Eindruck. Lehrer müs- niemand, denn Rankings fragen bislang nach guter sen mit (viel mehr Anteilen) ihrer Person mit den Per- Lehre für Lehrer am wenigsten. sonen ihrer Lernenden interagieren. (Ein instruktives Die Schulen drängen sich in der Regel nicht nach konkretes Beispiel hierfür ist der Umgang von Politik­ dem Theoriebezug, was verständlich ist. Sowohl die lehrern mit Kontroversen und ihrer eigenen Position Dignität der Praxis, also ihre offensichtliche Bedeut- und den Positionen der Schüler in den Diskussionen samkeit, als auch der Druck des Handelns mit seinem im Unterricht, vgl. Reinhardt 2005:30-33). Verbrauch von Zeit und Energie provozieren Selbstbe- Die Bedeutung der Person erklärt, dass Studenten zug und die Erleichterung, wenn alles irgendwie läuft. und Referendare ohne nennenswerte Lehrerfahrungen Theoretisierung verlangt den Gang in die andere Welt von ihren Ausbildern zuerst und zuvörderst eines hö- der Muße, der Distanz, der Bücher und des Schreibens. ren wollen: „Wie wirke ich auf die Schüler?“ Sie wollen Als Gymnasiallehrerin habe ich an mir und anderen hören, dass sie grundsätzlich fähig sind, mit der Lern- beobachtet, wie das Lesen der Tageszeitung einen gruppe Kontakt aufzunehmen, eine Beziehung herzu- direkt instrumentellen Charakter bekam: Wo fnde stellen, Vertrauen in Person und Kompetenz zu stiften. ich Material für meinen Unterricht, das funktioniert? Diese Frage bleibt auch später eine Frage bzw. sie wird Ich habe Jahre gebraucht, bis mir dämmerte, dass nur wieder eine Frage, wenn Alter und Erfahrungen den wenige andere und ich in den Ferien und auch sonst Bonus der Jugend (also der Unterstellung von Seiten über theoretischen Büchern (von Rawls bis Habermas) der Lernenden, dieser Lehrer sei natürlich auf ihrer Sei- saßen, weil wir einen Bezug zu unserem Unterricht sa- te) aufgebraucht haben und wenn der Wandel der Zeit hen und ihn brauchten. Nur: Das gilt nicht für alle und eventuell den Zugang von früher entwertet hat. kann auch nicht verlangt werden. (Übrigens brauchen Weil immer die Person auf dem Spiel steht, müssen die Schulen ganz unterschiedliche Sorten Lehrerinnen Ausbilder bei ihren Reaktionen auf Unterricht mit be- und Lehrer und auch die Schüler brauchen nicht nur rücksichtigen, wie verletzbar und destruktiv kritische den einen Typ.) Kommentare (ohne die es nicht geht) sein können. Dieses Verständnis für die Probleme der theoreti- Aber das ist leicht gefordert und schwer getan! schen und der praktischen Seite ändert aber nichts an der Anforderung, dass die Institution der Theorie auch die Praxis machen muss und dass die Instituti- 27 Sibylle Reinhardt Journal of Social Science Education Gelingende Lehrerbildung Volume 8, Number 2, 2009, pp. 23–31

5.4 Die Bedeutung des Handelns richten als ganzheitlichem Vorgang in der Person und Ein Lehrer mag alle möglichen Zertifkate und Titel ihrer Lebenserfahrung.2 vorweisen – wenn er nicht unterrichten kann, ist das unwichtig (außer vielleicht für die Präsentation der 6.1 Lehrerbildung für Studenten Schule nach außen). Unterrichten ist Handeln und In der ersten, der universitären, Phase der Lehrer- das bedeutet, dass die entscheidende Frage immer bildung ist die Konsequenz aus dem Gesagten, dass ist: „Wie macht man das?“ Die in der Öffentlichkeit praktische Teile unabdingbar sind. Schon früh (auf gebrauchte Postulate-Didaktik (die Lehrer könnten, jeden Fall im Grundstudium, also im ersten Teil des sollten, müssten doch dies und jenes berücksichtigen Bachelor-Studiengangs) müssen betreute schulprak- und bewirken – kurzum: die Probleme dieser Gesell- tische Übungen stattfnden. Sie müssen vorbereitet schaft lösen) verkennt, dass zur Professionalität auch sein in der Fachdidaktik, die wiederum das spezielle die Angabe von konkreten Wegen gehört. Deshalb Theorie-Praxis-Verhältnis in ihren Veranstaltungen verlieren Studenten sich in Hausarbeiten manchmal verwirklichen muss. Das heißt konkret: Die Vorlesung in lange Überlegungen zur Einteilung von Gruppen zur Fachdidaktik läuft den Übungen zur Fachdidaktik für die Gruppenarbeit (nach einiger Zeit wird dieses nach, nicht umgekehrt (vgl. auch Reinhardt 2002:52). Vorgehen zur Routine und braucht nicht mehr thema- Ein Beispiel: Wir machen gemeinsam eine Übung, in tisiert zu werden) – ich fnde das nervend, aber dieser der wir eine Konfliktanalyse zu einem aktuellen Streit- Student bearbeitet hier ein für ihn im Moment zentra- punkt durchführen. Die���������������������������������� Fachdidaktikerin ist gewisser- les Handlungsproblem. maßen die Lehrerin, die den Studenten die Erfahrung Die Konsequenz aus der letztlich entscheidenden ermöglicht, was eine Konfliktanalyse konkret ist und Bedeutung des Handelns ist, dass alle Lehrerbildung was sie bei Lernenden bewirkt. Erst anschließend wird irgendwie die handwerkliche Frage nach dem „Wie?“ in der Vorlesung das Prinzip der Konfliktorientierung aufnehmen muss. Wenn Wissenschaftler Lehrer über theoretisiert – andernfalls wäre die Wahrscheinlich- ihr Fach belehren, müssen sie darauf vertrauen können, keit hoch, dass das Reden nur Schall und Rauch ist dass entweder erfahrene Lehrerinnen und Lehrer die (und auch bei dieser Reihenfolge bleibt die Vorlesung didaktische Transformation von selbst leisten werden eine schwierige Lehr- und Lernform). Ein idealisierter oder dass Arbeitsteilung zur Verteilung von Rollen Ablauf der Lehrveranstaltungen könnte so aussehen führt: der Fachwissenschaftler hat seinen Part und der (die Wirklichkeit ist „schmuddeliger“, sie enthält zeit- Fachdidaktiker hat einen anderen Part. Auch andere liche Brüche, Wiederholungen mit anderem Thema, Formen der Kooperation sind denkbar (z.B. mit Institu- Fortsetzungen eines Themas, eingestreute „Tipps und tionen der Lehrerfortbildung). Die Entscheidung über Tricks“ z.B. zum Nutzen des Internet, der Bibliothek, den konkreten Weg hängt von den gegebenen Mög- der Literatur anderer usw.): lichkeiten ab und berührt m. E. keine Grundsatzfrage, muss aber das Theorie-Praxis-Problem reflektieren. Übung Vorlesung

6. Lehrerbildung: Phasen Streitgespräch Kontroversprinzip Die Bildung eines Habitus braucht Zeit (vgl. Reinhardt 2002) und die wechselseitige Vermittlung und Störung Konfliktanalyse Konfliktorientierung von Theorie und Praxis braucht das fortwährende Wechselspiel. Deshalb sind künftige Lehrerinnen und Problemstudie Problemorientierung Lehrer schon in frühen Semestern an diese Aufgabe zu führen. Konzentration der Praxis auf kurze Phasen Rollenspiel (mit Handlungsorientierung mag kurzfristige verbale Bekenntnisse bewirken, aber Einrichten) kaum eine in der Person verankerte Habitualisierung. Im Gegenteil ist dann zu befürchten, dass – spätes- Fallstudie Fallprinzip tens in Krisen – die als Schüler selbst erlebten und Moralisch-politisches Politisch-moralische durch Erfahrung tief gegründeten Unterrichtsmuster Dilemma Urteilsbildung aufscheinen. (Der Wechsel einer Unterrichtskultur ist eine Generationen-Aufgabe, weil die Reproduktion Planspiel Zukunftsorientierung viel leichter ist als der Wechsel.) ������������������Eine meiner Lehre- rinnen in meiner Gymnasialzeit meinte später, als ich dort ein Praktikum machte, dass gute Lehrerinnen und Lehrer häufg selbst gute Lehrerinnen als Schülerinnen 2 Wir wissen über alle diese Zusammenhänge sehr wenig. ForFor-- gehabt hätten – das Argument hinter dieser Vermu- schung, die der Strukturlogik des Handelns auf die Spur kommt, tung ist der Hinweis auf die tiefe Gründung von Unter- gibt es kaum. Das ist keine Schelte der Wissenschaft, sondern ein Hinweis auf die Notwendigkeit solcher Forschungen, die allerdings aus methodischen Gründen gewaltige Ressourcen brauchten. 28 Sibylle Reinhardt Journal of Social Science Education Gelingende Lehrerbildung Volume 8, Number 2, 2009, pp. 23–31

Die Kontroversorientierung ist für unser Fach ein letzend und ungerecht Fachleiterinnen und Fachleiter Kernprinzip, d.h. das Kontroversprinzip muss in allen erlebt werden. Am leichtesten geht alles, wenn eine Methoden und in allen didaktischen Prinzipien er- Referendarin nach der Stunde im Besprechungsraum scheinen. �������������������������������������������Das würde auch für Wirtschafts- und Rechts- als erstes ruft: „Frau Reinhardt, ich hoffe, Sie können didaktik gelten müssen. mir sagen, warum das nicht gelaufen ist.“ Dann kann Es macht keinen Lern-Sinn, nur aus Skripten und – man mit Hilfe der Mitschrift ihr vielleicht zeigen, dass bestenfalls – Büchern zu entnehmen, welche Metho- sie selbst ihre tolle Planung durch einen falschen Im- den und Verfahren es gibt. Es������������������������� ist auch eine Überfor- puls (der halt so passiert ist) konterkariert hat. Solche derung, wenn Studenten im frühen Studium selbst Souveränität von Lernenden ist aber nicht selbstver- lehren sollen. �������������������������������������Ganz anders im späteren Teil des Stu- ständlich. diums: Manche Studenten entwickeln für Hausarbei- Die Möglichkeit der Katastrophe ist aus den gen. ten oder für das Praktikum in der Schule aufregende strukturellen Gründen im Referendariat am größten Modelle.3 Da ist es dann eine Form kollegialer Bildung, von allen Phasen der Lehrerbildung. Ich selbst habe wenn sie auch mit ihren Kommilitonen diese Werke jahrelang in einer Gruppe mit Freundinnen und Freun- durchführen und reflektieren. den an Supervision (privat organisiert und bezahlt) Die Lehre in der Hochschule ist eine eigene Sorte teilgenommen – es war für mich häufg verblüffend Praxis, die professionellen Ansprüchen an die Lehre und erhellend zu hören und zu sehen, wie extrem genügen muss: Die Predigt muss praktiziert und nicht schwierig die kommunikative Seite dieses Geschäfts gehalten werden. Wegen der weithin sozialisierten ist. Lerner und wegen des inhaltlichen Schwerpunkts der Während in der Universität die Theoretisierung Universität kann die Erfahrung mit dieser Lehre nicht durch die Eigenart der Institution ganz selbstver- die schulische / außerschulische Lehre ersetzen. Die ständlich institutionalisiert und legitimiert ist, ist Praxis-Teile in den Schulen müssen ebenfalls von der sie im Referendariat schwerer zu verwirklichen. Die Universität verantwortet werden, wobei abgeordnete Fachdidaktik und auch die Allgemeindidaktik stehen Lehrerinnen und Lehrer mit theoretischem Interesse ständig auf dem Prüfstand der praktischen Verwert- sehr hilfreich sein können. barkeit und müssen deshalb die Theoretisierung an praktische Handlungsprobleme andocken. (Meine „Po- 6.2 Lehrerbildung für Referendare litik-Didaktik“ von 2005 versucht diesen Zugang über Studienreferendare bzw. Lehramtsanwärter sind in der Handlungsprobleme und Unterrichtsbeispiele.) Schulpraxis verankert und ihnen muss für ihre Praxis geholfen werden. Der Ausgangspunkt für Beratung 6.3 Lehrerbildung für Lehrerinnen und und Kritik wird also häufg der konkrete Unterricht Lehrer dieser Referendare sein. Schwierig ist die Beratung, Lehrerfortbildung in der Form einzelner Veranstaltun- weil – wie oben betont – auch die Person als ganze gen ist sicher die „harmloseste“ Lehrerbildung. Leh- involviert ist, weil die Bewertung zudem auch noch rerinnen und Lehrer haben sich für ein Thema erklärt wichtig für die Zukunft ist und weil die Situation des und besuchen einen Lernort meist außerhalb ihrer Referendars eine ziemlich hermetische ist. Nie zuvor Schulen. Sie haben – vergleichsweise – Muße und kön- (außer in der Grundschule) war er bzw. sie abhängig nen sich auf die Veranstaltung konzentrieren. Die Si- von so wenigen Ausbildern wie in der Referendarzeit: tuation ist wie geschaffen für Aha-Erlebnisse mit weit zwei Fachleiter und ein Seminarleiter sind das gesamte reichenden Folgen für den Unterricht, aber auch für Personal für ihn im Seminar. Es gibt keine Möglichkeit Lockerheit und Vergänglichkeit der Eindrücke. Insge- der Wahl, ein Referendar kommt in ein Seminar und samt ist diese Möglichkeit sicher attraktiv für beide dann in Ausbildungsgruppen. Es kommen hinzu die Seiten, die Lernenden und die Lehrenden (wobei we- schulischen Betreuer bzw. Bewerter. Je nach Struktur gen des Expertenstatus der Teilnehmer die Asymme- der Ausbildung sind die schulischen Betreuer von Be- trie geringer sein kann als in der Universität und im wertungsfunktionen entlastet oder nicht (was jeweils Studienseminar). Vor- und Nachteile hat). Ein anderes Kaliber hat die Lehrerweiterbildung, bei Die Besprechung/Reflexion von Lehrproben/Stun- der in einem umfangreichen Studium eine Fakultas er- den ist ein heikles Geschäft. Unter Fachleitern ist ein worben wird. Die Motive zur Teilnahme können sehr Dauerthema „Wie sag’ ich es meinem Kinde?“, wenn unterschiedlich sein: In den Studiengängen nach der energische Kritik als notwendig gesehen wird. Unter Wende in den östlichen Bundesländern gab es Lehre- Referendaren ist es sicher ein Dauerthema, als wie ver- rinnen und Lehrer, deren Berufstätigkeit von einem weiteren Fach abhing, weil z.B. Russisch nicht mehr in dem früheren Umfang gebraucht wurde. Andere Teil- 3 In Halle haben wir inzwischen eine ganze Serie von u. a. PlanPlan-- nehmer – so mein Eindruck – hatten immer schon of- spielen oder Fallstudien, die von Studenten entwickelt und aus- probiert worden sind – s. Didaktischer Koffer. feneren Unterricht machen wollen und suchten solche Anregungen jetzt im Fach des Demokratie-Lernens. 29 Sibylle Reinhardt Journal of Social Science Education Gelingende Lehrerbildung Volume 8, Number 2, 2009, pp. 23–31

Schließlich gab es auch Teilnehmer, die nach Jahren nicht Können, Können ist nicht immer bewusst, ein- des Unterrichtens zurück an die Universität wollten gespieltes Wissen und Können bedürfen der Reflexion und auch die fachliche Herausforderung suchten. Ob für Veränderungen. die unterschiedlichen Motive einen Unterschied für Kern der Lehrerbildung ist die theoretische und prak- das Studieren und für den Studienerfolg ergaben weiß tische (Aus-)Bildung für den Beruf. ������������������Die unterschiedli- ich nicht. chen Phasen verwirklichen die Schwerpunkte Wissen, Auf jeden Fall ist ein weiterbildendes Studium Können und Reflexion in unterschiedlicher Mischung, mit allen Anforderungen für den Abschluss sehr an- dürfen aber keine der Perspektiven aus dem Blick ver- strengend, da es neben der nur wenig reduzierten lieren. Diese eigentümliche Inter-Disziplinarität stellt Berufstätigkeit abläuft. Komplikationen wie familiäre an die Institutionen und die Handelnden aufregende Probleme oder Krankheiten sind häufger als bei jun- und komplizierende Anforderungen für Organisation gen Studenten. Auch ist es nicht immer einfach, als und Kompetenz. „gestandener“ Lehrer von teils jungen Assistenten ler- Fachdidaktiker müssen die Vermittlung von Theorie nen zu sollen (umgekehrt gesehen ist das auch nicht und Praxis selbst verkörpern. Für ihre Stellung in der einfach). Universität mögen empirische Forschungen mit Dritt- In der Lehrerweiterbildung ist es nach meinem mitteln (von denen hier gar nicht die Rede war) pres- Eindruck unerlässlich, dass der Fachdidaktiker glaub- tigeträchtiger sein, aber ihre singuläre Stellung neben würdig durch Erfahrung ist. Lehrer „riechen“ nach den Kollegen in den Fachdisziplinen verschafft ihnen drei Sätzen über Unterricht, ob der Redende nur über ihr Professionsbezug. Deshalb müssen Fachdidaktiker Unterricht redet, oder ob er Erfahrungen verarbeitet. in ihrer Biografe das Wechselspiel von Theorie und Wissen ohne Können ist kein Professionswissen, son- Praxis selbst vollzogen haben. Die beiden Staatsprü- dern nur Wissen über Können, aber nicht Wissen aus fungen weisen dies nach, gefolgt von schulischer oder und mit Können. außerschulischer Bildungspraxis und wissenschaftli- cher Arbeit (Promotion und Veröffentlichungen). 7. Fazit: Gelingende Lehrerbildung Auch Allgemein-Didaktiker bzw. Schulpädagogen verknüpft Theorie und Praxis müssen die Vermittlung von Theorie und Praxis ver- Der Kern des Lehrerberufs ist das Unterrichten, wozu körpern und nicht nur bereden. Das fördert die Glaub- auch Erziehen, Beraten, Diagnostizieren und Bewer- würdigkeit in der Lehre (besonders in der Lehrerwei- ten gehören. Nur analytisch lassen sich allgemeine terbildung) und den Realitätssinn für die Forschung. (fächerübergreifende) Probleme der Lehrerrolle (ihre Gelingende Lehrerbildung verlangt andere Karrie- Konfliktstruktur) und besondere (fachspezifsche) ren als die der nur theoretisch und empirisch arbei- Anforderungen an das Lehrerhandeln unterscheiden, tenden Wissenschaftler, nämlich den Wechsel von aber nicht praktisch. Sowohl Strukturtheorie als auch praktischem und theoretischem Arbeiten oder ihr Ne- fachdidaktisch konkretisierte Kompetenztheorie tra- beneinander. Dafür aber brauchten wir institutionell gen zum Konzept von Professionalisierung bei. vorgezeichnete Wege, denn bisher hängt der Gang Professionelles Lehrerhandeln umfasst Wissen, Kön- zwischen Hochschule und Schule und zurück zu häufg nen und Reflexion.Die �������������������������������� Modi beziehen sich aufeinan- vom privaten Engagement ab und fndet deshalb eher der, gehen aber nicht ineinander auf: Wissen ersetzt zufällig und zu selten statt.

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31 Journal of Social Science Education © JSSE 2009 Volume 8, Number 2, 2009, pp. 32–45 ISSN 1618-5293

Bettina Zurstrassen Kompetenzorientierte Lehrerbildung in den sozialwissen- schaftlichen Unterrichtsfächern: Blühende Landschaften in der sozialwissenschaftlichen Lehrerbildung von morgen?

Abstract Die Erwartungen, die mit einer kompetenzorientierten Lehrerbildung verbunden werden, sind ausgesprochen hoch, teilweise euphorisch. Beim Rezipieren der Literatur entsteht der Eindruck einer blühenden Zukunft der Leh- rerbildung. Ist aber die Hinwendung zu einer an Kompetenzen und Standards ausgerichteten, outputorientier- ten Lehrerbildung der Königsweg aus der Misere im Bildungssystem? Zweifel sind meines Erachtens angebracht. Im Aufsatz werden unter Bezugnahme auf die Lehrerbildung für die sozialwissenschaftlichen Fächer drei Thesen diskutiert, die im Kontext der Debatte um Kompetenzen und Standards oft als Legitimation angeführt werden: 1. Externe Monitoringverfahren im Rahmen der Outputsteuerung verbessern die Qualität der Lehrerbildung, 2. Kompetenzorientierung ist eine „erfolgreiche Forschungsstrategie“ und 3. Kompetenzorientierte Lehreraus- bildung führt zu einer Qualitätssteigerung des Schulunterrichts.

Competence-oriented teacher’s training in social science subjects: blooming landscapes in social sci- ence teacher’s training of tomorrow? The expectations which are associated with a competence-oriented teacher’s training are extremely high, partly euphoric. When absorbing the literature the impression is gained of a blooming future for teacher’s training. Is however the devotion to a teacher’s training which is oriented to competences and standards and output- oriented the best way out of the misery in the education system? Doubts are reasonable here in my opinion. Three theses are discussed in the essay by referring to teacher’s training for social science subjects, which are of- ten mentioned as legitimation in the context of the debate concerning competences and standards: 1. External monitoring procedures within the framework of the output control improve the quality of teacher’s training, 2. Competence-orientation is a „successful research strategy“ and 3. Competence-oriented teacher’s training leads to an improvement in quality of the school lessons.

Inhalt 1. Die Ausbildungsstandards der 1. Die Ausbildungsstandards der Kultusministerkon- Kultusministerkonferenz für die ferenz für die sozialwissenschaftliche Lehrerbil- sozialwissenschaftliche Lehrerbildung dung Als Weg aus der Bildungsmisere in Deutschland wird 2. These 1: Externe Monitoringverfahren im Rahmen von der Bildungspolitik, nicht erst seit der PISA–Studie, der Outputsteuerung verbessern die Qualität der aber durch sie forciert, analog zum Schulsystem eine out- Lehrerbildung putgesteuerte Ausrichtung der Lehrerausbildung anvi- 2.1 Fehlender Konsens über Lehrerkompetenzen siert, die sich an Kompetenzen und Standards orientiert. 2.2 Fehlende empirische Messinstrumente zur Über- Für die einzelnen Unterrichtsfächer hat die Kultusmi- prüfung der Lehrerkompetenz in der sozialwissen- nisterkonferenz am 16. Oktober 2008 fachspezifsche schaftlichen Lehrerbildung Kompetenzprofle und inhaltliche Standards verab- 3. These 2: Kompetenzorientierung ist eine „erfolg- schiedet. Das Fachprofl für die sozialwissenschaftli- reiche Forschungsstrategie“ chen Fächer lautet: 3.1 Fachdidaktisches Wissen und Lehrerkompetenz 3.2 Fachfremder Unterricht versus fachgerechter Un- „Die Studienabsolventinnen und –absolventen verfü- terricht gen über fachspezifsche Kompetenzen in Politikwis- 3.3 Curriculumforschung darf nicht vernachlässigt senschaft, Soziologie und Wirtschaftswissenschaft werden sowie in den zugeordneten Fachdidaktiken. Sie 4. These 3: Kompetenzorientierte Lehrerbildung – beherrschen grundlegendes, strukturiertes Wissen führt zu einer Qualitätssteigerung des Schulunter- in den genannten Disziplinen und sind mit zentra- richts len sozialwissenschaftlichen Fragestellungen und Literatur Denkweisen vertraut, – können grundlegende politikwissenschaftliche, so- Keywords: ziologische und wirtschaftswissenschaftliche Kon- Kompetenzen, Standards, Deprofessionalisierung, Ak- zepte, Theorien und Methoden erläutern, verglei- kreditierung chen, anwenden und beurteilen,

32 Bettina Zurstrassen Journal of Social Science Education Kompetenzorientierte Lehrerbildung in den sozialwissenschaftlichen Unterrichtsfächern Volume 8, Number 2, 2009, pp. 32–45

– können politische, gesellschaftliche und ökonomi- Bevor auf diese Legitimationsansätze eingegangen sche Probleme und Konfliktlagen beschreiben und wird, soll zunächst der Kompetenzbegriff geklärt mit sozialwissenschaftlichen Methoden analysieren, werden. Mit der von der Bildungspolitik forcierten – können Wege zur rationalen politischen, sozialen Umorientierung auf ein am Output ausgerichtetes Bil- und ökonomischen Urteilsbildung aufzeigen und dungssystem wird ein Konzept eingeführt, für das in eigene Urteile begründet fällen, der Wissenschaft noch nicht einmal eine einheitliche – beherrschen elementare sozialwissenschaftliche Me- Begrifflichkeit vorliegt, die aber notwendig ist, um thoden und Arbeitstechniken sowie Ansätze inter- zu validen Ergebnissen in den Analysen zu kommen disziplinärer Arbeit, (Maag Merki 2007, 17). Während Katharina Maag Merki – verfügen über anschlussfähiges fachdidaktisches die Kompetenzen den Standards unterordnet, verwen- Orientierungswissen über Konzepte, Methoden und det die KMK ein Konzept, bei dem die Kompetenzen Befunde zur Entwicklung der gesellschaftlichen Bil- den Standards übergeordnet werden (Maag Merki dung, 2005, 12; KMK 2004). Eine wissenschaftliche Anschluss- – können Ziele, Konzepte, Bedingungen, Abläufe und fähigkeit der einzelnen Studien und eine international, Ergebnisse von Lehr–Lernprozessen in der gesell- vergleichende empirische Evaluation der Reformen schaftlichen Bildung analysieren und reflektieren, auf dem anvisierten, utopisch anmutenden, einheit- – können lernbedeutsame politische, gesellschaftli- lichen europäischen Bildungsmarkt (Bologna Reform) che und ökonomische Probleme identifzieren, ihre sind jedoch ohne einen solchen Ansatz nicht reali- Bedeutung für die Lernenden und die Gesellschaft sierbar. Manche Autoren vertreten mittlerweile die einschätzen, geeignete sozialwissenschaftliche Ana- Position, dass der Kompetenzbegriff selbst ein Prob- lysekonzepte ermitteln und alternative Problemlö- lem darstellt, weil er unspezifsch, allumfassend und sungen beurteilen, damit inhaltslos sei (vgl. Klieme und Hartig 2008, 14). – können exemplarisch fachliche Lehr– und Lernpro- Im vorliegenden Artikel wird der Auslegung der KMK zesse schüler– und problemorientiert diagnostizie- gefolgt, die sich in den deutschsprachigen Ländern in ren, analysieren, auch für heterogene Lerngruppen der Kompetenz– und Standarddebatte mittlerweile planen und arrangieren sowie Unterrichtsversuche durchgesetzt hat. Kompetenzen sind berufsbezogene im Fach evaluieren, Fähigkeiten einer Lehrerin und eines Lehrers, die im – verfügen über erste reflektierte Erfahrungen in der Verlauf der Ausbildung und der beruflichen Laufbahn kompetenzorientierten Planung und Durchführung erworben werden. Eine Konkretisierung fnden Kompe- von Fachunterricht und kennen Grundlagen der tenzen in Form von Standards, die den Maßstab für Leistungsdiagnose und –beurteilung im Fach“ (KMK den Ausbildungsgrad von Kompetenzen bilden. Diese 2008, 36). Defnition des Begriffs „Kompetenzen“ orientiert sich an der Defnition des Schweizer Bildungsforschers Jür- Die Erwartungen, die mit einer kompetenzorientier- gen Oelkers (vgl. 2004, 2), sie wurde aber um den As- ten Lehrerbildung verbunden werden, sind ausgespro­ pekt des Kompetenzerwerbs während der beruflichen chen hoch, teilweise euphorisch. Beim Rezipieren Laufbahn erweitert, um zu verdeutlichen, dass der der Literatur entsteht der Eindruck einer blühenden Kompetenzerwerb mit der Ablegung der Lehrerexami- Zukunft der Lehrerbildung. Ist aber die Hinwendung na nicht abgeschlossen ist. zu einer an Kompetenzen und Standards ausgerichte- ten outputorientierten Lehrerbildung der Königsweg 2. These 1: Externe Monitoringverfahren im aus der Misere im Bildungssystem? Zweifel sind mei- Rahmen der Outputsteuerung verbessern nes Erachtens angebracht. Im Aufsatz werden unter die Qualität der Lehrerbildung Bezugnahme auf die Lehrerbildung für die sozialwis- Während bisher die staatliche Steuerung des Bildungs- senschaftlichen Fächer drei Thesen diskutiert und auf systems durch Input–Vorgaben, wie zum Beispiel ihren Realitätsgehalt überprüft, die im Kontext der durch die Prüfungsordnungen für das Staatsexamen, Debatte um Kompetenzen und Standards oft als Legi- erfolgt ist, soll in Zukunft durch die Entwicklung und timation angeführt werden: Festlegung von Kompetenzen und Standards der Out- put vorgegeben werden. Der „Soll–Operator“, der 1. Externe Monitoringverfahren im Rahmen der Out- kennzeichnend für die klassische Lernzielformulierung putsteuerung verbessern die Qualität der Lehrer- ist, wird durch eine Ist–Formulierung ersetzt und da- bildung. mit das Lernergebnis defniert. Das ist zunächst aber 2. Kompetenzorientierung ist eine „erfolgreiche For- nur eine semantische Übung und im Grundsatz nichts schungsstrategie“. Neues, denn auch bei den operationalisierten Lernzie- 3. Kompetenzorientierte Lehrerausbildung führt zu len wird seit den 1970er Jahren der Output defniert, einer Qualitätssteigerung des Schulunterrichts. indem der Lernprozess und Lernerfolg durch eine be- obachtbare Verhaltensänderung (z.B. im Hinblick auf die inhaltliche Argumentation oder auf eine Erweite- 33 Bettina Zurstrassen Journal of Social Science Education Kompetenzorientierte Lehrerbildung in den sozialwissenschaftlichen Unterrichtsfächern Volume 8, Number 2, 2009, pp. 32–45

rung bzw. Vertiefung der Methodenkompetenz) auf- Lehrerausbildung an den Hochschulen erfolgt derzeit gezeigt wird (vgl. Geiger 1974, 18). Mit den „Soll–Ope- allerdings nicht.1 ratoren“ wird jedoch der Tatsache Rechnung getragen, Die Steuerung der Lehrerbildung, Winter spricht dass Lernprozesse nicht nach der Gleichung „Input von einer „Pseudo–Entstaatlichung der gestuften gleich Output“ erfolgen. Es wird berücksichtigt, dass Lehrerstudiengänge“ (2007, 13), erfolgt derzeit durch Lernprozesse zu einem erheblichen Teil auch konstruk- den Einsatz von drei Gestaltungsinstrumenten, mit tiv verlaufen und von daher eine lernerorientierte Pla- denen die Ministerien Einfluss auf die Konzeption und nungsoffenheit des Seminars notwendig ist. Organisation der Lehrerbildung nehmen (Winter 2007, Als zentrales Unterscheidungskriterium wird ange- 11–13). führt, dass die Standards und über sie die Kompeten- zen einer externen Evaluation durch standardbasierte 1. Auf der Ebene des Abschlusses, weil der Master- Verfahren (Tests, Beobachtungen, Befragungen) zu- studiengang nur mit einer Äquivalenzbescheini- gänglich sein müssten (Maag Merki 2007, 20, Sander gung als Erstes Staatsexamen anerkannt wird und 2005, 45). Erst durch eine Rückkoppelung der empi- damit für die Absolventen die verfassungsmäßige risch validen Ergebnisse aus dem externen Monito- Garantie greift, ihre Ausbildung abschließen zu ringverfahren an die Ausbildungsinstitution, werde können. nach Maag Merki ein outputorintiertes Steuerungs- verfahren initiiert (2007, 18). Auf der Ebene der Studiengestaltung ergeben sich Durch den Paradigmawechsel von der Input– zur zwei Gestaltungsspielräume für die Ministerien: Outputorientierung könnten positive Effekte auf die Lehrerbildung in den sozialwissenschaftlichen Fächern 2. In der curricularen Konzeption durch die Vorga- ausgehen, wenn die lehrerausbildenden Institutionen ben der inhaltlichen Standards für die einzelnen tatsächlich einer Qualitätskontrolle unterzogen wür- Unterrichtsfächer, deren Einhaltung von den Kul- den. Die Lehramtsausbildung ist an vielen sozialwis- tusministerien kontrolliert werden soll. senschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten ein Nebengeschäft. Negative Äußerungen 3. Beim Akkreditierungsverfahren, dessen positiver über die Lehrerbildung und Studierende des Lehramts Ausgang zumeist die Voraussetzung für die staat- sind im Bereich der sozialwissenschaftlichen Leh- liche Genehmigung bzw. Weiterführung eines Stu- rerausbildung keine Seltenheit (Schlösser 2008, 53). dienganges ist. Lehramtsstudierende werden oft als „cash cows“ mit- genommen, d.h., die staatlichen Mittel und Studienge- Die Einflussnahme der Länder bei Akkreditierungs- bühren übersteigen die Kosten. Der Nachrangigkeit der verfahren ist im Statut für ein länder– und hochschul- Lehrerbildung gegenüber den Einfachmastern (früher übergreifendes Akkreditierungsverfahren festgelegt. Diplomstudierenden) könnte durch eine elaborierte Es soll sicherstellen, dass die Vertreter der Ministerien Proflbildung entgegengewirkt werden (Hiligius und beim Akkreditierungsverfahren erheblichen Einfluss Rinkens 2008, 104; Timmerhaus 2001, 115). Als „Ins- nehmen können (KMK 2004). Die Effektivität des Ak- titutionenstandards“ könnten Kompetenzen und Stan- kreditierungsverfahrens als Instrument der Qualitäts- dards wirken, wenn die lehrerausbildenden Fakultäten steuerung ist allerdings äußerst zweifelhaft. und Universitäten sich durch regelmäßige Überprüfun- Exemplarisch soll diese Problematik am Beispiel gen für die Qualität der Lehrerausbildung verantwor- der insgesamt erfolgreich verlaufenen Akkreditierung ten müssten. Das ist um so wichtiger, weil durch die des „Master of Education“ an der Ruhr–Universität Modularisierung der Lehrerbildung an vielen Universi- Bochum skizziert werden. Die Akkreditierung, die täten zwar spezifsche Module für das Lehramtsstudi- von der „Agentur für Qualitätssicherung durch Akkre- um angeboten werden, aber die Tendenz besteht, dass ditierung von Studiengängen“ (AQAS) durchgeführt sich, ähnlich wie in den USA, die Hochschulprofessoren wurde, erfolgte auf der Grundlage eines Berichtes (Mo- zunehmend aus der Lehrerbildung herausziehen, um dulbeschreibungen, Ausstattung, Lehrangebot etc.), fachwissenschaftlich–akademische Seminare durchzu- führen, und geringer qualifzierte Dozenten Seminare für Lehrämter übernehmen (Mintrop 2006, 113). 1 In Nordrhein-Westfalen soll auf der Grundlage des Artikels § 52,3 LPO NRW ein kooperatives Evaluationskonzept erarbei- Ein outputorientiertes Steuerungsverfahren setzt tet werden. Die Evaluation nach den Rahmenvorgaben für die voraus, dass im Rahmen eines Monitoringverfahrens „Entwicklung von Kerncurricula“ soll zum Beispiel durch die ver- die Erfüllung der Outputvorgaben überprüft und das gleichende Auswertung von Prüfungsergebnissen an verschie- Ergebnis den Ausbildungsinstitutionen rückgekop- denen Hochschulen erfolgen (MSW NRW, 2004, 7). Wenn aber pelt wird (Maag Merki 2007, 18). Eine externe, empi- als Indikator für die Qualitätsmessung die Prüfungsnoten he- rangezogen werden, muss kritisch eingewendet werden, dass risch valide, vergleichende Evaluation der Qualität der Noten nur wenig über die reale Ausbildungsqualität aussagen. Außerdem ist der Indikator „Noten“ ein weiterer Faktor, der die Inflation guter Examensnoten fördert. 34 Bettina Zurstrassen Journal of Social Science Education Kompetenzorientierte Lehrerbildung in den sozialwissenschaftlichen Unterrichtsfächern Volume 8, Number 2, 2009, pp. 32–45

einer Begehung sowie einer Befragung von Lehrenden verlagert. Nicht die Analyse der Studierbarkeit auf der und Studierenden. Überprüft wurde vornehmlich die Grundlage der eingereichten Strukturdaten steht pri- Qualität und der innovative Zuschnitt des Studien- mär im Blickpunkt der Gutachter, sondern die Quali- programms. Entsprechend technizistisch felen die tät des Studienprogramms (Baumgart, Wittpoth 2007, Auflagen aus. Fächerübergreifend wurde zum Beispiel 110). Das Defzit der derzeitigen Akkreditierungspra- die Auflage erteilt, in den Modulbeschreibungen kom- xis ist, dass die Qualitätsanalyse sich weitgehend auf petenzorientierte Ziele auszuweisen und die Prüfungs- die formale bzw. inhaltlich programmatische Ebene formen variationsreicher zu gestalten. Diese Auflagen beschränkt, wobei die Überprüfung, ob die strukturel- müssen dokumentiert und bis zum 30. September len Voraussetzungen zur Umsetzung der Studienpro- 2009 schriftlich bei AQAS angezeigt werden. Um die gramme erfüllt werden, oft eine untergeordnete Rolle Akkreditierung des Studiengangs nicht zu gefährden, spielt (Ebd.). Die in Akkreditierungsverfahren viel dis- werden kompetenzorientierte Modulbeschreibungen kutierte Frage, ob die „Standards“ des Faches erfüllt aufgestellt, die jedoch insbesondere bei den fachdi- werden und welche Kompetenzen den Studierenden daktischen Modulen kein fachspezifsches Profl aus- vermittelt werden bzw. werden sollen (Ebd.), kann weisen. Exemplarisch soll das kurz aufgezeigt werden. in Akkreditierungsverfahren derzeit wissenschaftlich Der Standard „Fachliches Lernen planen und gestalten“ fundiert nicht überprüft werden. Das liegt darin be- wird in einem Modulhandbuch wie folgt ausgeführt: gründet, dass zwei fundamentale Aspekte nicht ge- klärt sind: Erstens, es ist nicht defniert, über welche „Standard 4: „Fachliches Lernen planen und gestalten“ Kompetenzen Lehrerinnen und Lehrer verfügen sollen. Zweitens, es ist offen, welchen Kompetenzstand die Ausgebildete Lehrkräfte Studierenden erreichen müssen und wie dieser empi- 4.1 verfügen über Erfahrungen in der didaktischen Re- risch erfasst werden kann. Auf beide Aspekte wird im duktion, der Elementarisierung, der Veranschauli- Folgenden vertiefend eingegangen. chung, der Akzentuierung, der Problematisierung und der Versprachlichung komplexer und abstrak- 2.1 Fehlender Konsens über ter (…) Sachverhalte. Lehrerkompetenzen 4.2 haben Erfahrungen im Planen und Gestalten struk- Mit dem Beschluss der „Ländergemeinsamen inhalt- turierter (…) Unterrichtseinheiten mit angemes- lichen Anforderungen für die Fachwissenschaften senem fachlichem Niveau, die auf Kumulativität und die Fachdidaktiken in der Lehrerbildung“ hat die und Langfristigkeit hin angelegt sind. Kultusministerkonferenz ein erstes Kompetenzmodell 4.3 sind geübt in der Planung und Gestaltung von (…) für die Lehrerbildung in den sozialwissenschaftlichen Unterrichtsstunden mit verschiedenen Kompe- Fächern vorgelegt. Bereits die Verständigung auf die- tenzbereichen (Breite) und allen Anforderungsbe- sen Kanon von lehrerspezifschen Kompetenzen und reichen (Tiefe). Standards für die sozialwissenschaftlichen Fächer hat 4.4 haben Erfahrungen im Planen und Gestalten von sich als äußerst schwierig erwiesen, weil mit ihm ein Lernumgebungen selbst gesteuerten fachlichen fachspezifscher Richtungsstreit verbunden war. Die Lernens (Projekte, Stationenlernen, Freiarbeit „Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen etc.).“ für das Fach Sozialkunde/Politik/Wirtschaft belegen, dass noch ein erheblicher Diskussionsbedarf besteht, Der Leser, die Leserin wird bemerkt haben, dass in die um ein fachspezifsches Lehrerkompetenzmodell he- Auslassungen unter 4.1–4.4 nahezu jedes beliebige Un- rauszuarbeiten. Es wird in den ländergemeinsamen terrichtsfach eingefügt werden kann. Dieser Standard Anforderungen vom „Kern“ des Faches gesprochen ist dem Modulhandbuch für den Bachelor–Studien- und von „elementaren Methoden und Arbeitstechni- gang „Biologie–Lehramt“ an der Universität Koblenz– ken“, aber aus politisch–strategisch, konsensuellen Landau vom 28. April 2007 entnommen worden (Fi- Gründen fndet keine Konkretisierung statt (KMK 2008, scher 2007, 4). Ähnliche Formulierungen fnden sich 36-37). Es werden Inhaltsbereiche aufgezählt, aber der fachübergreifend auch in anderen Modulhandbüchern. lernpsychologische, inhaltliche und methodische Zu- Die Ursache für die geringe Fachspezifk liegt nicht im sammenhang bleibt ungeklärt, weshalb das Problem Unvermögen der Autoren, sondern ist eine strategi- der Stoffauswahl weiterhin besteht (vgl. Kammertöns sche Entscheidung, um eine ständige Neuauflage der 2008, 77). Die ländergemeinsamen Anforderungen für Modulhandbücher zu umgehen. Als Grundlage für die Lehrerbildung stellen einen Minimalkonsens dar. qualitätsvergleichende Evaluationsprojekte, sind die Um vergleichende Qualitätsanalysen in der sozialwis- Modulhandbücher damit aber substanzlos. Nun kann senschaftlichen Lehrerbildung zu ermöglichen, muss man einwenden, dass in der ursprünglichen Konzep- zunächst das Spezifsche des Faches herausgearbeitet tion das Akkreditierungsverfahren systematisch von werden. Auf dieser Grundlage könnten dann Kompe- der Evaluation der Studiengänge getrennt war. In der tenzbereiche defniert werden (Ebd.). Akkreditierungspraxis hat sich der Fokus allerdings 35 Bettina Zurstrassen Journal of Social Science Education Kompetenzorientierte Lehrerbildung in den sozialwissenschaftlichen Unterrichtsfächern Volume 8, Number 2, 2009, pp. 32–45

Der KMK–Beschluss ist vor allem ein politisches des aktuellen Forschungsstandes“ (Beck 2006, 46). Die Papier, denn wie wissenschaftlich lehrerspezifsche Orientierung am realistisch Machbaren darf jedoch Kompetenzen ermittelt und welche Standards erreicht nicht zu einer Verengung auf Kompetenzen führen, werden sollen, ist noch ungeklärt (Darling–Hammond die empirisch messbar sind. Manche Kompetenzen 2002, 70). Ein programmatisches Papier über Leh- werden in den Kompetenzmodellen ausgewiesen, zum rerkompetenzen hat die Europäische Kommission Beispiel die diagnostische Kompetenz, bei welcher der aufgestellt, die jedoch nicht konkret auf die Unter- fachdidaktische Forschungsstand noch wenig elabo- richtskompetenzen bezogen sind, sondern auf den riert ausfällt, die aber von Lehrern, wenn auch wis- Qualifkationsstatus von Lehrern fokussieren (Euro- senschaftlich wenig fundiert, geleistet werden muss pean Commission 2005). Den Diskussionsstand fasst und wird. Die Korrektur einer Klassenarbeit, das Brain- Choram–Smith zusammen: [E]verybody likes teacher storming zu Beginn einer Unterrichtseinheit etc. sind quality and wants more of it. The problem is there is diagnostische Instrumente, mit deren Einsatz Lehrer no consensus about what it is“ (Cochran–Smith, 2005 Erkenntnisse über den Leistungsstand einer Lerngrup- S. 6; hierzu auch Kraler 2008, 169). Die������������������� Zahl der Kompe- pe oder eines Schülers gewinnen können. Die Kom- tenzen und Standards, die in einem Kompetenzmodell petenzanforderungen an Lehrer gehen weit über das für Lehrer defniert werden können, ist nahezu gren- hinaus, was wir in der Lehrerbildung wissenschaftlich zenlos. Während in England ein Lehrer, dem der Status fundiert vermitteln und empirisch, valide zu überprü- eines „Qualifed teachers“ zuerkannt wird, die Beherr- fen in der Lage sind. schung von 42 Standards (= Kompetenzen) nachwei- sen muss (Buchberger und Buchberger, 2002), sollen 2.2 Fehlende empirische Messinstrumente Lehrerinnen oder Lehrer für das Fach Wirtschaft an zur Überprüfung der Lehrerkompetenz Haupt– und Realschulen in Rheinland–Pfalz mit ihrem in der sozialwissenschaftlichen Zweitfach insgesamt 130 Kompetenzen erwerben (vgl. Lehrerbildung Beck 2006, 44). Bei derart komplexen Anforderungen, Differenzen gibt es zunächst im Hinblick auf die Anfor- die bereits an Lehrer gestellt werden, die gerade ihre derungen der empirischen Messbarkeit der aufgeführ- Ausbildung absolviert haben, wird das Scheitern zum ten Kompetenzen und Standards. Weinert, auf dessen Normalfall. Defniert man jedoch nur wenige Kompe- Defnition in der Literatur oft Bezug genommen wird, tenzen, kann es zu einer Verengung und zu einer Sim- betont den Aspekt des Motivationalen. Kompetenzen plifkation des Leitbildes des Lehrerberufes kommen. sind: Beck wendet zudem ein, dass selbst die Beherrschung „(…) die bei Individuen verfügbaren oder durch sie der Einzelkompetenzen noch keine Gewähr für erfolg- erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, reiches Lehrerhandeln sei, da noch immer ungeklärt sei, um bestimmte Probleme zu lösen sowie die damit ver- auf welche Weise und mit welchen Anteilen Kompe- bundenen motivationalen, volitionalen und sozialen tenzen eine konkrete erfolgreiche Lehrerhandlung her- Bereitschaften und Fähigkeiten, um Problemlösungen vorrufen. Er spricht daher, nicht ohne Süffsanz, von in variablen Situationen erfolgreich und verantwor- der Notwendigkeit in der Lehrerbildung eine „hand- tungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001, 27 f.). lungsspezifsche metakognitive »Kompetenzkombi- Volitionale, motivationale und soziale Handlungs- nationskompetenz«“ zu vermitteln (Beck 2006, 45). orientierungen entziehen sich jedoch weitgehend der Ein grundsätzliches Modell von Lehrerkompetenzen, empirischen Messbarkeit, weshalb andere Autoren für mit dem die Wirkungsfaktoren der Lehrerbildung sy- die Defnition von Kompetenzen und Standards eine stematisch erfasst werden und das die zentralen ab- striktere empirische Validität einfordern. Ein solches hängigen Variablen im Detail modelliert fehlt jedoch Vorgehen evoziert jedoch ein sehr reduziertes, utili- bisher (vgl. Blömecke 2007, 17). taristisch–technizistisches Verständnis von Lehrerbil- Die Problematik, dass sich in einem Kompetenzmo- dung, da pädagogische und normative Kompetenzen dell ein unrealistisches „Lehrerbild“ reflektiert, ist groß. bestenfalls einen nachrangigen Status erhalten. Diese So wird in den 2004 von der Kultusministerkonferenz Verengung wird jedoch von der deutschen Bildungs- herausgegebenen „Standards für die Lehrerbildung: politik – zumindest offziell – nicht angestrebt. In der Bildungswissenschaften“ unter der dritten Kompetenz sogenannten „Klieme–Expertise“ – die Expertise „Zur Folgendes ausgeführt: „Die Absolventinnen und Ab- Entwicklung nationaler Bildungsstandards“ wurde im solventen wissen, wie sie weiterführendes Interesse Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und For- und Grundlagen des lebenslangen Lernens im Unter- schung (BMBF) erstellt – bezieht sich die Autorengrup- richt entwickeln“ (KMK 2004, Bildungswissenschaften, pe auf die Weinert–Defnition (BMBF 2007, 72). 7) und Klaus Beck kommentiert dies wie folgt: „Da Ein „enger“ Kompetenzbegriff ist mit den zentralen, kann man den Absolventinnen und Absolventen nur normativ ausgerichteten Bildungszielen der sozial- gratulieren und sie hinter vorgehaltener Hand bitten, wissenschaftlichen Bildung unvereinbar, weil die Er- dieses Wissen und seine Quelle preiszugeben. Tatsäch- ziehung zur politischen Mündigkeit, zur Demokratie– lich befänden sie sich damit schon deutlich jenseits und ökonomischen Handlungskompetenz, wie auch 36 Bettina Zurstrassen Journal of Social Science Education Kompetenzorientierte Lehrerbildung in den sozialwissenschaftlichen Unterrichtsfächern Volume 8, Number 2, 2009, pp. 32–45

immer die Begriffe im Einzelnen ausgelegt werden, ein 67 ff.; Rauin und Meier 2007, 104; Arnold 2006, 275 konstituierendes Element des Faches sind. Diese Bil- ff.), dungsziele sind das spezifsche Charakteristikum der – Vereinzelt werden die Selbsteinschätzungen mit sozial- und geisteswissenschaftlichen Bildung, aber Fremdbeurteilungen kontrastiert, wie beim Reb- auch der Bildungswissenschaften.2 Bei einer Abkehr holz–Projekt an der Universität Koblenz–Landau von den normativen Leitideen würde die sozialwissen- (Rebholz–Projekt 2004). schaftliche Bildung einen erheblichen Substanzverlust – Zur Überprüfung des Kompetenzerwerbs der Studie- erleiden und es wäre fraglich, ob man dann noch von renden bzw. Referendare werden wissenschaftlich „politischer Bildung“ sprechen könnte. Die Frage nach geplante Beobachtungen durchgeführt, die jedoch der objektiven Messbarkeit von Verhaltenslernzielen sehr ressourcenintensiv sind. war auch Gegenstand in der politikdidaktischen Lern- Relativ selten werden testbasierte Verfahren einge- ziel–Diskussion der 1970er Jahre. Sie wurde damals setzt, da bisher nur wenige elaborierte Messinstru- negativ beschieden (Geiger 1974, 19). mente entwickelt worden sind. Welche Instrumente zur Messung von Kompetenzen werden in der fachdidaktischen und pädagogischen Die Einwände gegen die eingesetzten Erhebungsme- Unterrichtsforschung gegenwärtig angewendet? Wie thoden sind vielfältig und können an dieser Stelle ist die Qualität der Messergebnisse einzuschätzen? nur äußerst kurz skizziert werden: Über den objekti- Insgesamt geht die Bildungswissenschaft in der ven Kompetenzerwerb geben die erhobenen Daten realen Forschungspraxis deutlich pragmatischere und sowohl bei der Selbsteinschätzung als auch bei der kleinschrittigere Wege als es die vollmundigen Verhei- Fremdeinschätzung des Kompetenzstands durch ei- ßungen von testbasierten Standardinstrumenten zur nen Mentor etc. keine Auskunft. Es ist bei der Selbst- Messung von Lehrerkompetenzen versprechen. Hin- einschätzung fraglich, ob Studierende beurteilen kön- sichtlich der Entwicklung von empirischen Verfahren nen, welcher Kompetenzstandard notwendig ist, um zur Kompetenzmessung ist die Bildungswissenschaft den schulischen Alltag zu bewältigen, der oft als Re- nicht deutlich weiter als die sozialwissenschaftliche ferenzmaßstab angelegt wird. Selbst wenn eine indi- Fachdidaktik. Pauschalurteile wie „Zum Sorgenkind katorenbezogene Formulierungen von Niveaustufen der universitären Lehrerbildung gehören aber weiter- zur Überprüfung des Erreichens oder Nicht–Erreichens hin die Fachdidaktiken. Wir brauchen eine forschende der Standards vorliegen würde, ist nicht gewährleistet, Fachdidaktik …“, so Terhart in einem Interview mit dass der Studierende seinen Kompetenzstand richtig Jeanette Otto in „Die Zeit“, können daher als bildungs- diagnostiziert und dann auch angibt. Bei der Fremd- politische Rhetorik gedeutet werden (Otto 2008). Die beurteilung besteht zudem noch das Problem, dass seit den 1950er Jahren bestehenden fachdidaktischen die Ergebnisse verzerrt werden durch Phänomene wie Forschungsaktivitäten im Bereich der politikdidakti- den Pygmalioneffekt, den Halo–Effekt oder den Matt- schen, empirischen Unterrichtsforschung werden ig- häuseffekt.3 noriert. Die empirischen Probleme bei der Durchführung Die vorliegenden qualitativen Studien aus den Bil- von wissenschaftlichen Beobachtungen sind in der dungswisssenschaften weisen, ähnlich wie in der sozi- qualitativen Sozialforschung intensiv diskutiert wor- alwissenschaftlichen Fachdidaktik, geringe Fallzahlen den und können hier nur grob umrissen werden, z.B. auf, haben einen entsprechend explorativen Charakter die Auswahl und Operationalisierung der Beobach- und die methodischen Instrumente zur Datenerhe- tungskriterien, die Protokollierung der Beobachtung, bung sind äußerst zeit–, arbeits– und ressourceninten- die Gewährleistung einer möglichst hohen Durchfüh- siv (Blömeke 2007, 18, Arnold 2006, 274). Zur Überprü- rungsobjektivität, das Problem der Beeinflussung des fung des Kompetenzniveaus werden derzeit vor allem sozialen Geschehens durch den Beobachter und die vier methodische Verfahren eingesetzt:

3 Pygmalion–Effekt: Bezeichnung für die Beziehung zwi- – Ein Großteil der quantitativen, empirischen Unter- schen den Erwartungen eines Lehrenden und den Leis- suchungen, die sich mit dem Kompetenzerwerb in tungen eines Schülers. Der Lehrende erwartet aufgrund der Lehrerbildung befassen, basiert methodisch auf guter Leistungen auch in Zukunft gute Leistungen bzw. Selbsteinschätzungen von Studierenden (Abs 2007, aufgrund schlechter Leistungen auch in Zukunft schlech- te Leistungen. Die Leistungserwartung des Lehrenden trägt dazu bei, dass die Leistungen entsprechend ausfallen. Halo–Effekt (auch Hof–Effekt): Eine herausragende 2 In den Standards für die Lehrerbildung für die Bildungswissen- positive oder auch negative Eigenschaft einer Per- schaften wird unter Kompetenz „5“ aufgeführt, „Lehrerinnen son wird herausgegriffen und generalisiert. Es kommt und Lehrer vermitteln Werte und Normen und unterstützen daher zu Verzerrung bei der Kompetenzeinstufung. selbstbestimmtes Urteilen und Handeln …“ (Kultusministerkon- Mat­thäus–Effekt: Der Begriff wurde von Robert Merton geprägt ferenz, 2004, 9). Diese Kompetenz entzieht sich jedoch nicht und besagt, dass ein angesehener Wissenschaftler für eine wis- nur der empirischen Messbarkeit, sondern enthält auch im Hin- senschaftliche Leistung mehr Ansehen gewinnt als ein weniger blick auf ihre Auslegung erhebliches Konfliktpotential. angesehener Wissenschaftler (Fuchs u.a., 1988, 487). 37 Bettina Zurstrassen Journal of Social Science Education Kompetenzorientierte Lehrerbildung in den sozialwissenschaftlichen Unterrichtsfächern Volume 8, Number 2, 2009, pp. 32–45

Interpretation der aufgezeichneten Beobachtungen „(…) wie leicht das Wort von der Input– zur Output– (vgl. Diekmann 2008, 47 und 560-569). Orientierung von den Lippen geht, wie schwierig aber Bei der Testkonstruktion zur Messung des Kompe- dieser Paradigmawechsel einzulösen ist, wenn wir tenzniveaus in der Lehrerbildung ergeben sich nach vom Reich der Ideen und Konzepte in die Niederungen Blömeke folgende Probleme (2007, 19): der Ebene kommen. (…) Das Idealmodell outputorien- tierter Steuerung (…) hat seinen kritischen Punkt, aber – erstens bei der Itemfndung, da sowohl die Festle- auch gleichzeitig seine größte Schwachstelle dort, wo gung des Inhaltsgebietes als auch die Kompetenz- Ziele und Rückmeldungen in Entwicklungsarbeit und auswahl schwierig sei, verändertes Unterrichtshandeln übersetzt werden – zweitens seien Kompetenz– und Wissenstests auf sollen“(2006, 31 ff.). akademischem Niveau deutlich zeitintensiver als auf der Schulebene und 3. These 2: Kompetenzorientierung ist eine – drittens sei es schwierig, mit herkömmlichen paper- „erfolgreiche Forschungsstrategie“ and-pencil-Tests den Gegenstand zu erfassen. Die empirische Datenbasis über die Lehrerausbildung und deren Wirksamkeit ist äußerst spärlich (Terhart Es liegen meines Erachtens im Bereich der empirischen 2002, 4 f.; Oser 2004, 186; Blömeke 2004, 60), ein Miss- Unterrichts– und Bildungsforschung keine so grundle- stand, den auch die Baumert–Kommission reklamiert. genden, empirisch–methodischen Innovationen vor, Im Bericht der Baumert–Kommission über die Lehrer- die Anlass zum Optimismus geben, dass die empiri- bildung in NRW wird von einem „sträflich vernach- schen Messprobleme, die in der Lernziel–Forschung lässigten Gebiet der empirischen Bildungsforschung“ der 1970er Jahre diskutiert wurden, heute gelöst wer- gesprochen (Bericht der Baumert Kommission 2007, den können. 13). Dieser Missstand besteht auch in der fachdidakti- Insgesamt besteht zudem auch noch Uneinigkeit schen Forschung zur Ausbildung von Lehrerinnen und über den Referenzrahmen, der bei der Messung von Lehrern für die sozialwissenschaftlichen Unterricht. Lehrerkompetenz bei Studierenden angelegt werden Die Ergebnisse der empirischen Unterrichtsfor- soll. So schlägt Arnold vor (Arnold 2006, 275), den schung zum Professionswissen von Lehrern in der Kompetenzerwerb von Studierenden anhand von Auf- sozialwissenschaftlichen Bildung zeichnen zum Teil gaben zu überprüfen, die den realen Handlungsanfor- ein düsteres Bild von der Unterrichtskompetenz der derungen des späteren Berufsfeldes entsprechen. Sie Lehrenden, denen es oft nicht gelingt, politische berücksichtigt jedoch nicht, dass in der universitären Lernprozesse zu gestalten und Schüler zu politischer Lehrerausbildungsphase nicht die „Unterrichtskompe- Urteilskompetenz zu befähigen (Grammes 1997/2007; tenz“ das Ausbildungsziel ist (KMK 2008, 3), sondern Breit, Harms 1990; Sander 2001; Klee 2008, 233 ff.). der Erwerb unterrichtsrelevanter fachwissenschaftli- Einzuwenden gegen diesen Befund ist allerdings, dass cher, didaktischer und erziehungswissenschaftlicher zum einen bisher kein empirisches Erhebungsinstru- Theorie–, Analyse–, Forschungs– und Reflexionskom- ment vorliegt, mit dem die politische Urteilskompe- petenz. Die Items, die bei der Kompetenzmessung tenz der Schülerinnen und Schüler gemessen werden Anwendung fnden, müssen also kongruent mit den kann. Zum anderen weist die empirische Datenlage anvisierten Kompetenzzielen und –standards in der zur Professionsforschung im Bereich der sozialwissen- jeweiligen Ausbildungsphase sein. schaftlichen Fachdidaktiken erhebliche Forschungs- Abschließend ist zu konstatieren, dass bisher kein lücken auf, zuweilen wird von einem Forschungsde- Messinstrumentarium vorliegt, mit dem professions- siderat gesprochen. Ein Großteil der Untersuchungen spezifsche Kompetenzen in der Lehrerbildung empi- sind Einzelfallstudien, die zumeist qualitativ ausge- risch valide gemessen werden können. Das gilt nicht richtet sind und einen explorativen Charakter haben. nur für pädagogische und soziale, sondern auch für Dennoch, durch die Kompetenzdebatte wurde die kognitive Kompetenzen, wenn man über das Abfragen empirische Unterrichtsforschung aus ihrem Dornrös- von deklarativem Wissen hinausgeht (Kraler 2008, 173). chenschlaf geweckt.4 Kraler bezeichnet die Kompeten- Es handelt sich bei der Outputsteuerung um ein poli- zorientierung als „erfolgreiche Forschungsstrategie“ tisches Programm, das wissenschaftlich nur bedingt (2008, 154). Das Forschungsdesign vieler aktueller umsetzbar ist, denn die hohen Standards der empiri- Studien ähnelt jedoch den Untersuchungen zur empi- schen Überprüfbarkeit einer outputorientierten Leh- rischen Unterrichtsforschung aus den 1970er Jahren. rerbildung können zurzeit selbst von den Verfechtern nicht erfüllt werden (Beck 2006, 44-45). Die Schluss- 4 Des Weiteren fehlt in der Fachdidaktik „eine Kultur der abwä- folgerung, die Specht im Hinblick auf die Implemen- genden Unterrichtsreportage“ (Grammes, 2007, 41; hierzu auch: tierung von Bildungsstandards im Schulsystem zieht, Henkenborg, Kuhn, 1998, 12). Zuweilen wird eine überkritische dürfte auch für die universitäre Lehrerbildung gelten: Beobachterperspektive eingenommen, einzelne Unterrichtsse- quenzen werden als „absurdes Theater“ überzeichnet und pau- schal zu einem Bild von „dem“ Unterricht“ verallgemeinert (vgl. Grammes, 2007, 41-42). 38 Bettina Zurstrassen Journal of Social Science Education Kompetenzorientierte Lehrerbildung in den sozialwissenschaftlichen Unterrichtsfächern Volume 8, Number 2, 2009, pp. 32–45

Ob sich die Kompetenzorientierung als „erfolgreiche den Lehrern die Relevanz und den Anwendungsbezug Forschungsstrategie“ erweisen wird, ist zu einem er- fachdidaktischer Theorien als Instrument der Unter- heblichen Grad abhängig von den fnanziellen und richtskonzeption und Reflexion aufzuzeigen? Klees Fa- personellen Ressourcen für sozialwissenschaftliche, zit bedarf im Hinblick auf seine Untersuchungsgruppe fachdidaktische Forschung. Vom Geldsegen für fachdi- einer Differenzierung. Vier der sechs Interviewpartner daktische Unterrichtsforschung haben in den letzten sind seit 26 bis 32 Jahren im Schuldienst, ein Lehrer Jahren vor allem die Mint–Fächer (Naturwissenschaf- mit einer vierjährigen Berufserfahrung unterrichtet ten/Technik) und die Hauptfächer (Deutsch, Englisch) fachfremd (Klee 2008, 141). Die Studie ist daher wenig proftiert. Nachfolgend werden für den Bereich der aussagekräftig im Hinblick auf die aktuelle Lehrerbil- sozialwissenschaftlichen Lehrerbildung zwei empiri- dung. Sie zeigt eher auf, dass die von Harms und Breit sche Forschungsprojekte skizziert, die nur im Rahmen 1989–1990 diagnostizierte Distanz zu fachdidakti- größerer, drittmittelfnanzierter Forschungsprojekte schen Theorien innerhalb der Profession der Lehren- umsetzbar sind. den in der sozialwissenschaftlichen Bildung weiterhin besteht (1990, 91-92). Neue fachdidaktische Ansätze 3.1 Fachdidaktisches Wissen und und weiterführende Ausdifferenzierungen werden in Lehrerkompetenz der Schulpraxis nicht wahrgenommen. Nicht der „ka- Fachdidaktische Theorien haben bei der alltagsdi- tegoriale Ansatz“ ist gescheitert, sondern die Etablie- daktischen Konzeption von Unterricht kaum Rele- rung fachdidaktischer Theorien als Instrument der vanz (Harms und Breit 1991, 94; Klee 2008, 233). Klee Unterrichtsplanung und –reflexion bei den Lehrkräf- konstatiert, ausgehend von seiner qualitativen Stu- ten. Eine hohe Korrelation des mathematischen fach- die zum Politikbewusstsein von Lehrkräften, dass didaktischen Wissens mit der Qualität des Unterrichts es trotz des „kategorialen Ansatzes“ als Instrument und dem Lernerfolg der Schüler hat die COACTIV– der Inhaltswahl und der Fokussierung auf politische Studie für das Fach Mathematik ermittelt. Fachdidak- Urteilsbildung als einer zentralen, fachdidaktischen tisches Wissen wirkt sich positiv auf das Ausmaß ko- Instrumentalisierung nicht gelungen sei, einer Ent- gnitiver Aktivierung der Schüler und die individuelle politisierung politischer Bildung entgegenzuwirken. Unterstützung im Unterricht aus (COACTIV, 2-3). Der Die sinnstiftende Vermittlung dieser Inhalte, so Klee, Transfer der Studie auf die Lehrerbildung für die sozial- sei in der didaktischen Ausbildung gescheitert (Klee wissenschaftlichen Unterrichtsfächer ist methodisch 2008, 248).5 Er spricht damit einen wunden Punkt an. problematisch, aber die Ergebnisse der COACTIV– Wieso gelingt es in der Ausbildung nicht, angehen- Studie können als Anregung für eine ähnlich gelagerte Studie in den sozialwissenschaftlichen Fachdidaktiken 5 Klee plädiert für eine Abkehr vom kategorialen Ansatz und der aufgegriffen werden. Politischen Urteilsbildung als Prinzip und tritt für eine fachdi- Viele Daten machen jedoch noch keinen guten Un- daktische Orientierung am „Politikbewusstsein“ ein, welches terricht. Insbesondere die Fachdidaktik muss sich der „ein subjektorientiertes, individuell beförderndes Verständnis Aufgabe stellen, wie sie die neuen Erkenntnisse bei von Politikdidaktik“ eröffnen soll (Klee, 2008, 250). Die Erfor- schung und Integration subjektiver fachdidaktischer Theorien Lehrern handlungswirksam macht. Warum können von Lehrern ist lernpsychologisch sinnvoll, aber problematisch Lehrerinnen und Lehrer fachdidaktische Theorien oft erscheint die geforderte Abkehr vom Prinzip der politischen Ur- nicht fruchtbar in die Unterrichtsarbeit einbringen? teilsfähigkeit als grundlegende fachdidaktische Instrumentali- Einen Erklärungsansatz liefert die „Cognitive Load sierung im sozialwissenschaftlichen Unterricht und die Abkehr Theory“, wonach die unterkomplexe Wissensverwen- vom kategorialen Paradigma, das im Übrigen von der sozial- wissenschaftlichen Fachdidaktik als Instrument der Inhaltsaus- dung bei (angehenden) Lehrern in erster Linie mit wahl auch nicht verabsolutiert wird (Weber, 2001, 17). Es ist der Überlastung des Reflexionsvermögens im Mo- gerade die vermeintliche Beliebigkeit fachdidaktischer Theo- ment des Handelns begründet ist (Czerwenka 2004, rieanwendung, der Inhaltsauswahl und der Zielorientierung 30). Der Handlungsdruck und die ausdifferenzierten der sozialwissenschaftlichen Bildung in der Schulpraxis, die die Aufgaben im Unterricht (Stoffvermittlung, Unter- Unterrichtsqualität beeinträchtigen. Der kategoriale Ansatz ist ein Instrument für eine fachlich, systematisch–begründete richtsorganisation, pädagogisches Reagieren auf Auswahl von Unterrichtsinhalten, dessen Anwendung einer Unterrichtsstörungen etc.) reduzieren demnach die Entpolitisierung und Sozialpädagogisierung des Faches ent- Handlungsalternativen auf erlebte Verhaltensmuster gegenwirkt. Das didaktische Prinzip der Schülerorientierung („Notfallreaktionen“) oder auf die Reflexionsstufe steht dem nicht entgegen, wenn man es nicht im Sinne von subjektiver Theorien (Ebd., Blömeke 2006, 196). Die „vermeintlichen Schülerinteressen“ auslegt, sondern als Prinzip, bei dem bei der Unterrichtsarbeit der kognitive, moralisch– analytische Durchdringung fachdidaktischer Theo- ethische und emotional–soziale Entwicklungsstand der Schü- rien in der universitären Lehrerbildung ist dringend lergruppe berücksichtigt wird. Henkenborg und Krieger (2005, geboten, um nicht einem theoriefeindlichen Stand- 31) betonen außerdem die lernpsychologische Funktion von punkt das Wort zu reden, aber die Theorien müssen Kategorien, weil sie zu den „kognitiven Werkzeugen“ zählen mit episodischen Elementen (Handlungssituationen) würden, die strukturelles Lernen ermöglichten, das Lernende befähige, Wissen zu ordnen, zu transformieren, zu erweitern angereichert werden, um dauerhaft Eingang in das und anzuwenden. Handlungsrepertoire von Lehrerinnen und Lehrern 39 Bettina Zurstrassen Journal of Social Science Education Kompetenzorientierte Lehrerbildung in den sozialwissenschaftlichen Unterrichtsfächern Volume 8, Number 2, 2009, pp. 32–45

zu fnden (Czerwenka 2004, 24). Eine Handlungssitua- NRW 2007/08, 86).7 Politik gilt als das Unterrichtsfach, tion, die im sozialwissenschaftlichen Unterricht oft das unterrichten kann, wer täglich die Nachrichten vorkommt, soll beispielhaft beschrieben werden: Die sieht. Der hohe Anteil fachfremd erteilten Unterrichts Schüler haben zu einem gesellschaftlichen Problem in in der sozialwissenschaftlichen Bildung ist ein Indiz Form einer Textarbeit Pro– und Contra–Argumente dafür, dass die spezifschen Kompetenzen von Lehr- erarbeitet. In einer anschließenden Diskussion führen kräften, welche Fakultas für sozialwissenschaftliche die Schüler jedoch nur die Argumente an, die ihnen Fächer haben, nicht deutlich genug defniert sind und bereits vor der Unterrichtsstunde bekannt waren. Die in der Öffentlichkeit nicht ausreichend kommuniziert bei der Problemdefnition in der Eingangsphase er- werden. Obwohl sich das Problem des fachfremden wähnten Argumente werden in sprachlich abgewan- Unterrichts nach den „Amtlichen Schuldaten des Lan- delter Form immer wieder eingebracht. Die anderen des Nordrhein–Westfalen“ in keinem Unterrichtsfach Argumente werden nicht berücksichtigt, obwohl der so virulent stellt wie für die sozialwissenschaftliche Lehrer interveniert und nachfragt. Die Positionen der Bildung, wissen wir nicht, welche fachdidaktischen Schüler verfestigen sich schnell und Gegenargumente Theorien und fachspezifsche Methoden Lehrende in werden nicht wahrgenommen. Im Seminar müssten der sozialwissenschaftlichen Bildung mit bzw. ohne dann die möglichen Ursachen und methodischen eine entsprechende Lehrbefugnis kennen und vertre- Handlungsalternativen diskutiert werden, damit die ten, welche Fachkompetenz sie aufweisen und welche Studierenden während der Lehramtsausbildung be- Auswirkungen fachfremder Unterricht auf den Lerner- reits didaktisch reflektierte Handlungsstrategien ent- folg der Schüler hat. Im deutschsprachigen Raum wickeln können, die sie in der Schulpraxis entlasten. liegen bisher keine empirisch vergleichenden Unter- Das Explizieren und didaktische Aufbereiten fachspe- suchungen über die Auswirkungen fachfremd bzw. zifscher Handlungssituationen, die fachspezifsche fachgerecht erteilten Unterrichts vor (Terhart 2007, 44, Lernschwierigkeiten des Faches aufzeigen, zum Bei- Fußnote 4). Internationale Studien belegen nach Ter- spiel die beschriebenen Defzite bei der Analyse von hart, dass Lehrkräfte, die regulär ausgebildet worden Schülerbeiträgen im sozialwissenschaftlichen Unter- sind und die Lehrbefugnis für das unterrichtete Fach richt (Grammes 1998, 299), ist Aufgabe der sozialwis- aufweisen können, größere Erfolge bei ihren Schülern senschaftlichen Fachdidaktik.6 Sie ist ein Beitrag zur erzielen als andere Lehrergruppen (Ebd.). dringend notwendigen Proflbildung des Faches. Es besteht insgesamt die Gefahr, dass durch die Fokussierung auf die empirische Lehr–Lernforschung 3.2 Fachfremder Unterricht versus eine Verengung der fachdidaktischen Forschung er- fachgerechter Unterricht folgt. Zum einen gerät die fachdidaktische Theorie- Im alltäglichen Politikunterricht bleibt oft unklar, entwicklung ins Hintertreffen. Zum anderen muss die welche Bildungsidee dem Fach zu Grunde liegt (Hen- Curriculumforschung in den sozialwissenschaftlichen kenborg 1999, 16 f.; Klee 2008, 248). Damit wird ein Fachdidaktiken wieder intensiviert werden, womit ich zentrales Dilemma der sozialwissenschaftlichen Bil- bei einem dritten Forschungsthema bin. dung an Schulen aufgezeigt, der das Image des „La- berfaches“ anhaftet. Im Schuljahr 2007/08 lag in 3.3 Curriculumforschung darf nicht Nordrhein–Westfalen der Anteil des Unterrichts im vernachlässigt werden Fach Politik/Wirtschaft in der Sekundarstufe I, der Im KMK–Beschluss zu den „Ländergemeinsamen An- von Lehrern ohne eine entsprechende Lehrbefähigung forderungen“ wird für die sozialwissenschaftliche erteilt wurde, bei 77,1 Prozent (Amtliche Schuldaten Lehrerbildung ein äußerst umfangreicher Stoffkatalog formuliert, der den unterschiedlichen Konzeptionen der sozialwissenschaftlichen Bildung in den einzelnen Bundesländern gerecht wird (KMK 2008, 36-37). Die In- haltsauswahl verdeutlicht, dass die Kultusministerkon- 6 Als Orientierungsrahmen für das Explizieren spezifscher Hand- ferenz ein integratives Fachkonzept vertritt. Der „Kern“ lungssituationen im sozialwissenschaftlichen Unterricht eignen des Faches muss von den sozialwissenschaftlichen sich die von Sander herausgearbeiteten „Fallen“, die beschrei- Fachdidaktikwissenschaftlern in Zusammenarbeit ben, woran politisches Lernen scheitert. Er unterscheidet fol- mit den Fachwissenschaftlern jedoch noch expliziert gende „Fallen“: Wissensfalle: Das Verschwinden des Poltischen werden. Das gilt sowohl für die lehramtsrelevanten durch eine Anhäufung von Einzelinformationen. Kontextfalle: Das Politische verschwindet hinter den Sachinformationen zu Sozialtheorien und Fachbegrifflichkeiten als auch für bestimmten Problemen und Themen. Moralfalle: Die oberfläch- die fachspezifschen, empirischen Methoden. liche und gesinnungsethische Reduktion politischer Bildung, mit der Folge, dass politisches Handeln nicht mehr hinterfragt wird. Meinungsfalle: Das Austauschen von Meinungen, ohne etwas Neues gelernt zu haben. Stofffalle: Unterricht ist nicht 7 In den „Amtlichen Schuldaten“ anderer Bundesländer wird der problem– und schülerorientiert, sondern orientiert sich an Anteil des Unterrichts von Lehrpersonen ohne eine entspre- Stoffkatalogen und Inhaltsanforderungen (Sander, 2001, 52). chende Lehrbefähigung zumeist nicht aufgeführt. 40 Bettina Zurstrassen Journal of Social Science Education Kompetenzorientierte Lehrerbildung in den sozialwissenschaftlichen Unterrichtsfächern Volume 8, Number 2, 2009, pp. 32–45

‚Politikdidaktisch angelegte, empirische Unter- – als Instrument der fachlichen Erschließung von Un- richtsanalysen offenbaren, dass es Lehrern oft nicht terrichtsgegenständen für den Lehrer, gelingt, im Unterricht den sozialwissenschaftlichen – als Instrument der kritischen Analyse von Unter- Kern aus einem Unterrichtsgegenstand herauszuarbei- richtsmaterialien für den Lehrer, ten. Grammes zeigt auf, dass Politiklehrende „den Ge- – sowie als Instrument zur Evaluation und Reflexion halt der Themen und Deutungen der Lernenden nicht des sozialwissenschaftlichen Unterrichts im Sinne ausschöpfen, sondern diesen entgegen der eigenen des „forschenden Praktikers“, d.h. sie müssen über Intention entpolitisieren“ (1998, 299). Diese Befunde eine forschungsmethodische Kompetenz verfügen, könnten auf Defzite in der Unterrichtsmoderation zu- die Lehramtsstudierenden nach Blömeke aber oft rückgeführt werden. Es stellt sich aber auch die Frage, fehlt (2007, 4). ob nicht auch Defzite in der Anwendung sozialwis- senschaftlicher Analyse– und Forschungsmethoden In der universitären Lehrerbildung muss in den fach- vorliegen, zum Beispiel im Bereich hermeneutischer didaktischen und in den fachwissenschaftlichen Se- Methoden. Während in der Lehrerausbildung für die minaren der Anwendungsbezug der Forschungs– und Fächer Chemie, Physik oder Geschichte Experimente Analysemethoden für den sozialwissenschaftlichen und Forschungsmethoden eine zentrale Rolle sowohl Unterricht aufgezeigt und eingeübt werden. Meine in der fachwissenschaftlichen als auch in der fachdi- These ist, dass eine Veränderung der Lernkultur in der daktischen Lehrerausbildung zukommt, durchlaufen universitären Lehrerbildung, die stärker auf Lehr– Studierende für das sozialwissenschaftliche Lehramt Lernforschung ausgerichtet ist, positive Effekte auf an vielen Universitäten nur eine stark reduzierte Me- den Schulunterricht hat. Die Dominanz des lehrerzen- thodenausbildung im Bereich der qualitativen und trierten Schulunterrichts führe ich auch darauf zurück, quantitativen Sozialforschung. Stattdessen besteht dass Lehrer die an der Universität erfahrene Sozialisa- offenbar eine Dominanz von „Referatsseminaren“ in tion in der sozialwissenschaftlichen Bildung im Unter- den fachwissenschaftlichen Lehrerveranstaltungen. richt fortsetzen und somit tradieren. Das Referat soll hier nicht als Musterbeispiel schlech- ter universitärer Lehre dargestellt werden. Das eigen- 4. These 3: Kompetenzorientierte ständige Erschließen, Aufbereiten und Präsentieren Lehrerbildung führt zu einer eines fachwissenschaftlichen Inhalts ist eine zentrale Qualitätssteigerung des Schulunterrichts Fähigkeit, die im Hochschulstudium erworben werden Die in der These formulierte, positive Korrelation muss. Das Problem stellt vielmehr die Einseitigkeit von der Qualität der Lehrerbildung mit dem Bil- der Lehr– und Lernformen dar, die in der universitä- dungserfolg der Schüler, ist methodisch äußerst ren Lehre in den Seminaren eingesetzt werden. Die problematisch, weil Bildungsprozesse durch eine Defzite in der universitären Lehre, die Dominanz von Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden, zum Bei- Lehrarrangements, die stark passiv–rezeptiv verlaufen, spiel durch den familiären Bildungshintergrund hat kürzlich der Wissenschaftsrat massiv kritisiert. Er oder durch die persönlichen Lernvoraussetzungen empfehlt als Instrument zur Qualitätsverbesserung und –motivationen. In der bildungspolitischen De- der universitären Lehre die Förderung von Lehr–Lern- batte ist diese These aber von zentraler Bedeutung forschungsprojekten, um aktives Lernen in der Hoch- bei der Legitimation der Outputorientierung als bil- schulausbildung zu ermöglichen (Wissenschaftsrat dungspolitischem Steuerungsinstrument. Führt die 2008, S. 8). Outputorientierung im Bildungssystem tatsächlich In einem Abstimmungsprozess müssen Lehrende zu einer Qualitätssteigerung des Schulunterrichts? der Methodensektion mit den Fachdidaktikern expli- Hinter dem Konzept der Outputorientierung steht das zieren, welche Forschungsmethoden der empirischen politische Bestreben, das Bildungssystem einer markt­ Sozialforschung für den sozialwissenschaftlichen Un- orientierten Effzienzdoktrin zu unterwerfen. Der in terricht und für die didaktische Unterrichtsreflexion der Betriebswissenschaft seit langem propagierte „elementar“ sind und diese müssen curricular in der „Lean Production–Ansatz“, der mittlerweile auch als Studienordnung verankert werden.8 Methoden der „Lean–Administration“ in der Verwaltung Eingang ge- empirischen Sozialforschung gehören für Lehrende funden hat, soll nun offensichtlich seine Fortsetzung sozialwissenschaftlicher Unterrichtsfächer in vierfa- in „Lean–Education“ fnden. cher Hinsicht zum professionellen Handwerkszeug: Die Bildungsreformen seit den frühen 1990er Jahren in den USA dienen als Vorbild. Die starke Orientierung – Gegenstand und als Forschungs– sowie Analyseme- an der Bildungspolitik in den USA erfolgt, obwohl sie thode im sozialwissenschaftlichen Unterricht, bei der PISA–Studie 2006 mit dem 29. Rang von Teil- nehmerstaaten vorlieb nehmen musste und im Ver- gleich der 40 Teilnehmerstaaten, die sich auch 2003 8 In der Zeitschrift Gegenwartskunde wurde seit 1983 (Heft 3/83) eine Reihe zu Methoden der empirischen Sozialforschung an der PISA–Studie beteiligt haben, von Rang 22 auf veröffentlicht. 24 abgerutscht ist (Der Spiegel 2007, „Die Pisa–Studie 41 Bettina Zurstrassen Journal of Social Science Education Kompetenzorientierte Lehrerbildung in den sozialwissenschaftlichen Unterrichtsfächern Volume 8, Number 2, 2009, pp. 32–45

im Detail“). Erstaunlicherweise wird jedoch nicht die auch in Deutschland. Im Februar 2009 hat sich die am- Frage aufgeworfen, inwieweit das negative Abschnei- tierende Bildungsministerin Annette Schavan an die den des amerikanischen Schulsystems bei der PISA– Unternehmen gewandt: “Ich fordere alle Unternehmen Studie 2006 nicht auch eine Auswirkung der Deregu- auf, ihre Top–Mitarbeiter für den Schulunterricht frei- lierung und Outputorientierung der Lehrerausbildung zustellen”, sagte Schavan der “Bild”–Zeitung. Ingeni- und des Schulsystems ist. Die Negativentwicklungen eure aus der freien Wirtschaft könnten demnach zwei im Bereich der Lehrerausbildung und Lehrerprofessi- Stunden pro Woche Physik unterrichten oder Mathe. on im US–Bildungssystem zeichnen sich mittlerweile Ein Austausch würde “sinnvolle Impulse für die Schü- auch im öffentlichen Schulsystem in Deutschland ab. ler bringen” (zit. nach: Menke, Trenkamp 2009). Dieser Das sind im Einzelnen: Vorschlag verdeutlicht, dass der Deregulierungs–An- satz auch in Deutschland Befürworterinnen und Befür- – ein Attraktivitätsverlust des Berufes, da die Möglich- worter hat. Der Deregulierungs–Ansatz in der Lehrer- keiten, pädagogisch zu arbeiten, zunehmend in den bildung wird in den USA vor allem von konservativen Hintergrund treten, Kräften, politisch von den Republikaner verfolgt, die – die Abwanderung qualifzierter Lehrkräfte in die eine spezielle Lehrerausbildung in Schools of Educa- freie Wirtschaft, weil die regelmäßigen Lernkon- tion als überflüssig bewerten. Sie gehen stattdessen trollen auch von den Lehrkräften als psychisch bela- vom Konzept des „geborenen Lehrers“ aus. Ansonsten stend empfunden werden, sollen auf dem Lehrerarbeitsmarkt und in der Schule – eine hohe Fluktuation der Lehrkräfte, denn gut 50% marktwirtschaftliche Kräfte walten. Die Professionali- der neu eingestellten Lehrkräfte in den USA sind sierer dagegen verweisen auf die hohe Korrelation von nach 5 Jahren nicht mehr im Lehrerberuf tätig, Schülerleistungen im Fach Mathematik und bei der Le- – eine Neudefnition des Lehrerberufes als „Anlern– sekompetenz mit der Qualität der Lehrerbildung (Min- Tätigkeit“, weil durch die von den Schulbuchverla- trop 2006, 102, Terhart 2002, 10–13). gen entwickelten Testmaterialien für den Unterricht Abschließend ist festzuhalten, dass von der Kompe- die Unterrichtsinhalte und Unterrichtsmethoden tenzorientierung einerseits interessante Forschungs- vorgeben werden, impulse ausgegangen sind, die das Potential haben, – es werden zunehmend Professionsfremde als Lehrer Lehrerbildung wissenschaftlich stärker zu fundieren eingestellt und zu professionalisieren. Die Kompetenzmodelle – die Fokussierung des Unterrichts auf prüfungsrele- für den Lehrerberuf können in der Gesellschaft ein vante Unterrichtsfächer, was zu einem Statusverlust Bewusstsein für die komplexen Anforderungen des der geistes– und sozialwissenschaftlichen Bildung Lehrerberufs schaffen. Andererseits besteht die Ge- geführt hat (Mintrop 2006, 94, 102 f.).9 fahr, dass durch die methodischen Begrenzungen bei der Entwicklung von validen Testitems zur Messung Statt einer Professionalisierung des Lehrerberufes be- des Outputs der universitären Lehrerausbildung (und steht die Gefahr, dass durch die Outputorientierung der Schülerleistungen) eine Beschränkung auf Perfor- eine Deprofessionalisierung initiiert wird. Das gilt manzstandards erfolgt und damit das Berufsbild des Lehrers simplifziert wird. Anstelle der blühenden Landschaften in der sozialwissenschaftlichen Lehrer- 9 Zur Lage in Deutschland siehe auch den Artikel von Christine Bern–Oberdörfer aus „Die Tagespost“, in: http://www.teachers- bildung kann dann eine Verödung stattfnden, weil news.net/artikel/nachrichten/bildungspolitik/007884.php (Zu- Lehrerbildung als überflüssig gewertet wird. griff: 3.9.2008).

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45 Journal of Social Science Education © JSSE 2009 Volume 8, Number 2, 2009, pp. 46–56 ISSN 1618-5293

Anja Besand 12 Jahre Berufserfahrung – die besondere Situation des Lehramtsstudiums als Herausforderung für die fachdidaktische Ausbildung

Abstract: Es gehört zur besonderen Situation des Lehramtsstudiums, dass die Studierenden hier bereits zu Beginn ih- rer Ausbildung über mindestens 12 Jahre Erfahrung mit schulischen Lernprozessen verfügen. Dass sie diese Lernprozesse fast ausschließlich aus der Perspektive der Lernenden und nicht der Perspektive der Lehrenden kennen, hindert sie dabei nicht daran, sich z.T. bereits ausgefeilte Vorstellungen darüber zu bilden, wie solche Lernprozesse sinnvoll zu gestalten sind. Mit fachdidaktischen Theorien haben diese Vorstellungen häufg wenig gemeinsam, obwohl sie je nach fachlichem Gegenstand durchaus differenziert strukturiert sind. In meinem Beitrag möchte ich mich mit diesen Vorstellungen beschäftigen und aufzeigen, wie diese im Rahmen fachdidak- tischer Einführungsveranstaltungen fruchtbar gemacht werden könnten.

It belongs to the special situation of teacher studies that students already at the beginning of their training have at least 12 years experience with school learning processes. Even if they know these learning processes almost exclusively from the perspective of pupils and not from the perspective of teachers, it does not prevent them from forming partially sophisticated conceptions how to arrange such learning processes. These concep- tions are hardly connected with educational theories, although they differ in structure depending on the topic. In my essay I would like to be concerned wih these conceptions and I want to point out, how this could be made useful in the context of educational introduction tutorials.

Inhalt der eigenen Biographie im Rahmen des Lehramtsstu- 1. Einführung diums ist allerdings sowohl auf der Ebene der erzie- 2. Biographisches Lernen im Lehramtsstudium hungswissenschaftlichen als auch fachdidaktischen 3. Studienmotive und fachliche Orientierung ange- Diskussion erst in Ansätzen vorhanden. So wird in der hender Lehramtsstudierender erziehungswissenschaftlichen Diskussion zwar viel- 4. Biographische Differenzen fach betont, dass Lehrerinnen und Lehrer die Verstri- 5. Zur Reflexion biographischer Vorerfahrungen im ckung in strukturell bedingte Antinomien des professi- Rahmen von Einführungsveranstaltungen onellen Handelns hinsichtlich der eigenen Biographie 6. Von der Reflexion über Lehrerbildern zu ersten erst reflektieren müssen, um Fehlerpotenziale in ihrer didaktischen Theorien späteren beruflichen Praxis minimieren zu können (vgl. 6.1 Übung 1 oder: „weil wir da immer...“ Helsper 2000, 2002), doch wie und an welcher Stelle 6.2 Übung 2: Auf der Besetzungscouch der Ausbildung dies konkret geschehen soll, bleibt in 6.3 Übung 3 oder: „ein guter Lehrer muss nur ...“ der hochschuldidaktischen Diskussion bis heute noch 6.4 Übung 4: Textlektüre Gruschka immer weitgehend offen (mit Ausnahme vielleicht 6.5 Übung 5: Die Selbstverständlichkeiten von Schule bei Beck 2000, S.55ff.). In der Politikdidaktik stehen oder: „das geht aber leider nicht ...“ wir vor dem selben Desiderat, hier sprechen sowohl Literatur Hafeneger (1999), Henkenborg (2006) Hoppe (1996) und Reh/Schelle (2000) die Notwendigkeit biographi- Keywords scher Selbstreflexion an; wie dies aussehen kann und Lehramtsstudium, Biographiearbeit, Lehrerbilder, wann und in welchem Rahmen dies am sinnvollsten Selbst­reflexion geschehen sollte, bleibt den zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern aber offensichtlich selbst überlassen. Da- Einführung bei konnte Schweppe (2001, S. 272) in eindrucksvoller In der Diskussion über pädagogische Professionalität Weise sogar empirisch nachweisen, wie stark die Ak- (vgl. im Überblick Combe & Helsper 1996; Combe & zeptanz und Verarbeitung von Studieninhalten gerade Kolbe 2004) und fachdidaktische Kompetenz wird im- in erziehungswissen­ ­schaftlichen und pädagogischen mer wieder auf die Notwendigkeit hingewiesen, der Lernbereichen durch biographische Vorerfahrungen Auseinandersetzung mit der eigenen Biographie einen beeinflusst werden und wie wichtig die Bezugnahme signifkanten Stellenwert beizumessen (vgl. Bastian & auf, aber auch die Irritation von biographischen Mus- Helsper 2000; Kraul, Marotzki & Schweppe 2002; Reh/ tern deshalb gerade zu Beginn der Ausbildung ist . Schelle 2000). Eine systematische inhaltliche Argumen- Für den hier vorgestellten Beitrag bedeutet dies, tation für die Notwendigkeit einer Beschäftigung mit dass im Zentrum die beiden Fragen stehen, 46 Anja Besand Journal of Social Science Education 12 Jahre Berufserfahrung – die besondere Situation des Lehramtsstudiums Volume 8, Number 2, 2009, pp. 46–56

– erstens, welche biographischen Muster Lehramts- haupt über die biographischen Vorerfahrungen an- studierende im Fach Politik heute üblicherweise gehender Lehramts­studierender? Was bringen sie an mitbringen, Vorstellung mit und warum entscheiden sie sich über- – zweitens aber auch, mit welchen Methoden und haupt für diesen Beruf und dieses spezielle Fach? Übungen diese Vorstellungen und Muster im Rah- men fachdidaktischer Einführungsveranstaltun- 3. Studienmotive und fachliche gen zugänglich und reflektierbar gemacht wer- Orientierung angehender den können. Lehramtsstudierender Betrachtet man die Ergebnisse der vergleichenden 2. Biographisches Lernen im Hochschul- und Studierenden­forschung oder der sehr Lehramtsstudium speziellen Lehrerforschung wird schnell deutlich, Doch wenden wir uns zunächst noch einmal der grund- dass heute häufg eher strukturkonservative Motive legenden Frage zu, warum biographische Reflexionen zur Wahl eines Lehramts­studiums führen (vgl. Ebitsch/ ausgerechnet im Lehramtsstudium von so entschei- Karschnick 2008). So konnten Udo Rauin und Andreas dender Bedeutung sein sollen. Ist es nicht vielmehr Gold in einer umfangreich angelegten Längsschnitt- im Rahmen jeder fachlichen oder auch überfachlichen studie der Universität Frankfurt a.M. beispielsweise Ausbildung wichtig, dass die in Ausbildung befndli- zeigen, dass es – zumindest gemessen an den erreich- chen Subjekte ihre biographisch erworbenen berufs- ten Abiturnotendurchschnitten – offenbar nicht die feldspezifschen Vorerfahrungen reflektieren und sich Leistungsstärksten eines Abiturjahrgangs sind, die damit die eigenen Motive und Erwartungen zugäng- sich entscheiden ein Lehramtsstudium aufzunehmen. lich machen? Einerseits ist dies sicherlich richtig, doch Vielmehr scheinen Lehramtsstudierende­ in ihren schu- es gehört zur besonderen Situation des Lehramtsstu- lischen Leistungen deutlich schlechter abzuschneiden diums, dass die Studierenden hier bereits zu Beginn als ihre Kommilitonen, die in den gleichen Fächern ihrer Ausbildung über mindestens 12 Jahre Erfahrung einen Magister- oder Diplomabschluss anstreben. Die mit schulischen Lernprozessen verfügen und damit Entscheidung für ein Lehramtsstudium sei deshalb – mit dem Kerngegenstand ihrer zukünftigen professi- so zumindest Gold und Rauin – nicht selten mit einer onellen Tätigkeit bereits sehr tiefgreifende und nicht Negativauswahl vergleichbar, weil sich die Bewerbe- immer positive Erfahrungen gemacht haben. Dass rinnen und Bewerber ein reines Fachstudium offenbar Studierende schulische Lernprozesse in der Regel fast nicht zutrauten. Eine nicht unbeträchtlich große Grup- ausschließlich aus der Perspektive der Lernenden und pe von etwa 25 Prozent aller Studienanfänger, die im nicht der Perspektive der Lehrenden kennen, hindert Rahmen der Studie befragt wurden, gaben entspre- sie dabei nicht daran, sich z.T. bereits ausgefeilte Vor- chen auch an, eigentlich nie Lehrerin oder Lehrer wer- stellungen darüber zu bilden, wie solche Lernprozesse den zu wollen, und empfanden die Studienwahl nur sinnvoll zu gestalten sind (vgl. Gruschka 2002, 21f.). als Notlösung. Problematisch erscheint auch, dass 27 Diese Vorstellungen werden bei Lehramtsstudieren- Prozent der Studierenden sich selbst schlechte Noten den nun gleich in dreifacher Weise explizit. gaben, als sie nach sechs Semestern über berufsbezo- – Zum ersten, wie angesprochen, indem sie Einfluss gene Persönlichkeitsmerkmale wie Engagement im auf ihre Vorstellungen von geglücktem Unterricht Studium, berufliche Motivation und fachliches Wissen nehmen und damit den Kern ihrer didaktischen Auskunft geben sollten; trotzdem hielten sie allerdings Vorstellungen gravierend mitbestimmen, am Berufsziel Lehrer oder Lehrerin fest. Im Rahmen – zum zweiten aber auch, indem sie die Vorstellun- der Längsschnittstudie ließ sich zudem zeigen, dass gen der Studierenden vom fachlichen Gegenstand, solche negativen Selbstein­schätzungen des Studien- in unserem Fall also der Politik, bzw. der Gesell- verlaufs häufg auch mit eher hedonistischen Motiven schaft, der Wirtschaft oder des Rechts, in hohem der Studienwahl verbunden waren: wie beispielsweise Maße prägen und geringe Anforderungen im Studium, wenig Zeitauf- – zum dritten – und auch das darf in dieser Diskus- wand, Zeit für andere Interessen. Nicht ganz überra- sion nicht übersehen werden – indem sie schon schend zeigte sich aber auch bei Studierenden, die das vor Beginn der Lehramts­ausbildung die Wahl des Studium optimistisch einschätzten und erfolgreich zukünftigen Fächerschwerpunkt gravierend mit abgeschlossen haben, eine stark pragmatische Ori- beeinflussen (vgl. Groß 2006, S.80). entierung: Der Wunsch, im Studium und im späteren Ob also Politik als Fach im Rahmen des Lehramtsstudi- Beruf in der Nähe des Heimatortes bleiben zu können, ums überhaupt gewählt wird und welche Motive hier oder die Hoffnung auf ein überschaubares Studium die eigentlich ausschlaggebenden sind, muss vor allem und einen sicheren, familienfreundlichen Arbeitsplatz bei der Gestaltung von Einführungs­veranstaltungen, lagen im Vergleich mit anderen Motiven bei über 50 in der die Studierenden an ihr zukünftiges professio- Prozent aller Befragten weit oben. „Etwas überspitzt nelles Aufgaben­feld herangeführt werden, dringend könnte man formulieren, nicht nur ’geborene Erzieher’ mit berücksichtigt werden. Doch was wissen wir über- 47 Anja Besand Journal of Social Science Education 12 Jahre Berufserfahrung – die besondere Situation des Lehramtsstudiums Volume 8, Number 2, 2009, pp. 46–56

drängen ins Lehramt, sondern oft auch Pragmatiker oder Hedonisten“ (Rauin/Gold, 2007, S. 84). Dass Lehramtsstudierende häufg auf einen eher durchschnittlichen Erfolg im öffentlichen Schulsys- tem zurückblicken können, ist vor allem dann prob- lematisch, wenn man der Meinung ist, dass für einen anspruchsvollen Beruf wie den der Lehrerin oder des Lehrers nur die notenstärksten Abiturienten wirklich geeignet sind. Andererseits könnten Erfahrungen mit schulischen Misserfolgen für zukünftige Lehrkräfte aber auch als hilfreiche Erfahrungen gedeutet werden, sensibilisieren sie doch - so sollte man zumindest mei- nen – für den Umgang mit Schwierigkeiten in schuli- schen Lernprozessen. Bedenklich bleiben aber in je- dem Fall die eher niedrige berufliche Motivation und das häufg negative berufliche Selbstkonzept. Die pädagogische Motivation angehender Lehrerin- nen und Lehrer ist allerdings nur ein Aspekt, der für un- sere Fragestellung interessant ist, einen anderen wich- tigen Aspekt stellt die fachliche Motivation dar, also das Interesse am zu vermittelnden Gegenstand. Und auch wenn Rauin und Gold in diesem Zusammenhang ebenfalls eine eher düstere Interpretation vorschlagen, wären die von ihnen erhobenen Daten grundsätzlich auch in einer anderen Weise interpretierbar. So wäre Abb.1 und 2 eigene Berechnung nach HIS 2008 es beispielsweise durchaus möglich, dass gerade weil ein stark ausgeprägtes Interesse am fachlichen Gegen- Interessanterweise erreichen die Lehramtsstudieren- stand vorhanden ist, aber vielleicht die dafür vorgese- den aber gleichzeitig mit die höchsten Werte, was henen Abiturnotendurchschnitte nicht erreicht werden die Bereitschaft zum Engagement für Mitmenschen konnten, ein Lehramtsstudium in Betracht gezogen angeht. Zwischen dieser grundsätzlichen Bereitschaft worden sein könnte. Heißt es nicht beispielsweise zum sozialen Engagement und einer politischen (und durchaus bösartig), dass die verhinderten Künst- Beteiligungsbereitschaft scheint allerdings überra- ler letztlich Kunstlehrer werden? Für die zukünftigen schenderweise keine Verbindung zu bestehen. Ohne Politik/Gemeinschafts­kunde/Sozialkunde-Lehrerinnen diesen Befund zu stark zu gewichten oder endgültig und -Lehrer wäre es dementsprechend wichtig zu wis- interpretieren zu wollen, muss diese Kluft zwischen sen, welches Interesse sie an politischen oder gesell- politischem und sozialem Engagement stark irritieren. schaftlichen Fragestellungen haben. Sind sie vielleicht Eine Begründung könnte in einem sehr verengten Poli- besonders politisch interessiert oder auch engagiert? tikbegriff gesucht werden, der politische Aktivitäten Empirisch liegen zu dieser speziell ausgerichteten nur in den engen Wegen der traditionellen politischen Frage bislang leider noch sehr wenige Informationen Institutionen denkbar erscheinen lässt und soziales vor, deshalb lohnt sich hier zunächst ein Blick auf ei- Engagement eher mit Altruismus verbindet. Eine an- nige Studien, die sich in eher allgemeiner Weise mit dere Begründung könnte auch im Fehlen einer noch so dieser Fragestellung beschäftigen. Erste aktuelle Hin- vorläufgen und unvollständigen Gesellschaftstheorie weise fnden sich in diesem Zusammenhang beispiels- gesucht werden, wodurch es den Befragten schlechter- weise im Kontext einer Umfrage der Wochenzeitung dings unmöglich erscheinen muss, die Brücke von par- DIE ZEIT, die in Zusammenarbeit mit dem Hochschul- tikularen, aus unterschiedlichsten Motiven gespeisten informationssystem HIS im Sommersemester 2008 sozialen Aktivitäten zur gesellschaftsverändernden unter 6000 Studierenden durchgeführt wurde. Doch Praxis zu schlagen. auch hier zeichnet sich leider kein wirklich erfreuli- Nun könnten Lehramtsstudierende mit Haupt- oder ches Bild, was die politische Engagementbereitschaft Nebenfach Politik, Sozialkunde, Politik und Wirtschaft – von Lehramtsstudierenden­ betrifft. Denn von allen Fä- oder wie auch immer das Fach in den unterschiedlichen chergruppen erreichen diese auch hier mit die schlech- Hochschulen und Bundesländern genau bezeichnet testen Werte. So geben nur 10,9 Prozent der Lehramts- wird – sich gerade in diesem Kontext ja unter Umstän- studierenden im Rahmen dieser Studie an, sich in den von Lehramtsstudierenden anderer Fachrichtungen Zukunft politisch engagieren zu wollen, während 61,1 unterscheiden. Schließlich lässt sich von außen schwer Prozent das für sich sogar kategorisch ausschließen beurteilen, ob sich die entsprechenden Studierenden (vgl. HIS 2008, S.8). selbst eher als Studierende der sozialwissen­schaftlichen 48 Anja Besand Journal of Social Science Education 12 Jahre Berufserfahrung – die besondere Situation des Lehramtsstudiums Volume 8, Number 2, 2009, pp. 46–56

Fächergruppe oder in erster Linie als Lehramtsstudie- „Ich kann also auch bestätigen was von den Kollegen rende verstehen. Allerdings spricht einiges dafür, dass eben gesagt wurde, dass war bei mir also genauso, weil Lehramtsstudierende, anders als es vielleicht noch vor wie die Kollegin eben gesagt hat, zunächst als ich ange- 20 Jahren der Fall war, heute das Fach Politik nicht aus fangen hab zu studieren, konnte man das Fach gar noch einer persönlichen Leidenschaft oder Begeisterung he- nicht studieren. Das wurde bei uns erst 1970 eingeführt raus belegen. Im Vordergrund stehen auch hier häufg und ich hab dann ein anderes Fach, was ich studiert hab pragmatische Überlegungen wie Machbarkeit, Leist- sofort fallen lassen und stattdessen Politik gemacht,. Und barkeit u.Ä.m. Das Interesse für sozialwissenschaftli- die Motive waren wirklich ganz ähnlich, wie sie jetzt hier che Fragen ist in diesem Zusammenhang oft deutlich von Kollegen geschildert wurden. Wobei bei mir vielleicht untergeordnet (vgl. Kromrey 2001, S. 43 oder Denzler auch noch n bisschen dazu kam, ich hatte ja vorhin u.a. 2006). In qualitativen Gruppeninterviews, die ich gesagt äh Thema Nationalsozialismus fand bei uns im mit insgesamt 58 Lehramtsstudierenden im Frühjahr/ Geschichts­unterricht nicht statt und das hat eigentlich- Sommer 2006 durchgeführt habe, wird das Fach Politik hab ich als n äh Mangel empfunden und=und ähm da- sogar nicht selten explizit als Fach der zweiten Wahl durch fand bei mir auch persönlich diese Politisierung beschrieben. Besonders auffällig ist das beispielsweise statt, die dann eben in die Zeit fiel, wo das also allgemein in folgender Schilderung: sehr stark politisiert war. Und das hat mich dann für dieses Fach interessiert und begeistert „Ich hab - direkt nach dem Abi, hab ich beschlossen, dass auch so n bisschen mit dem Bewusstsein auch was beitra- ich jetzt direkt was studier mit was ich sehr viel Geld ver- gen zu wollen äh zu ner Veränderung.“ dienen kann und dann hab ich angefangen Softwaretech- (Lehrer 1948 geboren Saarland) nik zu studieren (...)nach drei Semestern hab ich’s dann Nun soll in diesem Beitrag keinesfalls der Eindruck wieder gelassen und dann saß ich wie ein Häufchen entstehen, die Lehramtsstudierenden­ von heute seien Elend bei meiner Mutter in der Küche und hab gefragt politisch wie gesellschaftlich desinteressiert, fach- Mama was soll ich machen? Oh Gott und hab da lich minder qualifziert und damit zumindest aus mehr oder weniger Panik geschoben, weil es war da so hochschuldidaktischer Perspektive für die politische Anfang Juli also so kurz vor Bewerbungsschluss an den Bildung in einem überaus beklagenswerten Zustand. ganzen Unis und Hochschulen und so und dann hat sie Vielmehr muss beachtet werden, dass die hier vorge- gemein: Komm Kind, werd einfach Lehrerin, das kannst stellten Interviewsequenzen und Ergebnisse verschie- du! Und da war ich sehr dankbar, dass endlich dener Studien tatsächlich nur bedingt Zugriff auf die mal jemand gesagt hat was ich machen soll. Hab mich fachliche wie didaktische oder auch allgemeinpäda- dann beworben, bin dann auch gleich genommen wor- gogische Motivation der sehr speziellen Gruppe von den. Hab dann Deutsch, nee Mathe und Geschichte stu- Lehramtsstudierenden mit Haupt- oder Nebenfach diert und hab dann beschlossen, dass Mathe doch irgend- Politik o.Ä. bieten, sondern bestenfalls erste Einbli- wie nicht so mein Ding ist und hab dann gewechselt auf cke und Hinweise in diesen Zusammenhang liefern Deutsch. Bin dann in die neue Prüfungsordnung reinge- können. Die tatsächliche Motivstruktur von Lehramts- rutscht und dann haben die im Studiensekretariat gesagt, studierenden im Fach Politik kann sich von Seminar dass ich neben Deutsch und Geschichte noch ein drittes zu Seminar, von Region zu Region und von Jahrgang Fach brauch und dann habe ich so überlegt ok zu Jahrgang tatsächlich ganz deutlich unterscheiden. dass dann noch zur Auswahl Wirtschaftslehre (.) Politik Fest steht in diesem Zusammenhang nur, dass – an- (.) Erdkunde (...) auf jeden Fall, ich dacht, gut dann nehm ders als bei ihren Vorgängerinnen und Vorgängern – ma am liebsten halt Politik, weil das war dann so ein überdurchschnittliches politisches Interesse und halt das kleinste Übel.“ eine entsprechende Engagementbereitschaft nicht (Lehramtsstudentin 1976 geboren Baden-Württem- einfach vorausgesetzt werden können. Politik ist für berg) Lehramtsstudierende häufg ein Fach wie jedes an- dere auch. Ein Fach, für das sie keine besondere Lei- 4. Biographische Differenzen denschaft empfnden müssen, um es unterrichten zu Dass dies vor einigen Jahren noch deutlich anders können: Das unterscheidet und trennt heutige Studie- gewesen sein muss, deutet sich in verschiedenen In- rende nicht selten von ihren Ausbilderinnen und Aus- terviewsequenzen mit Lehrerinnen und Lehrern der bildern an der Hochschule oder in den Studiensemina- Geburtsjahrgänge 1948 -1960 an (vgl. auch Besand ren der zweiten Ausbildungsphase, wie beispielsweise 2006), die beispielhaft in folgender Schilderung deut- folgende Interviewsequenz deutlich macht: lich werden.1 „Ich hab eher so den Eindruck, dass für die Jüngeren öh ja Politik zu unterrichten eher so ein Fach unter vielen ist. [I: Mhmm] Ich hab also noch letzte Woche meinem 1 Auch diese Interviews wurden als Gruppeninterviews im FrühFrüh-- Referendar die Frage gestellt: Warum haben sie eigent- jahr/Sommer 2006 durchgeführt. Teilgenommen haben insge- samt 32 Lehrerinnen und Lehrer der Geburtsjahrgänge 1940- lich Sozialwissenschaften studiert? Weil ich bei ihm so ein 1960. inneres Engagement so ein bisschen vermisst habe. Und 49 Anja Besand Journal of Social Science Education 12 Jahre Berufserfahrung – die besondere Situation des Lehramtsstudiums Volume 8, Number 2, 2009, pp. 46–56

öh ja er hat dann auch gesagt, na ja war eigentlich so lassen sich didaktische Vorstellungen zudem gleich zweite Wahl und sein anderes Fach das interessiert ihn gut über positive wie negative Modelle aus erlebtem mehr. Und das glaube ich unterscheidet sich von mir.“ Unterricht vermitteln. So berichten manche Studie- (Lehrerin 1950 geboren NRW) rende beispielsweise darüber, wie sie durch einen be- Und ein Lehrer aus Hamburg schließt daran an mit sonders faszinierenden Lehrer inspiriert worden sind, den Worten: andere begründen umgekehrt ihre Lehrvorstellungen „ (...) Wenn ich jetzt die Jüngeren angucke, Referendare mit negativen Erfahrungen von Unterricht, von dem hab ich keine äh, aber Studenten, >holt tief Luft< tja dann sie sich in ihrer zukünftigen beruflichen Praxis unbe- hab ich den Eindruck, für die ist Politik n Fach wie jedes dingt abheben wollen. Ob man deshalb so weit gehen andere auch. Man könnte auch Erdkunde nehmen, man sollte wie Gruschka, der im Jahr 2002 formuliert: „(...) könnte auch Geschichte nehmen, man könnte auch sonst mit der Voraussetzung von 13 Jahren Schulerfahrung irgendwas nehmen, hmm, viel Herzblut hängt da nicht ist bei den Studierenden ein Bild von der Sache (Un- dran, aber bei Einigen durchaus die Absicht, die ganze terricht und Didaktik) bereits zu Beginn des Lehrerstu- Sache vollständig Ernst zu machen, richtig zu machen äh diums in Grundzügen festgelegt. Wenig spricht dafür, viel persönliches Engagement, aber das ist so ein Art von dass während des Studiums Studierende eine völlig Engagement, das man in jedem anderen Beruf auch hät- neue Sicht ihrer späteren Praxis entwickeln. Sie sind te. Auch in jedem anderen Beruf haben könnte, äh vom vielmehr lediglich empfänglich für praktische Modelle, selben, spezifischen Gegenstand äh dann nicht geprägt.“ die sie mit ihren Vorerfahrungen verknüpfen können“ (Lehrer 1948 geboren Hamburg) (Gruschka, ebd.), sei dahin gestellt. Denn fragt man Die Ausbilderinnen und Ausbilder, sei es an der beispielsweise angehende Erzieherinnen und Erzieher Hochschule oder im weiteren Verlauf in den Studien- nach den Gründen, warum sie bestimmte pädagogi- seminaren oder der Schule, stehen der nicht selten dis- sche Entscheidungen getroffen haben, so beziehen tanzierten Haltung der zukünftigen Politiklehrerinnen sich diese – wie Schlicht (1994) gezeigt hat – kausal und -lehrer zuweilen skeptisch und ratlos gegenüber. fast ausschließlich auf Erfahrungen aus der eigenen Er- Da entsprechend ihrer biographischen Vorerfahrung ziehungs- und nicht Ausbildungsgeschichte. Dass dies eine empathische Haltung zum Gegenstand eine der auch für Lehrerinnen und Lehrer der Fall ist, hat Drech- wesentlichen Voraussetzungen für ein erfolgreiches sel (2001) gezeigt und scheint sich in Untersuchungen Berufsleben darstellt. Sie verstehen einfach nicht, wie von Koring (1989), Grammes (1991 und 1998), Henken- man Politik ohne besondere Leidenschaft und inneres borg (2006), Schelle (2003) und Klee (2008) allesamt Engagement unterrichten können sollte. Gleichzeitig zum Professionsverständnis von (Politik)lehrerinnen haben aber zumindest einige Studierende mit eben und -lehrern zumindest anzudeuten. Fachdidaktische diesem Typus des politisch engagierten Lehrers oder Lehrerbildung scheint, das wird in diesem Zusammen- der entsprechenden Lehrerin während ihrer Schulzeit hang mehr als deutlich, ein Unterfangen mit geringer bereits tiefgreifende und nicht immer positive Erfah- Wirkung zu sein (vgl. Klee 2008, S. 122ff.). Das bedeu- rungen gemacht und haben sich ob bewusst oder tet freilich nicht, dass Studierende dieser Fächergrup- unbewusst deshalb nicht selten entschieden, sich von pe ihr Studium nicht erfolgreich abschließen können, diesem Muster zu distanzieren. Eine Verständigung sondern dass die Ausbildung bislang wenig nachhal- zwischen beiden Seiten fällt deshalb nicht immer tig zu sein scheint. „Ausbildungsinhalte können zwar leicht, denn explizit oder implizit werfen sich beide bei Prüfungen wiedergegeben werden und stehen als Seiten ihre leiden­schaftliche vs. pragmatische Bezie- handlungsrechtfertigendes Wissen zur Verfügung, da- hung zum Gegenstand vor, was letztlich dazu führt, neben bleiben die traditionelle Überzeugungssysteme dass die differierenden biographischen Vorerfahrun- aber bestehen“ (Seel 2007, S. 35). gen im Ausbildungs­prozess oft unausgesprochen blei- Jochen Grell, der sich bereits in den frühen 1980er ben. Jahren mit dieser Frage beschäftigt hat, weist in die- sem Zusammenhang auf folgende Ursachen hin: 5. Zur Reflexion biographischer „Traditionelle Verhaltens- und Denkmuster schleichen sich Vorerfahrungen im Rahmen von auf allen erdenklichen Wegen in das Individuum ein, drin- Einführungsveranstaltungen gen durch die unsichtbarsten Ritzen in die Persönlichkeit Biographische Vorerfahrungen auszublenden oder zu und setzen sich in ihr fest, oft ohne dass die Person davon übergehen ist allerdings, wie oben bereits ausgeführt, bewusst etwas merkt. Das Lernen traditioneller Hand- für den Ausbildungsprozess insgesamt wenig hilfreich, lungsmuster ist so wirkungsvoll, weil alle verfügbaren denn erst indem eigene Vorerfahrungen thematisiert ‚Straßen des Lernens’ (...) bedenkenlos ausgenutzt werden, werden und angebotene Handlungsperspektiven „in um die traditionellen Programme im Individuum zu ver- vergleichsweise großer Offenheit neue Orientierun- ankern. Das Lernen von Traditionen geht den kognitiven gen versprechen, entsteht ein Rahmen für das Ler- Weg der Informationsvermittlung ebenso wie die Wege nen, der vielfältige Umstrukturierungen als möglich des handelnden Einübens und der emotionalen Selbster- erscheinen lässt“ (Gruschka 2002, S. 22). Biographisch fahrung. Wir lernen Traditionen durch Mitmachen und 50 Anja Besand Journal of Social Science Education 12 Jahre Berufserfahrung – die besondere Situation des Lehramtsstudiums Volume 8, Number 2, 2009, pp. 46–56

Zuschauen, durch Zuhören und Mitempfinden. Wir lernen sich spätestens im Rahmen der obligatorischen Schul- Traditionen, weil sie uns unentwegt vorgeführt, angetra- praktika die biographisch erworbenen Muster eher gen, wiederholt werden. Die Traditionen bearbeiten uns verfestigen als relativieren (vgl. v. Hentig 1996, S.24; von allen Seiten und über alle Sinnesorgane. Sie rechnen oder auch: Hedtke 2000). nicht nur auf unseren Verstand, sondern berücksichti- gen auch, daß wir Stimmungen und Gefühle, Wünsche 6. Von der Reflexion über Lehrerbilder zu und Bedürfnisse, Einstellungen und Erwartungen haben.“ ersten didaktischen Theorien (Grell 1981, S.177) Ein Ansatzpunkt biographischer Selbstreflexion im Um die blinde Reproduktion biographisch erwor- Lehramtsstudium kann – wie an verschiedenen Stel- bener Muster zu vermeiden, gilt es, frühzeitig im len bereits angedeutet – die Reflexion von Lehrer- Rahmen der Ausbildung vielfältige Instrumente zu bildern sein. Eine geeignete Möglichkeit, um solche entwickeln, mit deren Hilfe die häufg un- oder vorbe- Vorstellungen und Bilder vom Fachlehrer oder von der wussten biographischen Vorstellungen über das Ler- Fachlehrerin zugänglich und damit reflektierbar zu nen und Lehren in bestimmten Fächern zugänglich ge- machen, wird in folgender Übung dargestellt. macht werden können. Denn „(...) die (selbst)reflexive Rekonstruktion der berufsbiographischen Handlungs­ 6.1 Übung 1 oder: „weil wir da immer...“ verstrickungen in die professionellen Antinomien ist Gleich zu Beginn des Semesters (z.B. am Ende des nur unter ganz spezifschen Bedingungen und zudem ersten Sitzungstermins) werden die Studierenden deutlich eingeschränkt bereits vor der Einbindung in aufgefordert Gegenstände mitzubringen, mit de- die schulische Praxis möglich: etwa in Form der selbst- ren Hilfe sie etwas über ihren Politik-/Sozialkunde-/ reflexiven Auseinandersetzung auf Seiten der Studie- Gemeinschafts­kunde­unterricht erzählen können. Die renden mit der eigenen Schulerfahrung als SchülerIn, Gegenstände können direkt aus dem Unterricht stam- mit den daher stammenden eigenen positiven oder men oder aber metaphorisch gemeint sein. Es sollen negativen LehrerInnenbildern oder mit den Motiven einfach Gegenstände sein, die nach der persönlichen für die Studienwahl Lehramt“ (Beck 2000, S 43). Ein- Meinung der Studierenden in der Lage sind das Fach führungsseminare mit ihrer relativ frühen Verortung zu repräsentieren. Eine tiefer gehende Erklärung oder im Studium sind in diesem Zusammenhang eigentlich Beispiele werden nicht gegeben, um die Studierenden die einzigen Orte, an denen dies geschehen kann, da in ihrer Wahl nicht unnötig zu beeinflussen.

Abb. 3

Zu Beginn der zweiten Veranstaltung und damit (zu- Zwei Begründungsstrategien sind dabei auffällig mindest idealer Weise) in der zweiten Woche ihres häufg zu beobachten: Lehramtsstudiums werden die Studierenden dann auf- 1.) Zum einen werden Gegenstände gewählt, die häu- gefordert, den jeweils mitgebrachten Gegenstand zu fg wiederkehrende Ereignisse im Fachunterricht re- präsentieren und die Wahl und Bedeutung des ausge- präsentieren, wie z.B.: wählten Gegenstandes kurz zu erläutern.

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Zeitungen oder Zeitungs- Das Handy oder der Das GG, weil man das Weil es da „fast immer“ Unterrichtsmaterialien artikel, weil man „jede MP3-Player, weil man da „immer“ dabei haben Kaffee gab oder Arbeitsblätter die Woche“ eine aktuelle „immer“ etwas anderes musste „ständig“ eingesetzt Stunde hatte gemacht hat wurden.

Abb. 4 Außerdem: Karikaturen, „weil die immer zum Einstieg 2.) Erheblich seltener, aber trotzdem regelmäßig wer- genutzt wurden“, der Spiegel, „weil der Lehrer ein ech- den von Studierenden auch Gegenstände ausgewählt, ter Spiegelfan war“, eine Zigarette, weil „man manch- die an singuläre Ereignisse erinnern, z.B.: mal gemeinsam mit dem Lehrer in der Raucherecke gequarzt hat“ etc.

Uno-Flagge aus einem Alcopos, weil man an Ein Stuhl, weil man den Planspiel, weil man da diesem Beispiel eine Lehrer damit einmal ein ganzes Wochenende spannende Pro und Kon- aus dem Klassenzimmer für weggefahren ist tra Diskussion geführt ausgesperrt hat hatte Abb. 5

Wichtig für die Durchführung dieser Übung ist es, nen Vorerfahrungen mit den Erfahrungen der anderen dass alle Studierenden die Möglichkeit bekommen, Teilnehmerinnen und Teilnehmern abzustimmen be- ihren Gegenstand vorzustellen, beispielsweise auch ginnen. Zuweilen kommt es bereits im Rahmen dieser diejenigen, die vergessen haben einen Gegenstand frühen Übung zu ersten Irritationen und Aha-Erlebnis- mitzubringen oder heute zum ersten Mal am Seminar sen von a) Studierenden, die erleben, dass andere u.U. teilnehmen, denn über Erinnerungen verfügt jeder vollständig andere Erfahrung als sie selbst gemacht und es gibt keine richtigeren oder falschen Darstel- haben, oder aber b) der Seminarleitung, wenn diese lungen. Die Erinnerungen und Darstellungen der beispielsweise mit einer fast 50 Kopf starken Gruppe Studierenden werden entsprechend von der Seminar- Studierender ganz unterschiedlicher Herkunft konfron- leitung nicht kommentiert, lediglich Nachfragen sind tiert ist, die, ohne sich abzusprechen, fast ausnahms- manchmal nötig, um ein plastischeres Bild zu erhalten. los ein Grundgesetz als den prägenden Gegenstand Wenn die Studierenden ihre jeweils eigenen Beschrei- ihres Politikunterrichts mitgebracht haben. bungen selbst kommentieren oder bewerten, ist dies allerdings willkommen und wird entsprechend auch 6.2 Übung 2: Auf der Besetzungscouch angeregt. Sinn der Übung ist es, dass sich Seminarlei- Um von den individuellen Erinnerungen der Seminar- tung und Studierende in der Seminargruppe zunächst teilnehmerinnen und Seminarteilnehmer zu verdich- besser kennen lernen, einen ersten Einblick über Erfah- teteren Beschreibungen zu gelangen, kann es sinnvoll rungshintergründe erhalten und gleichzeitig die eige- sein, im Anschluss die Frage zu diskutieren, wie die 52 Anja Besand Journal of Social Science Education 12 Jahre Berufserfahrung – die besondere Situation des Lehramtsstudiums Volume 8, Number 2, 2009, pp. 46–56

Seminargruppe die Rolle des Sozialkunde-/Politik-/ Auto fahren, damit diese als solche von den Zuschaue- Gemeinschaftskundelehrers oder der entsprechenden rinnen und Zuschauern erkannt werden können. Lehrerin in einer Filmproduktion besetzen würde. Wel- Als kreativitäts- und diskussionsförderndes Materi- che Attribute hätte dieser Lehrer bzw. diese Lehrerin in al können hier auch speziell abgestimmte Schablonen, Abgrenzung zur Rolle der Lehrkräfte für Sport, Latein sog. Paper-Dolls, eingesetzt werden, mit denen an der oder Physik? Welche Frisur, Kleidungsstücke oder Cha- Tafel oder in Gruppenarbeit aussagekräftige Figurbe- raktereigenschaften sollte er oder sie haben, welches schreibungen hergestellt werden können.

Abb. 6: Bildquelle: http://flickr.com/photos/modmom/tags/paperdolls/

Die von den Studierenden auf diesem Weg entwi- stellt, grenzen sich andere vom so genannten „Laber- ckelten Rollenbeschreibungen, die erfahrungsgemäß unterricht“ und den unendlichen Diskussionen scharf durchaus unterschiedlich ausfallen können, können ab. Sinn dieser Übung ist es, möglichst viele solcher anschließend auf der Grundlage einer Stereotypen- Zuordnungsschwierigkeiten herauszuarbeiten, denn analyse (vgl. Besand 2004, S. 170-184) durch die Semi- es gehört zu den didaktischen Grundüberzeugungen narleitung kommentiert und zur weiteren Diskussion dieser Vorgehensweise, dass erst durch die auf diesem gestellt werden. Weg entstandenen Dissonanzen und Irritationen die vorhandenen biographischen Deutungsmuster einer 6.3 Übung 3 oder: „ein guter bewussteren Reflexion zugeführt werden können. Lehrer muss nur ...“ Nach dieser kreativen und verspielten kurzen Übung 6.4 Übung 4: Textlektüre Gruschka schließt sich nun wieder eine ernsthaftere Arbeits- Um die vorangegangene Übung zu vertiefen, bietet phase an, in der die Frage bearbeitet werden soll, was sich im Anschluss die Lektüre eines Textes von Andre- einen guten und was einen schlechten Politiklehrer as Gruschka an, in dem dieser sich mit Lernertypolo- oder aber eine Politiklehrerin eigentlich ausmacht. gien von Lehramtsstudierenden beschäftigt hat (vgl. Vorschläge und Antworten der Studierenden werden Gruschka 2002, S. 21-44). Diese zugespitzt formulier- spontan, vollständig und ohne weitere Kommentie- ten Typologien (S. 24-31) sollen im Seminar vorgestellt rung an der Tafel gesammelt, auf der zwei Spalten vor- werden. Dazu werden drei Typen maximaler Kontras- bereitet wurden: eine für die Eigenschaften guter, eine tierung gelesen und diskutiert. Die Studierenden sol- für die Eigenschaften schlechter Lehrpersonen. In die- len sich im Stillen überlegen, welchem Typus sie sich sem Prozess wird zumeist sehr schnell deutlich, dass zuordnen würden, bzw. versuchen, sich an Mitschüle- eine klare Trennung dieser beiden Bereiche nicht auf- rinnen und Mitschüler zu erinnern, die einem dieser rechtzuerhalten ist und Eigenschaften, die zunächst Typen sehr stark entsprochen haben. Für jeden Typus als negative Eigenschaften genannt wurden, von an- wird anschließend herausgearbeitet, welche didakti- deren Seminarteilnehmerinnen oder -teilnehmern als schen Grundüberzeugungen dieser ins Studium mit- positive Eigenschaften bewertet werden. Während bringt und wie schwer es ihm fällt, die didaktischen also beispielsweise für manche Teilnehmerinnen und Grundüberzeugungen anderer Typen als in gleicher Teilnehmer ein offenes Unterrichtsklima mit vielen Weise gültige zu akzeptieren. Diskussionen ein Garant für geglückten Unterricht dar- 53 Anja Besand Journal of Social Science Education 12 Jahre Berufserfahrung – die besondere Situation des Lehramtsstudiums Volume 8, Number 2, 2009, pp. 46–56

Typ A Typ C Typ D „... Die didaktische Theorie ist am „...Die didaktische Orientierung „... Jede Didaktik ist D ein Gräuel, Ende die für ihn gültige, die seiner von C besteht im gut gegliederten mit der unabhängig von der geisti- normativen Orientierung über das Lektionsunterricht. Die Schüler gen Bewältigung von Themen ein lernen am nächsten kommt: Schüler sollen mit Hilfe von Arbeitsblät- Inhalt den anderen ablöst. Er kann sollen zur Mitarbeit motiviert wer- tern deut¬liche Lenkung er¬fahren. nicht verstehen, warum Lehrer den. Dafür ist ein Klima zu schaffen, Damit kann verhindert werden, Schüleräußerungen duchgehen las- in dem jeder ohne Angst Fehler zu dass der Unter¬richt zerfranst oder sen, die offensichtlich falsch sind. machen, sich mit seinen Interessen zerredet wird, und viele Schüler Deswegen kommt für ihn nur eine und Möglichkeiten einbringen kann. Schwierig¬keiten bekommen dem Uterrichtsform in betracht, mit Ein Lehrer, der jeden Fehler sofort Stoff zu folgen. Solide Kenntnisse der Halbwissen bearbeitet und Ge- korrigiert, würde das Engagement und ordentliche Arbeits¬formen schwätz ausgeschlossen werden.“ der Schüler abwürgen. Die Leben- würden den Schülern wie ihm selbst (S. 29) digkeit von Unterricht ist demnach das Lernen erleichtern.“ (S. 28) ungleich wichtiger als strenge Aus- richtung auf ein gewünschtes Lern- ergebnis.“ (S.25)

6.5 Übung 5: Die Selbstverständlichkeiten nargruppe sich nicht auf Bewertungen einigen kann. von Schule oder: „das geht aber leider Trotz allem sollten alle und d.h. auch widersprüchli- nicht ...“ che Kommentare aufgenommen werden. In der nächsten und damit wahrscheinlich der dritten Nachdem die Sammlung und Bewertung der ver- Sitzung des Semesters soll im Anschluss an die Reflexi- schiedenen Aspekte des deutschen Schulsystems ab- on biographischer Erfahrungen mit Fachunterricht die geschlossen wurde, wird ein Visionsspiel durchgeführt. Reflexion von Erfahrungen und Grundüberzeugungen In diesem Spiel geht es darum sich vorzustellen, man über das System Schule im Mittelpunkt stehen. Damit wäre als Seminargruppe (vergleichbar der Kultusminis- wird der Fokus über den eigentlichen Fachunterricht hi- terkonferenz) in der Lage, das Schulsystem ganz nach naus auf die systemischen Kontextbedingungen erwei- eigenen Wünschen umzugestalten. Diesem Umgestal- tert, unter denen dieser Fachunterricht stattfndet. Als tungsprozess sind (außer vielleicht ein paar fnanziel- Ausgangspunkt dient eine Reflexion über die Selbst- len) keine Grenzen gesetzt, vorausgesetzt man kann verständlichkeiten des Systems Schule, so wie sie von sich in der Gruppe einigen. Anschließend werden ein- den Studierenden in 12 bis 13 Jahren ihrer Schulzeit zelne Aspekte und Veränderungsvorschläge diskutiert erfahren wurden. Diese werden zunächst benannt und und per Handzeichen zur Abstimmung gebracht. Ent- ohne Kommentierung an der Tafel gesammelt. haltungen werden nicht akzeptiert. Zum Entsetzen der Üblicherweise werden dabei folgende Aspekte an- Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer kommt die- gesprochen: ser Prozess regelmäßig zu dem Ergebnis, dass nur sehr – Einschulung mit 6 Jahren, wenige Änderungen des bestehenden Systems von der – 4 Jahre Grundschulzeit, Übergang in die weiter- Gruppe mehrheitlich getragen werden. Als Be­grün­ führende Schule nach der 4. (6.) Klasse, dung wird dabei immer wieder vorgetragen, dass das – 3-gliedriges Schulsystem, doch einfach nicht funktioniert (z.B. ohne Noten, ohne – Unterricht in 45 (90)-min-Stunden, Sitzenbleiben etc.). Auch kommen so in anschaulicher – Stundenplan, und prägnanter Form die biographisch erworbenen – Unterricht hauptsächlich am Vormittag, Grundüberzeugungen der Studieren­den zum Ausdruck – Fachstrukturen, und werden zunehmend von ihnen selbst als Hinder- – Klassenarbeiten, Tests, nis empfunden. Um eine nachhaltige Wirkung dieser – Noten, Zeugnisse, Versetzung vs. Sitzenbleiben, Übung zu erreichen, hat es sich als sinnvoll erwiesen, – (Fach-)Lehrer, die Sitzung mit einem kleinen Filmbeispiel zu beenden, – Pausen, Ferien, in dem anhand eines anschaulichen Beispiels deutlich – Elternvertreter, etc. gezeigt werden kann, dass Lernen auch (und manch- Nach der Sammlung dieser Aspekte werden die Stu- mal sogar besser) jenseits der Selbstverständlichkeiten dierenden aufgefordert, diese zu bewerten. Welche des deutschen Schulsystems möglich ist. Geeignetes Aspekte fnden sie gut, welche schlecht? Die Begriffe Filmmaterial bieten beispielsweise die Filme Auf den werden an der Tafel mit unterschiedlichen Farben mar- Anfang kommt es an oder Treibhäuser der Zukunft – Wie kiert. In diesem Zusammenhang stellt sich ähnlich in Deutschland Schulen gelingen, beide von Reinhard wie in Übung Nr. 3 meist schnell heraus, dass die Semi- Kahl. 54 Anja Besand Journal of Social Science Education 12 Jahre Berufserfahrung – die besondere Situation des Lehramtsstudiums Volume 8, Number 2, 2009, pp. 46–56

Einige dieser Filme sind auch auf der Seite http://de.youtube.com/ user/archivderzukunft online abrufbar

Mit diesen im Rahmen von zwei bis maximal drei Ein- weiteren Verlauf der Einführungsveranstaltung immer stiegssitzungen durchführbaren fünf Übungen sollte dann beziehen kann, wenn fachdidaktische Lernange- eine Grundlage für die Reflexion biographischer Vor- bote in Spannung zu den Vorstellungen und Konzep- stellungen über Lernen und Lehren in der politischen ten der Studierenden geraten. Bildung gelegt worden sein, auf die man sich auch im

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55 Anja Besand Journal of Social Science Education 12 Jahre Berufserfahrung – die besondere Situation des Lehramtsstudiums Volume 8, Number 2, 2009, pp. 46–56

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56 Journal of Social Science Education © JSSE 2009 Volume 8, Number 2, 2009, pp. 57–80 ISSN 1618-5293

Andreas Petrik „... aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Skizze einer kompetenz- und fallorientierten Hochschuldidaktik für die Politiklehrer-Ausbildung

Abstract Der Politikdidaktik fehlen bisher hochschuldidaktische Lehrstandards für eine effektive Politiklehrerausbildung. Auf der Ziel- und Inhaltsebene werden vier Lehrer-Kompetenzen vorgeschlagen: Analysekompetenz, Inszenierungskompe- tenz (Methoden- und Planungskompetenz), Aushandlungskompetenz und Diagnosekompetenz. Deren Ausgestaltung umreißt zugleich ein mögliches Theorie- und Methodencurriculum. Hochschulmethodisch gilt es, einen ersten, univer- sitären Praxisschock zu inszenieren, um die Beharrlichkeit bestimmter vordidaktischer Alltagstheorien aufzuweichen. Dazu wird ein Konzept doppelter Fallorientierung vorgestellt: 1. Basismodul: In Lehrkunstwerkstätten Best-Practice- Modelle durchspielen, die den politikdidaktischen Methodenfundus und die dahinterliegende konzeptionelle Ebene exemplarisch-genetisch aufschließen (Analyse- und Methodenkompetenz). 2. Aufbaumodul: An Unterrichtsszenen und biografschem Material Lehr-Lern-Probleme bearbeiten (Diagnose- und Aushandlungskompetenz).

The German social studies education is still missing university standards for teaching prospective teachers in peda- gogical content knowledge and subject methodology. The author proposes four competencies each social studies teacher should develop: Analytical skills (application of didactic theories), methodical and planning skills (to „direct“ lessons), negotiation skills (for teaching) and diagnostic skills. A university program for social studies education should be able to provoke conceptual changes to alter the student’s partly oversimplifed and pre-didactical beliefs. For this purpose the author presents a dual conception of case study work: 1. In a basic course students try out best- practice teaching units in microteaching scenarios. Hereby they acquire a set of basic methods and the didactic theo- ries behind them (analytical and methodical skills). 2. In an advanced course students examine biographic material (of students and teachers) and transcriptions of typical classroom scenes to understand content related learning and teaching problems (diagnostic and negotiation skills).

Inhalt Keywords 1. Brauchen wir eine Didaktik der Politikdidaktik? Hochschuldidaktik, Genetisches Prinzip, Konstanzer 1.1 Das „Klappt nicht!“-Phänomen Wanne, Politiklehrerausbildung, Fallorientierung, Me- 1.2 Ziel, Gliederung und Methodik dieses Aufsatzes thodencurriculum, Handlungskompetenz 2. Didaktische Lernprozesse: Das Theorie-Praxis-Pro- blem 1. Brauchen wir eine Didaktik der 2.1 Von der Notwendigkeit fachdidaktischen Wissens Politikdidaktik? 2.2 Ein Bad in der Konstanzer Wanne: Veränderungsre- 1.1 Das „Klappt nicht!“-Phänomen sistenz oder Gestaltungsspielraum? Seit meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter be- 2.3 Berufswahlmotive: Burn-Out, ohne jemals ge- gegnet mir ein hartnäckiges studentisches Lern-Phä- brannt zu haben? nomen: Das Seminar erarbeitet und erprobt komplexe 2.4 Was kann fachdidaktisches Wissen für die Praxis handlungsorientierte Unterrichtsmodelle, von denen leisten? einige sogar mehrfach in der Schulpraxis eingesetzt 3. Ziele und Inhalte einer „Didaktik der Politikdidak- wurden, beispielsweise die Planspiele des Münchener tik“ Centrums für angewandte Politikwissenschaft (CAP). 3.1 Hochschuldidaktische Ansätze Dennoch gibt es in fast jeder Auswertungsrunde eini- 3.2 Struktur einer Didaktik der Politikdidaktik ge StudentInnen, die aus dem Brustton der Überzeu- 3.3 Politikdidaktische bzw. Politiklehrer-Kompetenzen gung heraus verkünden: „Ist ja alles interessant und 4. Methodische Vorschläge für die Politiklehreraus- spannend, aber in der Schulpraxis klappt das nicht!“ bildung: Fallorientierte Zugänge Wenn sich diese Vorstellung bis über das Referenda- 4.1 Basismodul: Analyse- und Methodenkompetenz in riat hinaus hält, dann werden diese StudentInnen in Lehrkunstwerkstätten ihrem späteren Beruf vermutlich bei lehrerzentrierten 4.2 Selbstreflexion und Schulpraktikum und häufg ineffektiven Methoden bleiben, zumeist 4.3 Aufbaumodul: Diagnose- und Aushandlungskom- solche, die sie selbst als SchülerInnen kennen gelernt petenz durch rekonstruktive Fallarbeit haben. Das „Klappt nicht!“-Phänomen weist auf zwei 5. Ausblick: Entwicklungsaufgaben der politikdidak- Grundprobleme der Lehrerausbildung hin: Auf der tischen Lehre Subjektseite erstens auf die Beharrlichkeit von All- Literatur tagstheorien, die uns auch aus schulischen Lernpro- 57 Andreas Petrik Journal of Social Science Education „... aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 57–80

zessen bekannt ist und die mit Identitätsbehauptung zurückfragt und eventuell, falls die Zeit reicht und die und Unsicherheit gegenüber dem Neuen zu tun hat. Gruppe nicht zu groß ist, das Referierte gemeinsam Auf der Objektseite zweitens auf das vielbemühte diskutiert? Oder sind unsere Vorlesungen bereits aus- „Theorie-Praxis-Problem“, das sich mit der Lernbarkeit reichend visualisiert, interaktiv aufgelockert, in kleine und Anwendung wissenschaftlichen Wissens in der Abschnitte eingeteilt, die intensive Kleingruppendis- gesellschaftlichen Praxis beschäftigt. Dieses Dop- kussionen und Stillarbeitsphasen integrieren und so pelphänomen bestimmt das hochschuldidaktische zu Diskussionsbeiträgen auch vor großem Plenum er- Brückenproblem: Mit welchen hochschuldidaktischen muntern? Wie hoch ist der Anteil politikdidaktischer Arrangements können wir angemessen an didaktische Seminare, in denen StudentInnen didaktisches Wissen Alltagsvorstellungen von LehramtskandidatInnen an- nicht nur rezipieren, sondern auch erforschen und er- knüpfen, um zentrale Lehrer-Kompetenzen zu fördern? proben können? Inwiefern ist die vielgepriesene Kom- Allgemeiner gefragt: Gibt es eigentlich eine Hoch- petenzorientierung nicht bloß zum unabwendbaren schuldidaktik zur Vermittlung didaktischen Wissens? Lehrinhalt geworden, sondern zur verlässlichen Richt- Theodor Schulze, Biografeforscher, Künstler, All- schnur unseres hochschuldidaktischen Handelns? gemeindidaktiker und Mitbegründer der auf Martin Wagenschein basierenden Lehrkunstdidaktik (vgl. 1.2 Ziel, Gliederung und Methodik dieses Berg/Schulze 1995), soll in seiner Abschiedsvorlesung Aufsatzes 1991 in Bielefeld die Einsicht vermittelt haben, „als Die Frage nach der politikdidaktischen Effzienz lässt Didaktiker zumeist das Gegenteil von dem getan zu sich bisher empirisch nicht beantworten, hier sind ent- haben, worüber er geredet habe“ (Wildt 2000, 171). sprechende Studien gefragt. Mein Aufsatz zielt auf die Sein akademischer Schüler Johannes Wildt, einer der konzeptionelle und handlungspraktische Ebene der führenden Hochschuldidaktiker, sieht in dieser Selbst- Politiklehrerausbildung und vertieft damit den ersten erkenntnis den „blinden Fleck der Lehrerbildung“: Die Entwurf einer Hochschuldidaktik für die Politiklehrer- Diskrepanz zwischen unserem verfügbaren didakti- ausbildung im Handbuch Lehrerbildung (Reinhardt schen Wissen und unserem hochschuldidaktischen 2004). Ich gehe in drei Schritten vor: Ausgehend von Handeln. Jürgen Oelkers (2003) zeigt exemplarisch Befunden über typische Lernprobleme angehender an zwei Studienseminar- und Hochschulstandorten (Politik-)LehrerInnen (2.) werde ich die Strukturmomen- die „Dozentenzentriertheit“ in der Lehrerausbildung: te einer Hochschuldidaktik für die Politiklehrerausbil- Statt Standards der Lehrerbildung aufzufnden, die dung skizzieren: Auf der Ziel- und Inhaltsebene werde sich explizit an Handlungssituationen von LehrerIn- ich untersuchen, welche Kompetenzen und Kerninhal- nen orientieren, diagnostiziert er ein Sammelsurium te zukünftige PolitiklehrerInnen erlernen sollten (3.). an persönlichen und unkoordinierten Lehrvorlieben Auf der hochschulmethodischen Ebene werde ich ein der VeranstaltungsleiterInnen. Er bilanziert, dass no- Methodencurriculum als Zugang zum Politischen und minell studentenzentrierte und individualisierte Me- zu politikdidaktischen Konzeptionen entwerfen sowie thoden die zukünftigen LehrerInnen häufg schlicht fallorientierte Ausbildungsmodule vorstellen (4.). orientierungslos und wenig kompetent zurücklassen Ein solches Vorhaben ist auf Nachbarwissenschaften (ähnlich Oser 2003). angewiesen: Aus der deutschen und us-amerikanischen Auch in der universitären Politiklehrer-Ausbildung soziologischen und pädagogischen Professions- und müssen wir PolitikdidaktikerInnen1 uns selbstkritisch Wissens-Verwendungsforschung entnehme ich Hin- fragen, wie groß die Kluft zwischen unserem beachtli- weise auf studentische Lernprobleme und hochschul- chen Fundus an didaktischen, methodischen und lern- didaktische Aufgaben. Die neuerdings in Deutschland psychologischen Werkzeugen und unseren faktischen entstehenden allgemeinen und fachbezogenen Hoch- Lehrstandards ausfällt. Sind wir in der Lage, über den schuldidaktiken sowie die noch junge Gesellschaft für Beutelsbacher Konsens hinaus zentrale Inhalte (Kom- Fachdidaktik (GFD) liefern Kriterien für hochschuldi- petenzen, didaktische Modelle, Methoden und Unter- daktische Standards. Zusätzlich werde ich die us-ame- richtsmodelle) zu einem Kerncurriculum zu bündeln rikanischen Standards und empirischen Studien zur und als Mindeststandards festzuschreiben? Dominie- Sozialkundelehrerausbildung einbeziehen. Die Studi- ren methodisch traditionell rezeptiv angelegte Vorle- en konzentrieren sich jedoch zumeist auf historisches sungen und Seminare, in denen einzelne umfangrei- Lehren und Lernen (vgl. Adler 2008). Die deutsche che Wissensbestände vortragen, die Mehrheit zuhört, Schulpädagogik wiederum gibt anspruchsvolle Anre- gungen für die universitäre Arbeit mit Fällen. Vor allem geht es mir darum, die spezifsche deut- 1 Dieses „Wir“ schließt hier alle ein, die an der Universität Politi- sche fachdidaktische Tradition zu proflieren, die – im klehrerInnen ausbilden, da es mir um didaktische Perspektiven Gegensatz zur beispielsweise französischen und ame- für unsere Lehre geht. Und „unsere“ StudentInnen lade ich ein, rikanischen Tradition der Lehrerausbildung – eine ei- sich (selbst-)kritisch mit den Befunden zu ihren universitären Lernerfolgen und Lernproblemen auseinanderzusetzen – als gene Disziplin jenseits von „Fachwissenschaft“ und zusätzliche metadidaktische Reflexionsebene. fachübergreifender „Methodenlehre“ herausgebildet 58 Andreas Petrik Journal of Social Science Education „... aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 57–80 hat. Auf unsere Domäne bezogen heißt das zu ver- 2. Didaktische Lernprozesse: Das Theorie- deutlichen, dass unser Gegenstand im Gegensatz zu Praxis-Problem demjenigen der PolitologInnen nicht „Politik“ oder 2.1 Von der Notwendigkeit fachdidaktischen „Politikwissenschaft“ ist, sondern „Politikbewusstsein“ Wissens und „politisches Lernen in Schule, Gesellschaft und Internationale, v.a. us-amerikanische pädagogische, Wissenschaft“. Damit verfolgen wir neben dem Ziel der soziologische und psychologische Studien zur Wir- Lehrerausbildung immer auch die Generierungspro- kung der Lehrerbildung bündeln ein Sammelsurium zesse sozialwissenschaftlichen Wissens. Fachdidaktik an Fragestellungen und Erhebungsmethoden, die von ist „Denk- und Kooperationspartner“ für Fachwissen- einfachen Befragungen bis zu standardisierten Beob- schaften, erfüllt eine „Begleitfunktion“, indem sie die achtungen reichen. Settings in realen oder hypothe- Geschichte des Faches, dessen elementare Strukturen, tischen Lehr-Lern-Situationen kommen jedoch so gut gesellschaftliche Relevanz und Bewusstseinsformen, wie nicht vor (vgl. im Folgenden Blömeke 2004a, 60ff. Forschungspotenziale, Kommunikationsformen inner- u. 66ff.; Adler 2008). Dennoch lassen sich nützliche halb und außerhalb der community beleuchten kann Trendsaussagen ableiten, sofern man den bildungs- (vgl. Vollmer 2007; Wildt 2007, 178; Reinhold 2004). politischen Faktor herausrechnet: In den USA, in de- Vor dem Hintergrund dieser fachdidaktischen The- nen mit Abstand die meisten Lehrerbildungsstudien orietradition möchte ich das bisweilen unreflektierte stattfanden, kämpfen die sogenannten „Deregulierer“ Mantra der mangelnden Internationalisierung deut- gegen die sogenannten „Professionalisierer“. Die Pro- scher Sozialwissenschaften relativieren. Sicherlich fessionalisierer, vertreten durch die Pädagogin Linda gibt es Beispiele für eine deutsche Nabelschau, aber Darling-Hammond, wollen die Lehrerausbildung mit die gibt es eben (z.T. sprachbedingt) auch und gerade höheren Standards versehen. Die Deregulierer, ver- in den USA, deren Einbeziehung oft mit Internationa- treten durch die Abell Foundation, wollen staatliche lisierung gleichgesetzt wird. Dort sind genuin fach- Ausbildungs-Vorgaben abschaffen, auf dass der Markt didaktische Denkweisen, die Prinzipien, Inhalte und die besten LehrerInnen auswähle. Ihr groß angelegtes Methoden sozialwissenschaftlich verbinden (pedagi- Review zahlreicher Studien fndet keine hinreichenden cal content standards) noch relativ neu. Erst langsam Belege dafür, dass ausgebildete LehrerInnen tatsäch- wächst die Erkenntnis, dass „teaching social studies lich höhere Schülerleistungen erzielen, vielmehr sei- for civic competence“ etwas anderes ist als „teaching en Persönlichkeitsmerkmale und Sprachfähigkeiten the discipline“ (vgl. Adler 2008, 331ff.). Auch die ge- entscheidend. Wenn dieser Befund pauschal zuträfe, nuin fachdidaktischen Anregungen, die Carole Hahns müssten wir uns über eine sinnvolle Lehrerausbildung Schülerin Patricia Avery (2003a/b) z.B. aus der inter- keine Gedanken mehr machen. Doch es lässt sich eini- nationalen Civics-Studie zur „Verbesserung“ der Poli- ges methodisch und inhaltlich einwenden. Es handelt tiklehrerausbildung ableitet (Perspektivenübernahme, sich um ein kleines Lehrstück in Wissenschaftspolitik. Konfliktorientierung, Orientierung an politischen All- Methodisch problematisch erscheint Sigrid Blöme- tagstheorien und Identitätsentwicklungsprozessen, ke zufolge, dass die Deregulierer im Gegensatz zu den Arbeit mit kognitiven Landkarten, Schulbuch- und Me- Professionalisierern nur large-scale-Untersuchungen dienanalyse) werden in der deutschen Politikdidaktik und Aufsätze im blind-peer-review-Verfahren untersu- seit längerem theoretisch reflektiert, praktisch erprobt chen, wobei qualitative Studien und Doktorarbeiten und empirisch zumindest explorativ untersucht. systematisch herausfallen und sie sich ausschließlich Der Bostoner Erziehungswissenschaftler Dennis auf den Faktor Schülerleistungen stützen (vgl. ähnlich Shirley (2008) spricht von einem „lack of a dynamic Reinhold 2004). Zweitens ergab Blömekes Re-Analyse pedagogical canon“ in den USA und berichtet von (ebenda, 71ff.) der verwendeten Studien sehr viel hö- wachsenden Zweifeln angesichts rein psychometri- here Übereinstimmungen zwischen beiden Kontrahen- scher Standardisierung und „high-stakes“-Testung ten, als öffentlich von der Abell Foundation verkündet: von Bildungsprozessen. Diese Kritik erklingt zuneh- So scheint ein fachlicher oder pädagogischer Master- mend auch aus den Reihen der American Federation abschluss eben doch einen qualitativen Unterschied of Teachers und der National Education Association. im Lehrerhandeln zu machen, vor allem die Kombina- Shirley spricht „the German Didaktik Tradition“ eine tion von pädagogischem und fachlichem Wissen zahlt zukunftsweisende Rolle für ein, wie er es nennt, „post- sich aus. Allerdings tritt hier auch ein Deckeneffekt standartisiertes“ Bildungswesen zu. Ich stimme ihm auf: Ab einer gewissen Schwelle fachlichen Wissens zu und plädiere für ein Verständnis von Internationa- (z.B. Promotion) kann der Effekt sogar negativ sein, da lisierung, das den Export eigener Errungenschaften die Fülle an verfügbaren Wissen offenbar vielen Lehre- ebenso fördert wie bisher den Import überwiegend rInnen dessen Elementarisierung schwerer macht und angloamerikanischen Wissens. sie sich folglich an konventionellen Lehrmethoden orientieren. Uns FachdidaktikerInnen bringt die Re-Analyse der Studien gute Nachrichten: Zieht man die wenigen 59 Andreas Petrik Journal of Social Science Education „... aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 57–80

fachdidaktischen Studien heraus, die sich explizit mit auch der sozialen Erwünschtheit geschuldet sein: Stu- pedagogical content knowledge, subject methodolo- dentInnen gelten nicht gern als konservativ. Außer- gy oder subject education beschäftigen, so ergibt sich dem konnte die Hinwendung zu pädagogisch konser- offenbar eine signifkant positive Wirkung auf Lehrer- vativeren Orientierungen bei zuvor bereits progressiv Kognitionen, Lehrerhandeln und Schülerleistungen. eingestellten JunglehrerInnen nicht oder kaum ermit- telt werden. 2.2 Ein Bad in der Konstanzer Wanne: Maßgeblich für eine Relativierung der Praxisschock- Veränderungsresistenz oder Befunde ist der sozialisationstheoretische Paradig- Gestaltungsspielraum? menwechsel von der strukturfunktionalistischen Rol- Ich komme zur subjektiven Seite der Lehrerbildung. lentheorie zur konstruktivistischen Sichtweise (vgl. Zahlreiche Studien bescheinigen den studentischen Grundmann 1999). Demnach sind angehende Lehre- didaktischen Alltagstheorien eine gewisse „Verände- rInnen (wie auch SchülerInnen) keine passiven Ob- rungsresistenz“ (vgl. Blömeke 2004, 64ff.; Messner/ jekte ihrer sozialisierenden Umstände. Sozialisation Reusser 2000; Adler 2008, 336). Demnach beginnen wird vielmehr – analog zur konstruktivistischen Lern- viele StudentInnen ihr Lehrerstudium mit der op- theorie – als interdependentes, reziprokes Geschehen timistischen Einstellung, „schon zu wissen, wie es angesehen: Vorgefundene Strukturen werden aktiv läuft“, nämlich effektiv per frontaler Vermittlung, so übernommen, aus Fremdsozialisierung wird Selbstso- dass man bloß noch ein pädagogisches Methodenre- zialisierung. pertoire lernen müsse, um die SchülerInnen „im Griff Die Kritik an der Konstanzer Wanne verdeutlicht die zu haben“. Das universitäre Angebot wird an die ei- Gefahr, das Kind „Lehrerprofessionalität“ mit dem Bad genen Vorstellungen assimiliert, vorzugsweise solche „Praxisschock“ auszuschütten. Schule als Institution Wissensbestände werden integriert, die bisherige wäre veränderungsresistent, wenn der Berufseinstieg Vorstellungen bestätigen. Dennoch machen offenbar nicht auch die Chance von Gestaltungsspielräumen viele StudentInnen im Studienverlauf eine Liberali- ermöglichen würde (vgl. Sikes/Measor/Woods 1985). sierung ihrer didaktischen Vorstellungen durch: An- Eine überzeugende Synthese aus Praxisschock und fänglich konservative, vordidaktische Vorstellungen Gestaltungsfähigkeit verkörpert meines Erachtens das von der Notwendigkeit pädagogischen Drucks, der nach Sichtung von etwa 300 empirischen Lehrerstu- Angeborenheit bestimmter Lernschwierigkeiten und dien konzipierte dreistufge Modell des Aufbaus von der entscheidenden Rolle der Lehrerpersönlichkeit im Handlungskompetenz (vgl. Fuller/Brown 1975; ähnlich Gegensatz zu didaktischem Wissen werden tendenzi- Viebahn 2008, 191f. für die universitäre Lehre): ell abgelöst durch die Einsicht in die Möglichkeit und 1. Survival stage: Das eigene Überleben im Klassen- Notwendigkeit einer didaktischen Gestaltung des raum steht im Vordergrund. Ziel: möglichst stress- Lehr-Lern-Verhältnisses. freie Bewältigung der neuen Handlungssituation. Dabei bleibt es aber nicht: So tendieren zahlreiche 2. Mastery stage: Der Ich-Bezug wandelt sich zum JunglehrerInnen während ihrer Berufsanfangsphase Situationsbezug. Ziel: wissensbasierte Gestaltung dazu, wieder ihren früheren vordidaktischen Lehr- von Unterricht. Lern-Vorstellungen zu folgen. Dieses Phänomen ist im 3. Routine stage: Individuelle Lernprobleme geraten deutschsprachigen Raum unter der Metapher „Kons- in den Fokus. Ziel: diagnostischer Blick auf das Lehr- tanzer Wanne“ bekannt geworden: Den linken „Wan- Lern-Geschehen. nenrand“ bzw. die y-Achse der grafschen Darstellung Die Veränderungsresistenz von didaktischen Alltags- bilden die anfänglichen hohen konservativen Vorstel- theorien lässt sich also analog zur schülerbezogenen lungen. Das tiefere Becken wird durch die liberalere Konzeptwechselforschung sensu Piaget rekonstruie- Orientierung im Studium gebildet (x-Achse = Ausbil- ren: Handlungsorientierte Methoden, die wir in der dungsverlauf) und der Praxisschock lässt schließlich universitären Lehre einführen, assimilieren viele Stu- einen rechten Wannenrand entstehen (vgl. Dann u.a. dentInnen zunächst an ihre Vorstellungen von effzi- 1978). Diese Entwicklung zeigt einen Anpassungspro- entem Unterricht. Sie lassen sich zwar intellektuell auf zess an die Erwartungen im Berufsfeld: Vorhandene diese Methoden ein, glauben jedoch nicht an ihre An- Handlungsroutinen zwingen zum Handeln gegen wendbarkeit („Klappt nicht“-Phänomen). Je stärker die neue Überzeugungen, um des professionellen „Über- Methodenausbildung jedoch praktische Erprobungen lebens“ Willen. integriert, umso wahrscheinlicher erleben Studieren- Obwohl viele Studien die überwältigenden Eigen- de bereits im Studium ihren ersten, universitären Pra- schaften institutioneller Routinen bestätigen, ist die xisschock. Dieser dürfte bei den meisten StudentInnen Konstanzer Wanne bis heute umstritten: Sie wurde nach und nach eine Akkommodation an die Vorstel- zum Anlass klärender Kontroversen über die Genese lung breiter didaktischer Handlungsmöglichkeiten von Handlungskompetenzen bei LehrerInnen (vgl. auslösen – ohne dass ihre älteren Konzepte damit die Kritik bei Gehrmann 2003, 153ff.). So könnte die gänzlich verschwinden würden. Während des zweiten, angeblich liberalere Haltung während des Studiums schulischen Praxisschocks können sich vordidaktische 60 Andreas Petrik Journal of Social Science Education „... aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 57–80

Konzepte zumindest zeitweilig wieder handlungswirk- Haupt-, Real- oder Sonderschule als ein anderes Studi- sam vor die neuen Konzepte legen, weil sie im survival enfach. Stärker als von der schulischen Leistung hängt stage größere Sicherheit vermitteln. Einige Junglehre- demnach der spätere berufliche Erfolg von der Qualität rInnen werden allerdings das survival stage übersprin- der Lehrerausbildung ab, insbesondere vom erworbe- gen: Weil sie in ihren konservativen oder liberalen di- nen fachdidaktischen Wissen. Meines Erachtens ergän- daktischen Vorstellungen derart gefestigt sind, dass zen sich beide Studien. Selbst eine hohe soziale Moti- sie sich gleich auf die wissensbasierte Gestaltung von vation und Kompetenz muss nicht mit fachlichem und Unterricht konzentrieren können. fachdidaktischem Engagement im Studium einherge- Für die politikdidaktische Lehre bedeuten die bis- hen: „Menschenliebe“ und pädagogisches Bewusstsein herigen Überlegungen folgendes: Den jahrelang trai- allein kann Überforderung und Burn-Out nicht verläss- nierten Schulerfahrungen müssen wir positive Gegen- lich verhindern. Beide Befunde stärken also die Rolle erfahrungen in der Intensität eines ersten heilsamen der Fachdidaktik, die offenbar gleichermaßen die be- Praxisschocks entgegensetzen. Dies kann nur durch rufliche Zukunft von LehrerstudentInnen sowohl mit universitäres Probehandeln in Seminar und Praktikum „unpädagogischen“ (Rauin) als auch mit „pädagogi- sinnvoll geschehen, denn eine frühere Referendariats- schen“ (Baumert u.a.) Berufswahlmotiven positiv oder Praxis oder gar ein Verzicht auf die erste Phase, wie negativ beeinflussen kann. Bildungspolitisch zentral vielerorts gefordert, hieße auf das kognitive Schutz- ist allerdings der Befund der Max-Planck-Studie, dass schild der liberalen, besser gesagt konzepterweitern- die Abiturnote keine ausreichender Indikator für den den Zwischenphase ganz zu verzichten. Erfolg im späteren Berufsleben sein kann. Für die Übertragbarkeit der Befunde Rauins auf den 2.3 Berufswahlmotive: Burn-Out, ohne jemals Werdegang von PolitiklehrerInnen sprechen die Inter- gebrannt zu haben? views, die Anja Besand (2006) mit drei verschiedenen Eine neue Längsschnittstudie gibt Hinweise darauf, Politiklehrer-Generationen geführt hat: Die Jungleh- dass die Veränderungsresistenz von didaktischen All- rerInnen des dritten Jahrgangs (1965-1973) berichten tagstheorien auch etwas mit den Berufswahlmotiven häufg über ihre pragmatische Berufswahl des kleins- zu tun haben könnte (vgl. Rauin 2007). 1100 Lehrerstu- ten Übels. Politikunterricht gilt vielen von ihnen als dentInnen für Haupt- und Realschule wurden vom Stu- Fach wie jedes andere, für das sie keine besondere dium bis in die ersten Berufsjahre begleitet und nach Leidenschaft hegen. Die Interviewten zeigen zwar ihrer Selbsteinschätzung sowie ihren Berufswahlmoti- nicht die technokratische Vermittlungshaltung, die ih- ven befragt. Demnach ist das Lehramtsstudium für ein nen von der vorherigen Achtundsechsiger-Generation Viertel bloß eine Art Notlösung, um ein (angeblich) unterstellt wird, sondern häufg ein echtes methodi- überschaubares Studium in Heimatnähe absolvieren sches Interesse. Dieses bleibt aber, wie Anja Besand zu können, sowie einen sicheren, familienfreundlichen, schreibt, häufg „naiv“ und an eigenen Schulerfahrun- halbtäglichen Arbeitsplatz zu erhalten. Ein Drittel der gen orientiert – eine Tendenz, die us-amerikanische untersuchten StudentInnen gibt sich selbst schlechte Studien zur Politiklehrerausbildung bestätigen (vgl. Noten für ihr Fachwissen, ihre pädagogisch-didakti- Adler 2008, 340ff.). schen Persönlichkeitsmerkmale und ihr Engagement Diese „Lernerverschiedenheiten“ im Studium, die im Studium; soziale Beziehungen sind ihnen wichtiger sich z.B. in verschiedenen Leistungsproflen und Be- als die Mitarbeit in Seminaren. Die Autoren der Studie rufswahlmotiven zeigen, werden gemeinhin in der sprechen hier vom Typus der „riskant Studierenden“. universitären Lehre unterschätzt (vgl. Viebahn 2008, Ca. 60% der später im Berufsleben ausgebrannten 186ff.). In dieser Hinsicht gebärden wir uns ähnlich LehrerInnen waren bereits im Studium überfordert, wie viele GymnasiallehrerInnen, die von einer ho- während unter der größeren Gruppe der engagierten mogenen Klientel ausgehen, ich schließe mich da StudentInnen nur 10% am Burn-Out leiden. „Die über ausdrücklich ein. Eine zukünftige universitäre Binnen- besondere Belastung Klagenden haben vermutlich nie differenzierung verlangt nicht nur nach zusätzlichen ‚gebrannt’“ (Rauin 2007, 64) lautet daher die Schluss- studentenzentrierten Methoden, sondern auch nach folgerung. verstärkter Beratungstätigkeit: Um verschüttete Po- Eine scheinbare Gegenposition nimmt die noch un- tenziale derer zu erkennen und zu wecken, die aus veröffentlichte Längsschnittstudie „Eingangsvoraus- Notlösungs-Erwägungen heraus PolitiklehrerInnen setzungen beim Studienbeginn: Werden Lehramtskan- werden wollen; um den pädagogisch Motivierten die didaten unterschätzt?“ ein (vgl. DIE ZEIT, 19.03.2009; wesentliche Rolle fachdidaktischen Wissens für den faz.net 24.3.2009). Dieser Studie des Max-Planck-Insti- pädagogischen Erfolg zu verdeutlichen und um denje- tuts für Bildungsforschung zufolge zeigen viele Lehr- nigen StudentInnen frühzeitig und deutlich einen an- amtskandidatInnen schon vor dem Schulabschluss ein deren (sozialwissenschaftlichen, pädagogischen oder besonderes Interesse am Umgang mit Menschen. Sozi- ganz anderen) Beruf zu empfehlen, die voraussichtlich al orientierte Abiturienten wählen sogar mit dreimal im späteren Lehrerberuf sich und ihre SchülerInnen höherer Wahrscheinlichkeit das Lehramt für Grund-, unglücklich machen würden. 61 Andreas Petrik Journal of Social Science Education „... aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 57–80

2.4 Was kann fachdidaktisches dert prinzipiell auch die Variante I.2 nichts, die auf Wissen für die Praxis leisten? Schulorganisationsstrukturen als Manipulations- Ich komme nun zur „objektiven“ Seite der Lehrerbil- faktor des Wissenstransfers hinweist. dung: zum Verhältnis von didaktischem, also sozialwis- 2. Transformation: Auf Basis phänomenologisch-in- senschaftlichem Wissen und schulischer Handlungs- teraktionistischer und kognitionspsychologischer praxis. Interessanterweise verlaufen die Stationen der Theorien wird eine Strukturdifferenz zwischen Verwendungsforschung didaktischen Wissens parallel wissenschaftlichem und handlungspraktischem zur Entwicklung didaktischer Lehr-Lern-Auffassungen: Wissen festgestellt (II.1): Demnach kann Wissen- von Transfer- über Transformations- zu Relationie- schaft Handlungswissen nicht ersetzen, aber des- rungs-Vorstellungen. Auch im sozialisationstheoreti- sen Revision befördern. Durch die Selektion der schen Paradigmenwechsel von Fremdsozialisierungs- Handelnden, durch ihren produktiven Umgang mit zu Selbstsozialisierungsmodellen (s.o.) zeigt sich diese wissenschaftlichem Wissen transformiert es sich konstruktivistische Tendenz zur Aufwertung individu- (II.2). Andere Studien sprechen auch von einer eller Denk- und Handlungsspielräume (vgl. im Folgen- wechselseitigen Befruchtung beider Wissensfor- den Bommes/Dewe/Radtke 1996, 219ff.): men (II.3) bis hin zu völligen Konzentration auf die „Abnehmerseite“ und deren „subjektive Theorien“: Situativ-pragmatische und latent verfügbare Hand- lungsregeln werden rekonstruiert, der Wissenschaft wird kein direkter Einfluss mehr eingeräumt (II.4). 3. Relationierung: Frank-Olaf Radtke u.a. differenzie- ren die transformatorische Beziehung weiter aus, indem sie von einer „Begegnung“ und „gegensei- tigen Beobachtung“ zweier eigenständiger Wis- sensformen sprechen, die einen „nicht-identischen“ dritten Wissensbereich erzeuge. Damit wäre die Beziehung von didaktischem Theoriewissen und praktischem Handlungswissen eine komplementä- re, relationierende (III.). Meines Erachtens ist damit jedoch nicht etwa der „Zusammenbruch“ des Transformationsmodells und jedweder „Sender-Empfänger-Beziehung“ (Bommes/ Dewe/Radtke 1996, 225) beschrieben. Vielmehr arbei- ten die Autoren konsequent die jeweilige Eigenlogik und Eigenständigkeit der Wissensformen heraus, die sich jedoch gegenseitig durchaus transformieren kön- nen. In der universitären Lehrpraxis wird mit dieser Differenzierung überfrachtenden Erwartungen an ihre einfache Wirksamkeit ein Riegel vorgeschoben um stattdessen das Tor zu lernpsychologisch fun- dierten Ausbildungsmethoden zu öffnen. Fritz-Ulrich Kolbe (2004, 220ff.) sieht dementsprechend eine „Konvergenz“ der Verwendungsforschung im struk- turtheoretischen Ansatz (vgl. Combe/Helsper 1996; Oevermann 1996): Zwar lässt sich die Praxis nicht Abb. 1: Modelle der Beziehung zwischen wissenschaft- durch Theorie steuern, doch können wir je fall- und lichem und handlungspraktischem Wissen (Bommes/ situationsspezifsch die widersprüchliche Einheit von Dewe/Radtke 1996, 221) Theorie- und Praxiswissen rekonstruieren und damit Handlungsalternativen bewusst machen helfen. Die 1. Transfer: Grundlage sind behavioristische Annah- Chance zum Konzeptwechsel und zur Integration des men einer sozialtechnisch-direkten Anwendbarkeit neuen Wissens hängt, wie in allen Lernprozessen, un- des Wissens, so dass der Wissenschaft eine direkte mittelbar mit der Krisenhaftigkeit der erlebten Situati- Steuerungsfunktion der Praxis zukäme, ähnlich wie on oder des untersuchten Falls zusammen (vgl. Oever- im didaktischen Trichtermodell (I.1. in Abb. 4). Die- mann 1996: 77f.). ses Modell verkennt den Generalisierungscharak- Ich fasse die Befunde zum Theorie-Praxis-Verhältnis ter des wissenschaftlichen Wissens, das nicht mit unter Zuhilfenahme des Modells der Wissensformen Handlungswissen in eins gesetzt werden, sondern der Kommunikativen Fachdidaktik (vgl. Grammes nur in der Praxis erlernt werden könne. Daran än- 1998, 70) zusammen: 62 Andreas Petrik Journal of Social Science Education „... aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 57–80

Abb. 2: Die Rolle des didaktischen Theoriewissens für die Unterrichtspraxis

Didaktisches Handeln wird primär aus zwei Quellen an sich zuständig zu sein und nicht für Didaktik als gespeist: Didaktisches Theoriewissen vermischt sich „unstatthafte Transformation“ der Sache (vgl. Grusch- mit beständigen didaktischen Alltagsvorstellungen, ka 2002: 31ff.). Die Zurückweisung didaktisierter Hoch- die als wertegebundener Wahrnehmungsflter fungie- schullehre hat Tradition: Schon 1902 erteilt der Histo- ren und institutionellen Handlungsbedingungen, so riker Friedrich Paulsen einer Hochschuldidaktik für die dass ein direkter Wissenstransfer unmöglich ist. Al- Lehrerausbildung eine deutliche Abfuhr und plädiert lerdings können Pädagogik und Didaktik durch prak- für die Fortführung der bisherigen seminarförmigen tische Einübungen und theoretische Rekonstruktion „Meisterlehre“: „Lehrer, die Lehrer lehren, wie die Kunst des didaktischen Handelns kontra-intuitive Einsichten zu lehren an einem Hochschulseminar zu lehren sei. Ir- befördern, die wiederum das didaktische Alltagswis- gendwo muss die Sache doch ein Ende haben“ (zit. n. sen erweitern und Handlungsalternativen aufzeigen Wildt 2007, 166). können. Der forschende Habitus, die hermeneutisch- Dabei könnte die Beharrlichkeit didaktischer All- rekonstruktive oder diagnostische Kompetenz einer tagstheorien bzw. die Frage, warum kompetenz-, schü- LehrerIn wäre damit eine doppelte: Einmal ein inhalt- ler- und handlungsorientierte sowie lernpsychologisch liches Wissen um typische Antinomien des Lehrerhan- motivierte Unterrichtsmodelle noch kaum in den delns und zum anderen ein methodisches Interpreta- alltäglichen Schulunterricht einziehen – neben Belas- tionswissen. tungs- und Lehrplanproblemen (vgl. dazu Henkenborg u.a. 2008, 103ff.), durchaus auch mit dem „institutio- 3. Ziele und Inhalte einer „Didaktik der nalisierten Bildungskreislauf“ der herkömmlichen Uni- Politikdidaktik“ Lehre zu tun haben: In einer Vergleichsstudie zu tra- 3.1 Hochschuldidaktische Ansätze ditionellen versus selbstgesteuerten Seminarformen Um auf universitärer Ebene zu lehren benötigt man führen letztere zwar zu ähnlichen Lernergebnissen. Sie keine didaktische Ausbildung. Diesen Status Quo zu schneiden jedoch im Urteil der Studierenden als nutz- ändern wird jedoch selten eingefordert. Viele Hoch- los, zeitraubend und ineffektiv ab (vgl. Kotzschmar schullehrerInnen und -dozentInnen teilen mit vielen 2004: 193ff.). Dies kann mit mangelnder Vorbereitung GymnasiallehrerInnen die Auffassung, für die Sache und Betreuung seitens der Seminarleiterin zusammen- 63 Andreas Petrik Journal of Social Science Education „... aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 57–80

hängen. Dennoch halte ich dieses studentische Feed- uns das hochschuldidaktische Geschäft. Andererseits back mit der AutorIn auch für das Symptom eines könnte man einwenden, dass wir FachdidaktikerInnen „lehrerzentrierten“ Lehr- und Lernverständnisses, das die allgemeine Hochschuldidaktik kaum benötigen, Schule und Universität den StudentInnen als schein- da wir sie erstens als Strukturgerüst immer schon im- bar alternativlos vorführt. Damit wird auch ihre spä- plizit nutzen und zweitens unsere eigentliche Aufga- tere Lehrerrolle in eben diese Bahnen gelenkt, anstatt be darin besteht, dieses Gerüst mit der Fachlichkeit zu sach-, methoden- und schülerzentriert zu arbeiten. bekleiden, die schulisches und universitäres Lernen Welchen Beitrag kann nun die allgemeine Hochschul- ausmacht. Bildungspolitisch, forschungspolitisch und didaktik (vgl. z.B. Stelzer-Rothe 2005; Wörner 2006; Ha- -praktisch sollten wir jedoch, über eine Vernetzung welka/Hammerl/Gruber 2007; Kotzschmar 2004: 207) der Fachdidaktiken hinaus, auch Beziehungen zur all- zur kompetenzorientierten Politiklehrerausbildung gemeinen Hochschuldidaktik aufbauen, um unsere leisten? Sie bietet auf den ersten Blick wenig Überra- Schlüsselstellung als Vermittlungswissenschaften aus- schendes für FachdidaktikerInnen, denn sie führt in zubauen (vgl. Wildt 2007, 177ff.). allgemeine Didaktik und in sozialwissenschaftliche Fachbezogene Hochschuldidaktiken sind verbreite- Lehrmethoden ein. Sie erinnert uns aber daran, dass ter, als es die universitäre Praxis vermuten ließe: Die unser Verhältnis zum Gegenstand „Politikdidaktik“ Theologie, die Medizin, Chemie, Erziehungswissen- mit denselben Kategorien beschrieben werden kann schaft, Sprach- und Literaturwissenschaften haben und sollte wie das Verhältnis von PolitiklehrerInnen entsprechende Fachzeitschriften und Weiterbildungs- zum Gegenstand „Politik“: Es geht angebote; die Veröffentlichungen zur Lehrerbildung 1. um die Begründung und Strukturierung der Sache könnten gar „ganze Bibliographien“ füllen (vgl. Wildt Politikdidaktik mithilfe von Ziel-, Inhalts-, Metho- 2007, 174ff.). Ein exemplarischer Blick in die „Hoch- den und Medienanalysen, analog der seit über 10 schuldidaktik Philosophie“ (Rohbeck 2007) umreißt Jahren konvergierten lerntheoretischen (Heimann/ deren Aufgaben: Fachdidaktische Konzeptionen, die Otto/Schulz) und bildungstheoretischen (Klafki) Sinn und Zugänge des Fachs beleuchten, Kompeten- Didaktik; zen, exemplarische Gegenstände wie „Gewalt“, aus- 2. um die Analyse der universitären Lehr-Lern-Be- gewählte Projekte wie „Verantwortung wahrnehmen“, dingungen und Kompetenzentwicklungsprozesse lernpsychologische Vermittlungstheorie, Methoden mithilfe lernpsychologischer, v.a. kognitivistischer wie „Essays schreiben“, Lehrkonzepte und Praxisbei- und konstruktivistischer Instrumente; spiele aus verschiedenen Hochschulen inklusive einzel- 3. um didaktisch und lernpsychologisch begründete ner Einblicke in Forschungsseminare. Es handelt sich methodische Handlungsmuster: von angemes- also noch nicht um eine systematisch ausgearbeitete senen Sozialformen über deduktive, induktive, Didaktik, wohl aber um eine exemplarische Öffnung synthetische oder analytische Verfahren zur Er- des hochschuldidaktischen Feldes. schließung des Gegenstands, die sich in hochschul- didaktischen (!) Methoden wie Vortrag, Referat, 3.2 Struktur einer Didaktik der Politikdidaktik Diskussion, Gespräch, Simulation, Rollen- und Plan- Wie lässt sich eine Didaktik der Politikdidaktik struktu- spiel, Kreativitätstechniken, Fallstudie, Experiment, rieren? Wenn man das didaktische Dreieck (vgl. Petrik Szenariotechnik, Zukunftswerkstatt, Erkundung, 2007a, 21ff.) hochschuldidaktisch verwendet, ergeben Praktikum, Projekt u.a. konkretisieren. sich – analog zu schuldidaktischen Beziehungen – fol- Dass sozialwissenschaftliche Methoden wie Planspiel, gende problemhafte Beziehungen und Handlungsfel- Fallstudie, Projekt usw. auch und vor allem in der Do- der: mäne der Politikdidaktik genutzt werden, erleichtert

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Abb. 3: Hochschuldidaktisches Dreieck am Beispiel des Gegenstands Politikdidaktik

Politikdidaktik als Gegenstand beinhaltet im Kern Kon- gleich man jedoch die zahlreichen Kategoriensysteme zeptionen, die das „Warum“ und „Wozu“ abstecken von Spranger über Giesecke bis Henkenborg (vgl. Pet- und Kompetenzmodelle, die mögliche Bildungserfol- rik 2007a, 41ff. u. 138ff.) sowie die aktuellen Varianten ge markieren. Diese betreffen zum einen die Fähigkei- der Basiskonzepte und Kompetenzmodelle, so lassen ten von SchülerInnen, aber auf hochschuldidaktischer sich deutliche Konvergenzen feststellen: Ebene auch diejenigen zukünftiger PolitiklehrerInnen. – Die kursierenden Kompetenzmodelle besitzen einen Dazu kommt ein im Gegensatz zu vielen Naturwissen- gemeinsamen Kern (Analyse, Urteil, Partizipation = schaftsdidaktiken noch unterentwickeltes Kerncurricu- sehen, beurteilen, handeln) werden nur unterschied- lum aus Zielen, Inhalten, Methoden und Medien sowie lich in Teil- oder Subkompetenzen ausdifferenziert. empirischen Befunden zu Lehr-Lernprozessen sowie – Alle kategorialen oder basiskonzeptuellen Bemühun- Alltagstheorien von SchülerInnen und LehrerInnen. gen lassen sich den Kategorien des Politikzyklus und Das Gegenstandsproblem einer Hochschuldidaktik für den Dimensionen des Politischen zuordnen. Vor al- Politikdidaktik fragt nach einem kollektiv defnierten lem dann, wenn der Politikzyklus, wie bereits Spran- Kerninhalt (der auch, aber nicht vor allem klare Kon- ger 1963 vorschlägt, soziologisch erweitert wird troversen einschließen darf). Ein solcher wird jedoch und auch für zur Reflexion des alltagspolitischen in Veröffentlichungen noch selten herausgestellt. In Nahraums, der Demokratie als Lebenswelt verwen- unserer Domäne oszilliert der wissenschaftliche Streit det wird. – im Gegensatz zur pädagogischen Lehrerbildungs- – Der müßige Streit zwischen kategorialer Politikdi- forschung – weniger um eine sinnvolle Didaktik der daktik und Demokratiepädagogik löst sich mit der Politikdidaktik als auf der Ziel- und Inhaltsebene. Er Bereitschaft beider Seiten auf, den alltagspolitischen verläuft zwischen den Fronten einer tendenziell po- Nahraum der sozialwissenschaftlich-kategorialen litikwissenschaftlich und einer tendenziell sozialwis- Reflexion zugänglich zu machen (vgl. Petrik 2009a). senschaftlich, also auch soziologisch und pädagogisch – Vor allem bei der Graduierung von Lernprozessen orientierten Auffassung mit entsprechenden Variati- scheint noch eine ungeklärte Kontroverse zwischen onen dessen, was als inhaltlicher und methodischer stufen- und entwicklungsbezogenen Konzepten zu Kern, als Basiskonzept des Faches gelten könnte. Ver- bewältigen zu sein (vgl. Petrik 2007b). 65 Andreas Petrik Journal of Social Science Education „... aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 57–80

Der Streit um ein methodisches Kerncurriculum steht 3.3 Politikdidaktische bzw. Politiklehrer- noch aus, ich mache dazu weiter unten einen Vor- Kompetenzen schlag. Der sogenannte PISA-Schock hat den Fokus nicht nur Das hochschuldidaktische Brückenproblem verweist auf Lernergebnisse von Schülerlnnen, sondern auch auf auf die Lernprobleme unserer StudentInnen bei dem Lehrerleistungen verlagert. Denn bekanntlich werden Versuch, sich politikdidaktische Theorie anzueignen Schülerleistungen nicht durch messen besser, sondern bzw. sie sinnvoll und handlungswirksam in das eigene durch besseren Unterricht. Die Kultusministerkonfe- Vorverständnis zu integrieren. renz (KMK) benennt 2004 vier Kompetenzbereiche für Das hochschuldidaktische Aushandlungsproblem be- die Lehrerbildung: Unterrichten, Erziehen, Beurteilen schreibt die Schwierigkeiten von uns Lehrenden, eine und Innovieren (vgl. Gröschner/Nicklaussen 2008). Für solche sinnvolle Begegnung in Vorlesungen, Semina- die Politikdidaktik sind alle vier Kompetenzbereiche ren und Praktika anzubahnen. Dazu zähle ich auch inklusive des Erziehens relevant: Mit Trainings der die Diskrepanz zwischen unseren eigenen (hochschul) Konflikt- und Urteilskompetenz beispielsweise wirken didaktischen Alltagstheorien und (hochschul)didakti- PolitiklehrerInnen immer auch auf das Verhalten ih- scher Theorie. rer SchülerInnen ein, „erziehen“ sie deren politische Im nächsten Schritt werde ich einen Vorschlag für Persönlichkeit. Wir müssen diese Kompetenzen jedoch Politiklehrerkompetenzen ausformulieren, um den fachdidaktisch ausformulieren. Die COACTIV-Studie Zielhorizont unseres Handelns zu entfalten und das des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, die Gegenstandsproblem durch ein angedeutetes Kerncur- speziell das Professionswissen von Mathematiklehre- riculum abzumildern. rInnen untersucht, basiert auf einem weiter ausdiffe- renzierten Modell professioneller Handlungskompe-

Abb. 4: Modell professioneller Handlungskompetenzen im Lehrerberuf (Krauss u.a. 2004)

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tenzen im Lehrerberuf (vgl. Krauss u.a. 2004, hier die Vor dem Hintergrund dieser fünf Kompetenzbereiche grafsche Umsetzung aus Rauin 2007, 61): werden die charakteristischen Unterschiede und Ge- Der Studie zufolge unterteilt sich das Professions- meinsamkeiten zur us-amerikanischen Lehrerausbil- wissen von LehrerInnen in Fachwissen, fachdidakti- dung deutlich. Die „Program Standards for the Initi- sches Wissen, pädagogisches Wissen, Organisations/ al Preparation of Social Studies Teachers“ zeigen die Interaktionswissen und Beratungswissen. Genuin stärkere Trennung zwischen fachlichen Basiskonzep- fachdidaktische Kompetenzen beschränken sich hier ten (Thematic und Disciplinary Standards) aus den Be- erstaunlicherweise nur auf eine diagnostische und reichen Geschichte, Geografe, Politik, Wirtschaft und eine rekonstruktive Erklärungskompetenz. Das nötige Psychologie auf der einen und pädagogischen Stan- Inhaltswissen über Lerngegenstände und Methoden dards auf der anderen. Beide Standard-Arten enthal- bzw. Aufgaben weisen die AutorInnen dem Fachwis- ten Anschlussstellen für fachdidaktisches Denken, die sen zu. Sie vernachlässigen dabei, dass Fachdidaktik sich in den abschließenden Evaluationsratschlägen für nicht bloß eine Wissenschaft der Rekonstruktion und die Sozialkundelehrerausbildung andeuten: Beurteilung von Unterricht, Lehrer- und Schülerhan- deln und ihren Alltagstheorien ist, sondern einen ei- Program Standards for the Initial genständigen inhaltlichen und methodischen Zugang Preparation of Social Studies Teachers – zum fachlichen Wissen herstellt (vgl. auch Vollmer Advice for Preparation of Program Reports 2007). Beide Lehrerkompetenz-Modelle bleiben also lü- (NCSS 2004, 60ff.) Advice for Internal and External Test Evidence ckenhaft. Die Gesellschaft für Fachdidaktik (GFD) hat 2005 ein in seiner Verdichtung vollständiges Modell Candidates demonstrate through course-based and fachdidaktischer Kompetenzbereiche entwickelt: external assessments that they possess the know- ledge and skills necessary to teach the standard. Fachdidaktische Kompetenzbereiche (GFD Performance Evidence – Planning and Teaching 2005, Vollmer 2007) Candidates demonstrate that they possess the know- 1. Theoriegeleitete fachdidaktische Reflexion ledge, skills and dispositions to create meaningful 1.1 Fähigkeit, fachdidaktische Theorien und Konzep- classroom experiences, to teach the content and skills tionen zu rezipieren, zu reflektieren und auf schu- appropriate to this standard utilizing active learning lische und außerschulische Praxisfelder zu bezie- and technology appropriate to the needs of the lear- hen. ners, and to assess and analyze student learning stem- 1.2 Fähigkeit, fachwissenschaftliche und bildungs- ming from the classroom experience. wissenschaftliche Theorien und Konzeptionen auf fachdidaktische Konzepte zu beziehen Performance Evidence – Candidate Effects on P-12 2. Fachbezogenes Unterrichten Student Learning 2.1 Fähigkeit, Fachunterricht in unterschiedlicher Candidates demonstrate that they are able to create Breite und Tiefe begründet zu planen. and utilize appropriate assessments to diagnose stu- 2.2 Fähigkeit, Fachunterricht adressatenorientiert zu dent achievement and to monitor pupil progress. gestalten. Pedagogical Evidence 3. Fachbezogenes Diagnostizieren und Beurteilen Candidates are provided the opportunity to learn 3.1 Fähigkeit, Modelle und Kriterien der Lernstand- content and skills dealing specifically with the nature serhebung sowie der Beurteilung auf fachliches of the social studies and with ideas, strategies, and Lernen zu beziehen. techniques for teaching social studies in a social stu- 3.2 Fähigkeit, die eigenen fachlichen Lernprozesse so- dies methods course that is taught by qualified social wie die eigenen Lehrerfahrungen zu analysieren studies faculty. und zu beurteilen. 4. Fachbezogene Kommunikation 4.1 Fähigkeit, fachliche und fachübergreifende The- men zu kommunizieren. 4.2 Fähigkeit zur Analyse von Kommunikationspro- zessen im Unterricht und zwischen Fachwissen- schaft, Fachdidaktik und Öffentlichkeit 5. Entwicklung und Evaluation 5.1 Fähigkeit, fachdidaktische Forschung zu rezipie- ren und an Forschungsvorhaben mitzuwirken. 5.2 Fähigkeit, an der Weiterentwicklung von Unter- richt, Curricula und Schule mitzuwirken.

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Gemeinsam ist also beiden Ausbildungskulturen die Berufswissen der Lehrenden (Modell der Wissens- Orientierung an exemplarischem Fachwissen (Basis- formen nach Tilman Grammes, s.u.); konzepte), Planungs- und Umsetzungswissen sowie b) Analyse- und Planung von Unterricht mithilfe in- Diagnosewissen. Die eigenständige und explizite terdependenter Strukturmomente (Ziele, Inhalte, Rolle einer fachdidaktischen Theorie- und Reflexi- Methoden, Medien, Bedingungsanalyse); onsebene fehlt im NCSS-Programm, mangels einer c) methodische Strukturierung nach den drei Hand- entsprechenden Theorietradition. Allerdings lassen lungsmodi reflexives (z.B. Konfliktanalyse), simula- sich zum einen manchen Formulierungen der Basis- tives (z.B. Planspiel) und reales Handeln (z.B. Pro- konzepte fachdidaktische Prinzipien zuordnen (zum jekt). Beispiel eine konstruktivistische Geschichtsdeutung 4. Methodik der Politiklehrerausbildung: Verschrän- oder ein erfahrungs-, werte- und konfliktorientiertes kung aus theoretischen und praktischen Anteilen Politikbild). Zum anderen weist der Methodenbegriff schon im Grundstudium; fallorientiertes Einüben der pädagogischen Standards konstitutive Züge auf: des Politiklehrerhabitus anhand exemplarischer LehramtskandidatInnen sollen befähigt werden, „to Fragestellungen (Geschlechterverhältnis, Kosovo- select, integrate, and translate the content and me- Konflikt usw.) thods of investigation of history and the social sci- ence disciplines for use in social studies instruction“ Meine Kompetenzskizze verknüpft den Entwurf Sibyl- (NCSS 2004, 54). ������������������������������������Sie sollen also nicht bloß eine päd- le Reinhardts mit den fachdidaktischen Kompetenzen agogisch-allgemeindidaktische „teaching technology“ der GFD und verortet sie an den typischen politikdi- beherrschen, sondern ebenso die Methoden, die das daktischen Problemstellen des schulbezogenen di- Fach konstituieren, angemessen auf den Unterricht daktischen Dreiecks (vgl. Petrik 2007, 80ff.). Die vier zuschneiden können. Kompetenzbereiche, die ich leicht abweichend von Der bisher einzige deutsche hochschuldidaktische denen der GFD unterscheide, folgen der Forderung, Entwurf für die Politiklehrerausbildung demonstriert Standardisierungen an typischen Handlungssituatio- die besondere Rolle politikdidaktischer Schulen und nen des Lehrerberufs zu orientieren (vgl. Oser 2003; ihrer Prinzipien sowie domänenspezifscher Metho- Oelkers 2003). Solche fachdidaktischen Handlungen, den (Reinhardt 2004): die auf problemhaltige Anforderungen des Faches 1. Handlungsziel der Politikdidaktik: Förderung an- reagieren, sind im Kern: den Gegenstand analysieren, gemessener Bürgerrollen in den demokratischen Unterricht inszenieren, Bedeutung im Unterricht aus- Teilsystemen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik; handeln sowie Lernprozesse und Unterrichtsqualität Unterstützung der Perspektivenübernahme, der diagnostizieren: Konfliktfähigkeit, der (propädeutischen) sozialwis- 1. Didaktische Analysekompetenz (theoriegeleitete senschaftlichen Analyse, des politischen Urteilens fachdidaktische Reflexion) und der Partizipation. 2. Didaktische Inszenierungskompetenz (fachbezoge- 2. Handlungsziel der politikdidaktischen Lehrerausbil- nes Unterrichten) dung: Förderung eines professionellen Habitus als 3. Didaktische Aushandlungskompetenz (fach­be­zo­ge­ Fähigkeit, Jugendliche von der sozialen Mikrowelt ne(s) Kommunikation & Unterrichten) in die institutionelle und sozialwissenschaftliche 4. Didaktische Diagnosekompetenz (fachbezogenes Makrowelt zu begleiten. Diagnostizieren, Beurteilen, Entwickeln und Evalu- 3. Inhalte der Politiklehrerausbildung: ieren) a) Fachdidaktische Prinzipien und Konzeptionen Diese vier Kompetenzen lassen sich folgendermaßen (nach Walter Gagel); Zusammenspiel von norma- in das didaktische Dreieck integrieren, das hier, wie tivem Wissen (Werte und Überzeugungen), sozial- gesagt, schuldidaktisch ausgefüllt ist: wissenschaftlichem Wissen, Alltagswissen sowie

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Abb. 5: Politikdidaktische Problemstellen und Lehrer-Kompetenzen

Der „unscharfe Ort des Politischen“ (Beck) hindert die nochmals in eine Methoden- und eine Planungskompe- Politikdidaktik bisher daran, einen gemeinsamen Poli- tenz unterteilen lässt. tikbegriff zu formulieren und entsprechende Analyse- Das schulische Aushandlungsproblem schließlich werkzeuge zu standardisieren, die aus der Vergänglich- umfasst das Ensemble der Kontaktschwierigkeiten keit des Politischen Bleibendes herausschälen können. zum politischen Gegenstand, die in der direkten Inter- Das schulische Gegenstandsproblem bezeichnet die aktion zwischen LehrerInnen und SchülerInnen und daraus resultierende doppelte Schwierigkeit von Leh- der SchülerInnen untereinander erzeugt werden. Das rerInnen, einen exemplarischen, potenziell bildsamen Aushandlungsproblem verlangt nach einer Aushand- (alltags-)politischen Konflikt bzw. ein sozialwissen- lungskompetenz, die die vorherrschende Tendenz zu schaftliches Problem auszuwählen und den jeweiligen „Diskursausschlüssen“ ablösen hilft (3). kontroversen Gehalt (zunächst zur Vorbereitung, dann Schließlich verlangt der auszubildende forschende mit den SchülerInnen zusammen) herauszuarbeiten Habitus eine Diagnosekompetenz (4), die LehrerInnen und zu bewerten. Das Gegenstandsproblem verlangt ermöglicht, mit wissenschaftlichen Methoden und nach einer theoriegeleiteten Analysekompetenz (1). Befunden das Unterrichtsgeschehen auf der Gegen- Das schulische Brückenproblem kennzeichnet die stands-, Methoden- und Aushandlungsebene zu eva- methodische Schwierigkeit von LehrerInnen, im Un- luieren und zu bewerten (vgl. auch Kuhn 2004). Die terricht eine Begegnung zwischen Lernenden und Ge- Fähigkeit, die eigene Fachdidaktik forschend mitzu- genstand anzubahnen, die an die Gesellschaftsbilder, entwickeln, halte ich im Gegensatz zur GFD nicht für Alltagstheorien und Erfahrungen von Lernenden an- eine Lehrerkompetenz, die folglich alle LehrerInnen knüpft (implizite Wertesysteme, Politikverdrossenheit, erwerben müssten oder auch nur könnten: Es handelt Konfliktflucht, alltäglich-personale Begriffsverwen- sich hier um eine wissenschaftliche Kompetenz, die dung u.ä.) und deren kritische Prüfung und Entfaltung immer nur einige wenige neben dem Lehrerberuf wei- mithilfe wissenschaftlicher Kategorien und Methoden terentwickeln können, um dann wiederum als wissen- ermöglicht. Das Brückenproblem verlangt nach einer schaftlicher Nachwuchs zur Verfügung stehen. didaktischen Inszenierungskompetenz (2), die sich Ich stelle die vier Kompetenzbereiche noch einmal ausführlich dar und umreiße damit zugleich auch mei- 69 Andreas Petrik Journal of Social Science Education „... aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 57–80

nen Vorschlag für ein politikdidaktisches Kerncurricu- Makro-Methoden wie Planspiel, Zukunftswerk- lum: statt, Dilemma-Methode, Projekt, Szenariotechnik, Konfliktanalyse, Fall-Studie (institutioneller Fall), 1. Didaktische Analysekompetenz (theoriegeleitete Fall- bzw. Situationsanalyse (lebensweltlicher Fall), fach­didaktische Reflexion) genetische Lehrstücke und Rollenspiel sowie Mik- Fähigkeit, politikdidaktische Konzeptionen und ihre ro-Methoden bzw. Verfahren wie Pro-Kontra-Debat- sozialwissenschaftlichen Grundlagen herzuleiten, an- te, Talkshow, Podiumsdiskussion, Streitgespräch, zuwenden, zu kombinieren, zu kontrastieren und kri- WebQuest u.a. Kenntnis guter und erprobter Un- tisch zu reflektieren, um auf dieser Basis eigenes und terrichtsmodelle und Lehrstücke („Best-Practice“), fremdes politikdidaktisches Handeln sowie eigene Einrichtung eines eigenen „Fundus“. und fremde Ziel-, Inhalts-, Methoden- und Medien- – Planungskompetenz: Fähigkeit zur wissenschaftlich Entscheidungen zu analysieren. begründeten Planung einzelner Unterrichtsstunden – Kenntnis zentraler fachdidaktischer Schulen und und ganzer Unterrichtseinheiten: Anzustrebende Prinzipien: Problemorientierung, Kategoriale Kon- Lernziele und Kompetenzen, gegenstandsbezoge- fliktorientierung, Schülerorientierung, Handlungs- nes Vorwissens und Alltagsverständnis der Schüle- orientierung, Zukunftsorientierung, Moralische rInnen sowie mögliche Fehlkonzeptionen, exempla- Urteilsbildung, Kommunikativ-konstruktivistische rische Auswahl und didaktische Strukturierung des bzw. Wissensformen-Orientierung, Genetische Ori- Gegenstands, Wahl der angemessenen Methode(n) entierung, Demokratiepädagogische Orientierung und Medien, Reflexion alternativer Planungsmög- usw. inklusive ihrer didaktischen UrheberInnen lichkeiten sowie der angemessenen Lehrerrolle. und ProtagonistInnen. 3. Didaktische Aushandlungskompetenz (fachbezogene – Kenntnis des Beutelsbacher Konsens’ sowie zent- Kommunikation & fachbezogenes Unterrichten) raler fachdidaktischer Kontroversen, z.B. zwischen Fähigkeit, Lehrer- und Schülerperspektiven sowie -in- Demokratiepädagogik und kategorialer Politikdi- teressen kommunikativ und konstruktiv auszuhan- daktik oder zwischen konkurrierenden Kompetenz- deln, ohne dabei die didaktische Zielstellung und die modellen. Lernbedürfnisse der Lernenden zu vernachlässigen. – Kenntnis der verschiedenen Bürgermodelle (z.B. – Fähigkeit, die eigene Unterrichtsplanung metho- Aktiv-, Interventions-, Informiert zuschauende disch phasengerecht und zugleich flexibel mit Blick und desinteressiert-passive BürgerIn) sowie der auf die aktuelle Lernsituation umzusetzen und ge- anzustrebenden politisch-demokratischen Kompe- gebenenfalls anzupassen tenzen: Perspektivenübernahme, Konfliktfähigkeit, – Fähigkeiten, SchülerInnen methodisch zur aktiven Analysefähigkeit, Urteilsfähigkeit, Handlungsfä- Teilnahme und zur intensiven Beschäftigung mit higkeit und Methodenkompetenz. Kenntnis, dass dem Gegenstand anzuregen Perspektivenübernahme, Konfliktfähigkeit und– Fähigkeit, im Unterrichtsgespräch angemessen, Methodenkompetenz als eigenständige politische zum Denken motivierend auf vorwissenschaftli- Kompetenzen umstritten sind. che, eigenwillige und sprachlich schwer zugängli- – Kenntnis zentraler Inhalte und Strukturen der po- che Beiträge sowie auf inhaltliche Kontroversen zu litologischen, soziologischen, ökonomischen und reagieren, ohne SchülerInnen zu entmutigen und rechtswissenschaftlichen Grundlagen des Schul- zum Verstummen zu bringen fachs Politik sowie der bildungswissenschaftlichen – Fähigkeit Diskussionen anzuregen, Anleitung und (pädagogischen und psychologischen) und politik- Ermutigung zur konstruktiv-kontroversen Ausein- didaktisch erforschten Grundlagen des politischen andersetzung der SchülerInnen untereinander Lernens (v.a. Kognitivismus, Konzeptwechseltheo- 4. Didaktische Diagnosekompetenz (fachbezogenes rie und Konstruktivismus). Dia­gnostizieren, Beurteilen, Evaluieren und Entwi- 2. Didaktische Inszenierungskompetenz (fachbezoge- ckeln) nes Unterrichten) Fähigkeit, Schüleräußerungen, Schülerleistungen, Fähigkeit, politikdidaktische Methoden, ihre sozial- Aus­handlungsprozesse im Unterricht sowie das eige- wissenschaftlichen Grundlagen und Lernbedingungen ne Lehrerhandeln und ferner die Politikdidaktik als herzuleiten, anzuwenden, zu kombinieren, zu kontras- Wissenschaft kriteriengeleitet zu beschreiben und zu tieren und kritisch zu reflektieren, um auf dieser Basis bewerten. politische Inhalte angemessen methodisch zu insze- – Kenntnis und Anwendung von Studien zur politi-politi- nieren sowie fertige Inszenierungen auf ihre Ange- schen Sozialisation, zu politischem Lernen und messenheit zu prüfen. Lehr-Lern-Problemen in der Schule, sowie von Mo- – Methodenkompetenz: Kenntnis sozialwissenschaft-sozialwissenschaft- dellen politischer Deutungsmuster, Sinnbildungs- licher Grundlagen, Einsatzmöglichkeiten, Phasen, typen, Politisierungstypen und Fehlkonzeptionen unterschiedlicher Wirkungsweisen und Schwierig- zur inhaltlichen Beurteilung von schriftlichen und keiten sowie von Praxisbeispielen der zentralen mündlichen Schüleräußerungen 70 Andreas Petrik Journal of Social Science Education „... aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 57–80

– Kenntnis und Anwendung lern- und kognitionspsy- sen beschäftigen und die Selbstreflexion der Stu- chologischer Modelle zum Lernen, z.B. Konzept- dentInnen anregen. wechseltheorien sowie von Modellen zur Stufung 2. Institutionelle Fälle, die Handlungsszenen aus politischen Lernens und zur Graduierung von Kom- dem Schulalltag dokumentieren. Dazu gehören petenzmodellen (z.B. Pisa-Modell oder Kohlberg- auch schulerprobte Unterrichtsmodelle. Stufenschema) 3. Sozialwissenschaftliche Fälle, die die historische – Kenntnis und Anwendung von Verfahren zur Lern- oder logische Genese und den Sinn politikdidakti- prozessanalyse (z.B. fachdidaktischer hermeneuti- scher Konzeptionen exemplarisch verdeutlichen. scher Dreischritt, Inhaltsanalyse, dokumentarische Jeder Fall soll ein exemplarischer Zugang zu theoreti- oder objektiv-hermeneutische Turn-by-turn-Ana- schem Wissen und damit zur Kompetenzbildung sein. lyse, Argumentationsanalyse, quantitative Kodie- Auch hier sind drei Variationen denkbar (vgl. ähnlich rung, Concept maps) Beck/Stelmaszyk 2004, 215): – Kenntnis und Anwendung zentraler bildungswissen- 1. Deduktiver Zugang: Der Theoriezusammenhang schaftlicher und ggf. politikdidaktischer Befunde wird zuvor erarbeitet, dann am Fall identifziert zur Lehrer-Schüler-Interaktion, zur Lehrerrolle, zum und konkretisiert; Gefahr: eine zu schnelle und Lehrer-Selbstverständnis und zum Schulsystem oberflächliche Subsumption des Falles. – (Fähigkeit, an politikdidaktischer Forschung mitzu- 2. Induktiver Zugang: Der Fall regt zu eigener Theo- wirken) riebildung an, Theorie wird generiert und gege- Mit welchen hochschuldidaktischen Methoden lassen benenfalls mit bestehender Theorie abgeglichen. sich nun diese vier Kompetenzen sinnvoll fördern? Anspruchsvoll. 3. Konstruktivistisch-produktiver Zugang: Der Fall wird 4. Methodische Vorschläge für die analog zur Brecht’schen Lehrstückpraxis als vari- Politiklehrerausbildung: Fallorientierte able Handlungssituation gesehen und mehrfach Zugänge variierend mit verteilten Rollen durchgespielt, um Die fallorientierte Lehrerbildung kann als „Erbe der Handlungsalternativen zu erarbeiten und zu reflek- reformpädagogischen Lehrerbildung“ (Kolbe 2004, tieren. 227f.) gelten, weil sie einen „mittleren Weg“ zwischen Welchen Stellenwert hat die Fallorientierung im Rah- Didaktik als bloße Theorie und Didaktik als Theorie- men der universitären politikdidaktischen Ausbil- Praxisvermittlung eröffnet (vgl. Helsper 2000a). An dung? Können die angestrebten Kompetenzen in eine einem exemplarischen, begrenzten Ausschnitt aus der lerndramaturgisch sinnvolle Reihenfolge gebracht didaktischen Praxis oder aus nicht-schulischen Lern- werden? Ich gehe dabei von der minimalen Versor- prozessen werden zentrale didaktische Prinzipien, In- gung aus, mit der viele Fachdidaktiken auskommen halte und Methoden erschlossen. Die Arbeit mit case müssen: studies gilt auch in der us-amerikanischen Lehreraus- 1. ein Basismodul mit Vorlesung, bildung (neben Portfolios, Forschungsseminaren u.ä.) 2. ein Planungsmodul mit schulpraktischer Übung und als erfolgreiche Strategie für einen fruchtbaren didak- 3. ein Aufbaumodul mit Vorlesung. tischen Konzeptwechsel von LehramtskandidatInnen Ob sich diese drei Module in den Rahmen eines Bachelor- (vgl. Cochran-Smith & Zeichner 2005). studiengangs integrieren oder das Aufbaumodul bzw. Der „Wissensrelationierer“ Frank-Olaf Radtke (1996, beide Module Bestandteil eines Masterstudienganges 254) sieht jedoch die Möglichkeiten der universitären sind, sei hintenan gestellt. Für entscheidend halte ich Lehre auf „Wissen“ beschränkt und weist „Können“ die Reihenfolge theoretische Einführung – reflektier- ausschließlich der schulischen Praxis zu. Er verkennt te Unterrichtspraxis – theoretische Vertiefung. Nach dabei, dass Universität bereits Praxis sein kann und welchen Kriterien sollten wir nun Grund- und Aufbau- dieses Potenzial ausbauen sollte. Aus strukturtheore- wissen unterscheiden? Ich schlage vor, dies nach Kom- tischer Perspektive erzeugt eine methodisch vielfältig petenzanforderungen zu tun: Die Diagnosekompetenz inszenierte Fallarbeit durchaus innere Vorstellungs- kann meines Erachtens erst im Aufbaumodul erwor- bilder, die in der späteren Schulpraxis als implizites ben werden, wenn der Gegenstand der Diagnose the- Wissen fungieren können. Fallarbeit birgt die Chance oretisch und praktisch erschlossen ist. Verlangen wir einer „gedankenexperimentellen Simulation von Er- bereits im Grundstudium Lernprozessanalysen, so ver- fahrungskrisen“ (Reh/Schelle 2004, 209). doppeln wir den theoretischen Anspruch: Zur didak- Die Frage ist, welche Art von Fällen wir wann und tischen Theorie und ihrer Anwendung auf konkrete wie behandeln und welche Lehrerkompetenzen wir da- Unterrichtsgegenstände gesellt sich Lernpsychologie mit fördern wollen. Analog dem Modell der Wissensfor- und Hermeneutik. Die Analysekompetenz sollte also men können wir drei Arten von Fällen unterscheiden: den Anfang machen, noch vor eigenen studentischen 1. Biogra fsche Fälle, die sich mit der Entwicklung Planungsversuchen, deren Werkzeuge auch erst erar- von fachlichen wie didaktischen Alltagstheorien, beitet werden müssen. In meiner Hamburg Dozenten- Bildungsgängen und Professionalisierungsprozes- Zeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass StudentIn- 71 Andreas Petrik Journal of Social Science Education „... aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 57–80

nen mit eigenen Planungen überfordert sind, solange päischen Union auf eine zentrale Verhandlung im Mi- sie nicht über fertige Unterrichtsmodelle Beispiele gu- nisterrat konzentriert oder in einer Zukunftswerkstatt ten und schlechten Unterrichts kennen gelernt haben. zur Zukunft der Politikkehrerausbildung jede Phase Zumal wir ja damit rechnen müssen, dass die didakti- angespielt, jedoch z.B. die theaterpädagogischen An- schen Vorstellungen vieler StudentInnen einseitige ei- teile auf Konzeptbesprechungen beschränkt. Diese gene Unterrichtserfahrungen reproduzieren. Darüber Verkürzungen sind jedoch nur dann gerechtfertigt, hinaus zeigen Hausarbeiten und Praktikumsberichte wenn im Seminar komplexe methodische Anteile des immer wieder, dass Analysekompetenz und Inszenie- verkürzten Unterrichtsmodells (Rollenspiel, Debatte rungskompetenz eng zusammenhängen: Wer die eine etc.) am Beispiel anderer Unterrichtsmodelle trainiert unzureichend erwirbt, bekommt auch mit der ande- und reflektiert werden. ren Schwierigkeiten. Den selbstreflexiven Anteil der Die begleitende oder anschließende konzeptionel- Diagnosekompetenz sehe ich als permanente Dimen- le Arbeit lässt sich historisch-genetisch initiieren, um sion eines jeden Moduls an, die jeweils am Seminarge- historische und biografsche Auslöser durchschlagen- genstand einzufordern ist. Dabei sollte jedoch darauf der politikdidaktischer Konzeptionen exemplarisch zu geachtet werden, das Seminar nicht zu überfrachten verdeutlichen: z.B. Herman Gieseckes kategoriale Kon- (vgl. Helsper 2000b). fliktanalyse-Experimente in der Jugendbildungsstätte (Spiegel-Affäre), Wolfgang Hilligens Amerikafahrten 4.1 Basismodul: Analyse- und als Impuls für eine kognitiv-lernpsychologische Wen- Methodenkompetenz in de, Robert Jungks Experimente mit ArbeiterInnen als Lehrkunstwerkstätten Urform der Zukunftsdidaktik oder die Freundschaft Der klassische (und sinnvolle) Zugang zu didaktischen zwischen Martin Wagenschein und Eduard Spranger Konzeptionen erfolgt über vergleichende Lektüre von als Inspiration für eine genetische Politikdidaktik. Spranger, Wilhelm, Giesecke, Schmiederer, Sutor, Hil- Die studentische Lehrkunstwerkstatt hat durchaus ligen u.a. Zur Anbahnung einer vertieften Auseinan- Ähnlichkeit mit dem „Konzept der alten Meister-Leh- dersetzung mit Theorien wähle ich einen induktiven, re“; Bommes, Dewe und Radtke (1996, 240) nennen individualgenetischen Zugang: Zentrale Methoden, sie daher zu Recht als einen Ausweg aus dem Theorie- die wiederum zu möglichst schulerprobten Unter- Praxis-Problem. Von ungenauer Kenntnis dieses Vor- richtsmodellen ausgestaltet sind („Modellfälle“), wer- gehens zeugt jedoch ihre Bewertung, damit sei ein den durchgespielt, um die ihnen zugrundeliegenden „konsequenter Rückzug aus der wissenschaftlichen didaktischen Prinzipien wie beispielsweise Hilligens Lehrerausbildung“ verbunden. Vielmehr zeichnet sich Problem-, Gieseckes Konflikt-, Wilhelms und Schmie- die Lehrkunstwerkstatt durch ein mäeutisches Vor- derers Lebenswelt- oder Sprangers genetische Orien- gehen aus, wie es auch in der Professionsforschung tierung erfahrungsgesättigt zu erschließen. Durchspie- gefordert wird (vgl. Oevermann 1996). Der zunächst len erfolgt analog zur Lehrkunstdidaktik (Berg/Schulze „mimetische Nachvollzug einer äußeren Formgebung“ 1995) bzw. zur Brecht’schen Lehrstückmethodik: Eine bzw. eines „Algorithmus“ (Wildt 2007, 171), bei dem „LehrerIn“, die zumindest einige Sitzungen lang mit die StudentInnen (zunächst) wieder in die Schülerrolle der SeminarleiterIn identisch sein sollte, gibt den Stu- schlüpfen, provoziert drei Arten von Konzeptwechsel: dierenden exemplarische Aufgaben und Handlungsim- 1. Erstens, wie StudentInnen oft in Auswertungen pulse aus dem gewählten Unterrichtsmodell, das den feststellen, lernen sie sich einen politischen Gegen- zu bearbeitenden Fall darstellt. Diese werden gelöst, stand methodisch zu erarbeiten und fachwissen- um dann in der Auswertungsphase nicht nur die inhalt- schaftliche Lücken zu entdecken. liche Lösung, sondern auch die didaktischen Konstruk- 2. Zweitens können sie sich so später besser in die Ler-Ler- tionsprinzipien und Strukturmomente herauszuarbei- nerperspektive hineinversetzen. ten und das Modell ggf. zu optimieren. Studentische 3. Drittens werden sie mit ihren didaktischen Alltags-Alltags- Lehrkunstwerkstätten unterscheiden sich damit von theorien konfrontiert, indem sie methodische Gegen- den kollegialen Lehrkunstwerkstätten der Lehrkunstdi- erfahrungen zu ihrer eigenen Schulzeit durchleben. daktik, in denen LehrerInnen Lehrstücke verschiedener Ich steige in das Basismodul häufg mit einem einein- Fächer im Selbstversuch weiterentwickeln. halb-tägigen Blockseminar zum Lehrstück Dorfgrün- Aus Zeitgründen werden, ähnlich wie beim Micro- dung ein (vgl. Petrik 2007a; 2009b). Es handelt sich teaching, das jedoch stärker auf ein Training der Leh- hierbei um die interaktiv und institutionell ausge- rerrolle abzielt, nur bestimmte Passagen in Echtzeit baute Version einer Inselgeschichte, wie sie Adelson simuliert, während andere im Zeitraffer, narrativ oder (1971) als Impuls für seine berühmte Studie zu den po- per (Film)Dokumentation eingebracht werden. Selbst litischen Vorstellungen Jugendlicher verwendet. Diese komplexe Methoden, die eigentlich ein Blockseminar Setting gilt auch in der heutigen us-amerikanischen oder mehrere Seminarsitzungen erfordern, lassen Politiklehrerausbildung „as a model for understanding sich verdichtet in eine Seminarsitzung integrieren: So young people‘s thinking about social and political con- haben wir das Planspiel zur Osterweiterung der Euro- cepts“ (vgl. Avery 2003a). Die Lerngruppe (hier also das 72 Andreas Petrik Journal of Social Science Education „... aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 57–80

Seminar) simuliert die Besiedelung eines leerstehen- Grammes 2005), also denjenigen Methoden, die gesell- den Bergdorfes, um eigene politische Grundwerte zu schaftliches Wissen generieren. Einen überzeugenden entdecken, diese argumentativ und ideengeschichtlich Fundus der zentralen Makro- und Mikromethoden bzw. auszubauen, zunehmend demokratisch auszuhandeln Verfahren hat Sibylle Reinhardt (2007) in ihrer Didak- und schließlich auf aktuelle politische Fälle übertragen tik zusammengestellt und jeweils mit zugrundeliegen- zu lernen. Zum einen führt das Lehrstück mit dem Basi- den didaktischen Prinzipien, Konzepten und politikdi- skonzept „politische Grundorientierungen“ in das Phä- daktischen KlassikerInnen verknüpft: Beispielsweise nomen des Politischen ein. Die StudentInnen lernen das Prinzip der Problemorientierung mit der Methode die Dialektik aus Verfahrenskonsens und Ideenstreit Problemstudie und Hilligens didaktischem Ansatz, nachzuvollziehen und eine Idealtypik aus elementa- die Konfliktorientierung mit der Konfliktanalyse und ren Macht- und Rechtsvorstellungen aufzubauen. Zum Gieseckes Didaktik usw. Mit Dagmar Richter zusam- anderen vereint die umfangreiche didaktische Anla- men hat Sibylle Reinhardt diesen Fundus zusätzlich ge des Lehrstücks zahlreiche politikdidaktische Me- von anderen PolitikdidaktikerInnen darstellen lassen thoden und Verfahren in einem Exempel: Simulation, (Reinhardt/Richter 2007). Angesichts teilweise abwei- genetische Theorie-Erschließung, Phantasiereise, Pro- chender Defnitionen werden Methoden-Kontroversen Kontra-Debatte und Argumentation, Umgang mit sozi- sichtbar: Zum Beispiel zur Frage der Abgrenzung von alwissenschaftlichen Texten und Modellen, szenische Fallstudie und Fallanalyse oder zur Frage, ob Planspie- Interpretation und Rollenspiel, Talkshow im Fishbowl- le dem Prinzip Zukunftsorientierung zuzuordnen sind, Format, kategoriale Konflikt-Analyse. wie Sibylle Reinhardt das tut, oder der Konfliktorien- Diese Arbeit mit Unterrichtsmethoden darf nicht tierung, wie ich es vorschlage (s.u.). mit dem “Hokuspokus” reiner Methodentrainings Dass es sich hier um einen echten Fundus handelt, (Gruschka 2002, 364 über Klippert) verwechselt wer- den jede PolitiklehrerIn im Sinne eines Mindeststan- den. Hinter ihr steckt vielmehr der konstitutive Me- dards kennen und anwenden können sollte (Methoden- thodenbegriff, den Diesterweg 1848 in die Didaktik kompetenz), wird deutlich, wenn man die Methoden in eingeführt hat: Die Lehrform soll dem zu erarbeiten- das Modell der Wissensformen einordnet. Dabei zeigt den Gegenstand entsprechen, soll den Gegenstand sich, dass unser Methodencurriculum den Kosmos konstituieren bzw. konstruieren. Die Politikdidaktik gesellschaftlichen Wissens umfassend und multiper- hat es mit den „Methoden der Demokratie“ zu tun (vgl. spektivisch bearbeitet, durch reales, simulatives und

Abb. 6: Einbettung des Methodencurriculums in gesellschaftliche Handlungskontexte 73 Andreas Petrik Journal of Social Science Education „... aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 57–80

reflexives Handeln in lebensweltlichen, institutionel- politischen Handelns. Sie erlaubt darüber hinaus, len und sozialwissenschaftlichen Kontexten: Politikerhandeln gezielt mit abweichenden wissen- Die politikdidaktischen Methoden sind überwiegend schaftlichen Expertisen zu vergleichen (Beispiel Kli- transformierte sozialwissenschaftliche Methoden. Sie mawandel) und Gründe dafür zu benennen. erschließen unterschiedliche Wissensformen und ge- – Genetische Lehrstücke arbeiten zwar häufg mit ben damit der Zukunfts-, Problem-, Konflikt-, Lebens- nahräumlich-personifzierten bzw. situativen Ex- welt,- Werte- und demokratiepädagogischen Orien- empeln. Diese können jedoch potenziell in alle drei tierung jeweils einen konkreten Ort, einen primären Wissensformen einführen: Als Exempel können z.B. gesellschaftlichen Handlungskontext. Damit konkreti- auch WissenschaftlerInnen (wie Robert Jungk) oder siert sich der komplementäre, arbeitsteilige Charakter in Institutionen Handelnde (systemkritische DDR- politikdidaktischer Prinzipien. Das genetische Prinzip SchülerInnen 1988/89) dienen (vgl. Petrik 2007a, dagegen kann in allen drei Kontexten umgesetzt wer- 261ff., 500). den. Handlungsorientierung wiederum defniere ich – Talkshowsimulationen und Podiumsdiskussionen nicht als eigenständiges methodenprägendes Prinzip, sind ebenfalls per se Brückenmethoden, weil sie sondern als Überbegriff für reales, simulatives oder der medialen Sphäre öffentlicher Vermittlung zwi- reflexives Schülerhandeln in Abgrenzung zu einem schen allen drei Wissensformen angehören. lehrerzentrierten Vorgehen. Demnach wären z.B. die – Service Learning (beispielsweise in einem Alters- Konfliktanalyse und die Fallstudie institutionenbezoge- heim) regt genau dann zu politischem Denken an, ne Methoden, die SchülerInnen überwiegend zu refle- wenn die gesellschaftlichen und institutionellen xivem Handeln auffordern, es sei denn, man integriert Bedingungen der erfahrbaren Pflegepraxis syste- eine Konferenzsimulation o.ä. Demokratiepädagogi- matisch während und nach der Praxisphase im Un- sche Projekte und Service Learning konzentrieren sich terricht reflektiert werden. auf reales Handeln in der Lebenswelt. – Praktika habe ich als Form der teilnehmenden Be- Die Methoden lassen sich nach zwei Kriterien den obachtung dem wissenschaftlichen Wissen zuge- Wissensformen zuordnen: Erstens, wenn sie in einem ordnet, obwohl man sie in allen drei Handlungs- der Handlungskontexte real angewendet werden (wie kontexten absolvieren kann. das Streitgespräch oder der Klassenrat in der Lebens- Meiner Erfahrung nach erleichtert dieses Modell den welt) oder einen Handlungskontext simulieren (wie Studierenden die Aufgabe, die Methoden auseinan- das Planspiel institutionelle Zusammenhänge oder die derzuhalten und die jeweils zum Gegenstand passen- Talkshow die Medienöffentlichkeit). Zweitens können de auszuwählen. Folgende Missverständnisse bzw. Methoden bestimmte Handlungskontexte analytisch Fehlkompetenzen sind typisch: erschließen (wie die Konfliktanalyse institutionelle – Die sozialwissenschaftliche, auf „Wahrheit“ ge- bzw. institutionell relevante Konflikte oder Problem- richtete Perspektive wird bei Unterrichtsanalysen studie und Szenariotechnik sozialwissenschaftlich- oder -entwürfen weggelassen oder schlicht mit der theoretische Perspektiven auf gesellschaftliche Pro- institutionellen, auf „Macht“ gerichteten in eins ge- bleme). Jede Methode bildet stets Brücken zu den setzt. anderen Handlungskontexten. Entscheidend für die – Die Selbstdistanzierung von eigenem Alltagswis- primäre Zuordnung ist, ob die Methode zunächst auf sen mithilfe von sozialwissenschaftlichem Wissen eine lebensweltliche Situation, einen institutionellen fällt schwer. Fall oder ein sozialwissenschaftliches Problem ange- – Die institutionelle Fallstudie („case study“) und die wendet wird. ������������������������������������Die Brückenbildung kann dann folgen- kategoriale Konfliktanalyse werden oft verwechselt dermaßen erfolgen: mit der lebensweltlich basierten Fallanalyse. Die – Eine lebensweltliche Fallanalyse – wie in Sibylle Fallanalyse sollte daher besser, analog zur entspre- Reinhardts klassischem Fall „Christian“ über einen chenden soziologischen Methode, „Lebenswelt- Jugendlichen, der von zu Hause abhaut – kann analyse“ (nach Alfred Schütz u.a.) genannt werden. und sollte durch die Behandlung der rechtlichen Ob man sich Fällen, wie Gotthard Breit vorschlägt, Rahmenbedingungen des Familienkonfliktes zum auch aus der Binnenperspektive der AkteurInnen institutionellen Wissen (und damit zur Fallstudie) nähert oder, wie bei Sibylle Reinhardts Fall Chris- überleiten. tian, mit externen Analysekategorien, ist zwar – Im sozialen Experiment oder per Problemstudie eine wichtige methodische Binnenfrage, jedoch kein erarbeitetes sozialwissenschaftliches Wissen sollte hinreichendes Kriterium, um hier von zwei unter- auf seine institutionellen Umsetzungsmöglichkei- schiedlichen Methoden zu sprechen. Entscheidend ten und auf Folgen für privates Denken und Han- für die Methodenabgrenzung bleibt die Einord- deln geprüft werden. nung des gewählten Falles als lebensweltlich, insti- – Die kategoriale Konflikt-Analyse nutzt bereits so- tutionell oder sozialwissenschaftlich. zialwissenschaftliche Grundlagen zum Verständ- – Rollenspiele, die persönliche, soziologische Rollen nis des institutionellen und gesellschaftlichen erschließen, werden verwechselt mit Konferenz- 74 Andreas Petrik Journal of Social Science Education „... aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 57–80

und Planspielen, deren Rollen stets institutionelle geregt werden (vgl. den Beitrag von Anja Besand in Funktionsträger verkörpern. dieser Ausgabe u. Helsper 2000b): Das können mitge- – Die Zukunftswerkstatt wird als Simulation miss- brachte Gegenstände sein, die den als SchülerIn erleb- verstanden, obwohl sie eine realpolitische Bürger- ten Politikunterricht symbolisch repräsentieren oder methode zur Entwicklung umsetzbarer Projekte zur Identifkation und Abgrenzung einladende Ler- ist. Eine Simulation bearbeitet zwar auch reale ge- ner- und Lehrertypologien (vgl. Gruschka 2002, 24ff.), sellschaftliche Probleme, jedoch an fktiven Hand- bis hin zu Bildungsgangstudien über SchülerInnen lungsorten (Parlament, Familie, Dorf...) und häufg und LehrerInnen. Ich verwende als Seminar-Einstieg auch mittels Übernahme fremder Rollen. Falls die – nach einer Meta-Plan-Kartenabfrage zu den je indi- Realisierungsphase der Zukunftswerkstatt schul- viduellen Berufswahlmotiven – die Lehrertypen, die bedingt nicht in real umgesetzte Projekte münden Peter Henkenborg (2006, vgl. auch 2008) empirisch in kann, so handelt es sich bei den zuvor entwickelten Hessen und Sachsen ermittelt hat. Sie verkörpern ex- Kritiken, Utopien und Realisierungsvorstellungen emplarisch politikdidaktische Grundhaltungen: Missi- dennoch um Vorstellungen der SchülerInnen zur ge- onierung, Moderation, Politisierung (lebensweltlicher sellschaftlichen Problemen, von denen sie selbst be- Interessen), Handlungsorientierung, Werteorientie- troffen sind. Treffen diese Kriterien nicht zu, dann rung, Wissensorientierung, kritische Urteilsbildung, in ist man methodisch eher beim Planspiel oder bei Ansätzen auch Konfliktorientierung und lassen spezi- der Szenariotechnik. fsch ost- oder westdeutsche Perspektiven durchschei- – Streitgespräche als künstlich auf Wettbewerbseffek- nen. Ich lasse die Typenbezeichnungen weg und neh- te zugespitzte Form des alltagspolitischen Streits me Originalzitate der von mir ausgewählten sieben werden gern mit Debatten verwechselt, die einer in- Typen, die dann von den StudentInnen individuell mit stitutionellen Logik per Geschäftsordnung folgen. Kategorien versehen und in ein Ranking gebracht wer- – Der Unterschied zwischen einer Position als geis- den. Die Auswertung dieser Bewertung soll a) erlebte tiges Phänomen (beim Streitgespräch) und einer Lehrertypen im eigenen Politikunterricht kritisch in situativ eingebundenen, untrennbar mit Emotio- Erinnerung rufen und b) eigene implizite politikdidak- nen verbundenen Rolle (beim Rollenspiel) wird ver- tische Vorstellungen bewusst machen. wischt und nicht als entscheidender Faktor zur Ent- Im anschließenden Schulpraktikum sollen die im scheidung für eine der beiden Methoden gesehen. Basismodul erspielten und studierten Analyse- und – Die Dilemma-Methode wird nicht primär als kon- Methodenkompetenzen in eigene Planungen und kreter, situativ eingebetteter und damit personen- Unterrichtsversuche umgesetzt werden. In Halle gebundener (individueller oder kollektiver) Ent- werden daraus nicht selten später Examensarbeiten. scheidungskonflikt (Abtreibung, Wehrpflicht etc.) (Mangels Praktikumszeit kann im Notfall simulativ behandelt, sondern vorschnell und abstrakt auf im Microteaching gearbeitet werden). Sabine Stein interpersonale Konflikte zwischen Parteien oder (2007) hat ein überzeugendes Praktikumskonzept er- gar Staaten übertragen. Der abschließende Trans- probt, das wir in Halle noch nicht umsetzen konnten: fer sollte allerdings die politischen Rahmenbedin- Im Begleitseminar zum Praktikum bilden sich kleine gungen des personalen Dilemmas fokussieren (z.B. „communities of practice“ als „Gegenhorizont zu Rück- Heinz-Dilemma und Gesundheitssystem). zugs- und Segregationsstrategien“ (ebenda 392ff.), die Die geschilderten studentischen Lernprobleme verkör- durch den Praxisschock ausgelöst werden können. Die pern mehr als pure Begriffsstreitigkeiten. Es geht nicht Praktikumserfahrungen werden ethnografsch nach- darum, ob ein bestimmter Umgang mit Fällen nun „Ana- gezeichnet und im Seminar bearbeitet. lyse“ oder „Studie“ genannt wird. Vielmehr geht es um die Fähigkeit, Fälle inhaltlich zu differenzieren und dem- 4.3 Aufbaumodul: Diagnose- und zufolge deren methodische Erschließung angemessen Aushandlungskompetenz durch gestalten und auswerten zu können. An einer sinnvollen rekonstruktive Fallarbeit sozialwissenschaftlichen Einbettung und Modellierung Politikdidaktische Veröffentlichungen zur Fallarbeit in von Methoden mangelt es meiner Erfahrung nach in Leh- der Lehrerbildung sind noch selten (vgl. z.B. Interpre- rerausbildung und Schulpraxis gleichermaßen. tationswerkstatt PH Freiburg 2004). Es existieren je- Dieses Methodencurriculum, seine sozialwissenschaft- doch unzählige Monografen und Aufsätze aus der pä- lichen Grundlagen inklusive der zugehörigen didakti- dagogischen Forschung. Daher kann ich mich hier auf schen Prinzipien, Konzeptionen und Klassiker sind Be- einen kurzen Einblick in meine Interpretationswerk- standteil der seminarbegleitenden Vorlesung. statt beschränken. Diagnosekompetenz soll trainiert werden, indem im Schonraum des universitären Pro- 4.2 Selbstreflexion und Schulpraktikum behandelns Ausschnitte aus schulpraktischen Hand- Selbstreflexion als Mittel zum Abbau des „Klappt lungssituationen methodisch kontrolliert erschlossen nicht“-Phänomens und zu höherer Selbstwirksamkeit werden. Anders als in einem Lehr-Forschungs-Projekt in der Praxis kann durch biografsches Material an- (vgl. Reh/Schelle 2004), bei dem das Seminar selbst in 75 Andreas Petrik Journal of Social Science Education „... aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 57–80

die Schule geht und Falldokumentationen erstellt, ar- Wie wird diese Szene im Seminar erschlossen? Mit beite ich bisher mit Materialien aus zurückliegenden der offenen Frage, was den StudentInnen an dieser Erhebungen. Idealerweise wähle ich Fälle aus schuli- Szene auffällt, geht es kurz in Arbeitsgruppen, die ver- schen Umsetzungen von Unterrichtsmodellen, die den schiedene Lesarten entwickeln. Einige Arbeitsgruppen StudentInnen bereits aus dem Basismodul und/oder kommen zu dem Schluss, dass hier latente politische ihrem Praktikum bekannt sind. Muss das untersuchte Grundorientierungen aufeinanderprallen, die sich in- Material zunächst erst noch auf seine didaktischen dividuell-eigentumsorientiert versus kollektiv-gemein- Strukturmomente untersucht werden, kann die Zeit schaftsorientiert benennen lassen. Und das könne man für den Interpretationsprozess und abschließenden schließlich so oder so sehen. Und beide Seiten würden Selbstreflexionsprozess knapp werden. formal begründet argumentieren. Aber damit ist we- Im vergangenen Wintersemester ging es darum, sentliches noch nicht gesagt. Ich spitze in diesem Fall aus Transkripten verschiedener Dorfgründungssimu- die Fragestellung zu: Gibt es Aussagen, die die Studie- lationen der Sekundarstufe I und II Hypothesen über renden als problematisch bewerten würden, im Sinne alterbedingte politische Lerneffekte sowie über un- von Fehlkonzeptionen als lernförderliche Hürden zum terscheidbare Politisierungstypen herauszuarbeiten. Konzeptwechsel? Wie denken sie insbesondere über In der Vorlesung legte ich soziologische und lernpsy- Johns Beitrag? Angeregt durch die Beiträge einiger Stu- chologische Grundlagen und stellte das bisherige po- dentInnen erschließt das Seminar nach und nach, dass litikdidaktische Wissen um politische Alltagstheorien wir es hier mit einem altersbedingten Phänomen ein- vor. Im Seminar habe ich den hermeneutischen Drei- geschränkter Perspektivenübernahme zu tun haben: schritt und eine Variante der Argumentationsanalyse John, und mit ihm Ramona und Thorsten, betrachten als Heuristik eingeführt. Ich möchte an einer exemp- die mikropolitischen Aufgaben der Dorfgemeinschaft larisch ausgewählten Szene den möglichen Lerneffekt aus personaler Sicht. John zieht eine falsche Analogie für Lehrer-StudentInnen aufzeigen: zwischen Diebstahl im Privatleben und dem demokra- tischen Recht einer politischen Institution (wie hier Szene: Brauchen wir eine Dorfkasse? (8.Klasse) dem Dorfrat, in dem demokratisch abgestimmt wird) Anja: Aber was sollen wir denn für das ganze Dorf Steuern o.ä. einzuziehen. Der Gegenseite um Paul, kaufen? Carsten, Birte und Regina dagegen ist klar, dass auch Paul: Alles Mögliche, Bibliotheken, Supermarkt, ... die „mikrostaatliche“ Ebene nicht ohne ein Minimum Carsten: Hochspannungsleitung, Telefonanschlüsse ... an öffentlichen Geldern auskommt, um handlungsfä- Paul: Saatgut, Samen für den Dings da, Acker. hig zu sein, angefangen von der Infrastruktur (Telefon- [Durcheinander] leitungen) bis hin zu einem Sozialsystem (Krankheit). Thorsten: Das kann man doch auch selber kaufen. Diese 8. Klasse steht hier also an der Lernschwelle Ramona: Ich fnd‘s eigentlich besser, dass man jetzt zwischen noch privaten und schon öffentlichen oder den Samen selber kauft. gar institutionellen Perspektiven (zur Graduierung vgl. Regina: Ja, aber es gibt noch die Telefonleitungen Petrik 2007a, 339ff.). Durch gegenseitige Perturbation und alles Mögliche. entdecken die SchülerInnen nach und nach “genetisch“ Birte: Hallo, wenn mal etwas kaputt geht oder so, die Notwendigkeit des Solidarprinzips für Demokrati- ist doch Scheiße. [Durcheinander] Ja, oder en – ohne dass der Lehrer es als moralischen Imperativ zum Beispiel Medikamente. Wenn jemand deduktiv einführt. Ich habe dieser Klasse, deren Lehrer krank wird (...) ich war, ein Jahr später das anonymisierte Transkript Ramona: Ja, aber wenn niemand von uns krank wird dieser Stunde gezeigt: Nun schüttelten auch John, Ra- und wir dafür bezahlt haben und auch nicht mona und Thorsten den Kopf über die „Individualis- das Telefon kaputt geht ... (...) ten“ im Dorf. In Dorfgründungen der Sekundarstufe John: Und ich denke, dass man um Geld nicht ir- II setzen die SchülerInnen das Solidarprinzip meist gendwie abstimmen kann, dass man eine voraus, ihr Streit dreht sich darum, wer welchen Anteil Dorfkasse macht. Weil im normalen Leben in die Dorfkasse zahlen muss. kann man auch nicht sagen, ich will jetzt Zurück zur universitären Lernebene: Indem sich un- Geld haben, gib mir was... sere StudentInnen mit den Fehlkompetenzen, Lerner- folgen und Politisierungsproflen von SchülerInnen Diese 8. Gymnasialklasse hält ihre konstitutive Dorf- beschäftigen, reflektieren sie unterschwellig ihre frü- versammlung ab, bei der sich der Lehrer komplett her- here schulische Lernerrolle mit und schärfen ihre Di- aushält. Thematisch springt die Lerngruppe zwischen agnosekompetenz. Und wenn sie sich darüber hinaus politischen Grundfragen wie der Entscheidungsfn- mit Unterrichtsszenen beschäftigen, in denen die Leh- dung, der Güterverteilung, dem Umgang mit der Kir- rerrolle stärker im Mittelpunkt steht, arbeiten sie auch che und einem möglichen Wirtschaftssystem, hin und an ihrer zukünftigen Aushandlungskompetenz – auch her. Als entscheidende Kontroverse wird die Frage wenn diese sich selbstverständlich erst in der Praxis nach einer gemeinsamen Dorfkasse aufgeworfen. voll entwickeln kann. Insbesondere dort, wo sich die 76 Andreas Petrik Journal of Social Science Education „... aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 57–80

Studierenden bei ähnlichen Fehlkompetenzen ertap- Zweitens sind wir mit der Beharrlichkeit didaktischer pen, wie die SchülerInnen sie zeigen, oder wo ihre Alltagstheorien von Studierenden konfrontiert, mit didaktischen Alltagstheorien „perturbiert“ werden, dem „Klappt nicht“-Phänomen als einer wesentlichen fndet Konzeptwechsel statt. Barriere einer sinnvollen Schul- und Unterrichtsreform. Welche Rolle habe ich als Veranstaltungsleiter bei Hierzu habe ich zwei Vorschläge unterbreitet: dieser Art von Fallarbeit? Ich muss, wie oben gezeigt, 1. Im Grundstudium in Lehrkunstwerkstätten an ähnlich wie in der Schule sokratisch auf bestimmte konkreten Unterrichtsmodellen zu arbeiten, die un- Phänomene hinweisen, damit sie nicht untergehen. seren Methodenfundus und die dahinterliegende Ich muss Lesarten kontrastieren, begründen und konzeptionelle Ebene exemplarisch-genetisch auf- erweitern helfen, bei festgefahrenen Kontroversen schließen, um so die Analyse- und Methodenkom- Schlichtungshilfe geben und auch bisweilen unplau- petenz zu fördern. sible Lesarten zurückweisen. Besonders wichtig ist 2. Im Hauptstudium an Unterrichtszenen und biogra- der Schutz derjenigen, die sich in selbstreflexiven fschem Material (Interviews...) zu arbeiten, um die Phasen angreifbar machen, vor unangemessenen Re- Diagnose- und Aushandlungskompetenz zu stärken. aktion oder Stigmatisierungen anderer. Anders als in Für die Zukunft wünsche ich mir daher zwei kollektiv der Schule lege ich in der universitären Lehre so oft zugängliche Online-Archive: wie möglich meine hochschuldidaktische Strategie – Ein Lehrstückarchiv, in dem Best-Practice-Modelle offen und vergleiche sie mit schulischen Strategien gesammelt und zugänglich gemacht werden, wie – als „didaktische Metakommunikation“ (vgl. Wildt im didaktischen Koffer, der jedoch bisher noch 2000, 177ff.). So zu Beispiel, als ich die Beiträge zweier wenige mehrfach erprobte und optimierte Unter- ReferentInnen auf ein Maximum von 10 Minuten be- richtseinheiten enthält (http://www.zsb.uni-halle. schränkte, weil aus der bisherigen Diskussion ersicht- de/didaktischer-koffer/) und lich wurde, dass ich zentrale Werkzeuge nochmals er- – ein Fallarchiv als Fundus für empirisches Untersu- läutern musste: „Auch in der Schule werden Sie Ihre chungsmaterial zum politischen Lernen, wie es be- Planungen den Schülerlernbedürfnissen zuliebe mehr- reits für den schulpädagogischen Bereich existiert fach umwerfen, möglichst, ohne dies als Problem zu (http://www.fallarchiv.uni-kassel.de/). empfnden“. Wir HochschullehrerInnen würden ja un- Die zukünftige Qualität der Politiklehrerausbildung sere Rolle missverstehen, wenn wir uns nur als Mode- hängt meines Erachtens entscheidend von zwei Fak­ ratorInnen verstünden: Es soll ja z.B. auch immer noch to­ren ab: Erstens von der konsequenten Öffnung Universitäts-KollegInnen geben, die schlechte Refera- zur Schulpädagogik und zu anderen Fachdidaktiken. te nicht unterbrechen – zum Leidwesen des Seminars Zweitens davon, dass Professuren in der Regel an aus- und der Vortragenden zugleich. gebildete und berufserfahrene PolitiklehrerInnen mit politikdidaktischer Promotion oder Habilitation 5. Ausblick: Entwicklungsaufgaben der bzw. Juniorprofessur vergeben werden. Das „Training politikdidaktischen Lehre on the job“ hat in unserer Zunft zwar immer wieder Wir haben es mit zwei Beharrlichkeiten der Politikleh- gute VertreterInnen hervorgebracht und ich will auch rerausbildung zu tun, die dem Theorie-Praxis-Problem für die Zukunft nicht ausschließen, dass in Einzelfäl- geschuldet sind: len politikdidaktische Kompetenzen jenseits eigener Erstens mit der Beharrlichkeit der Struktur der Leh- schulischer Lehrtätigkeit erworben werden können. rerbildung, die auch in der Politikdidaktik weit von ge- Doch dürfte es für die meisten Menschen schlicht eine meinsamen Mindeststandards entfernt ist. Hier wäre Überforderung darstellen, für einen Beruf auszubilden, eine kompetenzorientierte Revision nötig, ohne bloß den sie selbst nie ausgeübt haben. Zwar lassen sich Semantiken auszutauschen. Der Versuch, Basiskonzep- Analyse- und Diagnosewerkzeuge und das Methoden- te festzulegen, geht sicher in die richtige Richtung, curriculum zum Teil anlesen. Doch der Analysegegen- bleibt jedoch zumeist politikwissenschaftlich-fachlich stand Politikunterricht/politisches Lernen und die in- und damit noch jenseits einer hochschuldidaktischen nere Dynamik der Methoden erschließen sich nur auf Betrachtung. Wir werden also demnächst darum rin- Basis praktischer Erfahrung mit ihnen sinnvoll. Ganz gen müssen, mit welchen (Mindest-)Inhalten und zu schweigen von der zentralen politikdidaktischen hochschuldidaktischen (Mindest-)Methoden welche Aushandlungskompetenz, die DozentInnen aus ihrer Lehrerkompetenzen gefördert werden können. Wir zurückliegenden Schulpraxis mitbringen sollten, zu- müssen unsere Erfolge und Misserfolge empirisch prü- gunsten der universitären Lehrpraxis.2 fen und uns darüber hinaus von unseren Abnehmern, den Studienseminaren, evaluieren lassen. Diese müs- sen ihre Arbeit wiederum von FachdidaktikerInnen 2 Diese Forderung impliziert, dass jede HochschullehrerIn, auch und von ihren Ausbildungsschulen kritisch auswerten außerhalb der Lehrerausbildung, eine didaktische Zusatzausbil- dung benötigt. Universitäre Lehre als Bildungsveranstaltung lassen. Denn bisher arbeiten alle drei Institutionen ernstzunehmen heißt, genau dies zu fordern, was ich hiermit eher gegen- als miteinander (vgl. Oelkers 2003). tue. 77 Andreas Petrik Journal of Social Science Education „... aber das klappt nicht in der Schulpraxis!“ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 57–80

Man stelle sich vor, ein studierter, promovierter und Szenario absurd klingt und auch gar nicht eintreten evtl. habilitierter Mediziner, der noch nie ein Kranken- kann, wird jedoch der analoge Fall in der Lehreraus- haus-Praktikum gemacht hat und zudem keinerlei Be- bildung (noch) nicht als Skandal betrachtet. Vielleicht, rufserfahrung als Arzt aufweist, sollte plötzlich als Pro- weil es in der Schule nicht um Leben und Tod geht? fessor Medizinstudenten ausbilden. Während dieses

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80 Journal of Social Science Education © JSSE 2009 Volume 8, Number 2, 2009, pp. 81–93 ISSN 1618-5293

Niklas Eklund and Anna Larsson Teacher Education in Social Science in Sweden in Historical and Comparative Perspectives

Abstract In this paper, we will examine teacher education in social science. In the Swedish context, teacher education is part of the university system, but teacher education in social science is differently organized than social science education for other students. Teacher education in social science today is also, as a result of the deregulation at all levels of the Swedish educational system in the 1990s, locally designed and there are signifcant differen- ces between universities. The aim of this paper is twofold. The frst aim is to explore the roots of the current situation in the history of teacher education in social science in Sweden from the mid 1900s and into the early 2000s. The other aim is to describe and discuss comparatively how this education is organized at different Swe- dish universities today. The analysis revolves around questions about disciplinarity, organization and teacher education as a “trading zone” between the traditional academic disciplinary organization of social science and the conceived needs of the school subject Civics.

Contents school subjects like Mathematics, History or Physics, 1. Introduction Civics has no directly corresponding discipline at the 2. Discipline and school subject: the perpetual prob- universities. Historically, this complex situation has lem of congruence been the focus of central guidelines in offcial regu- 3. Moving beyond disciplinary studies? latory texts. In the 1990s, though, higher education 4. Changes in teacher education including teacher education was decentralized and 5. Civics instead of disciplines re-regulated and since then courses and programs are 6. Organizing Civics: Swedish universities com- locally designed. In 2001, new offcial guidelines stip- pared ulated that teacher education no longer necessarily 6.1 Civics for teachers at Umeå university had to follow disciplinary organizing principles (SOU 6.2 Civics for teachers at Göteborg university 1999:63, 14). This led to different organizational so- 6.3 Civics for teachers at Uppsala university lutions at different universities where teacher educa- 7. Concluding remarks tion for Civics is given. In this article, we will use both References the historical texts regulating the organization in ear- lier decades and some local organizational solutions Keywords of today as they are presented in course websites as disciplinarity, trading zone, civics, teacher education, empirical material. Swedish universities, Samhällskunskap Although this article focuses exclusively on the relationship between teacher education and the aca- 1. Introduction demic social sciences, a brief initial comment on the Ever since the subject Civics was introduced in Swed- school subject would nevertheless seem pertinent. ish schools after World War II, the question of how its As background, it should be mentioned that pupils teachers should be educated has been debated. What in Swedish schools are exposed to social science in a does a teacher in Civics need to know? From the disci- school subject called Samhällskunskap. Although this plinary landscape of social science at the universities, subject does not translate into the English language what should be included in teacher education for Civ- in any obvious or straightforward way, we believe ics? These questions are related to the academic orga- that the closest approximation would be Civics. From nization of teacher education, with disciplinary social the sixth to the twelfth school year in Sweden, Civics science meeting interdisciplinary needs, and with includes perspectives from social sciences like Sociol- how social science knowledge should be introduced ogy, Political science, Social and economic geography, to pupils as members of community and society, as Economics and Law and has a special focus on ques- future skilled citizens, and as possible future social tions about democracy and citizenship. Even though scientists (DeCesare 2007, 179). historical perspectives can be found, History is mainly In this article, we would like to discuss the orga- treated in a separate school subject. Civics in Sweden nization of teacher education for Civics in relation can thus be defned as a school subject somewhat wid- to the social science disciplines at the universities. er than in other national contexts, but at the same Consequently, we do not discuss didactics and prac- time narrower than for example “Social studies”, since tical training even though these are central areas of disciplinary felds like History, Anthropology and Psy- the teacher training programs. In contrast with other chology are not included. 81 Niklas Eklund and Anna Larsson Journal of Social Science Education Teacher Education in Social Science in Sweden Volume 8, Number 2, 2009, pp. 81–93

Our interest here, however, lies in aspects of inter- tensen et.al. 2005, 10). Or, simply put, we assume that action between teacher education and academic disci- historical and present-day documents say something plines. The perspective that we apply is a construction- about how Civics is organized in higher education in ist view on knowledge, where we regard both school Sweden. Organizing principles, in turn, say something subjects and academic disciplines as constructed and about disciplinarity. not inherent or inevitable divisions of knowledge. We Scientifc boundaries have gained a lot of scholarly would regard them as stabilizing traditions, which in interest (cf. Shapin 1992, Klein 1996, Gieryn 1999), real life facilitate framing and influence how people also in the Swedish feld of social science (cf. Larsson understand the world around them. Messer-Davidow, & Wisselgren 2006, Larsson 2008). When organization Shumway & Sylvan (1993, vii–viii) have used the con- of knowledge production and distribution is studied, cept of “disciplinarity” in discussing how (academic) for example out of questions of disciplinarity/inter- disciplines affect knowledge in many ways. Disci- disciplinarity, most often focus is on research (Hedt- plines specify objects and research methods, give ke 2006), and educational areas investigated only to conceptions of breadth and depth and offer criteria some extent. for valuing what is good or bad research. Disciplines In the feld of social science, for example, thematic create distinctions between theory and practice, or- issues of Current Sociology (2008:2) and The American thodoxy and heterodoxy, specialists and generalists. Sociologist (2007:2) focus on educational questions They regulate fnancing and markets of employment, and Journal of Social Science Education 2006:2 has they steer how knowledge is spread. And, not least, disciplinarity/interdisciplinarity as its central theme. they produce and manage the idea of progress and From this perspective, teacher education has not tell stories of achievements and advances. Further- received much exclusive attention. This also corre- more, Klein (2006) divides these traits of disciplinarity sponds with the general notion of teacher education into two main categories. Firstly, disciplines maintain as an “understudied” object (Adler 2004, 2). Studying a functional differentiation that produces a specifc teacher education specifcally, which we do in this ar- worldview. Secondly, disciplines render a system of ticle, could contribute further aspects and highlights power that controls academic work inside disciplines. to the understanding of social science education. Using Peter Galison’s terminology, teacher educati- The aim of this article is to discuss how Swedish on could be called a “trading zone” (Galison 1997, 803), teacher education in social science is designed by on the i.e. an area where close yet different cultures can meet one hand exploring its history and on the other hand and share some activities, while at the same time re- comparatively discuss how it is organized at a number taining that which makes them separate and specifc. of different Swedish universities today. At the centre of But what is traded in the zone, and why? With regard attention are questions about disciplinarity, organiza- to different teaching traditions in the social sciences tion, and teacher education as a “trading zone”. for example, scholars have observed that intentions may differ. Regarding Civics or Social studies curricu- 2. Discipline and school subject: la, the intention can be guided by at least three con- the perpetual problem of congruence ceptualizations; studies can be seen as a vehicle for Students aiming at a teacher career in secondary cultural or citizenship transmission, as the study of school level have throughout the 20th century been the social sciences, including history, or as reflective trained via the study of different disciplines at the inquiry (Bragow 1996, 15). Against the backdrop of university. After World War II, Civics was introduced such observations, the disciplinarity/interdisciplinari- as a new school subject in its own right as a means to ty problem comes to the fore. promote and uphold democratic society. At the same In this article, we adopt primarily an organizational time the debate about which of the many different so- approach while making the assumption that the ways cial science disciplines were indispensable for subject in which Civics is organized and debated within a rel- teacher education took off. evant set of institutions say something about disci- The debate had some precursors in the 1930s dis- plinarity and objectives. Higher education in Sweden cussion about just what kind of disciplinary linkage is primarily an affair of state and, as increasingly ob- was necessary for teachers in History, a school subject served in the literature, public institutions are subject- which in the fnal year in the old secondary school in- ed to a more or less constant cross-pressure from com- cluded government (Swe: historia med samhällslära). peting organizational principles (Christensen et.al. For example, a government commission in 1936 stated 2005). This cross-pressure, involving not only social, that studying History at the university alone would economic and political forces, actually concerns the provide students for the teaching profession with in- models for how public institutions should organize suffcient knowledge in government. The commission their work and functions. A core assumption is that or- suggested that students in teacher education for His- ganizational membership and contextual framework tory should also take courses in the history and orga- affect how actors think about what they do (Chris- nization of Swedish political institutions, in Economic 82 Niklas Eklund and Anna Larsson Journal of Social Science Education Teacher Education in Social Science in Sweden Volume 8, Number 2, 2009, pp. 81–93

history, and in Economics to make their knowledge science and one semester of Economics were best more congruent with the demands of the school sub- equipped to handle the school subject. The situation ject. After World War II, contemporary social, political, for this group was further improved after Political sci- and economic aspects of the school subject were fur- ence at Swedish universities started to include courses ther strengthened through governmental regulation. in Political sociology and Law. Still, many aspects of Against this background, representatives from differ- Civics in compulsory school were missing from course ent university disciplines in the feld of social science work at the universities. Brolin listed the following ar- argued that their felds of study should generally be eas as examples: school and studies, working life and given more time and space in teacher education. A the labor market, social psychology and social prob- commission gathering the views and opinions from lems, recreation and leisure and children and youth Swedish universities started working on this and relat- issues (Brolin 1965, 215). ed issues in 1945. Its recommendation (SFS 1953:610) Regarding secondary school, congruence between was that the course requirements for teacher educa- school subject and university training was equally tion for the subject History with government should lacking. In secondary school and over and above include two semesters of History and one semester of Political science and Economics, Civics also involved either Political science or Economics on the university such knowledge areas as population, economic life level (Brolin 1965, 214). in foreign countries, and social, economic and politi- When Civics was made a separate school subject, cal planning issues, i.e. most of which belong to the new requirements upon teacher education ensued. To disciplines of Sociology and Social and economic ge- become a Civics teacher, a student had to take two ography on the university level. Brolin’s conclusion semesters of Political science and one of Economics, was, however, that the problem of incongruence was or vice versa (Brolin 1965, 214). According to the 1953 indeed perpetual, i.e. lacking a clear and stable solu- governmental regulation, another three semesters of tion: “Since the subject which in school is called Civics study in either the humanities or the social sciences corresponds with an array of disciplines at university, had to be added to the core study of Political science any teacher education which comprises no more than and Economics, including also a separate course in three or four semesters must by necessity be regarded Psychology and the theory and history of Pedagogy as insuffcient, regardless of how these semesters are (unless Pedagogy was already part of the additional combined.” (Authors’ translation, Brolin 1965, 215) three-semester portfolio). It was also required that The idea that a Civics teacher in training should spend basic training in the university disciplines should be one or several semesters studying disciplines within followed by a trial year of actual school teaching. the feld of social science thus dominates the debate of A government commission was appointed in 1960 the frst two decades after World War II. The way ques- to look at how teacher education in Sweden could be tions were asked; the issue seemed to be defned as a reformed to have better ft with the new system of matter of combining university semesters in a way as compulsory and secondary schooling which was under congruent as possible with the contents of the school way, a 9-year compulsory school (Swe: grundskolan) subject Civics. Brolin’s research and his conclusion that beginning at age 7, followed by an optional 2-4-year a perfect ft was impossible, however, was the forebear secondary school (Swe: gymnasiet). Commissioner of a new direction for the debate in which the very idea Per-Erik Brolin was specifcally tasked to investigate that education students should study disciplines at the relationship between the education of teachers university was put into question and new organizing in the university disciplines on the one hand, and on principles for teacher education were tested. the other hand the experiences of new school teachers on the job, in schools. Brolin discovered that most new 3. Moving beyond disciplinary studies? teachers in the feld of Civics had insuffcient training. Against the backdrop of the Brolin inquiry, the com- He also concluded that Civics in the later stages of mission eventually suggested that teacher education compulsory school had become signifcantly oriented should be considered in its own right and distin- toward and influenced by Sociology (Brolin 1965, 214– guished teacher education for the later years of com- 215). Since at the time Civics also involved labor market pulsory school from that for secondary school on the information and orientation, there was a widespread other. The main innovation was to stop thinking in practice in which vocational guidance councilors per- terms of students in teacher education taking full se- formed most of the teaching. The social science knowl- mesters in various disciplines. Instead, their studies edge among this group of teachers varied signifcantly would be organized as shorter courses combined in in both scope and orientation (Rudvall 2001, 29). accordance with a government regulated format. Brolin also discussed the signifcant incongruence Teacher education programs as suggested in SOU between the content of Civics as a school subject and 1965:25 the content of learning at university. He found that For future teachers in later-stage compulsory school teachers who had studied two semesters of Political (2 semesters): 83 Niklas Eklund and Anna Larsson Journal of Social Science Education Teacher Education in Social Science in Sweden Volume 8, Number 2, 2009, pp. 81–93

– Descriptive social knowledge (4 weeks) the teacher education curriculum, which had been – Sociology, Social psychology and Cultural anthro- suggested, seemed unwise due to the risk of increas- pology (5 weeks) ing cost and a narrowing of the recruitment base. The – Swedish and foreign political science (12 weeks) fnal decision was that teacher education should con- – Mass media and public opinion (3 weeks) tinue to build up the same competences among stu- – National economics (11 weeks) dents for both school levels. However and from 1969 – Labor market orientation (2 weeks) on, teachers in secondary school were mostly hired on – Teaching methods the basis of having studied at least three semesters in For future teachers in secondary school (3 semesters): one university discipline while the demands on their – Cartography (3 weeks) counterparts in compulsory school were put some- – Geography (6 weeks) what lower. (SOU 1978:86, 52) – Population and economic geography (10 weeks) – Regional geography (6 weeks) 4. Changes in teacher education – Construction and social planning (4 weeks) By the end of the 1960s, although disciplinarity was – National economics (8 weeks) adhered to as the organizing principle, changes began – Political science (8 weeks) to emerge in subject teacher education in Sweden. Up – Independent study in either feld of Geography, until this time, students normally spent a year doing Economics, or Political science (15 weeks) salaried on-site training in school after fnishing their – Teaching methods ordinary six semesters of university studies. The on- As suggested by the Commission, the new line of think- site training year was discarded and substituted for a ing was to allow the content of the school subject to year of study at a teacher education college including direct the content of teacher education at university reduced non-salaried on-site training. Furthermore, in a new and different way. The Minister of Education, an early introduction to pedagogical issues was in- Ragnar Edenman, made it perfectly clear, however, troduced parallel with the disciplinary studies. In the that he was not ready for such innovation but rather 1968 reform, beside Pedagogy, Teaching methodol- preferred to initiate a new inquiry into the matter. As ogy was also added to the curriculum as a disciplinary concerns the issue of congruence, nevertheless, Eden- study in its own right. (Morberg 1999). man saw reason in the notion that the content of In 1974, another governmental commission started teacher education somehow had to be adapted to the scrutinizing teacher education in Sweden and in 1980 plans and regulations of Swedish schools. However, he new steering documents for compulsory school were stated, “This does not have to mean that full congru- adopted. Both works provided impetus for further ence must prevail between the matter that is learned reform and in 1988 new principles for education of and the matter which is later to be taught. In teacher teachers for compulsory school were introduced. Two education, the emphasis should be on core theories branches were stipulated, one aimed at years 1-7 and and problematizations.” (Proposition 1967:4, 132–133) the other at years 4-9. Teachers in the later stages of The old system for teacher education, comprising compulsory school were now expected to take respon- six full semesters, prevailed. Notwithstanding, Eden- sibility for four subjects at their school, as compared man looked to a different opportunity for reform with three subjects before. As the new ‘teacher pro- with the intent to improve content without having gram for compulsory school’ was introduced, students to signifcantly reform the Swedish system of higher who wanted to become teachers in the later stages of education. At the time, it was common for students compulsory school no longer studied together with for the teaching profession to take one or two semes- those aiming for secondary school. Only four years ters of study which did not correspond with any of later, however, this reform was partly rescinded as their projected school subjects. Edenman imagined the opportunity for students with a disciplinary that a change in the steering documents, which would background to choose to work as compulsory school make all six semesters count toward eligibility, might teachers was reintroduced. In parallel, education of help to achieve his goal. The minister also saw a ma- teachers for secondary school was reformed, basically jor beneft emanating from this essentially conser- prolonging the period of study for teachers-to-be. Be- vative stance on the issue in that a disciplinary core tween 1968 and 2001, subject teacher education also curriculum would furnish other university students comprised one year of practical pedagogical training. with the opportunity to change their lines of study. At frst, this year was added on at the end of the study He assumed that a number of students would then program, but over time courses were divided up and choose the career of school teachers at a late stage gradually introduced at earlier stages and in between in their university studies, which would provide for the disciplinary studies. better recruitment for the school sector as a whole. In To conclude, in the period between the late 1940s the same government bill, it was added that the sepa- and the Millennium, students interested in becoming ration of compulsory school and secondary school in Civics teachers would choose rather freely between the 84 Niklas Eklund and Anna Larsson Journal of Social Science Education Teacher Education in Social Science in Sweden Volume 8, Number 2, 2009, pp. 81–93

social science disciplines available at Swedish universi- flective of the thoughts and ambitions in the 1960s, ties. In 2001, however, this was radically changed. which were discussed but never implemented. The idea that subject studies for education students could 5. Civics instead of disciplines be achieved by multi-disciplinary integration on the Against the backdrop of social, economic, and politi- university level received new impetus. cal change, a major overhaul of teacher education in The 2001 reform of teacher education in Sweden Sweden was introduced in a government bill (Proposi- thus made it possible to reorganize curricula based on tion 1999/2000:135). The political process by which local perceptions and initiatives. Above all, it gave way public institutions in Sweden gradually shifted over for initiatives independent of disciplinarity. The con- to steering by objectives in the last two decades of gruence problem, it seemed, was about to be solved. the 1900s was a signifcant factor of overall change. Unfortunately and despite the good intentions of (Eklund 2008, 115–136) The program for teacher edu- reformers, the problem not only persists but has to cation which ensued is the one currently (2008) valid some degree been aggravated by Sweden’s continuing in the Swedish system of higher education.1 It leads move toward steering by objectives on the one hand to a shared degree for all categories of school teach- and seemingly inexorable decentralization on the ers. Three semesters of the program are devoted to other. (Jarl, Kjellgren & Quennerstedt 2007, 35–44) Cur- common teacher knowledge shared by all student cat- rently, so much of what Civics is and can be is decided egories. The rest of the program consists of studies in autonomously, not only at different universities but different felds of knowledge for the specifc teacher also at different compulsory and secondary schools. categories. For students studying to become Civics In historical as well as contemporary light, it is ob- teachers, today three semesters of disciplinary studies vious that education of teachers for Civics is a “trad- are needed for teaching in the later stages of compul- ing zone” (Galison 1997, 803) where the school subject sory school, while those aiming at secondary school Civics meets the academic social science disciplines. need to take four. A signifcant change to the system, This meeting raises several vexing questions and is- however, is that each university can shape and form sues, and places a potential Civics discipline in an the curriculum for the teacher program autonomously intermediate position between established univer- as long as they stay within the framework set by na- sity disciplines and the school subject as defned by tional goals. national steering documents. As pointed out by Star The government commission which preceded this & Griesemer (1989, 508), objects traded in the zone latest reform discussed the issue of disciplines and might have completely different meanings for the ac- subject boundaries: tors involved. Against this background there is all the The committee holds that each establishment for more reason to study the (content and) organizing higher education should, starting from the goals principles for Civics as they currently emerge at dif- set out for the teacher degree, perform an analy- ferent Swedish universities. sis of how the term subject should be interpreted and, above all, what the content of subject studies 6. Organizing Civics: Swedish universities should be. For example, studies in a subject can compared be organized according to overarching, multi-dis- The higher education institutions in Sweden enjoy sig- ciplinary, or thematic principles. This, according to nifcant degrees of freedom in planning their activities, the Committee (Lärarutbildningskommittén), en- allocating resources, and organizing study programs.2 tails a widened concept of subject in teacher educa- The legal framework concerning higher education tion.” (SOU 1999:63, 14) stipulates that the majority of Swedish universities The way this was formulated gave an opening for and university colleges are state-run, thus subject to Swedish universities to reorganize teacher education, legal and budgetary steering by the government (the not least in the feld of social science. The problems Ministry for Education and Research) and parliament. of congruence which had found their expression in Governmental and parliamentary decision making the 1960s, indeed some of them already in the 1930s with regard to universities and other higher education as mentioned above, were still visible by the Millen- institutions are for the most part taken on the basis nium. Therefore, given this new opportunity, many of recurrent evaluations by one or several of the high- Swedish universities attacked the problem in new and er education agencies, mainly the Swedish National different ways, mainly by leaving the historical path Agency for Higher Education (Swe: Högskoleverket) or of disciplinary studies and by introducing Civics as a the Swedish Research Council (Swe: Vetenskapsrådet). new discipline in its own right. These efforts are re- To make a long story short, the state governs the uni-

1 At the time of this writing, teacher education in Sweden is once again up for reform (SOU 2008:109) and changes to the system 2 A general introduction to the Swedish system of higher educa- can be expected in the near future. tion can be obtained at http://www.hsv.se/highereducation. 85 Niklas Eklund and Anna Larsson Journal of Social Science Education Teacher Education in Social Science in Sweden Volume 8, Number 2, 2009, pp. 81–93

versities in Sweden mostly through recurrent evalua- In an effort to explore how disciplinarity is mirrored tions and budgetary steering. in the way different Swedish universities currently or- In the perspective of this paper, however, the most ganize Civics for teacher education, we have adopted interesting systemic aspect is the total lack of organiz- a simple approach. Since all Swedish universities and ing principles for Swedish universities. In purely or- other institutions for higher education openly present ganizational terms, universities decide autonomously their curricula and courses on the internet, the infor- how to organize teaching, research, and administra- mation is readily available. We have chosen to focus tion. In effect, administration is the only exception, upon three specifc universities, namely the universi- but then only to the extent that each university is re- ties of Umeå, Göteborg, and Uppsala. Again, the aim quired to have a board of governors, mainly appoint- is not to fnd an empirical material which is represen- ed by the government, a vice-chancellor (Swe: rektor), tative of Civics in Sweden, but rather to fnd and ex- and a Pro-Vice Chancellor (Swe: prorektor), the latter plore different representations of how disciplinarity two also appointed by the government on recom- is defned and traded against the background of the mendation from the board of governors. This means 2001 educational reform. There are a number of simi- that any kind of principle e.g. tradition, competition, larities and differences between Swedish universities, functional or economic need, may apply to how a uni- both in the way teacher education is organized, which versity organizes its production and maintenance of courses students have to take and, which is of particu- knowledge in Sweden. lar interest here, in how disciplinarity is represented in It is therefore perhaps not surprising that the 2001 the curricula. The choice of three Swedish universities reform gave rise to a plethora of ways in which to or- here, however, is made on the basis of difference. The ganize Civics for teacher education. Among the more total picture of Civics at the university level in Swe- than 15 universities that offer Civics teacher educa- den remains to be researched. For the purposes of this tion, some chose not to respond to the new challenge paper we adopt an approach in which most-different by simply allowing students to continue doing disci- organizational approaches come to the fore. plinary studies in Sociology, Economics, Political sci- It should also be noted that focus is upon Civics ence, and a few others of the social sciences. Some for students aiming at jobs in secondary school or in chose to respond immediately by organizing Civics the later years (7-9) of compulsory school. Students for teacher education, as a university discipline in its aiming for the earlier stages of school in Sweden face own right, thus at the same time attempting to solve other requirements which do not enter into the analy- the problems of congruence, disciplinarity, and orga- sis here. nization as outlined in the above.

6.1 Civics for teachers at Umeå university3

Semester Level Courses Departments

* The foundations of national public Economics, Economic history, Politi- 1st I. (30 ECTS) economy (15 ECTS) cal science, Historical, philosophical & * Democracy and society (15 ECTS) religious studies, Didactics * Social items (15 ECTS) Sociology, Historical, philosophical & 2nd I. (30 ECTS) * School-based teaching and learning religious studies, Didactics (15 ECTS)

* International economy (7,5 ECTS) Economics, Economic history, Politi- 3rd II. (30 ECTS) * Diversity, globalization and democracy cal science, Historical, philosophical & (7,5 EC TS) religious studies, Social and economic * Current international issues in a didactic geography, Didactics perspective (7,5 ECTS) * Population, migration and ethnicity (7,5 EC TS) * Theories and models of social sciences Economic history, Social and economic 4th III. (30 ECTS) (7,5 EC TS) geography, Historical, philosophical & * Methods of social sciences (7,5 ECTS) religious studies, Economics, Political * Independent study (15 ECTS) science, Didactics

3 Full text available at http://kursplaner.educ.umu.se/kursplaner. 86 Niklas Eklund and Anna Larsson Journal of Social Science Education Teacher Education in Social Science in Sweden Volume 8, Number 2, 2009, pp. 81–93

At Umeå university, Civics is offered for four full se- ciplinary, thematic approach is conducive to Civics as mesters. Courses are organized around certain core something more than the sum of its parts from organi- perspectives based on the three societal spheres. zational principles alone. The intention, nevertheless, During the frst semester students are introduced to seems clear and produces a situation in which staff economic perspectives followed by political perspec- from the different disciplines must work together in tives. Second-semester studies begin with a focus delineating each thematic course. upon social perspectives, and the last part of frst-year The thematic approach returns in the third semes- studies comprises school-based learning and teach- ter studies, only with shorter courses aimed at inter- ing practices. At Umeå, a second full year of Civics is national and global perspectives. Economics and Eco- also offered. The third semester is divided up on four nomic history in the frst course, and Political science sections, also thematic in their approach, but increas- and History of ideas in the second, are joined together ingly focused upon international and global aspects in this effort as well. The difference here is that Social of society, knowledge, and analysis. The fourth se- and economic geography joins in with its own theme mester begins with two separate courses, one in so- (Population, migration, and ethnicity). Again, how- cial science theory and the other in methodological ever, the semester ends with Didactics following up practices. This semester, brining the students around on thematic studies. From the organizational chart, it to a full two-year cycle, fnishes off with an indepen- could be argued that Social and economic geography dent study which is designed and penned by students is lacking in integration whereas the other disciplines individually under the supervision of staff from all of involved continue their thematic approach. In a simi- the involved disciplines. lar vein, it can be observed that Sociology disappears. In the Umeå case, the intention seems to be to move The fourth full semester of Civics for students in beyond disciplinarity in Civics by means of thematic teacher education follows up on both the multi-dis- organization. First of all, the different disciplines are, ciplinary principle and the thematic approach. Theo- with minor exceptions, involved on all course levels. ries, models, traditions, and methods in social science Secondly, the responsibility for the thematic course analysis are taught jointly by staff from different so- content is shared between disciplines, gravitating cial science disciplines at Umeå. Although Sociology toward economic (Economics and Economic history), is still out, Social and economic geography returns to political (Political science and History of ideas) and so- give its contribution during this semester. The fnal, cial (Sociology and History of ideas) perspectives. Di- independent study, in which students are expected dactics, thirdly, is involved in the course work across to apply concepts, ideas and methods chosen freely all subject courses and, at the end of the frst year, as from the different felds of social science (at which responsible for the application of acquired knowledge point purely didactic approaches are also allowed) is in school-based teaching and learning. Of course, it is characterized by the same cross-disciplinary intention impossible to gauge just to what extent this cross-dis- as during the foregoing three semesters.

87 Niklas Eklund and Anna Larsson Journal of Social Science Education Teacher Education in Social Science in Sweden Volume 8, Number 2, 2009, pp. 81–93

6.2 Civics for teachers at Göteborg university4

Semester Level Courses Departments

* Ideas about society (7,5 ECTS) Political science, Economics, Journal- 1st I. (30 ECTS) * Images of society (4,5 ECTS) including ism, Sociology, Pedagogy school-based teaching and learning (3 ECTS) * The Swedish political system in a com- parative perspective (6 ECTS) including school-based teaching and learning (1,5 ECTS) * Economics (6 ECTS) including school- based teaching and learning (1,5 ECTS) * Individual and society (7,5 ECTS) Political science, Economics, Social 2nd II. (30 ECTS) * School-based teaching and learning and economic geography, Sociology, (7,5 EC TS) Pedagogy * Institutions and welfare in Europe (7,5 EC TS) * Comparative perspectives on European regions (6 ECTS) including School-based teaching and learning (1,5 ECTS) * Individual, group and culture (15 ECTS) Political science, Sociology, Global 3rd III. (30 ECTS) * Global development and human rights studies (15 ECTS)

* Methods of social science (15 ECTS) Political science 4th IV. (30 ECTS) * Independent study (15 ECTS)

Looking at Civics for teachers at Göteborg university, the individual participating department on the one separate courses in Civics are also offered for a total hand and the subject matter of individual course and of four semesters. The approach is mainly thematic course examination on the other. in the way courses are labeled and organized. Not An organizational logic behind the four blocs cover- visible in the illustration above are four overarching ing the frst two semesters of study is possibly the in- themes for the frst two semesters, which tie the 7,5 tegration of School-based teaching and learning with ECTS blocs together in bigger 15 ECTS units. Accord- regular course work. It is noteworthy that on-site ingly, the frst two courses in the frst semester be- training is interspersed throughout the whole frst long to a bloc called Ideas and public opinion, and year of studies. A full course (7,5 ECTS) devoted fully the third and fourth courses to a bloc called Society to school-based training and study appears during the and economy. Similarly, during their second semes- second semester, but already during the frst semester ter studies, students at Göteborg take the frst two of Civics three of the courses involve contacts with courses as a bloc which is labeled Society and indi- and work related to real school environments. vidual and the third and fourth courses as part of the Regardless of the way in which four overarching bloc Europe in comparative perspective. As far as can themes are subdivided by shorter course examina- be gathered from course descriptions, this indicates tions, the thematic approach is explicit at Göteborg, that the university sees the separate courses within seemingly the expresson of an intention to move be- each bloc as interlinked and signals a thematic line yond disciplinarity. During their whole frst year of of thinking about the course content. More interest- studies, the students are confronted with teams of ing to the perspective of this article, however, is that teaching staff from six different social science depart- the students do not go through any course examina- ments, including Journalism which for all intents and tion on the level of thematic blocs. Course examina- purposes seems to represent a signifcant step away tions are carried out on the level of 7,5 ECTS courses, from traditional disciplinarity. Teaching staff from which makes possible closer correspondence between different departments and with different disciplin- ary backgrounds and training are brought together to 4 Full text available at http://www.ufl.gu.se/utbildning/lararpro- give thematically oriented courses. grammet/inriktningar. 88 Niklas Eklund and Anna Larsson Journal of Social Science Education Teacher Education in Social Science in Sweden Volume 8, Number 2, 2009, pp. 81–93

Thematic organization continues into the third which comprises studies in methodological issues and and fourth semester studies at Göteborg. During the the designing and drafting of an independent study, third semester, courses are also examined in 15 ECTS Political science becomes the only remaining depart- blocs, which seem to follow up on a particular core ment involved in the program for the full semester. thematic centered on the individual and various so- The full cycle of Civics at Göteborg university thus cial processes, organizations and phenomena. It is seems to represent thematic thinking about Civics. It particularly interesting that the department of Global is noteworthy however that the last semester of stud- studies contributes with a course dedicated to global- ies, although the responsibility for the course rests ization and human rights, because during the third with Political science alone, is nevertheless labeled and fourth semester studies the courses seem increas- with the generic terms Methods of social science and ingly to become an affair for Sociology and Political Independent study. science alone. In effect, during the fourth semester

6.3 Civics for teachers at Uppsala university5

Semester Level Courses Departments

* Political science (15 ECTS) Political science, Sociology 1st I. (30 ECTS) * Sociology (15 ECTS)

* Economics (15 ECTS) Economics, Social and economic 2nd II. (30 ECTS) * Social and economic geography geography (7,5 EC TS) * School-based teaching and learning (7,5 EC TS) * Political science OR Political science, or Sociology, or 3rd III. (30 ECTS) * Sociology OR Economics * Economics (22,5 ECTS) * School-based teaching and learning (7,5 EC TS) * Political science OR Political science or Sociology 4th IV. (30 ECTS) * Sociology (30 ECTS)

At Uppsala university, Civics for teachers shows few Disciplinarity is clearly expressed both in the way signs of any effort at moving beyond disciplinarity. courses are organized and with regard to the academ- In effect, from the way Civics is organized during four ic departments involved in teaching. Moving on to full semesters of study, it would be possible to draw third semester studies, the students have the option the opposite conclusion. The frst semester offers to specialize by further studies in either Political sci- introductory courses, each for 15 ECTS, in Political ence, Sociology, or Economics. There are no traces of science and Sociology. After the frst half of second thematic thinking or other forms of cross-disciplinary semester, the students will also have covered an intro- thinking involved in the curriculum. As a point of in- ductory course in Economics, thus spending the best terest, the full-text presentation of courses for teach- part of their frst year studies on three of the histori- ers at Uppsala also says that the students will receive cally well-entrenched core disciplines of Civics. The instruction alongside students taking regular courses latter half of second semester is split between Social at the departments involved. and economic geography, which is another classic in Economics then disappears as an option for the the feld, and School-based teaching and learning. So- fourth semester, during which the students at Upp- cial and economic geography does not return after sala are expected to do either of two things. They second semester, however, and with the exception can either specialize further by crowning their Civics of this particular course and a total of two 7,5 ECTS curriculum with an advanced class in Political science courses in School-based teaching and learning, Civics or Sociology. This entails further training and spe- at Uppsala for students in teacher education seems to cialization in those theoretical and methodological be a matter of choice between Political Science, Soci- approaches typical for either discipline at Uppsala. If, ology, and Economics. for example, a student has chosen to specialize in So- ciology (22,5 ECTS) during the third semester studies, 5 Full text available at http://www.selma.uu.se/publik. one option for the fourth semester is to follow the ad- 89 Niklas Eklund and Anna Larsson Journal of Social Science Education Teacher Education in Social Science in Sweden Volume 8, Number 2, 2009, pp. 81–93

vanced class in Sociology (including an independent Comparing the organization of Civics for students study in Sociology) during the whole of his or her last in teacher education between three Swedish universi- semester of Civics. The other option is to choose a ties, it is also diffcult to talk about a new discipline broader approach and, again for example with a third emerging. To the contrary, all three universities seem semester specialization in Sociology, opt for an inter- to have followed ideas and logics of their own. The mediate level course in Political science during the most striking fnd is Civics at Uppsala university, the fourth semester, thus broadening the knowledge base organization of which mirrors outright disciplinarity. but missing out on the methodological and indepen- With the exception of separate courses in Social and dent study training of the advanced level Sociology. A economic geography and School-based teaching and similar example could be given for a student specializ- learning, Civics is a matter of basic and/or advanced ing in Political science, the important point being that studies in Sociology, Political science, or Economics regardless of whether the student at Uppsala chooses in the Uppsala case. The Uppsala approach mirrors a deepening or widening as a strategy, the higher study conception of Civics as multidisciplinary within the of Civics essentially becomes an affair of choosing be- boundaries of core disciplines. tween Political science and Sociology. If the Uppsala organization of Civics is compared with those of Göteborg and Umeå, the evidence of 7. Concluding remarks multi- and inter-disciplinary thinking is more read- Developing Civics as a discipline creates an opportu- ily available in the two other cases. Göteborg has a nity to fnd new inroads to organizing the “trading course structure which confronts the students with zone”, i.e. the meeting and exchange between differ- more disciplines. Particularly during the frst year of ent cultures of disciplinary social science on the one studies, the different disciplines are also mingled un- hand and school subject on the other. In a model der themes and course headings which seem to invite where Civics teacher education is placed in between multi-disciplinary approaches and mixed conceptual the social science disciplines and the school subject, work in the sense-making processes. Themes seem to the establishment of a separate Civics discipline follow the students at least through to the fourth se- moves teacher education from an organizational af- mester, during which it is nevertheless questionable fnity with academic disciplinarity toward the school to what extent methodological and conceptual issues subject, at least more so than was possible in the ear- generated during the frst three semesters can be ad- lier, disciplinary-based education format. Keeping in equately addressed in a fnal course based on Political mind that, in Sweden, the relevant public relations science. have generally become more diversifed, local gover- In the brief and explorative comparison6 here, Umeå nance and designs at universities and schools might university seems to have followed through most con- still receive a push from the new discipline of Civics sequently in its multi-disciplinary organization. There in achieving better ft between teacher education and are more disciplines involved in the courses than in the needs of the school subject. the other two cases. Also, students undergo course Students in Civics might be able to develop and examinations based on thematic, multi-disciplinary elaborate more general knowledge in the feld of social courses (the only exceptions being Geography and Di- science. In this light too, multi-disciplinarity might dactics during third semester) all through the Civics be supplemented by inter-disciplinarity in regard to program, including the fourth semester social science perspectives, concepts, theories, and methods. Such theories, methods, and the fnal independent study. possibilities are also hinted at by recent inter- and To conclude the comparison, we might add that orga- multi-disciplinary educational research, which reflects nizational principles alone fall short of telling us what the idea that a crossing of disciplinary boundaries is it is that the students actually meet in the classrooms. one key to development of new knowledge and to Yet, to the extent that organizing principles serve new ways of thinking (cf. Klein 2005). as guidelines for what teachers and students expect Another potential beneft is that a discipline of Civ- from their courses, and thereby affect what they do ics could offer a base for research in social science at university, we may conclude that the opportunity teaching. History teaching, mathematics teaching, to create a new discipline called Civics at Swedish uni- science teaching are all distinct felds of study, cur- versities has preserved the old in some places while rently much more elaborated than the study of social bringing something new in others. science teaching. One plausible reason for this state of affairs seems to be structural, something which be- comes obvious at least from comparisons of different subject areas in Sweden. Civics teaching is seldom in- 6 It should be noted that we have not researched how the orgaorga-- cluded in the interests of the social science disciplines nizing principles affect the strategies and choices of individual university teachers other than at Umeå university. That analy- (cf. Späte 2006). sis falls outside the boundaries of this article, but is a theme we hope to return to at a later stage. 90 Niklas Eklund and Anna Larsson Journal of Social Science Education Teacher Education in Social Science in Sweden Volume 8, Number 2, 2009, pp. 81–93

But the creation of a brand new Civics discipline bridges across them. In this process, many new “in- does not inherently or necessarily solve the old prob- terdisciplinary” felds have originated and established lems related to congruence and content. As our exam- themselves as disciplines in the postwar era (Klein ples show, there is movement and transformation of 2005, Gulbenkian Commisson 1996, Smith 1997). For social science knowledge between disciplines. The re- all this academic turmoil, the old disciplinarities seem lationship between teacher education and school sub- remarkably resilient. ject, furthermore, is a complex issue which can also be Studies in history of science or sociology of science handled in many different ways. To be sure, there are show that new disciplines emerge in different ways. transformation problems also in other teaching felds, One point of origin is the discovery of a new object that is, where a school subject seems more congruent of study, and the ensuing exploration and delineation. with a particular university discipline. A discipline of Another is the perception of shortcomings in existing Civics, however, entails an additional organizational disciplines. Specialization, or the adaptation of new level between the traditional disciplines and the methods and theories, might also be conducive to the school subject, which in itself might render new prob- formation of new disciplines, as might the conceived lems and create new boundaries to overcome. need to analyze a phenomenon by using methods There are obvious problems with leaving a tradi- or perspectives from several different disciplines. In tional curriculum based on disciplines. Disciplines of- most disciplinary building processes debates about fer established paths, for example concerning research boundaries play important rhetorical and legitimiz- communication, economic incentive, and signals per- ing roles (Larsson 2001, Gieryn 1999, Klein 1996). taining to personal scientifc careers (Hedtke 2006, In this light, Civics for higher education in Swe- Messer-Davidow, Shumway & Sylvan 1993). den has certain characteristics which might work Within the boundaries of a discipline, it is generally against the ambition to create a new discipline. Civ- accepted and widespread what is meant by having ics is not the obvious result of new methods or any deep knowledge in some area. In other words, disci- discovery of new study objects. Nor is it the result plines handle the tricky relationship between depth of a specialization process. Rather, it is the need for and scope of knowledge. Although opinions about overview coupled with a need for generalizing knowl- what these relationships are and should be undergo edge that lies behind the initiative. Civics also has a more or less continuous change, disciplines are similar most conspicuous condition: the existence of a school to institutions in having both integrating effects and subject and the need to educate teachers for this. In giving rise to inertia. the future, nevertheless, evolving disciplines might When contrasting a new discipline with established follow completely different paths than those shown ones, there is a risk of overstating the unity and conti- by history. In today’s society, where information is in- nuity of traditional academic disciplines. Inherent di- defnitely available, maybe disciplines just like Civics versities and conflicts might be hidden. Regarding the are needed? That is, disciplines where overview and history of social science, the period from 1850 to 1945 knowledge about multiple concepts and perspectives saw the establishment of a limited number of disci- are the distinguishing features. On that same note, it plines that subsequently were institutionalized by the is reasonable to assume that what counts for disciplin- middle of the 20th century. In the period after that, ary and interdisciplinary thinking today is something those disciplinary boundaries have been continuously else tomorrow. criticized and subjected to various efforts at creating

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93 Journal of Social Science Education © JSSE 2009 Volume 8, Number 2, 2009, pp. 94–104 ISSN 1618-5293

Peter Davies Improving the quality of students’ arguments through ‘assessment for learning’

Abstract Specifcations in England and Wales frequently cite improvement in the quality of students’ arguments as a key objective of courses of study for public examinations. More generally, this objective might be seen as a central element in the process of citizenship education. However, there is evidence that progress in the quality of stu- dents’ arguments is disappointing relative to other dimensions of their achievement. Research evidence on the differences between informal and formal arguments provides a basis for identifying weaknesses in students’ arguments that might be addressed in teaching. This evidence also suggests ways in which these weaknesses might be addressed. However, this literature provides a generic account of the development of argument, rarely paying attention to differences between different subjects. Drawing on this literature this paper describes an approach to supporting the development of students’ arguments within two curriculum subject areas: geogra- phy and business studies. Similarities and differences between the subjects are identifed and the way in which these characteristics of arguments have been used with students to develop their arguments is exemplifed.

Contents One inference is that schooling is not making much 1. Introduction impact on the ‘informal’ style of argument that stu- 2. Formal schooling and the aim of improving the dents have developed through their experience out- quality of students’ argument side school. Insights from experimental research in 3. Developing a model of variation in the quality of psychology suggest that informal arguments suffer argument from two key weaknesses: ‘confrmatory bias’ and 4. Developing the quality of students’ arguments ‘weak situational modelling’. It has been suggested through assessment for Learning (Baron 1988) that these problems might be amelio- 5. Exempli fcation rated through teachers modelling higher qualities of 6. Discussion argument to which students should aspire. However, 7. Conclusion there is no point in a teacher modelling a quality of ar- References gument that is so far beyond a learner’s current capa- bility that they cannot appreciate its characteristics. Keywords If there are staging posts in the development of high- Assessment, learning study, geography, business stud- er qualities of argument these can be used by teach- ies, Toulmin ers and students to direct learning. The idea from phenomenography (Saljo, 1988, Marton and Booth 1. Introduction 1997) that understanding of any phenomenon (such The development of reasoned argument is crucial to as ‘an argument’) may take one of a limited number the process of education because it is central to learn- of categorically different forms suggests that it is be ing itself and pivotal to the contribution of educa- reasonable to think in these terms. Even if learning is tion to society. The ability to construct and evaluate thought to be more slippery and gradual than implied arguments is integral to the search for meaning and by phenomenography the idea of using imposed stag- ‘deep learning’. It is also central to the development ing posts to evaluate and debate progress may prove of adults as social beings Andrews 1997, 267). As Stein fruitful for teachers and learners who engage in ‘as- and Miller (1991, 267) phrase it, ‘argument is a pri- sessment for learning’ (Black and Wiliam 1998, 2009; mary mechanism in the resolution of social conflict McDonald and Boud 2003). and in the construction of socially appropriate norms’. This paper presents some criteria that have been It is appropriate, then, that the aims of examination developed for this purpose by teachers in Business, courses and the performance criteria used to allocate Studies and Geography. These criteria are particularly grades to students should refer in some detail to the important to the contribution of these subjects to qualities of students’ arguments. This is exactly what the aim of developing citizens who are able to play we fnd. However, these aspirations are insuffcient to a critical and constructive role in the development of guide teachers in supporting students’ learning. In their societies. The use of these criteria in assessment Business Studies at least, the quality of students’ ar- for learning is also described and a general model for guments is a weak point within their overall perfor- this process is processed. The relevance of the insights mance (Forrester 2004). from the psychological literature is demonstrated by

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reference to examples of students’ oral contributions equip students with ‘the capacity to exercise judge- in class and also by reference to their writing. ment and responsibility in matters of morality, eth- Section 2 of the paper identifes how qualities of ar- ics and social justice, and the capacity to make sense gument are referred to in examination specifcations of their world, to think about how things got to be in England. Section 3 reviews literature from psychol- the way they are, to make rational and informed deci- ogy that identifes weaknesses in informal reason- sions about their own lives, and to accept responsibil- ing and which suggests possible remedies for these ity for their own action (MCEETYA, 1999)’. Despite a weaknesses. Section 4 describes some criteria that tendency for national policy statements on education have been development by two teacher development to emphasise ‘responsibility’ and ‘knowing one’s role’, groups, one working in Geography and a second in the importance of developing an ability to devise and Business Studies. Section 5 illustrates how these crite- evaluate reasoned arguments retains a central place in ria have been used in teaching and illustrates some of accounts of the objectives of citizenship education. the outcomes through extracts from students’ work. These aspirations may fall at the frst hurdle if the Part 6 presents some conclusions. summative assessment tasks set for students do not require them to demonstrate the quality of their argu- 2. Formal schooling and the aim of ments. In the case of Citizenship in England the as- improving the quality of students’ sessment objectives for GCSE examinations suggest a argument very limited role for ‘evaluation’. It is restricted to the One of the key aims of formal schooling is to improve requirement that students should ‘plan and evaluate the quality of students’ arguments. This aim is re- citizenship activities in which they have participated’. flected in the descriptions of levels of performance Moreover, less than half the marks for questions tar- necessary for the award of particular grades in public geted at this assessment objective in one specimen examinations in England. For example, the ability to paper (Edexcel 2001) were awarded for evaluation per evaluate evidence is referred to in the criteria for the se. Other marks are awarded for description and un- award of GCSE examination grades in Business Stud- derstanding of roles. ies and Geography. GCSE grades for Geography are Specifcation aims to promote evaluation are more also to be awarded on the basis of how well students clearly translated into assessment objectives in the are able to ‘understand the effects of values and at- more established subjects of Geography, and Busi- titudes of those involved in geographical issues and ness Studies. This in turn is reflected in the kind of in decision-making about the use and management of questions posed in summative assessments. A typical environments’. The criteria for being awarded a Grade question focused on evaluation in Business Studies C in GCSE Business Studies require candidates to ‘make at GCSE is ‘Discuss whether you believe that Cadbury reasoned judgements and present conclusions that are Schweppes should encourage its employees to develop supported by evidence’. This ability is focused on one skills that are not directly related to their jobs’ (GCSE assessment objective which guides the design of as- Higher Tier, Question 5b AQA Specifcation Business A, sessment tasks. At A level, students in business stud- AQA, 2003). The mark scheme for the question speci- ies to ‘evaluate, distinguish between fact and opinion, fes three levels. At Level 0 judgement is ‘not based on and assess information from a variety of sources’. analysis’ and no marks are awarded. At Level 1 ‘some The ability to develop and evaluate arguments is judgement is offered based on analysis’ and 1-2 marks particularly important to the development of a capac- may be awarded. At Level 2 ‘Good judgement is offered ity for citizenship. This is central to the ‘maximalist’ based on balanced analysis’. The use of qualifers such view of citizenship (McLaughlin 1992, Buck and Inman as some judgement and good judgement offers rather 1995; Davies 2006) which emphasizes the capacity of limited guidance on quality to teachers and students. citizens to play a critical role in the ongoing develop- However, the distinction between judgement that is ment of a state. It is implied by the criteria for the balanced and judgement that is unbalanced gives a award of examination grades at GCSE in England. The stronger indication of what is required. criteria for being awarded a grade A in Citizenship re- This degree of guidance seems insuffcient to enable quire that students ‘discuss, interpret and evaluate a students to demonstrate the quality of argument that variety of different responses demonstrating an ap- is expected by the criteria for the award of grades. In preciation of other points of view. They recognise the a review of the award of marks in examinations for complexity of issues studied, weigh up opinions and Business Studies Forrester (2004) found that students make judgements supported by a range of evidence were much less successful at gaining marks on ‘evalua- and well-developed arguments’. The National Curricu- tion’ tasks than on questions set against other assess- lum for Citizenship in England states that teaching ment objectives. In effect, students achieving a grade of 14-16 year olds should have ‘a growing emphasis C overall were not demonstrating the level of ability on critical awareness and evaluation’ (QCA 1999). in evaluation that was suggested by the grade criteria. One of the stated goals for education in Australia is Staging posts towards higher qualities of argument 95 Peter Davies Journal of Social Science Education Improving the quality of students’ arguments through ‘assessment for learning’ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 94–104

in the subject developed to support assessment for but also in the way that individuals perceive the world learning could also help examiners to draw up mark about which they construct arguments. schemes that more clearly communicate the charac- A second problem in individuals’ informal reason- teristics of quality to teachers and students. ing is a tendency for incomplete ‘situation model- ling’. That is, the way in which individuals construct a 3. Developing a model of variation in the model of the situation they are judging tends to suf- quality of argument fer from incomplete processes. Critically, they do not This section reviews evidence of variation in the qual- tend to pay much attention to developing alternative ity of argument drawn from two bodies of literature. possible outcomes from the same premises or alter- First, psychologists have analysed differences be- native premises for the same outcome (Kuhn 1991). tween ‘informal’ or everyday arguments and formal Higher levels of knowledge about the situation and or academic arguments. Second, sociologists and lan- higher levels of measured IQ appear to have relatively guage specialists have explored the role of ideology, little impact on this modeling weakness (Kuhn 1991, dialogue and genre in argument. This section brings Perkins Faraday and Bushey 1991). together some insights from these two traditions. Stein and Miller (1991) suggest a three stage frame- The arguments that individuals use in their infor- work for the development of argumentative skill which mal ‘everyday’ reasoning tend to rely on ‘plausibility’ we now relate to these two problems. They suggest rather than logic and weight of evidence (Baron, 1988). that the ability to argue begins with the use of oral To some extent we may view this as an effcient use of tactics (which largely consist of threats) to gain one’s personal thinking time in so far, for example, as rely- own way. This immediately casts arguments as lead- ing on the opinion of an ‘expert’ removes the need ing to ‘I win – you lose’ outcomes. They suggest that a to gather evidence and construct arguments oneself. second stage of argument emerges when an individual However, the weaknesses in informal arguments are supports their own viewpoint with reasoning and evi- detrimental to participatory citizenship as well as to dence and begins to move beyond ‘confrmatory bias’ formal academic achievement. by seeking to undermine the strength of evidence Informal arguments have been found to suffer from and reasoning of opposing viewpoints. To do this the two main problems. The frst is ‘confrmatory bias’. student must construct the ‘other person’ with whom This problem is suggested by experimental and sur- they are entering into dialogue, anticipating possible vey evidence. Wason (1966) devised a selection task in counterarguments (Andrews 1993, Mitchell 2001). which participants have to decide which of four cards In a third stage of Stein and Miller’s framework ar- (E, K, 4, 7) they should pick up to test the truth of a guments appeal to accepted social norms of behav- proposition ‘a card with a vowel on one side has an iour and reasoning in order to justify a position. The even number on the other side’. Individuals are more quality of arguments can be judged in terms of the likely to select cards E and 4 when logic suggests they degree to which they follow accepted ground rules should choose E and 7. That is, they choose those cards (Sheeran and Barnes 1991, Mitchell and Mason 2001) which will they think might confrm the statement within a relevant community. For example, Simon et rather than those that might refute it. Perkins and al. (2006) develop a general approach for evaluating colleagues (for example, Perkins Faraday and Bushey the quality of arguments used by students in science 1991) conducted a series of experiments in which they classrooms. However, different academic communi- asked individuals to make a judgement and then to ties have distinctive ground rules for arguments aris- rate their confdence in their judgement and their in- ing from the accepted ideology or ‘way of thinking’ in terest in the issue. Their answers suffered from ‘my that subject and the accepted genres (such as essays, side’ bias in that they offered far more statements in reports etc.) through which arguments are expressed support of their viewpoint than statements that con- (Mitchell 2001). The adequacy of a ‘situational model’ tested their viewpoint. This suggests a way of conceiv- is judged by the extent to which the argument recog- ing argument as ‘trying to win’. As Andrews (1997, p. nises the way of thinking accepted within a subject. 265 observes, ‘Everyday arguments are almost always This analysis provides a basis for strategies to im- adversarial’. This pattern does not seem to be affect- prove the quality of students’ arguments. First, there ed by an individual’s level of formal education. In ad- are strategies to guide the process of students’ for- dition, Davies et al. (2002) report survey evidence on mation of arguments. For example, Baron (1988) the economic thinking of 14-18 year-olds suggesting proposes that students are encouraged to look for that young people tend to imagine that the govern- evidence against the frst idea they think of and to ment policy (more or less taxation, progressiveness consider alternative possibilities. That is, they should of taxation, level of government spending) is broadly be encouraged to adopt processes that counteract the in line with their own preferences. Confrmatory bias instinctive confrmatory bias. They might also be en- acts not only in relation to the process of reasoning couraged to make explicit the audience to which they are presenting their argument and to describe the cri- 96 Peter Davies Journal of Social Science Education Improving the quality of students’ arguments through ‘assessment for learning’ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 94–104

teria that are important to this audience. This leads Each of the two projects followed a similar format to a second strategy. Teachers could model types of using a strategy for assessment for learning (Black argument that students should aspire to. “According and Wiliam 1998). Each teacher development group to Baron, successful teaching must also provide stan- initially focused on the way Davies et al. (2004) de- dards by which particular examples of thinking can veloped and used statements distinguishing between be judged, beliefs about what good thinking is and levels of quality in students’ descriptions and explana- why it is important and, as we have already said – the tions in Geography. This approach is broadly based motivation to think as well.” (Garnham and Oakhill on the tenets of phenomenography, whereby quali- 1994, 276). According to Kuhn (1991) the effective- tatively different conceptions of a phenomenon are ness of these strategies will depend on the degree to identifed through analysis of individuals’ oral or writ- which learners’ are encouraged to reflect on the pro- ten accounts. In the initial phase of work each group cess of their argument construction and the structural identifed dilemmas that might be posed to students. quality of the arguments they present. Felton (2004) These dilemmas were designed to expose the nature provides evidence to support the value of guiding of students’ arguments when responding to issues students’ reflection on the structure of the arguments that fell within the routine demands of the subject they have employed. However, this evidence relates to specifcations for public examinations. For example, oral arguments in which the structure of arguments is one of the dilemmas designed for business students developed through the interplay of statements made asked them to evaluate the merits of two alternative by participants in the argument. The development methods of insulin production in the light of some work reported here focuses on students’ written argu- information about production costs and implications ments in the context of school subjects. for diabetes sufferers. Variation in the quality of students’ arguments was 4. Developing the quality of students’ categorised on the basis of analysis of examples of stu- arguments through assessment for dents’ work arising from these dilemmas. That is, the Learning qualitative differences between students’ arguments During 2002-2004 two groups of teachers developed were identifed through an inductive process using ex- approaches to the development of students’ argu- amples of students’ work in the context of their stud- ments that fall into the category of ‘modelling quali- ies. Members of each group scrutinised the examples ties of argument’. These groups were established of students’ writing, discussed the key qualitative following open invitations to teachers in two local distinctions between them and agreed upon ways of authority areas. Decisions on inclusion in a develop- describing the different levels of quality that were ment group were made on the basis of curriculum found. This process resulted in the distinctions that opportunities and management support that would are presented here in Tables 1 and 2. The language in be available in each school. One group consisted of these tables has been chosen to make them usable by seven Geography teachers funded through the DfES students. The full representations of the tables can be Best Practice Research scheme and the other group found in Davies and Durbin (2004) and Davies (2004). consisted of six teachers of Business Studies funded In both cases the teachers agreed that there were sev- by the Nuffeld Foundation. Each teacher came from a eral aspects to the differences in quality. different secondary school.

Table 1 Criteria for improving arguments in Business Studies Stakeholders Reasons Interdependence

1 Only presents view of one There is a point of view, but no Costs or benefts are not connected stakeholder argument to back it up (like a list) 2 Presents the views of more Gives only one reason to support a The balance between costs and ben- than one stakeholder point of view efts is considered (weighing up) 3 Suggests how the interests of The argument has more than one The effects of everyone’s behaviour different stakeholders can be reason but the reasons contradict on the future balance of costs and brought together each other (don’t add up) benefts is considered (knock-on effects) 4 Considers the advantages The argument has more than one and disadvantages of any one reason but the reasons do not sup- way of getting stakeholders port each other (like a list) to work for the same out- come 97 Peter Davies Journal of Social Science Education Improving the quality of students’ arguments through ‘assessment for learning’ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 94–104

Table 2 Criteria for improving arguments in Geography

Reasons Interests Viewpoints Evidence

1 I give my own opinion My judgement assumes My judgement refers to My judgement includes with a reason for that that everyone will ben- a wider viewpoint a relevant piece of evi- view eft in the same way. dence 2 I make a judgement and My judgement recogn- My judgement recogn- My judgement includes back it up with more ises that people want ises that there may be more than one piece of than one reason different things or will more than one wider evidence be affected in different viewpoint on a problem ways 3 I can see problems in a My judgement assumes My judgement shows My judgement includes reason, because it does that what some people how a criterion is linked pieces of evidence that not work out the same want will be the oppo- to a wider viewpoint. do not all support the in all cases. site of what others want. same argument If some people are bet- ter off others are bound to be worse off. 4 I can describe how the My judgement recogn- My judgement makes My judgement recogn- reasons used in a judge- ises that what different clear how different ises weaknesses in the ment are related to each groups of people want interests are valued by a evidence other may sometimes be in wider viewpoint conflict but sometimes can be achieved together 5 My judgement recog- My judgement weighs nises when and how up the strength of the what different groups evidence. of people want may sometimes be in conflict but sometimes can be achieved together

Tables 1 and 2 each include a criterion for ‘reasons’ ifcations for examinations in Business Studies refer in evaluating the quality of students’ arguments. Al- frequently to stakeholders whilst specifcations for Ge- though the language in the two columns is different ography refer to the identifcation of the values that the suggestion in both is that quality increases as stu- underpin different viewpoints. This may contribute to dents support their assertions with the number and the way in which the Geography group differentiated cohesion of reasons. Interestingly, the Geography cri- between interests and viewpoints whilst the Business teria include a reference to the identifcation of prob- group did not. Thus, although the differences between lems with the reasons that are put forward. This im- the two sets of criteria may reflect no more than the plements the proposal from Baron (1988) noted earlier. differences between these two groups of teachers, it is The Geography criteria also include a separate column consistent with the view that there are subject differ- for use of evidence and here again (at levels 3 and 4) ences in what counts as a good argument. there are references to recognition of problems with Having developed descriptive categories for levels of the evidence. These differences between the criteria quality in students’ work the teachers in the projects developed by the two groups of teachers do not ap- investigated ways of helping students to understand pear to have been precipitated by the national subject the general criteria, assess their own work using these criteria referred to earlier. It may reflect differences categories and aim to improve the quality of their writ- peculiar to these teachers. ing so as to demonstrate the higher levels of argument. However, a further difference between the two The broad approach developed for use across the sub- tables does seem to be related to the subject criteria. ject areas in the project is shown in Table 3. The three Whilst Table 1 (used in the Business Studies lessons) stages in the approach are based on Tharp and Galli- includes one criterion referring to stakeholders, Table more’s (1989) account of the scaffolding process sug- 2 (Geography) refers to interests and viewpoints. Spec- gested by Vygotsky’s Zone of Proximal Development. 98 Peter Davies Journal of Social Science Education Improving the quality of students’ arguments through ‘assessment for learning’ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 94–104

Table 3 Developing Students’ Understanding of Qualities of Arguments

Stage 1 Introducing the statements to the students 1 Provide students with 4 examples of different levels of argument using past students’ work or made up examples. Make these examples relevant to ONE of the free parts of the framework. Make these examples specifc to the topic they have just studied or just about to study. Ask the students to assess these ex- amples. First ask them to identify the best and worst. Then ask them to put the 4 examples in order from best to worst. Discuss in class. 2 Introduce that part of the framework you want the students to focus upon. Show how this is related to the examples they have just assessed. 3 Ask students to assess their own work. This could be their previous, most recent piece of work, or a piece of work they do after you have introduced the framework. Help them to focus on individual sentences rather than leaping to an overall verdict. Discuss examples in whole class. 4 Ask the students to set a target for the level of argument they want to reach in their next price of work.

Stage 2 Supporting the students’ use of the framework as they work on tasks and assess the outcomes 5 Provide students with support for their next task by showing examples of levels in relation to this task. 6 Ask the students to carry out the task aiming to improve the quality of their arguments.

7 Ask students to assess their work, mark their neighbour’s work, compare and discuss grades. Follow with class discussion. 8 Ask students to set a target for their next piece of work

Stage 3 Reducing the level of support for students’ use of the framework 9 Provide students with less support for their next task compared with (5). For example do not use ex- amples of levels in relation to this task. 10 Ask the students to carry out the task aiming to improve the quality of their arguments. (as 6)

11 Ask students to assess their work, mark their neighbour’s work, compare and discuss grades. Follow with class discussion. (as 7) 12 Ask students to set a target for their next piece of work (as 8)

In the frst stage students are assisted to perform be- ity and discussion between students broadly follows yond their independent capacity by teacher direction. the recommendations of Mercer et al. (2004). Students cannot understand the level of quality to The approach adopted in Table 3 is to introduce the aim for without the teacher’s assistance, most likely different levels of quality through examples which through modelling that level of quality in terms of students are asked to evaluate. It is through the pro- the context of the topic that the student is currently cesses of assessing examples of work from others and learning. One challenge for assessment for learning is themselves that students learn to use these descrip- to make quality criteria intelligible and realistically tions of quality in aiming to improve their own work. achievable for students (Black and Wiliam 1998, 54). In the second stage students take over responsibil- At the same time it is important to leave criteria open ity for directing and assisting their learning. A key to debate so that there is room for students to ques- indicator of that a student has progressed to Tharp tion how statements such as those in Tables 1 and 2 and Gallimore’s second stage is their ability to take should be interpreted. This kind of activity is promot- responsibility for their learning by applying ideas ed, for example, in rows 3, 7 and 11 of the procedure appropriately in a range of contexts. Assessment for described in Table 3. In the terms proposed by Alex- learning might record this growing adaptability in ander (2001) there must be creative space for ‘Dialogic terms of a student’s familiarity level (modest and un- Teaching’. This combination of teacher directed activ- even performance on tasks) or an expertise level (con- sistently high performance on tasks) Ruthven (1995). 99 Peter Davies Journal of Social Science Education Improving the quality of students’ arguments through ‘assessment for learning’ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 94–104

In the third stage students’ performance should be ly by the boys. It suggested a line of thinking to be thoroughly internalised and more or less automatic so challenged during the lesson. Conversation between the need for examples is removed. the teacher and the boy suggested that the boy’s re- sponse ‘offer interview because of A*’ reflected a fo- 5. Exemplification cus purely on the interest of the applicant (the GCSE In implementing this approach to improving stu- grade was not referred to in the person specifcation). dents’ arguments teachers began with leading ques- This places the boy’s argument at level 1. The girl tions that they believed captured an issue that would does consider the interests of the applicant (in terms interest students’ interest such as (A) ‘Should of being well qualifed) and the employer (‘is she a information that a woman is planning to have a baby long term investment’) notwithstanding the question be allowed to influence a decision on her application of whether the employer should be permitted to let for a higher graded job?’, (B) ‘Should this company this influence the decision. Thef rst key step in the ap- agree to a 30% increase in pay for its directors?’ and proach is to help students to recognise these distinc- (C) ‘Should the Government ban advertising of sweets tions in qualities of argument. on television?’ This section refers to extracts from three lessons that aimed to helped students to consid- Helping students to recognise er each of these questions. The letters (A)-(C) are used different qualities in arguments to indicate which lesson is being referred to. Each of these lessons focused on column 1 of Table 1: argu- Table 3 Stage 1 presents some strategies for introduc- ments concerning the interests and views of stake- ing students to criteria for different qualities of argu- holders. Evidence was collected during each lesson ment. In Lesson (A) the teacher adopted the strategy through observations of students’ work gathered by depicted in Table 3 Row 3. She introduced the ‘quali- a member of the development group. Through these ties of arguments’ sheet (Table 1) and reminded the observations we hoped to establish a picture of how class that they had looked at this sheet in the previous some of the students were engaging with the process. week. She asked the students to use the sheet to assess The interpretations of this evidence were developed their initial arguments (referred to above). The version through subsequent review meetings. of Table 1 she gave out focused only on Column 1 and it exemplifed each level through arguments about Initial qualities of argument recycling (Davies, 2004). The students had to try to apply the general points to a situation that was quite Before using the approach it is helpful to gather some different from that imagined on the sheet. One boy data on students’ initial qualities of argument and awarded himself a level 2 on the basis that he had ‘ar- to help them to begin to think about the way their guments for and against’. His reason against was that arguments are constructed. The teacher in Lesson (A) ‘it would be unfair to other candidates because she is asked the students to ‘think of as many arguments as an internal candidate’. He had identifed other stake- you can why the person should be invited for inter- holders (candidates from outside the company) so view and why the person should not be invited for in that sense he was sensibly applying the criteria in interview’. Some students responded to this task by Table 1 Column 1. However, the teacher probed his use writing their answers in continuous prose whilst oth- of the word ‘unfair’. The information given to the stu- ers put two columns, one for ‘yes’ and one for ‘no’, One dents suggested there was a risk that the asymmetric boy wrote ‘Karen should get an interview because she information (on internal as opposed to external can- got an A* in Business and Economics’ and went on to didates) might be used to unfairly disadvantage the list all of Karen’s achievement. The person specifca- internal candidate. tion only referred to qualifcation at degree level in The teacher then asked the students to swop their a relevant subject so these earlier achievements are work with person next to them who would also as- not strictly relevant. One girl wrote ‘they should in- sess their work. Some of the girls seemed more gener- vite Karen to interview because she is well qualifed ous in marking their partners’ work than in marking (no specifc reference to the degree)… but if they want their own, but in general they tended to agree with someone to work for a long time they should not con- each other. For example, two girls had each given sider Karen as she is planning to have a baby’. their partner a grade ‘4’, but had only awarded a ‘2’ to One interpretation of these two examples we can see themselves. Their self-assessment was more accurate that the boy is displaying the ‘confrmatory bias’ re- than their assessment of each other and the teacher ferred to earlier, whilst the girl also presents an argu- concentrated on the difference between answers at ment against her preferred option. It was quite strik- levels 2 and 3. The difference required for a level 3 was ing to fnd this opinion (that ‘planning to have a baby’ a suggestion of how the conflicting interests could be should be taken into account in some circumstances) resolved. The teacher drew the students’ attention to was aired by a signifcant number of the girls, but rare- this difference. This led to a conversation in which the 100 Peter Davies Journal of Social Science Education Improving the quality of students’ arguments through ‘assessment for learning’ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 94–104

girls suggested making the job part-time as a possible exemplar arguments presented in Table 4 and asked resolution. to work in pairs to decide which of the four arguments In Lesson (B) the teacher concentrated on the strat- was best. egy depicted in Table 3 Row 1 Students were given the

Table 4 Alternative arguments about an increase in director’s pay A B Paying all workers partly through shares might Stopping directors getting big pay rises might make them feel better when directors beneft mean they leave the company which could be bad from share ownership. So this could be a way of for business. But if they do get a big pay rise all keeping directors and workers happy at the same the other workers might protest if they get much time. But directors will beneft more because they less. If all the workers got paid partly through get more pay which they can vote for themselves shares they could have a share of the profts too. and it is bad for the country if directors get paid huge amounts when the business is not doing well.

C D It would be unfair to pay the directors 50% more The shareholders might want to pay the directors because the workers are getting only a small pay an extra 50% because profts have risen and they increase and they work just as hard. When the want the directors to stay with the company and business does well it is just as much due to the not be tempted to go to a better paid job in ano- workers as the directors. Workers have a right to ther company. But the workers might be unhappy high pay increases any time that a director gets a because they are not getting such a big rise. high pay increase.

The four arguments in Table 4 were written to focus their arguments from levels 2 to 3 in Column 1. To on the ‘stakeholders’ column in Table 1. Argument that end the teacher led a class discussion to gener- A corresponds to Level 4 because it suggests recog- ate some possible ways in which the interests of the nition of how the interests of stakeholders could be company and the general welfare of the population brought together yet goes on to point out problems might be met. Once a list of possibilities had been with the solution. Argument B corresponds to level developed he asked students to decide on their pre- 3 in Table 1 because a possible resolution (giving all ferred option and to present their review of the argu- workers a shareholding) is suggested. Argument 3 cor- ments. Two students chose ‘research into low sugar responds to Level 1 because only the viewpoints of chocolates’ as a good option because ‘it has long-run workers are presented. Argument D corresponds to benefts for the company in protecting market share’. Level 2 because the views of different stakeholders This argument leaves the interests of consumers inex- are considered. plicit. We might assume that it is in consumers’ inter- ests to have healthier sweets, but they might also pre- Strategies to help students to focus on improving their ar- fer the taste of sugar-rich sweets. That is, we can see guments from one level to the next again the tendency only to state arguments in sup- port of a contention even when conflicting interests To some extent the careful framing of the initial ques- are being considered. However, we can begin to see tion appeared to stimulate students’ thinking such a better ‘situational model’ emerging in the students’ that that they began to work towards the higher lev- reference to the company’s long-run interests. els of reasoning. For example, in the initial stages of There are also appeared to be a difference in the lesson (C) (on whether advertising of sweets on tele- quality of situational modelling in a comparison of vision should be banned) one student asked about two students’ arguments about the merits of resolv- ‘health warnings’ on chocolates. She asked ‘Why do ing stakeholder interests on sweets by a rise in VAT. Cadbury’s put these warnings on if they want people One student preferred government health warnings to buy as much chocolate as possible?’ The same stu- to an increase in VAT because ‘people would not want dent later asked ‘Do you think that the health warning to pay more’ (she did not consider the cost of adver- adverts work?’ tising and therefore did not consider the real cost However, the main strategy adopted in this lesson in terms of resources). Another student preferred a was to focus on trying to help students to improve strategy of putting VAT on sweets on the basis that 101 Peter Davies Journal of Social Science Education Improving the quality of students’ arguments through ‘assessment for learning’ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 94–104

‘higher prices would reduce demand and frms would sequential or parallel. Is the development of a concep- lose money so they would want to change to produce tion of argument as dialogue a necessary precursor more healthy stuff’. The second student appears to to the development of a conception of argument as advance a more complex line of reasoning (Column 2 following accepted forms of reasoning in a commu- in Table 1) in support of their viewpoint. nity? In so far as the latter entails an appreciation of underlying ideology and a realisation that one is 6. Discussion using ‘a form of reasoning accepted by a community’ This section addresses three questions: Are the stag- this may well be so. But for most secondary school ing posts (Tables 1 and 2) developed by these teach- students at least up to the age of 16 this degree of self ers consistent with the model of quality in arguments awareness may be beyond their scope. Nevertheless presented in Section Three? Is there variation be- they can begin to use forms of argument that might tween the subjects? Could Tables 1 and 2 be useful in be judged as ‘better’ if using some explicit criteria as summative assessment? reference points. The distinction between Stages One and Two in In answer to the second question it looks as if the Stein and Miller’s (1991) model focuses on developing secondary school subjects included in this study (Busi- a conception of argument as dialogue with another ness and Geography) encourage the development of who may see things differently (moving on from con- aspects of generalised academic argument with dif- frmatory bias). This is represented in Table 1 by the ferent degrees of emphasis. The attention to evidence column headed ‘Stakeholders’ and in Table 2 by the was important to this group of Geography teachers columns headed ‘Interests’ and ‘Viewpoints’. In each but not to the teachers of Business. In addition, the Table the movement from rows 1 to 2 is characterised teachers of Business seemed to be more concerned by recognition of alternative interests or viewpoints. that students developed arguments that reflected a However, subsequent rows (e.g. row 4 in the Stake- particular way of thinking in their subject (the ‘In- holders column of Table 1) suggest greater levels of terdependence’ column in Table 1). The Geography sophistication within ‘balanced argument’ as repre- teachers also distinguished between viewpoints and sented by the dialogue conception. That is, teachers interests in a way that was missing from the work of felt able to identify more fne grained differences that the Business teachers. So it appears that there is varia- they subsequently found useful in supporting stu- tion between these secondary school subjects that dents’ learning. can still be regarded as rooted in a general model of The other columns (‘Reasons’ and ‘Interdepen- the qualities of academic argument. dence’ in Table 1 and ‘Reasons’ and ‘Evidence’ in Table Tables 1 and 2 have some potential for informing 2) broadly correspond to the move from Stage 2 to summative assessment. The column headings might Stage 3 in Stein and Miller’s model (developing a bet- be useful in the design of assessment objectives and ter situational model). The ‘Reasons’ columns in the grade criteria. Interestingly, the criterion for the Tables are broadly similar to each other and also to the award of Grade C in Business Studies cited earlier re- distinctions proposed by the SOLO Taxonomy (Biggs fers to the ability of candidates to ‘make reasoned and Collis, 1991)1. Together with the evidence column judgements and present conclusions that are sup- in Table 2 they provide one articulation of the general ported by evidence’ yet neither Table 1 nor the mark qualities expected of academic argument and they scheme cited in Section 2 refer to evidence. Table 1 may be seen as an interpretation of what it means for suggests that the criterion for the Award of a Grade C secondary school students to move from Stage 2 to in Business Studies might helpfully refer to apprecia- Stage 3 of Stein and Glenn’s model. As with the other tion of the interests of different stakeholders, the rea- columns the ‘Reasons’ and ‘Evidence’ columns provide sons offered and the appreciation in the argument of a more fne grained distinction. This makes it more a degree of interdependence within the economy and practicable for teachers and students to identify an between businesses. The rows in the two Tables could achievable next step that each learner can attempt. also inform the writing of mark schemes so that they This comparison between the model presented in offer more guidance to teachers and students than Section 3 and the ones presented in Tables 1 and 2 general references to ‘some judgement’ and ‘good prompts the question of whether it is more appropri- judgement’ (as cited in Section 2). ate to regard the Stages in Stein and Glen’s model as 7. Conclusion 1 Biggs and Collis developed a taxonomy of ‘Observed Learning Literature from different disciplinary bases supports Outcomes’ which has been widely used in differentiating be- a view that higher qualities of argument are charac- tween higher and lower qualities of learning outcome. Working terised by conceptions of argument as ‘dialogue’ (not within a ‘Neo-Piagetian’ framework they suggested that ex- suffering from confrmatory bias) and ‘playing by the planations can be graded according to the complexity of their structure: taking account of one factor, multiple factors, show- ground rules of a community’ (the whole academic ing relationships between multiple factors etc. community or a disciplinary community). This paper 102 Peter Davies Journal of Social Science Education Improving the quality of students’ arguments through ‘assessment for learning’ Volume 8, Number 2, 2009, pp. 94–104

has described an approach to improving the qual- ther analysis of the validity and stability of the dis- ity of students’ arguments within secondary school tinctions suggested in the Tables and extent to which subjects that is underpinned by this analysis of qual- achievements described in one column should be re- ity in arguments. The strategies to support students’ garded as similar in level to achievements described in learning provide more fne grained staging posts that another. Nevertheless, the openness of these tools to teachers and students can use to guide their efforts to debate – as to what they mean and whether the way produce better arguments. As such this is an example they try to distinguish between different qualities of of ‘assessment for learning’ (Black and Wiliam 1998) to argument – is central to their usefulness. The effec- lead to improvements in levels of attainment. The ap- tiveness of these tools in supporting learning rests on proach to assessment for learning described here aims their capacity to provoke rather than suppress debate to fll the gap between the insights developed by the- about quality. orists and the strategies that teachers feel equipped to use in the classroom. Acknowledgements The specifc tools (Tables 1 and 2) that have been de- Thanks are due to the Nuffeld Foundation and the veloped for this purpose are very provisional. Whilst Department for Education and Skills (England) who they have been developed through comparative analy- funded this development work. Thanks are also due sis of students’ writing they are at best useful starting to Luke Baker, John Barker, Debra Holland, Jane Kelly, points for this kind of work. Subsequent analysis will David Martin, Jayne Stoney, Helen Thomas, and Jenny doubtless reveal ways in which they could be made Waite for their help in developing the ideas. more frit for purpose. There is plenty of scope for fur-

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104 Journal of Social Science Education © JSSE 2009 Volume 8, Number 2, 2009, pp. 105–123 ISSN 1618-5293

Anselm Cypionka, Heike Hornbruch, Waltraud Kallenbach Stand, Probleme, Perspektiven der Ausbildung im Fachseminar SoWi

Abstract Über Stand, Probleme und Perspektiven der Ausbildung im Fachseminar Sozialwissenschaften (Wirtschaft und Politik etc.) in der Zweiten Phase der Lehrerausbildung in den 16 Bundesländern gibt es keinen vergleichenden und aktuellen Überblick. Das folgende Gespräch versucht diesem Defzit ansatzweise entgegenzuwirken, indem Fachleiter aus drei Bundesländern (Hessen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen) die Situation in ihrem Fachseminar und Arbeitsfeld darstellen und bewerten. Die Informationen und Statements wurden online eingeholt. Die Stel- lungnahmen wurden untereinander ausgetauscht und gelesen; es wurde aber darauf verzichtet, die einzelnen Positionen untereinander zu kommentieren, da dies die Situation eines natürlichen Gruppeninterviews vor Ort erfordert hätte. Schon ein Blick auf die Tabelle am Ende des Gesprächs zeigt Unterschiede in den Bezeichnun- gen und der Organisation im Detail auf. Auf der inhaltlichen Ebene zeigen sich aber gemeinsame Probleme, die Berufsanfänger auf dem Weg der Professionalisierung zu bewältigen haben. Das Gespräch soll systematische Bestandsaufnahme und Forschung zur Fachausbildung SoWi im Referendariat anregen.

There is no comparative and current overview regarding conditions, problems and perspectives of teacher training in the subject orientated course for student teachers (Fachseminar) prior to second state examination (Staatsexamen) in the feld of social sciences (civics, economics and politics etc.). Conditions among the 16 Federal states of differ in detail. The following discussion tries to work against this defcit basically, as specialized leaders from three Federal states (Hessen, North Rhine-Westphalia, ) represent and evalu- ate the situation in their feld of work. The information and statements were caught up on-line. The statements were exchanged among themselves but not commentated since this would have required the situation of a natural group interview. The table at the end points out signifciant differences in the designations and the organization in the detail. On the other hand there seems to be shared/common problems, which novices have to master on their way of professionalization. The discussion aims at fostering systematic documentation and research for subjet orientated social science teacher training in the Referendariat.

Keywords Fachleiter, Referendariat, Zweites Staatsexamen (Lehr- amt), Kernpraktikum, Praxissemester, Berufseingangs- phase, Sozialwissenschaften

105 Anselm Cypionka, Heike Hornbruch, Waltraud Kallenbach Journal of Social Science Education Stand, Probleme, Perspektiven der Ausbildung im Fachseminar SoWi Volume 8, Number 2, 2009, pp. 105–123

Wie sind Sie in Ihre Rolle als Seminarleiter (und Fachlehrer) hineingewachsen?

Anselm Cypionka Als ich 1996 das Angebot bekam, in der Lehreraus- Fachleiter Sozialkunde an Gymnasien, bildung tätig zu werden, hat es mich sehr gereizt, am Studienseminar Gera, Außenstelle Jena Aufbau von Grundlagen politischer Bildung mitwirken zu können. Meinungsbildung in politischen Fragen ist Während meiner Referendarzeit Ende der achtziger dabei ein zentrales Anliegen meiner Tätigkeit als Fach- Jahre hätte ich mir nicht vorstellen können, Fachleiter leiter. Schüler zu mündigen Bürgern zu erziehen, die zu werden. Schon die Einstellungsbedingungen für in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik Verantwortung Lehrer mit der Fächerkombination Sozialwissenschaf- übernehmen, kann vor allem durch gut qualifzierte ten und Geschichte waren damals denkbar schlecht. (Politik-) Lehrer erreicht werden. Auch fast zwanzig Durch ein Aufbaustudium Informationsverarbeitung Jahre nach der Wende ist dies aktuell. Laut jährlich und ihre Didaktik schuf ich mir eine Grundlage, um zu- erscheinendem Thüringen Monitor http://www.thu- nächst in der Wirtschaft im Bereich der Softwareent- eringen.de/de/politisch/tm/ ist nur ein gutes Drittel wicklung arbeiten zu können. Parallel habe ich mich von 1000 befragten Thüringern mit der Demokratie bundesweit beworben und 1993 eine Stelle an einem als Idee und als Herrschaftspraxis zufrieden; zugleich Gymnasium in Neustadt/Orla in Thüringen angenom- wächst die Anzahl der Antidemokraten seit 2001 kon- men. tinuierlich. Hier zeigt sich ein weiterer wichtiger Tä- Eine Episode zu Beginn meiner Tätigkeit in Thürin- tigkeitsbereich, die Vermittlung der Grundlagen des gen ist kennzeichnend für die schwierigen Anfangsbe- politischen Systems in Theorie und Praxis. dingungen politischer Bildung in den neuen Bundes- Seit acht Jahren arbeite ich zusätzlich zu meiner ländern nach der Wende. Anlässlich einer Vorstellung Lehrer- und Fachleitertätigkeit an der Friedrich-Schil- eines neuen Sozialkundeschulbuches ist mir die Frage ler-Universität Jena in der Projektwerkstatt „Fächer- einer Lehrerin an den Autor auch heute noch präsent: übergreifender Unterricht in der politischen Bildung“. „Sie stellen in Ihrem Schulbuch die Frage: Wie viel Diese Verbindung von Theorie und Praxis erlebe ich Wirtschaftswachstum können wir uns noch leisten? sowohl in der Lehrer- wie auch in der Fachleiterrolle Ich habe Ihre Lösungshinweise genau gelesen, aber als sehr gewinnbringend. Wenn auch Aufgaben in sie geben überhaupt gar keine Antwort auf die Frage. drei unterschiedlichen Arbeitsbereichen bisweilen Wie viel Prozent Wirtschaftswachstum können wir uns anstrengend sind, die Arbeit mit jungen Menschen, denn jetzt noch leisten?“ Der Umgang mit offenen po- die Politiklehrer werden wollen, gerade auch in der litischen Fragestellungen war für Schüler und Lehrer ersten Phase der Lehrerausbildung, bereitet mir sehr ungewohnt. viel Freude.

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Wie sind Sie in Ihre Rolle als Seminarleiter (und Fachlehrer) hineingewachsen?

Dr. Heike Hornbruch In meiner Zeit an der Schule habe ich sehr von „wis- Studienseminar NRW, Fl SoWi, senschaftlichen Kontakten“ proftiert: Von 1993 bis Gymnasien und Gesamtschulen 1995 habe ich als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem Forschungsprojekt mitgearbeitet, in dessen Zu- „Ich sage dir, was du wählen sollst“ (augenzwinkern- sammenhang auch meine Promotion entstanden ist. des Zitat von meinem Vater, als ich 18 Jahre alt wurde) Entgegen meiner späteren Schwerpunktsetzung im ist noch immer der Ausgangspunkt meiner jetzigen Fach Sozialwissenschaften habe ich mich in dieser Zeit Tätigkeit als Fachleiterin in der Ausbildung für das mit sprachgeschichtlichen Forschungen beschäftigt. Fach Sozialwissenschaften/Politik/Wirtschaft. Dass Schwerpunkte waren die Onomastik (Namenkunde) ich nach dem Abitur als Lehrling bei einer Bank be- und das Althochdeutsche. Dieser wissenschaftliche gann, ist von außen gesehen ein Bruch in meiner Bio- „Exkurs“ (Deonomastika) in eine ganz andere Richtung grafe. Aber gerade in diesem Bereich habe ich meine war interessant und etwas völlig anderes als Schule. politische „Mündigkeit“ als besonders eingeschränkt Um meinen Blick für meine berufliche Zukunft zu wei- erlebt und ausgehend von diesen Erfahrungen das ten, war er aber sinnvoll. Danach war klar, dass ich un- Lehramt für Sozialwissenschaften (und Deutsch) stu- bedingt in die Schule möchte. diert: Nicht um zu sagen, wer was wählen soll, son- Auch nach der Promotion habe ich Kontakte zur dern um Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten zu Wissenschaft gehalten, die dann aber im pädagogi- eröffnen, den Weg politischer Mündigkeit selbst be- schen Bereich angesiedelt waren: Im Zusammenhang stimmt zu bestreiten. Im Referendariat habe ich dann mit meiner Zeit als Berufsanfängerin ist z.B. in Zusam- die Freiheiten erlebt, die mein Fach dafür ermöglicht, menarbeit mit Prof. Dr. Meinert A. Meyer ein „Shado- und wahrgenommen, dass die Freiheiten häufg nicht wing Heike“ entstanden, das eine Arbeitswoche do- wahrgenommen wurden. kumentiert, daneben habe ich weitere Aufsätze und Der folgende Berufsalltag als Lehrerin war durch Rezensionen sowie Unterrichtskonzepte für das Fach das Herumexperimentieren mit sozialwissenschaftli- Sozialwissenschaften veröffentlicht. Zur Zeit arbeite chen Arrangements bestimmt, die politische Kommu- ich als Moderatorin an den Sommerakademien für Stu- nikation und freies politisches Denken ermöglichen dienreferendarinnen und Studienreferendare mit, die sollten. Dazu gehörte von Anfang an die Auseinander- jährlich von der Hans-Trappen-Stiftung http://www. setzung mit Referendarinnen und Referendaren, die trappen-stiftung.de/ für das Fach Sozialwissenschaf- ich auch als Ausbildungskoordinatorin sechs Jahre ten angeboten werden. Zweijährlich entstehen daraus lang begleiten konnte, ebenso meine kontinuierliche fachdidaktische Publikationen http://www.oekono- Tätigkeit als Moderatorin in der Lehrerfortbildung, mie-im-unterricht.de/publikationen/index.php, in u.a. für Schulentwicklung und für das Fach Deutsch denen die bei der Sommerakademie veranstalteten bei der Bezirksregierung Köln. Hinzu kamen die Her- Workshops einer breiteren Sozialwissenschaften-Fach- ausforderungen des damaligen dezentralen Abiturs in schaft zugänglich gemacht werden. Nordrhein-Westfalen, in das ich für das Fach Sozialwis- Seit 2004 arbeite ich nun als Fachseminarleiterin für senschaften in jedem Jahr mit mehreren Kursen Sozi- Sozialwissenschaften, dabei entdecken wir weiterhin alwissenschaften eingebunden war. Bei meiner dann „blinde“ Flecken in der Unterrichtspraxis und in der folgenden Tätigkeit als Fachberaterin für das Fach So- Fachdidaktik: Wie ermögliche ich den Schülerinnen zialwissenschaften bei der Bezirksregierung Köln fand und Schülern die größtmögliche Chance zur fundier- ich einige „Gleichgesinnte“, die sehr interessiert an ten politisch-ökonomischen Urteilsbildung? der Entwicklung des Fachs waren und sind. 107 Anselm Cypionka, Heike Hornbruch, Waltraud Kallenbach Journal of Social Science Education Stand, Probleme, Perspektiven der Ausbildung im Fachseminar SoWi Volume 8, Number 2, 2009, pp. 105–123

Wie sind Sie in Ihre Rolle als Seminarleiter (und Fachlehrer) hineingewachsen?

Arnoldshain, haben zu meiner fachlichen und persönli- chen Weiterentwicklung beigetragen. Seit dem Jahr 2000 bin ich als Ausbilderin für das Fach „Politik und Wirtschaft“ (früher „Sozialkunde“) am Studienseminar für Gymnasien in Frankfurt tätig. Qualifziert für die Arbeit in der Lehrerausbildung wurde ich vom (späteren) Amt für Lehrerbildung (AfL) in einer Reihe von insgesamt zehn ganztätigen Fort- bildungen und durch meine Mitarbeit an der Seminar- entwicklung unseres Studienseminars. Fachdidaktisch habe ich mich vor allem mithilfe von Zeitschriften zur politischen Bildung und der Lektüre der einschlägigen Fachliteratur z.B. der Bundeszentrale für politische Bil- dung weitergebildet. Darüber hinaus nehme ich regel- mäßig Tagungsangebote, z.B. der Bundeszentrale oder des Bundesarbeitskreises der Ausbilderinnen und Aus- bilder (BAK), wahr. Seit einigen Jahren arbeite ich in den vom AfL drei- mal jährlich einberufenen „Landesweiten Modulkon- Waltraud Kallenbach ferenzen“ und dem einmal im Jahr stattfndenden Fachleiterin für das Fach Politik und Wirtschaft, „Lehrerbildungsforum für Politik und Wirtschaft“ ge- Studienseminar für Gymnasien in Frankfurt/Main meinsam mit meinen hessischen Kolleginnen und Kol- legen (teilweise federführend) an der Weiterentwick- Fachleiterin wollte ich eigentlich nie werden. Mein ei- lung der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern im genes Referendariat fel in eine Zeit (1981/82), in der Fach Politik und Wirtschaft. Seit einem Jahr besteht über lange Jahre keine Lehrerinnen und Lehrer für mei- ein Kooperationsvertrag zwischen der „Didaktik der ne beiden Fächer Sozialkunde und Deutsch mehr ein- Sozialwissenschaften und der Politik“ an der Universi- gestellt werden sollten. Allenfalls mit einer sehr guten tät Frankfurt und dem Studienseminar für Gymnasien Note gab es noch den Hauch einer Chance, den Beruf in Frankfurt. Wir wollen gezielter an der Vernetzung einmal ausüben zu können. Das hat einen enormen der beiden Ausbildungsphasen arbeiten. In diesem Druck ausgeübt. Rahmen wurde die Durchführung einer Unterrichtsein- In den späten 90er Jahren habe ich dann als Men- heit von acht Stunden auf Video aufgezeichnet. Die- torin viel mit Referendarinnen und Referendaren zu- ses Datenmaterial kann im Rahmen einer Kooperation sammengearbeitet. Es hat mir große Freude gemacht, zwischen erster und zweiter Phase der fachbezogenen im Team gute Stunden zu konzipieren. Kriterien für Lehrerbildung genutzt werden, um auf der Basis der „guten Unterricht“ hatte ich, neben der eigenen lang- transkribierten Stunden den Austausch und die Ver- jährigen Unterrichtspraxis, durch die Teilnahme unse- ständigung über die jeweilige Praxis und die Konzepte rer Schule an einem Modellversuch zur Schul- und Un- der beiden Ausbildungsphasen in Gang zu setzen. terrichtsentwicklung gewonnen. Als meine eigenen Meine Arbeit als Ausbilderin schätze ich sehr, auch Fachleiter das Pensionsalter erreicht hatten, wurde ich wenn ich einige Veränderungen der letzten Jahre pro- für die Ausbildung geworben. Noch heute bin ich der blematisch fnde. Sie ermöglicht es mir, die vielen damaligen Referendarin dankbar, die mich damals ge- innovativen Impulse, die ich selbst erfahren habe, gen meine eigenen Bedenken immer wieder bestärkt gemeinsam mit den angehenden Lehrerinnen und hat, dass dies die richtige Aufgabe für mich sei. Lehrern umzusetzen. Mit meiner Funktion in der Leh- Vom Anbeginn meiner Arbeit als Lehrerin fand ich rerausbildung arbeite ich ganz bewusst an einer der die Entwicklung von Schule und Unterricht interes- Schlüsselstellen zur Entwicklung von Schule und Un- sant und wichtig. Darüber hinaus war ich während terricht. Die Leidenschaft für das Fach und den Gegen- meiner gesamten Unterrichtstätigkeit - erst an einer stand sowie die Notwendigkeit der ständigen fachli- Integrierten Gesamtschule und später dann an einem chen und didaktischen Weiterentwicklung motivieren Gymnasium - Verbindungslehrerin und habe diese Tä- mich ebenso stark wie die intensive und interessante tigkeit immer auch als große Chance für die Schulent- Arbeit mit den jungen Kolleginnen und Kollegen. wicklung und die politische Bildung der Schülerinnen und Schüler begriffen. Fortbildungen und Tagungen, darunter viele Angebote der Evangelischen Akademie 108 Anselm Cypionka, Heike Hornbruch, Waltraud Kallenbach Journal of Social Science Education Stand, Probleme, Perspektiven der Ausbildung im Fachseminar SoWi Volume 8, Number 2, 2009, pp. 105–123

1. Wie nehmen Sie die Vorbildung wahr, eine deutliche Steigerung der Politikerlehrerkompe- mit der Studienreferendare heute in ihr tenzen feststellbar. Positiv für die Ausbildung deute Fachseminar kommen? ich den Aspekt, dass ich selber in der ersten Phase der Wo sehen Sie Chancen, wo Grenzen der Lehrerausbildung mitwirke. Ich bin gut darüber in- universitären Lehrerausbildung? formiert, was in der ersten Phase vermittelt wird und Cypionka: Eine komplette Lehrerausbildung kann die kann im Fachseminar oftmals nahtlos daran anknüp- Universität nicht leisten. Lehrer-werden ist ein Prozess fen. Eine ganze Reihe von Anwärtern haben bis heute der eigenen Erfahrung in der Unterrichtspraxis, der Seminare, (schulpraktische) Übungen oder die erste auch nach dem Referendariat noch weitergehen muss. Staatsprüfung in Politikdidaktik bei mir absolviert. Befähigung zum Unterrichten erhält der Studienrefe- Fachdidaktische und fachwissenschaftliche Kom- rendar mit der erfolgreichen Beendigung seiner Aus- petenzen kann man schlecht von einander trennen. bildung, aber so, wie der Führerschein lediglich zum „Guter“ Politikunterricht setzt eine tiefgründige fach- Fahren berechtigt, bringt die fortwährende Praxis so- wissenschaftliche Analyse und eine sinnvolle politik- wohl den Fahranfänger als auch den frischgebackenen didaktische Umsetzung voraus. Lehrer in seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten weiter. Hornbruch: Im Fach Sozialwissenschaften haben die In Anlehnung an Deichmann sollte ein „fähiger“ meisten Auszubildenden eine „inselhafte“ fachliche Lehrer folgende sechs Kompetenzen besitzen: Ausbildung, was unmittelbar mit dem Studiengang – Politologe, der Politik interpretieren kann (wissen- „Sozialwissenschaften“ zusammen hängt. An den mei- schaftliche Sachkompetenz) sten Universitäten in NRW studieren die Lehramtskan- – Politologe/Sozialkundelehrer, der den Unterricht didaten in drei verschiedenen Fakultäten, die nicht pri- planen kann (Planungskompetenz) mär die Lehrerausbildung, sondern Volkswirtschaftler, – Lehrer, der den Unterricht organisieren und durch- Betriebswirtschaftler, Soziologen und Politologen als führen kann (Methodenkompetenz) Zielgruppe im Blick haben. Zudem gibt es bisher meist – Lehrer, der Schüler fördern und beurteilen kann nur wenige Seminare in Fachdidaktik, in denen sich die (Diagnosekompetenz) meisten Studierenden des Fachs Sozialwissenschaften/ – Politologe/Lehrer, der mit außerunterrichtlichen Politik/Wirtschaft zum ersten Mal sehen bzw. vonein- Aktivitäten die demokratische Schulkultur fördern ander wissen. Ausnahmen��������������������������������������� sind die Universitäten Biele- und stabilisieren kann (Innovationskompetenz) feld, Bochum und Münster mit einem ausgeprägteren – Kollege, der seine eigenen unterrichtlichen und Lehramtsstudium für SW. Die fachdidaktischen Anteile außerunterrichtlichen Aktivitäten und diejenigen des Studiums waren bei den meisten Auszubildenden seiner Kollegen (mit diesen) evaluieren kann (Eva- bisher gering, so dass ich am Fachseminar in der Regel luationskompetenz) bei „0“ beginne. Diese Probleme entstehen vermutlich – Lehrer, der durch die Wahrnehmung von Fortbil- auch dann, wenn sich Universitäten nicht als Lehrer- dungsmaßnahmen neuere politikwissenschaftliche ausbildungszentren verstehen, die einen festen Platz und politikdidaktisch-methodische Entwicklungen im Gefüge der Fachbereiche erhalten müssten. Wenn zur Kenntnis nehmen und in die eigene Konzeption Lehrerausbildungszentren an Universitäten vorhanden einbinden kann (Selbstkompetenz)1 sind, ist – so meine Beobachtung – das Ansehen nicht Gut ausbilden kann die Uni die wissenschaftliche immer sehr hoch. Wenn Fachdidaktiker/Fachdidaktike- Sachkompetenz, die Planungs- und eventuell noch die rinnen für das Fach Sozialwissenschaften vorhanden Selbstkompetenz. Die anderen Kompetenzen können sind, sind diese zusätzlich häufg sehr einseitig und am besten an die Schulpraxis anknüpfend entwickelt gerade nicht multiperspektivisch ausgerichtet. und trainiert werden. Für die Zukunft wäre schon viel gewonnen, wenn Die Ausbildung der einzelnen Kompetenzen bei das fachliche und fachdidaktische Studium schon einzelnen Lehramtsanwärtern ist individuell ganz un- kompetenzorientiert auf das Schulfach bezogen wäre. terschiedlich ausgeprägt und hängt einerseits von der Dies könnte z.B. bedeuten, dass praktische Vorhaben Leistungsfähigkeit, aber auch von der Universität und zur Politischen Urteilsbildung erprobt und exempla- der jeweiligen Politikdidaktik ab. risch an „Problemen/Inhaltsfeldern“ entfaltet werden Die meisten Lehramtsanwärter meiner Fachsemina- könnten (als Pflichtmodule im Studium). Dabei bin ich re stammen von der Friedrich-Schiller- Universität in mir bewusst, dass die Universität im Spannungsver- Jena. Mitte der 90er Jahre kamen diese mit einer sehr hältnis zwischen „Systematik“ und „Freiheit“ agiert. geringen fachdidaktischen Vorbildung an das Studien- Ob daran das neue Lehrerausbildungsgesetz in NRW seminar. Erst Mitte der 90er Jahre wurde eine Profes- (verabschiedet im Mai 2009) etwas ändern wird, muss sur für Politikdidaktik in Jena eingerichtet, seitdem ist sich zeigen. Wenn allerdings das Referendariat wie geplant auf ein Jahr verkürzt wird (2015) und sich im Studiengang wenig ändert, wird es fatale Folgen für 1 Deichmann, Carl. 2006. Standards für die Lehrerausbildung in der ersten und zweiten Ausbildungsphase für das Fach Sozial- das Fach SW/PK/WI haben. kunde in Thüringen. Jena: Zentrum für Didaktik. 109 Anselm Cypionka, Heike Hornbruch, Waltraud Kallenbach Journal of Social Science Education Stand, Probleme, Perspektiven der Ausbildung im Fachseminar SoWi Volume 8, Number 2, 2009, pp. 105–123

Kallenbach: Manche Referendare haben gute fach- Welche Rolle spielt die Fächerkombination? wissenschaftliche und fachdidaktische Vorkenntnisse. Cypionka: Als entscheidend empfnde ich die Einstel- Ich habe noch nicht herausgefunden, worin die teils lung zum Fach. ��������������������������������������Will ein Referendar Politiklehrer wer- erheblichen Qualitätsunterschiede begründet sind. den oder sieht er Sozialkunde als vermeintlich „leich- Vielleicht liegt es daran, wie stark sich der Referendar/ te“ Ergänzung zu seinem ersten Fach? Aus der letzten die Referendarin mit seinem Fach und dem Berufs- Einstellung heraus sind häufger fachwissenschaftli- wunsch „LehrerIn“ identifziert und sich dementspre- che und fachdidaktische Reserven feststellbar. chend engagiert. Hornbruch: Mir fällt auf, dass viele Referendare das Fach Sozialwissenschaften als Schulfach wie jedes an- 2. Gibt es bestimmte “Typen” von SoWi- dere wahrnehmen. Die Ausbildung „einer“ Identität Referendaren? Wodurch zeichnen sich als „Politiklehrerin/Politiklehrer“ ist daher eine zentra- diese aus (Potentiale)? le Aufgabe im Referendariat. Cypionka: Ein Grundsatz unseres Gesamtseminars Kallenbach: Auffällig ist vielleicht, dass es heutzuta- ist die Individualität: Das soll bedeuten, dass alle an ge vielfältigere Fächerkombinationen gibt. Ich habe Ausbildung Beteiligten anerkennen, dass sowohl Men- in letzter Zeit vergleichsweise viele ReferendarInnen schen hochgradig individuelle und unverwechselbare mit der Kombination Mathematik oder Fremdspra- subjektive Voraussetzungen, Verhaltensmuster und chen ausgebildet. Ich vermute, dass das zweite Fach „Unterrichtstheorien“ besitzen. ���������������������An diesen sollen Aus- nicht unerheblichen Einfluss auf die Art der Herange- bildungsangebote ansetzen und den individuellen hensweise an die Gegenstände des Faches „Politik und Entwicklungsbedürfnissen Rechnung tragen. Vielfalt Wirtschaft“ hat. Plakativ und überspitzt gesagt, je soll dabei unterstützt und nicht nivelliert werden. Mit eindeutiger und klarer die Struktur und die Vorgaben Typenbildung habe ich also meine Schwierigkeiten. des anderen Faches erscheinen (Fremdsprachen, Ma- Kallenbach: Diese Frage ist schwer zu beantworten, thematik, Naturwissenschaften, Sport), umso stärker weil die Referendare sehr unterschiedlich sind. Man- ist auch das Bestreben, den eigenen PoWi-Unterricht che erfolgreiche Referendare sind politisch oder sozial „handfest“ zu gestalten: Die Schülerinnen und Schü- tätig oder haben bereits Erfahrungen in der (ehren- ler werden mit klaren Anweisungen aktiviert, es wird amtlichen oder politischen) Arbeit mit Kindern und konkret gehandelt, den ReferendarInnen ist ein fass- Jugendlichen. ���������������������������������������Ich denke aber nicht, dass das zwingen- bares Ergebnis wichtig. Zugleich besteht die Gefahr, de Voraussetzung für eine(n) gute(n) Politiklehrer/in dass die gewünschte Offenheit des Unterrichts, der ist, aber es hilft Schülerinnen und Schüler für das Fach auch Räume für Diskussion, Auseinandersetzung und zu begeistern. Reflexion öffnen soll, als schwer erträgliche Unsicher- Das Spannende an der Ausbildung von Referenda- heit, als mangelnde Ordnung und Klarheit erlebt wird. rinnen und Referendaren ist, dass es den typischen Reflexive Prozesse mit offenem Ausgang sind dann in Referendar nicht gibt. Da gibt es im schlimmsten Fall der Unterrichtsplanung nicht wirklich vorgesehen. den Referendar, der zu seinem geschätzten „ersten“ Bei ReferendarInnen mit den Fächern Ethik/Philoso- Fach ein „zweites“ Fach gesucht hat, das nicht allzu phie, Geschichte, Deutsch oder auch Kunst kann sich schwer ist, und der dann ziemlich mit der Komplexität der Unterricht genau in die andere Richtung bewegen. der Gegenstände und den daraus erwachsenden An- Es werden die komplexen Probleme der Politik in den forderungen an einen guten Politiklehrer zu kämpfen Mittelpunkt des Unterrichts gestellt und aus den ver- hat. Da gibt es auf der anderen Seite den engagierten schiedenen Perspektiven ausgiebig diskutiert. Die Ge- Studenten, der sich in der Fachdidaktik an der Uni zu fahr besteht, dass den Schülerinnen und Schülern am Hause gefühlt hat und darauf brennt, endlich in die Ende der Stunde nicht klar ist, was sie jetzt eigentlich Praxis zu kommen – und dann manchmal entsetzt ist „gelernt haben“. von den hohen Anforderungen und der vielen Arbeit, Allerdings ist die hier beschriebene Verknüpfung die für dieses zweistündige Fach anfällt. Da gibt es die Fächerkombination – Unterrichtsstil nicht zwingend reflektierte, wissenschaftlich orientierte Referendarin, und allgemeingültig. Es gab in der Vergangenheit die Politik gleichzeitig als Diplomstudium absolviert auch genügend Gegenbeispiele. Vor allem sind die hat und bestrebt ist, einen anspruchsvollen Unterricht geschilderten Schwierigkeiten die ganz alltäglichen zu gestalten, es aber ungeheuer schwer fndet, die Probleme bei der Planung und Durchführung von Poli- Stunden so zu konzipieren und durchzuführen, dass tikunterricht. Ich möchte diese Überlegungen deshalb die Schülerinnen und Schüler Interesse und Freude wirklich nur als Hypothese verstanden wissen. am Unterricht haben.

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Welche Rolle spielt die eigene Politisierung idealerweise einer Weiterentwicklung einer eigenen der Referendare für den SoWi-Unterricht? politikdidaktischen Theorie dienen. Welche Veränderungen der nachkommenden Hornbruch: Da an der Universität eine fachdidak- Lehrergeneration nehmen Sie im Vergleich tische Qualifzierung kaum stattfndet, muss sie of- zu früher wahr (Selbstverständnis, Haltung, fensichtlich im Referendariat geleistet werden. Wenn Einstellungen)? – wie oben beschrieben – zumindest die fachliche Cypionka: Eine hochgradige „Politisierung“ im Sinne Ausbildung an der Universität stattfndet (Stichwort: von emanzipatorischem Wirken im Unterricht (Stich- Schlüsselqualifkationen zur Erschließung sozialwis- wort 68er-Generation) kann ich nicht feststellen. Ein senschaftlicher Probleme/Inhaltsfelder), ist das weit- Bewusstsein, dass der Mensch ein „zoon politicon“ gehend in Ordnung. ist, erachte ich eher als hilfreich, da es „unpolitischen Allerdings wird es kontraproduktive Auswirkungen Unterricht“ (siehe unten) im Sinne reiner Vermittlung haben, wenn sich die Lehrerausbildung verändert und von Sachgegenständen verhindern helfen kann. eine Verkürzung des Referendariats auf ein Jahr er- Hornbruch: Diese Frage ist interessant: Was heißt folgt. Wo bliebe dann der Dialog zwischen Schule und „Politisierung“? Hier sind unterschiedliche Füllungen Seminar? Wie soll die Aufgabenverteilung erfolgen? möglich: falls eine „öffentliche Politisierung im Sinne Die Zeitkontingente für die Ausbildung im Referenda- der 68er“ gemeint wäre, wäre es eine Setzung, die riat müssten eher erhöht werden, da die Vernetzung ich problematisch fnde. Vielleicht wäre es hilfreicher, von Theorie und Praxis und die Professionalisierung nach der „Demokratiekompetenz“ zu fragen und über Zeit brauchen, ebenso die Selbstreflexion. Gleichzei- das eigene „Bürgerleitbild“ zu reflektieren: Was bedeu- tig kann die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern tet für mich der Beutelsbacher Konsens; wie kann ich nur in einer vertrauensvollen Atmosphäre funktio- Optionsmöglichkeiten eröffnen, die Beteiligungs- und nieren, die unter Zeitdruck nicht entstehen kann. Si- Enthaltungsmöglichkeiten enthalten usw. cherlich könnten unter den bisherigen Bedingungen Im Vergleich zu früheren Jahren wird eine „öffent- effzientere Rahmenbedingungen hergestellt werden liche Politisierung“ weniger sichtbar. „Politisierung“ (beispielsweise durch den Wegfall des so genannten muss aber nicht unbedingt öffentlich sein, sie kann bedarfsdeckenden Unterrichts). �������������������Wenn allerdings „Ef�f��- nach innen gerichtet sein, so dass das Mobilisierungs- zienz“ in der Lehrerausbildung gleichgesetzt wird mit potential weniger sichtbar ist. Das ist nicht als Wer- einer Verkürzung auf ein Jahr, halte ich das für einen tung gemeint, denn die Sozialisationsbedingungen Trugschluss. haben sich sehr verändert. �������������������������„Sich der eigenen Politi- Kallenbach: Der Stellenwert der Fachdidaktik ist im sierung bewusst sein“ kann bedeuten: Reflexion der Zuge der Veränderung des Referendariats durch die eigenen Motivation für das Fachstudium und Reflexi- Modularisierung in Hessen sogar gestiegen! Sehr häu- on des eigenen politischen Bewusstseins. Hierzu rege fg wird mir in den halbjährlich stattfndenden Evalua- ich zu Beginn der Ausbildung eine Reflexion über den tionen zurückgemeldet, dass man aus den fachdidakti- Beutelsbacher Konsens an, der meist sehr ausführlich schen Modulen den größten Gewinn ziehe. diskutiert wird. „Fachdidaktische Qualifzierung“ im Referendariat Kallenbach: Wenn ich es wagen soll, einen Vergleich bedeutet in meinem Seminar nicht „Diskussion fach- zu früher vorzunehmen, dann denke ich, dass die Re- didaktischer Literatur und unterschiedlicher fachdi- ferendare heute sachlicher, pragmatischer, weniger daktischer Ansätze“, sondern die Reflexion von Un- parteilich und vielleicht nicht ganz so kritisch sind. terrichtspraxis auf fachdidaktischer Grundlage. Dabei Aber es fällt mir eigentlich sehr schwer, das zu verall- ergeben sich die Themen aus den Fragestellungen gemeinern. und den aus dem Unterricht erwachsenen konkreten Bedürfnissen der Referendare. Diese gemeinsam for- 3. Fachdidaktische Qualifizierung mulierten Probleme werden situativ mit Hilfe einzel- im Referendariat – gibt es die ner fachdidaktischer Texte, die vorbereitend gelesen eigentlich noch? werden, im Seminar – möglichst handlungsorientiert Cypionka: Ich nehme wahr, dass Lehramtsanwärter bzw. „im Doppeldecker“2 – bearbeitet. Das hat sich in mehrheitlich mit besserem politikdidaktischen Theo- all den Jahren meiner Ausbildungstätigkeit eigentlich riewissen ihre Ausbildung beginnen. Wichtig ist mir, nicht verändert – trotz einer kurzzeitigen Experimen- dass im Fachseminar Sozialkunde eine intensive Ver- tierphase am Anfang der Modularisierung, in der ich knüpfung von Theorie und Praxis stattfndet, d.h., die mit den Referendaren mehr „Theorie“ machen woll- Qualifzierung soll situiert erfolgen: Konkrete Fälle, te. Die hohe Unterrichtsverpflichtung der Referenda- Situationen und Kontexte sollen mithilfe politikdidak- re (12 Stunden im 1. und 2. Hauptsemester) und die tischer Ansätze reflektiert werden, um wesentliche Prinzipien hinter den Situationen sowie den Sinn hin- 2 Wahl, Diethelm. 2006. Lernumgebungen erfolgreich gestalten: ter Handlungen und Routinen zu erkennen. Dies soll vom trägen Wissen zum kompetenten Handeln. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. 111 Anselm Cypionka, Heike Hornbruch, Waltraud Kallenbach Journal of Social Science Education Stand, Probleme, Perspektiven der Ausbildung im Fachseminar SoWi Volume 8, Number 2, 2009, pp. 105–123

zeitlich und quantitativ gestiegenen Anforderungen seergebnis Unterrichtskonzeptionen entwickelt. Dazu (12 Module innerhalb von 2 Jahren) erschweren eine kann er z.B. auf der Grundlage der Planungsüberlegun- vernünftige Ausbildung. Im Moment (Sommer 2009) gen zu einem Stundenthema ein problemorientiertes steht in Hessen „die Reform der Reform“ an, die unter Thema formulieren. Dabei wird die Planungskompe- anderem die Reduzierung der Verpflichtungen der Re- tenz geschult, indem Methoden, Zielsetzungen, Medi- ferendare in Unterricht und Ausbildung zum Ziel hat. en und Lernvoraussetzungen auf ein Thema konzent- riert werden müssen. 4. Wie bilden Sie aus? (Inhalte, Gliederung, Die Evaluationskompetenz wird unter dem Schwer- Methodik) Wie gelingt es Ihnen, Ihre punkt „Leistungsbeurteilung“3 thematisiert, die Vorstellungen vom SoWi-Unterricht Selbstevaluation wird gefördert, indem die Tragfähig- zu vermitteln? (Rolle des persönlichen keit von Stundenkonzeptionen im Seminar und im Un- Vorbilds?) terricht auch durch Hospitationen überprüft wird. Cypionka: Allgemein verbindliche, differenzierte Hornbruch: Meine kompetenzorientierten Schwer- Aus­bildungsziele existieren für das Fach Sozialkunde punkte (vgl. http://www.studienseminar-leverkusen. (noch) nicht. �������������������������������������Die Ausbildung gliedert sich idealty- de/s2/ausbildung/fachseminare/arbeitsplaene/ar- pisch in die Phasen Grundlegung und Orientierung, beitsplan-sowi.pdf) der Ausbildung orientieren sich Konzeptionalisierung, Professionalisierung und Exa- an der Rahmenvorgabe für den Vorbereitungsdienst mensvorbereitung. Um������������������������������� bei den individuellen Poten- in NRW und beziehen sich auf Standards. Dabei ver- zialen der angehenden Lehrer anknüpfen zu können, suche ich konsequent, mich in der Fachseminararbeit ist es wichtig, die persönlichen Voraussetzungen in an so genannten Anwendungssituationen zur orien- der ersten Phase zu erfassen und daraus Ausbildungs- tieren (vgl. http://www.studienseminar-leverkusen. schwerpunkte abzuleiten (siehe Homepage des Stu- de/s2/ausbildung/fachseminare/arbeitsplaene/sowi- dienseminars in Gera, Unterrichtsfach „Sozialkunde“, anwendungssituationensw.pdf). Mit����������������� Anwendungssi- siehe Tabelle). tuationen sind „Lernsituationen“ gemeint, in denen Die Sitzung „Was ist guter Sozialkundeunterricht?“ Referendarinnen und Referendare mit Situationen kon- soll nicht dazu dienen, ein eindeutiges und starres Bild frontiert werden, in die sie als Lehrerin/Lehrer geraten. von „Gütekriterien“ und „Qualität“ fest zu zementieren. Wichtig ist der Dreischritt „Vorwissen/Voreinstellun- Das kann nicht Ziel einer Sozialkundelehrerausbildung gen erheben und bewusst machen – Anreicherung mit in einer pluralen Gesellschaft sein, in der auch in der Theorie/Praxis – Vorsatzbildung betreiben“4, vgl. z.B. Politikdidaktik die Zielsetzungen recht unterschiedlich http://www2.ivlos.uu.nl/comenius/home.htm. Das ausfallen. Hier sollen gemeinsam mit Lehramtsanwär- schließt auch ein, dass die Fachseminargruppen an der tern grundlegende Zieldefnitionen über Unterrichts- Gestaltung der Fachseminararbeit partizipieren, d.h., qualität im Fach Sozialkunde formuliert werden, nach ausgehend von den Bedürfnissen der Auszubildenden denen der Unterricht der Anwärter in Hospitationen erfolgt die thematische Planung. und Lehrproben evaluiert werden soll. Zusammenfas- Mein Ziel ist eine demokratische Fachkultur, die durch send kann festgehalten werden, dass die Erfassung der kommunikative Aushandlungsprozesse gekennzeich- Ausgangsvoraussetzungen und die Übereinkunft über net ist. Dahinter steckt natürlich auch meine Vorstel- Evaluations­kriterien für Ausbildungsunterricht in der lung, dass SW-Unterricht nicht aus pausenlosem Lesen ersten Phase Ausbildungsziele sind. von Zeitungsartikeln oder Fachtexten bestehen kann. In den Phasen „Unterrichtsplanung“, „Didaktik Vielmehr müssen kommunikative politische Aushand- der politischen Bildung“ und „Unterrichtsmethodik“ lungsprozesse im Unterricht und auch im Fachseminar werden die systematische Konzeption von Unterricht simuliert werden, z.B. über diskursive Rollensimulati- trainiert. In der Planungspraxis und –umsetzung sind onen oder Situationen der „genetischen Politikdidak- vier Kompetenzen eng miteinander verwoben. Dies tik“ (Andreas Petrik). Manchmal stoße ich auf Wider- möchte ich an einem Ausbildungsbeispiel erläutern: stände bzw. Schwierigkeiten, weil die Auszubildenden Im Fachseminar Sozialkunde geht es regelmäßig um in ihren Ausbildungsschulen solche Prozesse nicht in die Analyse aktueller politischer Vorgänge. Anwärter Ausbildungssituationen erleben („Bei uns macht das üben ihre politikwissenschaftliche und politikdidakti- aber keiner so!“). Hier passt vielleicht auch schon der sche Analysekompetenz, indem sie z.B. eine Karikatur Hinweis, dass der Anteil des fachfremden Unterrichts zu einem aktuellen Problem untersuchen. im Fach Politik/Wirtschaft in der Sekundarstufe I be- Wichtig ist hierbei, dass neben der exakten Ana- sonders hoch ist. lyse des politischen Sachverhalts zentrale Probleme erkannt werden. Der Anwärter muss also ein Politike- reignis als Ausgangspunkt seiner Unterrichtsplanung 3 Deichmann, Carl. 2009. Leistungsbeurteilung im PolitikunterPolitikunter-- analysieren und interpretieren können. Im nächsten richt. Schwalbach/Ts.: Wochenschau-Verlag. 4 Diethelm Wahl, Lernumgebungen erfolgreich gestalten. Vom Schritt muss er seine Planungskompetenz unter Be- trägen Wissen zum kompetenten Handeln, 2. erweiterte Aufla- weis stellen, indem er ausgehend von seinem Analy- ge, Verlag Julius Klinkhardt: Heilbronn 2006. 112 Anselm Cypionka, Heike Hornbruch, Waltraud Kallenbach Journal of Social Science Education Stand, Probleme, Perspektiven der Ausbildung im Fachseminar SoWi Volume 8, Number 2, 2009, pp. 105–123

Über das exemplarische Durchlaufen von Unter- xion sensibilisieren, die eine entscheidende Voraus- richtsvorhaben im Fachseminar versuche ich zudem, setzung für ihre eigene Qualifzierung ist. den exemplarischen Erwerb fachwissenschaftlicher Kenntnisse zu fördern und Schlüsselqualifkationen Worauf kommt es Ihnen besonders an? Wann zur Erschließung neuer Inhalte zu trainieren. Erwar- sind Sie zufrieden? tet wird dabei nicht, dass alle fachlichen Kenntnisse Wo werden Erfolge (nicht) sichtbar? schon vorhanden sein müssen. Cypionka: Sicherlich hat jeder Ausbilder - und sei es Kallenbach: Die Inhalte und die Struktur der Aus- unbewusst - Ziele im Hinterkopf, die sein Ausbildungs- bildung am Studienseminar in Frankfurt sind in Form geschäft leiten. ����������������������������������Durch die Diskussion und Ausformu- von Kernkompetenzen, Standards und Indikatoren lierung fachspezifscher Ausbildungsziele können in so genannten „Modulbeschreibungen“ für die hes- beim Anwärter angestrebte Kompetenzen bewusst sische Lehrerausbildung festgelegt (Hessische Mo- und transparenter werden. Wichtig sind mir vier As- dulpläne für das Fach „Politik und Wirtschaft”, siehe pekte: http://www.afl.hessen.de/irj/AfL_Internet?cid=f12 – Situativität, d.h. die Anbindung politikdidaktischer 649cb02f5d2c3a1e070652d37b0f0). Meine konkrete Theorie an konkrete Unterrichts- oder Ausbildungs- Arbeit besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: zum situationen, einen aus der Arbeit in den Modulsitzungen und zum – Aktualität, d.h. den Bezug auf momentan politisch anderen aus der gemeinsamen Planung der besuchten diskutierte Probleme, Unterrichtsstunde mit jedem einzelnen Referendar – Adressatenorientierung, d.h. konkrete Bedürfnisse und der anschließenden Beobachtung und Reflexion der Lehramtsanwärter berücksichtigend dieses Unterrichts. – sowie Reflexivität, d.h. ein Nachdenken über Han- Die Modulsitzungen dienen dem Austausch der Re- deln mit dem Ziel der Optimierung der Handlungs- ferendare untereinander, der gemeinsamen Problema- muster. tisierung und Diskussion der Aufgaben und Ziele des Hornbruch: Wann ich zufrieden bin? Wenn�������������� Auszubil- Fachunterrichts sowie der exemplarischen Erarbeitung dende im Verlauf ihrer Ausbildung zunehmend konkre- von Lösungen im Sinne von „Best practice“-Beispielen te problemorientierte Zugriffe auf Unterrichtsvorha- auf der Basis fachdidaktischer Überlegungen. Zentrale ben entwickeln, beispielsweise über die konsequente Themen sind dabei u.a.: Problemorientierung, Politi- Orientierung an Soll- oder anderen Entscheidungsfra- sche Urteilsbildung, Kontroversität, Schülerorientie- gen, bei diesen Zugriffen politische Kommunikations- rung, Handlungsorientierung, Leistungsmessung und situationen berücksichtigen und den Schülerinnen Leistungsbewertung und immer wieder „Gesprächs- und Schülern ein Zugang zu einer eigenen politischen führung“. Diese Themenbereiche versuche ich idealer- Identität ermöglicht wird. Mit mir zufrieden bin ich weise an Beispielen und anhand des Materials der Re- auch, wenn ich die oben angeregte Vorsatzbildung ferendare aus deren eigenem Unterricht bzw. aus dem immer wieder in Reflexionsphasen in das Fachseminar der Fachleiterin möglichst anschaulich und zugleich zurückhole, zum Beispiel über eine Praxisreflexion zur exemplarisch zu behandeln. Manches wird metho- Leistungsbewertung. disch simuliert oder selbst durchgespielt. Wichtig ist Kallenbach: Mit meiner Ausbildung zufrieden bin mir, dass die ReferendarInnen konkrete Anregungen ich, wenn ich am Unterricht oder an den mitgebrach- aus dem Seminar mitnehmen können. Wir führen zum ten Materialien der Referendare erkennen kann, dass Beispiel ein Simulationsspiel durch, werten es dann ge- meine Impulse verstanden und aufgenommen wer- meinsam aus und prüfen den didaktischen Nutzen für den und es den Referendaren gelingt, diese in die Pla- die Klassen, in denen die Referendare unterrichten. nung und Durchführung des eigenen Unterrichts zu Außerdem geht es in den Modulsitzungen um die integrieren. Ich freue mich, wenn den Referendaren Kompetenzentwicklung zur Bewältigung der konkre- Unterricht gelingt und sie selbst Freude daran haben, ten Alltagsaufgaben einer Lehrerin/eines Lehrers: ihre Lehrerpersönlichkeit und einen eigenen Stil zu Unterrichtsreihen/-stunden planen, Arbeitsaufträge entwickeln. formulieren, Schulbücher und Arbeitsmaterial bewer- Am wichtigsten ist mir, dass Referendare Wert da- ten, Unterrichtseinstiege gestalten, Gruppenarbeit or- rauf legen, dass der Unterricht für die unterschied- ganisieren, Auswertung und Ergebnissicherung, Tests lichen Schülerinnen und Schüler interessant und und Klausuren konzipieren, Noten geben ... herausfordernd ist. Dazu gehört vor allem eine gute Am Anfang der Ausbildung besuchen mich die Re- Fragestellung. Dies allerdings ist zugleich das, was ferendare in meinem eigenen Unterricht und können den meisten Referendaren ausgesprochen schwer fällt. sich ein Bild davon machen, wie mir selbst die Umset- Es liegt unter anderem daran, dass sie sich die inhaltli- zung der Theorie in die Praxis gelingt. Die anschlie- chen Gegenstände und die Zusammenhänge erst erar- ßende kritische Reflexion meines eigenen Unterrichts beiten müssen und noch keinen wirklichen Überblick soll die Referendare für die in der Ausbildung (weiter) über das Themenfeld haben. zu entwickelnde Kompetenz der kritischen Selbstrefle- 113 Anselm Cypionka, Heike Hornbruch, Waltraud Kallenbach Journal of Social Science Education Stand, Probleme, Perspektiven der Ausbildung im Fachseminar SoWi Volume 8, Number 2, 2009, pp. 105–123

5. In welchem (Spannungs-) Verhältnis und Modellen und deren Veränderbarkeit? Ist mir das stehen inhaltliche/fachwissenschaftliche befriedigende Gefühl, fachlich kompetent zu sein und Kompetenz zu methodischer/ über das Professionswissen zu verfügen, vertraut? pädagogischer Kompetenz in der Ich fnde es ausgesprochen wichtig, dass ein Refe- fachdidaktischen Ausbildung? rendar fachlich gut ist. Das heißt nicht, dass er/sie ein Cypionka: Manchen Lehramtsanwärtern fällt es breites Fachwissen besitzt. Dazu sind die Inhalte des schwer, sich von der inhaltlichen Ebene zu lösen und Faches viel zu umfangreich. Aber man muss Fragen nicht Gegenstände, sondern Fragestellungen zu unter- stellen, einen Gegenstand oder ein Themenfeld nach richten. Anderen fällt es schwer, Gegenstandsbereiche fachwissenschaftlichen Prinzipien strukturieren kön- fachlich tiefgründig zu erschließen, d.h. auf Kernpro- nen, ein Bewusstsein für die Bedeutung von Modellen bleme oder Exemplarisches zu reduzieren. Guter So- und Theorien haben und ein gutes Allgemeinwissen zialkundeunterricht braucht sowohl inhaltliche/fach- besitzen. Zudem neugierig und begeisterungsfähig wissenschaftliche Kompetenz als auch methodische/ sein. Die methodischen Kompetenzen, die man für pädagogische Kompetenz. das Unterrichten braucht, kann man sich dagegen im Ich bin Anhänger eines themenzentrierten Unter- Laufe des Referendariats erwerben. richts, die Formulierung eines sinnvollen Themas und Pädagogische Fragen und personale Kompetenzen dessen konsequente Umsetzung ist für mich ein/das werden systematisch in anderen Modulen („Erziehen Qualitätsmerkmal von Sozialkundeunterricht. Dabei – Beraten – Betreuen“ / „Diagnostizieren und Fördern“ erachte ich es als positiv, wenn politikdidaktische An- / „Krisen und Konflikte“) behandelt. Dazu gibt es in sätze (egal aus welcher politikdidaktischen „Schule“) der fachdidaktischen Ausbildung zeitlich wenig Raum, aufgenommen und umgesetzt werden. obwohl auch diese Kompetenzen natürlich wichtige Hornbruch: Die größte Herausforderung besteht Voraussetzungen für das Gelingen von Unterricht sind. aus meiner Sicht darin, ausgehend von einem linear Grundsätzlich brauche ich neben Empathiefähigkeit ausgerichteten Studium, das häufg aus „gesetzten und einer hohen Reflexionskompetenz ein entspre- Wahrheiten“ besteht, ein Bewusstsein für problemhal- chendes Verständnis für Kinder und Jugendliche und tige Situationen zu entwickeln. Beispielsweise neigen muss in der Lage sein, deren Perspektive bei der Pla- Auszubildende gerade am Anfang der Ausbildung nung und Durchführung des Unterrichts einnehmen dazu, beim Unterrichtsgegenstand „Europa“ zuerst zu können. die Entstehung der EU zu behandeln, um anschließend „Institutionenkunde“ an Organen zu betreiben. Das 6. Das Fach „SoWi“ wird zum Teil „Problemhafte“, das politisch (und kommunikativ) fachfremd (von Historikern...) auszuhandeln ist, kommt wenig vor. Das bildet häufg unterrichtet. die Ausbildung an der Universität ab, die wenig auf Cypionka: Das fachfremde Unterrichten erlebe ich so regelungsbedürftige Situationen unserer Gesellschaft nicht. Für Thüringen sehe ich eher die Situation, dass ausgerichtet ist oder sie zumindest nicht kontrovers es zu wenig gut ausgebildete Fachlehrer gibt, die als genug behandelt. Die verschiedenen, universitär aus- Mentoren eine intensive Unterstützung eines Lehr- gebildeten „Denk-Schulen“ fallen mir insbesondere im amtsanwärters leisten können. Bereich „Ökonomie“ auf. Hornbruch: Im Referendariat am Gymnasium in Daher ist es oft schwierig, diese eher sachanalyti- NRW dürfen Auszubildende nur SW/PK/WI oder GL/ schen „Leerstellen“ zu füllen, methodische Angebote AL an Gesamtschulen unterrichten. Hier sehe ich eine werden hingegen eher aufgenommen. Hierbei kann „Gerechtigkeitslücke“ im Referendariat: Auszubilden- dann ein Problem entstehen, wenn die (Fach-)Metho- de an Gesamtschulen haben die anspruchsvolle Aufga- de in den Schwerpunkt der Stunde rückt und sachana- be, drei Fächer integriert zu unterrichten, von denen lytische und fachdidaktische Aspekte zurücktreten. sie zwei nicht studiert haben. Da Politik/Wirtschaft Methoden als didaktischer Selbstzweck können also zusätzlich drei universitäre Disziplinen umfasst, sind problematisch sein, wenn sie nicht mit einer kriterien- sogar fünf Teildisziplinen integriert zu unterrichten. orientierten fachdidaktischen Auswertung verbunden Hieraus ergibt sich ein hoher Anspruch! Andererseits werden. sind Auszubildende an Gesamtschulen auch häufg Kallenbach: Ich selbst fnde eine solide fachwis- privilegiert, da kooperative Elemente an der Gesamt- senschaftliche Grundlage zumindest in einigen The- schule deutlicher ausgeprägt sind und der Umgang menbereichen sehr wichtig. Dabei geht es vor allem mit Heterogenität/Diversität trainiert wird. auch um Methodenkompetenz im Bereich der Fach- Nach dem Referendariat ändert sich dann die Situ- wissenschaft. Wie nähere ich mich einer politischen ation: Geschichtslehrer unterrichten häufg PK/WI in Problemstellung wissenschaftlich an? Ist mir die Re- der Sekundarstufe I, der umgekehrte Fall ist allerdings levanz von Begrifflichkeit und strukturierter Analyse selten. Woran liegt das? An den Schulen in NRW wird der aktuellen politischen Sachverhalte bewusst, habe meist stillschweigend vorausgesetzt, dass das Fach ich ein Bewusstsein für die Bedeutung von Theorien Politik/Wirtschaft eben jede/r unterrichten kann. Das 114 Anselm Cypionka, Heike Hornbruch, Waltraud Kallenbach Journal of Social Science Education Stand, Probleme, Perspektiven der Ausbildung im Fachseminar SoWi Volume 8, Number 2, 2009, pp. 105–123

führt zu einem hohen Anteil fachfremden Unterrichts Hornbruch: Seit einem Jahr heißt das Fach in der in der Sekundarstufe I, was fatale Folgen für das Fach Sekundarstufe I „Politik/Wirtschaft“ (und nicht mehr Sozialwissenschaften in der Oberstufe haben kann.5 nur Politik), und schon länger ist in der Oberstufe das Dabei ist gerade das Fach Politik/Wirtschaft in der Se- Fach Sozialwissenschaften/Wirtschaft wählbar. Kann kundarstufe I besonders anspruchsvoll (insbesondere „Wirtschaft“ sozialwissenschaftlich gedacht werden? mit dem neuen Kernlehrplan „Politik/Wirtschaft“, der Darüber gibt es Kontroversen zwischen verschiedenen vor zwei Jahren in Kraft getreten ist): Wie gelingt es „Denkschulen“ (vgl. die wieder aufgeflammte aktuelle mir als Lehrerin bei Kindern und Jugendlichen eine po- Kontroverse um ökonomisch-politische Bildung6). litische Identität bzw. ein kritisches Verbraucherbe- Die aus meiner Sicht künstliche Trennung zwischen wusstsein anzubahnen? Da mögen Streitschlichtung, Politik und Wirtschaft ist überholt und schwächt die soziales Lernen etc. ja unwidersprochen wichtig sein, Sozialwissenschaften insgesamt. SW in der Schule ist aber die bloße Reduktion auf diese Schwerpunkte ist im Unterschied zur Universität als integratives Fach nicht der Kern/Auftrag unseres Fachs (Stichwort: „Re- gedacht. Unter der Perspektive „Urteilskompetenz“ gelungsbedarf und –möglichkeiten“). Zudem haben ist eine Vereinigung beider Perspektiven unter einer Historiker einen etwas anderen methodischen Zugriff Zielvorstellung möglich: „pluralistische und politsche auf „Quellen“, was man z.B. an den Aufgabenstellun- ökonomische Grundbildung“ für alle Schülerinnen gen (im Abitur in NRW) sehen kann. und Schüler7. Da aber Referendarinnen und Referen- Wir – als Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwis- dare in der Regel selbst keine pluralistische und po- senschaftler – brauchen hingegen einen historischen litisch-ökonomische Ausbildung an der Universität Blick, da sich viele Problemlagen nicht aus der aktu- gehabt haben (vgl. meine Ausführungen weiter oben), ellen Politik erklären lassen. Auszubildende mit der kann es ihnen zunächst eher selten gelingen, beide Fächerkombination Sozialwissenschaften/Geschichte Perspektiven problemorientiert/multiperspektivisch haben daher häufg eine solide universitäre Ausbil- zusammenzuführen. �������������������������������Über praktische Unterrichtsvor- dung, die das Erkennen von problemhaften und rege- haben, z.B. aus den Publikationen der Trappenstiftung lungsbedürftigen Situationen in unserer Gesellschaft oder aus Praxis Politik, versuche ich exemplarisch die- ermöglicht. Aber: Nicht jede/r, die/der Sozialwissen- se „Leerstelle“ zu füllen. schaften studiert hat, kann automatisch Geschichte Kallenbach: Auch wenn es immer wieder so darge- unterrichten und umgekehrt. stellt wird, weise ich darauf hin, dass „Wirtschaft“ kein Kallenbach: Ich denke, dass die fächerverbindende „neues“ Themenfeld in Hessen ist. „Wirtschaft“ ist Ausbildung inhaltlich plausibel ist, aber in der Praxis durch die Umbenennung des Faches von „Sozialkun- eine Überforderung darstellt. Meine Beobachtung an de“ (Mittelstufe) bzw. „Gemeinschaftskunde“ (Ober- Gesamtschulen ist, dass PoWi meist zu kurz kommt, stufe) in „Politik und Wirtschaft“ allerdings deutli- weil die Fächer Erdkunde und Geschichte fassbarer, cher ins Bewusstsein getreten. Wirtschaft und Politik eingrenzbarer und (vermeintlich?) leichter zu unter- formulieren in den letzten Jahren vernehmbarer ihr richten sind. Im schlimmsten Fall gibt es dann im All- explizites Interesse, allen Schülerinnen und Schülern tag stumme Karten, Lückentexte und das Auswendig- entsprechende „Kenntnisse“ zu vermitteln. Die hessi- lernen von Daten und Jahreszahlen. Insofern habe ich schen Studentinnen und Studenten bringen aus dem eher große Angst vor der Deprofessionalisierung. Bereich der Wirtschaftswissenschaften bisher wenig Fachkenntnisse mit in die Ausbildung. Sie werden sich 7. Welche Rolle besitzen “neue” diese bei der Planung ihrer Reihen aber aneignen. Dass Themenfelder und Anforderungen sich Lehrerinnen und Lehrer parallel zur Vorbereitung in der Ausbildung - insbesondere: des Unterrichts fachlich (weiter) qualifzieren, gilt im das Verhältnis des Bereichs Wirtschaft Übrigen für viele Themengebiete des Faches und im zu Politik? Laufe ihrer Arbeit erwerben Lehrer hohe Kompeten- Cypionka: Seit Beginn meiner Fachleitertätigkeit vor zen und detailliertes Fachwissen. Hoffnung für eine 12 Jahren erlebe ich die Ausbildung im Fach Sozialkun- Steigerung der Unterrichtsqualität im Bereich „Wirt- de als sich ständig verändernden Prozess. schaft“ erwächst aus der Tatsache, dass mittlerweile Durch die Einführung der Modularisierung wurden Teile der Ausbildung aus der Politikdidaktik herausge- nommen, andere verändert. Prüfungsstrukturen wur- 6 Hedtke, Reinhold (2008) Wirtschaft in die Schule!? ÖkonomiÖkonomi-- sche Bildung als politisches Projekt. In: GWP, H. 4, S. 455-461; den verändert (z.B. Integrierte Mündliche Prüfungen). Repliken auf diesen Artikel: Kaminski, Heinz; Eggert, Katrin Grundsätzlich sehe ich darin Chancen einer Qualitäts- (2009) Eine Frage des Anstands – politische Bildung konkret!?, verbesserung, allerdings ist der Prozess zeitintensiv. Unterricht Wirtschaft, H. 1, S. 42f. und Krafft, Dietmar (2009) Offener Brief an Herrn Prof. Dr. Reinhold Hedtke. In: Unterricht Wirtschaft, Heft 1, S. 44f. 5 Vgl. Boese, R. (2001) Fachfremder Unterricht und UnterrichtsUnterrichts-- 7 Vgl. Hedtke, Reinhold. 2008. Ökonomische Denkweisen. Eine ausfall an NRW-Schulen. In: neue deutsche schule, Juli/August, Einführung. Multiperspektivität – Alternativen – Grundlagen. 53. Jg., S. 10. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag, S. 7. 115 Anselm Cypionka, Heike Hornbruch, Waltraud Kallenbach Journal of Social Science Education Stand, Probleme, Perspektiven der Ausbildung im Fachseminar SoWi Volume 8, Number 2, 2009, pp. 105–123

endlich auch eine umfangreichere und angemessene den man so auch noch nach dem Abschluss des Re- Auswahl an didaktisiertem Material vorliegt, die das ferendariats halten wird. Insofern sind die Stunden Unterrichten in diesem Bereich wesentlich erleichtert. meist keine „Schaustunden“, sondern im günstigen Die Schulbuch- und Zeitschriftenverlage haben auf die Fall „Knotenpunkte individueller Betreuung und Qua- Veränderungen der Lehrpläne reagiert. lifzierung“. Bei den Evaluationen am Ende eines Semesters wird 8. Wie erleben Sie die Rolle der Lehrproben besonders die individuelle Beratung bereits bei der im Ausbildungsgang? Was ist Ihnen in Planung des Unterrichtsbesuchs als sehr lehrreich und Lehrproben besonders wichtig? kompetenzfördernd bewertet. Hornbruch: Wenn mit „Schaustunde“ alles gemeint Bei den Lehrproben ist mir wichtig, dass es den Re- ist, „was normalerweise in Schulen nicht vorkommt ferendaren gelingt, ihre Schülerinnen und Schüler ko- (z.B. diskursive Rollensimulationen zur Förderung von gnitiv und emotional zu fordern, indem für Jugendli- Urteilskompetenz)”, würde ich diese Kritik zurückwei- che relevante Fragen angesprochen werden und echte sen, denn Ausbildung kann/muss auch Impulse setzen Denkanstöße gegeben werden oder dass die Schüle- für alternative Unterrichtsformen, die die Qualität des rinnen und Schüler neugierig werden und für sich er- Unterrichts weiterentwickeln können. Dazu braucht es kennen, dass Politik interessant ist und auch sie etwas natürlich Zeit und Kooperation, denn eine arbeitsteili- angeht. Ebenso wichtig fnde ich, dass Schülerinnen ge Vorbereitung und ein Austausch von verschiedenen und Schülern bewusst wird, dass sie etwas „lernen“ Makromethoden müssen möglich werden, z.B. über di- und dass sie etwas von Politik verstanden haben und gitale Kommunikationsplattformen. Inszenierungen, das Gefühl bekommen, immer kompetenter zu werden die aufwändige „Materialschlachten“ sind und unter und fundiert mitreden zu können. Ein weiteres Augen- „Normalbedingungen“ weder organisatorisch noch f- merk liegt darauf, dass im Unterricht beide Geschlech- nanziell umsetzbar wären, rücken für mich eher unter ter (und „Lernertypen“) angesprochen werden und der den Begriff „Schaustunde“. Unterricht zur Verständigung zwischen unterschiedli- Selbstkritisch kann ich anmerken: Sind wir als Semi- chen Menschen aus verschiedenen Lebenswelten und narausbilderinnen und –ausbilder selbst verantwort- Kulturen beiträgt. lich für „Schaustunden“, weil wir zu hohe Ansprüche Leider gibt es nur zwei benotete Lehrproben neben vermitteln? Betonen wir zu wenig, dass „Normalität“ der Lehrprobe im Staatsexamen und auch die Zahl der mit/in einer 26-Stunden-Woche möglich sein muss? Unterrichtsbesuche einschließlich der Lehrproben ist Zu Beginn der Ausbildung (und vermutlich auch in den ersten drei Ausbildungshalbjahren auf fünf be- schon davor) verbinden die Auszubildenden mit den grenzt. Durch dieses Diktat der Finanzen werden gera- so genannten Lehrproben unentwegte Prüfungssitu- de in der Wahrnehmung der Referendare die Lehrpro- ationen, die eine individuelle Betreuung und Quali- ben für die Bewertung sehr wichtig. Dadurch kann die fzierung nahezu verhindern können. Daher ist mein wichtige Funktion der individuellen Betreuung und besonderes Anliegen zunächst, den Coaching-Charak- Qualifzierung eingeschränkt werden. ter dieser Situationen hervorzuheben. ����������������Hierzu ist „Ver- trauensarbeit“ notwendig, die mir bei jedem Start mit 9. Welche Rolle spielt fachdidaktische einer neuen Ausbildungsgruppe besonders wichtig Literatur und Theorie im Fachseminar? ist und vor allem Zeit braucht (Wie kann das in einem Was lesen ihre Referendare? Was Jahr Referendariat gelingen?). empfehlen Sie? Außerdem: Nicht „mein“ Konzept einer Unterrichts- Cypionka: Siehe Homepage des Studienseminars stunde ist wichtig, sondern das Konzept der Auszubil- Gera, Außenstelle Jena für das Fach Sozialkunde. denden. Über Zielvereinbarungen möchte ich zudem http://www.sss.g.th.schule.de/html/sozialkunde.htm Transparenz und Verbindlichkeit erreichen. Einen guten Überblick über den aktuellen Stand Ein Problem besteht sicherlich auch in dem Dop- der Politikdidaktik gibt das sechsbändige Werk „Basis- pelcharakter der Lehrproben als Leistungs- und Lern- wissen politische Bildung“ von Dirk Lange und Volker situation. Daher ist zu fragen, ob es eine Illusion ist, Reinhardt. dass „Lehrproben“ Knotenpunkte der individuellen Hornbruch: Im Studium setzen sich die Auszubilden- Ausbildung sein können. Hinzu kommt, dass nach der den fast ausschließlich mit Theorien auf der Grundla- derzeitigen Ausbildungsordnung für den Vorberei- ge umfangreicher Fachliteratur auseinander. Für das tungsdienst in NRW nur fünf Lehrproben vorgesehen Fachseminar hingegen arbeite ich meist mit Auszü- sind, die sehr verkürzte Beratungs- und Coachingmög- gen und selbst zusammengestellten Materialien und lichkeiten ermöglichen. Arbeitspapieren. Dabei gilt der Grundsatz, dass wäh- Kallenbach: Lehrproben sind Stunden, in denen die rend der Fachseminarsitzung selbst keine „Theorie“ Referendare exemplarischen Unterricht zeigen (sollen). gelesen wird, sondern diese zur Vorbereitung oder Dabei ist zugleich erwünscht, dass es „ganz normale Nachbereitung bzw. zur Reflexion von praktischen Er- Stunden“ sind, in denen ein Unterricht stattfndet, fahrungen genutzt wird, die dann natürlich wiederum 116 Anselm Cypionka, Heike Hornbruch, Waltraud Kallenbach Journal of Social Science Education Stand, Probleme, Perspektiven der Ausbildung im Fachseminar SoWi Volume 8, Number 2, 2009, pp. 105–123

in die Fachseminararbeit eingehen soll. Eine besonde- – Es wird nur ein Gegenstand, keine Fragestellung re Rolle spielt dabei die Kommunikationsplattform im untersucht! bscl-Server, in der wir nach Themen geordnet Praxis- – Unpolitischer Sozialkundeunterricht! konzepte und Theorieelemente austauschen. Dabei – Das Thema ist nicht präzise benannt (Reduktion!) hat von Anfang an jede/r Zugriff auf alle Materialien – Der Sozialkundeunterricht „belehrt“ zu sehr (Kont- und Ordner, so dass Individualisierung auch in der roversitätsgebot)! Ausbildung möglich wird. – Es werden zu viele didaktische Prinzipien zu ober- Kurz vor dem Examen rege ich an, eine Didaktik flächlich aufgeführt! vollständig zu lesen, sozusagen als Zusammenfassung Auf die Schwierigkeit, eine problemorientierte Frage- für das Kolloquium8. In der fachspezifschen Vorberei- stellung zu fnden, habe ich bereits hingewiesen. Ich tung und Simulation des Kolloquiums kann dann ge- versuche diese im Seminar und bei der Vorbereitung zielt darauf zurückgegriffen werden, zumal sich erst von Unterrichtsbesuchen zu bearbeiten, indem wir dann fachdidaktische Konzepte, z.B. von Wolfgang überlegen, worin die zuzuordnenden Probleme beste- Sander, kritisch überprüfen lassen. hen, oder wir gemeinsam nach konkreten problemori- Kallenbach: Ich fürchte, meine Referendare lesen entierten Formulierungen suchen und darüber disku- wenig fachdidaktische Literatur. Das liegt vor allem tieren. an der geringen Zeit, die ihnen zur Verfügung steht Ein weiteres Grundsatzproblem, das mit dem ersten . Sie sind vollauf damit beschäftigt, ihren Unterricht in gewisser Weise zusammenhängt, ist die Frage, wie vorzubereiten und sich fachlich zu informieren. So- die didaktische Eingrenzung eines Themas gelingt. Als weit ich darüber verfüge und wenn mich Referendare eine Übungsmöglichkeit machen wir ein „Themenfor- danach fragen, stelle ich ihnen dazu jeweils Material mulierungstraining“. Anhand aktueller Karikaturen zur Verfügung. Die verpflichtende Lektüre, auf die wir werden komplexe Themen erarbeitet und deren Um- uns gegenwärtig in Hessen verständigt haben, ist: setzung mit politikdidaktischen Prinzipien reduziert. – Reinhardt, Sibylle. 2005. Politik-Didaktik. Praxis- Hornbruch: Eine Herausforderung ist die „sinnstif- handbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin: tende“ Integration der drei Disziplinen in einem Cornelsen-Scriptor. Schulfach, die an der Universität unabhängig von ein- – Breit, Gotthard; Weißeno, Georg. 2003. Planung des ander als Forschungsdisziplinen etabliert sind. Hinzu Politikunterrichts. Eine Einführung, Schwalbach/ kommen Akzeptanzprobleme des Fachs „Politik/Wirt- Ts.: Wochenschau Verlag. (einzelne Kapitel) schaft“, die die Auszubildenden manchmal an Schulen – Sander, Wolfgang, Hg. 2005. Handbuch Politische erleben. Bildung. 3. Aufl. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Ver- Eine besondere Schwierigkeit ist, dass sich gesell- lag. (darin: Breit, Gotthard: Problemorientierung, S. schaftliche Bedingungen und Problemlagen in einer 108-125; Grammes, Tilman: Kontroversität, S. 126- sehr geringen Halbwertszeit verändern, so dass das 145; Gagel, Walter: Wissenschaftsorientierung, S. Kriterium „Aktualität“ sicher nur durch „Lebenslanges 156-168) Lernen“ erfüllt werden kann. – Massing, Peter. 1997. Kategorien politischen Urtei- Neben allgemeinen „Planungsknoten“ wie oben lens und Wege zur politischen Urteilsbildung. In: beschrieben zeigen sich im Fach SW/PK/WI häufg Politische Urteilsbildung. Aufgabe und Wege für Schwierigkeiten bei der Einbindung von Unterrichts- den Politikunterricht. Bundeszentrale für politische stunden in problemorientierte Unterrichtsvorhaben Bildung. Schriftenreihe, Bd. 344. Bonn, S. 115-131. und beim systematischen Aufbau von politischer Ur- – Bundeszentrale für politische Bildung. 2007. Me- teilsfähigkeit von Schülerinnen und Schülern. Auch thodentraining I für den Politikunterricht. Bonn. die Identifzierung von lernwirksamen politikdidakti- schen Angeboten an Schülerinnen und Schüler (Stich- 10. Eine besonderen Rolle spielt wort: Passung) sowie die diskursive Auseinanderset- die Kompetenz zur Planung von zung mit sozialwissenschaftlichen Problemstellungen Fachunterricht (Planungsdidaktik). und ihre Evaluation (z.B. über Schülerfeedback) berei- Beschreiben Sie ganz konkret tet den Auszubildenden (aus oben genannten Grün- die häufigsten fachdidaktischen den) zunächst Schwierigkeiten. “Planungsknoten” bei der gedanklichen „Good-practice-Beispiele“, Selbstständiges Durch- Vorwegnahme von Unterricht. laufen von Unterrichtsvorhaben und kooperative Pla- Cypionka: Als typische Fallen bei der Unterrichtspla- nung von Unterrichtssequenzen sind meine Angebote, nung sehe ich: die ich zur Anreicherung der individuellen Vorerfah- rungen einsetze und durch „Vorsatzbildung“ („Was nehme ich mir bis zu einem bestimmten Zeitpunkt konkret vor?“) und Praxisreflexion in das Fachseminar 8 Zum Beispiel: Sander, Wolfgang. 2007. Politik entdecken – Frei-Frei- heit leben. Didaktische Grundlagen politischer Bildung. 2. vollst. zurückhole. Aber wie kann ich die „Wirksamkeit“ auch überarb. u. erw. Aufl. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. nach der Ausbildung überprüfen? Hier bietet sich aus 117 Anselm Cypionka, Heike Hornbruch, Waltraud Kallenbach Journal of Social Science Education Stand, Probleme, Perspektiven der Ausbildung im Fachseminar SoWi Volume 8, Number 2, 2009, pp. 105–123

meiner Sicht ein interessantes Forschungsvorhaben dung an Entwicklungsaufgaben der jeweiligen Ausbil- an, das ich zur Zeit nicht realisieren kann. dungsschulen auch diese voran gebracht. Kallenbach: Mit Blick auf die Durchführung von Un- Der noch neue Kernlehrplan Politik/Wirtschaft er- terricht gibt es zwei zentrale Probleme: fordert ein neues schulinternes Curriculum, das die 1. Das wichtigere Problem ist die Schwierigkeit, Schü- Kompetenzorientierung in den Blick nimmt. Hierzu lerinnen und Schüler an der Planung und Durchfüh- sind einige Hausarbeiten mit Konzepten für bestimm- rung von Unterricht tatsächlich zu beteiligen. te Jahrgangsstufen entstanden, die in den jeweiligen 2. Das zweite Problem besteht darin, die Übergän- Fachkonferenzen diskutiert und verabschiedet wor- ge von einer Unterrichtsphase in die nächste für die den sind. Schülerinnen und Schüler stimmig und plausibel zu Gleichzeitig kann eine Selbstprofessionalisierung gestalten, also einen roten Faden zu verfolgen, dies durch freie Themenwahl erfolgen, da eigene Interes- transparent werden zu lassen und nicht nur additiv sen/Stärken/Vorerfahrungen berücksichtigt werden verschiedene Aufgaben aneinanderzureihen. Zur Bear- können. Allerdings ist der Zeitpunkt der Abfassung beitung dieser Probleme ist die individuelle Beratung unglücklich, da im dritten Ausbildungshalbjahr der vor und nach den Unterrichtsbesuchen unendlich Druck auf die Auszubildenden von allen Seiten zu- wichtig, weil man solche Fragen am besten bearbeiten nimmt. Daher kann ich kritische Anmerkungen zur kann, wenn sie am konkreten Fall und am eigenen Erle- Abfassung der Hausarbeit nachvollziehen, obwohl ich ben anschaulich werden. Die Fachleiterin ihrerseits ist das Instrument als solches aus den oben genannten in diesen Situationen besonders darin gefordert, im Gründen sinnvoll fnde. Sinne einer erwachsenenpädagogischen Haltung die Kallenbach: In Hessen wurde die Form der Examens- Stunden so zu besprechen, dass die Reflexionskompe- arbeit verändert. Sie ist vom Umfang her verkürzt tenz der Referendare gestärkt wird und er/sie aus der worden und soll ein pädagogisches Problem zum In- Besprechung für sich Gewinn ziehen kann und der/die halt haben. In meinem Fach wurden bisher noch nicht Referendarin in ihrer Person unbeschädigt bleibt, da- viele Arbeiten geschrieben. Man kann seine „Schrift- mit das Referendariat nicht als unzulässige Zumutung liche Arbeit“ in Anbindung an die fachlichen wie die oder sogar als blanker Horror erlebt wird. pädagogischen Module verfassen. Ich bin vom Sinn Zur Entwicklung der Beratungskompetenz der Aus- dieser Staatsexamensarbeit nicht überzeugt, zumal bilderInnen haben wir an unserem Studienseminar die Referendare eigentlich keine Zeit haben, neben entsprechende Angebote. Unterricht und Korrekturen eine wissenschaftliche Ar- beit zu schreiben. 11. Wie bewerten Sie die Rolle der Zweiten Staatsexamensarbeit für die Themenbeispiele für Examensarbeiten Professionalisierung ihrer Referendare? (im Fach) Cypionka: Eine Zweite Staatsexamensarbeit kann – Förderung politischer Urteilskompetenz von Schü- zur Professionalisierung eines angehenden Lehrers ei- lerinnen und Schülern einer 8. Klasse anhand des niges beitragen. Darin����������������������������������� kann und soll ein Lehramtsan- Themas Jugendkriminalität - Schwerpunkt: Diag- wärter unter Beweis stellen, dass er eine Unterrichts- nostizieren, Fördern, Beurteilen einheit unter politikdidaktischen Grundsätzen planen, – „Politik – wie (un)interessant!“ Die zielgerechte durchführen und reflektieren kann. Trotz des großen Motivierung von Schülerinnen und Schülern im Un- Arbeits- und Zeitdrucks gelingt es vielen Anwärtern, terricht des Faches Politik und Wirtschaft am Bei- hervorragende Examensarbeiten zu konzipieren. Aller- spiel der Jahrgangsstufe 11. Erprobung bestimmter dings werden solche Arbeiten zu wenig öffentlich ge- Unterrichts- und Arbeitsformen zur Steigerung der würdigt und dargestellt. Gelungene Beispiele sollten Schülermotivation auf Grundlage statistisch er- bundesweit z.B. in einer Datenbank zugänglich sein. fasster Schülerinteressen und –einstellungen Hornbruch: Die Auszubildenden selbst empfnden – Die Förderung der politischen Urteilsfähigkeit im die Schriftliche Hausarbeit zumeist als Zusatzbela- Fach Politik und Wirtschaft in der Klasse stung, deren Sinn sie nicht wirklich nachvollziehen – Ist die Methode des „Politischen Entscheidungs- können. Das am meisten genannte Argument lautet: denkens“ für die Entwicklung der politischen Ur- „Wir haben doch schon eine erste Staatsarbeit geschrie- teilsfähigkeit geeignet? ben, warum müssen wir das hier noch mal machen.“ – Inwiefern fördert eine vorhergehende Werteklä- Dennoch halte ich die schriftliche Hausarbeit (die in rung die kriterienorientierte Argumentation in ei- NRW nicht mehr Examens- oder Staatsarbeit heißt) für ner Debatte um die Stellung von Betriebsräten im ein sinnvolles Reflexionsinstrument, in dem exempla- GK SW in der Jahrgangsstufe 11? risch an einem Thema Theorie-Praxis-Bezüge erörtert – Stationenlernen zu Aspekten der Unternehmens- werden. Die Hausarbeit als fachdidaktisches Reflexi- gründung – Eine Untersuchung zur selbstständigen onsinstrument, das zur Konzeptentwicklung dienen Erarbeitung sowie kontextbezogenen Anwendung soll, hat zudem in den meisten Fällen durch die Anbin- von Fachbegriffen unternehmerischer Selbststän- 118 Anselm Cypionka, Heike Hornbruch, Waltraud Kallenbach Journal of Social Science Education Stand, Probleme, Perspektiven der Ausbildung im Fachseminar SoWi Volume 8, Number 2, 2009, pp. 105–123

digkeit im Politik/Wirtschaft-Unterricht der Jahr- Stunden, in denen dann eine kollegiale Fallberatung gangsstufe 8 stattfndet. – Führt der Einsatz eines Planspiels zu „Politischen Außerdem geht es nicht nur um so genannte Jung- Regelungen zur Jugendgewalt“ zu Deutungs- und lehrerinnen und –lehrer, sondern auch erweitert um Ordnungswissen bezogen auf die drei Dimensio- alle Kolleginnen und Kollegen im Fach SW/PK/WI, nen des Politischen? Erprobt an einem Beispiel im deren Fortbildungsmöglichkeiten für unser Fach in Jahrgang 11 GK SW NRW faktisch nicht vorhanden sind, weil sich die Fort- – Ein neues Theater- und Veranstaltungshaus für bildungsressourcen auf die so genannten Kernfächer Greiz?!” Ein kommunalpolitisches Planspiel zur konzentrieren. Außerdem könnten institutionalisierte Analyse von Interaktionsprozessen im Grundkurs Kontakte zwischen Schule und Seminar vertieft wer- Sozialkunde der Jahrgangsstufe 11 den, um die Fachkulturen beider Institutionen in ei- – Sind Jugendliche mündige Konsumenten? (im nen Diskurs zu bringen! Verschiedene Versuche dazu Grundkurs Sozialkunde Jahrgangsstufe 11) Die An- habe ich unternommen, scheitere dabei dann aber re- wendung und kritische Prüfung von Methoden der gelmäßig an meinen zeitlichen Ressourcen (Fachlehrer- empirischen Sozialforschung zur Erstellung von studientage). Themen bezogenen Generationenportraits. Kallenbach: Ich verfolge diese Phase leider kaum. Die wenigen KollegInnen an meiner eigenen Schule, 12. Wie erleben Sie die Berufseingangsphase die ich ausgebildet habe, entwickeln sich sehr erfreu- und die weitere professionelle lich. Engagiert, kompetent und motiviert. Entwicklung ihrer Referendare? (Berufsbiographie) Welche Unterstützung 13. Welche Veränderungen/Verbesserungen bekommen Junglehrer – welche würden würden Sie sich in der Lehrerausbildung Sie sich wünschen? insgesamt wünschen? Cypionka: Da kaum Lehramtsanwärter nach dem Re- – Welche Erwartungen setzen Sie in das ferendariat in Thüringen eingestellt werden, erlebe künftige Kernpraktikum? ich die Berufseingangsphase kaum. Zu den wenigen Cypionka: In Thüringen wird gerade daran gearbeitet, eingestellten Referendaren in Thüringen versuche ich ein Praxissemester einzurichten: Ein halbes Jahr lang den Kontakt zu halten und diese möglichst als Mento- gehen Studenten paarweise im Double an Schulen, be- ren für nachfolgende Anwärter zu gewinnen. obachten, reflektieren, planen und halten Unterricht. Als Fachleiter versuche ich gemeinsam mit der DV- Begleitet wird dieser Prozess durch das Zentrum für PB-Thüringen, der Professur für Politikdidaktik an der Lehrerbildung und Didaktikforschung (sowie die ein- Friedrich-Schiller-Universität Jena und dem Thüringer zelnen Fachdidaktiken). Dieses Modell bietet Chancen, Lehrerweiterbildungsinstitut (Thillm) das Fach zu stär- alle Lehrerkompetenzen auszubilden, gerade die auch ken, beispielsweise durch Weiterbildungen, Politik­ sonst eher weniger im Mittelpunkt stehende Diagnose- lehrerstammtische… und Evaluationskompetenz. Allerdings verkürzt sich Hornbruch: Notwendig wäre aus meiner Sicht eine dadurch das Referendariat um ein halbes Jahr. Und es Berufseingangsphase, die kontinuierlich durch einen wird schwierig werden, die große Zahl von Sozialkun- Coach betreut wird. In�������������������������������� Ansätzen versuche ich das um- delehramtsstudenten in dem geringen Stundenkorri- zusetzen, scheitere allerdings regelmäßig an meinen dor an Schulen unterzubringen. (Zum Praxissemester zeitlichen Ressourcen. Zu vielen meiner „Ehemaligen“ siehe http://www.uni-jena.de/Praxissemester.html) habe ich per eMail-Kontakt und versuche Anregungen Hornbruch: Die Lehrerausbildung in NRW wird sich zu geben. Zudem bleibt der Zugang zum bscl-Server wahrscheinlich in den nächsten Jahren grundlegend als wichtige Kommunikationsmöglichkeit erhalten verändern, wenn nicht die nächste Landtagswahl und so wie ich es sehe, wird diese Möglichkeit auch ge- (2010) wieder zu anderen politischen Verhältnissen nutzt. Allerdings ersetzt diese Kommunikationsplatt- und damit zu neuen Veränderungen oder zu einer form nicht „Präsenzphasen“, die es aus meiner Sicht Rückkehr in alte Verhältnisse führt. ���������������Deutlich begrü- unterstützend ebenfalls geben müsste. Durch einen ße ich die Ideen, in der Ausbildung Beratungs- und Wechsel des Bundeslandes zum Antritt einer festen Coachingsituationen deutlicher zu berücksichtigen Stelle (in NRW nicht unüblich, da eine Verbeamtung als bisher. Dazu sind allerdings die Rahmenbedingun- nur bis zum 35. Lebensjahr erfolgt und die TVL-Besol- gen noch vollkommen unklar. Hintergrund: In NRW dung nicht attraktiv ist) wird der Kontakt natürlich wird zur Zeit heftig um die Ausgestaltung der neuen sehr erschwert. Andere Referendare hingegen werden Rahmenbedingungen gerungen und im Sommer soll Ausbildungslehrerinnen und –lehrer oder bleiben zu- es neue Informationen geben. mindest räumlich erreichbar. Das geplante „Praxissemester“, das im neuen Mas- Sinnvoll wären Berufseingangsphasen an Schulen, ter-Studiengang in NRW eingeführt wird, sehe ich zur z.B. organisiert als Begleitung im ersten halben Jahr Zeit noch sehr zwiespältig, ebenso das „Assistenzprak- durch eine feste Vertrauensperson oder durch weniger tikum“. Das grundsätzliche Anliegen, praktische Ele- 119 Anselm Cypionka, Heike Hornbruch, Waltraud Kallenbach Journal of Social Science Education Stand, Probleme, Perspektiven der Ausbildung im Fachseminar SoWi Volume 8, Number 2, 2009, pp. 105–123

mente des Lehrerberufs schon viel früher einzubinden, Konstruktion eine hervorragende Institution, die die unterstütze ich, allerdings sind die mir bekannten Verbindung von Theorie und Praxis garantiert. bisherigen universitären Strukturen dafür nur bedingt Von der Universität würde ich mir wünschen, dass geeignet, weil die Praktika nicht hinreichend begleitet sie die fachdidaktischen Kompetenzen der Studieren- und nicht in das Studium integriert werden bzw. kei- den verlässlich in der Weise entwickelt, wie Anselm ne Strukturen vorhanden sind, die eine gezielte und Cypionka das so klar in seiner Antwort auf die Frage 4 persönliche Begleitung möglich machen. ����������Zudem wer- unter dem Stichwort „Systematische Konzeption von den auf die Schulen wiederum zusätzliche Aufgaben Unterricht“ beschrieben hat. zukommen, die diese kaum noch meistern können. Sehr viel verspräche ich mir im Übrigen von einer Als Unterstützung für unsere Arbeit wäre eine intensiven bewertungsfreien professionellen Beglei- Supervision für Fachleiterinnen und Fachleiter not- tung der jungen Lehrerinnen und Lehrer in der Berufs- wendig, ebenso institutionalisierte Formen der Fach- eingangsphase. leiterinnen- und Fachleiterkooperation sowie Koope- rationsformen zwischen erster und zweiter Phase der 14. Welche Fragen möchten Sie noch Ausbildung. beantworten? Was möchten Sie unseren Gleichzeitig müssten mehr Ausbildungsmöglichkei- Lesern noch sagen? ten geschaffen werden und nicht weniger, aus meiner Cypionka: Es ist sehr bedauerlich, dass fast gar keine Sicht behindert der Bedarfsdeckende Unterricht (BdU) der – wie ich fnde – gut ausgebildeten Lehrer in Thü- enorm den Ausbildungsunterricht, außerdem fehlt die ringen eingestellt werden. Die allermeisten wandern Möglichkeit, gezielt Coaching-Situationen anzubieten, in andere Bundesländer ab. Und das, obwohl absehbar die auch länger dauern können (beispielsweise eine ist, dass in einigen Jahren Lehrer in Thüringen gerade Woche und länger). auch im Bereich der politischen Bildung dringend ge- Kallenbach: In Hessen ist augenblicklich kein Kern- braucht werden. Für sehr gute Lehrer sollte dauernd praktikum vorgesehen. Mit der Umstellung der Leh- ein Einstellungskorridor geschaffen werden. rerausbildung auf die Modularisierung in der zweiten Hornbruch: Alle Fragen dieses Interviews sind „Op- Phase liegen zwei überaus anstrengende Jahre hinter timierungsfragen“. �����������������������������������Allerdings sind wir als Seminaraus- uns. Man kann an dieser Umstrukturierung sehr gut bilderinnen und Seminarausbilder in NRW inzwischen studieren, wie schwierig solche Veränderungen sind. durch wahrscheinliche Veränderungen in eine defen- Ob sie von Erfolg gekrönt sind, können wir jetzt noch sive Situation geraten. Reflektiere ich also in diesem nicht sagen. Es gab viel Unzufriedenheit unter Ausbil- Interview letztlich, wie in NRW eine bessere Ausbil- dern und Referendaren. Vor allem durch die künstliche dung unter demnächst wahrscheinlich schlechteren Zerlegung des Unterrichtsprozesses in einzelne Modu- Bedingungen aussieht? le und die permanente Bewertungssituation vom Be- Kallenbach: Die deutsche Schule muss besser werden ginn der Ausbildung an ist es schwieriger geworden, und die Beteiligten haben sich durchaus bereits auf eine vertrauensvolle und offene Atmosphäre herzu- den Weg gemacht. Die Lehrerbildung soll und kann stellen. Offenheit und Vertrauen aber sind unbeding- ihren Beitrag dazu leisten. In Hessen werden enorme te Voraussetzung in der Lehrerbildung, weil naturge- Anstrengungen unternommen, die zum Teil durchaus mäß auch die Persönlichkeit der Auszubildenden auf lohnend sind. Ich befürchte nur, dass bei der Reform dem Prüfstand (!) steht. Denn neben der fachlichen der Lehrerausbildung auch der Wunsch nach Kosten- Kompetenz kommt es in der Schule nicht unwesent- einsparung und die Forderung der europäischen An- lich auf die gute, wertschätzende Beziehung zwischen gleichung eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Und Lehrern und Schülern an. Die entsprechenden perso- bei einer Neuordnung verfolgen natürlich die beteilig- nalen Kompetenzen eines Lehrers/einer Lehrerin sind ten Institutionen und die gesellschaftlichen und poli- eine wichtige Voraussetzung, dass Lehren und Lernen, tischen Akteure auch ihre jeweils eigenen Interessen. Erziehen und Beraten gelingt. Ich kann mir nicht vor- Mit einer Veränderung ohne den intelligenten Ein- stellen, wie die Universität diese in höchstem Maße satz entsprechender Ressourcen (Manpower, Zeit und individuelle Arbeit mit und an der Person leisten Geld) und ohne die Wahrnehmung dessen, was sich könnte. Außerdem braucht diese Arbeit den „Ernstfall bei aller Kritik bewährt hat, wird die Qualität nicht des eigenverantworteten Unterrichts“ und die eigene grundlegend verbessert werden können. Ich blicke Erfahrung des Beratenden mit dem Ernstfall Unter- momentan eher skeptisch in die Zukunft. richt. Die Studienseminare sind in der ihnen eigenen Moderation: Tilman Grammes

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Tabelle: Referendariat in ausgewählten deutschen Bundesländern

Hessen NRW Thüringen Terminologie

Name des Schul- Politik und Wirtschaft - Gymnasium Sek. I: Politik/Wirt- Sozialkunde fachs am Gymnasi- schaft um und an anderen - Gesamtschule Sek. I: Gesell- Sekundarschulen schaftslehre (Erkunde, Geschichte, Politik) und Arbeitslehre/Wirt- schaft - Gymnasium und Gesamtschule Sek. II: Sozialwissenschaften und Sozialwissenschaften/Wirtschaft Fachseminar Fachmodul Politik und Wirt- Sozialwissenschaften Sozialkunde schaft - Modul 2; Modul 6/7; Modul 11/12; Modul 15 Allgemeines Es gibt jetzt einzelne verpflich- Hauptseminar Allgemeines Seminar Seminar tende Allgemeinpädagogische Module: “Erziehen, Beraten, Betreuen (EBB)”, “Diagnostizie- ren, Fördern, Beurteilen (DFB)”, “Microteaching”, “Medien und Methoden (MuM)”, “Schule mit- gestalten und entwickeln”. Referendar LiV = Lehrkraft im Vorbereitungs- Studienreferendar/ Studienrefe- Lehramtsanwärter dienst rendarin Fachleiter Allgemeinpädagogische Fach- Seminarausbilderin/ Seminaraus- Fachleiter leiterIn und FachdidaktikerIn bilder (in der Umgangssprache: (manche AusbilderInnen machen Fachseminarleiterin/ Fachsemi- beides) narleiter und Hauptseminarleite- rin/ Hauptseminarleiter) Mentor/Anleiter in Mentor / Mentorin ist nicht - Ausbildungslehrerin/ Ausbil- Mentor der Schule immer vorhanden. Ansonsten dungslehrer (Unterricht unter gibt an der Schule den/die Anleitung) „BBP-Betreuer / BBP-Betreuerin“ - Ausbildungskoordinatorin/ Aus- (Modul BBP - Beraten, Betreuen, bildungskoordinator (koordiniert Portfolio) die Ausbildung der Studienref. an der Ausbildungsschule) Organisation

Dauer des Referen- 2 Jahre Jetzt: 2 Jahre 2 Jahre; alle Studierenden, die dariats Ab 2011: 1 1/2 Jahre im Wintersemester 2007/2008 Für danach geplant: 1 Jahr (neu- ihr Lehramtsstudium nach dem es LABG in NRW, Mai 2009) Jenaer Modell aufgenommen ha- ben, werden nach dem 4. bzw. 5. Semester durch ein halbjähriges Praxissemster in die „Schulwirk- lichkeit“ eingeführt. Für diese Studenten wird sich das Refe- rendariat auf eineinhalb Jahre verkürzen. Modularisierung Ja Nein Teilmodularisiert

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Link zu den Ausbil- http://www.afl.hessen.de/irj/ http://www.studienseminar- http://www.sss.g.th.schule.de/ dungsplänen AfL_Internet?cid=f12649cb02f5d leverkusen.de/s2/ausbildung/ html/sozialkunde.htm 2c3a1e070652d37b0f0 fachseminare/arbeitsplaene/ arbeitsplan-sowi.pdf Kernpraktikum in Nein Ja ( ab 2011 bzw. 2015) Praxissemster ab Wintersemester der MA-Phase 2009/2010 (http://www.uni-jena.de/Praxis- semester.html) Fachseminar

Anzahl der Fachse- 10 25 Standorte (verteilt auf 5 2 für das Gymnasium, 2 für die minare im Bundes- Regierungsbezirke in NRW) Regelschule, eines für die Berufs- land schule. Gruppengröße Es kommen 6 -12 ReferendarIn- Wegen halbjährlicher Einstel- 2-6 nen pro Semester, d.h., bei 4 lung: Insgesamt 15-20 (d.h. Semestern sind es am Seminar vier verschiedene Jahrgänge in durchschnittlich 30-40 Referen- einer Gruppe möglich), eigenes darInnen. Wir haben an unserem Seminar ak������������������������tuell (ein Einstellungs- Studienseminar mit momentan termin): 7 insgesamt 240 ReferendarInnen einen Fachleiter und eine Fach- leiterin für das Fach Politik und Wirtschaft

Anzahl/Rhythmus halbjährlich in Hauptsemester 1 3 x im Monat, 2 Zeitstunden Unregelmäßig: reine Modultage, der Sitzungen und 2 jeweils 5-6 einzelne Termi- reine Fachseminartage, an denen ne à 2,5 Stunden und ein Fachtag jedes Fach ein Seminar abhält à 7 Stunden und Tage mit Fachseminar 1 Im Einführungs- und im Prü- oder 2 und einem allgemeinen fungssemester 3 Sitzungen à 3 Seminar Stunden

Bedarfsdeckender Ja, 12 Stunden Ja, Umfang: für ein Jahr 9 6-8 Stunden bedarfsdeckender Unterricht, Umfang jeweils in beiden Hauptseme- Stunden pro Woche, alternativ: Unterricht kann festgelegt stern, im Prüfungssemester 6 ein Jahr 7 Stunden, im letzten werden. Stunden Halbjahr 4 Stunden (Verpflich- tung insgesamt in zwei Jahren: 18 Stunden, daran soll sich auch nach der Verkürzung auf 1,5 bzw. 1 Jahr nichts ändern). Lehrproben/ Unter- Pro Halbmodul ein UB, pro - 5 Lehrproben pro Fach (+ 3 Be- 2 Benotete Lehrproben und ca. 5 richtsbesuche im Modul zwei UB, d.h. insgesamt suche im Hauptseminar, erfolgt Unterrichtsbesuche Fach 6 Unterrichtsbesuche während in der Regel gemeinsam mit des gesamten Referendariats im der Fachseminarleiterin/ dem Fach Politik und Wirtschaft. Fachleiter) Dazu kommen 5-6 Unterrichtsbe- - benotet: keine, benotet wird suche im zweiten Fach. die Gesamtentwicklung bezogen In den “Allgemeinpäda- auf die Entwicklung im Sinne gogischen Modulen” fallen 4-5 der Rahmenvorgabe für den weitere Unterrichtsbesuche Vorbereitungsdienst in NRW, vgl. an, die allerdings auch mit den http://www.studienseminar- fachdidaktischen Unterrichtsbe- leverkusen.de/s2/service/down- suchen zusammengelegt werden load-s2/rahmenvorgabe.pdf können.

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Kombination Ja Ja Ja SoWI/Geschichte zulässig? Zweites Staatsexamen

Zweite Staatsarbeit Offzielle Bezeich- Schriftliche Arbeit Hausarbeit Hausarbeit nung Anfertigungszeit- Im 3. Semester 3 Monate (paral- 3 Monate 3 Monate raum lel zum Unterricht) Umfang 30 Seiten + 10 Seiten Anhang Seitenzahlbegrenzung auf 30 Nicht genau festgelegt! Seiten (ohne Anhang) Gewichtung in der ein Zehntel ein Zehntel ein Zehntel Gesamtnote Öffentlich zugäng- Ja, wenn sie mindestens mit Gut Nein Nein lich bewertet ist. Prüfungslehrproben­ Ja, pro Fach eine Lehrprobe (je Ja, pro Fach eine Unterrichtsprak- Pro Fach eine unterrichtsprakti- im Fach ein Zehntel der Gesamtnote) tische Prüfung (je ein Zehntel sche Prüfung der Gesamtnote) Mündliche Prüfung Ja, im Rahmen einer Präsentation Ja, aber keine isolierte Fachprü- Als Einzelprüfung (Dauer eine im Fach/Fachdi- mit Kolloquium auf der Grundla- fung, sondern ein Kolloquium halbe Stunde) oder als Integrier- daktik ge eines am Prüfungstag erhal- von insgesamt einer Stunde te Mündliche Prüfung mit beiden tenen Fallbeispiels, das auf der Dauer, bezogen auf 10 allgemei- Fächern und dem allgemeinen Grundlage von 10 Praxisschwer- ne Themen, die das Studiense- Seminar (Dauer: 90 Minuten) punkten aus allen Modulen, die minar festlegt, (zwei Zehntel der der/die ReferendarIn eingebracht Gesamtnote) hat, aufbaut. Gewichtung für die Gesamtno- te insgesamt ein Zehntel der Gesamtnote. Link zum http://www.studienseminar- http://www.studienseminar- http://www.sss.g.th.schule.de/ Fachseminar ffm.de/modules/dok/item. leverkusen.de/s2/ausbildung/ html/sozialkunde.htm php?itemid=35 fachseminare/sozialwiss.htm

Abkürzungsverzeichnis AfL Amt für Lehrerbildung BAK Bundesarbeitskreis der Seminar- und Fachleiter/innen e.V. http://www.bak-online.de/ Bscl-Server Basic Support for Collaborative Learning - Server DVPB Deutsche Vereinigung für Politische Bildung e.V. http://www.dvpb.de/ GL/AL Gesellschaftslehre/Arbeitslehre LiV Lehrkraft im Vorbereitungsdienst SW/PK/WI Sozialwissenschaften (Politikwissenschaft, Soziologie,Wirtschaftswissenschaft)/ Politik/ Wirt- schaft Thillm Thüringisches Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien http://www. thillm.de/ TVL-Besoldung Besoldung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder

123 Journal of Social Science Education © JSSE 2009 Volume 8, Number 2, 2009, pp. 124–145 ISSN 1618-5293

Matthias Busch Anleitungen zur Unterrichtsplanung in sozialwissenschaftlichen Fächern Bereichsrezension aktueller fachdidaktischer Planungskonzepte

Abstract Die Bereichsrezension wendet sich aktuellen sozialwissenschaftlichen Planungsdidaktiken zu und untersucht kriteriengeleitet, inwiefern diese die Erkenntnisse und Forderungen der empirischen Bildungsforschung, der Lehr-Lernforschung und der Fachdidaktik aufgreifen und umsetzen. Es zeichnen sich in den Planungsdidaktiken vier unterschiedliche Ansätze ab, die erstens in Tradition zur fachsystematischen Inhalts- und Methodenpla- nung Walter Gagels stehen, zweitens Unterrichtsplanung handlungssystematisch anhand „selbstläufger Lern- wege“ entwickeln wollen, sich drittens werkorientiert konkreten Guten-Praxis-Beispielen zuwenden und vier- tens Unterrichtsplanung individualisieren und in die Hände der Lernenden legen. Gemeinsam ist den Ansätzen ein – entgegen den eigenen Ansprüchen – fehlender oder nicht ausreichend begründeter empirischer Nachweis der eigenen Planungsaussagen. Notwendig erscheint deshalb eine an berufsbiographischen Professionalisie- rungsprozessen und dem realen Planungsverhalten von Lehrkräften orientierte qualitative Planungsforschung.

The review turns current lesson planning concepts of social science education and it examines criterion-orient- ed, if they extent the current results and demands of empirical education research, learn research and social sci- ences education. Four different paradigms appear: the frst stays in tradition to the planning concept of Walter Gagel, the second tries to develop curricula, the third concentrates on good-practice examples and the fourth individualizes lesson planning and gives it into the responsibility of learners. Against their own requirements all schools neglect an empirical proof of their own planning statements. A qualitative planning research – ori- ented on biographic professionalization and real planning behavior of teachers – seems necessary.

Inhalt lich unvorbereitet den besten Unterricht geben könn- 1. „Bei der Vorbereitung bedenke der Lehrer….“ – zur te“ (ebd.), da „in dem freien Unterrichtsgespräch die aktuellen Bedeutung eines traditionellen Hauptge- Wahrscheinlichkeit liegt, auf ganz andere Gebiete zu schäfts der Fachdidaktik geraten, als ursprünglich vorgesehen waren“ (ebd.). 2. Planungsdidaktiken in aktuellen Publikationen der Da der Unterricht „sehr hohe Anforderungen in bezug politischen Bildung auf eine großangelegte Vorbereitung von langer Hand 3. Planungsdidaktiken in ausgewählten Publikatio- auf weite Sicht an den Lehrer stellt“ (ebd.), stelle sich nen der ökonomischen Bildung die Frage, „(w)ie (..) sich die Vorbereitung des Lehrers 4. Fazit: „Die Umstellung auf kompetenzorientierte für methodische Behandlungen eines bürgerkundli- Unterrichtsplanung steckt in den Anfängen“ chen Stoffes“ gestalten lässt (ebd. 431). 5. Literatur Planungsdidaktiken sind ein Teilbereich der Fach- didaktik, der sich mit dieser Frage der Methodologie Keywords des Planungsvorgangs – der Art des Vorgehens (modus Unterrichtsplanung, Planungsdidaktik, empirische Un- procedendi), nicht dem Gegenstand, dem „Wie“ und terrichtsforschung, Unterrichtsvorbereitung nicht dem „Was“ der Planung – zuwendet, um als hand- lungswissenschafliche Theorie aus „einer reflektieren- 1. „Bei der Vorbereitung bedenke der den wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Unter- Lehrer….“1 – zur aktuellen Bedeutung richtswirklichkeit (..) zu differenzierten und möglichst eines traditionellen Hauptgeschäfts der allgemeingültigen Aussagen“ (Wiater 2006, 683) zu Fachdidaktik gelangen. Um eine entsprechende Planungskompetenz Klagen über Schwierigkeiten, sozialwissenschaftlichen zu fördern, die sich in einem komplexen berufsbio- Unterricht zu planen, sind so alt wie das Fach. Die Ursa- graphischen Prozess aus theoretischen Erkenntnissen, che für die „unbefriedigende“ „praktische Gestaltung praktischen Erfahrungen, Handlungsroutinen, persön- und Durchführung dieses Unterrichtsgebietes“, so der lichen Fähigkeiten, Reflexionen und professionellen Berufsschul-Fachvorsteher Kettering (Kettering 1930, Grundeinstellungen entwickelt (vgl. Sandfuchs 2006, 428), wird stellenweise in „einem oft unbekümmerten 687), werden fachspezifsche Hinweise gegeben zu pädagogischen Dilettantismus“ (ebd.) gesehen. „Gar – Analyse und Auswahl des Sachgegenstandes, mancher“ Lehrer messe der Unterrichtsvorbereitung – Lernbedingungen, „wenig Zweck“ bei oder sei der Meinung, „daß er gänz- – Lehr- und Lernzielen, – Unterrichtsmedien, 1 Kettering 1930, 432. 124 Matthias Busch Journal of Social Science Education Rezensionen Volume 8, Number 2, 2009, pp. 124–145

– Artikulationsschemata und methodischer Gestaltung würden „entweder normativ behandelt3, ignoriert des Unterrichts, oder – in begrifflich-theoretischer Abwertung – der – Fragen der unterrichtlichen Interaktion und Kom- praxis- und beispielorientierten Prinzipien- und ‚Hin- munikation (vgl. Sandfuchs 2006, 688). tertreppenliteratur‘ überlassen“ (Reusser 2008, 220f.).4 In den bundesdeutschen Planungsdidaktiken2 sind „Allenfalls als ein ‚didaktisches Gewissen’, das eine seit den 1960er Jahren zwei didaktische Konzeptionen Idealkonstruktion von Unterricht, eine regulative dominierend gewesen: Idee gut geplanten Unterrichts in angehenden Leh- – erstens die bildungstheoretische Didaktik von rern verankern will oder soll, werden die Theoriemo- Klafki (Erstausgabe 1958), der Unterricht von der delle akzeptiert.“ (Wiater 2006, 683, zur Relevanz der Legitimation der Bildungsinhalte her entwickelt sozialwissenschaftlichen Planungsdidaktiken bei Lehr- (Primat der Inhaltsplanung) und kräften vgl. Breit/Harms 1990) – zweitens die lehr- bzw. lerntheoretische Didak- Die Klagen über den „unbefriedigende(n)“ Fach- tik oder das „Berliner Modell“ von Heimann/Otto/ unterricht (Kettering 1930, 428) sind indes nicht ver- Schulz (1965), die als „formale Konstanten“ des Un- stummt. Die������������������������������������������ Ergebnisse der empirischen Bildungsfor- terrichts die zwei Bedingungsfaktoren anthropolo- schung und der psychologischen Lehr-Lernforschung gisch-psychologische und sozio-kulturelle Voraus- weisen Grenzen des „traditionellen“ Unterrichts auf setzungen sowie die in Interdependenz stehenden und stellen seine Planbarkeit infrage (vgl. bereits Entscheidungsfaktoren Ziele, Inhalte, Methoden Glöckel 1977, 13). Für einen lernwirksamen Unterricht und Medien bestimmen. wird die Gestaltung individualisierter, handlungsori- Entwickelte Heimann sein Modell anfänglich im entierter, konstruktivistischer Lehr-Lernprozesse mit Rahmen des einsemestrigen „Didaktikums“ (dem entsprechenden Aufgaben- und Lernkulturen auf em- heutigen „Kernpraktikum“ vergleichbar) an der Päd- pirischer Basis gefordert (vgl. u.a. Helmke 2005; Klie- agogischen Hochschule Berlin noch empirisch als me/Rakoczy 2008, Kiper 2008, Meyer 2008). Instrument der Unterrichtsanalyse, wurden beide Auch für den Unterricht in sozialwissenschaftlichen Konzepte langfristig für die Unterrichtsplanung als Fächern konstatierte die mit der „empirischen Wende“ präskriptive Anforderungen rezipiert. ��������������In dieser Wei- seit Mitte der 1990er Jahre einsetzende qualitative Un- se prägten beide Modelle auch die fachdidaktischen terrichtsforschung fachliche Mängel, die sie unter ande- Planungskonzepte. Für����������������������������������� den Unterricht in sozialwissen- rem am Befund eines „unpolitischen Politikunterrichts“ schaftlichen Fächern war hier vor allem Walter Gagels festmachte (vgl. Massing/Weißeno 1995; Grammes Inhalts- und Methodenplanung bestimmend, die er in 1998; Henkenborg/Kuhn 1998). Im Zuge der Schulleis- einer ersten Fassung 1967 vorlegte und in mehreren tungsstudien wurden auch in den sozialwissenschaft- Auflagen ausarbeitete (vgl. Gagel 1967a, 1983, 1986, lichen Fächern Kompetenzen und Bildungsstandards 2000). Ihr „Kern“ bildet die Zielklärung mit Thematisie- eingeführt (vgl. GPJE 2004, DEGÖB 2004, 2009) und rung, Begründung, Strukturierung und der Bestimmung das Augenmerk auf individuelle Bildungsgänge ge- des Implikationszusammenhangs (Gagel 1986). legt. Ausbilder der zweiten Phase weisen auf Schwie- Als dritte Konzeption bestimmte die aus den USA rigkeiten angehender Lehrkräfte hin, beispielsweise adaptierte Curriculum-Methodologie die 1970er Jahre fachdidaktische Perspektiven zu entwickeln, Lernende mit dem Versuch, alle Lernziele, Inhalte und Prozes- an der Planung zu beteiligen oder die drei Disziplinen se in einem Gesamtkonzept von Unterricht präzise zu des Faches sinnstiftend zu integrieren (vgl. Cypionka/ benennen (vgl. Robinsohn 1972; George 1972) und für Hornbruch/Kallenbach 2009, in diesem Heft). die sozialwissenschaftliche Bildung teilweise aufwen- Zu fragen ist, ob und wie die Fachdidaktik die viel- dig erprobte Unterrichtsmodelle zu entwickeln (vgl. seitigen Erkenntnisse und Forderungen in aktuellen Holtmann 1972, Wulf 1973). ��������������������������Ihr Scheitern an den über- Planungstheorien aufgegriffen hat. Hierzu werden zogenen Ansprüchen könnte mit dazu beigetragen ha- in einer Bereichsrezension Planungsdidaktiken unter- ben, dass die Unterrichtsplanung in den darauffolgen- sucht, die in den letzten sechs Jahren in Handbüchern, den Dekaden an Bedeutung in der fachdidaktischen Diskussion verlor. Aktuell gilt die Innovationskraft der allgemeindi- 3 Zur Kritik an der normativen Didaktik vergleiche deren Dekons- daktischen Konzeptionen als „erlahmt“ (vgl. Reusser truktion bei Blankertz (1969) und im einschlägigen „Feuerwehr- 2008, 220). Stagnation und fehlende Theorieent- beispiel“, das Lenzen (1980) darstellt (zur Anwendung ������norma- tiver Planungsdidaktiken in der Unterrichtspraxis siehe auch: wicklung werden konstatiert. Lehr-Lernprozessfragen Lenzen 1979). 4 Inwieweit der Befund zutreffend ist, müsste anhand aktueller allgemeindidaktischer Einführungen in die Unterrichtsplanung, die an dieser Stelle nicht weiter betrachtet werden können, un- tersucht werden, siehe unter anderem Peterßen 2006, Becker 2 Zur Planungsdidaktik in der DDR als Versuch zentraler SteueSteue-- 2007, Esslinger-Hinz u.a. 2007, Plöger 2008, Meyer 2009; im eng- rung des Unterrichts vgl. Grammes/Schluss/Vogler 2006, S. lischen Sprachraum Butt 2006, Ryan/Serdyukov 2008, Haynes 154ff. und 161ff. 2007, Helterbran/Jalongo/Rieg 2007, Walker 2008. 125 Matthias Busch Journal of Social Science Education Rezensionen Volume 8, Number 2, 2009, pp. 124–145

Fachdidaktiken und Kompendien der politischen und halts- und Methodenplanung durch Kompetenzen ökonomischen Bildung veröffentlicht wurden.5 Die und Bildungsstandards? Welche Bedeutung gewin- Analyse orientiert sich dabei an Kriterien, die sich aus nen individuelle Bildungsgänge in der Unterrichts- den aktuellen Forderungen der empirischen Unter- planung? Wird die Kompetenzorientierung „zum richts- und Bildungsforschung speisen: phänomenologisch-diagnostischen Ausgangspunkt (a) Verständnis von Unterrichtsplanung: Von welchem der Unterrichtsplanung“ (Meyer 2008, 122)? Planungsbegriff gehen die Autoren aus? ���������Wird Pla- (d) Einfluss der Lernerperspektive auf die Unterrichtspla- nung als linearer, zirkulärer oder iterativer Prozess nung: Die Erkenntnisse der empirischen Lern- und verstanden? Wird sie als „Geheimnis“ (Witzenba- fachdidaktischen Unterrichtsforschung haben die cher 1994, 11), „Handwerk“, „Routine“ oder „Kunst“ Wahrnehmung der individuellen Lernvoraussetzun- betrachtet? �����������������������������������Welche der Ebenen von Prozess-, Um- gen und Alltagsvorstellungen für den Lernprozess riss-, Perspektiv- und Schulzeitplanung nehmen die – erneut – geschärft (vgl. Schelle 1995). Da Lernen Planungstheorien in den Blick (Wolfgang Schulz, als selbstregulierter, aktiver Konstruktionsprozess vgl. Geißler 1995, 640f.)? Beziehen sich die Pla- begriffen wird, wäre „auf Grund des wissenschaft- nungsdidaktiken verkürzt auf die präzeptive Pla- lichen Erkenntnisstandes“ eine „zunehmende Ler- nung vor dem Unterricht oder werden auch das nerorientierung“ zu erwarten (Albisser/Baer 2009, (Planungs-)Handeln während und nach dem Unter- 101). Inwieweit berücksichtigen fachspezifsche richt – Diagnostik, pädagogischer Takt, „situative Planungskonzepte mit entsprechenden Diagnosein- Unterrichtsplanung“ (Mühlhausen 1994) – konzep- strumenten und Modellen die Alltagsvorstellungen tionell berücksichtigt? und Lernerdidaktiken der Schülerinnen und Schü- (b) Methodologischer Status der Planungsdidaktik: Das ler? Wie werden die „Schülerpläne“ (Mühlhausen Kriterium fragt nach dem Stellenwert der „empiri- 1989) und die Heterogenität der Lerngruppe (siehe schen Wende“ in der normativen Planungstraditi- Kiper 2008) in der Lehrerplanung berücksichtigt? on. Inwieweit trifft die Kritik an den Lernziel- und (e) Akteure der Unterrichtsplanung: Auch unter poli- Bildungstheoretikern, die Unterrichtsplanungskon- tikdidaktischen Aspekten interessant ist, wer in zepte seien „präskriptiv“ und „nicht oder jedenfalls den Planungsdidaktiken den Unterricht plant. Ist nicht ausreichend durch empirische Forschung ab- es die einzelne Lehrkraft, die zuhause ihren Unter- gesichert“ (Sacher u.a. 1992, 1; ebenso bereits Fina richt vorbereitet? Partizipieren die Lernenden an 1973, 107), noch auf die aktuellen Planungsdidakti- der Planung (vgl. u.a. Boettcher 1976, Mühlhausen ken zu?6 In welchem Verhältnis stehen normative 1986), indem sie mit der Lehrkraft gemeinsam oder Planungsaussagen und deren empirische Begrün- allein Unterrichtsvorhaben planen? �������������Findet Unter- dung? Welchen����������������������������������������� Stellenwert besitzen Unterrichts- richtsplanung mit anderen Kollegen beispielsweise beispiele? Sind sie illustrative Ergänzung oder Aus- in professionellen Praxisgemeinschaften oder im gangspunkt für die Theoriebildung? Konzept der „Lesson Study“ statt (Lewis 2004, sie- (c) Stellenwert der Kompetenzorientierung: Das Kriteri- he auch Helterbran/Jalongo/Rieg 2009), wie es in um zielt auf die Konsequenzen, die sich aus der For- der aktuellen Unterrichts- und Schulentwicklung derung eines kompetenzorientierten Unterrichts für empfohlen wird (vgl. Horster 2009)? die Unterrichtsplanung ergeben. Es������������������ besteht weitge- (f) Varianz von Unterrichtsformen: Offene Lernarran- hend Einigkeit darin, dass ein kompetenzorientier- gements und handlungsorientierte Bauformen ter Unterricht „sich auch in Revision Didaktischer gelten als Voraussetzung für einen lernwirksamen Modelle zeigen müsse“ (Lange, 2005, 7). Wie werden Unterricht neben dem „traditionellen“ Lehrgangs- neben einer neuen Aufgabenkultur beispielsweise unterricht, ohne dass bisher empirische Befunde distale (langfristige) und proximale (nahegelegene) Aufschluss darüber geben können, wie ein solches Kompetenzen sinnvoll in der Zeit aufeinander bezo- „Mischwald“-Modell (Hilbert Meyer) lernproduktiv gen (vgl. Lange 2005)? Wie wandeln sich Ziel-, In- ausgestaltet sein könnte (vgl. Meyer/Meyer 2008). Entwickeln die Planungsdidaktiken für die offenen 5 Die im Folgenden rezensierten Publikationen gehen weitgeweitge-- Unterrichtsformen eine veränderte Planungstheo- hend auf den Unterricht in den Sekundarstufen ein. Für Pla- rie (siehe Kiper 2008)? In welchem Verhältnis ste- nungskonzepte speziell zum interdisziplinären Sachunterricht hen angesichts des veränderten Unterrichtsbildes in der Grundschule siehe: Kahlert 2005, Kaiser/Pech 2006, Lehrgang, offene Unterrichtsformen und individu- Schneider 2007, Kaiser 2008. 6 Explorative Untersuchungen zum Planungsverhalten von LehLeh-- alisiertes Lernen in den Planungsdidaktiken? renden liegen für unterschiedliche Fächer (siehe u.a. Mischke (g) Berücksichtigung des integrativen Fachcharakters: u.a. 1983, Wengert 1989, Sacher u.a. 1992, Sacher /Georgii/ Das Fach Sozialwissenschaften integriert je nach Schwindt 1994, Seel 1996, Haas 1998, Jonas-Ahrend/Wilbers Ausgestaltung in den einzelnen Bundesländern und 2008) und begrenzt auch für die sozialwissenschaftlichen Fä- Schulformen mit Politik, Ökonomie und Soziologie cher vor (Holzmann 1978, z.T. Hoffmann 1987, Poschardt 1979, Grammes 1993a, Grammes 1993b, auch Heymann/Wiemers – aber auch Recht, Geschichte oder Geographie – un- 2007). terschiedliche Teilbereiche. Lehrkräfte stehen vor 126 Matthias Busch Journal of Social Science Education Rezensionen Volume 8, Number 2, 2009, pp. 124–145

der Herausforderung, in ihrem Unterricht die un- und Leitdisziplin der politischen Bildung beschäftigen, terschiedlichen Fachmethodiken und -traditionen die im Schlusskapitel behandelt werden. zu repräsentieren. Fachspezifsche Planungsdidak- Detjen misst von den vier Planungsebenen nach tiken können daher auch darauf untersucht werden, Wolfgang Schulz der Umrissplanung die größte Be- inwieweit sie den Integrationscharakter des Faches deutung zu, da „ihr Konkretisierungs- und Verbind- und seine Teilbereiche konzeptionell berücksichti- lichkeitsgrad noch so allgemein (seien), dass der Un- gen. Wird das Fach in seinen Planungskonzepten terrichtsvollzug flexibel gestaltet werden kann“, „ein auf einen „Kern“, beispielsweise „Politik“, reduziert Mitsteuern durch die Lernenden verträgt“ und „genü- oder werden sinnvolle Verbindungen und Perspek- gend Zeit zum systematischen Bedenken aller Struk- tiven zwischen den Teilbereichen aufgezeigt? turmomente des Unterrichts“ verbleibe (401). Das Sucht man nach geeigneten sozialwissenschaftlichen „Mitsteuern“ der Lernenden, das Detjen an anderer Planungsdidaktiken, zeigt sich bereits, dass die Pla- Stelle durchaus fachdidaktisch begründet (vgl. 336), nungsmodelle zumeist der politischen oder ökonomi- wird hier allerdings weder fachdidaktisch qualifziert schen Bildung verpflichtet sind.Wechselseitige �������������������� Inte- noch im weiteren Planungskonzept spezifziert. Es gration, die beispielsweise „Wirtschaft als Bestandteil bleibt ein „blindes Motiv“ (Sibylle Reinhardt, s.u.). der politischen Bildung“ (Detjen 2007, 289) begreift, Bei den Planungsprinzipien greift Detjen auf das oder eine Ausblendung der anderen Teildisziplin prä- Modell der lehrtheoretischen Didaktik und – ohne die gen das Bild7 (siehe unten). Aus diesem Grund wird Spannung aufzulösen oder zu begründen – auf das bil- die Aufteilung der rezensierten Publikationen in Pla- dungstheoretische Primat der Inhaltsplanung zurück nungsdidaktiken der politischen und ökonomischen und übernimmt das Planungsschema von Gagel mit Bildung – eine Planungsdidaktik speziell der soziolo- den drei „Teilschritten“ der Inhaltsplanung: gischen Bildung lässt sich aktuell noch nicht erkennen – Thematisierung einschließlich der Zielformulierung – im Folgenden zunächst beibehalten. als „vielleicht wichtigste Planungsaufgabe“, – Begründung des Themas unter Berücksichtigung 2. Planungsdidaktiken in aktuellen der Kriterien Betroffenheit und Bedeutsamkeit und Publikationen der politischen Bildung – Strukturierung des Gegenstandes beispielsweise un- Detjen, Joachim. 2007. Politische Bildung. Geschichte und ter Herausarbeitung des Problemhaltigen, der Kon- Gegenwart in Deutschland. München/ Wien: Oldenbourg. flikthaftigkeit und der institutionellen Verfasstheit Joachim Detjen, Professor für Politikwissenschaft der Politik (401f.); und Politische Bildung an der Katholischen Universität sowie bei der anschließenden Methodenplanung die Eichstätt-Ingolstadt, erläutert die Prinzipien zur Un- Klärung terrichtsplanung im vorletzten Kapitel seiner knapp – der Zugangsweise mit Medien und Arbeitsmitteln, 500 Seiten umfassenden „Synthese“ (XIII) zur Ge- – der Arbeitsweise mit Methoden, Handlungs- und So- schichte und Gegenwart der Politischen Bildung auf zialformen und sieben Seiten – erstaunlich knapp angesichts seiner – der Verlaufsplanung zur Strukturierung eines Einschätzung, Unterrichtsplanung als kriteriengeleite- „zielorientierten und sachlogisch gestuften te „gedankliche Tätigkeit, die antizipiert, was später Lernprozess(es)“ (403). im Unterricht realisiert werden soll“ (398), gehöre zu Die einzelnen Planungsschritte werden fachdidak- „den zentralen didaktischen Aufgaben eines jeden Leh- tisch nicht erläutert oder durch Planungsbeispiele rers“ (ebd.). Die Ausführungen sollen vor allem den veranschaulicht. Die Ausführungen bleiben damit „Praktikern der politischen Bildung (…) Hinweise für leerformelhaft und für die Unterrichtspraxis wenig die Unterrichtsplanung“ geben (XIII). Unterrichtspla- aufschlussreich, da es gerade nicht „ohne weiteres nung könne dem Lehrer nicht abgenommen werden, einleuchtend (ist), dass jeweils eigene Ablauflogiken da das Selbstverständnis der politischen Bildung, jun- das Informieren über politische, gesellschaftliche und gen Menschen das selbstständige politische Denken ökonomische Sachverhalte, das Analysieren und Beur- und Handeln zu vermitteln, es verbiete, als Lehrer „in teilen von Politik, das Untersuchen politisch-gesell- geistiger Abhängigkeit von Vordenkern“ (ebd.) zu schaftlicher Phänomene, das gemeinsame Herstellen verharren. „Wenn die Studierenden von heute als zu- von Produkten mit Bezug zur Politik und Gesellschaft künftige Lehrer mehr sein wollen als nur Handwerker, sowie das simulative Nachspielen von Alltagssitua- die Rezepte anwenden“ (XIII), sollten sie sich darüber tionen und politischen Entscheidungsprozessen be- hinaus mit Fragen der Politikdidaktik als Wissenschaft stimmen“ (403). Die Möglichkeit wird verschenkt, auf vorangegangene Kapitel oder eigene Unterrichtspla- nungen zu verweisen. Die Feststellung, „das anvisierte Unterrichtsergeb- 7 Bemerkenswerterweise nennt der Artikel zur UnterrichtsplaUnterrichtspla-- nis sollte einen Beitrag zur Kompetenzentwicklung nung im Wörterbuch Ökonomische Bildung als einzige Literatu- rempfehlung die Politik-Didaktik von Sibylle Reinhardt (2005) der Lernenden leisten“ (401), kann kaum als ernsthafte (vgl. Weber 2008). Anleitung zur Planung eines kompetenzorientierten 127 Matthias Busch Journal of Social Science Education Rezensionen Volume 8, Number 2, 2009, pp. 124–145

Fachunterrichts gewertet werden. ����������������Aktuelle empiri- nen Kapiteln detailliert didaktisch und methodisch sche Forschungsergebnisse der Schulleistungsstudien erläutert wurden. Die fachdidaktischen Erkenntnisse – wahrgenommen als äußerer „Druck“ (400), der auf helfen, die Planungsideen zu ordnen und zu systema- Unterricht einwirkt – dienen Detjen zwar als Exempel tisieren, indem „der Lehrer relativ frühzeitig prüft, für soziokulturelle Voraussetzungen, werden jedoch welches fachdidaktische Prinzip er intuitiv verfolgt nicht konstruktiv in das Planungskonzept einbezogen. hat oder durch Umkonstruktionen seiner Einfälle und Eine fundierte Planungsdidaktik in der angekündigten Möglichkeiten verfolgen möchte“ (212): „umfassenden (…) Darstellung“ (XIII) bleibt der Autor „Weiß ich rasch, dass ich einen kommunalpolitischen damit schuldig. aktuellen Vorgang entweder als Konfliktanalyse oder Problemstudie anlegen möchte, gibt die klare innere Anders als Detjen strebt Sibylle Reinhardt, emeritier- Dynamik dieser Methode der weiteren Planung ihren te Professorin für die Didaktik der Sozialkunde an der roten Faden und das entsprechende Prinzip hilft mir Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, keine ge- auch bei der fortschreitenden fachlichen Durchdrin- schlossene Planungsdidaktik an, sondern entwickelt gung des Gegenstandes.“ (222) aus ihren eigenen Unterrichtserfahrungen „Kommen- Während „die Logik des Lehrgangs die des Lehrers tare, Anregungen und Tipps und Tricks“ (211) zur Un- bzw. der von ihm repräsentierten Sache“ sei, verfüg- terrichtsplanung auf 23 Seiten im Schlusskapitel ihrer ten die „selbstläufgen Lernwege“ über eine „innere Politikdidaktik: Dynamik (…) aus der – gewissermaßen sich selbst Reinhardt, Sibylle. 2005. Politik-Didaktik. Praxishand- entwickelnden – Auseinandersetzung von Lernenden buch für die Sekundarstufe I und II. Berlin: Cornelsen mit dem Gegenstand“ (223). „Die Art des Lernens Scriptor. der Lernenden ist ihre Logik, die die Flüssigkeit des Wurden zuvor fachdidaktische Prinzipien und Ver- Prozesses verursacht“ (ebd.) – ein Ansatz, der in einer fahren mit zahlreichen Beispielen erläutert, themati- anderen Planungsdidaktik zentral werden wird (siehe siert sie abschließend vier ausgewählte Aspekte der unten Janssen 2008). Dabei wendet sich Reinhardt Unterrichtsplanung: nicht grundsätzlich gegen den Lehrgangsunterricht, – den Stellenwert normativer Richtlinien für die Ziel- auch wenn dieser häufg mit enger Lehrerlenkung und und Inhaltsplanung, geschlossenen Schüleraktionen assoziiert werde. Dass – die Rolle der fachwissenschaftlichen Fortbildung sich verbunden mit entsprechenden fachdidaktischen des Lehrers, Mikromethoden ein schüleraktiver, nachhaltiger Un- – die Bedeutung der Lernbedingungsanalyse für die terricht planen lässt, zeigt die Autorin an einem selbst Unterrichtsgestaltung und durchgeführten Unterrichtsbeispiel zum Themenfeld – unter dem Begriff „Berufswissen“: Fragen der In- „Wirtschaft“ in einer neunten Klasse. szenierung und Materialauswahl. Allerdings beobachtet Reinhardt auch, dass das Planung ist für die Autorin ein zirkulärer, „andau- Konkretisieren von Lernzielen in der Praxis oft zu ernder Prozess, in dem Einfälle, Intuitionen, Recher- „langweilig-konventionell“ verfassten Zielen führe, die chen, Diskussionen, Lektüren und Entscheidungen „entgegen allen Überzeugungen von Mündigkeit und sich abwechseln“ (211). Die lineare Verschriftlichung entsprechenden Kompetenzen“ nur noch „unkontro- biete hierbei „eine Checkliste (…), die dem Hin- und verse ‚Fakten’“ zu vermitteln vorgäben (213). Ob diese Herdenken ein sicherndes Gerüst“ (212) gebe. Gelin- Schwierigkeiten tatsächlich „nur mit einem Mangel an ge es schließlich, einen in sich stimmigen Plan zu ver- Routine“ (ebd.) zu erklären und mit einer “Liste von fassen, stelle dieser „ein kleines Kunstwerk“ (228) dar. Operatoren” (ebd.) zu bewältigen sind, wie Reinhardt Unterrichtsplanungen hält Reinhardt für „das Kapital vermutet? des Lehrers“ (223). Durch ihre ständige Verbesserung Aufschlussreich erscheinen die Ausführungen zu den aufgrund von Unterrichtserfahrungen erhalte er all- Lernbedingungen, welche Reinhardt exemplarisch am mählich einen „Schatz an schnell verfügbaren Vorbe- Einflussfaktor „Geschlecht“ erläutert. Sie macht deut- reitungen“ (ebd.)8. lich, dass die notwendige Analyse der Lernbedingun- Eine große Bedeutung bei der Unterrichtsplanung gen erst dann sinnvoll ist, wenn aus ihr Konsequenzen misst Reinhardt den fachdidaktischen Prinzipien und für die Unterrichtsgestaltung folgen. Sonst bleiben den „selbstläufgen Lernwegen“ wie dem Planspiel sie „blinde Motive“ (228). Wissenschaftliche Erkennt- oder der Bürgeraktion zu, die in den vorangegange- nisse sollten niemals als Aussage über eine spezifsche Lerngruppe gewertet werden. Vielmehr haben sie 8 Einen entsprechenden „Schatz“ pflegt die Autorin mit der in ih- „den Status von Augenöffnern“ und „benennen Mög- rem „didaktischen Koffer“ veröffentlichten Link- und Material- lichkeiten für die konkrete Beobachtung“ (222). sammlung mit Unterrichtseinheiten und Forschungsprojekten Für eine neue Auflage der Politik-Didaktik wäre es im Internet unter http://www.zsl.uni-halle.de/didaktischer- wünschenswert, wenn Reinhardt ihre praktikablen, koffer/. Ähnlich auch das Konzept in Reinhardt/Richter 2007 mit durchgängigen – in der Umsetzung unterschiedlich gelun- aber fragmentarisch bleibenden „Anregungen und genen – Unterrichtsbeispielen. 128 Matthias Busch Journal of Social Science Education Rezensionen Volume 8, Number 2, 2009, pp. 124–145

Tipps“ zu einer sich abzeichnenden systematischen für diagnostisch ausgerichtete Arbeitsphasen wie das Planungsdidaktik verknüpfte. Brainstorming oder Concept-Mapping vorgestellt. Die unterschiedlichen Aspekte seines didaktischen Wie Reinhardt hat auch Wolfgang Sander, derzeit Pro- Ansatzes „übersetzt“ Sander abschließend mit Hilfe fessor für Didaktik der Politischen Bildung an der von Planungsfragen in ein überzeugendes „Planungs- Universität Wien, seiner Fachdidaktik – allerdings erst schema“ für die „alltägliche Vorbereitung schulischer ab der zweiten Auflage (2007) – ein abschließendes Lernarrangements“ (241). Kapitel zur Planung von Lernangeboten auf knapp 20 Um konkrete Lernsituationen zu planen, unterschei- Seiten hinzugefügt: det der Autor in Anlehnung an Aebli (1983) analytisch Sander, Wolfgang. 2008. Politik entdecken – Freiheit le- zwölf Grundsituationen des Lernens, ohne ihre Aus- ben. Didaktische Grundlagen politischer Bildung. 3. Auf- wahl herzuleiten oder näher zu begründen. „Sie legen lage. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. (Erstauflage Lehrenden die Perspektive nahe, bei ihren Planungs- 2001) überlegungen die Settings jedes Arbeitsabschnitts Ausgehend von den Erkenntnissen der konstrukti- konsequent unter dem Aspekt zu reflektieren, in wel- vistischen Lernforschung erscheint dem Autor eine che Situationen Lernende dabei gebracht werden, was geschlossene „Theorie der Lernplanung (…), die we- sie darin tun und welche Lernmöglichkeiten sich hier- sentliche Fragen der Unterrichtsplanung auf wissen- bei eröffnen sollen.“ (201) Aufgeführt werden unter schaftlich gesicherte Weise in einem systematischen anderem: und konsistenten Zusammenhang klärt, als wenig rea- 1. Recherchieren: Man kann etwas über Politik lernen, listisch“ (2001, 30). Die „Vorstellung von der einzelnen indem man sich aus Quellen über Politik informiert. Unterrichtsstunde als einer Art von didaktischem Ge- (…) samtkunstwerk im Miniformat, in dem sich mehrere 2. Miteinander sprechen: Man kann etwas über Poli- Arbeitsphasen, gestufte Lernfortschritte und Ergeb- tik lernen, indem man in Gesprächen mit anderen nissicherungen nachweisen lassen“ (230) sei überholt. Menschen Wissen austauscht. (…) Dagegen führe der „notwendige Abschied von der Il- 3. Etwas darstellen: Man kann etwas über Politik ler- lusion der Steuerbarkeit des Lernens“ (227) zu einem nen, indem man anderen etwas über Politik präsen- neuen Verständnis von Unterrichtsplanung: „Kernge- tiert. (…) schäft einer modernen Schule ist (…) die absichtsvolle, 8. Probehandeln: Man kann etwas über Politik lernen, kontinuierliche und mittel- bis längerfristig angelegte indem man politische bedeutsame Situationen si- Förderung des Lernens in professionell geplanten di- muliert. daktischen Settings“ (230f.). 9. Üben und Wiederholen (…) Konsequent konzentriert der Autor seine Planungs- 12. Selbstreflexion (202-212). überlegungen daher auf größere Lernvorhaben und Der Autor räumt ein, dass die zwölf Lernsituationen nicht auf Einzelstunden. Die�������������������������� Organisation von Lern- nicht charakteristisch für die politische Bildung sind, angeboten lasse sich hierbei grundsätzlich in die drei auch wenn ihr „Gesamtbild (…) die Besonderheiten Phasen „Einstieg“, „Erarbeitung“ und Schluss“ unter- des Gegenstandsbereich Politik“ spiegele (201). Auch teilen. Besondere Aufmerksamkeit beanspruche die die Phaseneinteilung in „Einstieg“, „Erarbeitung“ und Einstiegsphase, da hier Thema, methodisches Vorge- „Schluss“ bleibt fachlich unspezifsch. Es verwundert, hen und Ziele gemeinsam mit den Lernenden entwickelt dass Sander an dieser Stelle das eingeforderte Fach- werden sollten, um Transparenz und Zielklarheit zu ge- profl so schnell aufgibt, nachdem er zuvor konstatier- währleisten. ����������������������������������������Über die genaue Vorbereitung dieser „ko- te, „Fächer konstruieren ihren Gegenstand (…) durch operativen Planungsphase“ hinaus, sei eine „gewisse die Art der Fragen, die sie an die Welt stellen, und ‚Unschärfe‘, die Raum für flexibles Reagieren lässt und durch die Konzepte, mit denen sie Antworten suchen“ mögliche Alternativen mit bedenkt, durchaus produk- (61). ��������������������������������������������������Dabei deutet sich in Sanders eigenem illustrieren- tiv“ (230). Schlüssigkeit und Transparenz seien für die dem Unterrichtsbeispiel eine mögliche und sinnvolle Strukturierung des Lernprozesses entscheidend. Am Proflierung des sozialwissenschaftlichen Methoden- Ende der Unterrichtseinheit sollte das Lernvorhaben repertoires durchaus an: In einem Jenaer Oberstufen- gemeinsam rekapituliert und evaluiert werden. kurs führte der Autor 1996 ein „Lernvorhaben zum Da die Kompetenzentwicklung das wichtigste Krite- Themenfeld ‚DDR‘“ durch (229). Aus�������������������� einer Brainstor- rium für den Erfolg von Lernangeboten sei und sich ming-Phase, in der die Schüler ihre Interessen und Vorstellungen von der Homogenität der Schüler als Vorstellungen einbringen können, werden vier The- illusorisch erwiesen hätten, legt der Autor besonde- menbereiche (Jugend in der DDR, Politik in der DDR, ren Wert auf eine Analyse der Lernausgangslagen und Wirtschaft in der DDR, die Wende und das Ende der eine an ihr orientierte, individualisierte Aufgabenkul- DDR) entwickelt, die die Lernenden in Gruppen erar- tur. Für die alltägliche Diagnostik werden Möglichkei- beiten und im Plenum präsentieren. Eine Exkursion ten wie ein „diagnostisches Tagebuch“ und Methoden zu einer ehemaligen Bezirkszentrale des Ministeriums für Staatssicherheit auf Wunsch der Schüler und eine 129 Matthias Busch Journal of Social Science Education Rezensionen Volume 8, Number 2, 2009, pp. 124–145

Klausur als Leistungsüberprüfung schließen das ge- griffen – eine „Typologie des Politischen“ (7) ergeben meinsam geplante Lernvorhaben ab. Abgesehen von könnten: den überraschend konventionell und stofforientiert – Schlüsselprobleme der Gesellschaft, wirkenden Themenbereichen – Sander erkennt „na- – Aktuelle politische Konflikte, hezu alle relevanten Stichworte (…), die auch Lehrpla- – Politisch empörende Ereignisse und nautoren eingefallen sind“ (229), ohne das Vorgehen – Politisch bedeutsame Institutionen und Organisatio- oder die Planungstheorie hierauf kritisch zu reflektie- nen. ren – zeichnet sich der sozialwissenschaftliche For- Für jeden Inhaltsbereich – laut Janssen fachwissen- schungszyklus im Unterrichtsverlauf ab. Eine weiter- schaftlich fundiert, von ihm allerdings anhand eige- gehende fachspezifsche Proflierung der bisher noch ner Erfahrungen und Erkenntnisprozesse kaum mehr allgemeindidaktischen Grundsituationen des Lernens, als biographisch begründet – formuliert der Autor ein Aufgabenformen und Lernsettings scheint damit an- einheitliches Analyse- und Planungsschema im Sinne gelegt. Umso mehr verwundert die skeptische These, eines Artikulationsschemas. Angeleitet mit entspre- dass „der schlüssige Nachweis eines aus sachlichen chenden Leitfragen führten die Planungsmethoden oder didaktischen Gründen zwingenden Zusammen- „zu einer klaren Strukturierung politischer Lehr- und hangs zwischen Thementyp und Lernweg“ nicht ge- Lernwege – ihre wiederholte Anwendung ‚überführt‘ lingen könne (239). die Aufgabe der Unterrichtsplanung in einen Prozess rationeller und reflektierter Routine“ (8). Genau diesen Nachweis versucht Bernd Janssen, Pro- Den Inhaltsbereich „Aktuelle politische Konflikte“ fessor für Schulpädagogik an der Leibniz-Universität strukturiert Janssen beispielsweise mit den vier Leit- Hannover, zu erbringen: fragen Janssen, Bernd. 2008. Methodenorientierte Politikdidak- – Worum wird politisch gestritten, und wer ergreift wel- tik. Methoden zur Sachanalyse und Unterrichtsplanung. che Partei?, 3. Auflage. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. (Erste – Wie ist der Konflikt entstanden, und wo ist meine Posi- Fassung 1986) tion im Streit konkurrierender Interessen?, Während vorhandene Planungsdidaktiken aus Sicht – Welche Möglichkeiten haben die Konfliktparteien, ihre des Autors Gefahr laufen, eine „Produktionsstätte Interessen durchzusetzen?, pädagogischer Illusionen“ (12) zu sein, verspricht – Welche Kompromisse sind möglich, und wie sind diese Janssen in seiner, seit 1986 in vierter Fassung mit politisch zu beurteilen?. wechselnden Titeln publizierten „Methodenorientier- Zum Inhaltsbereich „Politisch empörende Ereignisse“ ten Politikdidaktik“ (MPD) (Janssen 1986, 1992, 1997, zählt Janssen unter anderem Anschläge auf Angehö- 2002) ein alltagstaugliches Konzept zur Themenwahl, rige von Minderheiten, die Ermordung von Politikern Sachanalyse und Unterrichtsplanung. Die Theorien oder Bestechungsvorgänge. Anhand entsprechender der politischen Bildung hätten meist wenig Einfluss Leitfragen sollen die Schüler die Ereignisse nachemp- auf Gestaltung des alltäglichen Politikunterrichts, da fnden, Hintergründe klären, politische Antworten sie vielfach „zu abstrakt, zu modellhaft, zu illusionär fnden und bewerten. Im Inhaltsbereich „Schlüssel- sind, nicht realisierbar unter den Alltagsbedingungen probleme der Gesellschaft“ werden Unterrichtsge- von Schule, folglich engagierte Lehrkräfte immer wie- genstände wie Gewalt gegen Ausländer, Altersarmut, der mit Beginn ihrer Berufstätigkeit in eine Situation Arbeitslosigkeit, Jugendkriminalität, Wohnungsnot der Überforderung und des Scheiterns“ drängten (11). oder das Ozonloch zusammengefasst. Der vierte In- Theorien der politischen Bildung würden „erst dann haltsbereich „Politisch bedeutsame Institutionen und glaubwürdig, wenn sie an Unterrichtsthemen veran- Organisationen“ wendet sich Organisationen wie dem schaulicht und damit konkretisiert werden“ (6). Ent- Sicherheitsrat der UN, Gewerkschaften oder dem Bun- sprechend „deprimierend“ sei es, dass „in den letzten destag zu. Die Planungsfragen leiten eine Analyse des Jahrzehnten zahlreiche Modelle der politischen Bildung Aufbaus und der Arbeitsprozesse in den Institutionen – ja sogar Standardwerke zur Methodik – veröffentlicht an. Die Möglichkeiten der politischen Einflussnahme wurden, ohne dass diese häufg sehr umfangreichen werden erörtert. Abschließend erfolgt eine kritische Schriften auch nur ein einziges Unterrichtsbeispiel Bewertung der Institution. präsentieren“ (ebd.) – wobei Janssen nicht angibt, auf Janssens Planungsdidaktik weist deutliche Paral- welche Publikationen seine Kritik zielt. lelen zu anderen fachdidaktischen Konzeptionen auf. Als Vorteil gegenüber anderen Planungsdidaktiken Der Autor verzichtet jedoch bewusst darauf, Bezüge zu kündigt Janssen an, Lehrerinnen und Lehrern Grund- Gieseckes kategorialer Konfliktdidaktik, Hilligens Pro- modelle erfolgreicher Lehr-Lern-Aktivitäten als kon- blemorientierung oder Klafkis Konzept der Schlüssel- krete Handlungsvorschläge zu offerieren. Der Autor probleme systematisch aufzuzeigen. Doch auch wenn bündelt hierzu politische Themen der gleichen Grund- es ihm nicht darauf ankommt, „Belesenheit zu de- struktur zu vier Inhaltsbereichen, die – im Ablauf monstrieren, sondern das sachlich Notwendige so ra- eines Schuljahres an exemplarischen Themen aufge- tional wie möglich zu präsentieren“ (6): Die Planungs- 130 Matthias Busch Journal of Social Science Education Rezensionen Volume 8, Number 2, 2009, pp. 124–145

didaktik nicht herzuleiten und zu kontextualisieren zugleich fachwissenschaftliche Methodenkompetenz: wirkt wie eine Immunisierungsstrategie. ���������Durchgän- „Das realistische Fernziel der MPD wäre ein Unterricht, gige Bezüge und stärkere Anleihen an vorhandenen in dem die Schülerinnen und Schüler autonom und fachdidaktischen Konzepten wären dagegen nicht nur zugleich methodenorientiert arbeiten, die Lehrkraft für den Leser nützlich, sondern könnten auch Janssens sich auf eine moderierende und beratende Funktion Politikdidaktik optimieren. Beispielsweise fällt auf, zurückziehen kann“ (17). Um das zu erreichen, müsste dass eine kategoriale Einsicht bei der Thematisierung der Autor seine Planungsschemata – wie es der Titel von politischen Konflikten oder „empörenden“ Ereig- der Erstauflage verspricht – stärker aus den (empirisch nissen nicht systematisch angeleitet wird. ����������Die Unter- fundierten) „Wege(n) politischen Lernens“ und den richtsbeispiele bleiben - entgegen Janssens Ansinnen entsprechenden sozialwissenschaftlichen Methoden - häufg auf der Ebene des Fallbeispiels, ohne dessen entwickeln. Exemplarität für mögliche strukturelle Ursachen, po- litische Kategorien oder Hintergründe transparent zu Die nächsten beiden Autoren können Janssens Pla- machen. ����������������������������������������������Sie illustrieren, leiten das Artikulationsmus- nungsdidaktik vermutlich nichts abgewinnen. ����Ent- ter aber nicht her. Warum das Planungsschema zum schieden wenden sie sich gegen „vorgefertigte „empörenden“ Ereignis ohne Reflexion der von Janssen Lernwege“ (9), „‚kopierfähige’ Anleitungen“ und „Mei- zur Abgrenzung vom „aktuellen“ Ereignis genutzten sterlektionen“ (7), da diese Lehrende nicht „von eigen- medialen Inszenierung und öffentlichen Empörung ständigen Denkleistungen befreien“ (9) könnten: auskommt, bleibt unverständlich. Breit, Gotthard; Weißeno, Georg. 2003. Planung des Poli- Problematischer erscheint, dass die gewählten In- tikunterrichts. Eine Einführung. Schwalbach/Ts.: Wochen- haltsbereiche so allgemein gehalten sind, dass der schau Verlag. Geltungsanspruch, sämtliche in einem Inhaltsbereich Planung ist für Georg Weißeno, Professor für Politik- vorhandene Themen mit einer generellen Planungs- wissenschaft und ihre Didaktik an der Pädagogischen methodik bearbeiten zu können, Gefahr läuft, dem Hochschule Karlsruhe, und Gotthard Breit, emeritierter einzelnen Unterrichtsgegenstand nicht mehr gerecht Professor an der Universität Magdeburg, ein Prozess, werden zu können: Fraglich ist, ob beispielsweise ein der „niemals linear und subjektunabhängig erfolgt, Inhalt wie die Verschmutzung der Meere nicht signif- sondern (…) in dem immer mehr Deutungsschichten kant andere sachlogische Zugänge einfordert als das mit den vorhandenen Kompetenzen aufgebaut wer- Thema „Gewalt gegen Frauen“. den“ (7). Ihre „einführende Handreichung“ (7) soll Hinzu kommt, dass die Leitfragen zwar – wie die „durch die Reflexion der Unterrichtsvorbereitung die Unterrichtsbeispiele zeigen – eine gelungene Gliede- Planungskompetenz der Politiklehrerinnen und -lehrer rung des Sachgegenstandes bieten können, jedoch dauerhaft verbessern helfen“ (7) und Berufsanfängern ihre generelle Gültigkeit fachwissenschaftlich nicht wie erfahrenen Lehrkräften „Anregungen für die eige- nachgewiesen wird. Andere Lernwege wären ebenso ne Praxis“ (7) bieten. Hierzu haben sich Breit und Wei- denkbar und zutreffend. Zudem erfolgen keine theo- ßeno „in die ‚Problemzonen‘ der Unterrichtsplanung“ riegeleiteten Aussagen zu anderen Strukturmomenten auf „der Basis der fachdidaktischen Literatur zur Un- wie Methoden, Sozialformen und Medien. Stattdessen terrichtsplanung, eigener veröffentlichter Unterrichts- werden „kreative Methoden“ fast ausschließlich unter modelle und zahlreicher ‚guter‘ und ‚schlechter‘ Pläne motivationalen Aspekten gedeutet. Janssens These, von Berufsanfängern“ (7) eingearbeitet – schade nur, der „methodenorientierte Politikunterricht kann mit dass das erfahrungsbasierte Entwickeln der Planungs- einer kreativen Methodik vernetzt werden, ohne das didaktik nicht transparent gemacht wird und die Ziel der fachlichen Kompetenz aus den Augen zu ver- erwähnten realen Planungsbeispiele in der „Handrei- lieren“ (75), bleibt blass. chung“ weitgehend ausgespart oder nur illustrativ Eine lernpsychologische Begründung der Artikulati- verwendet werden. onsschemata ist beabsichtigt, bisher aber nur ansatz- Die Autoren folgen wie die meisten der vorliegen- weise umgesetzt. So ist in jeder Planungsmethode den Publikationen der Konvention und orientieren sich „zumindest eine Leitfrage subjektbezogen ausformu- an der lerntheoretischen Didaktik und Gagels fachdi- liert“, um den Lernenden Raum zu geben, „ihre Vor- daktischer Spezifzierung, indem sie ihr Planungskon- erfahrungen, ihre kognitiven Haltungen, ihre Gefühle zept in den fünf Modulen „Gegenstandsbereich“, „Po- und Phantasien einzubringen“ (75). Auch habe die litikdidaktische Perspektive“, „Bedingungsanalyse“, konkrete Situation im Unterricht immer Vorrang vor „Ziele“ und „Methoden und Medien“ entfalten, deren der Planung (77). Darüber hinaus wird in jeder Un- „Implikationszusammenhang“ (28) sie mit durchgän- terrichtseinheit in einem abschließenden Schritt auf gigen Bezügen nachweisen wollen. einer Metaebene der Unterricht reflektiert, um „Ler- In den ersten beiden Modulen verdeutlichen die nende auch zur Unterrichtskritik und zur Mitbestim- Autoren, dass ein Inhalt erst durch gezielte fachdi- mung im Unterricht (zu) befähigen“ (8). Durch die An- daktische Strukturierung, die den politischen Kern eignung der Analysemethoden erwerben die Schüler des Gegenstandsbereichs freilegt, und durch die 131 Matthias Busch Journal of Social Science Education Rezensionen Volume 8, Number 2, 2009, pp. 124–145

Entwicklung einer didaktischen Perspektive für den Sache der beiden Autoren zu sein. Unterricht – das ver- Politikunterricht fruchtbar gemacht werden kann. anschaulicht nicht zuletzt das abschließende, knapp Als „heuristisches Instrumentarium“ werden zum 50-seitige Planungsbeispiel eines fünf-stündigen Erschließen des Politischen die Dimensionen des Po- Lehrgangsunterrichts für eine fktive zehnte Gymna- litischen und der Politikzyklus (vgl. Kuhn/Massing sialklasse zum Gegenstandsbereich „Rentenreform“ – 1999, 34) sowie für die didaktische Perspektive die wird von den Autoren in erster Linie von der Sache, drei Grundintentionen des politischen Lernens, des nicht von den Lernprozessen her entwickelt. sozialen Lernens und der Lebenshilfe empfohlen. Die Das zeigt sich auch im fünften Modul „Methoden Zusammenstellung des Instrumentariums folge da- und Medien“, das einen eklektischen Überblick über bei „keiner wissenschaftlichen Systematik“, sondern einzelne Arbeitstechniken, handlungsorientierte Me- beruhe auf „Grundbegriffen der Politikwissenschaft“ thoden und Lernwege gibt. Die Autoren deuten zwar und Erfahrungswerten (23). Es macht zugleich deut- an, dass handlungsorientierte Methoden wie das Plan- lich, dass Breit und Weißeno – dem Titel ihrer Hand- spiel oder die Pro-Contra-Debatte ein demokratisches reichung entsprechend – einen engen Politikbegriff Probehandeln ermöglichen, fundieren die Methoden zugrundelegen. Kategorien zum Erschließen von ge- jedoch fachdidaktisch nicht näher. Auf diese Weise sellschaftlichen oder wirtschaftlichen Inhalten, wie gelingt es ihnen nicht, den von ihnen zitierten Satz sie die Fächerzuschnitte der meisten Bundesländer Heinrich Roths zu entfalten, „alle methodische Kunst vorsehen, werden nicht angeführt. Dabei müsste ein lieg(e) darin beschlossen, tote Sachverhalte in lebendi- solcher Bedarf aus Sicht der Autoren eigentlich dring- ge Handlungen rückzuverwandeln“ und den eigenen lich erscheinen angesichts ihrer fraglichen und nicht Anspruch zu erfüllen, die Implikation der Strukturmo- näher begründeten Einschätzung, nicht alle Schüler mente schlüssig nachzuweisen (zum „ungelösten Pro- würden zu soziologischen oder ökonomischen Fragen blem der Interdependenz“ siehe auch Ald-Amini 1981, einen Zugang fnden und „erst über politische Fragen“ Bürger 1981). werde das Fach „für alle Schülerinnen und Schüler in- teressant“ (41). Letztere Einschätzung kontrastiert im Ganz in der Planungstradition von Breit und Weißeno Modul „Bedingungsanalyse“ mit einer überwiegenden stehen zwei Publikationen, die den „Wert dieses Bu- Defzitorientierung, die ein weitgehendes politisches ches (…) noch wesentlich erhöh(en)“ (Projektgruppe Desinteresse der Schülerinnen und Schüler unterstellt Berlin 2004, 7) wollen, indem sie es um einen in der (40), anstatt stärker differenzorientiert ein mögliches fachdidaktischen Planungsliteratur neuartigen, „fallo- alternatives Politikverständnis der Jugendlichen (vgl. rientierten“ Ansatz ergänzen: Sturzenhecker 2007) für die Planung politischer Bil- Breit, Gotthard; Massing, Peter, Hg. 2006. Politikunter- dung nutzbar zu machen. richt geplant. Kommentierte Unterrichtseinheiten für die Zur Bedingungsanalyse verweisen die Autoren unter Praxis. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. anderem auf die Bedeutung der Vorkenntnisse, des All- Peter Massing, Professor für Sozialkunde und die Di- tagswissens und der Einstellungen von Schülern und daktik der Politik an der Freien Universität Berlin, hat Lehrkräften für den Unterrichtsprozess. Sie skizzieren zusammen mit Gotthard Breit acht „kommentierte Un- Teilergebnisse der Entwicklungs- und Lernpsychologie. terrichtseinheiten“ von acht Autoren aus den Jahrgän- Ihrer Forderung, die Bedingungsanalyse sei nicht al- gen 1996 bis 2004 der Zeitschrift „Politische Bildung“ lein pädagogisch, sondern fachdidaktisch konkret auf zu verschiedenen Themenfeldern in einem Band zu- das jeweilige Unterrichtsthema hin zu führen, muss sammengestellt, mit dessen Hilfe „Planungsaufgaben unbedingt zugestimmt werden. In der praktischen nachvollzogen“ werden sollen (6). Umsetzung bleiben die entsprechenden Hinweise al- Die Herausgeber stellen den Unterrichtsentwürfen lerdings häufg unbefriedigend. So halten Breit und ein 30-seitiges Planungskonzept voran, das nahtlos Weißeno die „Einbeziehung der Forschungsergebnis- an den bekannten Planungsüberlegungen und Instru- se in die Planung“ für „notwendig“, sehen allerdings mentarien von Gagel (1986) und Breit/Weißeno (2003) Schwierigkeiten und „Grenzen“ bei der konkreten anknüpft. Unterrichtsvorbereitung wird als „eine Art Anwendung und Diagnose, da der Lehrer sich oftmals Puzzle“ begriffen, „dessen einzelne Teile die Planen- „vergeblich“ bemühe, „bei den einzelnen Schülerinnen den sich selbst zurechtschneiden (…), bis alle Teile zu- und Schülern Bezüge zum Thema festzustellen“ (39). einander passen und eine Einheit bilden“ (7f.) – die Der Hinweis, wichtig sei, dass entsprechende Überle- Metaphorik der Planungsdidaktiken wäre eine eigene gungen „nicht gänzlich ausgespart bleiben“ (39), löst Untersuchung wert (vgl. Meyer 1993). Zugleich wird die wahrgenommenen Probleme der Bedingungs- das tradierte Primat der Inhaltsplanung von den Au- analyse nicht. Unterrichtsplanung als gemeinsamen toren in einem strikten Anspruch an einen dreiglied- Prozess von Lehrkräften und Schülern zu denken, um rigen Planungsprozess – (I.) Vergewisserung der Vo- den Lernenden die Möglichkeit zu geben, ihre Voran- raussetzungen von Politikunterricht, (II.) Auswahl nahmen, Interessen und Vorstellungen einzubringen, der didaktischen Perspektive und des Themas, (III.) wie es Sander oder S. Reinhardt anregen, scheint nicht Sachanalyse, didaktische Analyse und Planung des Un- 132 Matthias Busch Journal of Social Science Education Rezensionen Volume 8, Number 2, 2009, pp. 124–145

terrichtsverlaufs (8) – unbegründet fortgeführt und Ankündigung, „gemeinsam mit den Schülern in einem zugespitzt. Planungsgespräch Entscheidungen über das weite- Innovativ erscheint die – nach Janssen häufg ver- re inhaltliche und methodische Vorgehen zu treffen“ nachlässigte – Konzentration auf die „Werkdimension“ (40f.), bleibt Chimäre, da darauf verzichtet wird, ein (Berg 2009): An „fertige(n) Unterrichtsentwürfe(n)“, für Mitgestaltung und eigene Schwerpunktsetzung die „zumindest eine Planungsaufgabe beispielhaft der Schüler offenes Lernarrangement zu konzipieren. und diskussionswürdig durchgeführt“ haben, könne Stattdessen besteht die 43 Seiten umfassende Un- „die Bewältigung bestimmter Planungsaufgaben nach- terrichtsplanung in erster Linie aus einer 36-seitigen vollzogen und kritisch untersucht werden“ (5f.). Wa- Textsammlung aus „klassischen“ Schriften von Alfred rum die Herausgeber hierfür gerade „(v)eröffentlichte Müller-Armack, Ludwig Erhard oder Walter Eucken so- Unterrichtseinheiten – die ja vor allem zum Zwecke wie aktueller Positionen zur Reform des Sozialstaats, der Veröffentlichung geschrieben“ (6) und „nicht für die mit der so genannten „Experten-Methode“ bear- den unmittelbar bevorstehenden ‚konkreten‘ Politik- beitet werden soll. Die methodische Entscheidung unterricht in einer bestimmten Klasse verfasst“ (29) wird ohne Bezug zu den Inhalten und Zielen der Un- wurden – auswählen, bleibt unverständlich. ���������Alle vor- terrichtseinheit mit einer fachlich unspezifschen gestellten Unterrichtseinheiten richten sich zudem Förderung der „Schüleraktivität“, „Kommunikations-, ausschließlich an fktive Lerngruppen der Oberstufe. Kooperations- und Teamfähigkeit“ (42) unzulänglich Inwieweit die „fertigen Unterrichtsentwürfe“ für begründet – und legt eher die Vermutung nahe, dass die angekündigte Orientierung „bei der eigenen Pla- eine durch fehlende didaktische Perspektive entstan- nungsarbeit“ (6) hilfreich sind, soll am Beispiel der dene Materialüberfrachtung durch arbeitsteilige Grup- ersten Unterrichtseinheit zum Themenbereich „Sozi- penarbeit kaschiert wird. Auch die „ zusätzliche(n) ale Marktwirtschaft im Wandel“ von Hans-Jürgen Fried- handlungsorientierte(n) Umsetzungsmöglichkeiten“ richs und Christoph Weishaupt untersucht werden: (44) im Anschluss an die Unterrichtseinheit wirken – Programmatisch versprechen die Autoren „(d)idak- wie die Erstellung eines Readers – beliebig und wie tische Gütekriterien wie Problemorientierung, Wissen- der Versuch, die „trockene“ Textarbeit durch „etwas schaftsorientierung, Aktualität, Zukunftsorientierung, Kreatives“ aufzuwerten. Weder werden die Struktur- Schülerorientierung und Methodenorientierung“ zu momente nachvollziehbar begründet noch die ab- berücksichtigen, sich „an den didaktischen Ausfüh- strakten Planungskriterien plausibel angewendet. Die rungen Walter Gagels“ zu orientieren (39) und an den Ansprüche der Herausgeber an Unterrichtsplanung Beutelsbacher Konsens zu „erinnern“ (40). ����������Die Bedeu- bleiben unerfüllt. tung der Prinzipien wird an den konkreten Planungs- Zur Förderung der Planungskompetenz wäre daher schritten allerdings kaum aufgezeigt. Auch auf eine mindestens eine – immerhin im Titel des Bandes an- Analyse der Lernbedingungen verzichten die Autoren, gekündigte – Kommentierung der Unterrichtseinheit sondern folgern – äußerst zweifelhaft – aus der fach- notwendig. Doch verzichten Massing und Breit auf wissenschaftlichen Zielsetzung, eine Unterrichtsreihe eine kritische Analyse der jeweiligen Planungsbeispie- zur sozialen Marktwirtschaft müsse einerseits die Tex- le. Die����������������������������������������������� versprochene Chance, bestimmte Planungsauf- te der „Vordenker“, andererseits die in der aktuellen gaben praxisnah und konkret nachzuvollziehen und Diskussion vertretenen Positionen berücksichtigen, kritisch zu untersuchen, die die Werkorientierung aus dass die Unterrichtsreihe für die Sekundarstufe II kon- Sicht der Autoren zu Recht bietet, wird damit nicht zipiert werden müsse. ausgeschöpft. Für den Einstieg in die Unterrichtseinheit wählen Die konzeptionell ähnliche Publikation der Projekt- die Autoren eine Karikatur und einen fallbezogenen gruppe Berlin verspricht dagegen erprobte „Musterun- Zeitungskommentar, der plakativ die Biographien terrichtseinheiten“ zu präsentieren, die als „Handrei- zweier Schwestern nachzeichnet, von denen die eine chung“ zur Vorbereitung der Juniorwahl 2002 in der – aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung des Schule konzipiert worden sind (Klappentext): Sozialstaats (?) – in den USA Karriere macht, während Projektgruppe Berlin, Hg. 2004. Beispiel Wahlen. Pla- die andere in Deutschland von Sozialhilfe lebt: nung und Methoden des Politikunterrichts in der Praxis. „Olga bekam vom amerikanischen Staat wenig Geld, Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. aber viele Chancen. ����������������������������������Zum Beispiel die Chance, ohne gro- In der Projektgruppe haben Peter Massing und ße Bürokratie eine Firma zu gründen. Ludmilla wurde Gotthard Breit zusammen mit Wissenschaftlern, Leh- dagegen vergleichsweise gut versorgt, aber nicht ge- renden und Studierenden einzeln und in Teams zehn fordert. ����������������������������������������������Es gibt hier zu Lande wenig Anreize, die Sozi- Unterrichtseinheiten – auf deren Analyse auch hier alhilfe zu verlassen und viele Hürden für den, der sein verzichtet wird – zum Themenbereich „Wahlen“ ge- Schicksal selbst in die Hand nehmen möchte.“ (46) plant und veröffentlicht. Sie sollen Lehramtsstudieren- Weder die doppelte Materialentscheidung für den den, Referendaren und Lehrenden als „Anregungen“ Einstieg, noch die Gefahr der Überwältigung durch (7) und „Orientierung (…) für die schwierige Planungs- den Kommentar wird von den Autoren reflektiert. Die arbeit“ (8) dienen und “mustergültig (zeigen), wie 133 Matthias Busch Journal of Social Science Education Rezensionen Volume 8, Number 2, 2009, pp. 124–145

Unterrichtseinheiten aussehen” (Klappentext). Die unterschiedliche Aspekte der Unterrichtsplanung Sammlung habe zudem den Vorzug einer besseren zusammen. Hierbei ist ein thematisches „Potpourri Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Unterrichtsein- möglicher Unterrichtssituationen“ (Reinhardt 2007b, heiten aufgrund der identischen Planungsschritte und 4) entstanden, das facettenreich Themen wie „Dia- des gleichen Gegenstandsbereichs (8). gnostische Kompetenz“ (Christian Welniak), „Rhetorik Leider spiegeln sich die angedeutete Erprobung der in der Politischen Bildung“ (Werner Launhardt), „Visua- Unterrichtsbeispiele und deren positive Resonanz (7) lisierung“ (Alexandra Binnenkade), „Quiz und Rätsel“ nicht in alters- oder lerngruppenspezifschen Planungs- (Karin Kneile-Klenk) oder „Standbild“ (Anselm Cypion- und Unterrichtsentwürfen wider. Vielmehr kommen ka) versammelt. die Autoren – ähnlich wie Massing/Breit (2006) – bis Zwei jeweils acht bis zehn Seiten umfassende Auf- auf eine Ausnahme (Unterrichtseinheit 7) ohne eine sätze entwerfen ein explizites Planungsmodell. Analyse der Lernbedingungen aus – und das obwohl Frank Langner, Fachleiter am Studienseminar Vett- die vorangestellten konzeptionellen Planungsüber- weiß, entwickelt in seinem Beitrag ein „Planungs- und legungen darauf hinweisen, dass der „Planende na- Analysemodell für den politischen Unterricht“ (12), türlich vor allem die Schülerinnen und Schüler in die das ebenfalls auf die lerntheoretische Didaktik zurück- Planungsüberlegungen einbeziehen“ müsse und „von greift, sie allerdings auf die – nicht näher erläuterten – hier aus alle Entscheidungen über Inhalte, Ziele, Me- „aktuellen und domänenspezifschen Besonderheiten thoden und Medien durchdenken“ könne (19). Sogar der Politischen Bildung übertragen“ will (12). Hierzu in ihrem 10-seitigen Kapitel zur Bedingungsanalyse wird – in der sprachlichen Verwendung ungewöhnlich verzichten Peter Massing und Kurt Lach darauf, eine – von einer Implikation von politischem, didaktischem am Themenbereich „Wahlen“ orientierte Analyse der und methodischem Strukturmoment ausgegangen. Lernbedingungen durchzuführen, sondern kommen- Im ersten „Schritt“ (13) der Unterrichtsplanung tieren aus nicht nachvollziehbaren Gründen zwei Be- empfehlt der Autor zur politischen Strukturierung des dingungsanalysen von Unterrichtsreihen zu Themen Unterrichtsgegenstands unter anderem mit Bezug auf wie der Entwicklungspolitik. Breit/Weißeno (2003) das gängige politikdidaktische Auch der Projektgruppe gelingt es nicht, ihren Instrumentarium wie die Dimensionen des Politischen programmatischen Planungsansprüchen in den eige- und den Politikzyklus. Warum hierbei „(e)ntscheidend nen Unterrichtsentwürfen gerecht zu werden: Den ist“, dass auch „die Inhalte etwa der Soziologie (…) fachdidaktischen Forderungen nach der Implikation im politischen Unterricht mit Blick auf politische Lern- der Strukturmomente, nach Exemplarität, Aktualität prozesse“ thematisiert werden, bleibt unbegründet oder „problemlösendem Denken“ statt „bloßer Stoff- und widersprüchlich zum konstatierten „sozialwis- vermittlung“ (37f.) stehen Unterrichtsentwürfe gegen- senschaftlich-integrativen Charakter des politischen über, die Unterrichts, der (…) soziologische und ökonomische – fast ausschließlich mit Texten und Statistiken vor Inhalte, oft auch rechtliche, historische, juristische, 1992 arbeiten (Unterrichtseinheit 1), psychologische“ Themen umfasst (14). – das bundesdeutsche Wahlsystem in zwei Unter- Im zweiten Planungsschritt, der didaktischen Struk- richtsstunden ohne begründete didaktische Reduk- turierung, „drückt sich das politikdidaktisch Wün- tion oder fokussierte didaktische Perspektive insti- schenswerte in den Zielen, dem Leitbild und den zu tutionenkundlich mit Hilfe von Schülerreferaten erwerbenden Kompetenzen der Politischen Bildung – als Verlegenheitslösung einer positivistischen aus; das politikdidaktisch Mögliche wird durch die Stoffhuberei? – erarbeiten (Unterrichtseinheit 2) didaktischen Prinzipien und ergänzend durch die po- oder litikdidaktischen Figuren“ Fall, Situation und Problem – die Methode der Stationenarbeit ohne begründe- umrissen (14). ten fachlichen Bezug zu den Inhalten und Zielen In der methodischen Strukturierung im dritten Schritt der Unterrichtseinheit verwenden (Unterrichtsein- differenziert der Autor schließlich recht ungewohnt heit 3). zwischen fünf Entscheidungsfeldern der Inszenierung Ist eine solche Planungspraxis Nachlässigkeit oder und sieben Grundformen der Erarbeitung, die „be- Hinweis auf ein grundlegendes Problem einer stoffori- schreiben, mit welchen elementaren Tätigkeiten sich entierten Planungstheorie nach Gagel (1986)? Schüler mit dem Unterrichtsgegenstand auseinander setzen“ (17). So legen das Strukturieren, Zuordnen, Volker Reinhardt, Professor an der Pädagogischen Vergleichen, Anwenden, Ergänzen, Entwickeln und Hochschule Luzern, stellt in dem gemeinsam mit Dirk das Bilden von Schwerpunkten aus Sicht des Autors Lange herausgegebenen „Handbuch für den sozialwis- eine „dynamische und niveauvolle Unterrichtsgestal- senschaftlichen Unterricht“ im von ihm verantworte- tung“ (18) an. ��������������������������������������Ähnlich wie bei Sanders Grundsituatio- ten fünften Sammelband nen werden die Grundformen von Langner nicht näher Reinhardt, Volker, Hg. 2007. Planung Politischer Bil- begründet oder fachdidaktisch spezifziert. Auch wird dung. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren. nicht beansprucht, „dass mit dieser Aufzählung das 134 Matthias Busch Journal of Social Science Education Rezensionen Volume 8, Number 2, 2009, pp. 124–145

gesamte Repertoire möglicher Erarbeitungsformen – „Was wird mit diesem Gegenstand gemeinhin als erfasst ist“ (18). Dramaturgie,������������������������������� Kommunikation, In- ‚bedeutsam’ verbunden?“ und teraktion, Verlauf und Raum bildeten – übersetzt in – „Welches Material habe ich eigentlich?“. entsprechende „Leitfragen“ – die fünf Entscheidungs- Neben den bekannten Kriterien „Betroffenheit“ und felder der Inszenierung. Innovativ ist die Einführung „Bedeutsamkeit“ in den ersten Fragen wirkt die Frage der Lernfallen (Henkenborg/Krieger 2005, 33f.) als nach dem Material zunächst pragmatisch motiviert. abschließendes Prüfnstrument in die Unterrichtspla- Sie wird allerdings im weiteren Planungsverlauf als nung. ein zentrales Korrektiv auch für die Entscheidung der Für eine praktikable Anwendung bleiben die frag- Zugangsweise nachvollziehbar und fachdidaktisch mentarischen Erläuterungen der bestehenden Model- funktional eingesetzt. le und Prinzipien, wie beispielsweise der Kompetenzo- Im zweiten Planungsschritt wird eine der sieben rientierung, schwer nachvollziehbar: didaktischen Zugangsweisen Exemplarität, Kontrover- „Wird beispielsweise die Förderung von Urteilskom- sität, Differenzierung, Problem-, Schüler-, Gegenwarts- petenz angestrebt, sind für die weitere Unterrichtspla- oder Handlungsorientierung ausgewählt. Der Autor nung nur diejenigen politischen Sachstrukturen des weist darauf hin, dass bereits die Thematisierung Gegenstandes von Bedeutung, die für eine fundierte durch die Frageform eine didaktische Zugangsweise politische Urteilsbildung der Schüler notwendig sind. intendiere. Zudem ist unter dem Gesichtspunkt der Kompetenz- Im dritten Schritt, der methodischen Umsetzung, stufung zu reflektieren, auf welchem Anspruchsniveau leiten sich aus der Thematisierung und didaktischen die ausgewählten Elemente der politischen Sachstruk- Zugangsweise „die Mikromethoden und Makrometho- tur im Unterricht berücksichtigt werden. Die���������� Kompe- den für das konkrete Unterrichtsgeschehen“ ab (28). tenzen ermöglichen folglich eine erste didaktische Vom Einstieg – als Hinführung zur Leitfrage – über Schwerpunktsetzung innerhalb der vorab erarbeiteten die Erarbeitung wird der Unterricht zielgerichtet auf politischen Sachstruktur und damit eine unterrichts- die Urteilsphase – als Beantwortung der Fragestellung leitende Perspektive.“ (15f.) – ausgerichtet. Das so entstehende relativ starre und An dieser Stelle wären Bezüge zu den im Handbuch konstante Artikulations- und Planungsschema gibt der versammelten Unterrichtsbeispielen und eine begrün- Analyse individueller Lernbedingungen wenig Raum. dete Herleitung der Planungsschritte hilfreich gewe- Dass es nur begrenzt geeignet ist, jenseits der Urteils- sen, um jenen „unfruchtbaren Schematismus“ (20) zu bildung die von Kayser benannte Zielsetzung von Un- verhindern, zu dem laut Langner in der Unterrichtspla- terricht zu realisieren, „variable Anforderungen und nung das Fehlverständnis führen könne, dass in der Probleme im Unterricht erfolgreich zu bewältigen“ Planung „immer alle politikdidaktischen Instrumente und „den Lernzuwachs bzw. die Kompetenzentwick- detailliert abgearbeitet werden“ müssen (20). lung der Lernenden zu ermöglichen“ (23), deutet Kay- Praktikabler erscheint dagegen das „fachdidaktische ser selbst mit der Feststellung an, „(d)ie Umstellung Begriffssystem für die Planung von Politikunterricht“ auf kompetenzorientierte Unterrichtsplanung steck(e) (24) von Jörg Kayser, hauptamtlicher Fachseminarleiter in den Anfängen“ (29). für Geschichte und Sozialkunde in Berlin. Es wurde ur- Den Abschluss der Planung bildet die Formulierung sprünglich vor allem für den Geschichtsunterricht und eines „Basaltextes“, „der vierten zentralen Komponen- – im Gegensatz zu den bisherigen Planungsdidaktiken te von Unterrichtsplanung“ (28). Er präsentiert das – spezifziert als Modell zur Urteilsbildung entwickelt. „Produkt des Lernens“ (28) – das Unterrichtsgesche- Kayser zeichnet schrittweise die Bestandteile seines hen – in einer kohärenten Ableitung von Thematisie- in der Unterrichtspraxis „bewährt(en)“ und „in fachdi- rung, didaktischer Zugangsweise und methodischer daktischen Seminaren umfassend reflektiert(en)“ (24) Umsetzung. Mit der Einführung des „Basaltextes“ in Planungsmodells anhand konkreter Planungsfragen die Planungsdidaktik misst der Autor der schriftlichen und Beispiele nach, auf dessen Begründung er an die- Planung – die sonst ausnahmslos als „lästige Zusatz- ser Stelle allerdings weitgehend verzichtet (vgl. hierzu belastung“ (Reinhardt 2007b, 1) oder „mühsame“ Auf- Kayser/ Hagemann 2005). gabe in Ausbildungssituationen (Breit/Weißeno 2003, In erneuter Anknüpfung an Gagel stellt die Thema- 10) beschrieben wird – einen eigenständigen didakti- tisierung, die den Sachgegenstand mit einer Intention schen Wert bei. Die Frage, wie Planungsüberlegungen verbindet, den ersten „Planungsschritt“dar. Um Kom- wirksam verschriftlicht werden können, bedarf einer plexität zu reduzieren und die didaktische Perspektive methodologischen Fundierung (vgl. Kayser/Hange- zu betonen, empfehlt Kayser die (Vor-)Formulierung mann 2005, 36, Wildhirt 2008): „Jedes ‚Knirschen‘ im einer Leitfrage, die den curricularen Vorschriften so- Formulieren oder die Notwendigkeit rhetorischer Flos- wie der folgenden Sachanalyse standhalten muss. Sie keln zeigt schnell, dass im Ganzen des Unterrichts Un- könne anhand der drei Fragen entwickelt werden stimmigkeiten sind“ (29). – „Was interessiert mich/die Schüler an dem SachgeSachge-- Den Blick auf das „Ganze“ und die „Stimmigkeit“ genstand?“, von Unterrichtserzählungen teilt Kayser mit der Lehr- 135 Matthias Busch Journal of Social Science Education Rezensionen Volume 8, Number 2, 2009, pp. 124–145

kunstdidaktik, auf die die Hamburger Lehrer Horst Leps terte Möglichkeiten zur Partizipation und Eigenstän- und Janine Mues in ihrem Aufsatz eingehen. digkeit (..) eröffnen“ (Gänger 2007, 120). In dem Maße, Unterrichtsplanung erfolgt in der Lehrkunstdidak- wie Lernende angeleitet werden, „die eigene Arbeit zu tik – in Abgrenzung zu Planungsdidaktiken, die das planen“ (ebd. 116), wird Planungstätigkeit individua- Unterrichtsgeschehen wie ein „Schachspiel“ (vgl. Berg lisiert und in die Hände der Schülerinnen und Schüler 2004) betrachteten – in der exemplarischen „Erpro- gelegt. bung und Überarbeitung von Lehrstücken (…) in kol- Volker Reinhardt zeigt mit seinem thematischen legialen Lehrkunstwerkstätten“ (35): „Die Teilnehmer „Potpourri“ multiperspektivisch Planungsansätze und diskutieren Details und Problemstellen und helfen ein- wichtige Teilaspekte wie beispielsweise die Diagnose- ander, die Unterrichtseinheiten zur optimalen Fassung kompetenz auf. In einer zweiten Auflage wäre es wün- (‚best practice‘) auszugestalten“ (35). ���������������Unterrichtspla- schenswert, wenn die bisher additiv wirkenden und nung wird als kollektiver Prozess verstanden. Erprobte stellenweise nur implizit enthaltenen Planungstheori- und bewährte Unterrichtsexempel bilden hier – ohne en stärker miteinander vernetzt würden. die Befürchtung zu teilen, dass ein solches Vorgehen „von Vordenkern abhängig macht“ (vgl. Breit/Weiße- 3. Planungsdidaktiken in ausgewählten no 2003, 9) – den Kern der Entwicklung von Unter- Publikationen der ökonomischen Bildung richt und Planungskompetenz. Indem Lehrkräfte ge- Kaiser, Franz-Josef; Kaminski, Hans, Hg. 2003. Wirtschafts- meinsam konkrete Unterrichtseinheiten vergleichen, didaktik. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. (nach-)inszenieren, dokumentieren und weiterentwic- Katrin Eggert und Michael Koch vom Institut für öko- keln, schärfen sie ihr Handwerkszeug – ein Vorgehen, nomische Bildung der Universität Oldenburg stellen das durchaus anschlussfähig an die kommentierten „Konzepte und Instrumente der Unterrichtsplanung“ Unterrichtseinheiten von Breit/Massing (2006) und vor (Eggert/Koch 2003). Ihr������������������������� Planungsmodell entwi- der Projektgruppe Berlin (2004) erscheint und diese ckeln die beiden Autoren weitgehend aus Klafkis bil- entscheidend verbessern könnte. dungstheoretischer Didaktik und speziellen Erfahrun- Neben den expliziten Planungsdidaktiken fnden gen aus einem Pilotprojekt in Nordrhein-Westfalen zur sich in Reinhardts Handbuch mit Aufsätzen zu den Erprobung von Unterrichtseinheiten zu ökonomischen Themen „Lerntagebuch“ (Gabriele Schreder), „Wo- Inhaltsfeldern. Ausgehend von der Prämisse, dass chenplan“ (Sven Gänger) und „Open Space Technolo- der „Entwicklung von Planungskompetenz (..) nicht gy“ (Christian Boeser/Florian Wenzel) weitere implizite dadurch Rechnung getragen (wird), dass die einzelne Planungskonzepte, die jedoch weder von den Autoren Unterrichtsstunde ins Zentrum der Überlegungen ge- noch vom Herausgeber als Planungstheorien heraus- stellt wird“ (302), gestalten Eggert und Koch die von gearbeitet werden: Wolfgang Schulz eingeführten Planungsebenen kon- Mit der Open Space Technology führen Boeser und zeptionell aus: Wenzel in ein von Harrison Owen entwickeltes Groß- Auf Ebene des Schulcurriculums verweisen die Au- gruppenverfahren ein, in welchem sich die Inhalte, Ar- toren auf die Vorzüge einer „Schulzeitpartitur“, in der beitsgruppen und -modalitäten durch das Verfahren die Unterrichtsfächer mit der Reihenfolge, dem Um- generieren. Die Open Space Technology kann damit fang und der Platzierung ihrer Themen und Methoden, als partizipative Planungsmethode gelesen werden. außerschulischen Veranstaltungen und Kooperationen Sie wird entsprechend in Projekten der Stadtplanung, aufeinander abgestimmt werden und ein „gemein- Organisationsentwicklung oder Bürgerbeteiligung sames Leitmotiv“ (304) im Unterrichtsalltag für alle genutzt (vgl. Owen 2001). Planung als Sachmethode Beteiligten erkennbar werde (vgl. Hiller 1991). Die Jah- der Demokratie9 (siehe u.a. Doering-Manteuffel 2008) resplanung diene der Verteilung und Organisation der bietet hier Anschlussmöglichkeiten an die Planungs- Unterrichtseinheiten und könne zur Orientierung und überlegungen von Sander (2008), Janssen (2008) und Planungsbeteiligung mit Schülerinnen und Schülern Reinhardt (2005) – wird jedoch von den Autoren nicht besprochen werden. in Bezug auf die konkrete Fachunterrichtsplanung in- Für die Planung einer Unterrichtseinheit entwer- terpretiert. fen Eggert und Koch einen Strukturleitfaden, dessen Mit Lerntagebuch und Wochenplanunterricht wer- Funktion sie an einer von ihnen erprobten Unterrichts- den zwei bekannte reformpädagogische Verfahren einheit zum Thema „Popmusik und Konsum“ für ein vorgestellt, die „den Schülerinnen und Schülern erwei- achte Realschulklasse veranschaulichen. Hierbei un- terscheiden sie zwischen den drei Strukturelementen „didaktische Struktur der Unterrichtseinheit“, „unter- 9 Eine augenscheinliche Homologie der Unterrichtsplanungs-Unterrichtsplanungs- richtliche Realisationsmöglichkeiten“ und „Materiali- methodik mit außerpädagogischen Planungen in den sozial- en zur Unterrichtseinheit“, die von ihnen verkürzt als wissenschaftlichen Gegenstandsbereichen – gesellschaftliche, lineare Planungsschritte aufgefasst werden. politische, ökonomische Planung (siehe auch Waterkamp 1975, van Laak 2008) – wird in den Planungsdidaktiken bisher nicht Zu Beginn der Unterrichtsplanung wird die didakti- reflektiert. sche Struktur der Unterrichtseinheit entwickelt. �����Hier- 136 Matthias Busch Journal of Social Science Education Rezensionen Volume 8, Number 2, 2009, pp. 124–145

bei orientieren sich die Autoren weitgehend am Pla- Beispiele und Tabellen veranschaulichte Darstellung. nungsschema von Klafki. Sie bringen als ergänzendes Interessant erscheint der Vorschlag, bei der Struktur Planungsmoment so genannte „Schlüsselstellen“ ein, des Themas systematisch auf Verflechtungen zu an- an denen besonders nach Problemen oder Fehlerquel- deren Unterrichtsfächern zu achten. So weist Mathes len gesucht werden könne. Damit diese die Funktion unterschiedliche Bezüge auf ethische, historische oder von „didaktischen Warnleuchten“ (312) übernehmen gesellschaftspolitische Perspektiven nach, die im Un- können, wären allerdings klare Kriterien notwendig, terricht aufgegriffen werden oder Anlass für fächerver- mit denen nach auftretenden Planungsschwächen ge- bindende Projekte sein können. Für die Stoffauswahl sucht werden kann. Aus den Lernzielen werden dann und -anordnung werden unterschiedliche Kriterien Entscheidungen über methodische Großformen wie wie das Prinzip des exemplarischen Wissens, der Ver- Projekt, Plan- oder Rollenspiel „abgeleitet“. wertbarkeit und Aktualität oder das Prinzip der struk- Mit den Ausführungen zu den unterrichtlichen Re- turellen Zusammengehörigkeit nahegelegt. alisierungsmöglichkeiten verlassen Eggert und Koch Die methodisch-mediale Analyse widmet sich einem ihr Vorhaben, ein Planungsmodell zu skizzieren. So Spektrum von allgemeinen Unterrichtsprinzipien und verzichten die beiden Autoren in diesen Abschnitten -verfahren über Aktions- und Sozialformen bis hin zum völlig auf Erläuterungen zum Planungshandeln und konkreten Medieneinsatz und der Impulstechnik. Die referieren – wie es scheint – weitgehend die Gliede- gelungene Tabellengestaltung, mit der die Prinzipien, rung ihrer aus dem Pilotprojekt entwickelten Unter- Sozialformen und Medien mit kurzen Kommentaren, richtsmaterialien. Die vorgenommene Strukturierung ihren Vor- und Nachteilen oder Beispielen aufgelistet der Unterrichtseinheit bleibt unbegründet und bietet werden, ermöglicht hierbei einen schnellen und sys- dem Leser wenig Transfermöglichkeiten für eigenstän- tematischen Zugriff. Selbst Fragen zur konkreten Aus- dige Planungen. gestaltung einzelner allgemeinmethodischer Aspekte Praxisorientierter erscheint dagegen die Planungs- wie der Gruppenarbeit greift Mathes praxisnah und didaktik von Claus Mathes, Fachleiter am Staatlichen differenziert auf. Seminar für Didaktik und Lehrerbildung Weingarten, Der zweite Teil der Planungsdidaktik wendet sich die sich gleichermaßen an Lehrkräfte beruflicher wie dem handlungsorientierten Unterricht zu. Der����������� aktuel- allgemeinbildender Schulen richtet: len Diskussion über Konzepte des Selbstorganisierten Mathes, Claus. 2007. Wirtschaft unterrichten. Methodik Lernens, der Lernfeldstrukturierung (siehe Tenberg und Didaktik der Wirtschaftslehre. 5. Auflage. Haan-Gru- 2006) und über Modelle der Geschäftsprozesse (sie- iten: Verlag Europa-Lehrmittel. (Erstauflage 1998) he Busian 2006), die den fachsystematischen durch In einem einführenden Kapitel gibt Mathes zu- einen handlungssystematischen Unterricht mit Hilfe nächst einen Überblick über allgemein-didaktische arbeitsanaloger Aufgaben ersetzen will, widmet Ma- Unterrichtsmodelle und ordnet den Wirtschaftsun- thes gesonderte überblicksartige Kapitel. Neben einer terricht in ein Beziehungsgeflecht unterschiedlicher kurzen Einführung in die Grundlagen des handlungs- Bezugswissenschaften ein – in deren exemplarischer orientierten Unterrichts wird hierbei vor allem eine Aufzählung überraschend die Politikwissenschaft, So- praxisnahe Darstellung und Bewertung ausgewählter ziologie und Rechtswissenschaft fehlen. Eine������������� ausführ- Methoden wie Fallstudie, Projekt oder Planspiel gege- liche wirtschaftsdidaktische Bibliographie und Hin- ben, die in ihrer Fülle und Detailliertheit – es werden weise zur Durchführung von Hospitationen runden beispielsweise über 100 Internetadressen, konkrete die Vorüberlegungen ab. Lernspiele oder Tipps zur Farbwahl in der Metaplan- Der Autor unterscheidet die Planung „traditionel- arbeit gegeben – eine geschlossene Planungstheorie len Unterrichts“ von der Planung „handlungsorientier- sprengen. ten Unterrichts“. Er ist „der Überzeugung (..), dass man erst den traditionellen Unterricht beherrschen und Euler, Dieter; Hahn, Angela. 2007. Wirtschaftsdidaktik. 2. durchdacht haben sollte, bevor man sich an den hand- Auflage. Bern; Stuttgart; Wien: Haupt Verlag. (Erstauflage lungsorientierten Unterricht ‚wagt‘“ (3), ohne diese 2004) Einschätzung und Gliederung im Weiteren jedoch zu Auf knapp 500 Seiten entwickeln Dieter Euler, Pro- begründen oder anhand einer eigenen Planungstheo- fessor für Wirtschaftspädagogik an der Universität St. rie zu fundieren. Gallen, und Angela Hahn, Diplom-Handelslehrerin am Das Planungskonzept gliedert sich in die Analyse Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik an der Universität der Rahmenbedingungen, die didaktische und die Erlangen-Nürnberg, ihr „Strukturmodell einer Wirt- methodisch-mediale Analyse. �����������������������Während die Erläuterun- schaftsdidaktik“. „(U)m die Schritte der didaktischen gen zu den schülerbezogenen und situativen Rahmen- Planung zu erläutern“ (493), „übersetzen“ sie ihre Di- bedingungen relativ kurz ausfallen und Einstellungen daktik – wie Sander (2008), S. Reinhardt (2005) und und Vorannahmen der Schüler unberücksichtigt las- Detjen (2007) – abschließend auf 20 Seiten anhand sen, gelingt in der didaktischen und methodischen eines Leitfragenkatalogs von 54 Handlungsschritten Analyse eine detaillierte, praxisnahe und durch viele in ein „Prozessmodell“. Zugleich wenden sie sich aber 137 Matthias Busch Journal of Social Science Education Rezensionen Volume 8, Number 2, 2009, pp. 124–145

dagegen, Unterrichtsplanung „als die mechanistisch- „Zahlungsverkehr“ – konkrete Kriterien, fachliche Er- technokratische Erfüllung von Anweisungen oder die läuterungen oder Bezüge zu vorangegangenen Kapi- Umsetzung eines Schemas“ (498) aufzufassen. Viel- teln der Wirtschaftsdidaktik ergänzt worden wären. mehr lebten „(d)idaktische Situationen (…) durch den Aufbau einer Beziehung zu den Schülern“ (498). Ausge- 4. Fazit: „Die Umstellung hend von ihrem Selbstverständnis der Wirtschaftspäd- auf kompetenzorientierte agogik als „bildende Vorbereitung des Menschen auf Unterrichtsplanung steckt in den die Bewältigung von sozio-ökonomischen Lebenssi- Anfängen“10 tuationen“ (74) stehen der Lernende und damit eine Die Bereichsrezension hat gezeigt, dass die einzelnen „(Handlungs-)Systematik von Lernschritten“ im Zent- Planungsdidaktiken in ihrem Verständnis von Unter- rum des Planungsprozesses, der eine „(Fach-)Systema- richtsplanung sowie den berücksichtigten Planungs­ tik (…) im Wesentlichen als Werkzeug und Instrument aspekten und -ebenen zum Teil stark voneinander für kompetentes Handeln“ untergeordnet ist (497). abweichen. Viele Autoren beschreiben Planung als Planung dürfe daher keinesfalls „als unumstößliches „zirkulären“ Prozess, dem scheinbar ein genialisches, Dogma verstanden werden“, da sonst ein „mechanisti- intuitives Moment anhaftet, ohne allerdings auf den scher oder rigider Unterricht“ die Wünsche der Lernen- Anspruch ihrer linearen, teilweise engen Planungssche- den missachten könne und „situativ sich ergebende mata zu verzichten. Im Mittelpunkt der meisten Pla- Lernchancen ungenutzt bleiben“ (496), die Lehrende nungsdidaktiken steht die präzeptive Umrissplanung. mit ihrem „implizite(n) Wissen“ konstruktiv ergreifen Bis auf eine Ausnahme (Boeser/Wenzel 2007) fundieren könnten. die Planungsdidaktiken ihren Planungsbegriff nicht Ihr Prozessmodell – dem einzelne Befunde aus an außerpädagogischen Planungsgedanken, obwohl qualitativen Untersuchungen (Seel 1997; Dubs 1996) die Methode des Planens als „Kernpraxis der moder- zum Planungsverhalten von Lehrenden unverbunden nen Welt“ (van Laak 2008, 325) die Gegenstände des vorangestellt werden – gliedern Euler und Hahn in Faches durch Stadtplanung, Wirtschaftsplanung, Ge- fünf „Schritte der didaktischen Planung“, denen die sellschaftsplanung kennzeichnet11. Im Vergleich zur 54 Handlungsschritte zugeordnet sind: planungsoptimistischen Phase der 1960er und 1970er Im ersten Planungsschritt werden Grundentschei- Jahre trauen viele Autoren der Unterrichtsplanung dungen im Sinne einer Grobplanung getroffen. Der heute nur eine eingeschränktere Verlässlichkeit zu. Handlungsschritt „Rahmeneinflüsse klären“ leitet Teilweise wird auf ein konsistentes Planungsmodell unter anderem dazu an, die Lehrplanvorgaben zu verzichtet (S. Reinhardt 2005) oder der gewachsenen analysieren, vorhandene Medien zu sichten sowie Komplexität mit pluralistischen Zugängen begegnet zeitliche, personelle und räumliche Bedingungen zu (V. Reinhardt 2007a), ohne dass Planung insgesamt klären. Anhand der bekannten Auswahlaspekte nach – als ein „zentrale(r) Mythos der Moderne“ (van Laak Klafki sollen die Lerninhalte bestimmt werden. Ent- 2008, 326)? – infragegestellt würde (am skeptischsten: gegen der programmatischen Ankündigung fällt die Sander 2001, vor Einfügung seines Planungskapitels). „grob erfassen(de)“ (504) Analyse der kognitiven und Adressaten der Planungsdidaktiken sind in der Regel methodischen Lernvoraussetzungen der Schüler mit zugleich Studierende, Referendare und erfahrene Lehr- nur einer Frage recht dürftig und lehrerorientiert aus. kräfte, obwohl angesichts der Professionalisierungs- Ausgehend von den Leitvorstellungen für das didakti- forschung (siehe u.a. Hericks 2006) eine Differenzie- sche Handeln der Lehrkraft werden die Lernziele, de- rung angebracht erscheinen müsste (vgl. Meyer 1983). ren Kontrolle und die möglichen Lehrmethoden fest- Bei den Planungsdidaktiken lassen sich drei bis vier gelegt. grundlegende Ansätze unterscheiden: Im zweiten und dritten Schritt werden die Ver- laufsplanung konkretisiert und der „Zusammenhang zwischen Ziel, Methoden und Lernvoraussetzungen“ reflektiert (506), ehe im vierten Schritt die konkrete 10 Kayser 2007, 29. Ausgestaltung von Aufgabenstellungen und Materi- 11 �������������������������������������������������������������Selbst in aktuellen Publikationen, die sowohl Unterrichtspla- alien vorgesehen ist. Allerdings bleiben viele Hand- nung als auch außerpädagogische Planungskonzepte berück- sichtigen, wird keine Verbindung zwischen beiden Planungsbe- lungsschritte wie „konkrete Frage-, Aufgaben- und griffen gezogen. So wird im Wörterbuch Ökonomische Bildung Problemstellungen formulieren“ oder „Materialien (Hedtke/Weber 2008) unter dem Stichwort „Planung“ festgehal- und Medien vorbereiten“ (507) allgemein und nichts- ten, Wirtschaftsdidaktik gehe es „fachlich um Planung und (…) sagend. Um das Ziel der Autoren zu erreichen, „die (p)raktisch sollen sich die Lernenden geeignete Techniken für Analyse und Planung von Unterricht anzuleiten” (493), die private Planung von Einnahmen und Ausgaben der Vermö- gensbildung aneignen“ (Pitsoulis 2008, 253). Unterrichts- und wäre es hilfreich gewesen, wenn – neben dem illust- Lernplanung bleiben unberücksichtigt und dem entsprechen- rativen Planungsbeispiel eines fragend-entwickelnden den Stichwort vorbehalten (Weber 2008; siehe auch Neukirch Unterrichts für eine Berufsschulklasse zum Thema 1985).

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1. Dominierend erscheint eine „Gagel-Schule“, die in An- formen zeichnet sich an dieser Stelle ab, bedarf aller- lehnung an die lerntheoretische und bildungstheoreti- dings einer weiteren fachmethodischen Proflierung. sche Didaktik die Inhalts- und Methodenplanung von Einen unerwarteten Vordenker des Lernwege-Ansat- Walter Gagel tradiert (Breit/Weißeno 2003, Breit/Mas- zes fndet sich im Übrigen in Walter Gagel. Neben dem sing 2006, Detjen 2007, Langner 2007, Projektgruppe in der „Gagel-Schule“ als „frühe(r) Höhepunkt fachdi- Berlin 2004, teilweise auch Kayser 2007). Im Zentrum daktischer Forschung“ (Breit 2007, 391) tradierten Auf- stehen die Bildung einer fachdidaktischen Perspektive satz von 1967 (Gagel 1967a) entwickelt Gagel ein zwei- und ein Instrumentarium zur politischen Strukturie- tes – von Breit/Weißeno (2003), Breit (2007) und Breit/ rung der Unterrichtsinhalte wie der Politikzyklus oder Massing (2006) nicht rezipiertes – Planungsmodell am die Dimensionen des Politischen. Auffällig ist, dass Gegenstandsbereich „innerparteiliche Demokratie“ das fachsystematische, lehrerzentrierte Planungsvor- (Gagel 1967b): Vom „Vorwissen“ und den „Vorurteilen“ gehen der „Gagel-Schule“ deutliche Schwächen in der der Schüler ausgehend – da die sozio-kulturellen Vo- Bedingungsanalyse und der Umsetzung der eigenen raussetzungen „im politischen Unterricht besonders Implikationsvorstellungen zeigt (vgl. Grammes 1998, wichtig sind“ (ebd. 63) – sieht der Autor „eine Art Pro- S. 804ff.). Die Lernerperspektive fndet fast ausschließ- jektverfahren“ vor, um „der Eigeninitiative der Schüler lich über die Wahrnehmung des Lehrers Eingang in die in Zielsetzung, Planung, Ausführung und Beurteilung Planung und erscheint – angesichts von konstatierter weite(n) Raum“ (ebd. 66) zu gewähren. Die Schüler Politikverdrossenheit der Lernenden – hier häufg als „werden in den Planungsgesprächen immer wieder vor „Störfaktor“ in der Inhaltsplanung. Das fachsystema- die Frage gestellt, welche Wege nun einzuschlagen tische Vorgehen und der enge Politikbegriff führen sind, um die Arbeit weiterzubringen“ (ebd.). Gagels zudem zu Unterrichtsentwürfen, in denen ein tradi- Planungsmodell vereint dabei fachmethodologische, tioneller Lehrgang und das fragend-entwickelnde fachdidaktische und lernpsychologische Ansätze in Unterrichtsgespräch dominieren. Fragen��������������� der Kom- einem „Grundmuster“: petenzorientierung, des individualisierten Lernens „Bei der Gliederung des Unterrichtsprozesses in di- oder nach offenen Unterrichtsformen werden von der daktische Stufen berücksichtigen wir das Projektver- Gagel-Schule nicht beantwortet. ������������������Konkrete Folgerun- fahren, indem wir Arbeitsschritte im elementar-wis- gen aus der Kompetenzorientierung beispielsweise senschaftlichen Sinne verwenden: Arbeitshypothesen, für die Lern- und Aufgabenkultur fehlen; häufg bleibt Planung, Untersuchung, Beurteilung. Sie werden hier der Begriff „Kompetenz“ eine Leerformel, die ohne überlagert von den Schritten der politischen Urteils- Konsequenzen in das traditionelle Planungskonzept bildung: Situationsanalyse (Untersuchung), Zieldis- eingegliedert wird. Alleiniger Akteur ist der Lehrer, kussion (Beurteilung), Maßnahmen. Da wir aber keine der „grundsätzlich (..) in den Planungsüberlegungen“ Forschungsgruppe ansetzen, auch wenn wir in der alle Aspekte zum Gegenstandsbereich, den Zielen, Schule forschen lassen, sondern diese Arbeitsvorgän- didaktischen Perspektiven, Methoden, Medien und ge ‚Unterricht‘ sind, müssen wir außerdem lernpsycho- Lernbedingungen „abzuarbeiten und miteinander zu logische Schritte berücksichtigen: Stufe der Motivation verschränken“ hat (Breit/Weißeno 2003, 12). (Einstieg), der Schwierigkeiten (Untersuchung, Rück- 2. Der zweite Ansatz löst die fachsystematische durch bezug auf die Ausgangsfrage), des Findens der Lösung eine stärker lernerorientierte und handlungssystema- (Beurteilung), der Anwendung (Handlungsmöglichkei- tische Unterrichtsplanung ab und greift damit auf ten). Aus der Überlagerung dieser drei theoretischen eine reformpädagogische und demokratiepädagogi- Schemata ist die Gliederung des Planungsmodells ent- sche Tradition zurück. Das Parallel-Setzen von Lern- wickelt, die zunächst nur für dieses Thema gilt, aber weg und Sachweg knüpft bei Herbart und Dewey an vielleicht doch ein Grundmuster für gleichartige The- (vgl. Grzesik 2006). Den Schwerpunkt bilden – ohne men enthält.“ (ebd. 66f.) dass es bereits eine einheitliche Begrifflichkeit gibt – In dem Maße, wie Gagel sein Planungsmodell an- „selbstläufge Lernwege“, „didaktische Settings“ oder hand eines Unterrichtsgegenstandes (innerparteiliche „methodische Großformen“, die über eine „innere Dy- Demokratie) exemplarisch entwickelt, entspricht er namik (…) aus der – gewissermaßen sich selbst ent- dem dritten Ansatz, der in den aktuellen Planungsdi- wickelnden – Auseinandersetzung von Lernenden mit daktiken auszumachen ist. dem Gegenstand“ (S. Reinhardt 2005, 223) verfügen 3. Als dritter Planungsansatz lassen sich fallorien- und für wechselnde aktuelle Fälle genutzt werden kön- tierte Konzepte erkennen, die statt den formalen Pla- nen (S. Reinhardt 2005, Sander 2008, Janssen 2008, an- nungsschemata – dem „Stricken ohne Wolle“ – mit schlussfähig erscheint aber auch die Geschäftsprozes- Sammlungen kommentierter Unterrichtseinheiten die sorientierung bei Mathes 2007). Die „selbstläufgen Werkdimension der Planungsdidaktik betonen (Breit/ Lernwege“ bieten die Möglichkeit, Lernende und ihre Massing 2006, Projektgruppe Berlin 2004, Leps/Mues Vorstellungen stärker in die Unterrichtsplanung einzu- 2007). Anhand dokumentierter erfolgreicher Planungs- beziehen. Eine kompetenzorientierte Aufgaben- und beispiele, der „Good-Practice“, könnten Lehrkräfte ge- Lernkultur mit einer stärkeren Varianz der Unterrichts- meinsam Planung reflektieren und ihre Planungskom- 139 Matthias Busch Journal of Social Science Education Rezensionen Volume 8, Number 2, 2009, pp. 124–145

petenz an der Arbeit am Fall und in der vergleichenden gepflegt. Es dominiert ein „Lager-Denken“, das den Analyse entwickeln. Notwendig erscheint allerdings, jeweils eigenen Ansatz auf Kosten des anderen Teil- dass nicht nur Unterrichtsentwürfe „am grünen Tisch“ bereichs hervorhebt. Dabei����������������������������� wäre ein Austausch zwi- zur Veranschaulichung der eigenen normativen Pla- schen Konzepten der politischen und ökonomischen nungskonzepte, sondern lebendige Planungs- und Bildung durchaus lohnend (vgl. u.a. Weißeno 2006). Unterrichtsreportagen ausgewählt werden. Anleitung Neben vielfältigen Parallelen in den methodischen und Hilfestellung können dem „Good-Practice-Ansatz“ Großformen oder der Inhaltsstrukturierung scheint in die Lehrkunstdidaktik, aber auch Konzepte wie Lesson der Politikdidaktik beispielsweise die Beschäftigung Study (vgl. Lewis 2004) geben. mit Konzepten der Problem- und Urteilsbildung sowie 4. Ein weiterer, sich abzeichnender, jedoch konzeptio- der kategorialen Bildung weiter gediehen. Von der nell noch nicht fundierter Ansatz stellt die individua- Wirtschaftsdidaktik könnten der diskutierte Lernfeld­ lisierte Planung in Gestalt von Lerntagebüchern oder ansatz und der handlungssystematische Unterricht Wochenplänen dar (Schreder 2007, Gänger 2007). Hier gewinnbringend adaptiert werden (vgl. Koch/Eggert verlagert sich Unterrichtsplanung ganz auf die Ebene 2003, Mathes 2007). der Lernenden. Die veränderten Unterrichtsformen Welche Planungsdidaktik für Studierende, Berufsan- und Lehrerrollen – selbstgesteuertes Lernen, E-Lear- fänger oder erfahrene Lehrkräfte tatsächlich am geeig- ning, Lehrkräfte als Coach oder Lernberater – dürften netsten ist, die Planungskompetenz zu fördern, kann eine eigenständige Planungsdidaktik erforderlich ma- an dieser Stelle nicht entschieden werden, auch wenn chen, deren Vorläufer bisher unter Publikationen zu die Ausführungen von Cypionka, Hornbruch und Kal- Lern- und Arbeitstechniken für Schülerinnen und Schü- lenbach (2009, Frage 9) darauf hindeuten, dass Lehren- ler zu suchen sind (exemplarisch: Löhle 2005, Schräder- de für ihre Praxis die unterschiedlichen Ansätze eigen- Naef 1996, aber auch Lewis/Whitlock 2003). ständig und pragmatisch kombinieren. Hierzu wären Gemeinsam ist den Ansätzen ein – entgegen den empirische Studien notwendig, die den berufsbiogra- eigenen Ansprüchen – fehlender oder nicht ausrei- phischen Bildungsgang und das Planungsverhalten chend begründeter empirisch fundierter Nachweis der von Lehrkräften zunächst untersuchen und vorhan- eigenen Planungsaussagen. Unterrichtsbeispiele – bei dene historische Planungsmodelle rezipieren (Gagel denen es sich zudem häufg um fktive Planungssitua- 1967b, aber auch Kettering 1930). Bisher scheinen die tionen handelt – bleiben meist illustrativ und werden proklamierten Ziele eines „kompetenzorientierten“, selten kritisch reflektiert – selbst dort, wo sie den ei- „offenen“, „problemorientierten“ oder „individuali- genen programmatischen Anforderungen widerspre- sierten“ Fachunterrichts keine zufriedenstellende Ent- chen. sprechung in Planungsdidaktiken zur Unterstützung Auch der sozialwissenschaftliche Charakter des Fa- der Fachlehrkräfte und der Lehrerbildung zu fnden. ches wird bisher nur in wenigen Planungsdidaktiken

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145 Journal of Social Science Education © JSSE 2009 Volume 8, Number 2, 2009, pp. 146–164 ISSN 1618-5293

Tilman Grammes Vermittlungswissenschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens am Beispiel einer Weiterbildung

Abstract Dieser Praxisbericht schlägt ein Modell zur Analyse von Lerndynamiken im Spannungsverhältnis von Theorie und Praxis vor: ein relationales anstelle eines additiven Verständnisses von Didaktik als Vermittlungswissen- schaft. Fallbeispiel ist eine qualitative Studie zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens in der 3. Phase der Professionalisierung. Es handelt sich um eine Weiterbildung für kommunale Bedienstete. Thema ist das „Ausländerproblem“. In einer Re-Analyse des Projekts kann gezeigt werden, wie das Aufeinandertreffen von Alltagswissen und Berufswissen (Verwaltungsrationalität) durch sozialwissenschaftliches Wissen beeinflusst werden kann. Die Beobachtungen sind übertragbar, z.B. auf Lehrerweiterbildungen.

This article suggests a model to analyze dynamics of learning processes in the stress ratio of theory and��������� prac- tice: a relational instead of an additional understanding of didactics as mediation science. Case example is a qualitative study for the use of sociological knowledge in the 3rd phase of professionalization. It concerns a further training for local civil servants. Topic is „the foreigner problem “. In a reanalysis of the project can be shown, how meeting one another everyday life knowledge and professional knowledge (reasoning of civil service) can be affected by sociological knowledge. The observations can be generalized for example on teacher further educations.

Inhalt ren? In der didaktischen Tradition wird Vermittlung 1. Additives und relationales Vermittlungsmodell auf zwei unterschiedliche Weisen konzipiert, additiv 2. Lernausgangslage oder relational. 3. Lernsequenzen a) additiv: Im Alltagsverständnis ist „Didaktik“ et- 3.1 Phase: Cartoon was, was einem vorgegebenen Sachverhalt von außen 3.2 Phase: Textarbeit und nachträglich hinzugefügt wird. Es gehe darum, 3.3 Phase: Statistik bereits positiv vorhandene, als richtig und wichtig 4. Fazit: Lerndynamiken ausgezeichnete Wissensbestände nachträglich „auf- Exkurs: Professionalisierungstheorie zubereiten“, um sie weiter zu „transportieren“, zu 5. Alternative: Fallstudiendidaktik „vermitteln“. Dies ist ein additives Konzept: es gibt 6. Ausblick: Didaktik der Verwaltung vorgängiges Wissen und nachgängige Vermittlung. Literatur Didaktik in diesem Sinne steht immer in der Gefahr, ein nachträgliches Interessant-Machen („Aufhüb- Abbildungen schen“) eines als „trocken“ wahrgenommenen Stof- Abb. 1: Modell der Wissensformen fes zu leisten und dabei ins verschnörkelte „Styling“ Abb. 2: Cartoon abzugleiten. Das Styling überdeckt schliesslich sogar Abb. 3: Fachdidaktischer Kegel den Zugang zum Sachverhalt für den Lernenden. Es Abb. 4: Arbeitsbogen Konfliktlösungsmöglichkeiten entsteht künstliches Schulwissen. Nun ist es ganz wichtig zu sehen, dass „Didaktik“ Keywords: in diesem additiven verkürzten Verständnis von Ver- Didaktisches Dreieck, Fachdidaktischer Kegel, lernende mittlung immer schon vorhanden und wirksam ist. Organisation, Organisationspädagogik, Soziologie­di­ Didaktik als Alltagsphänomen ist in der modernen daktik, Verwendungsforschung, Weiterbildungsforsc- Wissensgesellschaft mitnichten ein Mauerblümchen, hung, Vermittlungswissenschaft, (Modell der) Wis­ sondern eine allgegenwärtige Macht – Didaktik als sens­formen, Didaktik der Verwaltung

studium im sog. ABK-Bereich (Allgemein Berufsqualifzierende 1. Additives und relationales Kompetenzen) in den neu gestalteten Bachelor-Studiengängen Vermittlungsmodell verwendet. Darunter werden Kurse zu so unterschiedlichen Inwiefern ist es sinnvoll, Didaktik in einem allgemei- Dingen wie Zeit- und Stressmanagement oder Stimmtraining nen Sinne als Vermittlungswissenschaft1 zu konzipie- gefasst (vgl. Editorial S. 14). Die Vermittlungswissenschaften sollen das ehemalige studium generale ersetzen, haben damit real aber wenig gemein. Teilweise ersetzt der Begriff Vermitt- 1 Der Begriff „Vermittlungswissenschaften“ wird – im Plural – lungswissenschaft den der Erziehungswissenschaft oder Bil- zur Zeit auch ganz gedankenlos für ein obligatorisches Begleit- dungswissenschaften, vgl. Wildt 2004. 146 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Vermittlungswissenschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens Volume 8, Number 2, 2009, pp. 146–164

Gott (Türcke 1986). Es ist fast alles immer schon „di- – wissenschaftliches Wissen. daktisiert“. Aufgabe einer Didaktik als Wissenschaft – Davon zu unterscheiden ist das spezifsche Vermitt- ist die Analyse und Kritik solcher immer schon statt- lungswissen, wie es sich in Lehr-Lern-Kontexten, die fndenden Didaktisierung – Zubereitungsprozesse, auf die anderen Kontexte verweisen, konstituiert. die nur zu oft dazu führen, dass die Sache hinter den Motivationstricks verschwindet und sich eine Ebene Am Beispiel der kontextspezifschen Verwendung des Schulwissen als eigene Welt aufbaut. von Risikowissen, z.B. über den Zusammenhang von b) relational: In der Didaktikgeschichte gibt es im- Atomenergie und Sicherheit, hat Reinhard Kreissl aus mer wieder noch ein anderes, ein „inwendiges“2 Ver- der Perspektive der sozialwissenschaftlichen Verwen- ständnis von Didaktik als „Vermittlung“: Didaktik ist dungsforschung diese Prozesse der Umkodierung er- immer bereits integrales, konstitutives Element der läutert: Bewegung der zu vermittelnden „Sache“ selbst! Der „Was z. B. unter den idealisierten Bedingungen eines Sachverhalt ist eine soziale Tatsache, die sich aus den wissenschaftlichen Diskurskontextes (handlungsentlas- Interaktionen und Kommunikationen von Subjek- tet, verantwortungslos, Zwang zu intersubjektiv über- ten in der Gesellschaft aufbaut, und insofern immer prüfbarer logisch-empirischer Beweisführung) etwa schon „vermittelt“ ist. In diesen sozialen Interaktio- als ein Problem laborexperimentell zu bestimmender nen und Kommunikationen wird auch „immer schon“ Wahrscheinlichkeiten diskutiert wird, wird im Dis- gelernt. In einem inwendigen Didaktikverständnis kurskontext des politischen Systems möglicherweise geht es darum, Lernende an den Lernbewegungen umkodiert als Problem von Risiko und Sicherheit und der sozialen Realität reflexiv zu beteiligen, um Parti- gelangt vielleicht irgendwann in den Diskurskontext zipation (Demokratie-Pädagogik). Didaktik ist daher des Rechtssystems, wo es wiederum unter anderen Ge- eine Anforderung an die wirklichkeits-analoge kom- sichtspunkten als Problem von rechtlich verbindlicher munikative Gestaltung einer Lernumgebung (Kommu- Zurechenbarkeit und Verantwortung erscheint. Von nikative Didaktik – Grammes 1998). Diese Analogien dort kann der Weg in die Wissenschaft zurückführen, erfordern ein nüchtern-transparentes, funktionales etwa durch die rechtliche Normierung bestimmter Si- Design. Die Ästhetik einer kommunikativen Didak- cherheitsstandards für die Forschung.” tik lautet „form follows function“. Insofern könnte (Kreissl 1992, S. 98f.) man von einer Bauhaus-Didaktik sprechen, die wie- Die vorangehenden Beiträge dieser Ausgabe von JSSE derhergestellte Nähe zu natürlichen Lernsituationen: hatten Ausbildungsdidaktiken für den Beruf des Leh- die Lernmethode soll analog der Sachmethode sein. rers zum Gegenstand. Das hier vorgestellte und reana- Didaktik als kritische Wissenschaft hat die Aufgabe, lysierte Fallbeispiel (Daheim u.a. 1989) stammt aus Umkodierung von Wissen im Fluss zwischen institutio- Weiterbildungslehrgängen innerhalb einer Kommu- nellen Diskurskontexten zu analysieren und darin die nalverwaltung. Die Problemstellung und die Dynamik Bildungspotentiale wieder freizulegen. des Lehr-Lern-Prozesses ist auf Weiterbildungen inner- Didaktik als Vermittlungswissenschaft in einem re- halb der Lehrerbildung übertragbar. lationalen Sinn kann als „Zwischenhandel“ (Giesecke Das Material stammt aus dem Ende der 1980er Jah- 1979) oder als eine „Distributionsanalyse von Wissen“ re. Das Thema der Fortbildungsseminare lautet in der (Jürgen Pandel, vgl. Kade/Seitter/Dinkelaker 2009) kon- aus heutiger Sicht politisch nicht mehr korrekten Spra- zipiert werden. So wie in der Linguistik systematisch che noch: das „Ausländerproblem“3. untersucht werden kann, in welchen unterschiedlichen In der hier vorgenommenen Re-Analyse des Fallbei- Umgebungen bestimmte Laute oder Wörter auftreten spiels müssen drei Gruppen unterschieden werden: und sich dabei verändern, kann dies auch für soziales Die Teilnehmer: Es sind kommunale Bedienstete Wissen durchgeführt werden. In diesem Sinne reduziert (Verwaltungspersonal). Diese Zielgruppe wird als zen- Didaktik als Vermittlungwissenschaft diese also nicht traler Multiplikator für gesellschaftliche Reformen an- auf Methodik, die Frage nach dem WIE, sondern in den gesehen. Relationenierungen verschieben sich Bedeutungen und Die Teamer: Es ist eine Arbeitsgruppe (=AG), die aus es verändert sich der Inhalt, die Frage nach dem WAS Soziologen besteht. und WARUM. Die Forschergruppe: Sie ist nicht mit den Teamern In der Wissenssoziologie und Professionsforschung identisch und untersucht die Transferdynamik von werden meist vier Kontexte von Wissen unterschieden: beruflichem, wissenschaftlichem und alltäglichem – Alltagswissen (Lebenswelt), Wissen mit qualitativen Forschungsmethoden ent- – Berufswissen (institutionelles Wissen), lang exemplarischer Seminarsequenzen.4

2 Der Dirigent Otto Klemperer soll einmal gesagt haben, es kom- 3 Die Bezeichnung aus dem Material der 1980er Jahre „Ausländer“ me nicht darauf an, auswendig zu dirigieren, sondern inwendig. wird im folgenden nicht in Anführungszeichen gesetzt. Dies war kritisch gemeint gegenüber an äußerlicher Show und 4 Ich danke der Projektgruppe dafür, dass sie mir den unveröf- Styling orientierten Pultstars. fentlichten Abschlussbericht zur Verfügung gestellt hat. Nur 147 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Vermittlungswissenschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens Volume 8, Number 2, 2009, pp. 146–164

Abb. 1: Modell der Wissensformen (zuerst Grammes 1998, S.70; vgl. Hof 2001)

In didaktischen Distributions- und Transforma- Eine Weiterbildung ist auch in der Verwaltung meist tionsanalysen ist das Strukturmoment Medien als eine dritte Phase der Ausbildung, nach Studium und Trägermaterial besonders interessant.5 Die drei hier Praxisphase (z.B. juristisches Referendariat). Als er- ausgewählten Sequenzen sind jeweils durch ein charak- wachsenenpädagogische Veranstaltung unterschei- teristisches Lernmaterial strukturiert, das die Teamer den sich Weiterbildungen von schulischem Unterricht ausgewählt haben: eine Karikatur, ein thesenförmiger durch die reale Symmetrie der Kommunikationspart- Text sowie eine Statistik. ner, die in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen nur kontrafaktisch und „stellvertretend“ (der Pädago- ge als Anwalt) unterstellt wird (vgl. Exkurs). Es begeg- auf dieser Basis ist die Re-Analyse möglich geworden. Die nen sich gleichberechtigte Partner, die sich jeweils als Forschungsgruppe führt auch eine quantitative Auswertung Profs auf ihrem Gebiet (Sozialwissenschaft bzw. Kom- durch. Darauf wird im Folgenden nicht eingegangen. Zu Me- munalverwaltung) defnieren können. thoden und Ergebnissen der qualitativ-hermeneutisch orien- Die Forschergruppe geht von der Grundannahme tierten Erwachsenenbildungsforschung vgl. die Übersicht bei Dörner/Schäffer (2009) und Arnold u.a. (1998). aus, dass Wissenschaftssystem und Verwaltungssys- 5 Zur sog. Trägerfunktion des Materials in Planungsdidaktiken tem („Praxis“) unterschiedlichen Wirklichkeitsauffas- vgl. Busch JSSE 2009, 2. sungen und Deutungsroutinen folgen (vgl. Abb. 1): 148 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Vermittlungswissenschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens Volume 8, Number 2, 2009, pp. 146–164

Berufspraktisches Professionswissen vergleicht „den orientierten Rekurs auf gemeinsam geteiltes Alltags- zu entscheidenden Fall mit vorgegebenen Entschei- wissen als tertium comparationis bearbeitet werden? dungsregeln und fndet die Gewißheit einer sachlich- richtigen Entscheidung darin, daß im Zweifelsfall über 2. Lernausgangslage die Rechtssprechung Entscheidungen sanktioniert wer- In der Analyse der Lernausgangslage der Teilnehmer den können“ – ein Verfahren der antizipierten Rechts- (Bedingungsanalyse) geht die AG von diametral unter- förmigkeit von Entscheidungen.6 Verwaltungspraxis schiedlichen Deutungen der Ursache-Wirkungsbezie- als Teilsystem von Politik „steuert ihre systemspezif- hungen zum Ausländerproblem bei Wissenschaftlern schen Kommunikationsleistungen nach der Maßgabe und Verwaltungsangehörigen aus. Die AG antizipiert von Recht. Das Ziel verwaltungsmäßiger Kommunika- bei den Teilnehmern eine starre Behördenperspektive tion besteht in der Herstellung von Entscheidungen, Die Teamer entscheiden sich, einen Konfliktkurs zu deren Annahmewahrscheinlichkeit über Recht als In- steuern: Durch sozialwissenschaftliche Informationen, stanz ihrer Kontrolle vorgegeben ist. Demnach liegen die kognitive Dissonanzen provozieren, soll ein Per- die Kommunikationschancen in Verwaltungssystemen spektivenwechsel bei den Verwaltungsangehörigen in der Herstellung, Effektivierung und Durchführung ausgelöst werden, der in eine verständigungsorien- rechtsfähiger Entscheidungen, wobei Abweichungen tierte Auseinandersetzung über alternative Problem- stets durch die Umwelt wiederum rechtsfähig sanktio- sichten überleiten soll. Die Methode der Provokation niert werden können.“ (Daheim u.a. 1989, S. 7f.) als „Modalität der Bearbeitung politischer Themen“ Wissenschaftliches Wissen dagegen „stützt die Ge- (Giesecke 1973, S. 66-74)8, der Verunsicherung von wißheit seiner Akzeptanz auf die Annahme, daß jeder- Vorstellungswelten, wird funktional eingesetzt, um mann eine als wahr qualifzierte Erkenntnis als solche unterschiedliche Wissensperspektiven zunächst zu wahrnehmen und ihr daher folgen muß.“ (Daheim u.a. proflieren, dadurch anschließend aber zu einer neuen 1989, ebd.) Verständigung zu gelangen.9 Dieses Vorgehen der Ver- Alltagswissen: Die Bürgerin, der Bürger erlebt Verwal- unsicherung von Wissen ist charakteristisch für die so- tung häufg als langwieriges Schieben von Akten von ziologische Denkweise und begründet geradezu eine Schreibtisch zu Schreibtisch. Diese Wahrnehmungen Didaktik der Soziologie (vgl. Kleinmann/Copp 2009). werden in alltägliche Deutungsmuster übernommen. Die AG versucht den Verwaltungsangehörigen da- Verwaltung funktioniere nach den drei Prinzipien durch eine Problemsicht nahezulegen, die die kausa- „Das haben wir immer so gemacht!“, „Das haben wir len Beziehungen im Ausländerproblem radikal umdeu- noch nie so gemacht!“ und „Da könnte ja jeder kom- tet: Problematisch am Ausländerproblem sei weniger men!“, um Bürgereingaben letztlich abzuwiegeln. Die der Ausländer für den Inländer, sondern gerade umge- Behörde gilt als Bürokratie, die ihren eigenen Geset- kehrt der Inländer für den Ausländer. Aus dieser Per- zen folgt.7 spektive wird soziale Integration der Ausländer in die Wie sind Verständigung und Wissenstransfer deutsche Gesellschaft so lange verhindert, wie den („Lernen“) angesichts solcher systematisch bedingten Ausländern ohne vorherige kulturelle Anpassung oder Rationalitätsdifferenz möglich? ��������������������Im Fallbeispiel wer- Assimilation gleiche materielle und politische Teil- den die Erwartungen der Teamer, mit den Teilnehmern habechancen verweigert werden, wobei Verwaltun- ins Gespräch zu kommen, unversehens enttäuscht. gen den Prozess der Chancenverweigerung praktisch Die Differenz führt nicht zu „dialogischem Lernen“, ausführen (müssen). Aus kritisch sozialwissenschaft- sondern zu Inkommensurabilität, zu unverstandenem licher Sicht stellt der Ausländer aber eine „Konstruk- Nicht-Verstehen. Kommunikationsparadoxien entste- tion“ des Inländers dar. Das „Ausländerproblem“ ist hen vornehmlich aus nicht angemessen übersetzten ein Problem der Defnitionsmacht der Inländer und Rationalitätsdifferenzen. Es kommt zu „conflati- nicht der „inländischen Ausländer“. In der Konsequ- on“ statt zu „confrontation“ (Albury 1983). Es fehlt enz läuft diese wissenschaftliche Perspektive darauf durchgängig die klärende Markierung von Differenz hinaus, die durch das deutsche Staatszugehörigkeit- auf einer Meta-Ebene der Kommunikation. Wenn wir srecht konstruierte Topologie Inländer/Ausländer abschliessend nach einer konstruktiven Alternative fallen zu lassen. Soziale Integration ist nicht nur eine suchen: Könnte die Differenz durch verständigungs- Frage des subjektiven guten Willens („Ausländerfre- undlichkeit“), sondern vielmehr eine Frage materialer rechtlicher Gleichstellung (z. B. doppelte Staatsbürg- 6 Die amerikanische Rechtsauffassung ist dagegen stärker am Einzelfall und seinen situativen Bedingungen orientiert. 8 Ein Beispiel für die Methode der Provokation auf der Ebene der 7 Diese mikropolitischen Mechanismen sind von der Organisa- Mikrokommunikation von Unterricht in Form des bewusst ein- tions- und Verwaltungssoziologie beschrieben worden. Sie gebauten „Fehlers“ vgl. Roelke 1970, S. 144. sind z.T. in den alltäglichen Sprachgebrauch eingegangen, z.B. 9 Andreas Petrik betont in seinem Beitrag ebenfalls die Notwen- das sogenannte „Peter-Prinzip“ (In einer Hierarchie neigt jeder digkeit der Inszenierung widerständiger und expansiver Erfah- Beschäftigte dazu, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzu- rungen im fachdidaktischen Basismodul – was aber auch zu steigen.“) defensiven Lernhaltungen führen kann. 149 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Vermittlungswissenschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens Volume 8, Number 2, 2009, pp. 146–164

erschaft) durch Setzung veränderter politischer Rah- derproblems (vgl. Fussnote 3), die durch eine provoka- menbedingungen. Die Sozialwissenschaftler erwarten tive Karikatur ausgelöst wird. Anfangsphasen sind in von den Teilnehmern, dass diese in ihrer beruflichen den „unsteten“ Formen der Bildungsarbeit, wie es Ve- Alltagspraxis fortan gegebene Handlungsspielräume ranstaltungen der Erwachsenenbildung überwiegend reformorientiert zugunsten der „Ausländer“ nutzen. darstellen, immer in besonderer Weise prekär, muss (Daheim u.a. 1989, S. 202) doch der Status der beteiligten Personen innerhalb Die Re-Analyse kann auf die auch problematischen kürzester Zeit jeweils neu defniert werden. Folgen dieser Defzitdiagnostik des Vorwissens der Abb. 2: Cartoon Teilnehmer aufmerksam machen. Zwar hat sich die AG Diese Karikatur, die AG spricht synonym auch von von der Vorstellung einer prinzipiellen Überlegenheit einem „Cartoon“12, repräsentiert ein typisches Deu- sozialwissenschaftlichen Wissens über andere Wis- tungsmuster: der kleine Mann tritt als Bittsteller auf sensformen verabschiedet. Wissenschaftliches Wissen – Untertanengeist statt Dienstleistungsorientierung. enthalte lediglich „andere Deutungen“. Aber: Die be- Die Behörde erscheint übergross und entpersönlicht; rufliche Deutungsperspektive der kommunalen Be- diensteten erscheint als defzitär.10 Die Lerndynamik der Sequenzen zeigt, dass den Teilnehmern zwar eine Perspektivenübernahme im Hinblick auf die Problem- sichten der AG gelingt, aber dennoch keine lernpro- duktive Verständigung erfolgt. „Verständigung ist also nicht ausgeschlossen. Die drei Seminarepisoden zeigen nun, daß sie dennoch nicht stattgefunden hat: Es gab keine erfolgreiche Bearbeitung des Kom- mensurabilitätsproblems ... wenn man darunter eine Einigung der Mehrheit der Seminarteilnehmer mit der Arbeitsgruppe versteht.“ (Daheim u.a. 1989, S. 217f.) Im Resultat bleibt es bei einer Konfrontation der Pers- pektiven, die dadurch bestätigt und verfestigt werden. Es kommt zur Bildung eines Lernplateaus (Pidginisie- rung11). Eine darüber hinausgehende Verhandlung von Deutungen auf dem Weg zu neuen Erkenntnispotenti- alen fndet nicht statt. Es bleibt bei weithin unbegrif- fenen „unterirdischen Bedeutungsschlachten“ einer „wilden transversalen Praxis“ (Kordes 1989), bei Ver- gegnung statt Begegnung. der Finger könnte den Bittsteller jederzeit wegschnip- Betrachten wir nun anhand von drei exemplarischen sen. Der Schaltertisch schafft Distanz und bietet nur Seminarsequenzen, wie sich diese systematischen wenig Schutz.13 Überlegungen zur Lernausgangslage in der Lerndyna- Das ästhetische Medium regt Aushandelungsproz- mik der Weiterbildung auswirken. esse an, schon weil es keine Textbotschaft enthält. Der Cartoon animiert dazu, sich gedanklich auf der einen 3. Lernsequenzen oder anderen Seite des Schalters zu positionieren; eventuell sich in der Perspektive des Dritten dazuzu- 3.1 Phase: Cartoon setzen und Inter-esse (dazwischensetzen, teilnehmen) Im Mittelpunkt der ersten Seminarphase steht eine zu zeigen, um eventuell als Vermittler und Dolmet- Auseinandersetzung über die Defnition des Auslän- scher (Mediator) tätig zu werden (vgl. eine ganz ähnli- che Situation in Grammes/Kaspar 1993). 10 Die Unterscheidung von Defzit- und Differenzhypothese stammt aus der Soziolinguistik. Die Differenzhypothese ist 12 Der Übergang zwischen den Begriffen „Cartoon“ und „Karika- eine Ende der 1960er-Jahre von dem amerikanischen Sozio- tur“ ist hier fließend. linguisten William Labov entwickelte Annahme, dass die für 13 Der Formwandel des Schaltertisches als Teil des „Körper des unterschiedliche soziale Gruppen typischen Sprachgebrauchs- Staates“ und einer Mikrophysik der Macht (Michel Foucault) formen in Bezug auf die Breite und Differenziertheit der Aus- ist Ausdruck eines sich wandelnden Selbstverständnisses der drucksmöglichkeit sowie hinsichtlich der Erfassung logischer Verwaltung. Er entwickelt sich von der Schranke oder der durch Zusammenhänge funktional äquivalent sind. Diese These wur- eine Glaswand mit kleinem Sprechfenster abgetrennten Zone de von Labov als kritische Reaktion auf die Defzithypothese zur Gesprächsecke in modernen Kundenzentren, vgl. Voß 1988. von Basil Bernstein aufgestellt, nach der der Sprachgebrauch Biopolitische Ansätze politikwisssenschaftlicher Forschung der Mitglieder sozialer Unterschicht defzitär sei. haben zeigen können, dass solche als bedrohlich erlebte Lern- 11 Pidgin-Sprachen sind ursprünglich reduzierte Handelssprachen, situationen bei Behördenkontakten körperliche Reaktionen bei die die einfache Verständigung zwischen unterschiedlichen den Antragstellern hervorrufen, vgl. dazu Flohr/Tönnesmann Kulturen sichern sollen. 1983. 150 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Vermittlungswissenschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens Volume 8, Number 2, 2009, pp. 146–164

Wie könnte die Seminargruppe auf diesen Impuls derfreundlich eingestellt und wollen bürgernah und reagieren?: dienstleistungsorientiert handeln – sonst hätten wir – Betroffenes Schweigen? uns kaum zu dieser Fortbildung gemeldet -, aber wir – Empörung über das symbolisierte Machtgefälle und können es nicht! Wir haben Vorschriften, wir haben die offensichtliche Ungerechtigkeit? Vorgesetzte! Die Teilnehmer sehen sich in der Rolle – Eine ablehnende Geste – Ach! – und aus dem Feld von Tätern und Opfern und nehmen das Verwaltungs- gehen? handeln als antinomisch strukturiert wahr. Sie sind Tatsächlich kommt es überraschend zu einem scherz- gewissermaßen durch die sozialwissenschaftliche haft paraphrasierenden Zwischenruf eines Teilneh- Aufklärung schon hindurchgegangen. Die AG versucht mers: mithin, „Eulen nach Athen zu tragen“, Überzeugung „Türke, eindeutig.“ der schon Überzeugten, die aber handlungspragma- Ein Teamer reagiert darauf mit tisch ratlos bleiben. Dies sind die Paradoxien eines „Verwaltung, eindeutig.“ (Daheim u.a. 1989, S. 208) sozialwissenschaftlich-aufklärenden Unterrichts und Die Forschergruppe interpertiert dies so, dass die Lehrverfahrens. Teilnehmer die intendierte Provokation der AG durch das Stilmittel der Parodie, eine Vertauschung von Sozialwissenschaftlich-aufklärender Form und Inhalt, parieren. Die Parodie verleiht dem in- Unterricht tendierten Informationsgehalt des Cartoons bewusst „Sozialwissenschaftlich-aufklärender Politikunterricht“ einen falschen Rahmen.14 Das Identifkationsangebot bezeichnet ein Unterrichtsmuster, in dessen thema- der Teamer wird durch den Teilnehmer in einer spiele- tischem Zentrum ein sozialwissenschaftliches steht, rischen Form zurückgewiesen. Die Möglichkeit zur An- etwa eine soziologische Rollentheorie. ��������������Die Schülerin- schlusskommunikation wird aber offen gelassen, da nen und Schüler lernen zunächst, dass „alles auch der Konfliktwert der Falschrahmung gering bleibt. Es anders sein könnte“. Sie sollen ihre Rollen erkennen. handelt sich nicht um einen taktlosen Affront, denn Aber was nutzt dem Jugendlichen Rollenbewusstsein, der Teilnehmer signalisiert gleichzeitig, dass er die In- kann er sich trotz aller „Aufklärung“ doch immer nur tention des Cartoons und damit die Provokation der teilweise aus vorfndlichen sozialen Prägungen lösen Teamer verstanden hat; er geht mit. Gleichzeitig weist und eine andere Identität aufbauen, Rollendistanz er die Deutungsperspektive der AG selbstbewusst zu- üben, soziale Absicherungen aufgeben etc. ���������Emanzipa- rück.15 tion und Lernen werden dadurch zu unabschließbaren Eine Re-Analyse kann darauf aufmerksam machen, Prozessen, die auf Dauer gestellt sind. dass der parodistische Zwischenruf – „Türke, eindeu- Sozialwissenschaftlich-aufklärender Unterricht ist tig!“ – möglicherweise aber noch mehr und anderes eng verknüpft mit dem Prozess der sog. Versozial- mitteilen will: Die von der Soziologengruppe thema- wissenschaftlichung von Alltagswissen. Versozialwis- tisierte Perspektive – das Machtgefälle von der einen senschaftlichung ist ein kritischer Begriff in der wis- zur anderen Seite des Schaltertisches – trifft unser senssoziologischen Tradition, der die Infltration von alltäglich-berufliches Handlungsproblem in der Ver- alltäglichem durch wissenschaftliches Wissen und die waltung gar nicht: Wir sind doch schon eher auslän- Konsequenzen für Bildungsprozesse (z.B. Halbbildung) kritisiert. Er wird von Jürgen Habermas verwendet. Beispiel: In einem Ehestreit fällt der Vorwurf: “Du ver- 14 In der Methodenliteratur gilt die Karikatur als geeignetes Medi- drängst jetzt aber mal wieder ganz schön!” Hier wird um politischer Bildungsarbeit, da sie Deutungsmuster aphoris- tisch verkürzt und konfrontiert. Das Reden über den Inhalt ei- ein psychoanalytisches Theorem (Verdrängung) als ner Karikatur kommt häufg über eine Paraphrase nicht hinaus, Waffe im Streit eingesetzt. unterläuft also den ästhetischen und mehrdeutigen Charakter (vgl. Behrmann 1978, S. 124; Grammes 1998, S. 231- des Mediums. Die Karikatur dient als Beleg. Werden Karikaturen 236) nur als Motivationselement unterschätzt, wird die ästhetische Rahmung des Mediums unterlaufen. Frustration über die ins Leere gehende Provokation ist die mögliche Folge. Dies lässt Akzeptiert man diese Deutung, dann bliebe die Replik sich in der Szene beobachten. des Teamers „Verwaltung eindeutig“ nicht länger im 15 Die epigrammatische Struktur der Szene erinnert an den Wort- pädagogischen „Takt“ (Grammes 2005b). Die von dem wechsel zwischen einem Schüler und seinem Lehrer über Hitler Teilnehmer angestoßene Lerndynamik – wir kommen und die Hinterbliebenenrente des Vaters (Muth 1962, Grammes mit einer Bürger- und Dienstleistungsorientierung im 2005b). In beiden Fällen konstituieren geistesgegenwärtige, „taktvolle“ Einwürfe intensive, aber auch riskante Lernsituati- Rahmen einer Verwaltungsreform nur weiter, wenn onen. Es ist notwendig, die Lernprozesse unterstützende Funk- wir das Problem nicht auf der Ebene von Einstellun- tion des Tons der Kommunikation zu untersuchen. Nicht nur, gen und guten Absichten, sondern von strukturellen was gesagt wird, sondern auch wie, die Rhetorik. Ein scherzhaft Zwängen unterliegenden Handlungen innerhalb von spielerischer Umgangston ist bei vielen Sozialkundelehrern zu bürokratischen Organisationsstrukturen fassen – wird beobachten. Ist dieser Ton das notwendige Korrelat zu lernin- duzierenden Provokationen, auf die ihr Unterricht angewiesen durch die Retourkutsche der AG dethematisiert und ist? repersonalisiert. Die Anregung zur alternativen Prob- 151 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Vermittlungswissenschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens Volume 8, Number 2, 2009, pp. 146–164

lemrahmung wird nicht aufgegriffen: Für die kom- in eine Aporie führen und dadurch erneut zu einer munalen Bediensteten ist ihr Beruf aber zugleich all- „unterirdischen Bedeutungsschlacht“ (Kordes) und Ab- tägliche Lebenswelt – 40 Stunden in der Woche. Dort wehrverhalten herausfordern. müssen sie „irgendwie durchkommen“, indem sie sich Diese Sequenz beginnt mit einem thesengestütz- in der Dialektik von Selbstsicht und institutionellen ten Dozentenvortrag mit Diskussion, an dessen Ende Strukturen einrichten. Die Teilnehmer fragen nach ausländerpolitische Maßnahmen, insbesondere der po- einer Alltagspragmatik behördlichen Handelns, die litische Vorschlag einer doppelten Staatsbürgerschaft, für sie lebbar bleibt. Einige Teilnehmer mögen dabei eine Diskussion über die Möglichkeiten von Integrati- durchaus mehr im Sinn haben als Lavieren und Sich- on anregen soll. �������������������������������������Ein Teilnehmer bringt sein Berufswis- Durchwursteln, die viel gescholtene Stückwerktech- sen ein und legt die komplizierte Rechtslage dar. nologie des „muddling through“. Die Defzitdiagnose Es kommt zu Einwänden, wie sie in solchen Diskus- der Teamer gegenüber den Deutungsmustern ihrer sionen gewöhnlich auftreten. Die Teilnehmer weisen „Kunden“ verstellt den Blick für alternative kommu- auf einzelne Gegenbeispiele hin, die als Evidenzbeweis nikative Anschlussmöglichkeiten und blockiert päda- dienen und das Argument “abschiessen” sollen, z. B. gogische Anerkennungsverhältnisse. sei Integration abhängig vom Zeitfaktor. Ein anderer In dieser Lesart könnte die Binnensicht der Ver- Teilnehmer verweist auf die gesellschaftliche Integra- waltungsangehörigen ganzheitlicher und komplexer tion von in Deutschland lebenden Holländern in der sein. Sie zielt weder auf externalisierende Schuldzu- dritten Generation, die sich auch ohne deutschen weisungen noch auf deren bloß xenophile Umkehrung, Reisepass als Deutsche fühlten. Das Argument soll be- „daß ethnischen Minoritäten ohne deren Verschulden weisen: Politik sei nicht zuständig; das Problem regele Probleme erwachsen können“. (Daheim u.a. 1989, S. sich – wenn überhaupt – in der Gesellschaft, also kul- 198) Wenn die Teilnehmer Ursachen nicht nur bei den turell. Damit lassen sich die Teilnehmer paradoxerwei- Inländern, der Verwaltung16, letztlich bei sich selbst se auf die kulturalistische Thematisierung der AG ein: suchen, auch nicht allein bei den Ausländern, dann das Ausländerproblem als Problem von Einstellungen verweist dies auf eine reflexive, organisationssozio- und Mentalitäten! logische Perspektive: Alle Personen tragen durch ihr Die Forschungsgruppe problematisiert die Ein- Handeln zu der Verfestigung von Strukturen bei, wie wandbehandlung der Teamer: „Die AG geht darauf sie gleichzeitig in diese Strukturen restriktiv eingebun- nicht direkt ein und versucht, ihre Botschaft am Aus- den sind. Mithin sind „alle ein bisschen schuld“. Von zug aus der Rede eines Bundestagsabgeordneten, die kritischen Pädagogen wird dies oft als vordergründig über den Tageslichtprojektor präsentiert wird, zu ver- harmonisierende Abwiegelungsstrategie interpretiert. deutlichen. Der Abgeordnete spricht sich gegen eine Das topische Deutungsmuster „Aber die doch auch!“ multikulturelle Gesellschaft aus, verlangt von den kann einerseits als reflexhafte Abwehrstrategie gele- Ausländern eine rasche Entscheidung für Bleiben oder sen werden; andererseits als Einklagen der Thematisie- Rückkehr und erwartet von denen, die bleiben wollen, rung struktureller Handlungsgrenzen über die Formu- daß sie Deutsche werden. Die AG kommt sodann auf lierung gemeinsamer Betroffenheit und „Verstrickung“ den von dem Teilnehmer angebotenen Vergleich zu- von AG und Teilnehmern. rück und fragt nach dem Unterschied von Türken und Die Provokation ist eine didaktische Technik zur Holländern ... Der Unterschied liege in der ‚Mentalität’ Produktion einer kognitiven Dissonanz: „Die pädago- ... Identität bezieht sich auch auf die Religion. Dann gischen Leiter provozieren die Teilnehmer, indem sie wird die Diskussion zur Pause abgebrochen.“ (Daheim von diesen ohne Begründung sinnlose Tätigkeiten ver- u.a. 1989, S. 210) langen.“ (Daheim u.a. 1989) Diese Charakterisierung Die AG unterstellt Selbstevidenz ihrer Beweisfüh- der Provokation bekommt in der Re-Analyse aber eine rung; die Argumentation wird mit der Attitüde vorge- kritische Funktion: Im vorliegenden Fall verstehen die tragen, Recht zu haben und zu behalten. Der Ton gerät Teilnehmer möglicherweise sehr gut, können aber mit dadurch moralisierend. Aber bekanntlich lernen Men- der Thematisierung nichts anfangen („sinnlos“), da schen, die sich belehrt fühlen, schlecht. Auch in dieser diese ihre beruflichen Handlungs- und Wissensproble- zweiten Sequenz polarisieren die Teamer bewusst die me gar nicht tangiert. Die stellvertretende Deutung Diskussion. der AG läuft ins Leere. Die Re-Analyse kann darauf aufmerksam machen, dass die Differenzen der Botschaft der AG zu den Per- 3.2 Phase: Textarbeit spektiven der Teilnehmer „gar nicht so deutlich“ sind Es folgt nun eine Seminarphase, in der die Teamer – – es handelt sich eher um ein Scheingefecht! Nicht ob- unfreiwillig – ihre Teilnehmerinnen und Teilnehmer wohl, sondern gerade weil beide Seiten auf Alltagswis- sen rekurrieren, unterstellt die Deutung der AG eine unterschiedliche Wertigkeit der Wissensperspektiven, 16 Personalpolitisch versucht man es deshalb heute mit einem Di- versity Management. Auch politikdidaktisch relevant, vgl. GPJE während die Teilnehmer die Perspektive der AG aber (2007). gar nicht ablehnen. Sie haben diese längst verstan- 152 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Vermittlungswissenschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens Volume 8, Number 2, 2009, pp. 146–164

den, können diese allerdings nicht in ihr berufliches Parlament“ nahelegt. Dieser Rückgriff auf das Links- Handeln integrieren. Zumindest einige Teilnehmerin- Rechts-Schema einer politischen Geographie19 „erle- nen oder Teilnehmer – denn haben wir es wirklich digt“ das Problem zwar auf der Ebene von Gesinnung mit einer deutungs- und argumentationshomogenen (Standpunktlogik), nicht aber auf der Ebene praktischer Gruppe zu tun? – treten wahrscheinlich für Ziele wie Hermeneutik: dem Diskurs über Mittel und Wege zu Integration und das Angebot von Chancen dazu ein, Integration und was in diesem Zusammenhang refor- möglicherweise sogar der vorgeführte Bundestagsab- morientiertes Verwaltungshandeln bedeuten könnte. geordnete. Strittig sind jedoch die Mittel und Wege Perspektivenübernahme ist auf der Beziehungsebe- zu Integration: Dies erforderte eine Thematisierung ne gelungen. Die Lehrintention der AG wurde verstan- von konkreten Politikstrategien (policies) anstelle des den. Perspektivenübernahme ist dagegen misslungen moralisierenden Verweises auf die richtige „ausländer- auf der Inhaltsebene religiösen Deutungswissens. freundliche“ Einstellung. Ursache ist eine nicht-integrative Verteilung der Re- In der Weiterbildung spiegelt sich damit die In- derechte auf der Materialebene des Seminars: Die, die haltsebene des Integrationsproblems auf der Bezie- gesellschaftlich nichts zu sagen haben, kommen auch hungsebene der Seminarkommunikation: „Wer als im sozialwissenschaftlich-aufklärenden Unterricht – Bedingung für soziale Integration von Ausländern in den Medien Cartoon und Text – nicht authentisch verlangt, Deutsche zu werden, fordert Änderung ih- „mit eigener Stimme und Gesicht“ zu Wort. In der Al- rer Mentalität und nimmt ihnen damit ihre Identität, ternativplanung (siehe dazu Abschnitt 5) wird es des- die gerade für viele Türken eng mit ihrer Religion ver- halb darauf ankommen, den Betroffenen Stimme und knüpft ist; kulturelle Anpassung wird gleichbedeutend Gesicht zu geben.20 mit Christianisierung.“ (Daheim u.a. 1989, S. 211f.) Auf In dieser Perspektive ist Didaktik immer auch in- der Beziehungsebene des Seminars fühlen sich auch ter-kulturelle Didaktik, insofern sie unterschiedliche die Teilnehmer in analoger Weise missioniert17 – sie Wissenskulturen ins Gespräch bringt und miteinander sollen Sozialwissenschaftler werden – und verteidigen vermittelt, in eine Relation setzt. Dies heißt auch, die dagegen „ihre“ Berufskultur und das damit verbunde- Frage nach den Grenzen sozialwissenschaftlichen Wis- ne Expertenwissen. Sie kommen allerdings mit ihrer sens zu stellen (Derbolav 1975). Inter-Kulturalität tritt Problemsicht in dieser Phase noch kaum zu Wort. in unserem folgenden Beispiel also doppelt auf: Inwiefern hat also der Kommunikationsprozess – als Thema („Ausländer“) „nicht zu einer Verständigung über die Deutung des – als soziale Interaktion. Ausländerproblems geführt, sondern den Teilneh- Jeder soziale Lernprozess ist ein inter-kultureller mern die Unmöglichkeit einer gängigen und vielleicht Lernprozess, sowohl auf der Ebene unterschiedlicher auch von manchem von ihnen geteilten Perspektive Rationalitäten auf der Beziehungsebene (Teilnehmer- demonstriert“? (Daheim u.a. 1989, S. 212) Die Prämis- Teamer-Verhältnis) als auch auf der Inhaltsebene (Um- sen – Integration als politisches Ziel – werden geteilt, gang mit „Ausländern“). nicht nachvollzogen werden kann die Andersartigkeit religiöser Orientierungen in Relation zum Alltag, da 3.3 Phase: Statistik entsprechendes Wissen zum Thema „Fundamentalis- In der dritten Seminarphase stehen Statistiken im mus“ fehlt.18 Die Teamer provozieren erneut künstlich Mittelpunkt. Statistiken spielen in sozialwissenschaft- einen Einstellungskonflikt innerhalb der Interaktion lichen Lernprozessen eine wichtige Rolle.21 Es handelt der Lerngruppe, der so vielleicht nicht besteht. Die im Seminarverlauf eingebrachte Rede des Bun- 19 Politische Geographie – der Begriff wurde von Bernhard Sutor destagsabgeordneten führt nicht weiter, da sie keinen in die politididaktische Diskussion eingeführt – meint posi- kognitiven Konflikt, sondern nur eine Einordnung in tionale Sortierung entlang einem Links-Rechts-Schema, eine das Deutungsraster „Rhetorik der konservativ-libe- Standpunktlogik. ralen Regierung“ oder „konservativer Wortführer im 20 In der Lehr-Lern-Kommunikation müsste medial die Perspekti- ve eines gläubigen muslimischen Migranten repräsentiert sein, z.B. über das Medium eines biografschen Interviews (siehe dazu Fall in Abschnitt 5), um dessen Wunsch nach kultureller 17 Missionierung ist neben Herrschaftslegitimation eine Grund- Integration und die gleichzeitigen Schwierigkeiten innerhalb und Fehlform politischer Bildung (Wolfgang Sander). einer westlichen verweltlichten Kultur darzustellen – eine 18 Sachlich steht dahinter ein unterschiedlicher Stellenwert reli- aporetische, anomiehaltige Situation, die sehr viel Lebensfüh- giösen Wissens im islamischen Kulturkreis im Vergleich zum rungskunst verlangt. Bei aller Personalisierung der AG, dieser europäischen Alltagschristentum: Gilt in Westeuropa Religion Diskurs ist auf der Textebene des Seminars explizit nicht prä- als deutlich von der profanen Kultur getrennt, so kann in mus- sent. limisch geprägten ländlichen Gegenden diese westliche „Zwei- 21 In Lehr-Lern-Sequenzen, die innerhalb der qualitativen Unter- Reiche-Lehre“ oft (noch) kaum akzeptiert werden. Kann man richtsforschung interpretiert werden, sind Statistiken immer sich im europäischen Verständnis also kulturell integrieren, wieder Gegenstand. Bei Uhle (1978) dienen Statistiken der kom- ohne die Religion aufzugeben, so ist dies für manche muslimi- munikativ vollzogenen Neutralisierung von Betroffenheit. Bei schen Migranten ein schwieriges Unterfangen, unter Umstän- Grammes/Kuhn (1988) werden Ergebnisse der quantitativen den ein radikaler Angriff auf die eigene soziale Identität. Jugendforschung als Beleg für die Verteilung von Partizipati- 153 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Vermittlungswissenschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens Volume 8, Number 2, 2009, pp. 146–164

sich um eine komplexe Form der Verdichtung sozial- terielle Teilhabe) gekoppelt sei mit einer retardierten wissenschaftlichen Wissens, zu dessen Aneignung in Identitätspassage (kulturelle Teilhabe). Also auch in der akademischen Ausbildung gesonderte Kurse ver- dieser Phase des Lernprozesses erfolgt eine „gelunge- langt werden. Es liegen wissenschaftsdidaktisch aus- ne“ Perspektivenübernahme. Aber warum ist Verste- gefeilte Einführungen in den Umgang mit sozialwis- hen noch kein Verständnis? senschaftlichen Statistiken vor (z.B. Krämer 11/2008). Die Re-Analyse ermöglicht wiederum eine andere Die sozialwissenschaftlichen Daten sollen „ob- Deutung der Lerndynamik. In der Sequenz doppelt jektive“ Information transportieren und den Teil- sich erneut die Frage einer Anerkennung von erreich- nehmern durch „Verunsicherung eingeschliffener tem Status (Inhaltsebene) auf der Beziehungsebene Vorstellungen und Einstellungen“ neue Deutungen er- der Seminarkommunikation. Die AG wollte überreden schließen. Die kommunalen Bediensteten weisen die und provozieren und gerät dennoch in die Defensive. über Overhead-Folien präsentierten Ergebnisse der Den Teilnehmern gelingt eine Verteidigung ihrer Iden- Umfrageforschung allerdings vehement zurück. Sie ar- tität, weil sie inzwischen den Schlüssel zur Lösung des gumentieren methodenkritisch, weisen auf fehlende seminarspezifschen Professionswissens gefunden ha- Quellenangaben sowie Angaben zur Grundgesamtheit ben: Sie schlagen die Sozialwissenschaftler auf dem hin; die Daten seien zudem veraltet; die Umfragen er- Feld fachspezifschen Professionswissens, ihrer urei- fragten gewünschte Einstellungen, nicht tatsächliche gensten „Domäne“ wissenschaftlicher Standards mit Handlungsbereitschaften; andere Teilnehmer führen dem Kriterium “Wahrheit durch intersubjektive Nach- gegenteilige Einzelerfahrungen ins Feld. Die Statistik prüfbarkeit”. könne so nicht stimmen; es gäbe auch Statistiken, die Nachdem die Soziologen (AG) in den vorangegan- das Gegenteil beweisen usw. Ähnliche Lerndynamiken genen beiden Szenen nicht auf die Thematisierungs- gegenüber konfrontierenden statistischen Daten am bedürfnisse der Teilnehmer eingegangen sind – etwas Beispiel sozialer Ungleichheit aus Soziologiekursen an über Handlungsmöglichkeiten im beruflichen Alltag der Universität berichten Kleinman/Copp (2009). zu erfahren – wechseln die Teilnehmer nun die Ebene: Von der AG werden diese Einwände aus sozial- Sie halten den Teamern einen „wissenschaftsbehördli- wissenschaftlicher Perspektive als „Quasi-Empirie“ chen“ Habitus vor: „Typisch Wissenschaftler!“, könnte abgewertet (vgl. Heid/Harteis 2006), als paradoxe ein Zwischenruf lauten, der gleichzeitig Inkompetenz Verwendung wissenschaftlichen Wissens: Sozialwis- in der Beherrschung methodischer Standards ihrer Pro- senschaftliche Validitätskriterien werden von den Teil- fession nachweist. Diese „Quittung“ enthält aber auch nehmern zur Abwehr und Destruktion von Aussagen ein neues Verhandlungsangebot: Euch gelingt es doch der Soziologen eingeklagt. Es handelt sich um eine auch nicht, in eurem Berufsalltag die angesprochenen Strategie, die jeder Sozialkunde-Lehrer kennt in Form Probleme zu lösen! Somit teilen wir ein Handlungs- des Einwandes: „Aber das ist doch nur ein Einzelfall, problem, an dem wir gemeinsam arbeiten müssten der nicht repräsentativ ist!“ Es gelinge im Verlauf des statt einen (stellvertretenden) Statuskampf darüber Lernprozesses nicht mehr, die Beliebigkeit der Prak- auszufechten, wer die Ausländer besser vertritt. Die tiker im Umgang mit sozialwissenschaftlichen Forsc- Eskalation der „untergründigen Bedeutungsschlacht“ hungsergebnissen zu kontrollieren. Die Ursache wird (Kordes) in dieser dritten Phase wird verständlich vor darin gesehen, dass die Teamer Wissenschaft „entpro- „dem Hintergrund der Frustration der Teilnehmer in fliert“ haben und sie in entsozialwissenschaftlichter der vorangegangenen Diskussion über die Integrati- Form präsentieren, indem sie z. B. fachspezifsche on“ (Daheim u.a. 1989, S. 215). Begriffe vermeiden (Daheim u.a. 1989, S. 203), um die Das Problembewusstsein der Teilnehmer erweist Verständigung zu erleichtern. sich somit als komplexer als das in der AG zugrundege- Die Forschungsgruppe interpretiert die zum Aus- legte. Der Erziehungswissenschaftler Bernhard Koring druck kommende Lerndynamik so, dass „die in den (1989, S. 319) hat dafür in einer Studie zum Professi- Tabellen in verschiedener Form enthaltene Botschaft onsbegriff die recht zynische Formel geprägt, dass der AG, daß die Ausländer sich in manchen ihrer Ein- Schüler vom Lehrer als „projektiv dümmer ‚kreiert’ stellungen der deutschen Gesellschaft schon recht (werden), als sie es tatsächlich sind“. Die Teilnehmerin- weit angenähert hätten, und die Implikation, daß nen und Teilnehmer verfügen jedoch über ein kollek- die Deutschen ihnen daher größere Teilhabechancen tives Wissen (Expertise), das es ihnen ermöglicht, den einräumen sollten, von den Teilnehmern verstanden Spieß umzudrehen. So vermögen AG und Teilnehmer und konsequent abgelehnt“ werde (Daheim u.a. 1989, auf sozialwissenschaftliche Deutungsmuster zu rekur- S. 214f.). Es handelt sich um eine Deutung, dass eine rieren. fortgeschrittene Statuspassage der „Ausländer“ (ma- 4. Fazit: Lerndynamiken Wieviel Kontroversität (und in welchen „Dosierun- onsbereitschaft in der Klasse eingesetzt. Es ist ein typisches Beispiel dafür, wie statistische Daten als Evidenzbeweis etwas gen“) kann Lernenden auf dem Entwicklungsweg zu „feststellen“ können. einer diskursiven, „balancierten Identität“ (Klaus Mol- 154 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Vermittlungswissenschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens Volume 8, Number 2, 2009, pp. 146–164

lenhauer) zugemutet werden? Lernpsychologie,����������������������� kogni- entstehende Lerndynamik lässt sich als Plateaubildung tive Psychologie, Sozialpsychologie und politische beschreiben, eine Verhärtung in den mitgebrachten Psychologie können aus unterschiedlichen Perspekti- Deutungsmustern. Resultat: „Gelernt haben wir nicht ven zeigen, dass kognitive Dissonanzen (Leon Festin- viel“ (Berg u.a. 1976)23 ger) – die Einführung widersprüchlicher Informatio- nen oder Überlegungen, die die Reorganisation der Grundbegriffe der pädagogischen Vorstellungen anregen sollen – sowohl zu fruchtbaren Beschreibung von Lerndynamiken in Momenten wie auch zu Abwehr von Lernen führen Bildungsgängen können. Systematisch bestehen vier Möglichkeiten, strategische versus verständigungsorientierte Kom- wie der Lernende kontroverse Perspekti­ven kognitiv munikation (Diskurstheorie, Jürgen Habermas) koordinieren kann: Defzit- versus Differenzannahme (Soziolinguistik, Wil- Perspektivenwechsel: Wechsel (conversion) vom Pro- liam Labov) zum Contra-Standpunkt; defensive versus expansive Lernhaltung (kritische Perspektivenkoexistenz: Komplexer Mechanismus Lernpsychologie, Klaus Holzkamp) von Identitätspolitik, der Bewegungsspielräume Begegnung versus Vergegnung (dialogische Pädago- sichert oder aber eine zynische Zweisprachigkeit be- gik, Martin Buber) wirkt. Beispiel: Beim Thema Umweltpolitik fordern die männlichen Schüler allgemein ein Auto, das um- Die Sichtweisen von Sozialwissenschaftlern und Ver- welt-freundlich und sparsam ist, während sie für sich waltungsmitarbeitern wurden in der Analyse der Lern- selbst genau die Modelltypen wünschen, welche die ausganglagen als dichotomisch konzeptualisiert. In Industrie gegenwärtig liefert: schnelle, leistungsstar- den unterirdischen Bedeutungsschlachten kann nicht ke Fahrzeuge;22 mehr reflexiv werden, dass in zentralen Wertungen Perspektivenverhärtung: Der Lernende hält auf der möglicherweise keine Differenz besteht. Erst von Suche nach Sicherheit und Identität den Relativis- dieser Wahrnehmung her könnte die didaktische Ziel- mus kontroverser Standpunkte nicht aus. Menschen, norm der AG hinterfragt werden. Der AG geht es um die sich belehrt fühlen, lernen nicht. Sie flüchten in eine Einigung der Mehrheit der Seminarteilnehmer mit einen trotzigen Rigorismus als Form der Reduktion der Arbeitsgruppe, was hier aber heißt: Einigung auf von Überkomplexität (Immunisierungsstrategie, Fun- der Deutungsebene der Soziologen! Die Diskussion damentalismus); ist nicht ergebnisoffen, sondern ergebnis”zu”. Zu den Perspektivenkoordination: Der Lernende nutzt die Gelingensbedingungen von Bildungsgängen gehör- Kontroverse als Herausforderung und als Entwick- te auch in diesem Fall Wahrnehmung von Deutungs- lungsaufgabe, um beide Perspektiven zu etwas Neu- Differenzen, Zulassen von Pluralität als Erhöhung von em, einem Dritten, zu integrieren. Komplexität statt didaktischer Reduktion. ���������Problema- (Grammes 3/2005a, S. 141) tisch ist vielmehr eine vorschnelle Einsinnigkeit der Problemauslösend wirkt die von vornherein strat- Einstellungen zum Gegenstand. egische und nicht verständigungsorientierte Herange- Fachdidaktisch muss die Kompetenz zum „Perspek- hensweise an die Analyse der Deutungsmuster (zum tivenwechsel“ problematisiert werden. Veröffentli- Deutungsmusteransatz Arnold 1983) der Teilnehmer chungen zur sozialwissenschaftlichen Bildung sind durch die AG, eine Defizit- anstelle einer Differenz- vielfach euphorisch gegenüber der Kompetenz zur wahrnehmung. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Perspektivenübernahme. Die Kompetenz zur Perspek- sehen sich daher statt in einer expansiven in eine defen- tivenübernahme allein kann eine kritische sozialwis- sive Lernhaltung gedrängt. Statt zu Perspektivenwech- senschaftliche Bildung nicht hinreichend begründen.24 sel und Begegnung kommt es zu einer Vergegnung. Die Perspektivenübernahme ist eine “Reformulierung des Kontextes, welcher die Informationsverarbeitung des Anderen ordnet.” (Daheim u.a. 1989, S. 204) Die- 22 Umkontextierung ist eine damit verbundene Operation: Um- kontextierung erlaubt gewissermaßen zu kommunizieren, ‚als ses „Sehen mit den Augen des Anderen“ muss nicht ob‘ man den anderen verstanden hat. Dies setzt Resignation unbedingt dem Ziel dienen, den anderen besser zu über die grundsätzliche Möglichkeit von Verständigung auf verstehen, um im Verwaltungsalltag im Sinne der einer Seite der Interaktionspartner voraus: „Man kann einge- sehen haben, daß die Deutungsperspektiven zu weit auseinan- derliegen, als daß sie über den Austausch von Informationen 23 Ich habe in diesem Absatz griffge Grundbegriffe der Beschrei- intergriert werden könnten: Nicht-Akzeptanz der anderen Deu- bung von Lerndynamiken kursiv gesetzt, weil sie in einer fach- tungsperspektive wird als Nicht-Verstehen kommuniziert. Erst didaktischen Bildungsgangforschung wichtig sind. wenn die Umkontextierung von Information über Kommunika- 24 Diese Bilanz bleibt hypothetisch, da Lernprozesse immer lang- tion manifestiert wird, kann der Prozeß durch den jeweils Ande- fristig angelegt sind und ein „Zeitzündereffekt“ im individu- ren blockiert werden. Und erst wenn kommunikative Prozesse ellen Bildungsgang einzukalkulieren ist. Dies verdeutlicht die mit dem Ziel, den Anderen von seinen eigenmächtigen Ope- Notwendigkeit von Langzeit-Wirkungsuntersuchungen, hier im rationen des Verstehens abzuhalten, in Gang gesetzt werden, behördlichen Alltag vor und nach dem Besuch der Weiterbil- entsteht Konflikt.“ (Daheim u.a. 1989, S. 205) dung. 155 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Vermittlungswissenschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens Volume 8, Number 2, 2009, pp. 146–164

Lernziele der Teamer innovativ zu handeln. Es be- Verwaltungshandeln” (rechtliche Nachprüfbarkeit und steht die Möglichkeit der strategischen Nutzung von Bürgernähe) in einer Ausländerbehörde überhaupt Perspektivenübernahme, “um die Kommunikation ei- möglich? Die Verwaltungsangehörigen fragen implizit gener Informationen so plazieren zu können, daß die nach Formen des alternativen Aushandelns von Iden- eigene Deutungsperspektive aufrechterhalten werden tität entlang von binären mentalen Ordnungsmustern kann.”! (ebd.) Die Konsequenz ist Immunisierung statt (Inländer/Ausländer), insofern es normative Konflikte Flexibilisierung von Deutungen. im Behördenalltag lösen helfen könnte. “Zwar wird Im Beispiel gelingt den Teilnehmern der Perspek- die Ansicht geteilt, daß ethnischen Minoritäten ohne tivenwechsel, dennoch ist das inhaltliche Resultat deren Verschulden Probleme erwachsen können, aber nur eine Affrmation von bereits zuvor Gewusstem. man ist zumeist nicht bereit, die Ursachen allein bei Es kommt zwar zu einer Lernkrise, die aber nicht den Inländern, der Verwaltung und letztendlich bei zum „fruchtbaren Moment“ (Friedrich Copei) werden sich selbst zu suchen.” (Daheim u.a. 1989, S. 198) kann; anstelle einer Lernprogression stellt sich eine Die Fallstudie macht deutlich, wie fruchtbar es für sog. “Pidginisierung” ein, ein Lernplateau: Durch die Analyse von Lern- und Bildungsprozessen sein die Vorab-Fixierung der Teilnehmervoraussetzungen kann, Didaktik als Vermittlungswissenschaft in ei- gerät die AG in die Aporie von Pädagogen, die ver- nem relationalen Sinn zu konzeptualisieren. Wie ist suchen, „Ethos direkt zu unterrichten“ (Martin Buber). Verständigung zwischen Systemen mit verschieden- Der gutgemeinte Versuch, Ausländerfreundlichkeit zu artigen Ordnungs- und Relevanzkriterien und ver- wecken, wirkt als Überredungspädagogik und steht in schiedenen subjektiven Epistemologien möglich? Die der Gefahr, unfreiwillig in einen didaktischen Funda- Verwendungsforschung ging in ihrer frühen Phase mentalismus abzugleiten. Da Verwaltungswissen als vorschnell von der anzustrebenden Einheit zwischen defzitär von vornherein aus dem moralischen Diskurs Wissenschaft und Praxis aus, “um dann das Scheitern ausgeschlossen ist, sind die Praktiker am Ende gera- dieser Einheit nachzuzeichnen; sie muß vielmehr die- dezu gezwungen, wollen sie die Kommunikation au- ses Verhältnis als prinzipielle Differenz fassen, um frechterhalten, die Wissenschaftler auf deren eigenem dann zu fragen, warum sozialwissenschaftliches Wis- Feld, der Wissenschaft, zu schlagen. sen trotzdem in Praxis transferiert wird, welcher Art Der Lerndynamik liegen unterschiedliche „Erkennt- die Transferprozesse sind und was der Verwendungs- nisinteressen“ (Habermas 1968) zugrunde, die mit un- begriff überhaupt meinen kann.” (Daheim u.a. 1989, terschiedlichen subjektiven Epistemologien verknüpft S. 201; vgl. zur grundsätzlichen Differenz von Theorie sind.25 Die Soziologen favorisieren eine bestimmte und Praxis Radtke 1996 und Bommes/Dewe/Radt- Form sozialwissenschaftlichen Wissens. Ihre Inter- ke 1996) Es ist sinnvoll, die Relation der Wissensfor- pretationen zur Erklärung von Ausländerproblemen men nicht bipolar (wissenschaftliches Wissen versus zielen auf “kausale” Beziehungen, die polar bestimm- praktisches Wissen), sondern tripolar zu denken: der ten sozialen Gruppen zugeschrieben werden. Damit Rekurs auf gemeinsam geteiltes lebensweltliches Wis- wird ein kritisches Erkenntnisinteresse (Aufklärung) sen muss immer mitgedacht werden.26 Innerhalb der verfolgt, das aber, wie sich zeigt, schnell in technisch- Interaktion und Kommunikation einer Weiterbildung strategische Effekte umschlagen kann. Denn: “Wissen- entsteht sodann eine eigene Wissenslogik, die wir schaftler können ihr Deutungsangebot in vielen Fällen als Bildungswissen oder – kritisch – als Fehlform des nicht mehr nur in strategischer (“pädagogischer”) Ab- künstlichen Schulwissens durch „didaktische Redukti- sicht zur Diskussion stellen bzw. in solcher Absicht die on“ von Komplexität in das Zentrum eines Modells der Deutungsmuster der Praktiker diskutieren.” (Daheim Wissensformen (Abb. 1) stellen. Dadurch kann die sozi- u.a. 1989, S. 198) Es ist zwar von einem „Angebot“ die alwissenschaftliche Verwendungsforschung als genu- Rede, das ist aber nicht ernst gemeint. in fachdidaktische Disziplin “eingemeindet” werden. Die Teilnehmer dagegen insistieren auf einer “prak- Kommunikative Fachdidaktik focussiert in einem ganz tischen”, handlungspragmatischen Qualität von allgemeinen Sinne auf Prozesse didaktischer Transfor- Wissen. Es geht ihnen um Professionalisierung ihres mation von Wissen. Berufs- und Institutionenwissens: Wie können Einstel- Mit der Frage nach der Vermittlung von Wissen in lungen und die mit diesen verknüpften Normen und unterschiedlichen Kontexten eröffnet sich ein interes- Werte mit angemessenen beruflichen Handlungen in- santes interdisziplinäres Arbeitsfeld für sozialwissen- tegriert werden, ohne dass man ständig frustriert ist schaftliche fachdidaktische Forschung: und ein schlechtes Gewissen hat? Ist “authentisches

25 Habermas (1968) unterscheidet ein technisches, ein praktisches 26 Im Modell der Wissensformen (Abb. 1) kann jede Wissenswelt und ein kritisches Erkenntnisinteresse. Ein Versuch, Deutungs- in der Perspektive der anderen Wissenswelten beschrieben wer- muster zum Ausländerproblem entsprechend idealtypisch zu den. Z.B. kann sowohl die Welt der Sozialwissenschaft wie auch gliedern, hat Holtmann (1980) unternommen. Zur Kritik dieser die Berufswelt als Lebenswelt beschrieben werden. Es handelt populär gewordenen Drei-Schulen-Lehre vgl. Behrmann (1999). sich um ein analytisches Modell, kein Realmodell. 156 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Vermittlungswissenschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens Volume 8, Number 2, 2009, pp. 146–164

Abb. 3: Fachdidaktischer Kegel

157 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Vermittlungswissenschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens Volume 8, Number 2, 2009, pp. 146–164

– Kontextualisierungstheorie und Verwendungsfor- gesellschaftlichen Gruppen. Die “Artikulation” (Inter- schung (vgl. Kempkes 1993, Wittpoth 1987). Inner- punktion, Taktierung) ermöglicht das Zeigen des Zei- halb eines institutionellen Kontextes bilden sich gens, das differenzmarkierende “Gebt acht!” gemäß eine bestimmte Kultur sowie ein individueller Habi- der Dramaturgie des Brecht’schen epischen Theaters tus (Verhaltens- und Urteilsstil) der jeweiligen Exper- die Grundgebärde der didaktischen Profession (vgl. ten.27 dazu grundsätzlich Prange 1986, S. 184ff.). – Diffusionsforschung (Hägerstrand 1952, Rogers 2. Was will der Klient Schüler? Die Gegenwart des 2003) Schülers darf nicht seiner Zukunft geopfert werden – – Wissensmanagement (Wiater 2006) dies ist ein klassisches bildungstheoretisches Prinzip. – Forschung zu Fachsprachen (Thörle 2008) und Über- Die Zukunft kann nicht sicher gewusst werden. Es setzungsforschung (Albrecht 2005, Stolze 2008) müssen also notwendige gesellschaftliche Anforde- – Verständlichkeitsforschung (Ballod 2001) und Web- rungen erst in pädagogisch legitime Einflüsse trans- Design (hier geht es z.B. um die Bedienerführung, formiert werden (Benner 2005, S. 105ff.), alles andere vgl. Loranger/Nielsen 2008) wäre eine affrmative Bildungstheorie. Eine nicht-affr- – Erwachsenenbildungsforschung (Hof 2001, Nolda mative Bildung kann – analog dem therapeutischen 1996). Setting, um diese problematische Metapher erneut aufzugreifen – als befreiende prozessorientierte Er- Exkurs: Professionalisierungstheorie fahrung einer Veränderung und Verbesserung inner- Aus der Perspektive einer Didaktik als Vermittlungs- halb des Settings genutzt werden, zwischen Anfang wissenschaft von Wissensformen möchte ich mich und Ende. Lernende machen die emanzipatorische kurz der Frage widmen, ob in der Professionstheorie Bildungserfahrung, dass sie am Ende eines Lehrgangs nicht doch Vermittlungen zwischen Strukturtheorie etwas bessser begreifen und können als zu Anfang (Helsper 2006) und Kompetenztheorie (Baumert/Kun- (Selbstwirksamkeitserfahrung). Eine entsprechende ter 2006) möglich sind (vgl. den Beitrag von Sibylle Selbstevaluation der eigenen Lernprogressionen ist Reinhardt in dieser Ausgabe). die herausfordernde demokratiepädagogische Form 1. Wer ist der Klient des Lehrers? Hier macht die von von Evaluation und Feedback. Bildung ist Aufforde- Oevermann/Helpser nahegelegte Therapie-Metapher rung zur Selbsttätigkeit!28 vielleicht doch Sinn. Ein Lehrer, eine Lehrerin oder in 3. Ein Lehrer, eine Lehrerin unterrichtet nicht einzelne unserem Fallbeispiel die Teamer sind selbstverständ- Schüler, sondern Gruppen: Könnte dies in sozialwis- lich keine Therapeuten (und sollten nicht versuchen, senschaftlichen Fächern nicht auch ein systematischer als solche aufzutreten!). Das therapeutische Setting Vorteil sein? Gesellschaft ist ein sozialer Verband, auf wird in der modernen psychoanalytischen Theorie- den Unterricht vorbereiten soll. Der Mikrokosmos des bildung aber nicht mehr nur als dyadische, sondern Klassenverbandes ermöglicht immer wieder eine Spie- als triadische Struktur konzipiert. Die Beziehung gelung von Sachstruktur und Lernstruktur (soziales Therapeut – Klient dient der Re-Aktualisierung und Lernen). Re-Präsentation eines Dritten (Elternfguren, Kind- heitserlebnisse etc.); analog könnte das professionelle 5. Alternative: Fallstudiendidaktik Spezifkum der Interaktion eines Lehrers mit seinen Es ist erstaunlich, dass eine Didaktik des Lernbereichs Schülern im Unterricht im Zeigen als Re-Präsentation Verwaltung aus der Bürgerperspektive kaum entwi- des Dritten, vermittelt über Unterrichtsmedien und ckelt ist. Dies, obwohl schon Kinder und Jugendliche in -material gesehen werden, worüber die Gesellschaft in ihrem Alltag mit Verwaltung, insbesondere im Bereich das Klassenzimmer geholt wird. �������������������Didaktisches Grund- der Dienstleistungs- und Ordnungsverwaltung, in Kon- modell ist nicht das verkürzte didaktische Dreieck takt kommen. Entsprechende Tätigkeiten in diesem – Lehrer, Schüler, Gegenstand, sondern erst dessen Feld gehören daher zu den ersten Berufswünschen: Po- Erweiterung zum fachdidaktischen Kegel (Abb. 3). lizistin, Briefträger, “Müllmann“, Schaffnerin (heute: Lernende, Kinder und Jugendliche, sprechen in einem geschützten, halb-öffentlichen Raum mit Dritten, mit 28 Entsprechend hatte der sozialwissenschaftliche Psychoanalyti- bislang unbekannten Erwachsenen, mit denen sie ker Alfred Lorenzer auf den Vorwurf geantwortet, die Psycho- bisher noch keinen oder kaum Kontakt hatten. Dies analyse sei eine affrmative Technik, weil sie die Unangepaß- ist der demokratiepädagogische Sinn von Partizipa- ten letztlich anpasse, für Gesellschaft funktionsfähig mache. Lorenzer hat darauf dialektisch geantwortet, dass dies für die tionsorientierung. Unterricht ist institutionalisierter Inhaltsebene zutreffe, auf der methodischen Ebene der Klient Ort für Gespräch und Begegnung der Lerngruppe mit aber zwischen Anfang und Ende der Therapie die Erfahrung ei- ner emanzipatorischen Veränderung – Reduktion von Leiden – mache. Diese exemplarische emanzipatorische Lernerfahrung 27 In den schul- und unterrichtsbezogenen Fachdidaktiken ist die- könne fortan selbstständig auf neue krisenhafte Kontexte ser Ansatz noch wenig genutzt worden. Eine Ausnahme sind übertragen werden. Die psychoanalytische Methode bestehe die wegweisenden Studien von Krummheuer (1992) am Beispiel dergestalt aus einer Dialektik von Affrmation und Nicht-Affr- mathematischen Lernens. mation. 158 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Vermittlungswissenschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens Volume 8, Number 2, 2009, pp. 146–164

Zugbegleiterin), Lehrerin usw. Es gibt entsprechende Darüber hinaus müsste nun auch das Berufs- und Spielzeugmaterialien und der Sachkundeunterricht Institutionenwissen, die Expertise der Verwaltungs- nutzt entsprechende Vorerfahrungen als Zugang.29 praktiker thematisch und damit anerkannt werden – Der erwachsenenpädagogische Anstoß von Ellwein eine Pädagogik der Anerkennung (Hafeneger 2002) als (1964) ist später kaum mehr aufgegriffen worden (vgl. Form akzeptierender Bildungsarbeit – sowie auf seine Ackermann 2005). Relation zum wissenschaftlichen “Berufswissen” der Eine Didaktik muss in der Kritik auch konstruktive Soziologen geprüft werden. Dieses mehrperspektivi- Alternativen aufsscheinen lassen können. Wie könnte sche Vorgehen ermöglicht eine praktische Hermeneu- eine alternative Planung für eine Weiterbildung ausse- tik, in der unterschiedliche Wissensformen im Hinblick hen, die die kritische sozialwissenschaftliche Perspek- auf ihr Problemlösepotential geprüft werden können, tive auch wieder an eine praktische handlungsprag- das zugleich auch Problemerzeugungspotential ist. matische Perspektive zurückbindet und an den Zielen Denn betriebsblind können beide Seiten sein: die Ver- Dienstleistungsorientierung und bürgernahe Verwal- waltungsangehörigen ebenso wie die Soziologen. tung orientiert bleibt? Was heißt das konkret in einer möglichen didak- Eine solche alternative Planung müsste zunächst auf tisch-methodischen Umsetzung in einem Weiterbil- die Organisation einer offenen Lernumgebung ausge- dungssetting. Es müsste die Kontroverse über den richtet sein, damit die Dozenten/Soziologen nicht in Umgang mit „Ausländern“ auf Behörden auf der Ebe- die Rolle des “Akademikers gegenüber gewöhnlichen ne behördlicher Handlungsprobleme selbst themati- Sterblichen” oder “Missionars unter den Heiden gera- siert werden, indem sie zunächst objektivierend auf ten” (Daheim u.a. 1989, S. 219f.) – um vielleicht frus- der Ebene von Material (Medium, Text) gegenüber- triert feststellen zu müssen, dass diese schon missio- gestellt wird – eine Triangulation: als Kasuistik von niert sind. Bürgerkontakten mit Verwaltung und als Ausloten Das in der Weiterbildung aufgetretene Problem der bestehender alternativer Handlungsspielräume an- Inkommensurabilität zwischen Fachsprachen lässt gesichts struktureller bürokratischer Restriktionen. sich selbst nur wieder durch die Thematisierung von Dafür müssen konkrete Fälle vorliegen, eine Kasuis- missverständlicher Kommunikation – also durch re- tik (Grammes 2007), in denen betroffene „Ausländer“ flexive Kommunikation – bearbeiten! Die Differenz neben Soziologen und Verwaltungsmitarbeitern der Wissensformen müsste explizit markiert werden. multiperspektivisch Stimme und Gesicht erhalten. Erst dann lässt sich der Anspruch einlösen, “mit den In dem Cartoon (Abb. 2) bleiben die Betroffenen ja Praktikern gemeinsam am Problem der Verbesserung typisierend stumm, in der Rede des Bundestagsab- von deren Handlungsfähigkeit” zu arbeiten (Daheim geordneten wird über „die Ausländer“ geredet, in u.a. 1989, S. 220). Dieser Verständigungsprozess kann den statistischen Daten tauchen sie als anonymes einerseits abgestützt werden durch Rekurs auf ein Kollektiv auf. In die Fallanalysen und –lösungen kön- gemeinsam geteiltes Alltagswissen30 als tertium com- nen die Teilnehmer ihre professionelle Expertise als parationis: “Die durch systemspezifsche Kommunika- gleichberechtigte Erwachsene einbringen. Durch eine tion und verschiedenartige Selektionshorizonte (Kons- Triangulation – Verwaltungsmitarbeiter, Soziologen trukte zweiter Ordnung) erwartbaren Probleme lassen und „Ausländer“ – könnten Lernblockaden in Bewe- sich dadurch begrenzen, daß man Kommunikation auf gung gesetzt werden. Didaktik ist „Beweglichmachen die Ebene ‘natürlicher Einstellungen’ überführt (Kons- von Sachen“ (Hartmut von Hentig). Die gastgebenden trukte erster Ordnung), wo gemeinsame Lebenserfah- Wissenschaftler bewegten sich auf dem Terrain der rungen die Chancen wechselseitiger Verständigung er- Gäste. Die Gelingensbedingungen verständigungsori- höhen.” (Daheim u.a. 1989, S. 220) Dies war zunächst entierter Kommunikation wären höher. der Ansatz der Teamer des Weiterbildungslehrgangs. Die Perspektive der Kritik wäre in den Fallanalysen keine nur exzentrische mehr, aus der Sozialwissen- schaft heraus, sondern auch eine immanente. Dahinter 29 Vgl. CIEL-Gruppe (mehrperspektivischer Unterricht), die ein Curriculum zum Thema „Die Post“ entwickelt hat. Geprüft wer- steht ein Vertrauen in die Expertise und Lernfähigkeit den könnte, inwieweit Schüler am Arbeitsplatz Schule Erfahrun- beruflicher Wissens- und Erfahrungsbestände. In unse- gen mit der Schulverwaltung machen und wie solche Probleme rem Beispiel hatten die Teamer das sozialwissenschafli- für Unterricht im Lernfeld Gesellschaft genutzt werden können. che Wissen eindimensional präsentiert, die Teilnehmer Konflikfälle wie Plakettentragen im Unterricht, Schülerzeitung, hatten dies durch Verweis auf Gegenbeispiele zu korri- Rauchen auf dem Schulgelände u.v.a.m. Schulrechtliche Kom- mentare bilden eine Fundgrube für entsprechende Themen. gieren und abzuwehren versucht. Das Berufswissen ist 30 Aus anderen explorativen szenischen Interpretationen, die im aber kein monolithischer Block, sondern widersprüch- Rahmen der qualitativen fachdidaktischen Lehr-Lern-Forschung lich. Genauso wie auf der Ebene der Lerngruppe im- vorliegen, sind noch andere Formen des Rekurs auf Alltagswis- mer nur von „den Verwaltungsangehörigen“ die Rede sen bekannt: das Muster der „Veralltäglichung“ und das „Detek- ist, als ob gruppenintern unterschiedliche Deutungen tivmuster (vgl. Grammes 1998, Register). Beide Muster haben nicht-intendierte Nebenfolgen. Resultat ist in jedem Fall eine nicht bestehen würden – ein unwahrscheinlicher Fall. Vergegnung. Es steht unter der normativen Spannung der Professi- 159 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Vermittlungswissenschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens Volume 8, Number 2, 2009, pp. 146–164 on. Die Problematik von Wissensformen spiegelt sich Fall (case): Beispiel31 dadurch auch innerhalb der behördlichen Handlungs- Verhinderungsverwaltung oder pragmatik, so dass sich über die Thematisierung von Ermöglichungsverwaltung? Entscheidungssituationen ein Zugang zur Verhand- Am Informationsschalter des Einwohnermeldeamtes lung von alternativen Handlungsoptionen eröffnet. fragt ein Vater, wo er eine bestimmte Berechtigung für Die AG weist an einer Stelle selbst auf diesen seinen aus der Türkei nachgezogenen minderjährigen möglichen fachdidaktischen Ansatz hin, der die Deu- Sohn beantragen könne. Die Sachbearbeiterin hinter tungskontroverse anders und entlastend lokalisieren der Glasscheibe versteht den Mann nur angestrengt. könnte: als Binnenkontroverse innerhalb “der” Verwal- Der Vater wiederholt seine Frage. Die Sachbearbeiter- tungsrationalität. Zu unterscheiden sei zwischen der in erteilt folgende Auskunft: „Das geht nicht. Sie wis- Sichtweise der Verwaltungsführung und der der Sach- sen doch, dass nur beide Elternteile den Antrag unter- bearbeiter (mit breitem Spektrum) als unterschiedli- schreiben können. Ihre Frau muss auch mitkommen. che Blickwinkel innerhalb einer Organisation. (Daheim Da müssen Sie ein andermal wiederkommen.“ Der u.a. 1989, S. 197f.) Mann: „Aber meine Frau arbeitet und bekommt nicht 1. Die Verwaltungsführung ist interessiert an effekti- frei! Und ich habe mir heute extra freigenommen, um ver Entscheidungsproduktion zwecks formaler Legali- hier die Unterschrift zu leisten. Wir verlieren dadurch tät nach außen. Dies führt jedoch zu Reibungsverlus- Geld.“ Währenddessen hat sich die Sachbearbeiterin ten und kontraproduktiven Effekten etwa zwischen bei ihrem Vorgesetzten vergewissert: „Ich habe Ihnen Ordnungsverwaltung (restriktive Verwaltungspolitik) doch bereits gesagt: Das geht nicht. Sie müssen beide und betreuenden Verwaltungseinheiten. zum Unterschreiben herkommen!“ „Aber ..“, wendet 2. Die Sachbearbeiter lavieren zwischen Eingehen auf der Mann ein. Die������������������������������������� Sachbearbeiterin wendet sich gen- den Einzelfall und generalisierten nachprüfbaren Nor- ervt ab. Der Vater wirkt verzweifelt. Irgendwie muss men. Dieser Konflikt wird durch ein breites vorfndli- es doch weitergehen… ches Spektrum an Einstellungen hinsichtlich der Aus- Ein anderer Antragsteller aus der Warteschlange, länder zu verarbeiten versucht. der gerade abgefertigt wurde und der diesen Dialog Eine Fallgeschichte (Narration) präsentiert unter- zufällig noch mitgehört hat, wendet sich im Gehen schiedliche Sichtweisen von Verwaltungsführung und um: „Entschuldigung. Kann der Herr, wenn er jetzt Sachbearbeiter. Wichtig ist, dass in Gestalt eines Bür- schon mal hier ist, nicht heute unterschreiben. Beim gers eine dritte Person sozusagen als Mediator von der nächsten Mal kommt dann seine Frau, alleine, und Seite her hinzutritt. Dieser nicht betriebsblinde Blick leistet die zweite Unterschrift.“ Nachdenken hinter von der Seite des Mediators vermittelt mit lebensprak- der Glasscheibe. „Ja, das können wir ausnahmsweise tischer Klugheit Berufsroutine und Profession. Es geht machen. Gehen Sie in Zimmer 239.“ Alle Beteiligten hier um die Schärfung einer Mithörkompetenz. Der wirken erleichtert. Mediator substituiert die Funktion sozialwissenschaft- lichen Aufklärungswissens. Er hat eine “fachdidakti- Medial kann ein solcher Fall unterschiedlich präsentiert sche Rolle”, ein Übersetzer: werden, als Text, als Hörbild oder als computerani- mierte Lernumgebung (vgl. zu solchen webbasierten Lernumgebungen, wie sie vor allem in der kaufmänni- schen Aus- und Weiterbildung und in Dienstleistungs- berufen genutzt werden: bwp@ Ausgabe 15, Dezem- ber 2008, http://www.bwpat.de/ausgabe15/). Methodisch lässt sich diese Fallgeschichte mit der Methode des „verzögerten“ oder „unterbrochenen“ Lesens (vgl. Der Deutschunterricht 1981, 2) bearbeiten. Nach dem ersten Absatz – Das geht nicht! – wird die Lektüre oder Präsentation unterbrochen: Wie könn- te es jetzt weitergehen? Wie soll es weitergehen? In diesem Gespräch differenzieren sich betriebsblindes Berufswissen und normatives Professionswissen. Die im Fall vorgeschlagene Lösung impliziert auch mehr und anderes als ein harmloses “Seid nett zueinander!” Es handelt sich um eine win-win-Situation, die eine hohe soziale Intelligenz enthält. Die Szene verweist

31 Ähnlich habe ich die Konstruktion von Fallgeschichten für das Thema Asylpolitik vorgeschlagen, vgl. Grammes/Kaspar 1993, dort die Abbildung: Asylverfahren. 160 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Vermittlungswissenschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens Volume 8, Number 2, 2009, pp. 146–164

auch auf notwendige strukturelle Änderungen, z.B. exemplarisch weitere Anwendungsfelder andeuten ein behördeninternes Beschwerde-Management. Die und exemplarisch auf ältere und neuere qualitative Konfliktlösungen lassen sich im Rollenspiel mehrfach Studien aufmerksam machen, in denen sich Fälle für erproben und mit Hilfe eines Beobachtungsbogens eine Kasuistik fnden lassen.34 Sie präsentieren Binnen- systematisieren: perspektiven beruflichen Handelns von Experten, so dass für Laien ein Blick hinter die Kulissen, eine Brücke Spiel Spiel 1 Spiel 2 Spiel 3 Spiel 4 Spiel n über die Barriere des Schalters von der professionellen Lösung Verwaltungsperspektive zur Laienperspektive des Bür- A gewinnt gers aufgebaut werden könnte: Arbeitsverwaltung: Instruktive Beispiele aus Bera- B gewinnt tungsgesprächen zwischen Berufsberatern und „aus- A und B verlieren ländischen“ Jugendlichen bei Boos-Nünning (1989, „aus dem Feld ge- ebenso Riecker 1991 sowie die Fallanalysen in Rehbein hen“ 1985). �������������������������������������������Es dominiert die Kommunikationsstruktur un- „fauler Kompromiss“ aufgeklärtes Missverständnis, weil die Berater sich zu (Harmonisierung) schnell auf ein Bündnis mit den Klienten „verständi- Win-win-Lösung gen“, Lösung „fauler Kompromiss“/Harmonisierung (Abb. 4). Die Wortprotokolle bilden exemplarisches (vgl. Gordon 1972) Weiterbildungsmaterial sowohl für Arbeitsverwalter Abb. 4: Arbeitsbogen Konfliktlösungsmöglichkeiten als auch für betroffene Jugendliche und ihre Helfer (Lehrer, Sozialarbeiter). Das abschließende Reflexionsgespräch muss fragen, Ordnungsverwaltung: Instruktive Beispiele „fachdi- warum die Win-win-Variante evtl. wenig wahrschein- daktischer“ Literatur aus dem Bereich der Polizei z.B. lich ist. Dies ist eine kritische Anfrage an Organisati- bei Schöneberger (1990), der enthnomethodologisch onsstrukturen, das soziale „sick building syndrom“32 orientierte Fallstudien heranzieht, um Binnenperspek- von Verwaltungen: Geht nicht, gibt’s nicht, haben wir tiven von Organisationshandeln sichtbar zu machen; noch nie so gemacht, da könnte ja jeder kommen usw. ähnlich Girtler (1980), der Strategien im Polizei-Alltag Ziel ist die breitenwirksame Förderung einer sozialen untersucht. Intelligenz (soziales Wissen), was mehr und anderes Jugendhilfe und Sozialverwaltung: Beispiele für das ist als „soziales Lernen“ (Perspektivenwechsel, Empa- Erlernen eines alltäglichen muddling-through (Sich- thie). Die nächste Stufe wäre ein Social Entrepreneur- Durchwursteln) bei Böhm/Mühlbach/Otto (1989). ship, wie Menschen sich aus Handlungsverstrickungen Der Bürger, die Bürgerin gelangt mit staatlichen In- – dem rationalisierenden „Gehäuse der Hörigkeit“ der stitutionen am spürbarsten über Verwaltungshandeln modernen Bürokratie, von dem Max Weber sprach – in Kontakt. Seine/ihre Wahrnehmung des politischen herauslösen können. Damit wären die Grundzüge ei- Systems und rechtsstaatlichen Handelns wird daher ner Didaktik der Soziologie skizziert. wesentlich durch die Erfahrung von schriftförmigen oder mündlichen Behördenkontakten und ihre Verar- 6. Ausblick: Didaktik der Verwaltung beitung geprägt. Viele Behörden bemühen sich daher Der Soziologe Ulrich Beck (1986) hat, im Anschluss an nicht nur um kosmetische Imagepflege, sondern um eigene arbeits- und berufssoziologische Studien, in eine substantiell bürgernahe Verwaltung (Dienstlei- der Theorie der Risikogesellschaft einzelberufliches stungsorientierung). Verwaltung versteht sich als Handeln mit strukturellen, globalen Risiken „vermit- lernende Organisation, um in der Wahrnehmung der telt“ und damit eine Grundlage für eine Didaktik der Bürgerinnen und Bürger nicht als sturer „Amtsschim- Soziologie gelegt.33 Verwaltungshandeln als relevanter mel“ zu erscheinen. An dieser Stelle etabliert sich eine Teilbereich beruflichen Handelns bietet exemplarische Beratungs- und Coachingindustrie (und eine Disziplin Anknüpfungspunkte. Organisationspädagogik, Göhlich 2007). Didaktik als Da es eine sozialwissenschaftlich orientierte Didak- Wissenschaft vom vermittelnden Zeigen ist noch zu tik der Verwaltung und der Dienstleistungen bislang wenig präsent. aber höchstens in Ansätzen gibt, möchte ich hier

32 Der Begriff sick building syndrom stammt ursprünglich aus der Arbeits- und Gesundheitswissenschaft und bezog sich auf das im medizinischen und dann auch im übertragenen Sinne sozi- 34 Eine entsprechend zu nutzende Fallhermeneutik kann in der al schlechte „Klima“ durch falsch eingestellte Klimaanlagen in Literatur zur Berufs- und Verwaltungssoziologie, in Ausbil- Großraumbüros. dungsmaterialien der entsprechenden Fachschulen und Fach- 33 Wie aus diesem Programm einer „Humanisierung der Arbeits- hochschulen, gefunden werden. Die Kommunikationsgrenzen welt“ eine Didaktik politischer Bildung für berufliches Handeln zwischen universitären Didaktiken und Fachhochschuldidakti- entwickelt werden kann vgl. Grammes 1989. ken müssten dazu aber überwunden werden. 161 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Vermittlungswissenschaft. Zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens Volume 8, Number 2, 2009, pp. 146–164

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Linkliste: Theorie-Praxis in der Lehrerausbildung

Zusammenstellung: Matthias Busch Alle Zugriffe am 5.7.2009 geprüft

Inhalt schuldidaktische Diskussion und nimmt zu wichtigen 1. Hochschuldidaktik Fragen von Hochschullehre und -studium Stellung. 1.1 Hochschuldidaktik allgemein 1.2 Hochschuldidaktische Zeitschriften Gesellschaft für Hochschulforschung 1.2.1 Hochschulforschung http://www.hochschulforscher.de/ 1.2.2 Professionsforschung und Lehrerbildung Die 2006 in Kassel gegründete „Gesellschaft für Hoch- 1.3 Hochschuldidaktische Zentren schulforschung“ verfolgt unter anderem das Ziel, die 1.4 Hochschuldidaktische Online-Foren Hochschulforscherinnen und –forscher im deutsch- 2. Fachdidaktik sprachigen Raum zu vernetzen, den fachlichen Aus- 2.1 Allgemeine Theorie der Fachdidaktik tausch zu intensivieren und interdisziplinäre For- 2.2 Bildungsstandards in sozialwissenschaftlichen schung über Hochschulen zu fördern. Fächern­ 3. Universität Österreichische Gesellschaft für 3.1 Theorie-Praxis-Problem in der Lehrerbildung Hochschuldidaktik (ÖGHD ) 3.2 Studiengänge und Modulhandbücher Sozialwis- http://www.oeghd.or.at senschaftliche Lehrämter Die ÖGHD unterstützt seit 1977 die Universitäten und 3.3 Studienbeginn, Studieneingangstest, Assess- Fachhochschulen bei der zielgruppengerechten Durch- ment führung von universitärer Lehre. Gemeinsam mit 3.4 Studium Generale oder Fundamentale, Allgemei- Lehrenden und ihren Instituten werden innovative ne Studienqualifkationen didaktische Modelle eingeführt. Die ÖGHD berät und 3.5 Gesellschaftliche und politische Orientierungen forscht rund um das Thema Lehre an den Hochschulen von Studierenden und in der Erwachsenenbildung. 3.6 Praktika 4. Schule International Consortium for Educational 4.1 Fachseminare SoWi Development in Higher Education (ICED) 4.2 Fallarchive für kasuistische Lehrerbildung http://www.osds.uwa.edu.au/iced 4.3 Unterrichtsplanung The aims of ICED are to help partner organisations de- 4.4 Lehrerfort- und -weiterbildung velop their capacity for educational development in higher education through the sharing of good practi- ce, problems and solutions and to improve the under- 1. Hochschuldidaktik standing and experience of teaching and learning in higher and tertiary education throughout the world. 1.1 Hochschuldidaktik allgemein

Deutscher Bildungsserver 1.2 Hochschuldidaktische Zeitschriften http://www.bildungsserver.de/zeigen.html?seite=121 Der Deutsche Bildungsserver ist ein Informationspor- 1.2.1 Hochschulforschung tal zum föderalen Bildungswesen in Deutschland. Spe- ziell zur Hochschuldidaktik bietet er vielfältige Links Beiträge zur Hochschulforschung zu hochschuldidaktischen Weiterbildungs- und Bera- http://www.ihf.bayern.de/?Publikationen:Beitr%E4ge_ tungsangeboten, Materialien und Zeitschriften. zur_Hochschulforschung Das Bayerische Staatsinstitut für Hochschulforschung Deutsche Gesellschaft für Hochschuldidaktik und Hochschulplanung (IHF) gibt viermal im Jahr die http://www.dghd.de/ Zeitschrift „Beiträge zur Hochschulforschung“ heraus. Die Deutsche Gesellschaft für Hochschuldidaktik ist Die „Beiträge zur Hochschulforschung“ zeichnen sich die wissenschaftliche Fachgesellschaft der Hochschul- durch ein breites Themenspektrum und eine große didaktikerinnen und Hochschuldidaktiker sowie an Reichweite aus. Kennzeichnend sind zudem die Verbin- Hochschuldidaktik und Studienreform interessierten dung von Wissenschaftlichkeit und Relevanz für die Personen. Sie bietet ein Forum für hochschuldidakti- Praxis sowie die Vielfalt der Disziplinen und Zugänge. sche Forschung und Entwicklung, fördert die hoch- 165 Mathias Busch Journal of Social Science Education Linkliste: Theorie-Praxis in der Lehrerausbildung Volume 8, Number 2, 2009, pp. 165–175 die hochschule – journal für wissenschaft der Hochschulorganisation, mit der Hochschulautono- und bildung mie und -fnanzierung, mit der Zusammenarbeit zwi- http://www.diehochschule.de/ schen Hochschule und Wirtschaft, mit der Qualitätssi- Die Zeitschrift „die hochschule“ versteht sich als Ort cherung und -kontrolle von Lehre und Forschung, mit für Debatten aller Fragen der Hochschulforschung so- den Humanressourcen, der Personalplanung und dem wie angrenzender Themen aus der Wissenschafts- und Personalbedarf, mit Besoldungssystemen, universitä- Bildungsforschung. Gegründet wurde die Zeitschrift re Arbeitsmärkte und anderes mehr. 1991 von Peer Pasternack unter dem Titel „hochschule ost. leipziger beiträge zu hochschule & wissenschaft“ Higher education Policy und erschien bis 2001 in Leipzig. „die hochschule“ http://www.palgrave-journals.com/hep/index.html steht in der editorischen Kontinuität von „hochschu- The aim of Higher Education Policy is to provide a le ost“ und dokumentiert dies durch eine besondere peer-reviewed vehicle of the highest quality for ins- Aufmerksamkeit für ostdeutsche Hochschul- und Wis- titutional leadership, scholars, practitioners and ad- senschaftsentwicklung sowie -geschichte. ministrators at all levels of higher education to have access to, keep abreast of, and contribute to, the most Die neue Hochschule advanced analyses available in this domain. http://www.hlb.de/index.php?id=104 Die Zeitschrift “Die neue Hochschule” wird vom Higher education quaterly Hochschullehrerbund e.V. (HLB) herausgegeben und http://www3.interscience.wiley.com/ erscheint vier Mal im Jahr. journal/117999627/home Higher Education Quarterly publishes articles concer- Hochschulmanagement (HM) ned with policy, strategic management and ideas in Zeitschrift für die Leitung, Entwicklung und Selbstver- higher education. A substantial part of its contents waltung von Hochschulen und Wissenschaftseinrich- is concerned with reporting research fndings in ways tungen that bring out their relevance to senior managers and http://www.universitaetsverlagwebler.de/HM.html policy makers at institutional and national levels, and Ziel der Zeitschrift ist es, zu einer Professionalisierung to academics who are not necessarily spe. aller Tätigkeiten in Hochschulen und Wissenschaft- seinrichtungen in hauptberuflicher und akademischer Journal Hochschuldidaktik Selbstverwaltung und damit zur Kompetenzent- http://www.hdz.uni-dortmund.de/index.php?id=120 wicklung auch des wissenschaftlichen Personals bei- Das halbjährlich erscheinende Journal des Zentrums zutragen und umgekehrt Verwaltungspersonal enger für Hochschuldidaktik der Universität Dortmund wid- mit den Sichtweisen und Erfordernissen des Wissen- met sich jeweils einem hochschuldidaktischen The- schaftsbetriebes vertraut zu machen. Die Zeitschrift menschwerpunkt. will die Kernaufgaben von Forschung, Lehre, Studium, Transfer und Weiterbildung in ihrer Organisationsbe- Das Hochschulwesen (HSW) dürftigkeit in den Mittelpunkt stellen und die orga- http://www.hochschulwesen.info/ nisatorischen und wirtschaftlichen Aspekte in ihrer Die Zeitschrift „Das Hochschulwesen (HSW)“ war seit unterstützenden Funktion behandeln. 1953 das Organ des DDR-Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen. Nach der Wende fungierte sie bis Higher Education in Europe 2002 als Mitgliederzeitschrift der Arbeitsgemeinschaft http://www.cepes.ro/publications/hee_eng.htm für Hochschuldidaktik e.V. (AHD). Seit 2003 erscheint Higher Education in Europe is a quarterly review pu- sie im eigens gegründeten Universitätsverlag Webler. blished on behalf of the European Centre for Higher Education (CEPES), UNESCO. It is a scholarly publica- Zeitschrift für Hochschulentwicklung tion dealing with major problems and trends in con- http://www.zfhe.at/ temporary higher education. It presents information, Ziel der Zeitschrift für Hochschulentwicklung ist es, interpretations, and criticism in regard to current de- einen Beitrag zur Verbesserung universitärer Lernan- velopments in the feld. gebote zu leisten. Der Kern der ZFHE besteht daher aus wissenschaftlichen Artikeln unterschiedlicher Higer education Management and Policy Kategorien: theoretische Beiträge, Konzepte (für Lern- http://www.oecd.org/document/44/0,3343,de_34968 angebote auf allen Ebenen: von der Lerneinheit bis 570_35008970_35208684_1_1_1_1,00.html zum Curriculum), Evaluationsstudien und Erfahrungs- Die Zeitschrift „Higher Education Management and berichte. Ergänzt wird dieser Kern durch Workshop-, Policy“ widmet sich der Modernisierung des Hoch- Tagungs- und Konferenz-Berichte sowie relevante Hin- schulmanagements. Die in den Artikeln und Beiträgen tergrundinformationen aus Recht, Politik, Kultur und behandelten Themen befassen sich mit der Reform Wirtschaft. 166 Mathias Busch Journal of Social Science Education Linkliste: Theorie-Praxis in der Lehrerausbildung Volume 8, Number 2, 2009, pp. 165–175

Journal of Studies in International Education Founded in 1930, The Journal of Higher Education is http://jsi.sagepub.com/ the leading scholarly journal on the institution of high- The Journal of Studies in International Education er education. Articles combine disciplinary methods (JSIE) is the premiere forum for higher education ad- with critical insight to investigate issues important to ministrators, educators, researchers and policy makers faculty, administrators, and program managers. interested in research, reviews, and case studies on all facets of the internationalization of higher educati- Soziologie. Mitteilungsblatt der DGS on— the driving innovative element shaping higher http://www.uni-leipzig.de/~sozio/content/site/red- education today. Each issue brings together the con- soz_zeitschrift.php cepts, strategies and approaches of internationalizati- Die Zeitschrift „Soziologie” ist das Mitteilungsblatt on, the internationalization of the curriculum and the der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Sie er- teaching and learning process, exchanges and study scheint viermal im Jahr und wendet sich in zahlreichen abroad, and issues surrounding international students Artikeln hochschuldidaktischen Fragen zu. and cross-border delivery of education. Teaching Sociology (TS). Studies in higher education American sociological Association http://www.tandf.co.uk/journals/carfax/03075079.html http://www.asanet.org/cs/journals/ts The journal has a wide ranging interest in higher edu- TS publishes articles, notes, and reviews intended to cation and the social and institutional contexts within be helpful to the discipline‘s teachers. Articles range which it takes place, but gives particular emphasis to from experimental studies of teaching and learning to education as practice, with a view to influencing its broad, synthetic essays on pedagogically important development. issues. Notes focus on specifc teaching issues or tech- niques. The general intent is to share theoretically The review of higher education stimulating and practically useful information and http://muse.jhu.edu/journals/review_of_higher_edu- advice with teachers. cation/ The offcial journal of the Association for the Study The Law Teacher. The International of Higher Education (ASHE), The Review of Higher Journal of Legal Education. Education provides a forum for discussion of issues http://www.lawteacher.ac.uk/journal/ affecting higher education. The journal advances the The Law Teacher, the Journal of the Association of Law study of college and university issues by publishing Teachers, is a fully refereed academic journal centrally peer-reviewed articles, essays, reviews, and research concerned with legal education. In addition to artic- fndings. Its broad approach emphasizes systematic les concerned with the learning and teaching of law, inquiry and practical implications. it contains vital information on recent legal develop- ments, current government and education news and Tertiary education and management book reviews. http://www.informaworld.com/smpp/title~db=all~co ntent=t777285712~tab=summary Zeitschrift für e-learning. Tertiary Education and Management (TEAM) is an in- Lernkultur und Bildungstechnologie ternational peer-reviewed journal intended to create http://www.e-learning-zeitschrift.org/01_2009/ a better linkage of research, policy and practice in Die seit 2006 erscheinende “Zeitschrift für e-learning” teaching and learning as well as in higher education widmet sich E-Learning-Prozessen unter anderem in management, governance and organisation. universitären Lernprozessen.

Learning and Teaching. The International Journal of Political Science Education Journal of Higher Education in the Social http://www.tandf.co.uk/journals/titles/15512169.asp Sciences Sponsored by the Undergraduate Education Section of http://journals.berghahnbooks.com/ltss/ the American Political Science Association (APSA) the Learning and Teaching (LATISS) is a peer-reviewed Journal of Political Science Education has a very com- journal that uses the social sciences to reflect critically prehensive mission, defned around the central concept on learning and teaching in the changing context of of teaching and learning about politics. The audience higher education. for the journal is concerned with political teaching and learning, broadly conceived. The journal includes to- The Journal of Higher Education pics regarding pedagogical scholarship and the scholar- http://muse.jhu.edu/journals/journal_of_higher_edu- ship of teaching and learning; discussion of assessment cation/ issues; and reviews of both textbooks and relevant teaching technologies of use to political scientists. 167 Mathias Busch Journal of Social Science Education Linkliste: Theorie-Praxis in der Lehrerausbildung Volume 8, Number 2, 2009, pp. 165–175

1.2.2 Professionsforschung und Schul-Management Lehrerbildung http://www.oldenbourg.de/osv/zeitschriften/schul- management/index.htm Beiträge zur Lehrerbildung Die Zeitschrift bietet Fachbeiträge und Praxisbeispie- www.bzl-online.ch/heft/gesamtregister le zu Fragen der Unterrichtsqualität, der Personalent- Die „Beiträge zur Lehrerbildung“ (BzL) sind das offzi- wicklung, des Finanzmanagements, der Schulentwick- elle Organ der Schweizerischen Gesellschaft für Lehre- lung u.v.m. rinnen- und Lehrerbildung (SGL-SSFE) und erscheinen seit 1982 dreimal jährlich. Sie befassen sich mit aktu- Teaching and Teacher Education ellen und systematischen Fragen und Themen rund http://www.elsevier.com/wps/fnd/journaldescripti- um die Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen und on.cws_home/224/description#description bieten Reflexionen und Hilfestellungen zur Professio- Teaching and Teacher Education aims to enhance nalisierung des Lehrberufes aus einer breit gefächer- theory, research, and practice in teaching and teach- ten Perspektive. er education through the publication of primary re- search and review papers concerned with the analysis European Journal of Teacher Education of teaching, teaching effectiveness, the factors that http://www.tandf.co.uk/journals/journal. determine teachers‘ thought processes and perfor- asp?issn=0261-9768&linktype= mances, and the social policies that affect teachers in The European Journal of Teacher Education (EJTE) pro- all aspects and stages of their careers. The journal will vides an opportunity for the dissemination of educa- recognize that many disciplines – psychology, sociol- tional research which investigates theory, policy and ogy, anthropology, economics, political science, histo- practice in teacher education at pre-service and in-ser- ry, and philosophy – have important contributions to vice levels predominantly in the countries of Europe. make to the achievement of its goals, and the Editors welcome contributions from them. In the absence of Journal für Lehrerinnen und Lehrerbildung any dominant paradigm, the journal will allow varied http://www.studienverlag.at/titel.php3?TITNR=1066 approaches to offer empirical research, theoretical Das Journal für Lehrerinnen- und Lehrerbildung soll and conceptual analyses, and reviews (both qualita- alle, die an Entwicklungen der LehrerInnenbildung tive and quantitative syntheses) of high quality aktiv und gestaltend teilnehmen wollen, ansprechen. Die Zeitschrift versteht sich als Plattform für den Aus- Teachers and teaching: theory and practice tausch und die kritische Diskussion von Ideen und http://www.informaworld.com/smpp/title~content=t Praxiserfahrungen und will so zur Qualitätsentwick- 713447546~db=all lung in der LehrerInnenbildung beitragen. Teachers and Teaching: theory and practice provides an international focal point for the publication of Journal für Schulentwicklung research on teachers and teaching, in particular on http://www.studienverlag.at/titel.php3?nr=1151920& teacher thinking. It offers a means of communication bl=1151923,1151922,1151921,1151919,1151918,11519 and dissemination of completed research and research 17,1151916,1151915,1151914,1151913,1151912,115191 in progress, whilst also providing a forum for debate 1,1151909,1151900,1151920,-1 between researchers. Das Journal für Schulentwicklung ist eine Zeitschrift für Lehrende, Schulleitungen, Moderatorinnen und Moderatoren, für Fortbildung und Wissenschaft sowie 1.3 Hochschuldidaktische Zentren für Betroffene aus dem Umfeld. Es bietet Schwerpunkt- themen mit Kernartikeln, reflektierten Praxisberichten, Zentrum für Hochschul- und Weiterbildung Methoden, Instrumenten und Strategien, internatio- der Universität Hamburg nalen Vergleichen und Anstößen für die Praxis. www.izhd.uni-hamburg.de Das Zentrum für Hochschul- und Weiterbildung Journal of Teacher Education (ZHW) an der Universität Hamburg beschäftigt sich http://www.sagepub.com/journalsProdDesc. seit mehr als 30 Jahren mit Hochschul- und Weiter- nav?prodId=Journal200961 bildung. Schwerpunkte bilden dabei die theoretische The Journal of Teacher Education provides a vital fo- Entwicklung der Hochschuldidaktik, das Lehren und rum for considering practice, policy, and research in Lernen mit digitalen Medien sowie die Entwicklung teacher education. It examines some of the most ti- und Durchführung von Weiterbildungsangeboten für mely and important topics in the feld, such as New Hochschullehrende der Universität Hamburg. Teacher Education Standards, Assessing the Outcomes of Teacher Education, Teacher Education in a Global Society, The Research Base for Teacher Education. 168 Mathias Busch Journal of Social Science Education Linkliste: Theorie-Praxis in der Lehrerausbildung Volume 8, Number 2, 2009, pp. 165–175

Hochschuldidaktisches Zentrum Technische sche Zentrum (HDZ) der Universität Dortmund, geför- Universität Dortmund dert durch das Land NRW. http://www.hdz.uni-dortmund.de/ Das HDZ hat die Aufgabe, Hochschuldidaktik (Ausbil- Uni.Edna – Australia’s free online network dungsforschung, Hochschulpädagogik, wissenschaft- for educators liche Begleitung von Studienreformen) fachbezogen http://www.edna.edu.au/edna/go/highered/ und fächerübergreifend durch Forschung, Entwicklung, Edna is a network of the education and training com- Lehre einschließlich hochschuldidaktischer Aus- und munity. It includes government and non-government Weiterbildung sowie Beratung weiterzuentwickeln. schooling systems, early childhood, vocational and technical education, adult and community education Hochschuldidaktikzentrum der Universitäten and higher education. Baden-Württemberg (HDZ) http://www.hdz-bawue.de/ Das Hochschuldidaktikzentrum der Universitäten 2. Fachdidaktik Baden-Württemberg (HDZ) wurde im Jahr 2001 vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Würt- 2.1 Allgemeine Theorie der Fachdidaktik temberg und den neun Universitäten des Landes ge- gründet. Die Mitarbeiterinnen des HDZ unterstützen Gesellschaft für Fachdidaktik: Dachverband Hochschullehrende mit Programmveranstaltungen der Fachdidaktischen Fachgesellschaften und Beratungsangeboten, ihre persönlichen Kompe- http://gfd.physik.rub.de/ tenzen in der Lehre weiter zu entwickeln und zu re- Die Gesellschaft für Fachdidaktik verfolgt unter ande- flektieren. rem das Ziel, die fachdidaktische Forschung und die fachdidaktische Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie Weitere Hochschuldidaktische Zentren Aktualisierung und Koordinierung der Ausbildungs- http://www.zhw.uni-hamburg.de/zhw/?page_id=172 gänge und Ausbildungsabschnitte zu fördern. Linkliste zu weiteren Hochschuldidaktischen Zentren in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Großbritan- Helmut Johannes Vollmer: Zur Situation der nien und den USA. Fachdidaktiken an deutschen Hochschulen http://dgfe.pleurone.de/zeitschrift/heft35/beitrag10. pdf 1.4 Hochschuldidaktische Online-Foren Ausgehend von der These, auf die Hochschulen kom- me „mit der Einführung der Bachelor- Lehridee – Ideen und Konzepte für das Master-Strukturen eine erfreuliche, aber auch brisante Lernen und Lehren Ausweitung fachdidaktischer Lehre zu, (…) auf die die http://www.lehridee.de/docs/index.html meisten Universitäten nicht vorbereitet sind“, erörtert Die hochschuldidaktische Datenbank „Lehridee“ der Artikel Folgeprobleme, die „sich ebenso auf eine möchte den Austausch von Ideen, Konzepten etc. rund Neudefnition des Selbstverständnisses von Fachdi- um das Lernen und Lehren an Hochschulen fördern. Zu daktik wie auf ihre institutionelle Verankerung, auf die fnden sind hier Materialien aus Workshops und Lehr- besorgniserregende personelle Ausstattung wie die veranstaltungen, aktuelle Literaturlisten und Links so- zukünftige Rekrutierung qualifzierter Hochschulleh- wie Aktivitäten des Netzwerks hdw-nrw (Hochschuldi- rer (nach ausgewiesenen Kriterien) und nicht zuletzt daktische Weiterbildung Nordrhein-Westfalen). auf eine breite und möglichst schnelle Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses“ beziehen (S. 88). DICFO – Forum Hochschuldidaktik http://www.dicfo.at/ Deutsche Gesellschaft für DICFO ermöglicht Hochschullehrern, sich virtuell über Erziehungswissenschaft: Strukturmodell für das Thema Hochschuldidaktik auszutauschen. Materi- die Lehrerbildung im Bachelor-Master-System alien und insbesondere Beispiele aus der Fachhoch- http://dgfe.pleurone.de/zeitschrift/heft30/beitrag3. schul-Praxis werden bereitgestellt. pdf Die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft Hochschuldidaktik-on-line (DGfE) legt ein Gesamtkonzept für die Lehrerbildung http://www.hd-on-line.de/www/index.php im Bachelor-Master-System vor. Dieses besteht für Hochschuldidaktik-on-line ist ein Portal für Hochschul- alle Lehramtsstudiengänge aus einem dreijährigen didaktik, das hochschuldidaktische Fachinformation, Bachelor-Studium und einem zweijährigen Master- hochschuldidaktische Qualifzierung und Vernetzung Studium. bietet. Träger von hd-on-line ist das Hochschuldidakti-

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Klaus-Jürgen Tillmann: teachers possess the knowledge, capabilities, and dis- Erziehungswissenschaft in der BA/MA- positions associated with the central concepts, tools Struktur: die Lehrerbildung of inquiry, and structures of the disciplines that make http://dgfe.pleurone.de/zeitschrift/heft35/beitrag2. up the social studies, and (2) that they are able to cre- pdf ate learning experiences that make these aspects of Tillmann skizziert einige der Probleme und mögliche subject matter meaningful for learners. Lösungsstrategien, die mit der Umstrukturierung der bisherigen Lehramtsstudiengänge verbunden sind, Gesellschaft für Politikdidaktik und und bezieht sich hierbei vor allem auf seine eigenen politische Jugend- und Erwachsenenbildung: Erfahrungen an der Universität Bielefeld aus einem Anforderungen an nationale der beiden seit 2002 vorlaufenden Modellversuche in Bildungsstandards für den Fachunterricht in NRW. der Politischen Bildung an Schulen (2004) http://www.ku-eichstaett.de/Fakultaeten/GGF/fach- Ewald Terhart: Wozu führt Modularisierung? gebiete/Politikwissenschaften/Politikwissenschaft_ Überlegungen zu einigen Konsequenzen für III/links/HF_sections/content/Bildungsstandards. die Praxis der akademischen Lehre pdf. http://dgfe.pleurone.de/zeitschrift/heft34/beitrag3. Der Entwurf für Bildungsstandards in der politischen pdf Bildung versteht sich als Beitrag zur Entwicklung von Terhart geht in seinem Artikel auf den veränderten Ar- Bildungsstandards für die Schulen in der Bundesre- beitsalltag aller Lehrenden durch die Umorganisation publik Deutschland, wie sie 2003 in der von der Bun- der Lehre an den Hochschulen gemäß den Erfordernis- desministerin für Bildung und Wissenschaft, der Prä- sen der Modularisierung ein. „Diese Mehrbelastungen sidentin der KMK sowie von Prof. Dr. Eckhard Klieme könnten bei Vorhandensein von ausreichenden Perso- vorgelegten Expertise „Zur Entwicklung nationaler nalressourcen und einem klug gewählten und dann Bildungsstandards“ gefordert wurde. streng durchgehaltenen administrativen Regime im Prinzip bewältigt werden.“ Auch sei die Konstruktion Deutsche Gesellschaft für ökonomische eines adäquaten Lehrangebotes im Prinzip zu schaf- Bildung fen. Stattdessen geht es ihm um die Folgen der Mo- Kompetenzen der ökonomischen Bildung dularisierung für Inhalte und Form der akademischen für allgemein bildende Schulen und Lehre der einzelnen Hochschullehrenden (S. 23). Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss (2004) Erklärung der Konferenz der Vorsitzenden http://www.degoeb.de/stellung/04_DEGOEB_Sekun- Fachdidaktischer Fachgesellschaften (KVFF): darstufe-I.pdf Fachdidaktik als Zentrum professioneller Die „Kompetenzen für die ökonomische Bildung und Lehrerbildung die Bildungsstandards für den mittleren Bildungsab- http://www.sowi-online.de/journal/lehrerbildung/ schluss“ gliedern sich in fünf Kompetenzbereiche, die kvff-fz.htm unabhängig von der Schulart bzw. Schulstufe sind. Die Damit zukünftige Lehrerinnen und Lehrer die skiz- vorgelegten Standards gelten speziell für den mittle- zierten Bildungsprozesse angemessen initiieren und ren Bildungsabschluss. begleiten können, wird eine professionelle Lehrerbil- dung als nötig erachtet, die als zentrale Komponente Deutsche Gesellschaft für ökonomische die Fachdidaktik enthält. Bildung Kompetenzen der ökonomischen Bildung für allgemein bildende Schulen und 2.2 Bildungsstandards in Bildungsstandards für den Abschluss der sozialwissenschaftlichen Fächern gymnasialen Oberstufe (2009) http://www.degoeb.de/stellung/09_DEGOEB_Abitur. National Council for the Social Studies: pdf Program Standards for the Initial Der Beitrag soll die Standards für das Abitur ergänzen. Preparation of Social Studies Teachers Ungeachtet der Frage, ob die Kompetenzen in einem http://downloads.ncss.org/NCATE/NCSS_NCATE_ ökonomischen oder sozialwissenschaftlichen Fach, in STDS-04rev.pdf einem Grund- oder Leistungskurs entfaltet werden, The document contains the actual standards, all of wird die Standardentwicklung von der Fragestellung which appear in more detailed form in the National geleitet: „Über welche ökonomische Bildung sollte je- Council for the Social Studies document National der Abiturient und jede Abiturientin verfügen?“. Standards for Social Studies Teachers. The standards are intended to assure (1) that beginning social studies 170 Mathias Busch Journal of Social Science Education Linkliste: Theorie-Praxis in der Lehrerausbildung Volume 8, Number 2, 2009, pp. 165–175

KMK: Ländergemeinsame inhaltliche bei Simulationsmethoden, biographischen Methoden, Anforderungen für die Fachwissenschaften Projektstudien und einer stabilen Kooperationsstruk- und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung tur zwischen der ersten und zweiten Phase. (2008) http://www.kmk.org/fleadmin/veroeffentlichungen_ Reinhold Hedtke: Das unstillbare Verlangen beschluesse/2008/2008_10_16-Fachprofle.pdf nach Praxisbezug – Zum Theorie-Praxis- Mit der Vorgabe sog. Fachprofle verständigt sich die Problem der Lehrerbildung am Exempel Kultusministerkonferenz auf einen Rahmen der inhalt- Schulpraktischer Studien lichen Anforderungen für das Fachstudium. Die Län- http://www.sowi-online.de/journal/lehrerbildung/ der und die Universitäten können innerhalb dieses hedtke.htm Rahmens selbst Schwerpunkte und Differenzierungen, Hedtke widmet sich dem Teilaspekt Schulpraktische aber auch zusätzliche Anforderungen festlegen. Studien. „Sie bilden einen prominenten Kristallisati- onspunkt der Theorie-Praxis-Debatte und gelten als optimale Organisationsform zur Vermittlung zwi- 3. Universität schen Theorie und Praxis.“ Ihn „interessiert vor allem die Frage, welche Funktionen die Schulpraktischen 3.1 Theorie-Praxis-Problem in der Studien für das Theorie-Praxis-Verhältnis in der Lehrer- Lehrerbildung bildung tatsächlich erfüllen und welche Funktionen man ihnen sinnvollerweise zuweisen kann“. Frank-Olaf Radtke: Professionalisierung der Lehrerbildung durch Autonomisierung, Entstaatlichung, Modularisierung 3.2 Studiengänge und Modulhandbücher http://www.sowi-online.de/journal/lehrerbildung/ Sozialwissenschaftliche Lehrämter radtke.htm Die Aufgabe der Lehrerbildung besteht in der Profes- Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur sionalisierung künftiger Lehrer und Lehrerinnen. Was künftigen Struktur der Lehrerbildung (2001) aber meint Professionalisierung, von welcher Profes- http://www.wissenschaftsrat.de/texte/5065-01.pdf sionalität ist die Rede und wie wird sie zuverlässig Die Empfehlung skizziert zunächst die Strukturen erreicht? Um über Studiengänge und ihre Gestaltung der Lehrerbildung in der ersten und zweiten Phase in entscheiden zu können, braucht man einen spezif- Deutschland. Die Bestandsaufnahme wird um eine De- schen Begriff der Professionalität des Lehrers. fzitanalyse der herkömmlichen Lehrerbildung ergänzt. Empfehlungen für die Gestaltung der zukünftigen Leh- Jürgen Oelkers: Studium als Praktikum? rerbildung werden, eingeleitet von einer Skizze der Illusionen und Aussichten der Lehrerbildung künftigen Anforderungen und Entwicklungsaufgaben, http://www.sowi-online.de/journal/lehrerbildung/ im abschließenden Teil vorgelegt. oelkers.htm Oelkers weist in seinem Aufsatz die Widersprüche und Leuphana Bachelor Dilemmata einer dem „Praxisbezug“ verpflichteten http://www.leuphana.de/college/studiengang-leu- Lehrerbildung nach. Er plädiert für eine Ausbildung, phana-bachelor.html die unter anderem auf Forschung, insbesondere auf Mit dem Leuphana Bachelor bietet das College ein in empirische Schulforschung bezogen sein, Ausbil- sich vernetztes Studienangebot für den ersten Stu- dungsleistungen kreditieren und über alle Phasen hin- dienabschluss, das in dieser Form deutschlandweit weg einem gemeinsamen Curriculum folgen soll. einzigartig ist. Der Leuphana Bachelor bietet den Stu- dierenden einen Rahmen, um ihre fachwissenschaftli- Johannes Wildt: Reflexives Lernen chen, fächerübergreifenden und sozialen Fähigkeiten – wissenschaftliches Wissen und ausbilden zu können. Einzelne Schwerpunktfächer Handlungswissen in einer reformierten sind dabei wichtige Elemente des Studiums, konstitu- Lehrerbildung ieren es aber nicht alleine. http://www.sowi-online.de/journal/lehrerbildung/ wildt.htm Polyvalenter Bachelor „Wissenstransfer“ Ausgehend von der Unterscheidung von „wissenschaft- http://www.sonderpaedagogik.uni-oldenburg. lichem Wissen“ und „Handlungswissen“ betont Wildt de/9603.html die Differenz von Wissenschaft und Praxis, spricht Im Gegensatz zu anderen Modellen gestufter Lehrer- sich aber gegen eine „phasen- und institutionsspe- bildung wird hier die „wirkliche“ Lehramtsausbildung zifsche Zuordnung von Ausbildungsaufgaben“ aus. nicht auf den Master verschoben. Die Universität Ol- Ziel müsse ein Studium sein, in dem die „Bildung von denburg geht stattdessen den Weg, die kommunikati- Relationen gelernt werden kann“, wie beispielsweise ve Komponente der Lehramtsausbildung, die den rein 171 Mathias Busch Journal of Social Science Education Linkliste: Theorie-Praxis in der Lehrerausbildung Volume 8, Number 2, 2009, pp. 165–175

fachwissenschaftlichen Diplom- bzw. Magisterausbil- untersucht – vor dem Hintergrund der Neuordnung dungen so lange fehlte und jetzt über die Betonung der gymnasialen Oberstufe und der Einführung der der Schlüsselkompetenzen auch in diese Studiengänge Bachelor-Master-Studiengänge an den Hochschulen – Einzug hält, zum Ausgangspunkt eines polyvalenten die Lern- und Entwicklungsprozesse der Schüler/innen Bachelor-Studiengangs „Wissenstransfer“ zu machen. in der Sekundarstufe II und die der Studierenden in Auf ihn setzt dann entweder ein fachwissenschaftli- der Studieneingangsphase. ches Weiterstudium zum Master oder ein spezifscher Master für das Lehramt auf. Diese Wahlmöglichkeit bietet Polyvalenz in besonderer Weise. (Das Hoch- 3.4 Studium Generale oder Fundamentale, schulwesen 2003, 3; www.hochschulwesen.info) Allgemeine Studienqualifikationen

ABK Vorlesungsverzeichnis 3.3 Studienbeginn, Studieneingangstest, http://webapp5.rrz.uni-hamburg.de/abklms/abk/do- Assessment kumente/ABK_Veranstaltungen_SoSe09.pdf Veranstaltungen im Studienbereich der Allgemeinen PArcours – Eignungsfeststellung für Berufsqualifzierenden Kompetenzen (ABK) im Som- angehende Lehramtstudenten mersemester 2009 der Universität Hamburg. http://www.phil.uni-passau.de/die-fakultaet/lehrstu- ehle-professuren/paedagogik/schulpaedagogik/pro- Master of Higher Education (Universität jekte/parcours.html Hamburg) Die Universität bietet angehenden Lehramtsstudieren- http://www.zhw.uni-hamburg.de/zhw/?page_id=6 den die Möglichkeit, vor Studienbeginn ihre Eignung Der Studiengang „Master of Higher Education“ ist der für den Lehrberuf zu testen. Das Eignungsfeststel- erste curricular geordnete hochschuldidaktische Stu- lungsverfahren PArcours besteht aus mehreren Übun- diengang in Deutschland. Der berufsbegleitende post- gen, mit deren Hilfe verschiedene Kompetenzbereiche graduale Studiengang bietet Wissenschaftlerinnen abgedeckt werden, die im Lehramtsstudium für einen und Wissenschaftlern eine systematische didaktische erfolgreichen Abschluss und im späteren Berufsleben Weiterbildung zur Professionalisierung ihrer Lehrtä- als LehrerIn wichtig sind. tigkeit an Hochschulen und Institutionen der Weiter- bildung, die auch das Lernen und Lehren mit digitalen Career Counselling for Teachers (CCT): Medien umfasst. Fragebögen und Checklisten http://www.cct-germany.de/index.php?action=1&tex Master-Studiengang Higher Education / ttyp=1&zielgruppe=0&lokalisierung=DE-GER Hochschulforschung und -gestaltung Die Selbsterkundungs-Verfahren sind auf der Grundla- http://cms.uni-kassel.de/unicms/index.php?id=12567 ge wissenschaftlicher Forschungen entwickelt worden. The programme, which is offered by the International Die Fragebögen gehen auf pädagogische Vorerfahrun- Centre for Higher Education Research Kassel together gen, Persönlichkeitsmerkmale, die für den Lehrerberuf with the Department of Social Sciences at Kassel Uni- relevant sind, und auf Fragen zur Fachauswahl ein. versity, is international and interdisciplinary. It aims to qualify students in two respects: a) to become a Deutscher Beamtenbund: Fit für den young researcher or doctoral candidate in the feld Lehrerberuf? of research about a broad variety of issues in high- http://www.dbb.de/lehrerstudie/start_ft_einleitung. er education; b) training for a variety of professions php within or close to higher education institutions, ma- Der Fragebogen bietet ein Verfahren, das über wich- nagement, internationalisation, research planning, tige Anforderungen im Lehrerberuf informiert und evaluation and accreditation, curriculum design, ins- Studieninteressierten gleichzeitig die Möglichkeit bie- titutional research, etc. tet, für sich selbst zu beurteilen, inwiefern sie diesen Anforderungen gewachsen sind. Kompaktseminar „Psychosoziale Basiskompetenzen für den Lehrerberuf“ Oberstufenkolleg Bielefeld: Forschungs- und http://cms.uni-kassel.de/unicms/index.php?id=9035 Entwicklungsprojekt: Krise und Kontinuität Die Universität Kassel bietet Lehramtsstudierenden in Bildungsgängen: Der Übergang Schule – mit dem Kompaktseminar „Psychosoziale Basiskompe- Hochschule tenzen für den Lehrerberuf“ die Möglichkeit, sich über http://www.uni-bielefeld.de/OSK/NEOS_WissEinrich- ihre persönlichen psychosozialen Basiskompetenzen tung/Projekte/proj14.html bewusst zu werden. In erfahrungsbezogenen selbst- Das Forschungsprojekt “Krise und Kontinuität in Bil- reflexiven Kleingruppen können sie sich ausprobieren dungsgängen: Der Übergang Schule – Hochschule“ 172 Mathias Busch Journal of Social Science Education Linkliste: Theorie-Praxis in der Lehrerausbildung Volume 8, Number 2, 2009, pp. 165–175 und neue Lernerfahrungen sammeln. Das Seminar Exercitium Paedagogicum schließt mit einem individuellen Einzelgespräch ab. http://www.uni-passau.de/fleadmin/dokumente/ein- richtungen/zlf/expaed_neu/ex_paed-kms.pdf Das Exercitium Paedagogicum ist ein Projekt der Stif- 3.5 Gesellschaftliche und politische tung Bildungspakt Bayern und des Staatsministeriums Orientierungen von Studierenden für Unterricht und Kultus in Kooperation mit ausge- wählten Universitäten, an dem Lehramtsstudierende Studierendensurvey auf freiwilliger Basis teilnehmen können. Das Projekt http://www.uni-konstanz.de/ag-hochschulforschung/ verfolgt zwei Ziele: Zum Ersten soll durch die engere Der Studierendensurvey wird seit 1983 im Rhyth- Verbindung von Theorie und Praxis die Qualifzierung mus von zwei bis drei Jahren von der AG H���������ochschul- angehender Lehrerinnen und Lehrer verbessert wer- forschung an der Universität Konstanz im Auftrag den, zum Zweiten sollen die Lehrkräfte in ihrer tägli- des Bundesministeriums für Bildung und Forschung chen Unterrichts- und Erziehungsarbeit Unterstützung durchgeführt. Mit ihm sollen verlässliche und über die erhalten. Zeit vergleichbare Informationen über die Studiensi- tuation und die studentischen Orientierungen bereit- gestellt werden. 4. Schule

Eurostudent 4.1 Fachseminare SoWi http://www.eurostudent.eu/ The Eurostudent project collates comparable data on Bundesarbeitskreis der Seminar- und the social and economic conditions of student life in Fachleiter (BAK) Europe. The Eurostudent data set includes nearly 250 http://www.bak-online.de/inhalt.html key indicators which cover the broad areas of access Der BAK ist der bundesweite Berufsverband von Ausbil- to higher education, social and economic conditions der/innen in der zweiten Phase der Lehrerausbildung of living during studies and international mobility. (Referendariat). Wesentliches Ziel des BAK ist es, die Qualität von Lehrerbildung und Schule zu fördern und HIS Hochschulinformationssystem: die Arbeitsbedingungen der in der Lehrerausbildung Studienqualitätsmonitor tätigen Personen zu optimieren. Der BAK unterstützt http://www.his.de/abt2/ab21/sqm/index_html den Austausch von Informationen und die Kooperati- Der Studienqualitätsmonitor (SQM) wird seit 2007 on der Seminare und ihrer Mitglieder, die Fortbildung im jährlichen Rhythmus von der HIS Hochschul-In- von Lehrerausbilder/innen und Lehrer/innen sowie formations-System GmbH in Hannover und der AG Initiativen zur Entwicklung von Lehrerbildung und Hochschulforschung der Universität Konstanz durch- Schule. geführt. 2008 haben in der zweiten repräsentativen Online-Befragung knapp 30.000 Studierende an mehr Studienseminar Frankfurt/Main als 150 Hochschulen Auskunft zu den Studienbedin- http://www.studienseminar-ffm.de/modules/dok/ gungen und zur Studienqualität an ihren Hochschulen item.php?itemid=35 gegeben. Studienseminar Leverkusen http://www.studienseminar-leverkusen.de/s2/ausbil- 3.6 Praktika dung/fachseminare/sozialwiss.htm

Teach First Deutschland Studienseminar Gera http://www.teachfrst.de/ http://www.sss.g.th.schule.de/html/sozialkunde.htm Das Projekt vermittelt Absolventen mit überdurch- schnittlichen akademischen Leistungen sowie beson- Fachseminar Sozialwissenschaften/Politik derer persönlicher Eignung als Lehrkräfte auf Zeit am Studienseminar Vettweiß („Fellows“) für einen zweijährigen Einsatz an Schulen http://www.fachseminar-sozialwissenschaften.de/re- in sozialen Brennpunkten. „Die Fellows motivieren die ferendariat/leitung/index.html Schüler als junge Vorbilder und befähigen sie zu bes- seren Leistungen. (…) Auf lange Sicht werden sich ehe- Erfahrungsberichte von Referendaren malige Fellows aus führenden Positionen im Bildungs- http://www.referendar.de/referendariat/erfahrungs- wesen, in der Politik, Wirtschaft oder Zivilgesellschaft berichte/ weiter zugunsten benachteiligter Schüler einsetzen Das Forum enthält einige repräsentative Beiträge, die und als zukünftige Entscheider zur Veränderung des aufzeigen sollen, wie Referendare ihre Ausbildungs- Bildungssystems beitragen.“ 173 Mathias Busch Journal of Social Science Education Linkliste: Theorie-Praxis in der Lehrerausbildung Volume 8, Number 2, 2009, pp. 165–175

zeit empfnden und mit welchen Problemen sie zu werden. Damit������������������������������������������� steht eine vielfältige Datenmenge be- kämpfen haben. reit, die sich unter unterschiedlichsten theoretischen Gesichtspunkten für Ausbildungszwecke nutzen lässt. Eine Auswahl von interessanten und für die Lehre 4.2 Fallarchive für kasuistische Lehrerbildung freigegebenen Lektionen einschließlich aller dazu ge- hörigen Zusatzmaterialien stehen auf dem Portal zur Archiv für pädagogische Kasuistik (Johann- Verfügung. Wolfgang-Goethe Universität Frankfurt) http://www.apaek.uni-frankfurt.de/ Die Archivdatenbank stellt mit einer Vielzahl an un- 4.3 Unterrichtsplanung terschiedlichen Dokumenten aus der pädagogischen Praxis Studierenden, Lehrenden und Forschenden Lehrer-online Informationen zur kasuistischen Arbeitsweise, sowie http://www.lehrer-online.de/politik.php eine Seminarplattform zur Verfügung. Sie bietet der Die aus einem Projekt des Vereins „Schulen ans Netz“ empirischen Pädagogik eine stetig wachsende Daten- hervorgegangene Onlineplattform bietet neben Fo- basis für die Erforschung pädagogischer Situationen ren und unterschiedlichen Unterrichtsmaterialien und Institutionen, als auch Rekonstruktionen von vollständige Unterrichtsplanungen zu allen Fächern Lehr-Lern-Prozessen und unterrichtlichen Settings. in Grund-, Sekundar- und Berufsschulen. Der Schwer- punkt liegt auf der Einbindung digitaler Medien in Fallarchiv Schulpädagogik (Universität den Unterricht. Kassel) www.fallarchiv.uni-kassel.de pbnetz Das Fallarchiv möchte sowohl ForscherInnen, als auch http://www.pbnetz.de/ LehrerInnen, Studierenden und anderen interessier- Das ‚pbnetz‘ veröffentlicht Projekte, Unterrichtsein- ten Personen Anregungen und Materialien für das heiten sowie Materialien und bietet Foren für fachli- eigene Arbeitsfeld anbieten. Die hier gesammelten chen Austausch. Fallstudien stellen das Arbeitsfeld einer qualitativen Bildungsforschung dar und möchten zur Einübung Bizzinet fallverstehender Reflexivität beitragen. http://www.bizzinet.de/ Kostenpflichtige Datenbank mit Unterrichtseinheiten, Arbeitsstelle Pädagogische Kasuistik TU Materialien, Planspielen und Fallstudien zur ökonomi- Berlin schen Bildung. http://www.ewi.tu-berlin.de/menue/arbeitsstellen_ des_instituts/paedagogische_kasuistik/ Dadalos Die Arbeitsstelle versucht, eine möglichst umfangrei- http://www.dadalos-d.org/deutsch/ che Sammlung von dokumentierten bzw. protokollier- Bildungsserver der UNESCO, auf dem neben Materiali- ten pädagogischen Interaktionen, die in spezifschen en zu Themen wie Globalisierung, Friedenserziehung, Institutionen bzw. Organisation (z.B. in Familien, in Demokratie und Nachhaltigkeit auch ein „Grundkurs“ Kindertageseinrichtungen, in Schulen) stattfnden, zu zur Planung von Unterrichtseinheiten im Fach Politik erstellen. Zugleich soll ein Forum geschaffen werden, bereitgestellt wird. um mit interessierten Forscherinnen und Menschen, die in der Lehrerbildung tätig sind, auf Workshops Deutsche Gesellschaft für und kleineren Arbeitstreffen ausgewählte Fragen zur Demokratiepädagogik pädagogischen Praxis anhand der Interpretation und www.degede.de / www.blk-demokratie.de Analyse von Dokumenten und Protokollen zu bear- Die Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik beiten und methodologische Probleme der „Beobach- dokumentiert auf ihren Seiten die guten Praxisbeispie- tung“ und des „Verstehens“ pädagogischer Praxis zu le von Projekten und Unterrichtseinheiten zur Demo- erörtern. kratie-Pädagogik, die im Rahmen des BLK-Programms „Demokratie lernen und leben“ entstanden sind. Videoportal des Lehrstuhls Pädagogische Psychologie und Didaktik des Pädagogischen Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet Instituts der Universität Zürich e.V. http://www.didac.uzh.ch/videoportal/ www.zum.de Im Rahmen der schweizerisch-internationalen Video- Die „Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet“ e.V. studie, der schweizerisch-deutschen Videostudie und bietet neben Unterrichtsmaterialien, Anleitungen des Projekts „Geschichte und Politik im Unterricht“ zur Unterrichtsplanung und fachlichen Austausch in konnte eine große Anzahl von Lektionen videografert 174 Mathias Busch Journal of Social Science Education Linkliste: Theorie-Praxis in der Lehrerausbildung Volume 8, Number 2, 2009, pp. 165–175

online-Foren für Lehrkräfte aller Fächer und Schulfor- nikation und Information zur Lehrerfortbildung und men. zur Schulentwicklung. Diese Arbeit geschieht beson- ders durch Vorbereitung und Durchführung überregi- Didactics Online onaler Fachtagungen zur Lehrerfortbildung und zur www.didactics.eu Schulentwicklung, Herausgabe der Zeitschrift „FO- Didactics Online ist ein Projekt des Fachdidaktikzent- RUM Lehrerfortbildung“, Zusammenarbeit mit öffent- rums Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung lichen und privaten Institutionen, die Fortbildung in Zusammenarbeit mit der Forschungseinheit Leh- und Schulentwicklung anbieten, ständige oder ad rerInnenbildung und Professionalisierungsforschung hoc-Arbeitsgruppen zu besonderen Sachgebieten und (FeLP) des Instituts für Bildungswissenschaft an der aktuellen Aufgaben. Universität Wien. Es stellt unter anderem Module zur Unterrichtsplanung und Unterrichtsanalyse bereit. Projekt Lehrer-/innenforum http://www.lehrerforum-vbe.de/ Didaktischer Koffer Das Forum ist ein gemeinschaftliches Projekt des Ver- http://www.zsb.uni-halle.de/didaktischer-koffer/ bandes Bildung und Erziehung, Landesverband NRW Der Didaktische Koffer ist eine Sammlung von Unter- und dem Institut für Psychologie der Universität Lü- richtsmaterialien, -methoden und -einheiten zur poli- neburg. Im Forum können Lehrkräfte anonym Fragen tischen Bildung, die an der Martin-Luther-Universität und Probleme eingeben, die sie im Schulalltag belas- Halle-Wittenberg entwickelt wurde. ten und für deren Bewältigung sie sich von anderen Kolleginnen und Kollegen oder von Fachleuten Tipps und Hinweise erhoffen. 4.4 Lehrerfort- und -weiterbildung Career Counselling for Teachers (CCT): Deutscher Verein zur Förderung der Laufbahnplanung Lehrerinnen- und Lehrerfortbildung e. V. http://www.cct-germany.de/index. (DVLfB) php?lokalisierung=DE-GER&zielgruppe=3&welcome=1 http://www.dvlfb.de/cms/index.php Auf der Seite für erfahrene Lehrerinnen und Lehrer Der DVLfB fördert die überregionale fachliche Zusam- sind Informationstexte über den Lehrerberuf und menarbeit von Experten der Lehrerfortbildung und das Bildungswesen, Reportagen aus dem Leben von Schulentwicklung, trägt zu ihrer Professionalisierung Lehrerinnen und Lehrern und Links zu Lehrerbildungs- bei, regt die Forschung in Fragen der Lehrerfortbildung einrichtungen, Schulbehörden und Beratungsstellen und der Schulentwicklung an und fördert die Kommu- eingestellt.

175 Journal of Social Science Education © JSSE 2009 Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201 ISSN 1618-5293

Wiedergelesen (Dokumentation)

Zusammenstellung und Einführung: Tilman Grammes

Inhalt Vorlesungen und Seminare. Die Voraussetzungen der Einführung humboldtschen humanistischen Universität waren in 1. Hartwig Fiege: Die Lehrerbildung im Pädagogi- der Realität immer schon gefährdet bzw. so nicht gege- schen Institut der Universität Hamburg von 1945 ben. Die freie, sich von selbst regulierende Kommuni- bis 1969 kation zwischen Lehrenden und Lernenden wird unter 2. Clemens Albrecht: Universität als repräsentative den Bedingungen der Massenuniversität zum Problem. Kultur Die heutige Generation der Studierenden wird die völ- 3. Klaus Megerle/Wolf-Dieter Narr: Modell für den Stu- lige Wahlfreiheit verwundern sowie die Autorität der dienschwerpunkt Unterrichtsfakultas für den gesell- Hochschullehrer, was zu heftigen Konflikten führen schaftswissenschaftlichen Gegenstandsbereich des konnte. Spranger berichtet von Fehlwahlen, von verlo- Lehramts an Schulen (Sozialkunde) renen Semestern und völliger Orientierungslosigkeit 4. Marion W.: Klassenlehrerin im Doppelordinariat, (trotz „Studienberatung“); die Anwesenheitslisten seit 6 Monaten im Schuldienst, Studienfächer: Sozi- „nach Bologna“ hätten ihm wohl zum Verhängnis wer- alkunde und Mathematik den können, denn es treten „Lücken im Besuch“ auf: 5. Bernd Janssen: Pädagogik lehren und erfah- „Stumpf und Adolf Lasson lasen im S.S. 1900 ‘Allge- ren: ein Praxisbericht über die Chancen der akade- meine Geschichte der Philosophie’ 5stündig, wie es mischen Lehre. damals üblich war. Dass ich die hören musste stand für 6. Wunderlich, Otto (Pseudonym): Entfesselte mich ausser Zweifel. Ich entschloss mich für Lasson, Wissenschaft. Beiträge zur Wissenschaftsbetriebs- einfach deshalb, weil mich Stumpfs kühle Sachlichkeit lehre in der ersten Stunde gar nicht anzog., während Las- son durch seine altertümlich-Hegelische Professoren- Keywords erscheinung – er trug fast immer eine weisse Weste Studienbericht, Eduard Spranger, Immatrikulation, – wie durch einen schauspielerischen Humor etwas Max Horkheimer, Studieneingangstest (Lehramt), Leh- Belebendes versprach. Auf die Dauer hatte das Darge- rereignungstest, Praxisbericht, Referendariat, Wissen- botene für mich nicht viel Reiz, so dass ich Lücken schaftsbetriebslehre im Besuch eintreten liess. Der Anfänger hat natürlich keine Ahnung, wieviel eine Vorlesung sachlich wert Einführung ist, und selbst wenn er sie ablehnt, kann er nicht wis- Die folgenden Dokumente können in Seminaren zur sen, wieviel von ihr in seinem Bewusstsein sich nied- Lehrerbildung als Reflexionsinstrumente eingesetzt erschlägt, wodurch er für Späteres aufnahmefähiger werden, um im Spiegel vergangener Erfahrungen wird. Die Bedeutung des Mannes ist mir erst 12 Jahre manche Wahrnehmung zu sortieren und strukturell zu später klar geworden, als ich ihm bei einem Vortrag in klären, die in der Hektik der gegenwärtigen Bildungs- Leipzig wiederbegegnete.“ (Spranger S. 198) reform nur schwer einzuordnen ist. Manch empfunde- Und Spranger entwickelt die üblichen Unterlau- ner Leidensdruck mag sich durch die Dokumente auch fungsstrategien, er ist nicht bei der Sache, sondern relativieren. Der Rückblick zeigt: Lehrerbildung war „anders beschäftigt“: wohl immer im Status permanenter Reform! „Was ich sonst in diesem ersten Semester hörte, Universitätsreformen berufen sich immer wieder ging ziemlich daneben. Die Differentialrechnung bei auf die klassischen Begründungsschriften von Fichte, Hensel war didaktisch nicht schlecht, aber ich kam Schelling, v. Humboldt und Schleiermacher aus der doch nicht hinein. ����������������������������������Unter dem Titel ‘Synthetische Geo- Zeit der Berliner Universitätsgründung Anfang des 19. metrie’ entwickelte Hermann Amandus Schwarz mit Jahrhunderts. Ziel war eine konsistente Verbindung behaglichem Humor viele Anekdoten; wenn er aber der drei Pole personale Bildung, Teilhabe an Wissen- in der schwierigen Sache selbst weiterging, nahm er schaft und Befähigung zu praktischem gesellschaftli- auf Hörer wie mich keine Rücksicht, wie denn in der chen Handeln. Einen Einblick in die Praxis dieser Idee Tat seine Vorlesung nicht für solche mathematischen gibt der Studienbericht von Eduard Spranger, eine unveranlagten Laien bestimmt gewesen sein kann. Da Art Rechenschaftsbericht. Zum Zeitpunkt der Nieder- ich ein grundsätzliches Fernbleiben für unerlaubt hielt, schrift im Februar 1945 war der Philosoph und Päda- sass ich viele Stunden, anders beschäftigt, dabei, bis goge längst weltbekannt. Der unbedingt lesenswerte ich Spaziergänge Unter den Linden vorzog.“ (Spranger Studienbericht vermittelt einen Eindruck von der in- S. 199) dividuellen Studienpraxis an der Berliner Universität Spranger lässt keinen Zweifel daran, dass „Niederla- zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Darunter sind auch ge” und „Entwicklungskrisis“ aufgrund „unzweckmäs- politikwissenschaftliche und nationalökonomische siger Arbeitshygiene” und menschlicher Vereinsamung 176 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

bis hin zu Burn-out und psychischem Zusammenbruch Jahre die Studieninteressenten für ein Lehramtsstudi- zu einem akademischen Studium dazugehören: um zu durchlaufen hatten. „Die Auslese nahm die be- „Es war nicht nur so, dass meine Anteilnahme an teiligten Dozenten ohne Unterbrechung vier Wochen dem Thema erkaltete; ich war in Gefahr, daran zu er- lang voll in Anspruch und beschäftigte sie danach kranken. Denn ich hatte mich gründlich überarbeitet. noch mehrere Wochen lang regelmäßig.“ Heute würde Heute weiss ich, dass so etwas nur vorkommt auf der man von einem Assessment sprechen, die Instrumen- Grundlage eines an sich schwachen Nervensystems te sind dieselben mit Einzel- und Gruppengesprächen, (- dies hatte ich allerdings von früh auf -), bei un- zum Teil mehrstufg, einem einwöchigen Jugendlager, zweckmässiger Arbeitshygiene und beim Ausbleiben schriftlichen Aufgaben zu medialen Impulsen (Film). seelischer Befriedigung vom Geleisteten her. Dies Es werden drei Gruppen gebildet: A=gut, B=genügend alles vereinigte sich in meinem Falle. Es kam zu einer und C=ungeeignet. Solche Fragen werden heute unter regelrechten Entwicklungskrisis, hinter der ich oft das den Stichworten Studieneingangstest oder Lehrereig- Schreckbild geistiger Erkrankung erblickte. Uebrigens nungstest (Assesment) wieder diskutiert (vgl. Linklis- waren meine nächsten Studiengenossen ebenfalls in te). bedenklicher Weise ‘neurasthenisch’. Man kennt diese Das folgende Dokument lässt die Inszenierung ei- Erscheinung aus der Literatur der Jahrhundertwende. nes Studienanfangs in den 1950er Jahren lebendig wer- Es handelte sich um die Symptome von Decadence, den. Die Markierung der Differenz zu den vorangegan- gegen die sich die Jugendbewegung als ein Selb- genen 13 Jahren Schulunterricht erfolgte traditionell stheilungsprozess erhob. Auch mir hat nichts anderes durch akademische Rituale und Zeremonien, die habi- geholfen als die Flucht in die Natur. Lange Grunewald- tusprägend für die akademische Fachkultur wirken sol- spaziergänge, besonders mit Oesterreich, wirkten teil- len. Der Rektor der Johann-Wolfgang-Goethe Univer- weise günstig, obwohl wir uns durch die Gespräche sität zu Frankfurt, kein geringerer als das Oberhaupt dabei in anderer Hinsicht auch wieder überreizten. So der sog. „Frankfurter Schule“, Max Horkheimer, selbst, begann ein langes Elend, an das ich noch heute mit begrüßt die neu immatrikulierten Studierenden zum Grauen zurückdenke. Den Aufenthalt in Hörsälen und Wintersemester 1952 in der Aula der Universität. Der auf den Bibliotheken konnte ich nicht lange ertragen; Festakt ist ein „eindrucksvoll inszeniertes Spektakel“. jedes Unternehmen musste unter dem Zeichen der äus- Der Festvortrag (im Wortlaut abgedruckt in Max Hork- sersten Vorsicht stehen. Dadurch geriet mein ganzes heimer: Gesammelte Schriften, Bd. 8: „Akademisches Studium in Unordnung. Die damalige Medizin kannte Studium“ 1952, S. 381-390) handelt vom Sinn des Stu- kein anderes Gegenmittel als Turnen. Ein Heilkursus dierens zwischen Brotstudium und Bildung, wobei der in schwedischer Gymnastik bewirkte aber nur eine Ge- Bildungsbegriff kritisch gefasst wird. Der Prozess der wichtsabnahme. Ein Mensch, der – nach dem Rezept Bildung drohe in den der Verarbeitung umzuschlagen, von Platos Charmides – meine Seele in Ordnung ge- Verarbeitung aber ließe dem Gegenstand keine Zeit bracht hätte, stand nicht zur Verfügung.“ (Spranger S. – „Halbbildung“, und dies wäre der Kommentar Hork- 207f.) heimers heute zu „Bologna“. Und die Beschreibung Gesund wird er erst wieder, als er „sein eigenes The- der (akademischen) Jugend, die ihre „‚Freizeit‘ – so ma gefunden“ hat, d.h. wieder zum Gestalter seiner ei- nennt man das heutzutage – damit verbringt, sich in genen Lernbiografe, der Lernende zu seinem eigenen einem Strandbad systematisch braunbraten und dazu Lehrer geworden ist: ihr Radio dudeln zu lassen“ – erinnert sie nicht an die „Die Niederlage enthielt doch auch einen Sieg. Denn Charakteristik der Jugendgeneration 2009 im Nach- jetzt stellte ich mir mein Thema selbst, und es war aus richtenmagazin DER SPIEGEL (Nr. 25 vom 15.6.2009, eigenen Leiden erwachsen. Ich beschloss, über den vgl. Editorial S. xx): „Sie schäumen lieber Milch auf, als ‚Erkenntniswert der Geschichte’ zu arbeiten.“ (Spran- auf die Straße zu gehen“? Dann wäre der Zustand der ger S. 215) akademischen Jugend weniger Grund zur Aufregung Spranger, sicherlich keiner Verflachung von Ansprü- als die offenbar dauerhaft kulturpessimistischen De- chen an Wissenschaftlichkeit verdächtig, plädiert vor fzitwahrnehmungen der Hochschullehrer und der Öf- dem Hintergrund dieser������������������������������ eigenen leidvollen Erfahrun- fentlichkeit. gen für – Hochschuldidaktik: Wie eine solche Inszenierung geschickt dekonst- „Ich weiss nicht, ob wir seit dem Jahre 1900 in der ruiert werden kann, zeigt die entsprechende Semes- Einsicht weitergekommen sind, dass für einen völ- tereröffnung eineinhalb Jahrzehnte später an der ligen Anfänger die didaktische Seite einer Vorlesung Universität Hamburg: „Unter den Talaren – Muff von schlechtweg entscheidend ist.“ (Spranger S. 198) tausend Jahren“ http://de.wikipedia.org/wiki/Unter_ Der Erfahrungsbericht von Hartwig Fiege, langjähri- den_Talaren_%E2%80%93_Muff_von_1000_Jahren). ger Dozent am Pädagogischen Institut der Universität Die Konstruktion von Zugehörigkeit in der Studienein- Hamburg, berichtet über ein aufwendiges, individuel- gangsphase, wie sie heute in den sog. „Orientierungs- les und „ganzheitliches“ Auswahlverfahren („Auslese“), wochen“ praktiziert wird, dürften bei weitem nicht das für kurze Zeit Ende der 1940er/Anfang der 1950er mehr so wirkungsvoll sein. 177 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

Das Alternative Kernkurs-Studium (AKS) der Po- Berliner Universität zu Anfang des 20. Jahrhunderts: litikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der Freien „Preussische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte“ Universität Berlin ist ein frühes Beispiel für eine „Mo- und eine öffentliche Vorlesung über die “Arbeiterfra- dularisierung“ (= Kernkurs), ein curriculares Denken ge“ bei Gustav Schmoller, „Englische Verfassungsge- in Studiengängen und curricularen Einheiten, das es schichte“ und „Politik“ bei Otto Hintze, „Allgemeine auch „vor Bologna“ schon gegeben hat. Hier ist das und theoretische Volkswirtschaftslehre“ bei Adolf „Modulhandbuch“ für den Studiengang „Lehramt So- Wagner, „Uebungen zur Soziologie“ bei Georg Simmel. zialkunde“ (Berufsschwerpunkt) dokumentiert. Die Es lohnte, solche Berichte früher sozialwissenschaftli- Grundidee des AKS bestand darin, ein forschungs- und cher Hochschullehre einmal systematisch zusammen- projektorientiertes Studium mit großen Graden an zustellen. Wenig beachtet worden sind Versuche von Wahlfreiheit für die Studierenden zu verknüpfen mit Hochschullehrerinnen und -lehrern in der Fachdidaktik einer Standardisierung, die eine Lernprogression zwi- (Politikdidaktik, Wirtschaftsdidaktik), ihre eigene uni- schen den Lehrveranstaltungen sicherstellt, so dass versitäre Seminarpraxis zum Gegenstand der Reflexi- tatsächlich ein höheres Niveau der Qualifkation (Gra- on zu machen. Der Hannoveraner Schulpädagoge und duierung) erreicht werden konnte. Wie oft entsteht Politikdidaktiker Bernd Janssen (vgl. Busch in dieser der Eindruck, in einer Staatsexamensprüfung eigent- Ausgabe S. 130f.) ist ein seltenes Beispiel aus neuerer lich über das Level der Abituraufsätze und –prüfun- Zeit. Mit einer Textcollage, u.a. mit Auszügen aus dem gen nicht wirklich hinausgelangt zu sein! Die damit berühmten Vortrag Adornos über „Tabus über dem verbundene Herausforderung, hochschuldidaktisch Lehrberuf“, werden Studierende zur Selbstreflexion das Prinzip exemplarischen Lernens konsequent und provoziert. Das Format ist eine freiwillige Abendver- auf hohem Niveau zu realisieren, ist aber in Berlin ge- anstaltung mit Diskussion im kleinen Kreis in der Woh- scheitert! Dennoch: Der Versuch, auch innerhalb der nung des Dozenten. Bologna-Strukturen über exemplarisches Projektler- „Otto Wunderlich“ ist ein Pseudonym – es darf spe- nen eine allgemeine sozialwissenschaftliche Bildung kuliert werden, wer dieser ausgezeichnete und intime zu fördern, lohnte aber erneut angepackt zu werden! Kenner des Innenlebens deutscher Hochschulen wohl In der Bildungsreform der 1970er Jahre kommt eine sein mag! Seine empirisch fundierte Wissenschafts- ganze Reihe sog. „Praxisberichte“ auf den Buchmarkt betriebslehre sei in ihren im Inhaltsverzeichnis ent- – damals gab es noch Pädagogik-Regale und Auslagen falteten Unterabteilungen wie der Sitzungs- oder Zi- in den Buchhandlungen. Diese Textgattung bearbei- tationsbetriebslehre allen ans Herz gelegt, die unter tet in Tagebuch- oder Protokollform den sog. „Praxis- entsprechenden Erscheinungen zu leiden glauben. schock“ (vgl. dazu in dieser Ausgabe den Beitrag von Ob persönliche Selbstdarstellung, Prognose- und Ex- Andreas Petrik S. 60), die von der 1968er Pädagogik pertenwesen, Berufungsverfahren, Kongressbetrieb, besonders stark empfundene Diskrepanz zwischen Projektgewerbe, Professorenranking – sozialwissen- Theorie und Praxis, zwischen emanzipatorischem An- schaftlich-empirisch aufgeklärt lässt sich manches spruch und affrmativer Realität. Darunter befnden leichter – und mit Humor – ertragen. sich auch Tagebücher und Unterrichtsreportagen von Sozialkundelehrern und –lehrerinnen, wie hier die Literatur Berliner Berufsanfängerin Marion W. Solche Praxisbe- Spranger, Eduard. Meine Studienjahre 1900 bis 1909 richte sind eine ausgezeichnete Quellenbasis für be- (geschrieben im Februar 1945). In: Meyer-Willner, Ger- rufsbiografsche Studien (Bildungsgangforschung) zur hard, Hg. 2001. Eduard Spranger. Aspekte seines Wer- Entwicklung von didaktischer Kompetenz in den Pha- kes aus heutiger Sicht. Bad Heilbrunn/Obb.: Verlag sen der Lehrerausbildung. Die „Therapie“, die Marion Julius Klinkhardt, S. 196-231. W. vorgeschlagen wird, könnte sich auch ein Lehrer- Coach von heute ausgedacht haben: dem drohenden Burn-out durch Überforderung und Stress soll durch 1. Hartwig Fiege: Die Lehrerbildung im eine differenzierte Balancierung der eigenen Ansprü- Pädagogischen Institut der Universität che an die Berufsarbeit begegnet werden: Bereiche Hamburg von 1945 bis 1969 mit hohem Engagement (Sinnorientierung, positive III. Die Studenten Rückmeldungen) sollen abgegrenzt werden von Be- A. Die Auslese reichen, in denen man mit „Gleichgültigkeit“ das not- Im Pädagogischen Institut waren gemäß dem Lehrer- wendige Arbeitspensum professionell erfüllt. Diese bedarf der Schulbehörde 450 Studienplätze vorgese- Balance hilft, Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten hen, so daß je Semester 75 zur Verfügung standen. und sich durch die Unterrichtsprobleme „nicht fertig- Zu Beginn der Arbeit war noch keine Auslese für die machen“ zu lassen. Zulassung zum Studium erforderlich. Jeder, der die Spranger ermöglichte uns aus der Perspektive eines für das Studium nötigen allgemeinen Voraussetzun- Studierenden Einblick in die Praxis geistes- und kultur- gen nachweisen konnte, wurde immatrikuliert. Zum wissenschaftlicher Vorlesungen und Seminare an der Sommersemester 1947 war die vorgesehene Zahl von 178 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

450 Studenten noch nicht erreicht. Daher erfolgte die In den wenigen Fällen von Unsicherheit wurden Einschreibung noch ohne Auslese. Erst zum Sommer- neue Gespräche angesetzt oder die Entscheidung dem semester 1948 war die Zahl der Bewerber so gestiegen, Direktor überlassen. So gewann man eine Einteilung daß eine Auswahl vorgenommen werden mußte. Ein in drei Gruppen, die zum Sommersemester 1948 Auf- Merkblatt des Instituts forderte die Bewerber auf, sich zunehmenden, die bis zum Wintersemester 1948/49 zwischen dem 1. und 20. Februar 1948 schriftlich zu Zurückzustellenden und die Abzulehnenden. Diese melden und außer ihren Reifezeugnissen auch ande- Vorschläge wurden dem Auslesekollegium, das aus re Schriftstücke einzureichen, mit denen sie sich als den Auslesenden, dem Direktor, den Abteilungsleitern geeignet ausweisen konnten. Auf Vorschlag der Ab- der Abteilungen Volks- und Realschule, Sonder- und teilung setzte der Direktor Wilhelm Flitner einen Aus- Berufsschulen und dem geschäftsführenden Dozen- leseausschuß ein, der aus Hermann Block, Heinrich ten bestand, vorgetragen. Es wurde entschieden, daß Möhring [,] Ernst Peters und Carl Schietzel bestand. etwa die Hälfte der Zuzulassenden, insbesondere die Die Auslesenden prüften einzeln alle schriftlichen Un- wegen ihres Lebensalters oder ihrer Zugehörigkeit zur terlagen und gaben ihr Urteil nach den bei der Aus- NSDAP problematischen Fälle sich noch dem Direktor leseprüfung für die höhere Schule üblichen Gruppen vorstellen sollten. Die zugelassenen Bewerber reisten A=gut, B=genügend und C=ungeeignet ab. Da sich dann mit den Dozenten Block, Fiege, Möhring, Schiet- diese Kennzeichnung als zu grob erwies, ergänzte man zel und Stückrath für eine Woche in das Jugendlager sie bald durch die Zeichen + und -. In gemeinsamen Puan Klent auf Sylt. Die Beobachtung der Bewerber Sitzungen verglichen die Auslesenden ihre Beurteilun- ergab, daß sich die Auslese bis auf einen Fall bewährt gen und gelangten zu einem ersten vorläufgen Urteil hatte, und dieser schied noch während des ersten Se- über jeden Bewerber. Dabei konnte bereits eine Grup- mesters aus. Diese Auslese erfaßte 81 weibliche und pe völlig ungeeigneter Bewerber z.B. wegen Häufung 67 männliche Bewerber. Die Bewerberinnen gehör- von Deutschfehlern, liederlicher äußerer Form und ten zum größten Teil den Jahrgängen 1926 bis 1928 abenteuerlichen Lebensweges ausgeschieden werden. an. Unter den Männern waren die Jahrgänge 1919 bis Alle anderen Bewerber wurden zu Einzel- und Viererge- 1926 zahlreich, darunter viele Flüchtlinge und Kriegs- sprächen eingeladen. Schietzel und Möhring sprachen teilnehmer, die erst spät aus der Kriegsgefangenschaft einzeln mit jedem. Jeder Bewerber führte außerdem heimgekehrt waren. Deren Anteil nahm in den folgen- ein ausführliches Gespräch mit mindestens einem der den Semestern nach und nach ab. Die männlichen Be- Auslesenden. Diese hielten anschließend ihre Eindrü- werber erwiesen sich zu 46%, die weiblichen zu 34% cke von den Bewerbern stichwortartig fest. Danach als ungeeignet. 9 Bewerber und 26 Bewerberinnen bildete sich der Ausschuß ein gemeinsames Urteil wurden zurückgestellt, 27 männliche und 26 weibliche über die Eignung der Bewerber. Dabei zeigte sich, daß Bewerber wurden für das Sommersemester aufgenom- die Beurteilungen sehr weitgehend übereinstimmten. men. Zwei Einzelfälle mögen als Beispiele dienen: Die Auslese nahm die beteiligten Dozenten ohne A. Notizen eines Auslesenden über eine Bewerbe- Unterbrechung vier Wochen lang voll in Anspruch und rin: beschäftigte sie danach noch mehrere Wochen lang „Gute, nachdenkliche Betrachtung: sieht das mensch- regelmäßig. Es erwies sich als nötig, ihren Kreis um liche Problem – Besonderes Interessengebiet Botanik die Dozenten Westermann, Fiege, Lipp, Rentner und – hat einen Wanderkreis Volkshochschule Schlichtkrull Schröder zu erweitern. Zur Auslese für das Sommerse- – freie, unaufdringliche Redeweise – munter, aber mester 1950 meldeten sich 63 männliche und 80 weib- doch gesetzt, warm. B+. Zusammenfassung nach Aus- liche Bewerber. Nach einer schriftlichen Klausurarbeit sprache im Kreise der Auslesenden: 1. gutes Abitur – 2. folgten nur Einzelgespräche sowie der Umgang mit sprachlich nicht ungewandt, pädagogisch befähigt, Dichtung, Musik und bildnerischem Gestalten. Für das Schwierigkeiten werden sicher erkannt und beurteilt Wintersemester 1950/51 bewarben sich 80 Frauen und – 3. munter, warmherzig, nachdenklich, anregend im 67 Männer. Davon wurden 46 weibliche und 34 männ- Gespräch, praktisch – 4. Geeignet: A“. liche Bewerber zum Studium zugelassen. B. Notizen einer Auslesenden über einen Bewerber Die Schulbehörde hatte ihren Bedarf an Lehrern nach einem Gespräch mit einer Vierergruppe: bisher so berechnet, daß in jedem Semester 75 Be- „Nimmt die Sache sofort in die Hand – oberflächlich werber zum Studium zugelassen werden sollten. Es vielredend – witzig erscheinende Redensarten – baut zeigte sich jedoch, daß zwischen Studienbeginn und barocke Gedankengebäude – ohne Planung – quatscht Erster Lehrerprüfung viele Studenten die eingeschla- – redet in Alltagssätzen neben der Sache her. B. Zusam- gene Laufbahn verließen. Dafür gab es mancherlei menfassung nach Aussprache im Kreise der Auslesen- Gründe: wirtschaftliche Schwierigkeiten bei hohen den: 1. gutes Abitur – 2. klare gewandte Darstellung, Ausbildungskosten, schlechte Zukunftsaussichten falsche Anwendung von Fremdwörtern 3. Laut, groß- wegen geringer Besoldung, Bedenken wegen der an- sprecherisch, oberflächlich, aufdringlich – 4. völlig un- strengenden Arbeit als Lehrer unter den gegenwär- geeignet als Lehrer: C“ . tig erschwerten Arbeitsbedingungen in den Schulen, 179 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

ungenügende Leistungen während des Studiums vor Neun Bewerber wurden in diesem Sinne beraten. allem in der schulpraktischen Arbeit und Versagen Über das Ergebnis ist nichts bekannt. ����������������Der Ausleseauss- bei der Abschlußprüfung. Seit Bestehen der Auslese chuß beendete seine Arbeit mit der Feststellung: nahm die Zahl der Studenten, die im Studium versag- „Nach unseren bisherigen Erfahrungen und dem ten, ab. Dabei handelte es sich zumeist um Studenten, Ausfall der Ausleseprüfung ist damit zu rechnen, daß die schon während der Auslese aufgefallen waren, de- von den aufgenommenen Studenten eine Reihe in der nen aber die Möglichkeit der Bewährung zugebilligt praktischen Ausbildung versagen, andere ihre Erste worden war. Unter Berücksichtigung des Schwundes Lehrerprüfung nicht bestehen oder aus besonderen während des Studiums riet die Schulbehörde, die Zahl Gründen ihr Studium nicht abschließen werden. Es der zuzulassenden Bewerber auf 100 je Semester zu werden nicht so viele Junglehrer die Universität ver- erhöhen. Aber schon im Sommersemester 1951 wur- lassen, wie in Hamburg nötig sind. Da sich so wenig de diese Zahl nicht erreicht; es meldeten sich 103 Bewerber melden, kann eine Auslese der am besten ge- weibliche und 59 männliche Bewerber. Die Auslese- eigneten Kräfte nicht erfolgen, und das bedeutet ein prüfung fand vom 8. bis 19. März 1951 statt. Allen Absinken der durchschnittlichen Qualität. Die beste Bewerbern wurde der Film „Die Kinder von Mara Mara“ Ausbildung kann einen Mangel an Eignung nicht aus- vorgeführt. Danach hatten sie eine schriftliche Arbeit gleichen“. anzufertigen mit dem Thema: „Sollte man den vorge- führten Film der Jugend zeigen? Begründen Sie Ihre B. Die Betreuung Meinung (Zustimmung, Ablehnung, Einschränkung)! Schon früh machte sich die Dozentenschaft der Für welches Lebensalter könnten Sie den Film empfeh- Abteilung Sorgen um die Studienberatung. Da das len? Begründen Sie Ihre Auffassung!“ Die weitere Prü- Studium nur sechs Semester erforderte, glaubte man, fung umfaßte Einzelgespräche mit Dozenten und ein einen unnötigen Zeitverlust für die Studierenden da- Gruppengespräch im Kreise von 4 bis 5 Teilnehmern, durch vermeiden zu können, daß man ihnen vor dem die aus ihrer Runde durch Vorschläge die Aufgabe Studienbeginn die Möglichkeit gab, sich eingehend bestimmten. Alle Bewerber mußten bei Walter Schrö- beraten zu lassen. Unter der Leitung von Ernst Peters, der zeichnen. Ihr Verhältnis zur Dichtung wurde von der den Studienanfängern bereits von der Auslese Hagener und Bruhn beurteilt. Lipp überprüfte Gehör, her bekannt war, veranstaltete die Abteilung ‚Einfüh- Stimme, musikalische Grundbildung und, soweit vor- rungsfreizeiten’ für die angehenden ersten Semester handen, die Vorbildung im Instrumentalspiel . Nach unmittelbar vor Studienbeginn. Die Abteilung lud die dem Abschluß der Auslese wurden 60 weibliche und Ausgelesenen und nach dem Aufhören der Auslese alle 23 männliche Bewerber zur Einschreibung vorgeschla- Studenten, die sich für das Studium gemeldet hatten, gen. Sie wurden zu einem gemeinsamen dreitägigen zu einer Freizeit ein. Die Teilnahme war freiwillig. Da Aufenthalt im Schullandheim „Erlenried“ bei Groß diese Veranstaltungen zumeist in Jugendherbergen Hansdorf eingeladen, um ihnen eine Einführung in abgehalten wurden, konnte ihr Preis niedrig gehalten ihr Studium zu bieten. Zur Auslese für das Winterse- werden. Wem das Aufbringen der Kosten schwerfel, mester 1951/52 meldeten sich 36 weibliche und 29 konnte einen Zuschuß vom Institut erhalten. Der Preis männliche Bewerber. Davon erschienen jedoch nur 24 betrug z.B. für die Freizeit in Mölln vom 27. – 30. April bzw. 22. Sie hörten im Rundfunkhause eine Sendung 1955 je Teilnehmer 17 DM. Das Institut zahlte bei 115 „Schicksale von Schiefertafeln“ und äußerten sich dar- Teilnehmern Beihilfen von insgesamt 472.75 DM . über schriftlich. Sie führten jeder Einzelgespräche mit Die ersten Freizeiten fanden im Jugendhof Bars- zwei Dozenten und ein Gruppengespräch im Kreise büttel und im Jugendpark Langenhorn statt. Später von vier Bewerbern über ein von den Teilnehmern ge- bevorzugte man die Jugendherbergen in Segeberg, wähltes Thema. Ihr Verhältnis zu einer Dichtung, ihre Lauenburg und vor allem in Mölln und Malente. Die Fähigkeit zu zeichnen und auf dem Gebiet der Musik Freizeiten verfolgten zwei … wurde von den Fachdozenten überprüft. Während der Ausleseausschuß über das Ergebnis der Auslese beriet, Wir danken dem Verein für Hamburgische Geschich- traf das Schreiben der Schulbehörde ein: te für die freundliche Genehmigung zum „Nachdruck“ „Der Herr Präsens der Schulbehörde hat entschieden, dieses Textes im Internet. daß vom Wintersemester 1951/52 ab eine förmliche Das Original ist unter dem gleichen Titel erschie- Auslese für die Zulassung zum Studium als Volks- nen in: Fiege, Hartwig. 1991. Die Lehrerbildung im schullehrer nicht mehr stattfnden soll. Es bleibt dem Pädagogischen Institut der Universität Hamburg von Pädagogischen Institut überlassen, die Bewerber zu 1945 bis 1969. Hamburg: Verein für Hamburgische Ge- beraten und insbesondere solche Bewerber, gegen schichte, S.40-44. www.vfhg.de/ deren mutmaßliche Eignung für den Beruf des Volks- schullehrers Bedenken bestehen, auf Schwierigkeiten hinzuweisen, die sich für sie während des Studiums ergeben können.“ 180 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

2. Clemens Albrecht: Universität als Bauer aus dem neunzehnten Jahrhundert wirklich so repräsentative Kultur viel ungebildeter war, als ein Jüngling es ist, der seine Wer sich als Student im Wintersemester 1952 an der ‚Freizeit‘ – so nennt man das heutzutage – damit ver- Frankfurter Universität immatrikulierte, kam an eine bringt, sich in einem Strandbad systematisch braun- junge, moderne Universität. Sie war nicht von einem braten und dazu sein Radio dudeln zu lassen“ (S. 412). Fürsten, sondern von der Bürgerschaft der Stadt ge- Bildung sei, so Horkheimer, in der heutigen Lage stiftet worden und öffnete kurz vor Ausbruch des Ers- nicht durch das noch nicht Gebildete gefährdet, son- ten Weltkrieges ihre Pforten. Auch in ihrer organisa- dern durch ihren Umschlag ins Gegenteil, der in der torischen Struktur ging diese Universität neue Wege, jüngsten Vergangenheit zu beobachten gewesen sei. indem auf die Gründung einer theologischen Fakultät Horkheimer schloss diesen Passus mit der Hoffnung, verzichtet, eine Wirtschafts- und Sozialwissenschaftli- dass die gegenwärtige Generation Kraft und Zeit fn- che Fakultät aber eingerichtet wurde (vgl. Kluke 1972; de, Einsicht in diesen Prozess zu gewinnen und das vom Bruch 1992, S. 163-175; Coing 1992). drohende Verhängnis abzuwenden. „Das ist die Bil- Den 907 Studienanfängern eröffnete sich die Frank- dungsaufgabe, zu der wir gegenwärtig, an deutschen furter Universität mit einem eindrucksvoll inszenier- Universitäten, aufgerufen sind“ (S. 413). ten Spektakel: Sie wurden zu einer Immatrikulations- Aus dieser Lage, so führte Horkheimer weiter aus, feier geladen. Die frischgebackenen Studenten und ergeben sich nun eine Reihe von Aufgaben und Pflich- Studentinnen zogen die besten Anzüge und Kleider ten für die Studenten. Zum einen müssten sie sich im an, deren sie kurz nach der Not- und Hungerzeit hab- Klaren sein, dass der Bildungsbegriff nichts mit einem haft werden konnten, und versammelten sich in der übersteigerten Individualismus zu tun habe, mit ei- Aula der Universität. Die Feier begann mit dem Einzug ner Selbstvergötzung des Ichs. Mit einer unmittelbar der Professoren, die im Talar einherschritten, an ihrer an Max Weber angelehnten Formulierung mahnte er Spitze der seit einem Jahr gewählte Rektor Max Hork- die Sachbezogenheit der Bildungsarbeit an: „Gebildet heimer. wird man nicht durch das, was man ‚aus sich selbst Mittel- und Höhepunkt der Feier war die Begrü- macht‘, sondern einzig in der Hingabe an die Sache, ßungsrede Horkheimers für die Neuimmatrikulierten. in der intellektuellen Arbeit sowohl wie in der ihrer „Diejenigen unter Ihnen“, so setzte er ein, „welche selbst bewußten Praxis“ (S. 415). Die bloße Aneignung heute ihr Studium beginnen, tun gut daran, für ei- von Inhalten erzeuge den Bildungsphilister, das Sich- nen Augenblick darüber nachzudenken, was sie von Verlieren im Objekt Bildung. Auch sei neben dem eige- diesem Studium sich erwarten“ (Horkheimer 1985, S. nen der andere dabei nicht aus dem Auge zu verlieren. 409). Im Vordergrund stehe zwar meist der praktische Die Universität sei der Ort, an dem sich jugendliche Zweck des Studiums, die Ausbildung zu einer Form des Freundschaften entwickeln könnten, die im Kleinen gesicherten Broterwerbs, häufg die Familientradition, das Wesen derjenigen Gesellschaft vorwegnehmen, manchmal der Wunsch der Eltern. Im Hintergrund sei die sich einmal als „richtige Gesellschaft“ entfalten jedoch bei allen Studienanfängern auch noch etwas soll. Horkheimer schloss mit einem Appell, sich an anderes präsent: „Es ist der Gedanke, daß das Studium den studentischen Gremien der Selbstverwaltung zu an der Universität nicht bloß bessere wirtschaftliche beteiligen. und gesellschaftliche Möglichkeiten erschließt, nicht Der Auszug der Professoren beendete die Feier, bloß eine Karriere verspricht, sondern zur reicheren und am Abend konnten die Studenten sich erneut in Entfaltung der menschlichen Anlagen, zu einer ange- der Aula versammeln, weil Thomas Mann aus seinem messenen Erfüllung der eigenen Bestimmung die Ge- neuen Roman „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix legenheit bietet. Der Begriff, der sogleich sich darbie- Krull“ las. Rektor Horkheimer begrüßte den Nachbarn tet, wenn diese Vorstellung sich aussprechen will, ist aus Exilstagen, mit dem er im kalifornischen Pacifc der der Bildung“ (S. 409). Palisades manchen Abend verbracht hatte, mit dem Nachdem Horkheimer die Studenten gebührlich zwiespältigen Ehrentitel, Thomas Mann sei der letzte vor dem Unwesen allzuschnellen Defnierens gewarnt Repräsentant der individualistischen Ära. hatte und sorgfältige Arbeit am Begriff empfahl, prä- Diese Immatrikulationsfeier war ohne Zweifel ein parierte er zunächst die Wortbedeutung des Bildungs- Schauspiel, das Form (Festsaal, Musik, Einzug der Man- begriffes heraus: Formung der Natur durch vernunft- darine im Talar etc.) mit dem Inhalt von Horkheimers geleitete Arbeit. Heute jedoch drohe das Produkt Rede zu einem eindrücklichen Erlebnis verband. Es dieser Formung im Großbetrieb, im psychologisch an- hatte gute Chancen, sich dauerhaft im Gedächtnis der gelernten Lächeln der Verkäuferin wiederum in bloße angehenden Studenten einzunisten und nachträglich Natur, der Prozess der Bildung in den der Verarbeitung mit Bedeutung aufgeladen zu werden (vgl. Gebhardt umzuschlagen. Verarbeitung ließe dem Gegenstand 1987, S. 63 ff.). Auch die Öffentlichkeit unterstützte aber keine Zeit. Deshalb sei Bildung oder Unbildung die Bemühungen der Frankfurter Universität, den keine Sache, die sich sozial bestimmten Schichten zu- neuen Studenten die Bedeutung der Institution vor ordnen lasse: „Man wird Zweifel daran hegen, ob ein Augen und Ohren zu führen: In allen großen Zeitun- 181 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

gen erschienen Berichte von der Feier, und wer unter Zulassung zu einem Fachstudium regelt, deren Verwal- den universitären Frischlingen vor Aufregung oder tungschef, der Präsident, den Studenten nie bekannt aus Einschüchterung dem Wortlaut Horkheimers nicht zu werden braucht, stellt sie sich in der Immatrikula- ganz folgen konnte, durfte sich den Text aus der Ta- tionsfeier als eine sinnlich wahrnehmbare Institution geszeitung oder der Frankfurter Studentenzeitung vor, verkörpert durch die mit Talar gekennzeichneten besorgen. Professoren und den Rektor als primus inter pares. Einem Studenten, der 30 Jahre später sein Studium Gefeiert wird nicht, wie an amerikanischen Univer- begann, bietet sich heute eine andere Erinnerung. sitäten, der Austritt ins Berufsleben, der Beginn des Nehmen wir als Beispiel eine Universität mit mittelal- Geldverdienens, sondern der Eintritt in eine privile- terlichen Traditionen, etwa die 1477 gegründete Eber- gierte Lebensphase: einerseits zur Berufsausbildung, hard-Karls-Universität in Tübingen. Die Erinnerung an andererseits aber mit ausreichend Freiraum für eine die Immatrikulation ist ebenfalls von einem großen schwer zu bestimmende Aufgabe, die sich in Deutsch- Raum geprägt, aber nicht von der Aula, sondern dem land mit wechselnder Bedeutung seit der preußischen Immatrikulationsbüro. Hier gab es alphabetisch sor- Universitätsreform an den Bildungsbegriff bindet (vgl. tierte Schalter mit langen Schlangen wartender Stu- Ellwein 1985, S. 111 ff.). Horkheimer griff diese Tradi- denten, in die man sich nach dem Anfangsbuchstaben tion auf und erläuterte den inneren Sinn der Institu- des Nachnamens einzureihen hatte. Mitzubringen war tion Universität, für die freigestellt zu werden in der neben dem Antrag auf Einschreibung eine gesonderte Immatrikulation das Privileg erteilt wird, mit einer Annahmeerklärung, ein Nachweis der Mitgliedschaft gegenwartsdiagnostischen Bestimmung des „heu- in der gesetzlichen Krankenversicherung oder der Be- tigen Bildungsauftrages der Universität“ und seiner freiung von ihr, eine amtlich beglaubigte Kopie des Umsetzung im studentischen Leben. Während die alte Reifezeugnisses, drei Passbilder, auf deren Rückseite Universität in Tübingen ihre 500-jährige Tradition in Vor- und Zuname geschrieben sein mussten, das aus- keiner Weise den neu in sie Eintretenden vermittelte, gefüllte Studienbuch und noch eine Reihe anderer For- dichtete sich die junge Universität in Frankfurt mit ih- mulare und Erklärungen nebst einer Briefmarke, die ren Talaren eine Tradition an, die sie selbst nie beses- der Universitätsverwaltung dazu diente, die Unterla- sen hat, in die sie sich aber symbolisch hineinstellte. gen wieder zurückzuschicken. Ohne Briefmarke keine Seit den Reformen der 70er Jahre sind an den Uni- Immatrikulation. Wer das Pech hatte, sie vergessen zu versitäten mit den Talaren nicht nur die alten Anre- haben, war auf eine gnädige Seele angewiesen oder den, die Spektabilitäten und Magnifzienzen, kurz: wurde auf das nächste Postamt verwiesen. Freilich „der Muff von tausend Jahren“ verabschiedet worden, mit der Aussicht, in der noch verbliebenen Stunde sondern mit diesen äußeren Formen (vgl. dazu Prahl/ der Öffnungszeit des Büros nicht mehr zum Zuge zu Schmidt-Harzbach 1981) hat sich zugleich auch ein kommen und sich am nächsten Tag erneut anstellen Inhalt verabschiedet, für den die Institution seit der zu müssen. preußischen Reformbewegung, der Gründungen von Der bürokratische Akt der Immatrikulation nahm Halle, Göttingen und Berlin, im 19. und in der ersten gewöhnlich einen Vormittag in Beschlag. Wer sich Hälfte des 20. Jahrhunderts gestanden hat: der Bil- noch über die Inhalte des gewählten Studiengangs dungsauftrag der Wissenschaft. informieren wollte, begab sich in die Institute. Dort Diese Beobachtung führt zu meiner ersten These: traf man auf die nächste Schlange von Studienanfän- Die Universität versteht sich seit den Reformen der gern, die sich vor der Türe des akademischen Oberra- 70er Jahre nicht mehr als repräsentative Kultur. Und tes gebildet hatte, der in einer knapp zweiminütigen meine zweite These lautet dann: Ursache dafür ist, Beratung – draußen warteten noch andere – die Stu- dass die spezifsche Trägergruppe der Universitäts- dienordnung aushändigte und den Rat gab, man solle kultur des 19. Jahrhunderts, das Bildungsbürgertum, sich doch selbst einmal umsehen. An den schwarzen seinen kulturhegemonialen Anspruch auf die politi- Brettern der Institute konnte man sich dann über Ort sche Dimension verkürzt hat, gleichsam als Überkom- und Beginn der Einführungsveranstaltungen orientie- pensation eines in der Vergangenheit ausgemachten ren, und mit ihnen setzte das Fachstudium ein. In den Defzits. Deshalb war die „Demokratisierung“ der Uni- Zeitungen konnte man über die eigene Immatrikulati- versität auch das einzig durchsetzungsfähige Reform- on nichts nachlesen, allenfalls eine Klage, dass zu viele projekt. Abiturienten an die Universität drängten und eine Er- örterung der verschiedenen Wege, wie man sie wieder Wir danken dem Autor für die freundliche Genehmi- loswerden, diesen Missstand beseitigen könne. gung zum „Nachdruck“ dieses Textes im Internet. Vergleicht man diese zeittypischen Immatrikulati- Das Original ist unter dem gleichen Titel erschienen onserfahrungen, so wird deutlich, dass sich die Uni- in: Stölting, Erhard; Schimank, Uwe, Hg. 2001. Die Kri- versität als Institution völlig unterschiedlich präsen- se der Universitäten. Opladen: Westdeutscher Verlag. tieren kann. Während sie den Studienanfängern der http://www.uni-koblenz.de/~instso/albrecht/albrecht. 80er jahre als Verwaltungsbehörde begegnet, die die htm 182 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

3. Klaus Megerle/Wolf-Dieter Narr: fremde Systematik der jeweiligen Fachwissenschaften Modell für den Studienschwerpunkt und in eine Berufsvorbereitung ausschließlich in einer Unterrichtsfakultas für den zweiten Ausbildungsphase, die zumeist in Anpassung gesellschaftswissenschaftlichen an die ebenfalls reformbedürftige Unterrichtswirklich- Gegenstandsbereich des Lehramts an keit der Schule geleistet wurde. Schulen (Sozialkunde) Die Reformdiskussion zur Lehrerausbildung geht 1. Abgrenzung des Schwerpunktbereichs von einem erweiterten Didaktik-Begriff aus, von der Das Modell für den Studienschwerpunkt bezieht sich gesellschaftlichen Reflektion der Lehrertätigkeit so- auf das Lehramt an Schulen mit Unterrichtsfakultas wie des Bezugs zur Fachwissenschaft und einer sozial- für den gesellschaftswissenschaftlichen Gegenstands- wissenschaftlich fundierten Erziehungswissenschaft. bereich. Zusammen mit den Kernkursen umfasst der Einer frühzeitigen Professionalisierung der Lehreraus- Modellstudiengang den fachwissenschaftlichen und bildung mit verschultem Studium in verkürzter Zeit fachdidaktischen Teil der Sozialkundelehrer-Ausbil- und der Gefahr neuer Hierarchisierung nach Schulstu- dung. Außerdem werden in diesem Rahmen Ausbil- fen muss unbedingt begegnet werden. dungselemente angeboten, die geeignet erscheinen, Die allgemeine Trennung von Ausbildung und Beruf auf den künftigen erziehungs- und gesellschaftswis- ist allerdings gesellschaftlich bedingt und kann auch senschaftlichen Teil der Lehrerausbildung angerech- durch ein berufspraxisorientiertes Studium nicht auf- net zu werden. Der Abschluss des Modellstudiengangs gelöst, sondern nur problematisiert und punktuell erfolgt durch die wissenschaftliche Staatsprüfung für verringert werden. Damit ergibt sich das Problem das Lehramt. einer Zuordnung von Ausbildung und Beruf, Theorie 2. Zu Tätigkeitsbereich und Berufsperspektive des Lehrers und Praxis. Der vorliegende Studiengang sucht daher im gesellschaftswissenschaftlichen Gegenstandsbere- durch eine am Prinzip forschenden Lernens orientierte ich (Sozialkunde) Ausbildung und durch Einbezug der gesellschaftskriti- Ein Studiengang mit tätigkeitsspezifschen Elemen- schen Dimension der Berufspraxisorientierung eine ten für die Berufsperspektive schulischer politischer einseitige Ausrichtung der fachwissenschaftlichen Bildung ist notwendig für Lehrer, die das Unterrichts- Lehrerausbildung an den vorhandenen Schullehrplä- fach Sozialkunde (Gemeinschaftskunde, Politische nen zu überwinden. Weltkunde, neuerdings gesellschaftswissenschaftli- 3. Aufgaben und Ziele des Studienschwerpunkts cher Gegenstandsbereich) in der Sekundarstufe I oder Der Studienschwerpunkt erfordert die Literration ei- Sekundarstufe II der allgemeinbildenden Schulen er- nes fachwissenschaftlich orientierten Studiums mit teilen. berufsqualifzierenden Studienteilen, Schulpraxis und Lehrerrolle sind in ständigem Wan- – weil Politischer Unterricht sich nicht als „Vermitt- del begriffen. Bedingungen und Veränderungen der lung“ der lediglich mehr oder weniger zu elementa- Lehrerrolle sind selbst Gegenstand wissenschaftli- risierenden Inhalte der [133] Fachwissenschaft reali- cher Forschung. Der Lehrer ist nicht nur Fachwissen- sieren lässt; schaftler. Er wird konfrontiert mit schulischen und – weil der Beruf des Lehrers spezifsche und diffe- curricularen Reformen auf die er nicht nur reagieren renzierte Qualifkationen erfordert, dabei aber im kann, die er vielmehr selbst anregen und mitgestalten Tätigkeitsbereich „Schule“ einem erdrückenden Ei- muss. Er ist als Lehrer mit fachwissenschaftlicher und gengewicht verfestigter institutioneller und Rollen- fachdidaktischer Kompetenz Organisator von Erkennt- zwänge ausgesetzt ist. nis- und Lernprozessen, die je unterschiedliche Schü- Bezogen auf die künftige Berufspraxis sind daher zwei lergruppen zu kritischem Urteil und zu Problemlösun- Aufgaben zu berücksichtigen: gen befähigen sollen. Der Lehrer ist gleichzeitig Agent – die fachdidaktische Qualifkation: der Sozialisation der Jugendlichen in der Schule, die Die Ziele, Gegenstände und Methoden der politischen besonders auch politische Sozialisation ist. Und er ist Bildung sind im Blick auf ihre gesellschaftliche Funk- Erzieher und Berater von Schülern und Eltern, ist Leh- tion und auf die soziologisch und psychologisch zu rerkollege, staatlicher Beamter [132] und selbst Teil erforschenden adressatenspezifschen Bedingungen der gesellschaftlichen Institution Schule. Verhalten, theoretisch zu reflektieren und nach Möglichkeit Interessen und Bewusstsein des Lehrers sind geprägt durch Konstruktion einer Unterrichtseinheit zu kon- von der eigenen sozialen Herkunft und Sozialisation, kretisieren sowie praktisch zu erproben von Studium, Berufserfahrung und Lebensverhältnis- – die wissenschaftliche Vorklärung der künftigen Be- sen. rufspraxis: Die Berufspraxis des Lehrers ist mithin Veränderun- Die Institutionen, in denen Politische Bildung statt- gen unterworfen, auf die die traditionelle Lehreraus- fndet, sind unter besonderer Berücksichtigung ihrer bildung nur unzureichend vorbereitet. Der traditionel- politisch sozialisierenden Funktion in ihrem gesell- le Wissenschaftsbegriff der Universitäten legitimierte schaftlichen, ökonomischen und politischen Bedin- die Trennung der Lehrer-Ausbildung in eine praxis- gungszusammenhang zum Gegenstand wissenschaftli- 183 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

cher Analyse zu machen, sowie durch wissenschaftlich Dieser Kurs kann seiner Thematik nach zugleich ein angeleitete praktische Erkundung zu erforschen. Element für ein erziehungs- und gesellschaftswissen- Diese Aufgaben können durch die Ausbildungsele- schaftliches Studium (EGS) aller Lehrer sein und soll mente des Spezialisierungsbereichs in Verbindung daher auf die diesbezüglichen obligatorischen Studi- mit weiteren Ausbildungselementen des erziehungs- enleistungen angerechnet werden. und gesellschaftswissenschaftlichen Studiums (EGS) Aufbauend auf diesem Kurs über die allgemeinen erreicht werden und eine bisher der 2. Ausbildungs- Funktionen, Gesetzmäßigkeiten und Mechanismen der phase vorbehaltenen Erprobung und Klärung unter Sozialisation werden zwei weitere Kurse zur Funktion Bedingungen, die der beruflichen Alltagsrealität ange- der Ausbildungsinstitutionen [135] für die politische nähert sind. Sie sind zum andern nur in engem Bezug Sozialisation angeboten. auf die fachwissenschaftlichen Ausbildungselemente 1. In einem Wahlkurs, der zugleich für das erziehungs- zu verwirklichen. Tätigkeitsspezifsche und fachwis- und gesellschaftswissenschaftliche Studium (EGS) senschaftliche Ausbildungselemente sind daher im aller Lehrerstudenten angerechnet werden soll, sind Verlaufe des Hauptstudiums zunehmend zu integrie- die allgemein qualifzierenden und sozialisierenden ren. Im Rahmen des „Spezialisierungskurses 2“ wer- Funktionen der Institutionen des Ausbildungs- den fachwissenschaftliche und fachdidaktische Frage- sektors und die Bedingungen ihrer konkreten Ent- stellung unter einem auf die Berufspraxis bezogenen wicklung bildungssoziologisch und bildungsökono- Projektziel integriert bearbeitet. misch zu analysieren. Als generelles Ziel der Ausbildung im Studien- 2. Im „Spezialisierungskurs I“ stehen Prozesse po- schwerpunkt ergibt sich mithin die Fähigkeit zu litischer Sozialisation im Mittelpunkt, die im Feld sozialwissenschaftlich-politologischer Analyse. Der unterschiedlicher Institutionen untersucht werden. tätigkeitsspezifsche Teil muss, unter Voraussetzung Auch wenn der Gegenstand des Kurses die Praxis eines leitenden Interesses an Emanzipation und des politischen Unterrichts unter bestimmten [134] Selbstbestimmung der betroffenen Studenten, Fragestellungen ist, handelt es sich hier nicht um Lehrer und Schüler, und angesichts der oben unter „Fachdidaktik“ im engeren Sinne. 2. angesprochenen Anpassungszwänge im Berufsfeld Im Rahmen dieses Kurses fndet ein Erkundungs- gleichrangig eine weitere generelle Zieldimension an- Praktikum statt, das auf die Studieninhalte des Kurses streben, die in Fähigkeit zur Erweiterung des individu- bezogen ist und in dem Kurs vorbereitet, ausgewertet ellen und kollektiven Handlungsspielraums in Schule und in der Durchführung von Dozenten des Kurses be- und Gesellschaft besteht. Die Ausbildung erfordert gleitet wird. Das Praktikum soll der wissenschaftlichen daher durchgängig den Bezug auf die Berufspraxis in Erkundung von für die Politische Bildung relevanten vierfacher Weise: Praxisfeldern und der Konkretisierung von Studienin- – indem konkrete Probleme des Berufsfeldes theore- halten dienen, sowie der Klärung von Berufsmotivati- tisch analysiert werden; onen der Studierenden. – indem Ausschnitte einzelner Tätigkeitsbereiche em- Nachdem im Grundstudium die allgemeinen Rah- pirisch erkundet und erforscht werden; menbedingungen geklärt wurden, unter denen insti- – indem Konzeptionen und Strategien für die Berufs- tutionalisierte politische Bildung stattfndet, stehen praxis erarbeitet werden; im Hauptstudium die Theorie und Didaktik der Poli- – indem Konkretisierungen solcher Konzeptionen, z.B. tischen Bildung und die in ihrem unmittelbaren Um- eine Unterrichtseinheit, praktisch erprobt und das kreis zu behandelnden Probleme im Mittelpunkt. Einer Ergebnis dieser Erprobung theoretisch reflektiert der im Kernbereich angesiedelten Projektkurse ist da- und mit dem Ziel verbesserter Praxis ausgewertet her der Fachdidaktik im engeren Sinne einschließlich wird. der Curriculum-Theorie für den gesellschaftswissen- Den ersten beiden Aufgaben dient ein Erkundungs- schaftlichen Gegenstandsbereich gewidmet. Die fach- Praktikum, das im Zusammenhang mit dem Speziali- didaktischen Fragestellungen dieses Projektkurses sierungskurs I durchgeführt wird, den beiden anderen sind in Anlehnung an die Thematik der parallel statt- Aufgaben ein Fach-Praktikum, das im Rahmen des Spe- fndenden fachwissenschaftlichen Projektkurse zu zialisierungskurses II stattfndet. entwickeln und sollen geeignet sein in einem anschlie- 4. Zur Struktur des Modells für den Studienschwerpunkt ßenden „Spezialisierungskurs IV“ unter berufsprakti- Grundlage für alle wissenschaftlich qualifzierten Tä- schem Aspekt fortgeführt bzw. umgesetzt zu werden. tigkeiten im Ausbildungssektor bildet das Studium Durch diesen wechselseitigen Bezug soll das von sei- der Sozialisation sowie ihrer Bedingungen und Konse- ten der Studenten immer als nachteilig empfundene quenzen. Die Bearbeitung der für den Spezialisierungs- beziehungslose Nebeneinander von allgemein blei- bereich relevanten Theorien und Probleme – dies sind bender Fachdidaktik einerseits und hinsichtlich ihrer insbesondere Dimensionen und Prozesse der Soziali- möglichen didaktischen und unterrichtspraktischen sation Jugendlicher – erfolgt im Kernkurs „Probleme Bedeutung unklar bleibender fach- [136] wissenschaft- Sozialisation“. licher Analyse andererseits überwunden werden. 184 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

Um für die Studenten des Studienschwerpunkts Die einzelnen Kursmodelle: größtmögliche Wahlfreiheit im fachwissenschaftli- Spezialisierungskurs I (mit Erkundungspraktikum): chen Bereich zu gewährleisten, sollen mindestens Funktionen der politischen Sozialisation zwei verschiedene fachdidaktische Kurse gleichzeitig Teilnahmeempfehlung: insbesondere für künftige So­ angeboten werden, die sich jeweils auf die Projektkur- zialkundelehrer oder Studenten mit dem Ausbildungs- se unterschiedlicher fachwissenschaftlicher Gesamt- schwerpunkt „Erwachsenenbildung“. projekte beziehen. Stellung im Zusammenhang des Gesamtstudien- Die betreffenden fachwissenschaftlichen Projekt- gangs: kurse sind dabei nicht spezifsch auf die Belange des Der Kurs wir parallel zum Wahlkurs Bildungsöko- politischen Unterrichts zugeschnitten, sondern wer- nomie/Bildungssoziologie durchgeführt und soll in den grundsätzlich für Studenten unterschiedlicher Verbindung mit einem Erkundungspraktikum eine Modellstudiengänge angeboten. erste berufliche Orientierung im Sozialisations- und In der Abschlußphase des Ausbildungsjahres fn- Ausbildungsbereich vermitteln. Das Erkundungsprak- det ein Spezialisierungskurs II statt, der inhaltlich an tikum wird mit problemorientierten Fragestellungen eine Projekt-Thematik anknüpft. Diese Thematik wird in Teilbereichen unterschiedlicher Berufspraxisfelder im Spezialisierungskurs in ein berufspraktisches Vor- (Jugendheime, Bildungszentren, Schulen) unter wis- haben umgesetzt. Die Teilnahme ist auch für Studen- senschaftlicher Begleitung durchgeführt. ten möglich, die keinen der vorangegangenen fach- Lernziele: wissenschaftlichen Projektkurse besucht haben, die Die Studenten sollen befähigt werden, die thematische Grundlage des betreffenden Spezia- – die Inhalte und Folgen politischer Sozialisation und lisierungskurses bilden. In diesem Falle wird jedoch Erziehung zu analysieren, vorausgesetzt, dass sie die entsprechende Materie – theoretische Arbeit mit gezielter praktischer Erfah- anhand der zu fordernden ausführlichen Dokumen- rung zu vermitteln und in gegenseitiger Korrektur tation der Ergebnisse des betreffenden Projektkurses zu verarbeiten, aufarbeiten. – Tätigkeiten und Verhaltensweisen in Teilbereichen Im Rahmen des Spezialisierungskurses II fndet beruflicher Praxis beobachten und in ihrem gesell- unter Begleitung des Dozenten ein „Fach-Praktikum“ schaftlichen Zusammenhang zu reflektieren, statt, das der Erprobung dient. Unterricht wird da- – praxisorientierte Motivationen der Ausbildung zu bei nicht als Durchführung einer fertig konstruierten entwickeln und zu überprüfen. Lehr-Sequenz verstanden, sondern als sozialer Prozess. Alternative Lerninhalte: Demgemäß können die Schwerpunkte bei der Anlage – Institutionelle (Rahmen)-Bedingungen schulischer des Praktikums und dessen Auswertung z.B. auch auf und außerschulischer politischer Bildung und So- gruppendynamischen Analysen liegen oder auf Fakto- zialisation, verbunden mit Praktika zur Erkundung ren und Zusammenhängen außerhalb der Unterrichts- institutioneller Abhängigkeiten (Grenzen u. Mög- vorgänge. lichkeiten) der Inhalte und Formen; Lehrer- und Den Dozenten, den für die Durchführung der Prüfun- Schülerver-[138]halten gen verantwortlichen Institutionen und den Studen- – Probleme des dualen Ausbildungssystems: Soziali- ten wird empfohlen, die Themen für die schriftliche sationsbedingungen und Verhalten Jugendlicher in Examensarbeit aus dem Komplex der im Zusammen- Schule und Berufsausbildung, verbunden mit Prakti- hang des Spezialisierungskurses II bearbeiteten In- ka zur Beobachtung von Schul- und Freizeitverhalten halte zu wählen. bzw. Berufseinstellung Jugendlicher in (Berufs)Schu- Die dargelegte Kursfolge gilt für Studenten mit le, Betrieb, Freizeitheim Sozialkunde als 1. Fach. Studenten des Lehramts, die – Rahmenbedingungen außerschulischer Bildungsar- Sozialkunde als 2. Fach studieren, wird grundsätzlich beit unter bes. Berücksichtigung der Erwachsenen- der gleiche Studienaufbau empfohlen jedoch mit Aus- bildung, verbunden mit Praktika in Volkshochschu- nahme des „Spezialisierungskurses II“. len oder Bildungseinrichtungen der gesellschaftlich( Der Studiengang ist insgesamt auf eine Studiendau- Träger zur Beobachtung politischer und beruflicher er von 8 Semestern [137] angelegt. Der hier dargeleg- Bildungsprozesse te Aufbau ist jedoch nicht als reglementierende Vor- – Ausbildungs- und/ oder Arbeitsplatzbedingungen schrift zu verstehen, sondern kann individuell variiert von Lehrern, Schülern, Lehrlingen, verbunden mit werden. Angesichts der vielbeklagten Zusammenhang- Praktika zur Erkundung der Arbeitsbedingungen, losigkeit und mangelnden Struktur der Studieninhalte der 2. Ausbildungsphase von Lehrern sowie den kam es darauf an, eine begründete und transparente schulischen und betrieblichen Lern- und Arbeits- Abfolge als Orientierungsmöglichkeit anzubieten. Für platzbedingungen bei Jugendlichen ausreichende Wahlfreiheit ist vom Fachbereich durch – Inhalte und Formen von Erziehungs- und Bildungs- Sicherstellung möglichst differenzierter Parallel-Ange- arbeit in unterschiedlichen Sozialisationsbereichen bote in den entsprechenden Kurstypen zu sorgen. Jugendlicher, verbunden mit Praktika zur Untersu- 185 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

chung von Erziehungsmethoden, Inhalten (Auswahl duktive Stellung des Ausbildungssektors im Zusam- und Verwendung von Material) und Arbeitsformen menhang mit als auch die Spezifk der Abtrennung (Frontal-, Gruppenarbeit) des Ausbildungssektors vom Produktionssektor her- Lernorganisation: auszuarbeiten; Die wissenschaftliche Vorbereitung und Auswertung – die Besonderung des Ausbildungssektors speziell der Praktika wird in Arbeitsgruppen und in gemeinsa- unter ökonomischen und politischen Bedingungen men Plena geleistet. Die Erkundungen werden je nach der BRD zu analysieren und in Zusammenhang mit Gegebenheit en bloc oder in mehreren Etappen im den besonderen Voraussetzungen und Funktionen Rahmen des Kurses durchgeführt. der Formen und Institutionen der allgemeinen Aus- Lernzielkontrolle und Leistungsnachweis: bildung und der politischen Bildung zu stellen; Um die Kontinuität des Arbeitsprozesses zu wahren – das Verhältnis konkurrierender Paradigma (das Kon- und die Fortschritte des gemeinsamen Lernerfolges zept der Einflußforschung im Verhältnis zu einer zu kontrollieren, wird empfohlen, regelmäßig ein Pro- politischen Ökonomie des Ausbildungssektors z.B.) tokoll der Plenarsitzungen zu führen. Das Protokoll im Rahmen einer Theorie des Ausbildungssektors zu sollte jeweils von einer Arbeitsgruppe erstellt wer- seiner Empirie und den empirischen Veränderungen den. Auf der Grundlage der Diskussionsvorlagen und aufzuzeigen; [140] der daran anschließenden Plenardiskussion werden – die spezifschen Funktionen des Ausbildungssektors die vorläufgen Ergebnisse in einer ca. 20 Seiten um- im Zusammenhang mit konkreten Teilsektoren (z.B. fassenden Hausarbeit einer Arbeitsgruppe bzw. einer räumliche und bildungsmäßige Strukturen und Ef- ca. 10 Seiten umfassenden Hausarbeit eines einzelnen fekten) zu untersuchen. Teilnehmers dargestellt. Mögliche Themenbereiche: Dabei sind in der Regel folgende Gesichtspunkte zu – Grundlagen der Ökonomie des Ausbildungssektors berücksichtigen: Aufarbeitung der Literatur zum spe- – Grundlagen einer Kritik der politischen Ökonomie ziellen Problem, Protokoll über das Erkundungsprakti- des Ausbildungssektors kum, daraus resultierende Überlegungen zur Überprü- – Theorie und Empirie von Teilbereichen des Ausbil- fung der Ausgangsthesen. [139] dungssektors der BRD In dem am Ende des Kurses ausgestellten Zeugnis – Entwicklung und gesellschaftliche Funktion des für den Spezialisierungskurs I wird die Hausarbeit – Lehrerberufs und der Lehrerausbildung bei Gruppenarbeit unter Angabe des vom jeweiligen – Genesis und Tendenzen der Bildungsplanung und Studenten materialmäßig erarbeiteten Schwerpunkts -politik in der BRD. – vermerkt und auf dieser Basis die erfolgreiche Teil- Lernorganisation: nahme an dem Spezialisierungskurs I bestätigt. Orientiert an der jeweiligen Themenstellung wird der Wahlkurs: Bildungsökonomie/Bildungssoziologie Kurs entsprechend der Fachkursebene organisiert. Da- Teilnahmeempfehlung: bei sollen Arbeitsgruppen die Plenumssitzungen so Der Wahlkurs wird empfohlen für Studenten mit der vorbereiten, daß zum je gewählten Problembereich Studienschwerpunkt Weiterbildung/Erwachsenenbil- außer einer thematisierten Forschungsstandanalyse dung, für künftige Sozialkundelehrer sowie für alle ein weiterführender Problemkatalog mitgeliefert wird, Lehrerstudenten im allgemeinen erziehungs- und so- der gegen Ende an der geleisteten Arbeit der Theorie zialwissenschaftlichen Studium (EGS). und Empirie des Ausbildungssektors selbst angelegt Stellung im Zusammenhang des Gesamtstudien- wird und Binnendifferenzen wie Leerstellen der The- gangs: orie und Empirie offenlegen kann. Damit sollen von Parallel zum Spezialisierungskurs I und vor dem den Arbeitsgruppen Ausgangsfragestellungen gelie- problembezogenen Projekt des Hauptstudiums sollen fert werden, die die folgende Projektphase rückkop- in diesem Wahlkurs einerseits die bisher erarbeiteten pelnd mitstrukturieren können. ökonomischen Kategorien für die Analyse des Ausbil- Lernzielkontrolle und Leistungsnachweis: dungssektors spezifziert werden; andererseits soll die Um die Kontinuität des Arbeitsprozesses zu wahren Theorie empirisch durch Einbezug und Kritik bildungs- und die Fortschritte des gemeinsamen Lernerfolges soziologischer Ansätze vervollständigt werden. Durch zu kontrollieren, wird empfohlen, regelmäßig ein Pro- diese Analyse sollen die Bedingungen für einen gesell- tokoll der Plenarsitzungen zu führen. Das Protokoll schaftlichen Teilsektor konkretisiert und die Zusam- sollte jeweils von einer Arbeitsgruppe erstellt werden. menhänge für die nachfolgenden berufsorientierten Auf der Grundlage der Eingangsthesen und Problem- Projektelemente hergestellt werden. skizzen wird eine ca. 20 Seiten umfassende Hausarbeit Lernziele: einer Arbeitsgruppe bzw. eine ca. 10 Seiten umfassen- Die Studenten sollen befähigt werden, de Hausarbeit eines einzelnen Teilnehmers erstellt. In – die Besonderung des Ausbildungssektors unter den dem am Ende des Kurses ausgestellten Wahlkurs-Zeug- gegenwärtigen Bedingungen des Kapitalismus zu nis wird die Hausarbeit – bei Gruppenarbeit unter analysieren und dabei sowohl die funktional-repro- Angabe des vom jeweiligen Studenten materialmäßig 186 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

erarbeiteten Schwerpunkts – vermerkt und auf dieser mierung, Problem der Operationalisierung von Lern- Basis die erfolgreiche Teilnahme an einem Wahlkurs zielen, Lehrplanuntersuchungen. Bildungsökonomie/ Bildungssoziologie bestätigt. – Lerntheorien und Transferforschungen, Entwick- [141] lungstheorien, Sozialisationstheorien, Kommunika- Projektkurs „Theorie und Didaktik der Politischen Bil- tionstheorien, jeweils in ihrer Bedeutung für Theo- dung“ rie und Didaktik der Politischen Bildung. Teilnahmeempfehlung: – Politische Psychologie, insbesondere: Insbesondere für künftige Sozialkundelehrer sowie für Untersuchungen zu politischen Einstellungen und Ein- Politologie-Studenten mit dem Studienschwerpunkt stellungsänderungen, bezogen auf Theorie und Didak- Weiterbildung/Erwachsenenbildung, die die für das tik der Politischen Bildung. Grundstudium in diesen Spezialisierungsbereichen – Methodik des politischen Unterrichts, insbesondere: angebotenen Kurse absolviert haben bzw. über die Probleme der Unterrichtsformen und des Interak- entsprechenden Kenntnisse verfügen. tionsstils, Gruppendynamik und Gruppendidaktik, Stellung im Zusammenhang des Studiengangs: Unterrichtstechnologie, Medienprobleme, Schul- Auf der Basis der vorangegangenen Erarbeitung der buchanalyse. [143] Rahmenbedingungen Politischer Bildung handelt es Der thematische Schwerpunkt kann in diesem Rahmen sich nun um die Bedingungen und Erfordernisse or- sehr verschieden gesetzt werden und bestimmt sich ganisierter politischer Lehr- und Lernprozesse selbst. insbesondere auch danach, unter welchem Gesichts- Diese können jedoch nur unter ständiger Berücksichti- punkt fachwissenschaftliche Projekt-Themen jeweils gung und je nach Thema auch expliziter Einbeziehung am fruchtbarsten didaktisch reflektiert werden kön- jener allgemeinen Faktoren zureichend erfaßt werden. nen. Zwei Aspekte sollten jedoch in jedem Kurs dieser Ebenso ist es notwendig, die Theorien und Konzeptio- Art Gegenstand sein: nen der Fachdidaktik im engeren Sinne nicht abstrakt a) ein Überblick über die neuere Entwicklung und die neben den fachwissenschaftlichen und den berufs- gegenwärtigen Tendenzen der Theorie und Didaktik praktischen Studien zu behandeln, sondern sie inhalt- der Politischen Bildung, lich und organisatorisch zu verknüpfen. [142] b) eine Reflexion der im schulischen und außerschuli- Dabei geht es in diesem zweisemestrigen Kurs um schen Bereich in Betracht kommenden Unterrichtsme- die Integration der Fachwissenschaft. Sie wird geleis- thoden, unter dem Gesichtspunkt des für die Politische tet durch Koppelung des jeweiligen didaktischen Pro- Bildung besonders wesentlichen Implikationszusam- jektkurses an mehrere parallel stattfndende Projekt- menhangs von Inhalt und Form von Lernprozessen. Kurse zu fachwissenschaftlichen Problemstellungen, Lernorganisation: die geeignet sind, bestimmte fachdidaktische Proble- Die Vorbereitung des Projektkurses und dessen the- me zu konkretisieren. matischer Bezug zu fachwissenschaftlichen Projekten Lernziele: erfordert eine gemeinsame Vorplanung der beteilig- Durch Auseinandersetzung mit Grundproblemen der ten Dozenten und interessierter Studenten. theoretischen Fundierung und der didaktischen Kon- Im ersten Semester der Projektkurse werden in der struktion politischen Unterrichts, die theoretisch und Regel im fachdidaktischen und in den damit in Verbin- wissenschaftstheoretisch und zugleich mit Blickrich- dung stehenden fachwissenschaftlichen Kursen die je tung auf praktische Anwendung reflektiert werden, spezifschen Schwerpunkte relativ unabhängig vonei- soll der Student einen Begriff der politisch-didakti- nander bearbeitet. Im zweiten Semester werden die schen Aufgabe im schulischen und im außerschuli- fachdidaktischen Reflexionen am Beispiel der fachwis- schen Tätigkeitsfeld gewinnen. senschaftlich untersuchten Inhalte konkretisiert. Im 2. Semester des Projektkurses soll insbesondere Dabei handelt es sich keineswegs sofort schon um geübt werden, politologische Analyse und didaktische Vermittlungsprobleme im engeren Sinne, sondern zu- Reflexion im Blick auf die Planung von Unterricht zu nächst um Relevanz-, Perspektiv-, Auswahl-, Gewich- vereinigen. tungs- und ähnliche Probleme, wie sie sich im Blick auf Themenbereiche: bestimmte Adressatengruppen stellen. Im Rahmen des Projektkurses sind folgende Probleme Die Durchführung erfolgt in Arbeitsgruppen- und zu berücksichtigen: Plenumssitzungen deren Verhältnisbestimmung sich – Neuere Theorien und Konzeptionen der Politischen nach dem Charakter des jeweiligen Gegenstandes Bildung: geschichtliche Entwicklung der Politischen richtet. Bildung; Geschichte, Theorie und Didaktik der poli- Lernzielkontrolle und Leistungsnachweis: tischen Erwachsenenbildung. Um die Kontinuität des Arbeitsprozesses zu wahren – Curriculumtheorie für den gesellschaftswissen- und die Fortschritte des gemeinsamen Lernerfolges schaftlichen Gegenstandsbereich, insbesondere: zu kontrollieren, wird empfohlen, die einzelnen Ar- Methoden und Methodologie der Lernzielbestim- beitsschritte des Projekts regelmäßig in einem Proto- mung, Theorien und Strategien der Lernziellegiti- 187 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

koll festzuhalten. Das Protokoll sollte jeweils von einer ren dazu vielmehr auch eine Reihe anderer Tätigkeiten, Arbeitsgruppe erstellt werden. die mit der Aufgabe des Erziehers zusammenhängen Am Ende des Kurses wird von den Teilnehmern ein (z.B. Analyse sozialer Gruppenprozesse). Hier können Abschlußbericht angefertigt. Im Hinblick darauf und im Praktikum unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt entsprechend den Erfordernissen und Möglichkeiten werden. Es sollen jedoch nur diejenigen Aspekte der des Projekts wird die spezifsche Art der Leistungs- Berufstätigkeit gewählt werden, die die Verbindung nachweise jeweils mit den Teilnehmern des Kurses ver- zur gesellschaftlichen Funktion der Erziehung sichtbar einbart. Prinzi-[144]piell soll der Leistungsnachweis werden lassen. kumuliert erfolgen. Dabei sind folgende Elemente Lernorganisation: möglich: Das Praktikum muß in seiner organisatorischen Form – Tischvorlagen den Zielen und Aufgaben des Projekts angepaßt sein. – Einzelbeiträge Sollen die Lösungsmöglichkeiten in aktiver Auseinan- – Literaturberichte dersetzung mit der Praxis entwickelt werden, so ist – Einzelbeiträge zum Abschlußbericht eine permanente Verzahnung von theoretischer Re- – Methodendiskussion Protokolle flexion und praktischer Erprobung notwendig. Ande- – Beurteilung des Abschlußberichts in seiner Gesamt- rerseits ist auch denkbar, daß sich an die Entwicklung heit. von Lösungsmöglichkeiten deren praktische Realisie- Spezialisierungskurs II rung anschließt. In diesem Fall kann das Praktikum Unterrichtsprojekt (mit Fach-Praktikum) am Ende des ersten Kurs-Halbjahres in den Semester- Teilnahmeempfehlung: ferien stattfnden. Auf jeden Fall muß die berufsprak- Für künftige Sozialkundelehrer. tische Phase zu Beginn des zweiten Kurs-Halbjahres Stellung im Zusammenhang des Gesamtstudienganges: abgeschlossen sein. Im Spezialisierungskurs II soll die Integration von Lernzielkontrolle und Leistungsnachweis: Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Erziehungs- und Sozi- Um die Kontinuität des Arbeitsprozesses zu wahren alwissenschaft durch die Entwicklung des jeweiligen und die Fortschritte des gemeinsamen Lernerfolges Beitrags zur Lösung berufspraktischer Fragen geleistet zu kontrollieren, wird empfohlen, die einzelnen Ar- werden. Im Mittelpunkt des Spezialisierungskurses beitsschritte des Kurses regelmäßig in einem Protokoll steht deshalb ein auf die künftige Berufspraxis bezo- festzuhalten. Das Protokoll sollte jeweils von einer Ar- genes Problem, das in dem fachdidaktischen Projekt- beitsgruppe erstellt werden. kurs vorbereitet und in seiner Verbindung zu fachwis- Unter Einbeziehung der möglichst im Rahmen senschaftlichen Problemen untersucht wurde. Es sind von Arbeitsgruppen zu erstellenden Beobachtungs- unterrichtsbezogene Lösungsstrategien zu entwickeln, protokolle (Unterrichtsbeobachtung, Beobachtung zu erproben und ihre Verwirklichung zu reflektieren. von Schüler- oder Jugendgruppen) und der daran an- Die Erprobung soll in einem Fach-Praktikum gesche- knüpfenden Diskussion wird von den Arbeitsgruppen hen, das mit dem Spezialisierungskurs II verbunden bzw. einzelnen Teilnehmern eine Unterrichtseinheit ist. In der zweiten Hälfte des einjährigen Kurses wird entwickelt. In dem am Ende des Kurses ausgestellten die Auswertung des Praktikums durchgeführt und das Leistungsnachweis wird die Anfertigung von Beobach- Gesamtergebnis des Kurses in einem Unterrichtspro- tungsprotokollen, die Mitarbeit bei der Erstellung der jekt dargestellt. Unterrichtseinheit sowie das Praktikum vermerkt und Lernziel: auf dieser Basis die erfolgreiche Teilnahme an einem Die Studenten sollen die Probleme der Berufs- und Spezialisierungskurs II bestätigt. [146] Unterrichtspraxis nicht nur reflektieren, sondern in Zusammenarbeit mit Kollegen eigenständige Prob- lemlösungsstrategie im Unterricht entwickeln. Hier- bei kann nicht volle Berufsfertigkeit erreicht werden, vielmehr sollen innovationsorientierte Einstellungen und Handlungsweisen in Bezug auf die Berufs- und Un- terrichtspraxis entwickelt werden. [145] Mögliche Themenbereiche: Bei den Themenbereichen handelt es sich in der Re- gel um die Erarbeitung einer Unterrichtseinheit, die auf den bisher erworbenen fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Kenntnissen und Fähigkeiten aufbaut. Unter Durchführung einer Unterrichtseinheit ist nicht nur die unmittelbare Unterrichtstätigkeit zu verstehen. Entsprechend der oben festgelegten um- fassenderen Defnition der Unterrichtseinheit gehö- 188 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

Wir danken Wolf Dieter Narr für die freundliche Geneh- der Freien Universität Berlin. Opladen: Leske & Bud- migung zum „Nachdruck“ dieses Textes im Internet. rich, S. 132-147. www.leske-budrich.de/ Das Original ist unter dem gleichen Titel erschienen in: Megerle, Klaus; Narr, Wolf-Dieter, Hg. 1976. Modell Studienreform: Curriculum politische Wissenschaft an 189 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

4. Marion W.: Klassenlehrerin im mit der Klassenlehrereigenschaft verbundenen orga- Doppelordinariat, seit 6 Monaten im nisatorischen Arbeiten übernommen (Klassenbuch, Schuldienst, Studienfächer: Sozialkunde Benachrichtigungen an die Eltern etc.). Die Planung und Mathematik und Durchführung von Elternabenden, Klassenfesten und -fahrten, Elternbesuchen u.ä. werden gemeinsam Gespräche mit Marion W. erledigt. Trotz der nur vier Stunden Unterricht in der Marion W. ist 23 Jahre alt und kommt aus einer gutsi- eigenen Klasse meint Marion, daß sie zu ihrer eigenen tuierten Familie. Sie macht einen selbstsicheren und Klasse ein „eher persönliches“ Verhältnis habe, ein dynamischen Eindruck, erscheint als souverän und Verhältnis jedenfalls, daß sich wesentlich von dem zu ausgeglichen. Marion ist in einer Kleinstadt in Hessen den Fachklassen unterscheide. aufgewachsen und hat in Frankfurt/Main studiert. Sie Marion sagt, daß sie von den Problemen der Praxis, wollte nicht von Anfang an Lehrerin werden, sondern die sie jetzt hat, nicht überrascht sei. Sie hatte be- hat zu- [293] nächst Mathematik und Physik belegt. reits in der Studienzeit längerfristig in einer Gruppe Die anfängliche Abneigung, Lehrerin zu werden, be- mitgearbeitet, die sich sehr intensiv mit der Realität gründet sie mit dem geringen „Prestige“, das die er- der zweiten Phase auseinandergesetzt hat. Im Rah- ziehungswissenschaftliche Abteilung an der Universi- men dieser Gruppe sind auch Veröffentlichungen zu tät besaß. So wurde diese Abteilung von männlichen diesem Problem entstanden. Aufgrund der durch die Studenten lediglich als eine Art Reservoir von „netten, Mitarbeit in dieser Gruppe entstandenen realistischen attraktiven Mädchen“ angesehen, wo man hingeht, Einschätzung der Anforderungen ihres Berufs hat sie „wenn man eine Frau braucht“. Wissenschaftlich wurde diesen von vornherein angetreten mit der Absicht, die Abteilung „nicht ernst genommen“. Nach einigen sich nicht zu „verzetteln“, indem sie erst gar nicht ver- Semestern hat sie zusätzlich Pädagogik belegt. Da ihr sucht, Ansprüche zu realisieren, von denen sie genau dies „Spaß machte“, belegte sie auch Sozialkunde und weiß, daß sie unter den gegenwärtigen Bedingungen gab das naturwissenschaftliche Studium auf. In der in der Schule unrealistisch sind. Da sie die Möglichkei- schriftlichen Abschlußprüfung des Studiums arbeite- ten, „etwas im Unterricht zu machen“, von vornherein te sie über den Rollenkonflikt des Lehrers als Beamter als sehr gering angesehen hat, wollte sie ihre Tätig- und Pädagoge sowie über polytechnischen Unterricht. keit nicht auf Unterrichtsarbeit beschränken, sondern Mündlich wurde sie geprüft über Familiensoziologie durch politische Arbeit zu den Veränderungen der und abweichendes Verhalten, Orientierungsstufe, Unterrichtsbedingungen beitragen. Sie hat sich daher Mengenlehre und Arbeiterbildungsprogramme. Nach von Anfang an an der Gewerkschaftsarbeit aktiv betei- dem Studium ist sie gleich nach Berlin gegangen – aus ligt und ist gegenwärtig Vertrauenslehrerin der GEW privaten Gründen und zusammen mit einer Freundin für ihre Schule. Um diese Arbeit machen zu können, und Studienkollegin. Zusammen mit dieser Freundin schraubte sie bewußt ihre Ansprüche hinsichtlich der hat sie an derselben Schule angefangen und wohnt in Unterrichtsvorbereitungen zurück. derselben Wohngemeinschaft. In einem Einstellungs- Ob sie mit ihrer Arbeit zufrieden ist, sagt Marion, gespräch wurde sie vom Schulrat über ihre Einstellung hänge sehr stark vom Stundenverlauf ab; von der Fra- zu Staat und Reformen befragt. Für die Hauptschule ge, ob der Stoff durchgezogen und die Schüler moti- habe sie sich entschieden, weil es sich um „ältere viert werden konnten. Es habe sich für sie gezeigt, Schüler“ handelt und weil diese einer benachteiligten daß der Stundenverlauf stark von der Vorbereitung ab- Schicht entstammen. Außerdem brauche sie hier kei- hängt. Wenn sie gut vorbereitet sei, z.B. den ausführli- ne Auslesefunktion zu übernehmen. chen Ent-[295]wurf einer Vorführstunde im Unterricht Zur Zeit befndet sich Marion am Anfang des zwei- verwende, laufe der Unterricht in der Regel sehr viel ten Semesters ihrer schulpraktischen Ausbildung. Zu- besser als sonst. Leider habe sie solche Entwürfe nur sammen mit ihrer Freundin und Kollegin Margit ist sie ausnahmsweise zur Verfügung. Die dem Lehrer in der Klassenlehrerin einer 7. Klasse (Doppelordinariat). Sie zweiten Phase der Ausbildung zur Verfügung stehen- unterrichtet Mathematik (8 Stunden), Physik (8 Stun- de Zeit reiche für eine gute Unterrichtsvorbereitung den) und Geschichte (2 Stunden). In ihrer eigenen Klas- einfach nicht aus. Marion bemüht sich, die Stunden se unterrichtet sie nur vier Stunden (2 Stunden Physik, auch inhaltlich so interessant zu gestalten, daß die 2 Stunden Geschichte). Marion selbst hätte viel lieber Unruhe der Schüler nicht zu groß wird. Es sei jedoch andere Fächer unterrichtet, vor allem mehr Geschich- nicht immer leicht, die Schüler zu motivieren; das te und Sozialkunde. Aber Mathematik- und Pysiklehrer hänge sehr stark vom Unterrichtsgegenstand ab: z.B. sind auch an dieser Schule knapp. Die zwei Stunden über die Familie hätten die Schüler „stundenlang mit Geschichte seien ihr vom Rektor als „Trostpfläster- Begeisterung diskutiert“. Marion bereitet sich jeweils [294]chen“ zugestanden worden. Von den Stunden einmal wöchentlich auf den Unterricht in den verschie- her übe sie eigentlich reine Fachlehrerfunktionen aus. denen Fächern vor. Sie geht dabei von langfristigen Da ihre Kollegin Margit in ihrer gemeinsamen Klasse Unterrichtseinheiten aus, die aber nicht detailliert wesentlich mehr Stunden gibt als sie, habe diese die geplant sind. Diese konkretisiert sie dann jeweils für 190 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

eine Woche. Bereits entwickelte Unterrichtseinheiten anderen werde ihr in ihrer gewerkschaftlichen Arbeit von Kollegen stehen ihr dabei allerdings nicht zur immer wieder klar, daß es sich bei diesen Problemen Verfügung. Das bedauert sie sehr. In Zukunft soll das nicht um individuelle handele, sondern daß alle Leh- anders werden, sollen die Unterrichtseinheiten gesam- rer die gleichen haben und daß diese gesellschaftlich melt und für alle verfügbar gemacht werden. Anderer- bedingt seien. Aus diesen Gründen erhöhe die ge- seits arbeitet sie bei Unterrichtsvorbereitungen mit werkschaftliche Arbeit ihr Selbstvertrauen und ihre verschiedenen Kollegen zusammen (in Mathematik Selbstsicherheit. Zwar habe sie jetzt noch genügend für achte Klassen mit einer Kollegin; in Mathematik für Probleme (insbesondere auch Disziplinprobleme) im neunte Klassen zu viert; in Physik mit einem Kollegen; Unterricht, doch stehe sie dem heute sehr viel gelas- in Geschichte arbeitet sie allein). Dies empfndet sie sener gegenüber als in den ersten Unterrichtswochen. als echte Erleichterung: „schneller, besser, mehr Spaß, Es geht ihr vor allem darum, daß „der Rahmen einge- Selbstkontrolle, Vergleich der Wirkung auf die Schü- halten wird“, d.h. die Lautstärke nicht so groß ist, daß ler“. [296] „man auffällt“, und zum anderen darum, „daß die Kin- Für den Verlauf der Unterrichtsstunden seien aber der „was lernen“. Aus diesem Grunde lassen sich diszi- auch andere Faktoren – nicht nur die Unterrichtsvor- plinarische Maßnahmen nicht umgehen. Sie und ihre bereitung – von Bedeutung. So kommen ihr die Schü- Kollegin haben daher in ihrer gemeinsamen Klasse mit ler manchmal „ungeheuer lustlos und schlaff“ vor. den Schülern eine Klassenordnung vereinbart: Wer Das beeinflußt wiederum ihr eigenes Verhalten derart, von den Schülern in einer Stunde mehrmals auffällt, daß die gesamte Stunde „danebengeht“. Überhaupt muß ein Protokoll schreiben. Macht er dies nicht, muß hänge der Unterricht von Stimmungen ab. Wenn sie er nachsitzen oder bekommt eine „Sechs“ notiert. Die z.B. nicht ausgeschlafen sei, dann habe sie „besonders Zeugniszensuren bestimmt Marion nach den Noten große Schwierigkeiten“. Das Disziplinproblem empfn- der Klassenarbeiten sowie nach der Mitarbeit im Un- det Marion jetzt nicht mehr als so bedrückend wie in terricht. der Anfangszeit. Zu Beginn ihrer Schulpraxis habe sie Neben den Problemen im Unterricht (Disziplin und der Lärm völlig verunsichert, weil sie sich verpflichtet Stoffvermittlung) fühlt sich Marion besonders durch fühlte, den Lärm zu bekämpfen, aber keine Ahnung den Streß in ihrer Arbeit belastet. „Sechs Stunden Un- hatte, wie. In ihrer Verzweiflung habe sie dann „hys- terricht hintereinander ohne eine einzige echte Pau- terisch“ reagiert. Sie habe immer „gleich geschrien“, se“ machen sie „völlig fertig“. Sie stehe den ganzen anstatt zu ignorieren. Die Angst, daß es in ihrem Un- Tag „unter Druck“; sie habe ständig das Gefühl, etwas terricht zu laut sein könnte, werde dadurch verstärkt, tun zu müssen. Ständig seien irgendwelche „kleineren daß sie sich vom Rektor kontrolliert fühle. Dieser gehe Sachen“ zu erledigen, die sie häufg einfach vergesse, häufg während der Unterrichtszeit durch die Flure; er weil sich „wichtigere Dinge“ dazwischenschieben, die „platzt“ dann gelegentlich in den Unterricht und dis- Vorrang haben, die nicht aufgeschoben werden kön- zipliniert einzelne Schüler. Häufg hantiere er „wie zu- nen. Dabei, so sagt sie, sei sie früher nie vergeßlich fällig“ auch im Geräteraum (bei offener Tür), während gewesen. sie Physikunterricht gebe. Besondere Angst habe sie, Marion meint, daß ihre jetzigen Verhaltensweisen wenn der Schulrat „durch das Gelände schießt“; Angst, im Unterricht zum großen Teil „reine Überlebensstra- er könne zu ihr in den Klassenraum kommen, wenn ge- tegien“ sind. Ihr sei klar, daß sie sie „weiterentwickeln“ rade „alles drunter und drüber“ ginge. muß. Sie geht davon aus, daß dies nur im Zusammen- Marion sieht auch ein Problem darin, daß viele hang mit Kollegen, also z.B. durch gegenseitige Hospi- Schüler ihre Antworten im Unterricht einfach dazwi- tationen und Diskussionen geschehen kann. Allerdings schenrufen und die Schüler, die sich melden, nicht zu hält sie es aufgrund der starken Überlastung nicht für Wort kommen lassen. Ein zusätzliches, wichtiges Pro- möglich, dies [298] (systematisch) in der zweiten Aus- blem sieht Marion im Fach Physik, das sie unterrichtet, bildungsphase zu tun. Das könne man sinnvoll wohl aber nicht ausreichend studiert hat. Hier sei es für sie nur nach der zweiten Staatsprüfung versuchen. schwierig, etwas zu machen, was vom „konventionel- Im Übrigen sieht auch Marion ihre beruflichen len Unterricht“ abweicht. Sie habe dazu „keine Ein- Aussichten als nicht rosig genug an, um sich diese fälle“, weil sie den Stoff nicht genügend beherrsche. als „Lebensperspektive“ vorstellen zu können. Sie Auch könne sie Fragen der Schüler nicht beantworten, beabsichtigt daher, später ein Zweitstudium (Sonder- etwa zu aktuellen physikalischen Problemen, worüber schulpädagogik) aufzunehmen, um dann Heimleiterin diese etwas im Fernsehen gesehen haben. Das minde- zu werden. Voraussetzung sei allerdings, daß das Stu- re ihre Sachautorität. dium fnanziert werde. Vorher wolle sie jedoch noch Eine wichtige Entlastung stellt für Marion ihre poli- ihre jetzige Klasse bis zum Abgang (einschließlich der tische Arbeit dar. Zwar ergebe sich quantitativ daraus 10. Klasse) führen. Krank war Marion während ihrer Be- eine stärkere Arbeitsbelastung (vgl. Wochenplan und rufstätigkeit bisher zweimal. Einmal hatte sie Grippe Zeitzusammenstellung), aber ande-[297]rerseits kön- (sieben Tage) und einmal mußte sie wegen einer Ope- ne sie ihre Unterrichtsprobleme relativieren. Einmal ration drei Wochen fehlen. Beides, sagt sie, sie nicht nehme sie den Unterricht nicht mehr so wichtig, zum berufsbedingt gewesen. 191 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

Von der Seminarausbildung hält sie wenig, nur die Se- rung der Mitschüler – hinter dem Rücken von Marion minargruppe sei „wenigstens keine verschenkte Zeit“, an der Tafel, während sie die Versuchsgeräte abbaut. weil dort z.Z. eine Unterrichtseinheit entwickelt wer- Marion „reißt der Faden“. Sie brüllt einen der häufgs- de. Beim allgemeinen Seminar täte es ihr immer um ten Störer laut an. Dieser gibt noch ein paar Widerwor- die Zeit leid, die sie sinnvoller für Unterrichtsvorberei- te, ist dann aber still – die übrige Klasse auch. Durch tungen nutzen könnte. wirkungsvollen Wechsel zwischen lauter und leiser Mit den Eltern ihrer Schüler habe sie keine Schwie- Stimme hat Marion die Klasse jetzt einigermaßen im rigkeiten. Auch die Eltern mit „schwierigen Kindern“ Griff. „Wie kann man das nennen?“ (Die Schüler sollen kämen zum Elternabend oder Elternsprechtag. Manch- auf das Wort „Siedepunktschwankungen“ kommen.) mal kämen sie auch während der Unterrichtszeit. Zu- Dann werden die Ergebnisse in Form von Merksätzen sammen mit ihrer Kollegin macht sie gelegentlich an die Tafel geschrieben. „Hast Du immer noch nicht auch Hausbesuche. mitgeschrieben?“ Marion kontrolliert „aus begründe- tem Anlaß“, ob die Schüler die Merksätze an der Tafel Protokolle aus dem Schulalltag auch abschreiben. (Das ist alles, was die Schüler in ihr von Marion W. Heft schreiben müssen; Hausaufgaben werden nicht Dienstag, 2. Stunde, Kurs 8 c, Mathematik gegeben.) Einige Minuten vor der Pause wird es sehr Marion wiederholt die Division von Brüchen […]. unruhig. Die Schüler dürfen einpacken. Alles läuft zur Donnerstag, 2.Stunde, Kurs 9 b, Mathematik Tür und hinaus. In der anschließenden Pause hat Mari- Eine Vertretungsstunde ist aufgeteilt worden, d.h. on keine ruhige Minute: [303] Sie spricht mit einzelnen daß während der ersten zehn Minuten noch zusätzlich Schülern, trägt die Nachsitzer ein, kümmert sich um Schüler aus einem anderen Kurs in den Klassenraum die Gruppenbücher und die Briefe an die Eltern. An- kommen und neue Unruhe mitbringen. schließend unterrichtet sie in ihrer eigenen Klasse. Donnerstag, 3. Stunde, 7 III (13 Schüler), Physik Donnerstag, 5. Stunde, 7 I(27 Schüler), Geschichte Gleich zu Beginn erinnert Marion an die bevorstehen- Marion wird von der Klasse bestürmt. Sie gibt korri- de Physikklausur und fordert die Schüler auf -„im eige- gierte Übungsbögen zurück. Die Schüler sitzen an nen Interesse“ – mitzuarbeiten. Dann liest sie die Na- Gruppentischen. Es ist ziemlich laut. Als Marion laut men einzelner Schüler vor, von denen noch Protokolle „Ruhe!“ brüllt, wird es etwas leiser. Unterrichtsgegen- (Strafarbeiten) ausstehen („Bis morgen ins Lehrerzim- stand ist die „Stadt im Mittelalter“. Marion fragt die Er- mer.“) – „Wenn wir (!) so weitermachen, schaffen wir gebnisse der letzten Stunde ab. Die Schüler beteiligen gar nichts heute!“ Der Stoff der letzten Stunde wird sich einigermaßen; es bleibt aber ziemlich laut. Marion wiederholt, woran sich insbesondere der Teil der Schü- muß ständig eingreifen: „Das wurde festgelegt durch ler beteiligt, [302] der vorn sitzt. -„Uwe, setz Dich mal die Zunft, – Petra, hör auf!“ (5) Da die Schüler die woanders hin!“ Uwe setzt sich nicht, ist aber still. Es Antworten in einen Arbeitsbogen eintragen müssen, fällt immer wieder auf, daß Marion bei solchen und sind sie beschäftigt. Am Tisch ganz vorn albern die ähnlichen Anordnungen nicht weiter auf die Befol- Schüler mit dem Klassenbuch. Marion zieht einen die- gung besteht, wenn sie Widerstand bei den Schülern ser Schüler an den Haaren hoch – relativ sanft. „Jetzt bemerkt. Sie übersieht es einfach. Durch lauteres Spre- sind 25 Minuten vergangen, in der Vorbereitung wa- chen gelingt es Marion auch, die weiter hinten sitzen- ren 10 Minuten dafür vorgesehen.“ Einer der Schüler den Schüler in den Unterricht einzubeziehen. Ein Tür- muß wegen Störungen nach draußen; ein anderer muß kenjunge, der auf der hintersten Bank sitzt, wirft von sich vorn hinsetzen. Ein Schüler halblaut: „So doof ist dort ständig Papier nach vorn und singt. Er versteht die Alte jar nich, wie ich dachte.“ Marion: „Ihr kriegt kein Deutsch. Die beworfenen Mädchen regen sich heute eine Hausaufgabe auf.“ Viele der Störungen der auf. Indem Marion an die lautesten Schüler Fragen Schüler unterläuft Marion durch Lachen; sie nimmt sie stellt, gelingt es ihr, den Unterricht fortzusetzen. Als nicht ernst. „So, sammeln wir nochmal.“ Die Beteili- sie in den Geräteraum geht, nutzen die Schüler dies gung ist gut, aber es ist sehr laut. Jetzt schreibt Mari- für kleine und harmlose Scherze (Kalender von Mari- on die Namen einzelner Schüler an die Tafel; wenn sie on verstecken etc.). Einige Schüler fühlen sich durch weiterstören, macht sie dahinter einen Strich (bei drei- den Türkenjungen gestört und melden dies. Marion maliger Störung müssen die Schüler eine Extra-Haus- reagiert nicht darauf. Sie führt in einem Versuch vor, aufgabe machen). Die Schüler werden daraufhin merk- daß der Siedepunkt von Wasser sich je nach Luftdruck lich leiser. „Ich gehe mit Dir zu X.“ (Rektor) – „Ich bin verändert. Die Beteiligung der Schüler am Unterricht entrüstet (!)“ -„Ihr enttäuscht (!) mich.“ Einige Schüler ist jetzt rege und laut. Zwei Mädchen schlagen sich, kichern. Marion [305] bemüht sich offensichtlich, den der Türkenjunge macht ständig das Licht an und vorgesehenen Stoff noch durchzuziehen. Die Schüler aus und wirft zwischendurch mit Papier. Die Unru- zeigen sich durchaus interessiert – das Problem ist he steigt in der zweiten Hälfte der Stunde erheblich. der Krach. Jetzt ist die bereits angedrohte Hausarbeit Auch andere Schüler rangeln und bewerfen sich mit fällig. „Ich frage das morgen ab!“ Die Schüler packen. Papier. Einer der Schüler malt heimlich – zur Begeiste- Marion: „Ich bin noch lange nicht fertig!“ 192 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

Mittwoch, 18.45 – 21.15 Uhr, Elternabend 7.40 Abfahrt (Fahrzeit 10 – 15 Min.) Marion und Margit haben eine Tagesordnung ausgear- 7.55 Schule – Gespräch mit Mathe-Kollegen wegen beitet und den Schülern mit nach Hause gegeben. Es Klausur ist der zweite Elternabend, seitdem sie in der Schule 8.50 Freistunde: Verwaltungsarbeiten, Gespräche sind. Gekommen sind Eltern (-teile) von 11 Kindern mit Kollegen (sehr viel!); die Gespräche seien sehr viel offener als 10.00 Besorgung und Vorbereitungen für Fasching mit beim ersten Mal verlaufen. Zur Situation der Haupt- der Klasse in der eigenen Wohnung, anschlie- schule: Eine ältere Mutter (Sohn ist Rückläufer aus der ßend Essen Realschule): „Meinem Sohn gefällt es ja gar nicht an 14.15 Seminar Schulrecht dieser Schule. Es ist ja auch so laut in der Klasse!“ – Die 16.15 Fahrt Diskriminierung der Schule ist ziemlich allen Schülern 16.30 Fasching mit Schülern 20.00 Aufräumen/Zei- bewußt. Marion und Margit versuchen, den Eltern klar tung 20.30 Arbeitsbogen Mathe 21.00 Fernse- zu machen, daß die Kinder um keinen Deut dümmer hen etc. 23.30 ins Bett seien als andere, daß einzelne vielleicht höchstens et- Dienstag was langsamer lernen. Zur Situation der Klasse: Die El- 6.30 Aufstehen tern bedanken sich zunächst für das Klassen-Faschings- 7.30 Abfahrt fest vom Montag; die Kinder seien begeistert gewesen. 7.45 Schule – Abziehen etc. Marion und Margit teilen dann die bevor- [307] stehen- 8.00 Unterricht und eine Pausenaufsicht de Aufteilung der siebten Klassen mit (zu hohe Klas- 8.55 Organisatorische Arbeiten und Gespräche senfrequenzen), deren Gründe allen Eltern einleuchten, 10.45 Fahrt nur, ihr Kind solle doch nicht aus der Klasse genommen 11.00 Seminargruppe werden. Dann wird über die Disziplinschwierigkeiten 14.00 Fahrt gesprochen. Marion und Margit erklären, daß sie ohne 14.30 Gespräch mit uns autoritären Stil ein kameradschaftliches Verhältnis 17.00 Unterrichtsvorbereitung Mathe 18.15 Zeitungle- zu den Schülern anstreben. Sie wollten weiterhin den sen 18.30 Fahrt Kontakt zu den Eltern verbessern, mehr Hausbesuche 18.45 Fortbildung (priv.) machen, um die Kinder besser kennenzulernen. Bisher 21.15 Gespräch mit Kollegen über Schulprobleme seien sie erst bei drei Eltern gewesen (Zeitproblem): 22.00 Fahrt Martin war an einer anderen Hauptschule aus Diszi- 22.15 Film gesehen etc. 0.30 ins Bett [309] plingründen sitzengeblieben, hatte schon mehrere Mittwoch Klassen „kaputt gemacht“, wurde an diese Schule 8.15 Aufstehen abgeschoben, wurde spontan die zentrale Figur in 9.30 Unterricht und Aufsicht der 7 I (Klassensprecher) und gefährdet zunehmend 12.35 Fahrt den Unterricht (riß sich nach dem Hausbesuch zwei 12.50 Essen usw. Wochen zusammen, wurde deswegen von den ande- 14.30 Schlafen ren Schülern gehänselt); Rolf, der die ersten beiden 16.30 Unterrichtsvorbereitung (incl. Physik-Test) Monate sehr motiviert am Unterricht teilnahm und 18.30 Fahrt urplötzlich zu einem der schwierigsten Kinder wurde; 18.45 Elternabend Thomas, dessen Mutter in psychiatrischer Behandlung 21.15 Fahrt ist (Trinkerin), dessen Stiefvater ihn miserabel behan- 21.30 zu Hause (Zeitunglesen etc.) delt, der fünf Jahre lang durch die verschiedensten 22.30 Wohngemeinschaftsbesprechung Heime gewandert und daher sehr aggressiv ist. 0.30 ins Bett Weiterhin werden die nächste Klassenfahrt, die Donnerstag neue Klassenbibliothek und die Forderung einiger El- 6.50 Aufstehen tern nach einem freien Samstag im Monat besprochen 7.50 in der Schule (letzeres an die Elternsprecherin weitergeleitet). 8.00 Unterricht Außerdem haben viele Eltern den Eindruck, daß zu 13.30 Konferenz wenig Hausaufgaben aufgegeben würden. Überhaupt 14.00 bis haben viele Eltern die denkbar schlechteste Meinung 15.00 Hauptseminar (während der Konferenz) von ihren Kindern (was bei den anschließenden Einzel- 16.30 Gespräch mit uns gesprächen erst richtig deutlich wird). Die Disziplin- 17.30 Fahrt schwierigkeiten, die Pubertätserscheinungen machen 17.45 Unterrichtsvorbereitung und Essen sie unsicher und schüchtern. (Tip einer Oma: „Wenn 19.30 GEW-Gruppe Sie meinen Enkel nur scharf angucken, dann ist er so- 22.00 Bier trinken fort ganz leise!“) [208] 23.30 zu Hause und ins Bett Wochenübersicht Montag Freitag 6.40 Aufstehen 6.45 Aufstehen 193 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

7.50 in der Schule gesellschaftlichen Verhältnissen.“ Die „tausend klei- 8.00 Unterricht und Pausenaufsicht nen Probleme“, die man ständig habe, verhinderten 12.45 Fahrt weitgehend das Nachdenken über „Grundprobleme“. 13.00 Physikarbeiten korrigiert, Essen, Schreibtisch Auf der anderen Seite sei ihr klargeworden, daß die aufräumen [310] Probleme der Schüler sie „längst nicht mehr so berüh- 14.45 Fahrt ren wie früher“. Dies sei ihr z. B. an einem „ausgeflipp- 15.00 GEW-Gruppe (incl. Fahrt) ten“ Schüler aufgefallen, der oft [312] dem Unterricht 17.30 Kollegin im Krankenhaus besucht fernbleibt, und wo abzusehen sei, „daß er früher oder 19.00 zu Hause, Wäsche etc. später im Gefängnis oder Zuchthaus landet.“ In ihrer 19.30 Mathearbeiten korrigiert (für 21 Schüler) Anfangsphase hätte sie alles in Bewegung gesetzt, um 22.30 Zeitunglesen etc. diesen Schüler zu „retten“. Jetzt reagiere sie nur noch 23.30 ins Bett „mit einem Schulterzucken“. Samstag Im Rückblick auf den Verlauf der zweiten Ausbil- 6.45 Aufstehen dungsphase meint Marion, daß der „Praxisschock“ für 7.50 Schule sie „nicht im üblichen Umfang“ eingetreten sei. Das 8.00 Unterricht führt sie zurück auf ihre intensive Beschäftigung mit 9.50 Klausur nachschreiben lassen Referendariatsproblemen während der Studienzeit (im 11.30 Einkaufen, Hausarbeit, Essen Rahmen eines längerfristigen Projekts). Das Ergebnis 13.30 Mathearbeiten und Physik korrigieren war, daß die Schule sie „eher positiv überrascht“ hat, 15.00 Zeitunglesen die Realität war dann „doch nicht so schlimm“, wie sie 16.00 Schlafen sich das vorgestellt hatte. Auch hatte sie durch die- 19.00 Privatleben ses Projekt von vornherein eine klare Perspektive, sich 24.00 ins Bett nicht „von der Arbeitsbelastung kaputtmachen zu las- Sonntag sen“, sondern von Anbeginn „alles etwas zu relativie- 9.30 Aufstehen, Essen, Hausarbeit ren“, indem sie einen bewußten Schwerpunkt setzte: 11.30 Korrigieren die Arbeit in der GEW. Denn ihr sei klargewesen, daß 12.30 Päd. Zeitschriften lesen „im Unterricht nicht viel zu machen ist.“ Aber tatsäch- 13.30 Wohngemeinschaftstermin lich sei sie dann „stärker in die schulischen Probleme 17.30 Unterrichtsvorbereitungen eingestiegen, als sie vorhatte (mehr Unterrichtsvorbe- 19.00 Päd. Literatur reitungen, mehr Elternarbeit etc.) . 21.00 Privatleben Marion sagt, daß sie jetzt „die Schüler besser in der 23.30 ns Bett Hand“ habe. So sei sie z. B. in der Lage, die Schüler auch dann zu motivieren, wenn sie „schlaff“ seien. Gespräch mit Marion W. ein Jahr später Außerdem habe sie auch gelernt, daß man „anfangs Wir sprachen mit Marion einen Tag nach ihrer zwei- autoritärer auftreten muß“, sonst bekomme man die ten Staatsprüfung. Sie ist inzwischen umgezogen und Klasse nicht in den Griff. Dies sei allgemeine Erkennt- wohnt nicht mehr mit ihrer Kollegin Margit K. zusam- nis des Kollegiums und würde den „Neuen“ gleich am men. Sie sagt, daß sie die Arbeit [311] in der Schule die ersten Schultag mitgeteilt. letzten Monate vor der Prüfung hat „ziemlich schlei- An ihrer Unterrichtssituation hat sich nicht viel fen lassen“. Einmal natürlich wegen der Prüfungsvor- geändert. Sie unterrichtet immer noch dieselben Fä- bereitungen, zum anderen aber auch wegen intensi- cher. In der eigenen Klasse gibt sie nur vier Stunden ver Gewerkschaftsarbeit sowie aufgrund von privaten (Geschichte/Sozialkunde). Dennoch, sagt sie, habe sie Problemen. Marion hat inzwischen die Perspektive, zu dieser Klasse einen guten Kontakt, weil sie schon einen anderen Beruf (Heimleiterin) zu ergreifen, auf- eineinhalb Jahre Klassenlehrerin sei, und die einzel- gegeben. Sie hat einige Mühe, sich daran zu erinnern, nen Schüler sehr gut kenne (Elternbesuche, Klassenfes- daß sie dies vor einem Jahr vorgehabt hatte. Ebenfalls te, etc.). [313] Marion ist an der inzwischen an dieser aufgegeben hat sie die Hoffnung, daß sich nach der Schule existierenden Eltern-/Lehrergruppe nicht betei- Zweiten Prüfung „alles ändern“ wird. Der Prüfungs- ligt. Durch ihre Gewerkschaftsarbeit habe sie genug druck sei zwar weg, dafür müsse sie jetzt aber acht zu tun. Allerdings ist sie der Meinung, daß die GEW- Wochenstunden mehr unterrichten. Außerdem sei ihr Schulgruppe „nicht so toll“ laufe. Dies führt sie zurück bewußt geworden, daß ihre Verhaltensweisen bereits auf inhaltliche Differenzen, Zeitprobleme u.ä. Die „sehr festgefahren“ sind. Ihr sei zum Beispiel vor eini- Schulgruppe sollte nach ihrer Meinung die verschie- gen Wochen, als sie sich wegen der Prüfungsvorberei- denen Aktivitäten der Lehrer (Eltern-/Lehrer-Gruppe, tungen ihre schriftliche Arbeit für die erste Staatsprü- GEW-Gremien etc.) koordinieren. Die Beteiligung sei fung ansah, aufgefallen, daß sie heute die Probleme in allgemein allerdings recht „lustlos“. der Schule „viel oberflächlicher“ sieht. Sie sehe diese „überhaupt nicht mehr im Zusammenhang mit den 194 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

Zeitverteilung von Marion W. daher die Möglichkeit, ihr Engagement in Unterricht Fahrtzeiten 4 Stunden 15 Minuten umzusetzen, beschränkt ist. Ebenso ist die Gefahr, von Unterricht 15 Stunden 30 Minuten den Problemen der Schüler vereinnahmt zu werden für Unterrichtsvorbereitung/ Fachlehrer geringer als für Klassenlehrer. Gerade die - nachbereitung 13 Stunden Gewerkschaftsarbeit hat andererseits eine wichtige Seminare incl. Vorbereitung 5 Stunden 30 Minuten entlastende Funktion für Marion. Einerseits relativie- Pausenaufsicht, ren sich die Probleme der Unterrichtsarbeit durch die Organisatorisches etc. 6 Stunden 40 Minuten gewerkschaftliche Tätigkeit und umgekehrt. Anderer- Schüler-/Elternarbeit etc. 10 Stunden 15 Minuten seits hilft ihr letztere, die Unterrichtsprobleme besser Fortbildung, Schulgruppe zu strukturieren, zu erkennen, daß es [315] sich um Protokoll, GEW etc. 17 Stunden allgemeine Probleme handelt, und Lösungsmöglich- Haushalt 10 Stunden keiten zu fnden. Freizeit (incl. Essen, Körperpflege, Die Schwierigkeiten, die Marion im Unterricht hat Zeitung lesen etc.) 27 Stunden (vor allem das Disziplinproblem), sind normal. Sie ent- Schlaf (incl. sprechen den Fähigkeiten und der Routine, über die Nachmittagsschlaf 57 Stunden 15 Minuten ein Lehrer nach sechs Monaten Schuldienst normaler- Mit 17 Stunden Arbeit, die nicht direkt mit Unterricht weise verfügt. Durch Zusammenarbeit mit Kollegen, und Seminartätigkeit verbunden sind, liegt Marion in insbesondere durch kooperative Unterrichtsvorberei- der Kategorie „Fortbildung, Schulgruppe, Protokoll. tungen, versucht sie vor allem einen inhaltlich guten GEW etc.“ deutlich an der Spitze. Dennoch vernachläs- Unterricht zu machen. sigt sie ihre Unterrichtsverpflichtungen nicht. Ohne Zwischenzeiten arbeitet sie ca. 55 Stunden in dieser Wir danken Arno Bammé für die freundliche Geneh- Woche für Schule und Seminarausbildung. Das geht migung zum „Nachdruck“ dieses Textes im Internet. natürlich zu Lasten der Freizeit. Hier liegt Marion mit Das Original ist erschienen in: Holling, Eggert; Bammé, 27 Stunden, in denen die Zwischenzeiten enthalten Arno. 1976. Lehrer zwischen Anspruch und Wirklich- sind, [314] an der unteren Grenze. keit. Eine qualitativ-empirische Untersuchung zur be- Nimmt man die Arbeitszeiten, die direkt (55 Stun- ruflichen Sozialisation von Hauptschullehrern in der den) und indirekt mit der Schule (17 Stunden) zusam- zweiten Phase ihrer Ausbildung. Frankfurt: päd.extra- menhängen, so kommt Marion in dieser Woche auf Buchverlag, S. 293-316. https://campus.uni-klu.ac.at/ eine Gesamtarbeitszeit von 72 Stunden. Bei dieser Be- org/visitenkarte?target=frame&personalnr=28 lastung ist es erstaunlich, mit welcher Ausgeglichen- heit und Energie Marion ihre Arbeit verrichtet. Marion ist sich über Ursachen und Funktion ihrer Schwierig- keiten in der zweiten Ausbildungsphase verhältnismä- ßig genau im klaren. Sie weiß, daß ihre Unterrichts- probleme nicht individuell bedingt sind, und sie jagt keinen unerfüllbaren Ansprüchen nach. Dies kann zu- rückgeführt werden erstens auf ihre praxisbezogene und realistische Ausbildung in der ersten Phase und zweitens auf ihre gewerkschaftliche Tätigkeit. Dieses Bewußtsein hat den Anpassungsprozeß, dem mehr oder weniger alle Lehrer unterliegen, auch bei ihr nicht verhindert. Aber immerhin hat es dazu beigetragen, ihre Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten und sich durch die Unterrichtsprobleme „nicht fertigmachen“ zu lassen. Dadurch war es ihr möglich, in dem von ihr bewußt gewählten Arbeitsschwerpunkt, der Gewerk- schaftsarbeit, in bemerkenswertem Ausmaß tätig zu sein. Dies zusätzlich zu der Belastung durch ihren be- ruflichen Arbeits- und Ausbildungsprozeß. Sie hat ihre kritischen Ansprüche nicht aufgegeben; nur versucht sie, sie nicht im Unterricht, sondern in der außerunterrichtlichen (nicht außerschulischen) Gewerkschaftsarbeit umzusetzen. Die Verlagerung ihres Engagements auf diese Ebene liegt auch deswe- gen nahe, weil sie aufgrund ihrer Unterrichtsfächer faktisch nur Fachlehrerfunktionen erfüllt und von 195 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

5. Bernd Janssen: Pädagogik lehren und dem folgenden Prozeß der Textbearbeitung immer erfahren: ein Praxisbericht über die wieder kritisch in der Absicht einzubeziehen, den Chancen der akademischen Lehre. Aussagen Adornos mit mehr Offenheit zu begegnen. Ich kann solchen Ressentiments mit der notwendigen Achte Sitzung – Thema: Dimensionen der Geduld begegnen, da ich sie infolge meiner Vorüber- Abneigung gegen den Lehrerberuf legungen als Verteidigungsreflex eines bedrohten nar- Planung der 8. Sitzung zißtischen Berufs- und Selbstbildes auffasse. Zugleich Vorüberlegungen aber beziehe ich mich authentisch in den Prozeß der Nach meinen Erfahrungen bauen Lehrerstudenten/ Textbearbeitung ein, d.h., ich ergreife engagiert Par- Lehrerstudentinnen in dem Theorieghetto Universität tei für die Überlegungen Adornos und versuche im- sehr häufg unkritische, naiv idealisierte Berufsbilder mer wieder, die von ihm thematisierten wesentlich auf, geprägt von Momenten wie Liebe zum Kind, Leh- unbewußten Dimensionen der Abneigung gegen den rer/in als Partner/in der Schüler, Klasse als Gemein- Lehrerberuf zu beziehen auf die objektiv ambivalente schaft, Freude am Lernen usw. Verdrängt wird in Struktur des Lehrerberufs – im Interesse einer reali- solchen Wunschvorstellungen über den Lehrerberuf – [111]stischen Berufsbetrachtung. Im einzelnen will und in diesem Verdrängungsprozeß trifft sich die nar- ich also z.B. verdeutlichen: zißtische Phantasie vieler Studenten/Studentinnen – daß die Liebe zu Kindern ein legitimes Motiv ist, mit der vieler Pädagogikdozenten – die Schattenseite aber zum Lehreralltag auch die Verpflichtung gehört des Lehrerberufs, bestimmt durch Momente wie staat- zu disziplinieren; liche Schulpflicht, Leistungskonkurrenz, Selektionsme- – daß der/die Lehrer/in in vielen Lernsituationen Part- chanismen (Noten, Gutachten, Zeugnisse), Autoritäts- ner/in des Kindes sein kann, aber zugleich auch im konflikte und Disziplinierungszwang. Je krasser dieser Namen staatlicher Machtzuweisung Herrschaft über Verdrängungsprozeß erfolgt, desto krasser der Praxis- Schüler ausübt; schock im folgenden Referendariat. – daß die Schulklasse einerseits eine Gemeinschaft Die an einem Vortrag von Adorno orientierte Text- werden kann, andererseits durch Konkurrenz und montage zu dem Thema „Dimensionen der Abneigung Auslese bestimmt bleibt; gegen den Lehrerberuf“ ist der Versuch, positiv verklär- – daß Freude am Lernen z.T. der Fall ist, aber das Ler- te und zugleich narzißtisch besetzte [110] Vorstellun- nen zum anderen Teil nur aufgrund äußerer Zwänge gen über den Lehrerberuf in Zweifel zu ziehen – im In- oder taktischer Überlegungen erfolgt; teresse einer realistischen Berufsbetrachtung. Soweit – daß die pädagogische Arbeit mit Kindern sehr be- die Teilnehmer solche Vorstellungen bewußt oder un- friedigend sein kann, aber auch Gefahren der Infan- bewußt vertreten – was nach meinen Erfahrungen bei tilisierung in sich birgt. fast allen Lehrerstudenten/Lehrerstudentinnen mehr Kurzum: ich will vermitteln, daß der/die Lehrer/in mit oder weniger der Fall ist -, geraten sie mit der Lektüre Sympathie und Abneigung, mit Zustimmung und dieser Textmontage in einen von mir gewollten inne- Ablehnung, mit Liebe und Haß seiner/ihrer Schüler ren Zwiespalt. Wer die mit der Lektüre verbundene rechnen und leben muß, folglich auch der Lehrerberuf Verunsicherung nicht aushält, wird sich dem Diskus- einer bleibt, dem in der Gesellschaft insgesamt mit sionsabend über dieses Thema entziehen. Ich halte Ambivalenzen, daß heißt auch mit Abneigungen und solch eine abwehrende Haltung für legitim, da die Vorurteilen begegnet wird. Entscheidung für den Lehrerberuf in Anbetracht der bekannten Massenarbeitslosigkeit in diesem Berufs- Planung der 8.Sitzung feld ohnehin mit erheblichen Verunsicherungen belas- 1.Phase: Voreinstellungen der Teilnehmer/innen zum tet ist. Von daher ist es auch kein Zufall, daß ich diese Text an Adorno orientierte Textmontage auf einer freiwilli- Zunächst bitte ich alle Teilnehmer/innen um eine kur- gen Abendveranstaltung zur Diskussion stelle. Soweit ze Stellungnahme. Soweit sich der günstige Fall ergibt, die Seminarteilnehmer/innen zu diesem Diskussions- daß nicht nur ablehnende, sondern auch einige zustim- abend erscheinen, besteht dann die Möglichkeit einer mende Statements erfolgen, versuche ich ein erstes intensiven Erörterung, an der sich alle hinreichend be- spontanes Streitgespräch zwischen den Teilnehmern/ teiligen können. Infolge meiner Vorerfahrungen aus Teilnehmerinnen anzuregen, ohne selber Stellung zu dem vorangegangenen Semester weiß ich, daß die beziehen. Teilnehmer/innen z.T. mit dem Impuls erscheinen, die 2. Phase: systematische Textbearbeitung in der Absicht Aussagen von Adorno aggressiv zurückzuweisen. So der Selbstreflexion gingen die einleitenden Statements der Studenten/ Die Zitate von Adorno werden Abschnitt für Abschnitt Studentinnen in folgende Richtungen: Adornos Aussa- besprochen, wobei ich sehr viel Wert darauf lege, daß gen seien veraltet, sie seien unverständlich, sie seien Adornos Aussagen ganz präzise geklärt werden. Wenn unsinnig. Ich gebe solchen Ressentiments am Anfang der Gehalt des jeweiligen Abschnittes erarbeitet ist, hinreichend Raum, da sie authentische Einstellungen gebe ich Raum für eine Pro- und Contra-Dis-[112] kus- widerspiegeln, deren Kenntnis geboten ist, um sie in sion, in der ich die Sichtweise Adornos verteidige. Die 196 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

Abschnitte 1 („Zur Defnition“) und 2 („Verweis auf wegung und meine eigene berufliche Entwicklung, die die Sprache“) haben nur eine vorbereitende Funktion, wesentlich durch Adorno geprägt wurde. Ich vermitt- im Mittelpunkt sollen die Abschnitte 3 – 7 stehen, ins- le diese Informationen bewußt erst am Ende dieses besondere die Abschnitte „die unbewußte Imago des Diskussionsabends – in den ich mit der Bereitschaft Kerkermeisters“ und „Agent der Entfremdung“. Die gehe, auch mehrere Stunden zu diskutieren -, um die zuletzt genannten Abschnitte bieten viele Möglichkei- Motivation der Teilnehmer/innen, sich mit den Aussa- ten, auf die eingangs dargelegte objektiv ambivalente gen Adornos offen und kritisch zu befassen, nicht zu Struktur des Lehrerberufs einzugehen, die als eine we- blockieren. sentliche Ursache für die in der Gesellschaft auffnd- baren Dimensionen der Abneigung gegen diesen Be- Anlagen: ruf anzusehen ist. Vermutlich werden die Teilnehmer Anlage 1 versuchen, sich z.B. der Aussage des 5. Abschnitts mit T E X T M O N T A G E zu dem Thema dem Hinweis zu entziehen, daß der Lehrer heute nicht „Dimensionen der Abneigung gegen den Lehrerberuf“. mehr der Prügler ist, der er z.B. im 18. Jahrhundert in Textgrundlage ist der Vortrag „Tabus über dem Lehr- Preußen war. An dieser Stelle ist es dann entscheidend, beruf“, den der Soziologe Theodor W. Adorno 1965 das Bild des Kerkermeisters mit Impulsen und Hinwei- gehalten hat (Quelle: Theodor W. Adorno, Erziehung sen zu aktualisieren: zur Mündigkeit. Vorträge und Gespräche mit Hellmut – was geschieht, wenn schulpflichtige Kinder nicht zur Becker 1965 – 1969, hrsg. von Gerd Kadelbach, Frank- Schule erscheinen? furt a. M. 1970) – welche Verbote sind für heutige Schulordnungen ty- 1. – Zur Definition pisch? ... bezeichnend für den gesamten Komplex, mit dem – über welche Mittel verfügen die Lehrer/innen, um ich mich beschäftigen möchte: die subjektiven Moti- Schüler zu disziplinieren? vationen der Abneigung gegen den Lehrberuf, und – inwieweit ist auch der heutige Schüler ein verwalte- zwar wesentlich die unbewußten. Das [114] meine tes Objekt, ohnmächtig der Institution Schule aus- ich mit Tabus: unbewußte oder vorbewußte Vorstel- geliefert? lungen der für diesen Beruf in Betracht Kommenden, – inwieweit ist folglich das Bild des Kerkermeisters aber auch der anderen, vor allem der Kinder selber, die überholt und aktuell zugleich? etwas wie ein psychisches Verbot über diesen Beruf In dem Maße, in dem die Schattenseite des Lehrerbe- verhängen, das ihn Schwierigkeiten aussetzt, über die rufs sichtbar wird, führt die Texterörterung in eine man sich selten recht klar wird. (S. 74) Kollision mit den idealisierten und narzißtisch besetz- 2. – Verweis auf die Alltagssprache ten Bildern, die Lehrerstudenten/Lehrerstudentinnen Oder: nicht nur im Deutschen sondern auch in ande- in der Regel von ihrem zukünftigen Beruf entworfen ren Sprachen fnden sich eine Reihe von herabsetzen- haben. Damit besteht die Chance, daß der Prozeß der den Ausdrücken für den Lehrberuf; im Deutschen der Textbearbeitung umschlägt in einen der Verunsiche- bekannteste wohl Pauker; vulgärer, und ebenfalls aus rung, der Möglichkeiten für eine realistische Identi- der Sphäre des Schlagzeugs stammend, Steißtromm- tätsfndung eröffnet und Raum gibt für eine Ausein- ler; englisch: schoolmarm für altjüngferliche, verdorr- andersetzung mit den bewußten oder unbewußten te, unfrohe und eingetrocknete Lehrerinnen. (S. 74) Motiven, die zu dieser Berufswahl geführt haben. Leit- Lehrer felen durch fragen für diese Phase der kritischen Selbstreflexion: HAMBURG, 25. September (AP). Die heutigen Lehrer – werde ich damit zurechtkommen, daß mir als Lehrer/ werden offenbar von ihren Schülern ebenso vernich- in auch Abneigung, Ablehnung und Vorurteile ent- tend beurteilt wie ihre Vorgänger. Die Zeitschrift „El- gegenprallen? [113] tern“, die jetzt die Antworten auf die Frage „Was ist – bin ich gewillt und in der Lage, mich mit den Zwän- typisch Lehrer?“ veröffentlichte, bekam kaum Positi- gen der Institution Schule zu identifzieren, Macht ves zu lesen. auszuüben, Schüler/innen zu disziplinieren usw.? Der 13 Jahre alte Georg meinte: „Lehrer sind ko- – bietet der Lehrerberuf hinreichende Chancen, jenen mische Typen. Ich glaube, sie sind nur deshalb Leh- Motiven nachzugehen, die meine Berufswahl be- rer geworden, weil sie sich unter Erwachsenen nicht stimmt haben? durchsetzen können.“ Die 14jährige Tanja hat vor al- 3. Phase: Informationen zu Adorno und zur Kritischen lem an der Sprache der Lehrer etwas auszusetzen. „Sie Theorie sprechen so dramatisch, als wären sie im Theater.“ Die Abschließend gebe ich Informationen zu Adorno – 13 Jahre alte Maria urteilte: „Immer kommt irgendet- seinem Leben und seinem Lebenswerk – sowie einen was Unangenehmes aus ihnen heraus: Hausaufgaben, kritischen und systematischen Überblick über die Kri- Schulnoten, Zeugnisse und Standpauken.“ tische Theorie, ihre Leistung für die Sozial- und Erzie- Mit den Spitznamen der Lehrer beschäftigte sich hungswissenschaften und ihre politische Bedeutung die 14jährige Katrin. „‚Ty- [115] pisch an Lehrern sind – hierbei nehme ich auch Bezug auf die Studentenbe- 197 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

ihre Spitznamen, sie heißen Kommahengst, Vokabel- armen Kinder, seine Opfer, einen Nachmittag lang ein- blase, Zeus, Piepmatz, Notensack und so weiter.“ sperren. (S. 77 – 78) (Frankfurter Rundschau v. 25.9.87) 5. – die unbewußte Imago des Kerkermeisters 3. – historische Verweise Hinter der negativen imago des Lehrers steht die des ... ist der Lehrer ein Erbe des Scriba, des Schreibers. Sei- Prüglers, ein Wort übrigens, das ebenfalls bei Kafka, ne Geringschätzung hat, wie ich andeutete, feudale im „Prozeß“, vorkommt. Ich halte diesen Komplex Wurzeln und ist aus dem Mittelalter und der frühen auch nach dem Verbot körperlicher Züchtigung für Renaissance zu belegen; so etwa im Nibelungenlied maßgebend mit Rücksicht auf die Tabus über dem Hagens Verachtung für den Kaplan als den Schwäch- Lehrberuf. Den Lehrer präsentiert diese imago als ling, der dann gerade der ist, der mit dem Leben da- den physisch Stärkeren, der den Schwächeren schlägt. vonkommt. Ritter, die so gelehrt sind, daß sie in den In jener Funktion, die ihm noch zugeschrieben wird, Büchern lesen, sind die Ausnahme; sonst hätte nicht nachdem sie offziell abgeschafft ist, während sie frei- Hartmann von der Aue jener Fähigkeit eigens sich ge- lich in manchen Landesteilen als Ewigkeitswert und rühmt. Hineinspielen mögen antike Erinnerungen an echte Bindung sich erhält, vergeht sich der Lehrer ge- den Lehrer als Sklaven ... gen einen alten, unbewußt sich forterbenden, sicher- Man könnte die Geringschätzung der Lehrer, jeden- lich von bürgerlichen Kindern bewahrten Ehrenkodex. falls in Deutschland, vielleicht auch in den angelsäch- Er ist sozusagen nicht fair, kein guter Sport... sischen Ländern, sicherlich in England, charakterisie- Zur Unfairness zwingt den Lehrer aber nicht nur bis ren als das Ressentiment des Kriegsmanns, das dann zu einem gewissen Grad sein Beruf ... Sondern er wird durch einen endlosen Identifkationsmechanismus dazu, und das halte ich für wesentlicher, von der Ge- in der Bevölkerung sich durchsetzt. Kinder haben ja sellschaft gezwungen. Wie sie nach wie vor im Grunde insgesamt eine starke Neigung, sich zu identifzieren auf physischer Gewalt beruht: ihre Ordnungen, wenn mit Soldatischem, wie man heute so schön sagt; ich es hart auf hart geht, nur durch physische Gewalt erinnere daran, wie gerne sie als Cowboys sich kostü- durchzusetzen vermag, sei diese Möglichkeit im vor- mieren, welche Freude es ihnen bereitet, mit Schieß- geblich normalen Leben noch so entfernt, so kann sie prügeln herumzulaufen. (S. 76 – 77) die Leistung der sogenannten zivilisatorischen Inte- 4. – der Lehrberuf im Vergleich mit anderen geistigen gration, welche die Erzie-[117]hung nach allgemeiner Berufen Doktrin besorgen soll, bis heute und unter den herr- Juristen und Ärzte, ebenfalls geistige Berufe, unterste- schenden Verhältnissen nur mit dem Potential phy- hen nicht jenem Tabu. Es sind aber heute freie Berufe. sischer Gewalt vollbringen. Diese physische Gewalt Sie unterliegen dem Konkurrenzmechanismus; zwar wird von der Gesellschaft delegiert und zugleich in mit materiell besseren Chancen, dafür aber nicht in den Delegierten verleugnet. Die, welche sie ausüben, eine Beamtenhierarchie vermauert und gesichert, und sind Sündenböcke für die, welche die Anordnung tref- solcher Unbeengtheit wegen höher eingeschätzt. Es fen. Das negativ besetzte Urbild – und ich spreche von deutet sich da ein sozialer Gegensatz an, der mögli- einer imagerie, von unbewußt wirksamen Vorstellun- cherweise viel weiter reicht; ein Bruch in der bürger- gen, nicht oder nur rudimentär von einer Realität -: lichen Schicht selber, wenigstens im Kleinbürgertum, das Urbild jener imagerie ist der Kerkermeister, mehr zwischen den Freien, die mehr verdienen, deren noch vielleicht der Unteroffzier. Ich weiß nicht, wie- Einkommen aber nicht garantiert ist, und die eines weit es den Tatsachen entspricht, daß im siebzehnten gewissen Airs von Kühnheit, von Ritterlichkeit sich und achtzehnten Jahrhundert ausgediente Soldaten [116] erfreuen mögen, und andererseits den pensi- als Volksschullehrer bestellt wurden. Jedenfalls ist die- onsberechtigten Festangestellten und Beamten, die se Populärvorstellung für die imago des Lehrers un- man zwar wegen ihrer Sekurität beneidet, jedoch als gemein charakteristisch. Soldatisch klingt jenes Wort Amts- und Bürohengste, mit festen Arbeitszeiten und Steißtrommler ... (S. 80 – 81) Leben nach der Ochsentour, über die Achsel ansieht. Ein „Musterpädagog“ (18. Jahrh.). Dagegen wiederum ist an Richter und Verwaltungsbe- Aus Basedows Pädagog. Unterhaltungen. Abgedruckt amte einige reale Macht delegiert, während man die in: H. Scheube, Aus den Tagen unserer Großväter. der Lehrer als eine über solche, die nicht als voll gleich- Berlin 1873. berechtigte Rechtssubjekte gelten, nämlich Kinder, im Während der 51 Jahre u. 7 Monate seiner Amtsführung öffentlichen Bewußtsein wahrscheinlich nicht ernst hat derselbe nach mäßiger Berechnung ausgeteilt: nimmt. Die Macht des Lehrers wird verübelt, weil 911527 Stockschläge, 124010 Rutenhiebe, 20989 Klap- sie die wirkliche Macht nur parodiert, die bewundert se und Pfötchen mit dem Lineal, 136715 Handschmis- wird. Ausdrücke wie Schultyrann erinnern daran, daß se. 10235 Maulschellen, 7905 Ohrfeigen, 1115800 der Typus von Lehrer, den sie festnageln, sowohl irrati- Kopfnüsse und 22763 Notabenes mit Bibel, Katechis- onal despotisch sei wie nur das Zerrbild von Despotie, mus, Gesangbuch und Grammatik. 777 Mal hat er Kna- weil er ja nicht mehr anrichten kann, als irgendwelche ben auf Erbsen knien lassen und 613 auf ein dreieckig Holz, 5001 mußten Esel tragen und 1707 die Rute hoch 198 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

halten, einiger nicht so gewöhnlicher Strafen, die er nur durch seine Verkitschung in dem Film „Der blaue zuweilen im Falle der Not aus dem Stegreif erfand, Engel“ kennen. Der Schultyrann, dessen Sturz den In- zu geschweigen. Unter den Rutenhieben sind 76000 halt des Romans bildet, ist in dem Roman nicht, wie für bibl. Sprüche und Verse aus dem Gesangbuch. in dem Film, mit dem ominösen goldenen Humor ver- Schimpfwörter hatte er etwas über 3000, davon ihm klärt. Er verhält sich tatsächlich der Dirne, der von ihm sein Vaterland ungefähr zwei Drittel geliefert hatte, so genannten Künstlerin Fröhlich gegenüber genauso ein Drittel aber von eigener Erfndung war. [118] wie seine Gymnasiasten. Er gleicht ihnen, wie Hein- 6. – Agent der Entfremdung rich Mann an einer Stelle ausdrücklich sagt, seinem Dazu kommt ein soziales Moment, das fast unaufheb- ganzen seelischen Horizont und seiner Reaktionsform bare Spannungen bedingt. Das Kind wird, oft übrigens nach: ist eigentlich selber ein Kind. Die Mißachtung bereits im Kindergarten, aus der primary community, des Lehrers hätte demnach auch den Aspekt, daß man aus unmittelbaren, hegenden, warmen Verhältnissen ihn, weil er in eine Kinderwelt eingespannt ist, die ent- herausgerissen und erfährt an der Schule jäh, schock- weder ohnehin die seine ist oder der er sich anpaßt, haft zum ersten Mal Entfremdung; die Schule ist für nicht ganz als Erwachsenen betrachtet, während er die Entwicklung des Einzelmenschen fast der Proto- ein Erwachsener ist und seine Ansprüche aus seinem typ gesellschaftlicher Entfremdung überhaupt. Die Erwachsensein ableitet. (S. 82 – 83) altbürgerliche Sitte, daß der Lehrer am ersten Tag sei- ne Zöglinge mit Brezeln beschenkt, verrät die Ahnung Zur Praxis der 8. Sitzung (Dauer: 150 davon: sie sollte den Schock mildern. Agent dieser Minuten) Entfremdung ist die Lehrerautorität und die negative Der Diskussionsabend fand in meiner Wohnung statt. Besetzung der imago des Lehrers die Antwort darauf. Fünf oder sechs Studenten/Studentinnen hatten ihr Die Zivilisation, die er ihnen antut, die Versagungen, Erscheinen angekündigt, es erschienen: Katja, Ute und die er ihnen zumutet, mobilisieren in den Kindern au- Christiane. Anja entschuldigte sich telefonisch – sie tomatisch die imagines des Lehrers, die im Lauf der sei erkrankt. (Im vorangegangenen Semester erschie- Geschichte sich angehäuft haben ... (S. 86) nen zu dieser freiwilligen Abendveranstaltung fünf Studentinnen.) Sicherlich war ich einen Moment lang enttäuscht, daß nicht fünf oder sechs, sondern nur drei Studen- tinnen auf dieses Angebot eingingen. Andererseits folgte dann ein derart intensives Fachgespräch – über 2 1/2 Stunden und ohne jede Ermüdungserscheinung -, [120] daß dieser Abend von mir und vermutlich auch von allen Teilnehmerinnen als ein besonders gelunge- nes Bildungserlebnis „verbucht“ wurde, das qualitativ weitaus mehr bot als die normalen Seminarsitzungen an der Universität. Im nachhinein erschien mir diese Abenddiskussion als ein Vorschein auf das, was der Utopie nach Bildung sein kann: ein gemeinsames Ver- senken in die Sache, mit Herz und Intellekt dabeisein, streiten mit Leidenschaft, aber in Freundschaft – und darüber die Zeit vergessen. Ich muß jedoch dafür um Verständnis bitten, daß ich mich überfordert sehe, diesen engagierten und lange dauernden Diskussionsprozeß, an dem sich alle durchgehend und intensiv beteiligten, inhaltlich 7. – Verweise auf Infantilität präzise nachzuzeichnen. Mit Sicherheit kann ich je- In den Romanen und Stücken aus der Zeit um 1900, doch sagen, daß dieses Fachgespräch detailliert der welche die Schule kritisieren, erscheinen die Lehrer Planung folgte, von mir systematisch gelenkt wurde, vielfach als erotisch besonders repressiv, so bei We- die Teilnehmerinnen hinreichend Raum hatten, sich dekind; als verkrüppelt gerade auch als Geschlechts- einzubringen, und wir am Ende mit dem befriedigen- wesen. Dies Bild des quasi Kastrierten, wenigstens den Gefühl auseinandergingen, intensiv gearbeitet zu erotisch Neutralisierten, nicht frei Entwickelten; das haben und uns zugleich menschlich nähergekommen von Menschen, die in der erotischen Konkurrenz nicht zu sein. zählen, deckt sich mit der wirklichen oder vermeintli- In der ersten Phase äußerten sich zunächst alle sehr chen Infantilität des Lehrers. Ich möchte hinweisen negativ über diesen Text. Ich notierte die folgenden auf den sehr bedeutenden Roman „Professor Unrat“ Äußerungen: von Heinrich Mann, den die meisten wahrscheinlich – „lch fnde ihn sehr brutal, sehr negativ.“ 199 Tilman Grammes Journal of Social Science Education Wiedergelesen (Dokumentation) Volume 8, Number 2, 2009, pp. 176–201

– „Ich hin sehr erstaunt und distanziert.“ Zum Verhältnis von Wissenschaftsbetrieb und Wissen- - „Alles nur aus einer Richtung gesehen, alles zu nega- schaft tiv.“ Geleitwort Ich kommentierte diese Einschätzungen nicht. Friedrich O. Merckwürden In der zweiten Phase relativierte sich die Abwehr I. Veranstaltungsbericht und die Kritik gegenüber diesem Text zusehends. Wir Deutsamkeit oder Jedermanns-Wissenschaft – Ein Di- gingen die Textmontage abschnittweise durch, sehr lemma des Wissenschaftsbetriebs? langsam und sorgfältig. Viele Sätze Adornos wurden Symposium im Institut für Wissenschaftsbetriebsleh- detailliert interpretiert und ausführlich reflektiert. re an der Universität zu Köln Allmählich erschloß sich den Teilnehmerinnen die Prä- Siegfried Blauaug . zision der Sprache Adornos und der inhaltliche Reich- II. Beiträge zur Wissenschaftbetriebslehre tum seiner Ausführungen. Die erwartete Einschätzung Kontrastive Selbstdarstellung der Studentinnen, daß insbesondere der Vergleich des Kompetitive Proflierung im Wissenschaftsbetrieb Lehrers mit dem Kerkermeister veraltet sei, konnte Max Umtrieb, Rüdiger Wieselhuber, Fritz Flinck ich mit den vorbereiteten Impulsen und [121] Fragen Wunderlichs Sisyphus hinreichend korrigieren. Die Auseinandersetzung mit Zum gegenwärtigen Stand der Sitzungsbetriebslehre dem 5. Abschnitt führte damit dazu, daß die objektiv Theodor O. Salbaderer ambivalente Struktur des Lehrerberufs sichtbar wurde. Das Rad neu erfnden Der Prozeß der Textreflexion schlug um in einen der Zur wissenschaftsbetrieblichen Funktion der nachvoll- kritischen Selbstreflexion, der von mir mit Hilfe der ziehenden Erfndung vorbereiteten Leitfragen gesteuert wurde. Die Teil- Salome Halb-Unschuld nehmerinnen fanden viel Raum und in der entspann- Die Zukunft für die Gegenwart nutzen ten und intimen Atmosphäre, die ein Wohnzimmer Zur gesellschaftlichen Funktion des Prognosewesens ausstrahlt, auch den Mut, sich, d.h. ihre Erfahrungen, Erwin Fadenschein Wünsche und Ängste in bezug auf den gewählten Beruf Das Große Mysterium hinreichend einzubringen. Das Gespräch verdichtete Zur Rationalität von Berufungsverfahren sich, es wurde mit zunehmender persönlicher – auch Oliver E.Kreuch emotionaler – Betroffenheit weitergeführt. III. Berichte aus dem Wissenschaftsbetrieb Nach zwei Stunden und zwanzig Minuten der Das Podium, das die Welt bedeutet Textbearbeitung und Selbstreflexion gab ich noch Neue Entwicklungen im Kongreßbetrieb das vorbereitete Statement zu Adorno und zur Kri- Phoebe Gschaftler tischen Theorie ein. Ich schließe nicht aus, daß die Die Köpfe des Modigliani Teilnehmerinnen diesen Kurzvortrag nur noch teilwei- Authentizität durch Expertise se aufnehmen konnten. Aber ich wollte darauf nicht Massimo Dilletantini verzichten, weil ich inzwischen registriert hatte, daß Der Aufwand heiligt die Mittel die Studentinnen keinerlei Informationen zu Adorno Einige Vorschläge zur Sanierung des Projektgewerbes bzw. der Kritischen Theorie besaßen. Am Ende dieses Hasso von dem Kalck Diskussionsabends bat ich noch um eine Rückmel- Von der Irritation zur Selbstbestätigung dung. Alle bestätigten, daß sich die Sicht des Textes Auswirkungen des Professorenrankings wesentlich geändert und es sich gelohnt habe, ihn zu Michael Meier diskutieren. Von der Fiktion zum Schein Zum Stand der Universitätsreform Wir danken dem Autor für die freundliche Genehmi- Heinz-Hermann Harmlos gung zum „Nachdruck“ dieses Textes im Internet. IV. Festreden Das Original ist erschienen in: Janssen, Bernd. 1989. Wissenschaft als Zitat Pädagogik lehren und erfahren: ein Praxisbericht über Festrede zur Eröffnung des Instituts für Zitierbe- die Chancen der akademischen Lehre. Hannover: Fach- triebswirtschaft (IZB) an der Universität Bielefeld am bereich Erziehungswissenschaften I der Universität 16. März 1989 Hannover. http://bernd.janssen.phil.uni-hannover.de/ Gregor Ableiter Sprache als Identität 6. Wunderlich, Otto (Pseudonym): Laudatio auf Prof. Jost Überall anläßlich der Verlei- Entfesselte Wissenschaft. Beiträge zur hung des Äh-Preises des Kuratoriums „Das akademi- Wissenschaftsbetriebslehre sche Wort“ Inhaltsverzeichnis Bramarbas Posauner Vorbemerkung V. Interview Entfesselte Wissenschaft – fröhliche Wissenschaft Das Selbstverständliche verständlich machen

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Gespräch mit Prof. Dr. h.c. mult., Dr. rer.pol. Erich Zas- ter Felix Sonderling Vl. Der Wissenschaftsdialog Im Feld Ein Mehrebenengespräch Gottlieb Staunerl Autokommunikation und Be-Sozialisierung Prolegomina zur Jugenddeutologie Frieda Ehrfurcht-Danck Aus: Wunderlich, Otto (Pseudonym), Hg. 1993. Ent- fesselte Wissenschaft. Beiträge zur Wissenschaftsbe- triebslehre. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Um die Texte zitierfähig zu machen, sind die Seiten- wechsel der Originale in eckigen Klammern angege- ben, z. B. [/S. 53:].

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