Deutschland NICOLE MASKUS NICOLE CDU-Chefin Merkel, Rivalen Wulff, Koch*: Die Vorsitzende weiß genau, an welchem Punkt die beiden immer wieder zueinander finden

den besten Kanzlerkandidaten für die UNION CDU, brandet Beifall auf. „Das ist alles sehr schön“, sagt der niedersächsische Mi- nisterpräsident. Es soll bescheiden klingen. Duell der Kohl-Erben Roland Koch war lange der Mann, von dem man glaubte, er werde die CDU-Che- Ihren Aufstieg in der Partei haben die christdemokratischen fin vom Thron stoßen. Er ist fest in seiner Partei verwurzelt, er kann Ministerpräsidenten und Roland Koch die christdemokratische Klientel mitreißen, als Verbündete begonnen. Heute belauern die beiden einander. er ist ein guter Redner und ein scharfer Analytiker. Doch als Gesicht der Zukunft s ist Mittwochnachmittag – Roland tinger hat seinen ersten großen Auftritt. Er wird zurzeit der Konkurrent aus Hannover Koch steht in der deutschen Bot- müht sich vergebens, das Publikum in Stim- gehandelt. Eschaft in Washington und versucht, mung zu bringen. Der Star des Abends ist Es gibt Umfragen, denen zufolge Wulff irgendetwas zu sagen, was zu Hause in ein Politiker, der nach ihm aufs Podium tritt. der beliebteste Politiker in Deutschland ist. Deutschland für eine Nachricht sorgen Christian Wulff ist braun gebrannt und Vor wenigen Jahren noch galt er selbst bei könnte. Gerade hat er im Weißen Haus prima gelaunt. Er lächelt viel, ihm fliegen den eigenen Leuten als ewiger Verlierer. 35 Minuten mit Dick Cheney gesprochen. die Herzen des Publikums zu. Als der Mo- Jetzt ist auf einmal die Vorstellung nicht Es ging um die internationalen Handels- derator sagt, die Deutschen sähen in ihm mehr abwegig, er könne irgendwann zum beziehungen, um China und Europa. Kanzler aufsteigen. „Es war ein sehr ernsthafter, vernünf- UMFRAGE: UNIONS-KANZLERKANDIDAT Koch und Wulff haben sich vor langer tiger Meinungsaustausch“, sagt der Deut- Zeit auf den Weg nach oben gemacht. Sie sche. Cheney ist Vizepräsident der Welt- sind Mitglieder des Andenpakts, des mäch- macht USA, Koch nur Ministerpräsident in „Welcher Unionspolitiker bringt tigsten Männerbundes in der CDU. Sie be- Hessen. So gesehen ist der Tag gut gelaufen. am ehesten die Voraussetzungen zeichnen sich als Freunde. Sie haben sich Vor zwei Jahren hatte der Christdemo- mit, um bei der nächsten Bundes- geschworen, niemals gegeneinander zu krat schon einmal in Cheneys Büro geses- tagswahl 2006 als Kanzlerkandi- kandidieren. Doch je weiter sie kommen, sen. Damals war plötzlich George W. Bush dat gegen Gerhard Schröder desto schwerer fällt es ihnen, sich an das in die Tür getreten, um Koch die Hand anzutreten?“ Versprechen zu halten. Sie sind an einem zu schütteln. Es sah so aus, als wollte der CDU/CSU- Punkt angelangt, wo der nächste Karriere- US-Präsident den seinerzeit hoch im Kurs Gesamt Anhänger schritt nur möglich ist, wenn der andere stehenden Politiker endlich kennen lernen. 38 zurückbleibt. Und heute? Natürlich sind 35 Minuten Christian Wulff 34% Dass dem wechselseitigen Belauern noch allein mit dem zweitmächtigsten Mann der kein offener Schlagabtausch gefolgt ist, einzig verbliebenen Supermacht auch ein 22% Angela Merkel 25 liegt auch daran, dass es in der CDU ge- Erfolg, aber niemand scheint sich dafür genwärtig keine Macht zu verteilen gibt. zu interessieren. Kochs Washington-Be- Angela Merkel wird Kanzlerkandidatin such bleibt weitgehend unbeachtet. 17% 21 werden. Sie ist aus Sicht von Wulff und Es ist Mittwochabend, 19 Uhr – im Foyer Koch eine Art historischer Betriebsunfall – der Stuttgarter Landesbank drängen sich 10% Roland Koch 10 und zudem eine Vorsitzende, die von der die Honoratioren. Der neue baden-würt- Partei nicht geliebt wird. Beide Minister- tembergische Regierungschef Günther Oet- TNS Infratest für den SPIEGEL vom 21. und 22. März; präsidenten sehen sich als die eigentlichen, rund 1000 Befragte; an 100 fehlende Prozent: „keiner der Genannten“, „weiß nicht“/keine Angabe legitimen Nachfolger Helmut Kohls. Also * Beim CDU-Parteitag in Düsseldorf im Dezember 2004. geht es jetzt zumindest darum, Ansprüche

28 der spiegel 19/2005 Deutschland zu begründen und Rollen festzulegen. Wer ferisch. Ginge es nur nach Sympathiewer- Meister der Kunst, Effekte auf der Neben- soll die Partei führen, falls die Kandidatin ten, würde er keine Wahl gewinnen. bühne zu erzielen. Und er versucht vorzu- die Wahl verliert? Anders als Wulff machte Koch zu keiner führen, dass er besser weiß, wie man gegen Ein Abend, Mitte Dezember, in Berlin: Zeit einen Hehl aus seinen Ambitionen. den Kanzler Politik macht. Vier Freunde aus Junge-Union-Zeiten sit- „Ich habe den Hessen nie versprochen, Es läuft im Augenblick nicht gut für zen in Kochs Wohnung in der hessischen dass ich mein Leben lang Ministerpräsi- Koch. „Der Roland ist frustriert“, sagt ein Landesvertretung: neben dem Hausherrn dent bleiben will“, sagte er bereits während Parteifreund, der mit beiden gut kann. Es der Rivale Wulff, der saarländische Minis- seiner ersten Amtszeit und positionierte gibt Sticheleien, kleine Nickligkeiten. terpräsident Peter Müller und der Ham- sich zielstrebig als Gegenspieler Angela In der hessischen CDU verübelt man burger Bürgermeister . Die Merkels: hart und klar in der Sache, nicht Wulff, dass er auf dem Bundesparteitag im Herren diskutieren über die Föderalismus- so wolkig wie damals die Vorsitzende. vergangenen Dezember seine Leute nicht reform. Alle wollen mehr Macht für die Doch er überreizte sein Blatt. Nach dem genügend für Koch mobilisiert habe. Der Länder in der Bildungspolitik. Aber Koch von Merkel ausgehandelten Gesundheits- erhielt bei den Vorstandswahlen nur 72,4 ist kompromissbereit bei Prozent der Delegiertenstimmen, Wulff den anderen Themen. stolze 86,9 Prozent. Koch hatte seine Leu- „Wenn der Bund sich bei te auf Wulff eingeschworen. der Bildung bewegt, be- Im Kreise von Vertrauten spottet der kommen wir es hin“, sagt er Christdemokrat aus Wiesbaden über den – doch Wulff denkt darüber Populismus des Amtskollegen. Er hofft, anders: „Das bringt alles dass sich diese Masche gegen den Konkur- nichts mehr.“ Der Nieder- renten wenden wird. „Am Ende gucken sachse fürchtet Nachteile für die Leute, wer in der Sache standhaft sein Land; ihn nervt auch, bleibt“, macht er sich Mut. Den Namen wie sich der bayerische Kol- Wulff erwähnt er dabei nicht. lege Edmund Stoiber als Der angeblich sanfte Wulff ist da weni- Großreformer aufplustert. ger zimperlich. Über die Eliteförderung Am nächsten Tag sind habe man sich nicht geeinigt, „weil Koch die Verhandlungen offiziell sonst sein Gesicht verloren hätte“, ver- gescheitert, aber in den breitete er. Den Kompromiss in der Fö-

Medien ist nicht Wulff der / DDP JOCHEN LUEBKE deralismuskommission über die Finanzbe- Hauptschuldige, sondern Ministerpräsident Wulff: „Das ist alles sehr schön“ ziehungen zwischen Bund und Ländern Koch. Die Rollen sind seit kritisierte Wulff heftig. Er längerem klar verteilt: Der Bösewicht ist war von Koch ausgehandelt immer Koch, während Wulff sympathisch worden. und offen wirkt. In den Jahren davor, als Der versucht das er bei niedersächsischen Landtagswahlen Image des konservativen zweimal gegen Gerhard Schröder verlor, Hardliners loszuwerden. Im hat ihn das Image des braven Schwieger- Präsidium redet er immer sohns belastet. Jetzt nutzt es ihm. nur strikt zur Sache. Nie- Und Wulff kokettiert damit: „Mir fehlt mand soll auf die Idee kom- der unbedingte Wille zur Macht“, sagt er men, er arbeite immer noch auf die Frage, ob er Kanzlerkandidat wer- gegen Merkel. Als unnach- den wolle. Dabei ist in ihm der Hunger giebig zeigt er sich nur noch, nach Macht seit dem Sieg bei der Nieder- wenn es um Landesinteres- sachsen-Wahl im Frühjahr 2003 erst richtig sen geht. Im Streit um die erwacht. „Selbst sein Gang hat sich seit- Eliteförderung etwa einte er her verändert“, sagt ein langjähriger Weg- die CDU-Ministerpräsiden-

gefährte. / AP TINA HAGER ten gegen den Bund. Er genießt es, dass ihm jetzt Leute Re- US-Vizepräsident Cheney, Besucher Koch: Gut gelaufen? „Koch ist extrem kon- spekt erweisen, die früher auf ihn herab- struktiv“, lobte kürzlich sahen. Kürzlich schrieb er einen Brief an kompromiss mit der Regierung lästerte er, selbst ein Vertrauter Merkels. „Das war Stoiber, in dem er dessen Verhandlungs- eine Opposition sei „nicht zum Ja-Sagen an- schon mal anders“, knurrte die Vorsitzen- führung bei den Föderalismusgesprächen gestellt“. Dafür vereinbarte er mit dem nord- de – aber auch sie hat die Veränderung re- kritisierte und anmahnte, künftig besser rhein-westfälischen Ministerpräsidenten Peer gistriert. informiert zu werden. Steinbrück eine Streichliste für Subventio- „Wer glaubt, ich würde mich mit Chris- Der Saal an der University of Wisconsin nen. In der entscheidenden CDU-Präsidi- tian Wulff um eine Führungsposition zer- in Madison ist gut gefüllt. An der Tür hängt umssitzung wollte er Merkels Favoriten Horst streiten, der irrt sich“, sagt der Hesse. Er ein Plakat, das Roland Koch im Gespräch Köhler als Bundespräsident verhindern. baut darauf, dass die CDU im Lauf der mit George W. Bush zeigt. Es geht um die So viel offenen Widerstand gegen die Zeit merken wird, wer besser ist. ganz großen Fragen: das Verhältnis Europas Vorsitzende nahm die Partei ihm übel. Im Übrigen halten es beide für möglich, zu den USA, die neue Weltordnung. Der Selbst Gegner Merkels fanden, er sei zu dass sie einander vielleicht bald schon Politiker aus Wiesbaden hält seine Rede auf weit gegangen. Koch stürzte in der CDU- wieder als Verbündete brauchen. Auch Englisch. Am Ende gibt es viel Beifall. internen Beliebtheitsskala ab – während Merkel weiß genau, an welchem Punkt Kochs Ruf speist sich aus solchen Auf- Wulff dazulernte. Koch und Wulff immer wieder zueinander tritten. Er versteht etwas von der Sache, er Er profiliert sich, stellt sich aber nicht finden werden. Wenn sie selbst bei der kann sich auf nationaler und internationa- offen gegen Merkel. Er kündigte den Rück- Bundestagswahl gut abschneide, sagte ler Bühne bewegen. Stilistisch verkörpert zug Niedersachsens aus der Kultusminis- sie neulich im kleinen Kreis, „werden er das Gegenmodell zu Wulff: ein selbster- terkonferenz an und forderte die Revision sie wieder wunderbar miteinander harmo- nannter „Rauhbauz“, aggressiv und kämp- der Rechtschreibreform. Wulff ist ein nieren“. Ralf Neukirch, Christoph Schult

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