Plenarprotokoll 824

BUNDESRAT Stenografischer Bericht 824. Sitzung

Berlin, Freitag, den 7. Juli 2006

Inhalt:

Amtliche Mitteilungen ...... 203 A Beschluss zu a): Kein Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG ...... 247*D Zur Tagesordnung ...... 203 B Beschluss zu b): Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. 1 GG ...... 248*A 1. Gesetz über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2006 (Haushaltsgesetz 2006) (Drucksache 4. Investitionszulagengesetz 2007 (InvZulG 435/06) ...... 223 A 2007) (Drucksache 407/06) ...... 228 D Michael Breuer (Nordrhein-West- Rainer Wiegard (Schleswig-Hol- falen) ...... 247*C stein) ...... 250*A

Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77 Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 105 Abs. 2 GG ...... 223 A Abs. 3 und Art. 108 Abs. 5 GG ....248*A

2. Gesetz zur Fortentwicklung der Grund- 5. Gesetz über die Errichtung einer sicherung für Arbeitsuchende (Druck- Bundesanstalt für den Digitalfunk der sache 404/06) ...... 223 B Behörden und Organisationen mit Günther H. Oettinger (Baden- Sicherheitsaufgaben (BDBOS-Gesetz – Württemberg) ...... 223 B BDBOSG) (Drucksache 408/06) .... 228 D Volker Hoff (Hessen) ...... 224 C Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 Franz Müntefering, Bundesminister Abs. 1 GG ...... 248*A für Arbeit und Soziales ..... 226 A Geert Mackenroth (Sachsen) ...247*C 6. Gesetz zur Änderung personenbeför- derungsrechtlicher Vorschriften und Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 arbeitszeitrechtlicher Vorschriften für Abs. 1 GG – Annahme einer Entschlie- Fahrpersonal (Drucksache 409/06 [neu]) 229 A ßung ...... 228 C, D Dr. Michael Freytag () 229 A, 250*C 3. a) Gesetz über die Bereinigung von Bun- desrecht im Zuständigkeitsbereich des Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 Bundesministeriums für Arbeit und Abs. 1 GG ...... 229 B Soziales und des Bundesministeriums für Gesundheit (Drucksache 405/06) 7. Gesetz zur Einführung einer Grundqua- lifikation und Weiterbildung der Fahrer b) Erstes Gesetz über die Bereinigung im Güterkraft- oder Personenverkehr von Bundesrecht im Zuständigkeits- (Drucksache 410/06) ...... 228 D bereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 (Drucksache 406/06) ...... 228 D Abs. 1 GG ...... 248*A

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8. Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Beschluss zu 13: Stellungnahme gemäß Normenkontrollrates (Drucksache 411/ Art. 76 Abs. 2 GG ...... 234 C 06) ...... 229 B Beschluss zu 27: Kenntnisnahme .... 234 C Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden- Württemberg) ...... 229 B, 251*C 14. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Än- Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77 derung des Gesetzes zur Verbesserung Abs. 2 GG – Annahme einer Entschlie- der personellen Struktur beim Bundes- ßung ...... 229 C eisenbahnvermögen und in den Unter- nehmen der Deutschen Bundespost – ge- mäß Artikel 76 Abs. 2 Satz 4 GG – 9. Erstes Gesetz zum Abbau bürokratischer (Drucksache 399/06) ...... Hemmnisse insbesondere in der mittel- 234 C ständischen Wirtschaft (Drucksache 436/ Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76 06) ...... 228 D Abs. 2 GG ...... 234 D Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden- Württemberg) ...... 250*C 15. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungs- Abs. 1 GG ...... 248*A gesetz – VÄndG) (Drucksache 353/06) . 234 D

10. Gesetz zu dem Europäischen Überein- Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76 kommen vom 6. November 2003 über Abs. 2 GG ...... 235 A den Schutz von Tieren beim internatio- nalen Transport (revidiert) (Drucksache 16. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung 403/06) ...... 228 D des Bundesdisziplinargesetzes, des Bun- desbeamtengesetzes und weiterer Ge- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 setze (Drucksache 354/06) ...... 228 D Abs. 1 GG ...... 248*A Beschluss: Keine Einwendungen gemäß 11. Entwurf einer … Verordnung zur Ände- Art. 76 Abs. 2 GG ...... 248*B rung straßenverkehrsrechtlicher Vor- schriften – gemäß Artikel 80 Abs. 3 GG 17. Entwurf eines Gesetzes zur Auflösung – Antrag der Freien und Hansestadt der Unabhängigen Kommission zur Hamburg – (Drucksache 396/06) .... 230 C Ermittlung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der Deut- Beschluss: Die Vorlage wird der Bundes- schen Demokratischen Republik (Druck- regierung nicht zugeleitet ...... 230 C sache 355/06) ...... 228 D Beschluss: 12. Entschließung des Bundesrates zur Än- Keine Einwendungen gemäß ...... derung der Neuregelung des Fälligkeits- Art. 76 Abs. 2 GG 248*B termins für Sozialabgaben – Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen, Baden- 18. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung Württemberg gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – des Überstellungsausführungsgesetzes (Drucksache 430/06) ...... 230 D und des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Drucksache Michael Breuer (Nordrhein-West- 356/06) ...... 228 D falen) ...... 256*A Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76 Mitteilung: Überweisung an die zustän- Abs. 2 GG ...... 248*C digen Ausschüsse ...... 230 D 19. Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Ände- 13. Entwurf eines Gesetzes zur Einführung rung des Erneuerbare-Energien-Geset- des Elterngeldes (Drucksache 426/06) zes (Drucksache 427/06) ...... 235 A Christa Thoben (Nordrhein-West- in Verbindung mit falen) ...... 235 A

27. Siebter Familienbericht – Familie zwi- Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76 schen Flexibilität und Verlässlichkeit – Abs. 2 GG ...... 235 D Perspektiven für eine lebenslaufbezo- gene Familienpolitik 20. Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Ände- und rung des Allgemeinen Eisenbahngeset- Stellungnahme der Bundesregierung zes – gemäß Artikel 76 Abs. 2 Satz 4 GG – (Drucksache 292/06) ...... 234 B (Drucksache 357/06) ...... 228 D Michael Breuer (Nordrhein-West- Beschluss: Keine Einwendungen gemäß falen) ...... 256*C Art. 76 Abs. 2 GG ...... 248*B Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 III

21. Entwurf eines Gesetzes über die Weiter- 28. a) Tätigkeitsbericht 2004/2005 der Bun- verwendung von Informationen öffentli- desnetzagentur für Elektrizität, Gas, cher Stellen (Informationsweiterverwen- Telekommunikation, Post und Eisen- dungsgesetz – IWG) (Drucksache 358/06) 228 D bahnen – Bericht nach § 121 Abs. 1 Te- lekommunikationsgesetz und § 47 Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76 Abs. 1 Postgesetz Abs. 2 GG ...... 248*C und Sondergutachten der Monopolkom- 22. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung mission gemäß § 121 Abs. 2 Telekom- telekommunikationsrechtlicher Vorschrif- munikationsgesetz und gemäß § 44 ten (Drucksache 359/06) ...... 235 D Postgesetz i.V.m. § 81 Abs. 3 Telekom- munikationsgesetz (a.F.) – gemäß Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76 § 121 Abs. 1, 2 TKG und §§ 44, 47 Abs. 2 GG ...... 236 A Abs. 1 PostG – (Drucksache 863/05) . 228 D

23. Entwurf eines Gesetzes zu dem Überein- b) Stellungnahme der Bundesregierung kommen Nr. 170 der Internationalen Ar- zum Tätigkeitsbericht 2004/2005 der beitsorganisation vom 25. Juni 1990 über Bundesnetzagentur für Elektrizität, Sicherheit bei der Verwendung chemi- Gas, Telekommunikation, Post und scher Stoffe bei der Arbeit (Drucksache Eisenbahnen 361/06) ...... 228 D und zu den Beschluss: Keine Einwendungen gemäß Sondergutachten der Monopolkom- mission „Wettbewerbsentwicklung bei Art. 76 Abs. 2 GG ...... 248*B der Telekommunikation 2005: Dyna- mik unter neuen Rahmenbedingun- 24. Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag gen“ sowie „Wettbewerbsentwick- vom 25. April 2005 über den Beitritt der lung bei der Post 2005: Beharren auf Republik Bulgarien und Rumäniens zur alten Privilegien“ – gemäß § 121 Europäischen Union (Drucksache 360/06) 236 B Abs. 3 TKG und § 81 TKG a.F. und Karin Schubert (Berlin) ...... 236 B §§ 44, 47 Abs. 1 PostG – (Drucksache ...... Michael Breuer (Nordrhein-West- 331/06) 239 A falen) ...... 237 A Beschluss zu a): Kenntnisnahme ....248*D Günter Gloser, Staatsminister im Beschluss zu b): Stellungnahme .... 239 B Auswärtigen Amt ...... 238 A Dr. Beate Merk (Bayern) .....256*D 29. Vorschlag für eine Verordnung des Euro- päischen Parlaments und des Rates über Hermann Winkler (Sachsen) .... 257*D die Haftung von Beförderern von Rei- Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76 senden auf See und im Binnenschiffsver- Abs. 2 GG ...... 239 A kehr bei Unfällen – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksache 174/06) .... 228 D 25. Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkom- Beschluss: Stellungnahme ...... 249*A men vom 12. August 2004 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der 30. Grünbuch der Kommission der Europäi- Republik Ghana zur Vermeidung der schen Gemeinschaften über die Kompe- Doppelbesteuerung und zur Verhinde- tenzkonflikte und den Grundsatz ne bis rung der Steuerverkürzung auf dem Ge- in idem in Strafverfahren – gemäß §§ 3 biet der Steuern vom Einkommen, vom und 5 EUZBLG – (Drucksache 53/06) .. 228 D Vermögen und vom Veräußerungsge- Beschluss: Stellungnahme ...... 249*A winn (Drucksache 362/06) ...... 228 D Beschluss: Keine Einwendungen gemäß 31. Grünbuch der Kommission der Europäi- Art. 76 Abs. 2 GG ...... 248*B schen Gemeinschaften: Europäische Transparenzinitiative – gemäß §§ 3 und 5 26. Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkom- EUZBLG – (Drucksache 349/06) .... 239 B men vom 26. Oktober 2004 zwischen der Beschluss: Stellungnahme ...... 239 C Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen 32. Geänderter Vorschlag für eine Verord- Eidgenossenschaft über die Assoziierung nung des Rates zur Änderung der Ver- dieses Staates bei der Umsetzung, ordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 Anwendung und Entwicklung des über die Haushaltsordnung für den Ge- Schengen-Besitzstands (Drucksache 363/ samthaushaltsplan der Europäischen 06) ...... 228 D Gemeinschaften – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksache 390/06) .... 239 C Beschluss: Keine Einwendungen gemäß Art. 76 Abs. 2 GG ...... 248*B Beschluss: Stellungnahme ...... 239 C IV Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

33. Grünbuch der Kommission der Europäi- 40. Verordnung zur Durchführung des schen Gemeinschaften über die Tierische Nebenprodukte-Beseitigungs- Unschuldsvermutung – gemäß §§ 3 und 5 gesetzes (Tierische Nebenprodukte- EUZBLG – (Drucksache 348/06) .... 228 D Beseitigungsverordnung – TierNebV) ...... Beschluss: Stellungnahme ...... 249*A (Drucksache 365/06) 240 D Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 34. Beschluss des Rates zu „Prävention, Ab- Abs. 2 GG nach Maßgabe der ange- wehrbereitschaft und Folgenbewältigung nommenen Änderungen ...... 241 B im Zusammenhang mit Terrorakten und anderen Sicherheitsrisiken für den Zeit- raum 2007–2013“ 41. Verordnung zur Änderung marktord- Rahmenprogramm „Sicherheit und nungsrechtlicher Verordnungen (Druck- Schutz der Freiheitsrechte“ (Drucksache sache 369/06) ...... 228 D 413/06) ...... 228 D Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Beschluss: Erklärung des Einvernehmens Abs. 2 GG ...... 249*C gemäß § 5 Abs. 3 EUZBLG .....249*B 42. Erste Verordnung zur Änderung der 35. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi- schen Parlaments und des Rates zur Än- Geflügel-Aufstallungsverordnung (Druck- derung der Richtlinien 89/665/EWG und sache 370/06) ...... 241 B 92/13/EWG des Rates zwecks Verbesse- Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden- rung der Wirksamkeit der Nachprüfungs- Württemberg) ...... 258*D verfahren im Bereich des öffentlichen Auftragswesens – gemäß §§ 3 und 5 Prof. Dr. Ingolf Deubel (Rheinland- EUZBLG – (Drucksache 327/06) .... 228 D Pfalz) ...... 259*B Beschluss: Stellungnahme ...... 249*A Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG nach Maßgabe der beschlos- 36. Mitteilung der Kommission der Europäi- senen Änderungen – Annahme einer schen Gemeinschaften an den Europäi- Entschließung ...... 241 B schen Rat – Eine bürgernahe Agenda: Konkrete Ergebnisse für Europa – ge- 43. Verordnung zur Änderung von Verord- mäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksache nungen zum Schutz vor Geflügelpest 394/06) ...... 239 C (Drucksache 371/06) ...... 241 B Volker Hoff (Hessen) ...... 239 D Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Beschluss: Stellungnahme ...... 240 C Abs. 2 GG nach Maßgabe der ange- 37. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi- nommenen Änderung ...... 241 C schen Parlaments und des Rates zur Än- derung der Richtlinie 91/477/EWG des 44. Elfte Verordnung zur Neufestsetzung der Rates über die Kontrolle des Erwerbs Beträge nach § 7 Abs. 1 des Gesetzes zur und des Besitzes von Waffen – gemäß Hilfe für Frauen bei Schwangerschafts- §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksache 391/ abbrüchen in besonderen Fällen (Druck- 06) ...... 228 D sache 368/06) ...... 228 D

Beschluss: Stellungnahme ...... 249*A Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG ...... 249*C 38. Mitteilung der Kommission der Europäi- schen Gemeinschaften: Umsetzung des Gemeinschaftsprogramms von Lissabon – 45. Verordnung zur Approbation von Tier- Die Sozialdienstleistungen von allge- ärztinnen und Tierärzten (TAppV) meinem Interesse in der Europäischen (Drucksache 351/06) ...... 241 C Union – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksache 324/06) ...... 240 C Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG nach Maßgabe der festge- Beschluss: Stellungnahme ...... 240 C legten Änderungen – Annahme einer Entschließung ...... 241 C, D 39. Verordnung zur Änderung von Ver- ordnungen zur Anpassung an das Tieri- 46. Verordnung über die Kennzeichnung von sche-Nebenprodukte-Beseitigungsrecht Arzneimitteln in Blindenschrift bei (Drucksache 364/06) ...... 240 D Kleinstmengen (Blindenschrift-Kennzeich- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 nungs-Verordnung) (Drucksache 352/06) . 228 D Abs. 2 GG nach Maßgabe der ange- nommenen Änderungen – Annahme ei- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 ner Entschließung ...... 240 D Abs. 2 GG ...... 249*C Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 V

47. Verordnung zur Ablösung der Betriebs- 54. Personelle Veränderung im Beirat für verordnung für pharmazeutische Unter- Ausbildungsförderung beim Bundes- nehmer (Drucksache 398/06) ..... 241 D ministerium für Bildung und Forschung – gemäß § 44 BAföG i.V.m. § 2 Nr. 2 Bei- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 ratsV – (Drucksache 309/06) ..... 228 D Abs. 2 GG nach Maßgabe der festge- legten Änderungen – Annahme einer Beschluss: Zustimmung zu den Empfeh- Entschließung ...... 242 A lungen des Ausschusses für Kulturfra- gen in Drucksache 309/1/06 .....249*C 48. Verordnung zur Änderung der Eurojust- Anlaufstellen-Verordnung (Drucksache 55. Benennung eines Mitglieds des Kuratori- 429/06) ...... 228 D ums der Stiftung „Haus der Geschichte Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 der Bundesrepublik Deutschland“ – ge- Abs. 2 GG ...... 249*C mäß § 7 Abs. 3 des Gesetzes zur Errich- tung einer Stiftung „Haus der Geschichte 49. Verordnung zur Vereinfachung der der Bundesrepublik Deutschland“ – abfallrechtlichen Überwachung (Druck- (Drucksache 401/06) ...... 228 D sache 336/05, zu Drucksache 336/05) .. 242 A Beschluss: Zustimmung zu dem Vor- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 schlag in Drucksache 401/06 . ....249*C Abs. 2 GG nach Maßgabe der ange- nommenen Änderungen – Annahme ei- 56. Benennung eines Mitglieds für den ner Entschließung ...... 242 B Eisenbahninfrastrukturbeirat – gemäß § 4 Abs. 4 BEVVG – (Drucksache 400/06) 228 D 50. Verordnung zur Umsetzung der Ratsent- Beschluss: Staatsminister Hendrik scheidung vom 19. Dezember 2002 zur Hering (Rheinland-Pfalz) wird benannt 249*C Festlegung von Kriterien und Verfahren für die Annahme von Abfällen auf 57. Benennung eines Mitglieds und eines Abfalldeponien (Drucksache 245/06) .. 242 B stellvertretenden Mitglieds des Beirates Tanja Gönner (Baden-Württem- der Bundesnetzagentur für Elektrizität, berg) ...... 242 B, 259*C Gas, Telekommunikation, Post und Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Eisenbahnen – gemäß § 5 Abs. 1 Abs. 2 GG nach Maßgabe der ange- BEGTPG – Antrag des Landes Rhein- nommenen Änderungen ...... 243 A land-Pfalz gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache 431/06) ...... 228 D 51. Verordnung über den Erlass und die Beschluss: Zustimmung zu dem Vor- Änderung verkehrsrechtlicher Vorschrif- schlag in Drucksache 431/06 ....249*C ten zur Durchführung des Berufskraft- fahrer-Qualifikations-Gesetzes (Druck- 58. Verfahren vor dem Bundesverfassungs- sache 366/06) ...... 228 D gericht (Drucksache 421/06) ..... 228 D Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG nach Maßgabe der beschlos- Beschluss: Von einer Äußerung und .... senen Änderungen ...... 249*A einem Beitritt wird abgesehen 250*A

52. Vorschlag für die Berufung eines Mit- 59. a) Gesetz zur Änderung des Grundgeset- glieds des Verwaltungsrates der Bun- zes (Artikel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, desagentur für Arbeit – gemäß § 379 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, Abs. 2 Nr. 2 SGB III – (Drucksache 419/ 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 06) ...... 228 D 125c, 143c) (Drucksache 462/06, zu Drucksache 462/06, zu Drucksache Beschluss: Staatssekretär Dieter 462/06 [2]) Hillebrand (Baden-Württemberg) wird vorgeschlagen ...... 249*C b) Föderalismusreform-Begleitgesetz (Drucksache 463/06) ...... 203 B 53. Benennung von Vertretern in Beratungs- gremien der Europäischen Union (Um- Dr. (Bayern) ... 203 D weltschutz auf Kommissions- wie auf (Rheinland-Pfalz) .... 207 B Themenbereich Hochwas- Ratsebene – Dr. Jürgen Rüttgers (Nordrhein- serrisikomanagement) – gemäß § 6 Westfalen) ...... 209 C Abs. 1 EUZBLG i.V.m. Abschnitt IV der Bund-Länder-Vereinbarung – (Druck- (Berlin) ..... 211 B sache 423/06) ...... 228 D (Hessen) ...... 213 D Beschluss: Zustimmung zu der Empfeh- (Schleswig- lung in Drucksache 423/1/06 ....249*C Holstein) ...... 215 C VI Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

Dr. Ralf Stegner (Schleswig-Hol- 64. Entwurf eines Gesetzes zur Weiterent- stein) ...... 216 D wicklung des Gesetzes über Unterneh- Karl Rauber () ...... 218 C mensbeteiligungsgesellschaften (UBGG) – gemäß Artikel 76 Abs. 1 GG – Antrag Erwin Sellering (Mecklenburg-Vor- der Länder Nordrhein-Westfalen, Ba- pommern) ...... 219 D den-Württemberg, Hamburg, Nieder- Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden- sachsen und , Sachsen ge- Württemberg) ...... 221 C, 245*A mäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache (Thüringen) ....246*B 461/06) ...... 230 A Beschluss zu a): Zustimmung gemäß Christa Thoben (Nordrhein-West- Art. 79 Abs. 2 GG – Annahme einer falen) ...... 230 B, 255*B Entschließung ...... 222 D Mitteilung: Überweisung an die zustän- Beschluss zu b): Zustimmung gemäß digen Ausschüsse ...... 230 C Art. 84 Abs. 1, Art. 91a Abs. 2, Art. 105 Abs. 3, Art. 107 Abs. 1 Satz 4, Art. 108 65. Entschließung des Bundesrates zur Inte- Abs. 4 Satz 1 und Art. 108 Abs. 5 gration und Einbürgerung – Antrag der Satz 2 GG ...... 223 A Länder Hessen, Bayern, Schleswig-Hol- Beschluss: Die Länderanträge in den stein und Saarland gemäß § 36 Abs. 2 GO Drucksachen 178/06 bis 180/06 werden BR – (Drucksache 460/06) ...... 230 D für erledigt erklärt ...... 223 A (Hessen) ..... 231 A 60. Steueränderungsgesetz 2007 (Druck- Dr. Ralf Stegner (Schleswig-Hol- sache 464/06) ...... 229 D stein) ...... 232 B Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 105 Beschluss: Annahme der Entschließung Abs. 3 und Art. 108 Abs. 5 GG .... 229 D mit der festgelegten Änderung .... 234 B

61. Gesetz zur Neuregelung der Besteue- 66. Benennung von Vertretern in Beratungs- rung von Energieerzeugnissen und zur gremien der Europäischen Union Änderung des Stromsteuergesetzes (Bereich Gesundheit) – gemäß § 4 Abs. 1 (Drucksache 465/06) ...... 229 D und § 6 Abs. 1 EUZBLG i.V.m. Abschnitt Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77 II und IV der Bund-Länder-Vereinbarung Abs. 2 GG ...... 229 D – Geschäftsordnungsantrag des Landes Nordrhein-Westfalen – (Drucksache 422/ 62. Gesetz zur Umsetzung europäischer 06 [neu]) ...... 243 A Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung Beschluss: Zustimmung zu den Empfeh- lungen des Gesundheitsausschusses in (Drucksache 466/06) ...... 229 D Drucksache 422/1/06 ...... 243 C Michael Breuer (Nordrhein-West- falen) ...... 252*B 67. Benennung eines Mitglieds und eines Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77 stellvertretenden Mitglieds für den Beirat Abs. 2 GG ...... 230 A der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und 63. Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbe- Eisenbahnen – gemäß § 5 Abs. 1 schlusses über den Europäischen Haft- BEGTPG – Antrag des Landes Baden- befehl und die Übergabeverfahren Württemberg gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – zwischen den Mitgliedstaaten der Euro- (Drucksache 478/06) ...... 243 C päischen Union (Europäisches Haft- befehlsgesetz – EuHbG) (Drucksache Beschluss: Zustimmung zu dem Vor- 467/06) ...... 230 A schlag in Drucksache 478/06 .... 243 C Dr. Beate Merk (Bayern) .....252*C Alfred Hartenbach, Parl. Staats- Nächste Sitzung ...... 243 D sekretär bei der Bundesministerin der Justiz ...... 253*C Beschlüsse im vereinfachten Verfahren ge- Karin Schubert (Berlin) ...... 254*C mäß § 35 GO BR ...... 244 A/C Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG ...... 230 A Feststellung gemäß § 34 GO BR .... 244 A/C Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 VII

Verzeichnis der Anwesenden

Vorsitz: Berlin:

Präsident Peter Harry Carstensen, Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister Ministerpräsident des Landes Schleswig-Hol- stein Karin Schubert, Bürgermeisterin und Senatorin für Justiz Vizepräsident , Ministerpräsident des Landes Brandenburg – zeitweise – Brandenburg: Amtierender Präsident P r o f . D r . W o l f - g a n g R e i n h a r t , Minister und Bevoll- Matthias Platzeck, Ministerpräsident mächtigter des Landes Baden-Württemberg beim Bund – zeitweise – Ulrich Junghanns, Minister für Wirtschaft

Schriftführerinnen: : Jens Böhrnsen, Präsident des Senats, Bürger- Karin Schubert (Berlin) meister, Senator für kirchliche Angelegen- heiten und Senator für Justiz und Verfassung Dr. Beate Merk (Bayern) Thomas Röwekamp, Bürgermeister, Senator für Inneres und Sport

Baden-Württemberg: Dr. Kerstin Kießler, Staatsrätin, Bevollmächtigte der Freien Hansestadt Bremen beim Bund Günther H. Oettinger, Ministerpräsident und für Europa

Willi Stächele, Minister des Staatsministeriums und für europäische Angelegenheiten Hamburg: Tanja Gönner, Umweltministerin Dr. Michael Freytag, Senator, Präses der Prof. Dr. Wolfgang Reinhart, Minister und Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Bevollmächtigter des Landes Baden-Württem- berg beim Bund

Gerhard Stratthaus, Finanzminister Hessen:

Peter Hauk, Minister für Ernährung und Ländli- Roland Koch, Ministerpräsident chen Raum Volker Hoff, Minister für Bundes- und Europa- Dr. Monika Stolz, Ministerin für Arbeit und angelegenheiten und Bevollmächtigter des Soziales Landes Hessen beim Bund

Volker Bouffier, Minister des Innern und für Sport Bayern:

Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommern: Emilia Müller, Staatsministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Bevollmächtigte Helmut Holter, Minister für Arbeit, Bau und Lan- des Freistaates Bayern beim Bund desentwicklung

Dr. Beate Merk, Staatsministerin der Justiz Erwin Sellering, Justizminister VIII Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

Niedersachsen: Schleswig-Holstein:

Elisabeth Heister-Neumann, Justizministerin Peter Harry Carstensen, Ministerpräsident

Dr. Ralf Stegner, Innenminister Nordrhein-Westfalen: Rainer Wiegard, Finanzminister Dr. Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident

Michael Breuer, Minister für Bundes- und Euro- paangelegenheiten Thüringen: Christa Thoben, Ministerin für Wirtschaft, Mit- telstand und Energie Dieter Althaus, Ministerpräsident

Gerold Wucherpfennig, Minister für Bundes- Rheinland-Pfalz: und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei Kurt Beck, Ministerpräsident

Karl Peter Bruch, Minister des Innern und für Harald Schliemann, Justizminister Sport

Prof. Dr. Ingolf Deubel, Minister der Finanzen

Von der Bundesregierung:

Saarland: Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und Soziales Peter Jacoby, Minister der Finanzen

Karl Rauber, Minister für Bundes- und Europa- Dr. , Bundesministerin für Bil- angelegenheiten und Chef der Staatskanzlei dung und Forschung

Hildegard Müller, Staatsministerin bei der Bun- deskanzlerin Sachsen:

Prof. Dr. Georg Milbradt, Ministerpräsident Günter Gloser, Staatsminister im Auswärtigen Amt Thomas Jurk, Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern Geert Mackenroth, Staatsminister der Justiz Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Hermann Winkler, Staatsminister und Chef der Bundesministerin der Justiz Staatskanzlei Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Verkehr, Bau und Stadtent- Sachsen-Anhalt: wicklung

Prof. Dr. Wolfgang Böhmer, Ministerpräsident Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Umwelt, Naturschutz und Reak- Prof. Dr. Angela Kolb, Ministerin der Justiz torsicherheit Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 203

(A) (C) Redetext

824. Sitzung

Berlin, den 7. Juli 2006

Beginn: 9.30 Uhr b) Föderalismusreform-Begleitgesetz (Drucksa- che 463/06)

Präsident Peter Harry Carstensen: Meine sehr ge- Meine Damen und Herren, die beiden Gesetze ste- ehrten Damen und Herren, ich eröffne die 824. Sit- hen im Mittelpunkt unserer heutigen Sitzung. Damit zung des Bundesrates. werden die Beratungen zu der umfassendsten Bevor ich mich der Tagesordnung zuwende, habe Grundgesetzänderung seit Bestehen der Bundes- ich gemäß § 23 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung republik Deutschland zum Abschluss gebracht. eine Veränderung in der Mitgliedschaft bekannt zu Es liegen folgende Wortmeldungen vor: Minis- geben: terpräsident Dr. Stoiber, Ministerpräsident Beck, Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat Ministerpräsident Dr. Rüttgers, Regierender Bürger- am 4. Juli 2006 Frau Staatsrätin Professor Dr. Claudia meister Wowereit, Ministerpräsident Koch, Minister- H ü b n e r zum stellvertretenden Mitglied des Bun- präsident Carstensen, Minister Dr. Stegner, Minister desrates bestellt. Dem neuen Mitglied wünsche ich Rauber, Minister Sellering, Minister Professor (B) mit uns allen eine gute und vertrauensvolle Zusam- Dr. Reinhart. – Ministerpräsident Althaus (Thürin- (D) menarbeit. gen) gibt eine Erklärung zu Protokoll.

Außerdem möchte ich darauf aufmerksam machen, Das Wort hat Ministerpräsident Dr. Stoiber (Bay- dass Herr Staatssekretär Karsten B e n e k e heute ern). zum letzten Mal als Bevollmächtigter des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund an einer Plenarsit- zung teilnimmt. Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Dr. Edmund Stoiber (Bayern): Herr Präsident! Mitarbeit in den verschiedenen Organen des Bun- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Red- desrates und wünsche Ihnen für die Zukunft alles nerliste, die Sie vorgetragen haben, ist hochkarätig Gute. und lang. Das zeigt, dass wir heute eine Sternstunde des Föderalismus in Deutschland erleben. Ich komme zur Tagesordnung. Sie liegt Ihnen in vorläufiger Form mit 67 Punkten vor. Punkt 27 wird Der Bundesrat verabschiedet heute – nach dem gemeinsam mit Tagesordnungspunkt 13 aufgerufen. Bundestag am letzten Freitag – eine grundlegende Punkt 59 wird vor Tagesordnungspunkt 1 behandelt. Reform der bundesstaatlichen Ordnung, deren Wir- Die Punkte 60 bis 64 werden – in dieser Reihenfolge – kungen lange anhalten werden. nach Tagesordnungspunkt 8 aufgerufen. Punkt 65 wird nach Tagesordnungspunkt 12 behandelt. Im Üb- Der Föderalismus ist eines der tragenden Struktur- rigen bleibt es bei der ausgedruckten Reihenfolge prinzipien unseres Landes. Vor allem diesem Prinzip der Tagesordnung. sind die Vielgestaltigkeit Deutschlands, die im euro- päischen Vergleich hervorragende Infrastruktur und Gibt es Wortmeldungen zur Tagesordnung? – Das ist nicht der Fall. die große Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu verdanken. Das ist sicherlich auch Ergebnis lan- Dann ist sie so festgestellt. despolitischer Gestaltungskraft. Ein Zentralstaat hätte nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg die Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 59 a) und b): Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutsch- a) Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Arti- land bei weitem nicht erreicht. Vergleichen Sie das kel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, mit Zentralstaaten wie Großbritannien und Frank- 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, reich! Man erkennt, dass elf bzw. 16 Hauptstädte ge- 125a, 125b, 125c, 143c) (Drucksache 462/06, zu genüber der zentralen Hauptstadt ihre Interessen im- Drucksache 462/06, zu Drucksache 462/06 [2]) mer besonders zu wahren verstanden. 204 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Dr. Edmund Stoiber (Bayern) (A) (C) Wir geben dem Föderalismus in Deutschland derfinanzausgleich schaffen! Diese haben drei Jahre, neuen Schub. Freilich: Bis zum heutigen Tag war es von 1999 bis 2001, gedauert. Sie haben zur Lagerbil- ein weiter und langer Weg. Am Anfang dieses We- dung beigetragen. Elf Länder im Hannoveraner Kreis ges, in den späten 90er-Jahren, herrschte noch große – die Nehmerländer – standen auf der einen, die fünf Uneinigkeit unter den Ländern. Es gab in den 90er- gebenden Länder auf der anderen Seite. Es gab eine Jahren durchaus auch ein Desinteresse des Bundes echte Interessenkonfrontation. Und dennoch: Die an einer Modernisierung der bundesstaatlichen Ord- Länder haben in Verantwortung für das Ganze ein- nung. heitliche Vorstellungen durchgesetzt. Doch wurde immer klarer: Deutschland muss sich Trotz aller Bemühungen stand das Reformwerk im im größer werdenden Europa strukturell besser auf- Dezember 2004 vor dem Scheitern. Nach Auffassung stellen. Uns wird vorgeworfen, wir Deutschen seien, vieler Länder war kein ausgewogenes Geben und unabhängig vom Bundesrat, eine große Veto-Gesell- Nehmen mit dem Bund zu erzielen, obwohl wir dem schaft; Entscheidungsprozesse seien außerordentlich Bund nach unserer Auffassung sehr weit entgegen- zäh, weil die unterschiedlichen Ebenen permanent gekommen waren. Veto einlegen und Entscheidungen aufhalten könn- ten. Ich meine, dass Schnelligkeit oder Langsamkeit Heute ist der Tag, an einzelne Etappen dieser Tour in der politischen Willensbildung für unser Land zu erinnern. Sieben Jahre lang, bis in die letzten heute mitentscheidend ist. Tage und Wochen hinein, wurde gerungen und ge- kämpft, wurde nach Kompromisslinien zwischen den Mit einer Veto-Gesellschaft sind wir nicht zu- Ländern, zwischen Bund und Ländern, zwischen den kunftsfähig. Es wurde klar: Ein nivellierender Zen- Fraktionen im Bundestag gesucht. Schwierigste tralstaat mit einer Vielzahl von Gemeinschaftsaufga- Bergetappen waren zu meistern. Oft stand die Tour ben tut sich zunehmend schwer, die komplexen und vor dem Abbruch. Aber wir alle waren fähig, wieder diffizilen Probleme einer modernen Gesellschaft zu Tempo aufzunehmen. Ich sage deutlich: Ohne eine lösen. große Koalition wäre es nicht möglich gewesen, so weit zu kommen, wie es heute der Fall ist. Nach einer langen „Tour de Deutschland“ sind wir endlich am Ziel. Ich sage ebenso deutlich: In den Debatten der Fö- deralismuskommission gab es erhebliche Einwen- Die Tour begann im Dezember 1999 mit dem Be- dungen einzelner Bundesminister. Wir hatten oft den schluss der Ministerpräsidenten, die bundesstaatli- Eindruck, dass das Interesse des Bundes sehr einsei- che Ordnung kritisch zu überprüfen. Bayern und tig, mit wenig Konsensbereitschaft formuliert wurde. Bremen wurden damals von der Ministerpräsidenten- konferenz beauftragt, Vorbereitungsarbeiten zu leis- Ich möchte der Bundeskanzlerin, Angela (B) ten. Ich möchte den früher Regierenden bei dieser Me r k e l , herzlich danken. Sie hat sich die Reform (D) Gelegenheit ein herzliches Dankeschön sagen. Seit- zu Eigen gemacht und nicht nur den Bund oder das dem war dieses Thema Gegenstand jeder MPK. Land gesehen, sondern die Gesamtbetrachtung an- gestellt, dass es letztlich dem Bund, dem Bundestag, Zwei Jahre später verständigten sich Bund und den Ländern insgesamt hilft, nach vorne zu gehen. Länder darauf, das Projekt gemeinsam anzugehen. Dies war sicherlich entscheidend dafür, dass wir Nachdem auf der administrativen Ebene viele Vor- heute so weit gekommen sind. arbeiten von den Ländern und der Bundesregierung Heute ist auch der Tag, all jenen, die die gesamte geleistet worden waren, folgten im März 2003 die ge- Tour – auch im Hintergrund – mitgestaltet und durch- meinsamen Leitlinien der Länder für die Verhand- gestanden haben, Dank zu sagen. Vor allen Dingen lungen mit dem Bund. möchte ich meinem Kollegen Franz Müntefering Ein halbes Jahr später, im Oktober 2003, wurde auf herzlich danken. Er war in der Föderalismuskommis- Vorschlag des damaligen Fraktionsvorsitzenden der sion immer ein fairer und kollegialer Partner, auch in SPD, Kollegen Mü n t e f e r i n g , die gemeinsame schwierigen Phasen, wenn sehr unterschiedliche Kommission von Bundestag und Bundesrat einge- Positionen vertreten wurden. Wir wollten beide den setzt. Erfolg. Im Mai 2004 gelang der endgültige Durchbruch. Was verändert sich mit dem heutigen Tag in Auf einer Sondersitzung der MPK konnte eine ge- Deutschland? Diese große Koalition korrigiert Ent- meinsame Verhandlungsposition der Länder erzielt scheidungen der Großen Koalition von vor 40 Jahren. werden – nicht in allen Details, aber immerhin! Ich Als enger Mitstreiter von Ministerpräsident Franz meine, das war eine große Leistung der Länder. Hier Josef S t r a u ß und Leiter der Staatskanzlei habe ging es auch um die sehr unterschiedlichen Interes- ich die damaligen Entwicklungen hautnah miterlebt. sen von großen und kleinen Ländern, von struktur- Nachdem er einige Jahre Ministerpräsident gewesen schwächeren und strukturstärkeren Ländern. Dass es war und erkannt hatte, dass drei Gemeinschaftsauf- gelungen ist, am 6. Mai 2004 ein Eckpunktepapier zu gaben eigentlich schon zu viel seien, übte er harsche verabschieden, dem alle 16 Länder zustimmten, war Kritik am früheren Bundesfinanzminister Strauß, der sicherlich eine Schlüsselentscheidung für den Fort- neun Gemeinschaftsaufgaben gewollt hatte. gang der Föderalismusreform. Seinerzeit, in der Großen Koalition von 1966 bis Ich sage offen: Wer hätte gedacht, dass wir das 1969, begann der deutsche Föderalismus zu einem nach den schwierigen Verhandlungen über den Län- Neozentralismus zu mutieren. Diese zentralistischen Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 205 Dr. Edmund Stoiber (Bayern) (A) (C) Tendenzen, die in den vergangenen 40 Jahren stetig der künftigen Verfassungslage entscheidet allein der zugenommen haben, werden nunmehr durchbro- Bundestag. Das bedeutet, dass in einer so wichtigen chen und beendet. Es ist nicht nur eine technokrati- Frage Korrekturen von Seiten des Bundesrates nicht sche Reform, die wir heute beschließen, sondern mehr möglich sind. Ich halte das für sinnvoll, weil da- auch ein markanter Bewusstseinswechsel in der mit die Konturen im Bundestag sichtbarer werden. Politik, ein Bewusstseinswechsel hin zur Anerken- Die Bürger spüren die jeweiligen Mehrheitsverhält- nung einer neuen Rolle der Länder in Deutschland. nisse hautnah, weil der Bundesrat nicht mehr alles korrigieren kann. Ich meine, dass dieser Punkt sehr Ich habe in der vergangenen Woche die Debatte im wichtig ist. Deutschen Bundestag aufmerksam verfolgt. Dort war spürbar, dass das Ganze, das Gesamtgefüge gesehen Meine Damen, meine Herren, mit diesem Reform- wird, nicht nur die eigenen Kompetenzen. Ich habe paket geben wir unserem Land – Bund, Ländern und ebenso vernommen, dass die Mehrheit der Bundes- Kommunen – eine neue Dynamik. Deutschland erhält tagsabgeordneten in ihren Reden die neue Rolle der mit dieser Reform nach innen wie nach außen große Länder hervorgehoben und das Vertrauen in die Län- Chancen, die es bisher nicht gab. der betont hat. Diese Konturierung der Politik ist gut für die Demo- Was Professoren in der gemeinsamen Anhörung kratie. Ich bin davon überzeugt, dass damit die vor- von Bundestag und Bundesrat – manchmal in sehr herrschende Politikverdrossenheit ein Stück weit barscher Arroganz – gegenüber der gesamten Politik aufgebrochen wird, die Bürger mehr Interesse für die geäußert haben, hat mich sehr nachdenklich Politik zeigen und die Parlamente, insbesondere die gestimmt. Immer wieder klang durch, die Länderpar- Landtage, wieder zu Orten lebendiger Diskussionen lamente hätten nicht die Kompetenz, wichtige Ent- werden. Landtagsdebatten über den Strafvollzug, scheidungen zu treffen. Die Rolle der Länderparla- das Heimrecht, das Versammlungsrecht, das Presse- mente erfährt eine falsche Beurteilung, wenn wesen, das öffentliche Dienstrecht und das Besol- unterstellt wird, der Bundestag habe, weil er für eine dungsrecht werden von der Bevölkerung des jeweili- größere Einheit zuständig sei, automatisch eine hö- gen Landes mit größerer Aufmerksamkeit verfolgt als here Kompetenz als die Landtage, die für eine klei- entsprechende Bundestagsdebatten. Damit sind neue nere Einheit zuständig seien. Ich bin dankbar dafür, Anforderungen an die Landtage verbunden. Ich dass alle Redner, auch Kollege S t r u c k , diesen hoffe, alle Landtage erkennen, dass neue Entschei- Tendenzen entgegengetreten sind und verdeutlicht dungsverantwortung auf sie zukommt. haben, dass die Kompetenz der Landtage nicht a pri- Meine Damen, meine Herren, im Vermittlungsaus- ori geringer einzuschätzen ist als die des Deutschen schuss gibt es oft quälende Diskussionen. Oft weiß Bundestages. niemand mehr, wer für diese oder jene Entscheidung (B) zuständig gewesen ist. Die Zahl der Gesetzesvorha- (D) Meine Damen und Herren, auf den Bundestag und ben, über die dort beraten wird, geht sicherlich zu- auf die Länderparlamente kommt mehr Verantwor- rück. tung zu. Der Bundestag kann künftig über etwa 70 % der Gesetze allein entscheiden. Die Kanzlerin hat in Ihrer Rede im Bundestag ge- sagt – ich zitiere –: Ein weiterer bedeutender Gewinn für den Bundes- tag besteht darin, dass künftig mehr als die Hälfte Jeder Abgeordnete weiß: Es gibt keine zweite aller Gesetze im Bereich der konkurrierenden Kompromisslinie. Ich muss für das geradeste- Gesetzgebung von der so genannten Erforderlich- hen, was ich hier entscheide. keitsklausel befreit ist. Der Bund muss nicht mehr Und das ist gut so. beweisen, dass die Entscheidung, die er trifft, zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse not- In dieser Föderalismusreform steckt für die Länder- wendig ist. Das bedeutet eine erhebliche Erleichte- parlamente viel „Musik“. Die Länder werden in ganz rung, heißt aber auch, dass von Bundesseite die Dif- anderer Weise gefordert als bisher. Ich will das an ei- ferenzierung zwischen den Ländern gesehen wird. nem Punkt verdeutlichen, über den intensive Debat- ten geführt worden sind. Die Wettbewerbsfähigkeit Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundesrat Deutschlands hängt entscheidend von der Bildung muss weit weniger als bisher gehört werden. Da- unserer Menschen ab. Für die entsprechenden Auf- durch gewinnt die Politik an Schnelligkeit und an gaben sind allein die Länder verantwortlich. Das gilt Konturen. Zuordnung von und Verantwortung für im Prinzip auch für den Hochschulbereich, zu dem Entscheidungen werden für die Bürger besser als eine Änderung erfolgt ist. Die Länder tragen gerade bisher erkennbar. Unser Land profitiert davon, wenn im Bildungsbereich hohe Verantwortung für die wei- Vorhaben beschleunigt werden. Das macht uns in tere Entwicklung Deutschlands. Da sie hinsichtlich Europa und in der Welt wettbewerbsfähiger. ihrer Prioritätensetzung im finanziellen Bereich neue Anstrengungen unternehmen müssen, werden sich Welche Folgen hat das? Erinnern Sie sich an die für die Finanzminister sicherlich erhebliche Probleme Auseinandersetzungen über das Zuwanderungs- ergeben. recht in diesem Hohen Haus! Der Bundestag hatte ein Gesetzesvorhaben zum Zuwanderungsrecht vor- Ich will nicht auf das Abweichungsrecht, sondern gelegt, das die CDU/CSU und die Mehrheit der Län- auf einen anderen Punkt eingehen, der für mich ent- der für falsch hielten. Nachdem wir drei Jahre gerun- scheidend ist. In jedem Landeshaushalt machen die gen hatten, wurde ein Kompromiss gefunden. Nach Personalkosten den größten Anteil aus; in Bayern 206 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Dr. Edmund Stoiber (Bayern) (A) (C) sind es knapp über 40 % eines 36-Milliarden-Haus- Meine Damen, meine Herren, die Zustimmung des halts. Die Tendenz ist, auch wegen zunehmender Bundesrates zur Föderalismusreform setzt ein wichti- Pensionslasten, steigend. Dass das Recht des öffentli- ges Signal. Wir zeigen damit: Die Politik in Deutsch- chen Dienstes in die Kompetenz der Länder über- land ist zu bedeutenden Reformen fähig. Nach mei- geht, halte ich für richtig. Die Länderparlamente ner festen Überzeugung wird damit eine gute werden sicherlich darauf achten, dass die Mobilität Entwicklung eingeleitet. im öffentlichen Dienst innerhalb Deutschlands gewahrt bleibt. Im Jahre 2003 haben Bundestag und Bundesrat in übereinstimmenden Beschlüssen festgelegt, dass wir Die Rückführung bzw. Übertragung von Zuständig- vorrangig über die Kompetenzen reden und nur sehr keiten auf die Länder wird immer vom pauschalen eingeschränkt die Finanzthemen behandeln wollen. Vorwurf politischer Kleinstaaterei begleitet. Was ist Ich sage das in Richtung auf die Professoren und auf eigentlich politische Kleinstaaterei? Sind Luxemburg die Debattenredner im Deutschen Bundestag, aber oder Slowenien für Europa zu kleine Länder? In allen auch auf Parteien, die erklärt haben, sie könnten Einheiten gibt es große und kleine Länder. Ich kann nicht zustimmen, weil die Finanzbeziehungen im mit diesem Vorwurf nichts anfangen, weil alle Länder Rahmen dieser Föderalismusreform nicht geklärt Staatsqualität haben und in der Vergangenheit diese würden. Aufgabe durchaus bewältigt haben. Ich war darüber ein bisschen erstaunt; denn in dem Dieser Vorwurf ist insgesamt haltlos. Die Länder einstimmigen Beschluss zur Einsetzung der Födera- haben schon bisher ihre Kompetenzen, z. B. in den lismuskommission sind die Finanzbeziehungen doch Bereichen Bildung oder Umwelt, mit großer Verant- gerade ausgenommen worden. Warum? Weil man wortung wahrgenommen. Das werden sie mit Sicher- wusste, dass dies ein außerordentlich schwieriges heit weiterhin tun – auch und gerade in der mögli- Thema ist. Wenn wir gerade nach den Erfahrungen chen Abweichung vom Bundesrecht. der dreijährigen Diskussion über den Finanzaus- Mit der Reform eröffnen sich neue Wege zu einem gleich die Kompetenzverteilung mit den Finanz- leistungsfördernden Wettbewerb. Das ist gut für alle beziehungen belastet hätten, dann wären wir mit der Länder und für Deutschland insgesamt. Politische Reform bei weitem nicht dort, wo wir heute sind, son- Leistung, politische Entscheidungen werden sich dern wir wären wahrscheinlich irgendwo stecken ge- künftig spürbarer in der jeweiligen Landespolitik blieben. niederschlagen. Deutschland hat eine sehr komplizierte und kom- Dieser Wettbewerbsföderalismus, der nicht allein plexe Struktur – mit 16 Ländern, mit tausenden von den Föderalismus kennzeichnet, aber ein Stück da- Untergliederungen in Bezirke, Verbände und Kom- munen. Der gesamte Finanzausgleich – d. h. die Fi- (B) von ist, ist nur zu begrüßen. Warum sollen die Länder (D) nicht konkurrieren auf der Suche nach den besten nanzierung dieser Struktur – kostet Bund und Länder Problemlösungen? Warum sollen sie nicht die Chance fast 30 Milliarden Euro. Das ist das Volumen des ge- bekommen, neue Ordnungsmodelle zu erproben, Er- samten Finanzausgleichs. Länder, die zentral organi- fahrungen zu sammeln und die Ergebnisse allen zur siert sind, haben einen solchen Finanzausgleich na- Verfügung zu stellen? türlich nicht. Der Vorwurf der Entsolidarisierung führt in die Irre. Wir müssen uns fragen, ob diese 30 Milliarden Solidarität unter den Ländern ist nur möglich auf der Euro sinnvoll eingesetzt sind. Es geht mir nicht um Grundlage von Leistung und Wettbewerb. Solidarität Kürzungen, sondern es geht mir nur darum, dass und Wettbewerb sind keine Gegensätze, sondern diese Mittel effektiv eingesetzt werden. Wir müssen zwei Seiten derselben Medaille. Wettbewerb gibt darüber reden, ob sie genügend effektiv eingesetzt den entscheidenden Impuls für Leistung. Solidarisch werden. kann letztlich nur der Leistungsfähige sein, so wie Während die Länder bzw. die Landesparlamente dies beispielsweise im Länderfinanzausgleich statt- Kompetenzen bekommen, verliert der Bundesrat als findet. Teil des Mitwirkungsföderalismus an Kompetenzen. Ich weiß, wovon ich rede. Im Bundestag wurde im- Die Ministerpräsidenten reduzieren ihre Einfluss- mer wieder erwähnt: Ihr Bayern – und viele andere möglichkeiten auf die Bundesgesetzgebung zu Guns- Länder – habt über lange Jahre und Jahrzehnte Mit- ten der Landesparlamente in anderen Bereichen. Das tel aus dem Länderfinanzausgleich bekommen und halten wir für notwendig. Ich will es nur noch einmal konntet eure Struktur verändern. – Ich sage nur zur deutlich machen, weil häufig formuliert wird, Politik Klarstellung: Wir haben in den Länderfinanzaus- sei nicht in der Lage, über den eigenen Interessenho- gleich nominal sechsmal so viel gezahlt, wie wir be- rizont hinauszusehen. Das haben wir in diesem Fall kommen haben. Real ist es zweieinhalbmal so viel. zweifelsohne getan. Das füge ich aber nur als Fußnote an, weil es im Bun- Aber ich sage auch: Die Föderalismusreform II ist destag eine große Rolle gespielt hat. dringend notwendig. Ob sie ein Ergebnis zeitigt, Der Länderfinanzausgleich – das betrifft dann auch weiß ich nicht. Ich bin der Meinung, dass sie nur in- die zweite Stufe – ist ein Momentum, das nicht in nerhalb der großen Koalition verwirklicht werden Frage gestellt wird. Man muss aber über Einzelheiten kann. Das heißt, wir haben keinen zu großen Zeitho- reden. Ich werde dazu am Schluss noch etwas aus- rizont. Bis zum Jahre 2009 müssen diese Dinge nor- führen. malerweise geregelt sein. Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 207 Dr. Edmund Stoiber (Bayern) (A) (C) Wir werden größeren Druck bekommen; denn die Es ist aus dem Auge verloren worden, dass die Kompetenzen, die die Länder erhalten, und die Ver- Bundesrepublik Deutschland nicht nur auf Grund ih- antwortung, die auf die Länder in vielen Bereichen, rer Größe, sondern auch vor dem Hintergrund ihrer gerade im Bildungs- und im Hochschulbereich, über- Geschichte die föderale Struktur bewusst gewählt tragen wird, werden deutlich machen, dass manche hat. Man kann sagen, dass sie das getan hat, weil die Länder mit den Finanzen, die sie haben, nicht zu- damaligen Besatzungsmächte es so wollten. Meiner rechtkommen, um diese Aufgaben zu erfüllen. Aber Meinung nach hat sie sie aber bewusst gewählt, weil es gibt viele Möglichkeiten der Kooperation. Ich man sich klar darüber war, dass in einer Demokratie glaube, die Länder werden zeigen, dass sie koopera- neben der klassischen Gewaltenteilung die Teilung tionsfähig sind. der staatlichen Gewalten zwischen dem Bundesstaat und den einzelnen Ländern notwendig ist, wenn ein In diesem Sinne will ich festhalten: Der Föderalis- verträgliches Miteinander in Deutschland und inner- mus lebt. Funktionierender Föderalismus bedeutet halb Europas verwirklicht werden soll. starke Länder in einem starken Deutschland. Ich meine, man darf – vielleicht muss – heute auch Lassen Sie uns deshalb dem Beispiel des Bundesta- daran erinnern, dass der Prozess der deutschen Ein- ges folgen und dem Reformwerk zustimmen! Es ist si- heit manchen in der Welt schwerer gefallen wäre, cherlich eine historische Stunde für Deutschland, wenn Deutschland zentralstaatlich organisiert gewe- wenn die größte Verfassungsreform nach dem Zwei- sen wäre. ten Weltkrieg heute verabschiedet wird – eine Ver- fassungsreform, zu der wir gemeinsam nach der Wie- Wir sollten auch über die Grenzen hinweg dervereinigung Anfang der 90er-Jahre noch nicht in schauen. Föderale Strukturen werden in zunehmen- der Lage gewesen sind. Auch damals gab es diese dem Maße, wenn auch nicht so ausgeprägt wie in Diskussion. Die große Mehrheit war dagegen, heute Deutschland, auch in Ländern gesucht, die klassisch ist die große Mehrheit dafür. Deswegen ist heute ein zentralstaatlich organisiert sind. Wir sehen den Pro- guter Tag für uns alle. – Danke schön. zess in Großbritannien. Für die dortigen Verhältnisse wird einzelnen Regionen doch ein beachtliches Maß an Kompetenzen zugemessen. Wir sehen eine Stär- Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Minister- kung der Regionen in Frankreich, was vor 30 Jahren präsident, ich bedanke mich. noch unvorstellbar gewesen wäre. Wir sehen, welche Das Wort hat Ministerpräsident Beck (Rheinland- Bedeutung dies für die Entwicklung der Regionen in Pfalz). Frankreich hat. Wenn man, wie die Baden-Württem- berger, die Rheinland-Pfälzer und die Saarländer, grenznah lebt, weiß man, was sich im Elsass und in Kurt Beck (Rheinland-Pfalz): Sehr geehrter Herr (B) Lothringen getan hat, nachdem die föderalen Struk- (D) Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! turen eigene Verantwortlichkeiten hatten. Man kann sich dem, was Herr Kollege Stoiber soeben deutlich gemacht hat, nur anschließen: Dies ist ein Angesichts dessen kann ich nicht erkennen, wie besonderer Tag für den Bundesrat, es ist ein besonde- man ernsthaft davon sprechen könnte, föderale rer Tag für die staatliche Verfasstheit der Bundesre- Strukturen hätten sich überlebt. Ich meine, dass sich publik Deutschland. Ich hoffe, dass die Menschen von eher das Gegenteil ableiten lässt. Wie sehr haben wir diesem Tag an die Verantwortlichkeiten in Bezug auf alle uns daran gewöhnt, dass die Vereinigten Staaten die Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern von Amerika föderal organisiert sind. Wir würden klarer erkennen können und dass die Zustimmung gar nicht daran denken, solche Kompetenzen an ein- zur Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland zelne unserer Länder zu vergeben, wie sie dort in un- wächst. terschiedlichen States vorhanden sind. Auch dieses Beispiel spricht dafür, dass föderale Strukturen Ich will nach dem jahrelangen Ringen ein herzli- zukunftsträchtig sind. ches Dankeschön an den Beginn meiner Ausführun- gen stellen. Es geht in besonderer Weise an Herrn Eine weitere Überlegung ist anzustellen: Je mehr Müntefering und an Herrn Kollegen Stoiber. Ich bin verlangt wird, dass wir uns internationalen Entwick- mir sehr bewusst, welche Kraft in diesen Prozess in- lungen öffnen, dass wir uns den immer schnelleren vestiert worden ist. Ich weiß, dass ohne den Willen, Veränderungen der Technologie als Voraussetzung eine Lösung zu finden – die letztlich gefunden wor- für unser Zusammenleben stellen, desto wichtiger ist den ist –, dass ohne die beiden Kollegen und viele es, dass sich die Menschen dort, wo sie leben, auch andere dieses Ergebnis nicht möglich gewesen wäre. verankert fühlen, dass sie festen Boden unter ihren Das ist ein hohes Verdienst und wird es auch bleiben. Füßen wissen, weil sie in ihre Kommune eingebun- den sind und sich ihrer Region zurechnen, ohne dass Wir haben in den letzten Wochen und Monaten ei- die patriotischen Gefühle – gute patriotische Gefühle, nen interessanten Diskussionsprozess erlebt, der wie wir gerade in den letzten Wochen in Deutschland mich phasenweise auch erschreckt hat. Es hat sich erleben können – verloren gehen oder das zuneh- nämlich gezeigt, wie sehr es notwendig ist, den Fö- mende Gefühl einer europäischen Identität darunter deralismus zu erklären und zu begründen. Es war leidet. anscheinend wohlfeil, den Föderalismus nur noch als lästige Bremse auf dem Wege der Bundesrepublik Das sind keine Widersprüche. Ich glaube eher, dass Deutschland zu einem noch stärker integrierten es Bedingtheiten sind. Ohne eine solche Loyalität zu Europa zu sehen und zu beschreiben. seiner Gemeinde und seiner Region, in denen man 208 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Kurt Beck (Rheinland-Pfalz) (A) (C) sich mit seiner eigenen Identität wiederfindet, ist die weichungsrecht, wie es verankert worden ist, praxis- Öffnung nach außen sicherlich schwerer. tauglich ist. Wir alle wissen, dass mit diesem Instru- ment sorgsam umgegangen werden muss. Das alles spricht dafür, dass wir in einer vernünfti- gen Weise die zentralstaatlich zu regelnden Aufga- Wenn ich die Besorgnis zum Umweltrecht und zum ben und die in den Ländern zu regelnden Aufgaben Umweltverfahrensrecht aufnehme: Auch dort sind nebeneinander stehend in eine Verantwortungskette mit der sorgsamen Abgrenzung und mit Übergangs- einbinden und so unsere Verfassungsgrundlage or- fristen, die das Handeln des Bundes hinsichtlich der ganisieren. Bei allem, was der eine oder andere von Schaffung eines Umweltgesetzbuches ermöglichen, uns anders machen würde, und bei allen vorhande- vernünftige Regelungen gefunden worden. nen Einzeldifferenzen – das, was uns zur Endbera- tung vorliegt, bildet diese grundsätzlichen Überle- Verehrte Damen und Herren, 16 Materien werden gungen in der Verfassung gut ab. auf die Länder übertragen. Rheinland-Pfalz hat von Anfang an versucht, sei- Über das öffentliche Dienstrecht als einen Kern- nen Beitrag zu leisten, diesen Weg mit zu gehen. bereich ist oft diskutiert worden. Ich will nicht Deshalb ist es nur folgerichtig, dass wir der Verfas- verschweigen, dass die Besorgnis, wir könnten zu an- sungsänderung, der Entschließung und dem Födera- deren Zeiten als heute auch wieder in eine Wettbe- lismusreform-Begleitgesetz heute zustimmen. werbsspirale nach oben geraten, nicht völlig auszu- räumen ist. Insoweit verstehe ich auch Einwände, die In der Verfassungsvorlage wird deutlich, dass wir diesbezüglich gemacht werden. Auf der anderen wirklich mehr Klarheit und Transparenz im Bund- Waagschale ist allerdings die Tatsache, dass wir Län- Länder-Verhältnis erreichen. Gegenseitige Blocka- der Personalkostenanteile von über 40 % in unseren desituationen, die wir alle immer wieder beklagt ha- Haushalten haben; beim Bund ist dies etwas mehr als ben und doch im Alltag der politischen Konkurren- die Hälfte davon. Daraus ergeben sich hinsichtlich zen nicht zu verhindern vermochten, lösen wir zu der beamtenrechtlichen und ähnlicher Fragen andere einem gerüttelt Maß auf. Mit der Abschaffung der Interessenlagen. Bei dieser Übertragung gibt es also Rahmengesetzgebung beschreiben wir klare Zuord- ein Pro und ein Kontra. Das ist so. Ich denke, wir ha- nungen und Verantwortlichkeiten. ben einen Weg gefunden, der in der Gesamtbetrach- Mit der Rückführung der Mischfinanzierungstat- tung vernünftig und verantwortbar ist. bestände wird auch hinsichtlich dieser Fragen eine Ich bin froh darüber, dass wir Klarheit hinsichtlich deutliche und klare Linie gezogen. Das wird uns der bildungspolitischen Zuständigkeiten haben. – ohne Frage – sehr fordern. Es ist aber ein wichtiger Schritt zur Abgrenzung der Zuständigkeiten auch Ich wiederhole, was ich bei der Eröffnung der De- (B) hinsichtlich der Finanzverantwortlichkeiten. batte über die Verfassungsreform in diesem Hohen (D) Hause gesagt habe: Ich hätte sehr gut und gerne da- Dem von manchen geäußerten Bedenken, mit die- mit gelebt, wenn der Bund auch im Schulbereich Im- sen Regelungen werde die Europatauglichkeit der pulse hätte geben können – mit Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland eingeschränkt oder ge- Länder selbstverständlich. Man hat eine andere Ver- schmälert, will ich ausdrücklich widersprechen. Wir ständigung erzielt. haben in Selbstbescheidung einen Weg gefunden: Nur ein Teil der Kompetenzen, die der Länderseite Ich bin froh darüber, dass hinsichtlich der Hoch- zugeordnet sind, unterliegt der Vertretung durch die schulen eine Öffnung erreicht werden konnte; dieser Länder auf der europäischen Ebene – das allerdings Diskussionsprozess war zugegebenermaßen nicht in aller Klarheit. Auf der anderen Seite haben wir si- einfach. Für die Entwicklung der Hochschulen, ihre chergestellt, dass die einheitliche Vertretung der Kompetenz und Exzellenz in Forschung und Lehre ist Bundesrepublik in den europäischen Gremien ge- es gut, wenn Bund und Länder in der Zukunft zu ei- währleistet ist. nem Hochschulpakt finden, um auf dieser Grundlage die Herausforderungen besser meistern zu können. Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Wenn wir uns abgegrenzt hätten, wäre ein Miteinan- Sie mich einige wenige Bemerkungen zu dem ma- der nicht möglich. Ich bedanke mich dafür, dass die- chen, was in der Diskussion und auch nach der An- ser schwierige Kompromiss am Ende erreicht werden hörung der Sachverständigen besprochen worden ist! konnte. Man kann festhalten, dass die Quote der zustim- mungsbedürftigen Gesetze faktisch halbiert wird. Mit den 16 Materien werden die Landtage in mas- Das ist ein großer Gewinn insbesondere für den Bun- siver Weise gestärkt. Meine sehr geehrten Damen desgesetzgeber. und Herren, sosehr zu Recht darüber geredet worden ist, dass dieses Hohe Haus Kompetenzen aufgibt, so- Wir haben miteinander eine Regelung gefunden, sehr darüber geredet worden ist, dass das faktisch nach der dort, wo der Bund die Finanzierung von auch bedeutet, dass die Ministerpräsidenten an poli- Maßnahmen allein übernimmt, die Länder ihr Zu- tischer Einwirkungsmöglichkeit verlieren, so richtig stimmungsgrecht aufgeben. Auch eine Zustim- ist, dass die Landtage deutlich an Kompetenz gewin- mungspflicht wegen der Regelung des Verwaltungs- nen. Wer Ja zum Föderalismus sagt, der muss auch Ja verfahrens entfällt im Regelfall. Der Bund kann zwar sagen zu einer Stärkung der Gesetzgebungskompe- das Verfahren allein regeln, davon können die tenz der Länder. Sonst haben wir zwar eine Vertei- Länder aber abweichen. Ich glaube, dass das Ab- lung von politischer Macht, aber nicht wirklich eine Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 209 Kurt Beck (Rheinland-Pfalz) (A) (C) demokratisch legitimierte Aufteilung der Kompeten- einander diese Verantwortlichkeit nicht ausreichend zen in dieser Republik. und klar zubilligen, wie sollen die Menschen das Vertrauen haben, uns ihre Stimme zu geben, ihr Sechs Materien werden auf den Bund in alleiniger Schicksal in unsere Hand zu legen, damit wir für sie Kompetenz übertragen. Das ist nicht ohne Bedeutung dieses Gemeinwesen organisieren! und hinsichtlich der Klarheit der Zuständigkeiten – ich möchte das wiederholen – wichtig. Insoweit kann man in der Tat nur sagen: Worte wie „Kleinstaaterei“ hören sich vielleicht gut an, wenn Dass wir die Finanzhilfen neu ordnen werden, dass man sich in einer bestimmten Betrachtungsweise wir Mischfinanzierungen abbauen, habe ich er- schulen will – ich kann es nicht anders ausdrücken. wähnt. Ich will darauf hinweisen, dass wir uns vorge- Aber wenn man weiß, mit welcher Ernsthaftigkeit in nommen haben, in einem zweiten Schritt über die den Parlamenten des Bundes und der Länder ge- Finanzbeziehungen in Deutschland zu sprechen. arbeitet wird, dann gibt es für solche – ja auch ab- Diese Diskussionen werden von uns sehr sorgfältig wertend gemeinten – Begrifflichkeiten keine Grund- zu führen sein. Die Voraussetzungen in Ost und West lage. sind sehr unterschiedlich. Wir haben große und kleine Länder, finanzstarke und finanzschwächere Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin Länder. Insoweit sage ich Ja zu einem Wettbewerb fest davon überzeugt: Dieses Verfassungswerk wird der Ideen, Ja zu einem Wettbewerb um die jeweils beweisen, dass wir mit den Kompetenzen verantwor- passenderen Wege. Aber einen Wettbewerbsfödera- tungsvoll umzugehen wissen und dass die Bundesre- lismus, wie er manchmal verlangt wird, der zu einem publik Deutschland selbst in tief gehenden Materien Stück alle sozusagen grenzenlos gleichsetzt, könnte reformwillig und reformfähig ist. Insofern wird die ich nicht mitverantworten. Wir sollten, wenn wir heutige Entscheidung für Deutschland und seine diese Diskussionen führen, einige Fixpunkte festhal- Menschen eine gute sein. ten. Ich nenne einen Fixpunkt bewusst und wertend zuerst: Der Solidarpakt zwischen West und Ost kann Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Minister- nicht in Frage gestellt werden. präsident, herzlichen Dank! Zum Zweiten! Wenn wir über Finanzbeziehungen Das Wort hat Ministerpräsident Dr. Rüttgers (Nord- reden, darf es nicht nur um den horizontalen und den rhein-Westfalen). Bund-Länder-Finanzausgleich gehen. Dann müssen beispielsweise auch Forschungsförderungsmittel und Dr. Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen): Herr vieles andere mit auf den Tisch gepackt werden, um Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach eine Gesamtbetrachtung zu ermöglichen. Erst auf langen Jahren intensiver Diskussion und nicht weni- dieser Grundlage kann man dann prüfen, was klarer (B) gen Umwegen und Rückschlägen beschließen wir (D) zu ordnen ist und wie wir in der Zukunft mit den heute die Föderalismusreform. Finanzbeziehungen umgehen. Es ist mir wichtig, dies deutlich zu machen, damit wir keine falschen Erwar- Ich stimme meinen Vorrednern darin zu, dass die tungen wecken. Das heißt nicht, dass nicht eine Reform von außerordentlicher Bedeutung für kraftvolle Anstrengung notwendig ist, um in diesen Deutschland ist: Wir stärken Selbstbestimmung und Fragen voranzukommen. Dass die Verschuldung al- Selbstverantwortung. Wir stärken den Bundestag ler staatlichen und der kommunalen Ebenen mitbe- und die Landtage. Wir schaffen mehr Klarheit und trachtet werden muss, will ich hinzufügen. Das ist Effizienz. Wir beseitigen Reformbremsen. aber schon bei den bisherigen Diskussionen unstrei- tig gewesen. Nicht zuletzt – das ist mir persönlich sehr wichtig – machen wir mehr Wettbewerb zwischen den Ländern Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möglich. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die glaube, dass wir mit den Kompetenzen, die zukünftig Vitalität unseres politischen Systems auf Dauer nur seitens der Länder wahrzunehmen sind, sehr sorg- werden steigern können, wenn wir in den Ländern fältig umgehen. Ich will, wie Herr Kollege Stoiber und Kommunen mehr Wettbewerb um die besten soeben, betonen, dass es manchmal schon verwun- Ideen und Lösungskonzepte wagen. Zentralistisch derlich war, welche Einschätzungen hinsichtlich der verordnetes Mittelmaß können wir uns in Deutsch- Verantwortlichkeit im Handeln gegenüber den Län- land nicht länger leisten. dern gegeben worden sind. Ich habe in Leitartikeln Wir alle wissen, dass die Verhandlungen nicht im- gelesen, selber gehört oder auch nachgelesen, was mer einfach waren. Umso wichtiger ist, dass wir Kurs Sachverständige gesagt haben. Ich glaube, das zeugt gehalten haben. Nun verhehle ich nicht, werte Kol- von einer nicht ausreichenden Betrachtung und Be- leginnen und Kollegen, dass auch ich mich über achtung der Landesparlamente und der Verantwort- manche Beiträge nicht nur von Journalisten, sondern lichkeit der Frauen und Männer, die in diese Parla- auch von Politikern in den letzten Wochen geärgert mente gewählt worden sind. Wir müssen aufpassen, habe. dass wir uns gegenseitig – die Länder gegenüber dem Bundesparlament, aber auch umgekehrt – den Dieses Projekt ist kein technokratisches Konstrukt, Respekt zubilligen, der notwendig ist, um von den sondern ein entscheidender Beitrag zur Wiederbele- Bürgerinnen und Bürgern Verantwortung – in der bung unserer demokratischen Grundordnung. Die Demokratie Verantwortung auf Zeit – übertragen zu Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in Deutsch- bekommen. Wenn sich die Parlamente selber unter- land ist nicht in Gefahr, wenn die Rolle der Länder 210 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Dr. Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen) (A) (C) aufgewertet wird. Was nahe bei den Menschen ge- Geschichte immer dann gut ging, wenn es viel Föde- staltet werden kann, das muss man auch dort gestal- ralismus gab. Insofern ist das, was heute hier ge- ten. Wer auf Zentralismus setzt, höhlt unser historisch schieht, richtig. gewachsenes, auf Vielfalt beruhendes föderales Sys- tem aus und misstraut den Menschen und ihrer Ich glaube zwar nicht, dass wir die Auseinander- Fähigkeit zur Freiheit. setzung zwischen dem Bund und den Ländern mit diesem Beschluss beenden werden; hier darf man Ich teile ausdrücklich die Auffassung der Kollegen sich nicht übernehmen. Dieser Beschluss ist kein Stoiber und Beck, dass der Föderalismus eines der Jahrhundert- oder gar Jahrtausendwerk. Auch in Zu- großen Erfolgsprinzipien war, durch das Deutschland kunft werden die Zentralgewalt und die Länder um nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Trümmern wie- mehr Macht und Einfluss ringen, ganz abgesehen da- derauferstehen konnte. Im Übrigen darf man nicht von, dass wir den Bedeutungsgewinn der europäi- vergessen, dass nach der Wiedervereinigung das schen Ebene nicht vergessen dürfen. Volk das Wiederentstehen der neuen Länder von Mecklenburg-Vorpommern bis Sachsen gefordert Wir gehen heute einen großen Schritt in die rich- hat. tige Richtung. Die Richtung heißt: mehr Föderalis- mus mit klareren Verantwortlichkeiten. In der prak- Wahr ist aber auch, dass es in den vergangenen tischen Gesetzgebung wird sich erweisen, ob diese Jahrzehnten Fehlentwicklungen im Föderalismus Neuerungen ausreichen und zu nachhaltigen Ver- gegeben hat. Der Grund dafür lag, so glaube ich, in besserungen führen oder ob wir weitere Schritte wa- immer mehr Zentralität. Insofern ist es spannend gen müssen. und interessant, dass wir mit dem heutigen Beschluss Beschlüsse aus der Zeit der Großen Koalition, der Werte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich Hochschul- 60er-Jahre, revidieren. Damals wurden die Kompe- eine Bemerkung zu den Regelungen im bereich machen! In den letzten Wochen haben wir tenzen des Bundes immer wieder auf Kosten der Län- dazu eine laute Debatte erlebt, in deren Rahmen die der gestärkt. Immer weiter wurden die Ebenen von Kritiker der Reform moniert haben, die bisherigen Bund und Ländern miteinander verflochten. Die Kon- Formulierungen im Gesetzespaket enthielten ein Ko- sequenz daraus ist relativ klar: Die Verantwortlich- operationsverbot im Bildungsbereich, speziell bei keiten werden verwischt, es entstehen immer mehr den Hochschulen. Diese Kritik habe ich von Anfang Systeme organisierter Unverantwortlichkeit. an – erlauben Sie mir dieses offene Wort – für Unsinn Der Bund schöpfte seine Zuständigkeit auch dort gehalten; es wurde eine Schimäre aufgebaut. Aus bis ins Detail aus – wir haben es erlebt –, wo er ei- meiner Sicht wäre ein Hochschulpakt über Bundes- gentlich nur einen Rahmen setzen oder bei einem ge- hilfen zur Bewältigung des sich abzeichnenden „Stu- (B) samtstaatlichen Erfordernis tätig werden sollte. Dies dentenbergs“ kein Problem gewesen. Die öffentliche (D) alles, werte Kolleginnen und Kollegen, hat dem föde- Debatte war also überflüssig. ralen System nachhaltig geschadet. Zwar erhielten Wenn nun in letzter Minute die Gemeinschaftsauf- die Länder als Gegenleistung mehr Mitwirkungs- gaben um die Förderung von Vorhaben der Wissen- rechte in der Gesetzgebung; damit sind sie aber in schaft an Hochschulen erweitert wurden, dann be- eine Falle gelaufen, in eine „Politikverflechtungs- deutet dies zweierlei: Erstens kann der Bund Mittel falle“, wie es Fritz W. S c h a r p f 1985 nannte. auch für die Lehre, nicht mehr nur für die Forschung Diesen Trend zu mehr Zentralismus, Ineffizienz an den Hochschulen zur Verfügung stellen. Zweitens und Intransparenz kehren wir heute um. Indem die können diese Mittel auch nichtinvestiv eingesetzt Länder zukünftig in wichtigen Bereichen die Mög- werden, also auch für Personalkosten. Ich weiß, dass lichkeit zu abweichender Gesetzgebung erhalten, diese Verflechtung vielen hier zu weit geht. Aber es bekommen wir eine Chance auf mehr Wettbewerb bleibt trotz der Änderung dabei, dass das Hochschul- um die beste Lösung. Landesrecht wird dann Bun- wesen in erster Linie zum Aufgabenfeld der Länder, desrecht brechen. Damit schlagen wir ein neues Ka- nicht zu dem des Bundes gehört. pitel in der Auseinandersetzung zwischen Zentral- Die Länder können den Hochschulen mehr Auto- gewalt und Region auf, die unser Land nicht erst seit nomie geben. Dies ist mein großes Ziel für Nord- der Gründung der Bundesrepublik Deutschland rhein-Westfalen. Wir wollen dies mit Hilfe unseres kennzeichnet. In Wahrheit dauert diese Debatte neuen Hochschulgesetzes erreichen, in dem wir den schon mehr als 1 000 Jahre an. Hochschulen die Chance geben, schärfere Profile zu Wenn sich Ministerpräsidenten zu Wort melden, entwickeln, mit denen sie auch im internationalen dann lese und höre ich Begriffe wie „Kurfürsten“. Vergleich bestehen können. Wenn Länder mehr Kompetenzen bekommen – da- Aus den genannten Gründen kann Nordrhein- rauf hat Herr Beck gerade hingewiesen –, wird dies Westfalen der Änderung zustimmen; insofern haben als „Kleinstaaterei“ bezeichnet. Wenn die Länder sich die Verhandlungen gelohnt. ihre Interessen vertreten, sind manche Bundespoliti- ker beleidigt, wie wir es in diesen Tagen etwa bei der Aber die Reform bleibt unvollständig, wenn wir Debatte über die Gesundheitsreform wieder einmal nicht den Mut haben, die Finanzverfassung neu zu erlebt haben. Abgesehen davon, dass derjenige, der ordnen; hier darf es nicht bei Ankündigungen so redet, das Wesen des Föderalismus nicht verstan- bleiben. Dazu gehören der weitere Abbau von den hat, sei ihm gesagt, dass es Deutschland in seiner Mischfinanzierungen, eigene Steuergesetzgebungs- Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 211 Dr. Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen) (A) (C) kompetenzen der Länder und ein besserer bundes- fragt haben: Was kann besser sein für die staatlicher Finanzausgleich. Bürgerinnen und Bürger? Wo sind die Kompetenzen besser angesiedelt, damit man in deren Interesse Die Regierungschefs der Länder haben sich mit der eine bessere Politik machen kann? Bundeskanzlerin bereits auf einen offenen Themen- katalog verständigt. Auf einen Punkt darin weise ich Ich wiederhole, was Kollege Beck gesagt hat: Auch hin: das Ziel, ein neues Instrumentarium zur Vor- von meiner Seite geht Dank an zwei Männer, Kolle- beugung von Haushaltsrisiken zu verabreden. Die gen Stoiber und Kollegen Müntefering, die mit Vehe- dramatische Finanzsituation des Bundes und der menz gekämpft haben, die viel politische Reputation Länder macht deutlich, dass die bisherigen Mecha- eingesetzt haben, um die Reform zu ermöglichen. nismen in diesem Feld nicht ausreichen. Deshalb ist die Frage erlaubt, warum eine Schuldenbremse, wie Bei Kollegen Stoiber muss ich allerdings eine Ein- sie in den Europäischen Verträgen längst etabliert ist, schränkung machen: Er war nicht nur Motor, sondern nicht auch national möglich sein soll. Dass eine sol- gleichzeitig Bremser. Im Dezember des Jahres 2004 che Schuldenbremse mit einem Frühwarnsystem ver- standen wir schon kurz vor dem Abschluss. Die Eini- bunden werden müsste, mit dem sich Haushaltsrisi- gung kam nicht zu Stande, weil sich die Vertreter der ken frühzeitig erkennen und bekämpfen lassen, wäre unterschiedlichen Ansatzpunkte beim Thema „Bil- dann nur konsequent. Unabdingbar wäre zudem, dung“ nicht bewegt haben; sie haben sich bis heute dass wir materielle Kriterien für die zulässige Ver- nicht bewegt. Wir wissen, dass „Bildung“ das Thema schuldung mit Anreizen und Sanktionen verbinden. ist, das beinahe wieder zum Scheitern führte, diesmal im Deutschen Bundestag. Ein neues Instrumentarium insbesondere zur Vor- beugung von Haushaltsrisiken gäbe Anstrengungen Ich meine, die Erwartungshaltung war teilweise zu zur Haushaltskonsolidierung nach meiner Ansicht hoch, teilweise wurde der vorgelegte Gesetzentwurf zusätzlichen Schwung und zusätzliche Legitimation. aber auch nicht richtig gelesen. Sonst könnten Beur- Jeder, der dieses Geschäft betreibt – das sind wir teilungen und Bewertungen nach dem Motto, nichts alle –, weiß, dass dies hilfreich wäre. Übrigens hörte sei erreicht worden, alles sei falsch, schlecht und ein dann auch manche Trickserei bei der Haushaltsauf- Rückschritt, nicht abgegeben werden; denn in der stellung auf oder wäre zumindest schwieriger. Wenn Tat ist viel erreicht worden. Wer allerdings mit dem ich den Bundesfinanzminister heute Morgen in ei- Resultat eines Zentralstaates aus der Debatte heraus- nem Interview richtig verstanden habe, scheint es kommen wollte, der muss ebenso enttäuscht sein wie eine gute Chance zu geben, hier zu einer Lösung zu derjenige, der gedacht hat, dass alles auf die Länder- kommen. Ich begrüße das ausdrücklich. ebene verlagert werde, auch das, wofür sinnvoller- Werte Kolleginnen und Kollegen, wir beschließen weise nur der Bund zuständig sein kann. (B) heute die Föderalismusreform I und stoßen damit die (D) Ich wundere mich, dass manche den Kerngedan- Tür für weiter reichende Reformen auf. Das ist im In- ken des Föderalismus nicht begriffen haben. Dieser teresse eines lebendigen demokratischen Föderalis- Kerngedanke hat ein wesentliches Element: die Kul- mus, und es ist gut für das gesamte Land. turhoheit der Länder. Ohne sie kann man den Föde- ralismus abschaffen, beerdigen. Deshalb musste sich Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Minister- jeder zum Schluss die Frage stellen: Was passiert, präsident, herzlichen Dank! wenn die vorgelegten Gesetzesänderungen nicht durchkommen? Das Wort hat der Regierende Bürgermeister von Berlin, Herr Wowereit. Abstruse Vorstellung, der Bund könne für alle Schulen in der gesamten Republik zuständig sein! Klaus Wowereit (Berlin): Herr Präsident! Meine Das war doch bislang nicht Realität. Das Wort „Bil- sehr verehrten Damen und Herren! Wer hätte das ge- dungsplanung“, das im Grundgesetz stand, bedeu- dacht: Deutschland ist noch fähig zu Reformen, und tete nicht, dass die Unterrichtsinhalte zentralistisch zwar zu Reformen, die im Deutschen Bundestag und für die gesamte Republik festgelegt wurden. Das lag im Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit beschlossen immer in der Kompetenz der Länder. Sie hatten werden müssen. Es ist ein gutes Zeichen, dass dies selbstverständlich die Verantwortung, dafür zu sor- möglich ist. Heute ist der Tag, den viele erhofft und gen, dass Kinder, die von einem Land in ein anderes für den viele hart gearbeitet haben. Andere haben umziehen, nicht zurückgeworfen werden und ihre diesen Tag ge- und befürchtet. Nicht wenige haben Abschlüsse anerkannt werden, dass gemeinsame Re- dafür gearbeitet, dass die Föderalismusreform I gelungen für das Abitur und für die anderen Ab- scheitert. schlüsse gefunden werden. Ich möchte denjenigen Dank sagen, die von An- Wer mir entgegenhält, es gebe tatsächlich Schwie- fang an daran geglaubt haben, dass es richtig ist, die rigkeiten, wenn ein Kind von Berlin nach Bayern um- bundesstaatliche Ordnung neu aufzustellen und zu geschult wird, weil es in Bayern viel schlechter be- überprüfen, ob das, was sich über Jahrzehnte einge- handelt werde als in Berlin, Herr Kollege Stoiber, bürgert hat und Verfassungspraxis geworden ist, dem sage ich: Dieser Vorwurf könnte auch in Bayern noch zeitgemäß ist – nicht, weil man das Gesetz än- geäußert werden. Auch dort gibt es Schulen, die bes- dern will, nicht, weil man eine abstrakte Verfas- ser oder schlechter oder die im Stoff weiter sind. Das sungsdebatte führen will, sondern weil wir uns ge- ist Normalität. 212 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Klaus Wowereit (Berlin) (A) (C) Es wird weiter Aufgabe der Länder sein, in der spielsweise beim Ladenschlussgesetz nun endlich in Kultusministerkonferenz, die sinnvoll und notwen- der Lage sind, auf die Bedürfnisse der jeweiligen Si- dig ist, gemeinsame Regelungen zu finden. Bei aller tuation einzugehen und eigenständige Regelungen Kritik an dieser Institution meine ich, dass sie sich zu finden. bewährt hat. Der Deutsche Bundestag wird gestärkt. Der Ver- Es gibt Länder, die skeptisch sind, ob mit mehr mittlungsausschuss verliert an Macht. Die Entschei- Kompetenz mehr Wettbewerb – möglicherweise ein dungen werden dadurch transparenter. Die materi- ruinöser Wettbewerb – entsteht. Ich ermuntere diese elle Gesetzgebungskompetenz des Bundes kann von Länder, Mut zu haben, auch in der Auseinanderset- uns nicht mehr über formale Mechanismen angetas- zung. tet werden. Wir wissen, dass auf Grund der Zustim- mungsbedürftigkeit über die Formalismen immer Ich halte es für richtig, dass wir die Gesetzge- auch Inhalte beeinflusst worden sind, egal welche bungskompetenz für das Dienst- und Besoldungs- Regierung an der Macht war. Dies ändert sich, und es recht bekommen. Ich kann es mir nicht leisten, von wird wesentlich zur Stärkung des Deutschen Bundes- der Gesetzgebung im Deutschen Bundestag zur Be- tages beitragen. Das ist richtig so. Das bedeutet, dass amtenbesoldung abhängig zu sein. Wir müssen sel- andere Einflussmöglichkeiten abgeben, aber es wird ber die Entscheidung treffen können, ob wir Tarif- transparenter. Deshalb ist die vorgelegte Föderalis- steigerungen durchführen oder nicht. Angesichts der musreform unter dem Strich ein durchaus beachtli- hohen Personalkostenanteile von 30 bis 40 %, die die ches Werk. Alle Erwartungen konnte es nicht erfül- Länder haben, ist das für die Gestaltung der Zu- len, weil die Voraussetzungen nicht gegeben waren. kunftsfähigkeit des eigenen Landes elementar; da- rauf ist bereits hingewiesen worden. Daher muss es Ich möchte mich für die Unterstützung aller Länder hingenommen werden, dass ein anderes Land Schul- bei der Hauptstadtklausel recht herzlich bedanken. leiter vielleicht eine Stufe höher bezahlt. Auch sie ist mit der Föderalismusreform auf den Weg Im Übrigen haben wir schon heute in der Besol- gebracht worden. Damit wird in der Verfassung die dungsstruktur erhebliche Unterschiede zwischen den Verantwortung des Bundes für die gesamtstaatliche Ländern. Berlin befindet sich in direkter Konkurrenz Repräsentanz in der Hauptstadt verankert. Am An- mit dem Nachbarland Brandenburg und mit dem fang war die Skepsis in Bezug auf diesen Vorschlag Bund als Behördeneinrichtung. Dort werden höhere groß. Der Konsens, der seit Jahren bei dieser Klausel Gehälter gezahlt und höhere Gehaltsstufen für die herrscht, ist im Laufe des Diskussionsprozesses nicht gleichen Tätigkeiten festgelegt. Schön, wenn man in Frage gestellt worden. Ich möchte mich für die das tun kann, schlecht, wenn man das nicht tun breite Unterstützung ausdrücklich bedanken. kann. Diese Konkurrenz besteht heute schon. Aber Ich weiß, dass die Klausel im Grunde genommen (B) wir müssen selber in der Lage sein, Einfluss zu neh- (D) nur eine Ermächtigung für den Bund ist, tätig zu wer- men, mehr noch, als das bislang der Fall war. Gesun- den, und ich bin nicht so naiv zu glauben, dass sich der Wettbewerb kann nicht schaden. daraus direkte Leistungen für das Land Berlin erge- Im Übrigen: Wer glaubt denn, dass zwischen den ben. Das wird nach wie vor ein harter Kampf. Aber es Ländern kein Wettbewerb herrscht? Bei allen Statisti- hat sich das Bewusstsein verändert, dass die Haupt- ken, bei allen Rankings freuen wir uns doch jeweils, stadt in einem föderalen System nicht lästig, nicht wenn wir an der vordersten Stelle stehen, und wir är- schädlich ist, sondern zum Föderalismus dazugehört. gern uns, wenn wir hinten platziert sind. Selbstver- Die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland ist ständlich sind Investoren unterwegs und spielen die nicht die Hauptstadt allein der Berlinerinnen und Länder gegenseitig aus. Sie sagen: Land A bietet mir Berliner, sondern der Menschen in der gesamten Re- diese oder jene Förderung, was bietest du mir? – publik. Oder bei großen Sportereignissen: Wenn es darum geht, Olympische Spiele, Fußballweltmeisterschaften Was Sie mit Ihren Landesvertretungen tagtäglich oder Leichtathletikweltmeisterschaften auszurich- hier dokumentieren, nämlich die Präsenz Ihres Lan- ten, sind wir in einem föderalen Wettbewerb, weil des in der Hauptstadt, ist hervorragende Arbeit. wir selbstverständlich davon ausgehen, dass jeder es Wenn der Kollege Stoiber in seiner Vertretung in Ber- besser kann als der andere. Diese Konkurrenz ist da. lin München als Fußballstadt präsentiert Sie muss nicht ruinös sein, sie kann sehr fruchtbar (Dr. Edmund Stoiber [Bayern]: Mit Ihnen!) sein. Ich glaube, eine solche Verantwortung ist rich- tig. – mit mir zusammen –, dann ist das doch ein deutli- ches Zeichen. Ich habe mir sagen lassen, er hat auf Die Stärkung der Landesparlamente ist wichtig. Es der Tribüne des Fußballstadions in München sogar ist darauf hingewiesen worden, dass die Länder für gesungen: Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin! die Kompetenzen, die auf sie verlagert werden, selbstverständlich die Verantwortung tragen. Sie (Heiterkeit) können sich nicht mehr hinter dem Vermittlungsaus- schuss, dem Bundesrat oder dem Deutschen Bundes- Darin zeigt sich doch die Übereinstimmung. In ande- tag verstecken. Sie selber müssen ihren Wählerinnen ren Spielstädten soll das nicht anders gewesen sein. und Wählern, ihren Bürgerinnen und Bürgern erklä- Die neue Annahme der Hauptstadt, und sei es nur zu ren, welche Gesetze gemacht werden, weshalb sie Zeiten des Fußballs, ist ein deutliches Zeichen. Des- richtig sind. Ich halte es auch für gut, dass wir bei- halb: herzlich willkommen! Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 213 Klaus Wowereit (Berlin) (A) (C) Ich denke, dass wir damit einen großen Teil der Ar- dem Bund, den Ländern und den Kommunen aufge- beit erledigt haben. teilt werden, richtig aufgeteilt, oder hat der Bund ei- nen höheren Anspruch, weil er Hartz IV und anderes Die Föderalismusreform II steht noch aus, genauso bezahlen muss? Also: objektiv herangehen, Scheu- wie eine Länderneuordnung, auf die sich viele Hoff- klappen weglassen! Sonst wird es kein Ergebnis ge- nung machen. Ich sage an dieser Stelle deutlich: Es ben. war richtig, dass wir diese Punkte ausgeklammert haben. Sonst hätten wir heute kein Ergebnis. Es könnte sein, dass das Urteil des Bundesverfas- sungsgerichts auf Grund der Klage des Landes Ber- Ich bin der festen Überzeugung, dass die Neuord- lin auf Anerkennung einer Haushaltsnotlage, das im nung von Ländern weiterhin auf der Tagesordnung September oder Oktober zu erwarten ist, Hinweise stehen muss. Es wäre aber falsch, das mit Tricks oder mit generellen Regelungen zu erreichen. Das muss auf notwendige Neuordnungen gibt, vielleicht sogar von den Menschen in den Ländern akzeptiert wer- terminlich. Dadurch könnte ein Impuls kommen, aus den, und es muss von ihnen selber ausgehen. Wir ha- dem sich Handlungszwang ergibt. Wir wissen, dass ben mit Berlin und Brandenburg die Erfahrung ge- neben der Klage des Landes Berlin die Klagen des macht, dass es nicht leicht ist, die Menschen zu Saarlandes und Bremens anhängig sind. Ich nehme überzeugen; denn gegen alles, was neu ist, regt sich an, sie warten auf das Ergebnis. Es könnte sein, dass Widerstand. Trotzdem werden wir diesen mühevollen sich dann auch andere ermutigt fühlen. Deshalb be- Weg gehen müssen, wenn wir weiter an dem Fu- steht dringender Neuordnungsbedarf. sionsgedanken festhalten. In Berlin ist die Mehrheit Wir können uns nur gegenseitig ermuntern, offen der Bevölkerung dafür, in Brandenburg ist sie zurzeit in diese Diskussion zu gehen. Dann würde nach dem dagegen. Dann muss man überzeugen. Das gilt für heutigen Schritt Föderalismusreform I mit der Per- andere Regionen auch. spektive der eigenständigen Regelung von Länder- Es hat keinen Sinn zu meinen, mit einer bundes- zusammenlegungen vor Ort der dritte Teil, nämlich einheitlichen Abstimmung über die Interessen der die Föderalismusreform II zum Thema „Finanzen“, Menschen in den Ländern entscheiden zu können. einen neuen Impuls geben. Das wäre falsch. Aber wir sollten alle ermuntern, Ich meine, wir können mit Fug und Recht sagen, über den eigenen Schatten zu springen. Es gibt im- dass das, was heute vorgelegt worden ist, kein klein- mer wieder Vorschläge, die zeigen, dass man dort vo- teiliges Werk ist. Es wird die Politik in der Republik rankommen will. durch klarere Zuständigkeiten und Verantwortlich- Der zweite Punkt betrifft die Neuregelung der keiten, damit durch eine Stärkung unseres demokra- Finanzen; das ist eine schwierige Materie. Sie ist tischen Gemeinwesens wesentlich mit verändern. (B) trotzdem höchstwahrscheinlich notwendig. Wir müs- (D) sen am Anfang dieses Prozesses eine Analyse ma- Präsident Peter Harry Carstensen: Ich bedanke chen, ob die Thesen richtig sind, die zu der Debatte mich, Herr Regierender Bürgermeister. geführt haben. Die These des Bundes lautet, die Län- der und die Kommunen hätten zu viel Geld. Die Das Wort hat Ministerpräsident Koch (Hessen). These der Länder lautet, der Bund komme zu gut weg. Die These der Kommunen lautet, Bund und Roland Koch (Hessen): Herr Präsident! Meine sehr Länder stünden zu gut da. Jeder denkt, der andere verehrten Damen und Herren! Es ist viel Richtiges hat zu viele Anteile von dem Kuchen abbekommen, gesagt worden, und es gehört nicht zu unserer Tradi- weshalb der Kuchen neu verteilt werden solle. tion, alles zu wiederholen. Ich möchte zwei Bemer- Eine Neuverteilung ist einfach, wenn man mehr kungen hinzufügen. verteilen kann. Wir haben aber die Situation, dass es Ich beginne mit einer eigenen Erinnerung. Noch im mehr nicht geben wird, sondern der Kuchen nur in Plenarsaal des Bundesrates in Bonn während des ers- andere Stücke geschnitten werden kann. Das bedeu- ten halben Jahres meiner Zugehörigkeit zu diesem tet, dass jeder selbstverständlich darauf schauen Hause erlebte ich eine außerordentlich lange Abstim- wird, ob sein Stück am Ende größer oder kleiner mung über 80 Einzelpunkte, wenn ich es richtig im wird. Es liegt in der Natur der Sache, dass derjenige, Kopf habe. Es ging um die Verständigung darüber, der denkt, dass sein Stück kleiner wird, nicht auf Diät welche Kompetenzen der Bundesrat vom Bund wie- gesetzt werden möchte. Er wird darauf achten, dass dererlangen wollte; es gab 80 Optionen. Es stellte dies nicht geschieht, und schon ist die Blockade da. sich heraus, dass sechs von 80 Optionen für eine Wie- Das heißt, wir müssen versuchen zu objektivieren. dererlangung von Kompetenzen hinreichend Unter- Wir müssen prüfen, ob die Verteilung der Finanz- stützung gefunden hatten. ströme, die sich über Jahrzehnte entwickelt hat, noch ( V o r s i t z : Vizepräsident Matthias Platzeck) zeit- und sachgemäß ist und ob die Aufgaben in den jeweiligen Ebenen erfüllt werden können. Sind die Mit unserer heutigen Abstimmung vollziehen wir Länder und die Kommunen in der Lage, die Maßnah- einen wesentlichen Schritt nicht nur im Verhältnis der men zur Daseinsvorsorge zu ergreifen, die die Men- Länder zum Bund, sondern in nicht unbeträchtlichem schen z. B. im Bereich der Kindertagesstätten, der Maße auch im Hinblick auf unsere Selbstvergewis- Schulen und Hochschulen, der Sicherheit, der Polizei serung und unser Selbstverständnis. Auf Grund des von ihnen erwarten? Sind die Gelder, die zwischen Automatismus vermeintlicher Funktionalitäten sind 214 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Roland Koch (Hessen) (A) (C) wir in der Frage des verfassungsrechtlich abgesicher- suchung zum Thema „Bildung“ macht, sichergestellt ten Föderalismus über viele Jahre in einen Wettbe- – in Anführungszeichen – werden muss, dass aus den werb der Argumente geraten. Jeder unserer Amts- Ergebnissen keine Vergleichbarkeit der deutschen vorgänger und Amtsvorgängerinnen, oft auch jeder Länder abgeleitet werden kann. Das zeigt, dass Län- von uns hat sich die Frage gestellt, ob es sich ange- der über viele Jahre „Verantwortlichkeit“ selbst nicht sichts der vielen Fachleute, die sich für zentrale Re- richtig definiert haben. Wenn man sich mit anderen gelungen aussprechen, weil sie viel günstiger seien, vergleichen kann, ist Selbstständigkeit sinnvoll. wirklich lohnt, in jedem einzelnen Punkt zu wider- Wenn man aus der Selbstständigkeit das Recht ablei- sprechen. Jedenfalls seit Mitte der 60er-Jahre kam tet, nicht offen legen zu müssen, was man getan hat, man tendenziell zu dem Schluss, dass es den Ärger ist das eine Verschwendung von Zeit und Kraft. nicht rechtfertigt. Diese Föderalismusreform beinhaltet nach meinem So ist es zu einem Geflecht von Zuständigkeiten Verständnis eine wichtige Aufgabenverteilung zwi- gekommen. Die verfassungsrechtlichen Zuständig- schen Bund, Europa und Ländern. Sie ist aber auch keiten entsprachen nach wie vor dem Grundgesetz, die Herausforderung an uns selbst, Dinge zu korri- die administrativen Verfahrensabläufe waren auf gieren, die wir über 20 oder 30 Jahre hingenommen Grund vielfältiger Vereinbarungen, Kompromisse haben. Kein einziger Verlust an Einfluss und keine und finanzieller Zuordnungen ein fast undurch- einzige Verwischung von Kompetenzen sind ohne schaubares Gewebe geworden. Zustimmung dieses Parlamentes geschehen. Ich meine, wir haben uns auch selbst etwas zugemutet, Das ändern wir heute zum Teil. Wir haben nicht die und wir haben etwas erreicht, was im Kreis der Län- Kraft – das betrifft uns mehr oder weniger –, mögli- der nicht selbstverständlich ist. cherweise auch nicht den Willen, das alles zu zer- schlagen; denn wir haben nicht die Absicht, uns als Zweitens. Mir ist sehr wohl bewusst – das wird uns jeweils selbstständige Länder in die 25 Länder Euro- in den nächsten Monaten weiter begleiten –: Jeder pas einzureihen, obwohl viele von uns nach der von uns, der, in welcher Sache auch immer, Entschei- Größe durchaus nicht an einer hinteren Stelle stehen dungen trifft, kann sich nicht frei davon machen, würden. dass sich das in seinem Haushalt abbildet. Die Haushalte beherrschen heute zunehmend alle Dis- Wir wollen in einer föderalen Ordnung eine klare kussionen. Jede Auswirkung auf den Haushalt, Zuordnung der Verantwortlichkeiten erreichen. insbesondere die Erhöhung einer risikobehafteten Wenn wir es so betrachten, können wir unseren Lan- Ausgabenposition, bringt uns an die Grenze der Ver- desparlamenten sagen, dass sie in Zukunft ein höhe- fassungsmäßigkeit und gefährdet die Erreichung res Maß an Verantwortlichkeit haben. Sie werden in wichtiger politischer Ziele, die wir unseren Bürgerin- (B) der Lage sein, dieses Maß an Verantwortlichkeit zu nen und Bürgern vorgegeben haben. (D) tragen, auch wenn es neue Herausforderungen und neue Auseinandersetzungen gibt. Bei allem, was meine Vorredner über die Bedeu- tung der föderalen Ordnung und von Dezentralität Etwa im Bereich des Strafvollzugs wird es um sowie über die Vorteile, die Dezentralität und Orts- mehr gehen als um die Frage „rechts oder links“ nähe bei Sachentscheidungen haben, gesagt haben, oder um die Frage des Geldes. So gut sind die Ergeb- sollten wir nicht vergessen, dass die Bundesrepublik nisse im Bereich der Resozialisierung in der Bundes- Deutschland das am weitesten entwickelte Finanz- republik Deutschland, über alle Länder hinweg, ausgleichssystem aller Staaten mit föderaler Struktur wahrlich nicht, dass man nicht überlegen könnte, ob hat. Das betrifft auch die Höhe der gegenseitigen man bei den vorhandenen Finanzmitteln nicht bes- Ausgleichsquoten. sere Wege findet. Wir müssen darüber diskutieren, wo es eine Nach- Das gilt auch für das Heimrecht. Es gibt keinen justierung geben kann. Um es sehr offen zu sagen: Grund zu glauben, in Bund-Länder-Arbeitsgruppen Es ist natürlich eine Herausforderung – auch für ein und -Kommissionen oder vielfältigen nationalen In- Bundesland, wie ich es zu vertreten habe –, dass bis stitutionen, denen allen gemeinsam ist, von den kon- auf die letzten maximal 10 % jedes Landesparlament kreten Projekten möglichst weit entfernt zu sein, über die gleichen Einnahmen pro Kopf verfügt, di- würden klügere Lösungen gefunden als im Landtag, rekt oder aus Verteilungen unterschiedlichster Art; wo wir heftig darüber diskutieren, ob unsere Stan- sie zu erklären ist selbst für uns eine Herausforde- dards besser oder schlechter sind als diejenigen im rung. Am Ende ist ein Parlamentarier in einem Land Nachbarland. Das wird es allerdings erfordern, dass der Bundesrepublik Deutschland, wenn er die Ein- wir uns vergleichen lassen. nahmen durch die Zahl der Einwohner teilt, in einer mit seinem Nachbarn, egal in welchem Bundesland, Da wir über Bildung sprechen: Wenn Föderalismus vergleichbaren Situation. Das ist in den Stadtstaaten institutionell sicherstellt, dass man nicht vergleichbar komplizierter; denn dort gibt es zwei Einnahmetöpfe, ist, verliert er seine Legitimation. Bis Mitte der 90er- weshalb anders zu rechnen ist. Aber für die Flächen- Jahre sind von der Kultusministerkonferenz – also länder gilt das. Es ist das Ergebnis unserer Verhand- von uns; die Kultusministerkonferenz wird, auch lungen über den Finanzausgleich. wenn wir das nicht immer wahrhaben wollen, von den Ländern gestellt – und dem Bund, getrieben oder Trotzdem sagen einige Kollegen: Wir können die hingenommen, Verträge abgeschlossen worden, wo- Aufgaben, die ihr uns im Wettbewerb aufgebt, mit nach, wenn die OECD in Deutschland eine Unter- Blick auf unseren Haushalt nicht richtig betrachten. – Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 215 Roland Koch (Hessen) (A) (C) Ich gebe zu: Ich fühle mich vor die gleiche Herausfor- worden. Wenn beide Seiten zu diesem Ergebnis kom- derung gestellt. Meine Universitätspräsidenten sa- men, dann ist es ein Schritt in die richtige Richtung. gen: Ihr seid schlecht. – Ich entgegne: Wir sind gut. – Beide kommen mit Statistiken. Kein Haushalt eines Das entpflichtet uns nicht, daran zu denken, dass Bundeslandes hat einen höheren Anteil für Universi- alle kleinen Schritte von uns in die falsche Richtung täten als Hessen. Aber nur in wenigen Ländern wird gegangen worden sind. Insoweit sollten wir nieman- ein so geringer Anteil für die Hochschulen im Ver- dem böse sein. Es ist gut, diese Erkenntnis im Ge- hältnis zum Bruttoinlandsprodukt, das im Land er- dächtnis zu behalten, wenn sich uns ab morgen auf arbeitet wird, ausgegeben. Das Ergebnis dazwischen der Basis der neuen verfassungsrechtlichen Grundla- ist der Finanzausgleich, weil wir Steuern nicht in gen die nächsten kleinen Fragen stellen, bei deren Höhe unseres Bruttoinlandsprodukts zur Verfügung Beantwortung wir uns wieder in die richtige oder in haben, sondern einen Teil davon abgeben, damit an- die falsche Richtung bewegen können. – Vielen dere Länder Einnahmen oberhalb ihres Brutto- Dank. inlandsprodukts haben. Vizepräsident Matthias Platzeck: Vielen Dank, Dies ist ein Verteilungsmechanismus, der einen Herr Kollege Koch! ziemlich aufregen kann. Das wissen alle Beteiligten. Genauso aufregend kann es sein, über nicht genü- Das Wort hat Herr Ministerpräsident Carstensen gend Mittel verfügen zu können. Aber irgendwann (Schleswig-Holstein). müssen wir akzeptieren, dass die Frage, ob man von jedem Euro, den man bekommt, genügend Cent ab- zweigen kann, um zwei oder drei große Universitäten Peter Harry Carstensen (Schleswig-Holstein): Herr zu betreiben, auch im Zusammenhang mit der Bevöl- Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! kerungszahl steht. Das können wir nicht aufheben. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Schleswig-Hol- steinische Landesregierung hat sich ihre Entschei- Ich gehe deshalb davon aus, dass es in den Län- dung über diese Reform wahrlich nicht leicht ge- dern unterschiedliche Strukturen geben wird. Wir macht. Nach Jahren der Diskussion über eine sind uns – bisher – darin einig, dass die Länder nicht Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung wird gleich groß sein müssen. Wir haben aber bewusst der Bundesrat – wie zuvor bereits der Bundestag – auch die Entscheidung getroffen, dass sich die Höhe über die Föderalismusreform abstimmen. Gerne hätte des Finanzausgleichs an der Zahl der Einwohner Schleswig-Holstein zugestimmt; wir bedauern, dass orientiert. Der Wettbewerb unter den Ländern wird uns dies nicht möglich ist. in diesem Spannungsfeld stattfinden. Solange wir Die Bundesrepublik Deutschland lebt vor allem dieses Spannungsfeld aufrechterhalten – was ich aus- durch die deutschen Länder. Unser föderalistisches (B) drücklich nicht in Frage stelle –, benötigen wir unter- (D) System ist gut, wird akzeptiert und hat sich bewährt. schiedliche Strategien und dürfen nicht parallele Allerdings ist über die Jahrzehnte die Verflechtung Antworten auf die gleichen Fragen geben. Es ist un- der Länder, des Bundes und der Europäischen Union ser Wille, Dezentralität nicht an der Größe von Län- gewachsen. Die verschiedenen Ebenen haben sich dern festzumachen. nicht immer sinnvoll ergänzt. Ich verstehe es so, dass es Teil der Föderalismus- Wir haben uns deshalb dafür eingesetzt, dass die reform II sein wird, diesen Bestandteil beizubehalten. Aufgaben und die Verantwortlichkeiten der Kommu- Dieser Aspekt wird unsere Möglichkeiten limitieren. nen, der Länder, des Bundes und Europas für die Wir werden schauen müssen, wie weit wir kommen, Bürgerinnen und Bürger wieder durchschaubar wer- wenn es darum geht, unter der Limitierung, die wir den – durch Entflechtung der Zuständigkeiten von uns selbst auferlegt haben, neue Strukturen zu schaf- Bund und Ländern und durch eine klare Festlegung fen. von Verantwortlichkeiten. Wir haben uns dafür ein- gesetzt, Überregulierungen abzubauen und dem Viele Menschen glauben, es gebe eine Einbahn- Prinzip der Subsidiarität wieder mehr Geltung zu straße in Richtung Zentralisierung, und schimpfen verschaffen. Aufgaben, die die Kommune lösen darüber, dass Zentralisierungstendenzen nicht zu kann, soll die Kommune lösen. Aufgaben, die ein stoppen seien und dezentrale Verantwortung nicht Land lösen kann, muss das Land lösen. Erst dann ist gestärkt werden könne. Wenn wir diese Kritik auf die der Bund oder die EU gefragt. Dauer zum Verstummen bringen wollen, müssen wir fähig sein, bei der Ordnung der Finanzbeziehungen Deshalb habe ich sowohl vor dem Schleswig-Hol- mehr zu leisten, als uns gegenseitig den Status quo steinischen Landtag im Mai als auch in meiner zu versprechen. Antrittsrede als Präsident dieses Hohen Hauses eine Neubestimmung des Föderalismus gefordert. So ver- Das ist eine Herausforderung. Ob man sie in zwei leihen wir dem Demokratieprinzip unserer staatli- oder in drei Jahren bewältigt und in welcher Koali- chen Ordnung wieder mehr Geltung. Die Bürgerin- tion dies geschieht, weiß ich nicht. Aber ich weiß, nen und Bürger müssen klar erkennen können, wer dass die Länder auf Dauer zu Verwaltungsprovinzen wofür politisch verantwortlich ist. Demokratie muss würden, wenn wir den heutigen Schritt nicht gingen. transparent sein, sonst verliert sie an Zustimmung. Deshalb ist die Föderalismusreform für die Länder wichtig. Sie ist auch für den Bund wichtig; aber da- Meine Damen und Herren, selbstbewusste Länder rüber ist im Deutschen Bundestag schon gesprochen prägen die Bundesrepublik Deutschland. Sie sind 216 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Peter Harry Carstensen (Schleswig-Holstein) (A) (C) Garanten für einen konstruktiven innerstaatlichen zu fairen Bedingungen stattfinden und allen Ländern Wettbewerb. Wir müssen aber auch dafür sorgen, gerechte Chancen geben. Das sehen wir leider nicht dass die Länder in der Lage sind, ihre Aufgaben aus in ausreichendem Maße gewährleistet. eigener Kraft zu erfüllen. Die angestrebten Änderun- gen des Grundgesetzes werden den Abstimmungs- Für die Entscheidung der Landesregierung haben bedarf zwischen Bundestag und Bundesrat vermin- die Interessen unseres Landes absoluten Vorrang. dern. Mitwirkungsrechte des Bundesrates werden Wir wollen nichts geschenkt haben, sondern machen durch die Befugnis der Länder zu abweichender Ge- in Kiel unsere Hausaufgaben: Wir machen Ernst mit setzgebung in zentralen Regelungsbereichen, etwa einer substanziellen norddeutschen Kooperation, mit im Umwelt-, Boden-, Raumordnungs- und Hoch- Bürokratieabbau und der Aufgabe von Aufgaben. schulrecht, ersetzt. So wird das Betätigungsfeld des Wir bringen unsere öffentlichen Finanzen in Ord- Vermittlungsausschusses erfreulicherweise einge- nung; gerade haben wir gemeinsam ein 600-Millio- schränkt. Dadurch entziehen wir der Gefahr einer nen-Euro-Sparpaket geschnürt. Das ist, wie Sie sich gegenseitigen Blockade den Boden. vorstellen können, ein steiniger, schwieriger Weg. Die Schleswig-Holsteinische Landesregierung ist Ein gesunder innerstaatlicher Wettbewerb kann sich darin einig, dass die Modernisierung der bun- erst dann seine gute Wirkung entfalten, wenn die desstaatlichen Ordnung erforderlich ist. Aber wo Länder aus eigener Kraft in der Lage sind, sich ihm Licht ist, ist meistens auch etwas Schatten. Wir kom- zu stellen. Hierbei müssen wir Instrumentarien ent- men nach gründlicher Analyse zu dem Ergebnis, dass wickeln, die Reformanstrengungen belohnen, nicht einige Vorschläge zur Föderalismusreform erhebli- erschweren. che Nachteile für Schleswig-Holstein in sich bergen. Schleswig-Holstein wird sich heute trotz grund- Ich könnte hier zu einer Reihe von Einzelpunkten sätzlicher Unterstützung der Bemühungen, den deut- lang und breit Stellung beziehen, werde aber darauf schen Föderalismus zu modernisieren, bei der verzichten. Unsere Positionen sind bekannt. Wir ha- Stimmabgabe enthalten. – Herzlichen Dank. ben uns von Anfang an in den gesamten Prozess sehr klar und transparent eingebracht und unsere Hal- tung zum Ausdruck gebracht. Durch den Verlauf der Vizepräsident Matthias Platzeck: Vielen Dank, Diskussion sehen wir uns bestätigt und bestärkt. Herr Kollege Carstensen! Ich will an dieser Stelle nur mit wenigen grundle- Das Wort hat Minister Dr. Stegner (Schleswig-Hol- genden Bemerkungen den Abwägungsprozess und stein). die abschließende Position Schleswig-Holsteins dar- legen. Dr. Ralf Stegner (Schleswig-Holstein): Sehr geehr- (B) Nachteile sehen wir bei der Verlagerung einiger ter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und (D) Gesetzgebungskompetenzen ebenso wie bei den fi- Herren! Der Bundesrat entscheidet heute über eine nanziellen Folgewirkungen angestrebter Grundge- der umfänglichsten Verfassungsänderungen in der setzänderungen. Die Schleswig-Holsteinische Lan- Geschichte der Bundesrepublik. Es ist der Versuch, desregierung sieht insbesondere die Verlagerung der etwas wiederherzustellen, was im Laufe der Jahre Gesetzgebungskompetenzen im Laufbahn-, Besol- verwischt worden ist, was aber konstituierend ist für dungs- und Versorgungsrecht auf die Länder sehr unser Land und was wir nicht einmal durch eine Ver- kritisch. Wir haben die Sorge, dass es in einigen Be- fassungsänderung aufheben können. Das ist die reichen nicht, wie immer betont wird, zu einem ge- föderale Ordnung, in der das demokratisch-rechts- sunden, sondern zu einem ausufernden Wettbewerb staatliche Prinzip der Gewaltenteilung klar zum Aus- zwischen den Ländern kommt. Für diese Position hat druck kommen soll. auch Ministerpräsident Beck Verständnis geäußert. Nicht nur die horizontale Teilung in Legislative, Zudem ist für uns nicht einzusehen, dass Länder, Exekutive und Judikative schützt vor ungewollten die ihre Probleme entschieden anpacken, dennoch und den Missbrauch begünstigenden Machtkonzen- durch Sanktionen im Rahmen des nationalen Stabili- trationen, auch die vertikale Teilung in eine Staats- tätspaktes bestraft werden. Solche Sanktionen wür- gewalt des Bundes und eine Staatsgewalt der Länder den uns in die Haushaltsnotlage bringen. Wir mei- dient der Sicherung der Freiheit der Bürgerinnen und nen vielmehr: Wir müssen dafür sorgen, dass die Bürger. Wir brauchen dafür wieder eine schärfere Länder in der Lage sind, ihre Aufgaben aus eigener Trennung von Zuständigkeiten. Dies soll die Födera- Kraft zu erfüllen. lismusreform leisten. Deswegen ist sie an sich zu be- grüßen. Die Schleswig-Holsteinische Landesregierung ist sich in der Einschätzung einig: Insgesamt führt das Für unser Land sind aber noch weitere Grundlagen vorgesehene Reformpaket zu einer – grundsätzlich konstituierend. Lassen Sie mich dazu einen der Väter begrüßenswerten – klareren Kompetenzverteilung des Grundgesetzes zitieren! Der Abgeordnete Carlo zwischen Bund und Ländern. Aber wir sind uns S c h m i d erläuterte in seiner Rede vor dem Parla- ebenso einig, dass das heute zur Abstimmung ste- mentarischen Rat am 8. September 1948 die notwen- hende Verhandlungsergebnis Punkte beinhaltet, die digen Merkmale einer demokratischen Verfassung. einem ausufernden Wettbewerbsföderalismus den Er sagte: „Das Erste ist, dass das Gemeinwesen auf Weg bereiten. Ich lege Wert auf die Feststellung: die allgemeine Gleichheit und Freiheit der Bürger Dem Wettbewerb stellen wir uns gerne. Aber er muss gestellt und gegründet sein muss …“. Deswegen sind Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 217 Dr. Ralf Stegner (Schleswig-Holstein) (A) (C) nach Artikel 72 des Grundgesetzes gleichwertige Le- und Ländern im Hochschulbereich aufgelockert wor- bensverhältnisse für alle Menschen in unserem Staat den ist. Das ist positiv. herzustellen. Dies ist Gleichheit und Freiheit auch im Insgesamt muss man aber immer auch die Interes- materiellen Sinne. sen des eigenen Landes vertreten. Als Vertreter eines Ich wiederhole, was ich in der Debatte des Bundes- Landes wie Schleswig-Holstein kann man den rates am 10. März gesagt habe: Ziel der Föderalis- Grundgesetzänderungen nicht zustimmen, wenn sie musreform muss es sein, alle Länder gegenüber dem die Ungleichgewichte zementieren oder in Teilen so- Bund zu stärken, nicht nur einzelne. Wenn sich an gar noch verstärken. Eine nüchterne Analyse ergibt dem Gesetzentwurf nichts verändert, verfehlt die leider, dass genau dies der Fall ist. Die Umsetzung Föderalismusreform ihren Sinn und Zweck. der Änderungen wird zu einer Stärkung der ohnehin starken süd- und westdeutschen Bundesländer füh- Der Bundestag hat einige Änderungen vorgenom- ren, struktur- und leistungsschwächere Bundesländer men und die Reform dadurch verbessert. Mein Dank im Norden und im Osten Deutschlands aber weiter gilt auch denen, die versucht haben, noch Änderun- schwächen. gen zu bewirken und nicht dem vorab geäußerten Basta-Prinzip – entweder 100 % oder gar nichts – Ich will bekräftigen, was der Herr Ministerpräsi- nachzugeben. dent soeben gesagt hat: Wir scheuen keineswegs den Wettbewerb. Ideenwettbewerb immer, eigene An- Dennoch komme ich zu dem Fazit – bei allem Re- strengungen ohnehin, aber Wettbewerb nur, wenn er spekt vor denen, die das anders sehen –, dass die auch fair ist. Wenn jemand mit der Bleiweste neben Veränderungen nicht ausreichend sind, um ihnen jemandem läuft, der im Leichtathletikdress unter- zustimmen zu können. wegs ist, ist das kein fairer Wettbewerb, meine sehr Es geht im Übrigen, Herr Ministerpräsident verehrten Damen und Herren. Insofern hätten wir in Rüttgers, keineswegs um die Präferenz für zentralis- bestimmten Bereichen das, was man, glaube ich, zu tische Lösungen, wie sie den Kritikern gelegentlich Recht „aggressiven Wettbewerbsföderalismus“ nen- vorgehalten wird. Zentralismus führt in der Tat eher nen kann. zu Mittelmäßigkeit. Niemand will zentralistische Lö- Die Auffassung der Schleswig-Holsteinischen Lan- sungen. desregierung bedeutet übrigens keineswegs – auch Aber die Reform bedeutet, so wie sie ist, die Ge- das will ich deutlich sagen, weil es heute mehrmals fahr, dass das verfassungspolitische Ziel der inneren angesprochen worden ist –, dass Landesparlamente Einheit allmählich zur Disposition gestellt wird, weil weniger klug seien als das Bundesparlament oder sie zu Lasten der finanzschwachen Länder gehen dass Landesregierungen weniger verantwortungsvoll wird. Mit ihr werden Pfosten eingeschlagen, die handelten als die Bundesregierung. So kleinmütig (B) mehr Länder in die Haushaltsnotlage treiben oder darf Kritik nun wirklich nicht sein. Es wäre eines (D) zur Zwangsneugliederung von Ländern führen könn- selbstbewussten Landes auch nicht würdig, so zu ar- ten. gumentieren. Darum geht es nicht. Es geht um kon- krete Punkte. Um es ein wenig plastisch auszudrücken: Herren- chiemsee ist besser als Tegernsee. Dort wurde nicht Wenn Sie sich erstens das Thema der Verlagerung nur der arme Bär Bruno erlegt, sondern auch der Öf- der Gesetzgebungskompetenzen im Laufbahn-, fentlichkeit ein Bär aufgebunden. Wer nämlich über Besoldungs- und Versorgungsrecht der Beamten auf zwangsweise Zusammenschlüsse anderer, struktur- die Länder anschauen, stellen Sie fest, dass hier trotz schwächerer Bundesländer philosophiert, will nicht all dem, was Herr Beck dazu gesagt hat, eben doch den Föderalismus stärken, sondern setzt sich in Wi- Kleinstaaterei droht – mehr Bürokratie, weniger Mo- derspruch zu unseren Verfassungsprinzipien. Dieser bilität und in der Folge die Zerstörung des Flächenta- „Pakt für Fairness, finanzpolitische Solidität und rifvertrags im öffentlichen Dienst. Generationengerechtigkeit“ – so heißt er – offenbart Der Wettbewerb um die attraktivste Beamtenbesol- eine größere Distanz zu den Werten des Grundgeset- dung führt zu etwas, was wir schon hatten. Herr Kol- zes, als wir es in einer seriösen Reformdebatte brau- lege Professor Faltlhauser, Finanzminister in Bayern, chen. hat vor wenigen Tagen angekündigt, das Weih- ( V o r s i t z : Präsident Peter Harry Carstensen) nachtsgeld der bayerischen Beamten ab 2007 zu er- höhen Meine sehr verehrten Damen und Herren, die nun vorliegenden Gesetze zur Modernisierung der bun- (Dr. Edmund Stoiber [Bayern]: Nicht erhöhen!) desstaatlichen Ordnung enthalten erkennbar das und zwei Sonderzahlungen vorzunehmen. Prima, es Bemühen, die Gleichwertigkeit der Lebensverhält- sei den Beamten gegönnt! Zur gleichen Zeit musste nisse in ganz Deutschland als Voraussetzung für die Schleswig-Holsteinische Landesregierung be- Gleichheit und Freiheit auch in Zukunft zu erhalten. schließen, ihren Beamten das Weihnachtsgeld weiter Die Öffentlichkeit und die am Reformprozess Betei- zu kürzen bzw. in Teilen ganz zu streichen. Wir wer- ligten sind sich darüber im Klaren, dass manche, z. B. den also auf der einen Seite einen Dumpingwettbe- Herr Ministerpräsident Beck, daran mitgewirkt ha- werb bei Polizisten und Lehrern und auf der anderen ben, noch zu Veränderungen zu kommen. Ihrer posi- Seite einen Besoldungswettlauf nach oben bei Wis- tiven Einflussnahme ist es auch zu verdanken, dass senschaftlern und Forschern haben. Dies tut unserem etwa das Verbot der Kooperation zwischen Bund Land nicht gut. 218 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Dr. Ralf Stegner (Schleswig-Holstein) (A) (C) Zweitens. Der Nachteil, den unser Land durch das Leider sind die Änderungen trotz anerkennenswer- im Kern fortbestehende Kooperationsverbot auf den ter Detailverbesserungen und des Ausgleichs hand- Gebieten der ausschließlichen Ländergesetzgebung, werklicher Mängel nicht im erforderlichen Umfang z. B. bei der Bildung, haben wird, ist ebenfalls groß. vorgenommen worden. Die Schleswig-Holsteinische Ich bestreite nicht, dass die Zuständigkeit der Länder Landesregierung wird sich aus den vorgetragenen für die Schulen etwas Gutes ist, aber so etwas wie ein Gründen bei der Abstimmung der Stimme enthalten Ganztagsschulprogramm ist künftig ausgeschlossen. müssen, wie Herr Ministerpräsident Carstensen an- Das halte ich für falsch. gekündigt hat. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Drittens und am gravierendsten: Die Finanzrege- lung der Verteilung der EU-Sanktionslasten und Präsident Peter Harry Carstensen: Ich bedanke andere Punkte erschweren die ohnehin schwierige mich, Herr Minister Stegner. Ausgangslage kleiner Länder. Die kooperative Das Wort hat Minister Rauber (Saarland). Finanzierung sollte doch gerade dem Aufbau einer wachstumsfördernden Infrastruktur in struktur- schwächeren Räumen dienen. Es sollte nicht jedes Karl Rauber (Saarland): Herr Präsident, meine Da- Land, einschließlich derjenigen, die dies nicht aus ei- men und Herren! Herr Kollege Stegner, den Pakt gener Kraft leisten können, auf sich selbst angewie- vom Tegernsee mache auch ich mir nicht zu Eigen. sen sein. Kommt es zu der vorgesehenen Regelung Als Vertreter des kleinen Bundeslandes Saarland bin der Verteilung der EU-Sanktionslasten, nützen alle ich aber davon überzeugt, dass diese Reform den Fö- Anstrengungen nichts, und wir befinden uns sofort in deralismus stärkt. Wir sind bereit, auch als kleines der Haushaltsnotlageliga mit dem Saarland und Bre- Land diese Verantwortung zu übernehmen; denn men. Berlin bewirbt sich im Augenblick darum. Das das, was wir für politisch halten, können wir auch in heißt, es werden dann mehr Länder in einer Haus- Zukunft durchsetzen, und das, was wir unterlassen, haltsnotlage sein. Das kann nicht Sinn der Übung geht auch mit uns nach Hause. sein. Ministerpräsident Stoiber hat von Wettbewerbsfö- Vor diesem Hintergrund kann einem bei der Dis- deralismus gesprochen. Wir sind als kleines Bundes- kussion um die Föderalismus-II-Reform nur angst land bereit, Verantwortung zu übernehmen. Wir und bange werden. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: stellen uns auch dem Wettbewerb. Fairer Wettbe- Manches, was dazu gesagt wird, ist nicht moderner werb setzt aber vergleichbare und gleiche Startbe- Föderalismus, sondern eher föderaler Darwinismus. dingungen voraus. Dort sind wir noch lange nicht Zum Glück sagt die Lebenserfahrung, dass die so angekommen. Deshalb brauchen wir die Föderalis- große Vielfalt finanzieller Partikularinteressen ver- musreform II. Eckpunkte werde ich nachher nennen. (B) mutlich verhindern wird, dass solche Blütenträume, Wir im Saarland wollen nicht in Abhängigkeit blei- (D) wie sie der eine oder andere hat, reifen. ben. Wir brauchen aber noch die Solidarität der an- deren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, manche Gesetzgebungszuständigkeiten – wie beim Strafvoll- Die Länder werden mit den neuen Gestaltungsauf- zug oder beim Heimrecht – sind schon von ihrem In- gaben selbstbewusst umgehen. Bereits in der Ver- halt her auf eine bundeseinheitliche Regelung ange- gangenheit haben sie unter Beweis gestellt, dass sie legt; ihre Regionalisierung hat nur Sinn, wenn man die Innovationskraft für die Modernisierung unseres damit Besonderes vorhat. Das Wort „Schäbigkeits- Bildungssystems besitzen. Das achtjährige Gymna- wettbewerb“ habe nicht ich erfunden. Aber – ich sium wurde vom Saarland ausgehend in den West- sage das, weil Ministerpräsident Koch es angespro- ländern eingeführt, es wurde eben nicht bundesseitig chen hat – natürlich ist es nicht sonderlich sinnvoll, verordnet. Ich bin mir sicher, dass die Länder die bei dem entscheidensten Eingriff, den der Staat in Potenzialträger eines modernen deutschen Bil- die Freiheit der Bürger macht, dem Freiheitsentzug dungssystems sind. – er ist Ausdruck des Gewaltmonopols des Staates –, Auch im Bereich Wissenschaft und Forschung wur- auf 16 verschiedene Weisen zu verfahren. Insofern den die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten kla- halte ich Befürchtungen, die in diese Richtung ge- rer abgesteckt. Das Saarland übernimmt diese Auf- hen, nicht für unberechtigt. gabe selbstbewusst in der festen Überzeugung, dass Der Rechtsausschuss des Bundestages und der die Reform der einzig richtige Weg zu einem moder- Innenausschuss des Bundesrates haben gemeinsam nen Föderalismus ist. – ich darf sagen: in einmaliger Weise – ein Anhö- Gleichwohl halten wir hinsichtlich des Vertrauens- rungsverfahren zur Föderalismusreform durch- schutzes bereits begonnener Hochschulmaßnahmen geführt und sich Sachverstand eingeholt, um die nach wie vor eine Übergangsregelung für notwendig Dinge zu prüfen. Ich will auch an dieser Stelle mei- und geboten, Frau Bundesministerin S c h a v a n . nen Dank an den Vorsitzenden des Rechtsausschus- Ministerpräsident Peter Müller hat hierzu in der Sit- ses des Deutschen Bundestages, Herrn Kollegen zung des Bundesrates vom 10. März dieses Jahres S c h m i d t , ausdrücken. Ich glaube, das war eine eine Protokollerklärung abgegeben. Diese Proto- sehr gute Anhörung. Die Mehrzahl der Sachverstän- kollerklärung möchte ich heute bekräftigen. digen hat sich zu den Themen sehr intensiv geäußert, auch wenn das dem einen oder anderen nicht gefal- Richtig ist, dass der Bund und die Länder in der len hat. Es war eine kluge Anhörung. Forschungsförderung nach wie vor zusammenwir- Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 219 Karl Rauber (Saarland) (A) (C) ken können. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass benadäquate Finanzausstattung aller Länder dar- nunmehr auch eine Kooperation von Bund und Län- stellt, so dass weitere Reformschritte unabdingbar dern in der Wissenschaft möglich ist. Ich danke Mi- sind“. Jedes Land muss in die Lage versetzt werden, nisterpräsident Rüttgers für die Klarstellung in die- seine ihm verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufga- sem Punkt in seinem Beitrag. Deswegen brauche ich ben auf einem im gesamtstaatlichen Interesse ver- nicht näher darauf einzugehen. tretbaren Niveau zu erfüllen. Die Stärkung der Ge- staltungsmöglichkeiten von Bund und Ländern, die Bedauernswert ist, dass es bei der beruflichen Gegenstand der heutigen Beratungen ist, und die Bildung keine Fortschritte gegeben hat. Wir haben Stärkung der Eigenverantwortung der Gebietskör- uns für eine Kompetenzübertragung von der Bundes- perschaften durch eine aufgabenadäquate Finanz- auf die Landesebene eingesetzt, vor allem wegen der ausstattung – dies sind die beiden Beine, die unser starken Verbindung zwischen schulischer und außer- Vorhaben „Modernisierung der bundesstaatlichen schulischer beruflicher Bildung. Für den schulischen Ordnung“ braucht, um stehen zu können. Teil der beruflichen Bildung sind die Länder bereits heute zuständig. Aus saarländischer Sicht muss in der nun anstehen- den Diskussion über die Stärkung der Eigenverant- Wenn es eine Stelle gab, an der dem Saarland die wortung der Gebietskörperschaften durch eine auf- Zustimmung zur Reform besonders schwer gefallen gabenadäquate Finanzausstattung vor allem über ist, so ist es der Teilbereich des nationalen Stabili- folgende Themen entschieden werden: Durchfüh- tätspaktes. Hier hat das Saarland aus gesamtstaat- rung eines Benchmarkings auf Länderebene hin- licher Verantwortung zugestimmt. Gleichwohl er- sichtlich der Erledigung öffentlicher Aufgaben; Nor- wartet es Rücksicht auf seine Belange als men zur Vermeidung neuer und zum Abbau Haushaltsnotlageland. vorhandener extremer Haushaltsnotlagen; Zusam- Die Regelung sieht vor, dass Bund und Länder menführung von Finanzierungs- und Regelungsver- mögliche Sanktionszahlungen im Verhältnis 65 : 35 antwortung in den Kompetenzbereichen des Bundes tragen. Ländern mit einer vom Bundesverfassungs- mit regional stark streuenden Belastungswirkungen; gericht festgestellten unverschuldeten extremen größere gesetzliche Handlungsspielräume der Län- Haushaltsnotlage werden die Sanktionszahlungen der zur Reduzierung ihrer Ausgabenlasten in Verbin- bzw. Zinszahlungen vom Bund für die Dauer der vom dung mit der Bestimmung von Kompetenzgrenzen Bundesverfassungsgericht festgestellten Haushalts- zur Wahrung der Gleichwertigkeit der Lebensver- notlage gestundet. Die Länder übernehmen hiermit hältnisse im Bundesstaat. Weitere Punkte möchte ich erstmals einen Anteil an eventuellen Sanktionslas- aus Zeitgründen nicht aufführen. ten, obwohl sie auf Grund ihrer Haushaltsprobleme (B) Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik (D) auch weiterhin nur einen sehr geringen finanzpoli- Deutschland wurde von den Ländern gegründet. Je- tischen Handlungsspielraum in ihren Haushalten des Land hat seine Geschichte. Jedes Land hat seine haben. eigene Identität. Die Länder sind keine Verwaltungs- Die gemeinsame Verantwortung des Bundes und einheiten, die auf dem Reißbrett konstruiert werden aller Länder für etwaige Sanktionszahlungen wird können. Unsere bundesstaatliche Ordnung mag nicht dazu führen, dass keine staatliche Ebene leichtfertig immer den Kriterien einer strengen Systematik Rech- Maßnahmen beschließt, die eine Sanktionszahlung nung tragen; ihre Stärke ist vor allem ihre Lebens- nach sich ziehen. Insofern ist die nun geregelte Ver- nähe. Deshalb gilt es, sie zu modernisieren und auf antwortungspartnerschaft die beste Versicherung. neue Fragen die richtigen Antworten zu geben. Weit über den Bereich möglicher Sanktionslasten Handlungsfähige Länder in einem handlungsfähi- aus dem EU-Stabilitätspakt hinaus stellt sich grund- gen Bundesstaat sind unabdingbare Voraussetzung sätzlich die Frage nach der künftigen Ausgestaltung für eine gute Politik für die Menschen in Deutsch- der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Diese ist nicht land. Die Stärkung der Gestaltungsmöglichkeiten Gegenstand des vorliegenden Reformpakets. Gleich- von Bund und Ländern, über die wir heute entschei- wohl besteht erheblicher Reformbedarf. Es ist daher den, und die Stärkung der Eigenverantwortung der zu begrüßen, dass die Bundesregierung und die Mi- Gebietskörperschaften durch eine aufgabenadäquate nisterpräsidenten vereinbart haben, dieses Thema Finanzausstattung, die wir vorbereiten, leisten dazu nach der Verabschiedung des vorliegenden Pakets einen entscheidenden Beitrag. – Vielen Dank. unverzüglich aufzurufen. Am Anfang dieses neuen Abschnitts bedarf es einer sehr grundsätzlichen Präsident Peter Harry Carstensen: Herzlichen Bestandsaufnahme aller Ausgaben der Länder. Wer Dank, Herr Minister Rauber! macht was? Wer gibt was wofür aus? In diesem Zu- sammenhang müssen wir auch über die Standards Das Wort hat Minister Sellering (Mecklenburg-Vor- diskutieren. Was können und was wollen wir Länder pommern). uns leisten? Ich verweise auf die Protokollerklärung vom Erwin Sellering (Mecklenburg-Vorpommern): Herr 10. März 2006 und betone, „dass die vorliegende Re- Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! form keinen Fortschritt in Richtung auf eine aufga- Es gab einmal eine Zeit – es ist noch gar nicht lange 220 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Erwin Sellering (Mecklenburg-Vorpommern) (A) (C) her –, da waren sich alle einig: Deutschland muss Verfassungsänderung in der Geschichte der Bundes- durch kluge Reformen wettbewerbsfähiger gemacht republik Deutschland ohne eine einzige Beratung in werden, weil wir sonst international weiter an Boden den Ausschüssen durchzuwinken. Das ist ein ziem- verlieren. Die allgemeine Meinung war: Prüfstein für lich armseliges Verhalten. die Reformfähigkeit Deutschlands wird sein, ob wir Mindestens genauso armselig erscheint mir das Ar- eine Änderung unserer föderalen Ordnung hinbe- gument, man müsse die Verfassungsänderung nun kommen, ob wir die Blockade zwischen Bund und ganz schnell beschließen, weil sonst die Handlungs- Ländern überwinden und ob die Entscheidungsab- fähigkeit der Bundesregierung in Frage gestellt sei. läufe so organisiert werden können, dass dem Bürger Sie glauben gar nicht, wie oft ich das in den letzten deutlich wird, wer für welche Entscheidung verant- Wochen gehört habe – immer verbunden mit dem wortlich ist. Eingeständnis, dass die Reform tatsächlich besser Meine Damen und Herren, das Ergebnis liegt vor, hätte ausfallen können. und es ist deprimierend. Das muss heute Morgen Ich meine, so darf man mit der Verfassung nicht auch einmal gesagt werden. Gerade von einer gro- umgehen. Eine Verfassungsänderung darf niemals ßen Koalition hätte ich mehr erwartet. Was uns ein Mittel sein, um in tagespolitischen Auseinander- vorliegt, stellt allenfalls in einigen Punkten eine Ver- setzungen etwas beweisen zu wollen. Die große Koa- besserung dar. Ansonsten führt die Verfassungsände- lition mit ihrer klaren Mehrheit hätte das auch gar rung zu mehr Kleinstaaterei, zu größerem Länder- nicht nötig. Sie stellt sich dadurch ein Armutszeugnis egoismus, zu mehr Bürokratie und zu größerer aus, wofür sie sich eigentlich zu schade sein sollte. Unübersichtlichkeit. Vor allem aber verliert der Bund an Handlungsfähigkeit auf Feldern, auf denen wir Meine Damen und Herren, die Verzagtheit, die in Handlungsfähigkeit gerade brauchen. dem ganzen Verfahren zum Ausdruck kommt, hat Deutschland nicht verdient. Wir alle sollten uns in Nicht die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als diesen Tagen lieber Klinsmann zum Vorbild neh- Ganzes, als Gemeinschaft aller Bürger, ob sie nun in men, und das heißt: mehr Mannschaftsspiel, mehr Bayern leben oder in Bremen, wird verbessert; ge- Vertrauen in die eigene Stärke, mehr Vertrauen, dass stärkt wird allenfalls die Position der größeren und auch der Mitspieler das Beste für Deutschland will reicheren Länder, und zwar sowohl gegenüber dem und nicht – wie mancher Bayer – immer nur für sich Bund als auch gegenüber den kleinen und finanziell allein dribbelt. schwächeren Ländern. Dem Reformvorschlag merkt man an, dass am Anfang nicht die Frage stand, was Eine wirklich gute Föderalismusreform bekommen Bayern oder Baden-Württemberg für Deutschland wir nur, wenn das dafür nötige Geben und Nehmen zwischen Bund und Ländern offen geschieht, wenn (B) tun kann. Offenbar entscheidend war, wie die Verfas- (D) sung geändert werden kann, damit es Bayern oder alle beteiligt werden und wenn vor allem den Baden-Württemberg am meisten nutzt. Diese Frage Sachargumenten Raum gegeben wird. Wenn diese steht jetzt auch am Anfang der Diskussion über Teil II Föderalismusreform die Mutter aller Reformen sein der Föderalismusreform. soll, dann wird mir angst und bange um die Kinder. Eine gelungene Föderalismusreform muss die Zahl Manchen Landespolitikern geht es nicht um die der Bundesgesetze, die der Zustimmung des Bundes- hehren Ziele, die in Sonntagsreden beschworen wer- rates bedürfen, deutlich reduzieren. Ist das gelun- den, sondern darum, unseren nach wie vor koopera- gen? Man kann sicherlich darauf hoffen, dass die ge- tiv und solidarisch geprägten Föderalismus durch ei- plante Änderung die prognostizierte Wirkung auch nen Wettbewerbsföderalismus abzulösen, der die tatsächlich entfaltet. Aber man muss doch vor allem Interessen der Republik als Ganzes missachtet. An hoffen, dass die im Gegenzug vorgenommene Aus- dieser fehlenden Aufrichtigkeit, meine Damen und weitung des Zustimmungsbedürfnisses bei der Fall- Herren, krankt die gesamte Reform. Und das man- gruppe der Geldleistungsgesetze unter dem Strich gelhafte Ergebnis ist die logische Folge des gewähl- nicht zu mehr Gesetzesblockaden führt als vorher. ten Verfahrens, ein Paket festzuzurren, das unter kei- nen Umständen wieder aufgeschnürt werden darf. Eine zusätzliche Blockademöglichkeit ist ja aus- drücklich neu verankert worden: Die dem Bund zu- Enttäuschend ist auch, wie leichtfertig mit den gestandene Möglichkeit, entgegen den ursprüngli- ernsthaften Argumenten der Kritiker umgegangen chen Plänen doch Hochschulen zu fördern, wird an wird. Sicher, wir haben in Rekordzeit eine sehr um- die Zustimmung aller Bundesländer gebunden. Ei- fangreiche und beachtliche gemeinsame Anhörung nen solchen Zwang zur Einstimmigkeit gibt es sonst von Bundestag und Bundesrat durchgeführt. Aber nirgendwo im Grundgesetz. Ich kann mir keine groß- welchen Sinn haben die klügsten und überzeugends- zügigere Einladung zu Vetospielen und keine stär- ten Darlegungen von Experten, wenn dann sofort ge- kere institutionelle Verankerung von Inflexibilität sagt wird: Wir dürfen höchstens Kleinigkeiten än- vorstellen als dieses Einstimmigkeitsprinzip. dern; denn wenn wir das ganze Paket aufschnüren, fliegt alles auseinander! – Ist der Inhalt etwa so ex- Meine Damen und Herren, auch das Ziel, die plosiv, dass man Angst vor Kritikern haben muss, die Transparenz bei der Entscheidungsfindung zu er- es doch nur öffnen wollen, um den Inhalt attraktiver höhen, ist in wesentlichen Politikfeldern verfehlt zu machen? Offenbar ja, denn die Mehrheit der Län- worden. Denken Sie an das Naturschutz- und Um- der im Bundesrat hat es hingenommen, die größte weltrecht! Der Bund kann in Zukunft das Umwelt- Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 221 Erwin Sellering (Mecklenburg-Vorpommern) (A) (C) recht in einem einheitlichen Umweltgesetzbuch zu- rückgängig zu machen. 16 unterschiedliche Regelun- sammenfassen; jedes Land darf aber in weiten Teilen gen bei der Besoldung und Versorgung führen zu ei- eigene, vom Bundesrecht abweichende Regelungen nem Bezahl- und Abwerbewettbewerb. Sie schaffen erlassen. Dann kann jeder immer wieder neu auf den mehr Bürokratie und einen höheren Koordinierungs- anderen reagieren. Dieses Pingpongspiel ist nicht nur bedarf. handwerklich ein peinliches Stück Gesetzgebung, es ist vor allem eine Zumutung für die Wirtschaft, die Meine Damen und Herren, um es zusammenzufas- gerade im Umweltrecht klare und kalkulierbare Rah- sen: Eine Föderalismusreform ist dringend notwen- menbedingungen braucht. dig. Aber nicht diese! Das ist noch nicht einmal eine halbe Sache. Was vorliegt, benachteiligt nicht nur die Hier wird die Gesetzgebung also komplizierter. kleinen finanzschwächeren Länder, es schwächt un- Wer was geregelt hat, wird schwerer durchschaubar. sere Republik als Ganzes. Mecklenburg-Vorpom- Die Gesetzgebung wird langwieriger, und es wird ein mern kann dem nicht zustimmen. Mehr an Gesetzen und an Bürokratie geben, auf das sich Wirtschaft und Bürger einstellen müssen. Präsident Peter Harry Carstensen: Ich bedanke Meine Damen und Herren, der Kardinalfehler des mich, Herr Minister Sellering. vorliegenden Reformvorschlages ist aber folgender: Die Entscheidung, ob der Bund oder die Länder für Das Wort hat Minister Professor Dr. Reinhart (Ba- ein bestimmtes Politikfeld zuständig sein sollen, den-Württemberg). orientiert sich nicht daran, was für den Bundesstaat Bundesrepublik Deutschland als Ganzes besser ist. Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden-Württem- Wenn man diesen Maßstab anlegen würde, so könnte berg): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen kein Zweifel daran bestehen, dass z. B. für den Straf- und Herren! Wir in Baden-Württemberg teilen die vollzug einheitliche Regelungen in Deutschland gel- soeben geäußerte Kritik des Kollegen Sellering in ten müssen. Das Strafgesetzbuch gilt selbstverständ- keiner Weise. Auch die Befürchtung von Vorrednern, lich in der gesamten Republik. Vor ihm sind alle es komme zu einem ausufernden Wettbewerb, wird Bürger gleich. Genauso wird das Strafverfahren bun- von uns nicht geteilt. Wenn man sich dabei auf desweit nach einheitlichen Regeln fortgeführt. Dann Klinsmann bezieht, sollte man eine Grunderkenntnis muss aber auch die Freiheitsstrafe, die der Richter immer vor Augen haben: Es gibt Leistung nur durch verhängt, in der gesamten Republik in gleicher Wettbewerb. Das gilt im Sport, das gilt in der Wirt- Weise vollzogen werden, sonst ist wohl Schluss mit schaft und sollte in der Politik besonders gelten. der Gleichheit vor dem Gesetz. Diese Ausgangslage sollte man sehen. (B) Es muss daher bei dem Grundsatz bleiben: Wer die Wir begrüßen es sehr, dass wir diese Sternstunde (D) Strafe androht, der muss auch sagen und regeln, wie heute erleben. Baden-Württemberg hat bei den sie aussieht. Würden die Länder den Inhalt der Frei- schwierigen Bergetappen mit großem Einsatz mitge- heitsstrafe bestimmen, könnte der verurteilende wirkt. Strafrichter nicht sicher vorhersehen, wie die ver- hängte Strafe tatsächlich aussieht. Also, für den Ich möchte ein Beispiel anführen, das von meinem Strafvollzug muss der Bund auf jeden Fall zuständig Vorredner und von Kollegen Stegner kritisiert wurde: bleiben. Das sehe nicht nur ich so; das sieht die ge- den Strafvollzug. Entschuldigung, da geht es doch samte Fachwelt so, und das sehen die Kirchen und um Landesbeamte! Es ist eine Landesorganisation. die Gewerkschaften so. Bei einem Landesstrafvollzug sollten eigentlich die bestimmen, die auch bezahlen. In einer zusammenfassenden Bewertung dessen, was heute auf dem Tisch liegt, hieß es neulich in der Was im Übrigen die Unterschiedlichkeit angeht, so Presse: Die Länder können sich freuen, der Bund möchte ich mir die Bemerkung erlauben: Wir haben kann es nicht. – Diese Wertung ist so nicht richtig. trotz eines einheitlichen StGB im materiellen Recht Nicht „die Länder“ können sich freuen, sondern nur bundesweit eine differenzierte Rechtsprechung. Inso- diejenigen, die dem Bund Zuständigkeiten abhan- weit ist dieses Argument völlig an den Haaren her- deln wollten, um einem ungebremsten Wettbewerbs- beigezogen. Diese Unterschiede gibt es gerade in der föderalismus die Tür zu öffnen. Mecklenburg-Vor- Rechtsprechung. Niemand soll glauben, dass sich ein pommern hat daran keinerlei Interesse. Noch ist die Land, wenn die Länder für den Strafvollzug zustän- Chancengleichheit, die doch unabdingbare Grund- dig sind, der Resozialisierung nicht genauso ver- lage für einen wirklich fairen Wettbewerb ist, nicht pflichtet fühlt wie der Bund. Insoweit kann ich die hergestellt. Wie sollte das kaum 15 Jahre nach der Kritik in diesem Umfang nicht nachvollziehen. deutschen Einheit auch anders sein! Das gilt auch für das Weihnachtsgeld. Wie ich höre, Mecklenburg-Vorpommern hat nicht die Absicht, hat z. B. Bayern eine differenzierte Lösung. Eine Dif- den Bund etwa aus der Bildungsplanung und dem ferenzierung gibt es beim Weihnachtsgeld also schon Hochschulbereich hinauszudrängen oder ihm zu ver- heute. Wäre die dargelegte Ansicht richtig, dann wehren, die Länder im Schulbereich über Finanzhil- wäre es in den Ländern mit der niedrigsten Arbeits- fen zu unterstützen. Wir lehnen es auch ab, die in losigkeit am schwierigsten, Personal für den öffent- den 70er-Jahren herbeigeführte bewährte Verein- lichen Dienst zu finden. Ich kann Ihnen aber sagen, heitlichung des öffentlichen Dienstrechts wieder dass wir in Baden-Württemberg immer noch zahlrei- 222 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden-Württemberg) (A) (C) che Bewerber haben. Man muss also das Ganze be- Baden-Württemberg wird der Föderalismusreform trachten und darf die Dinge nicht in einer sich auf zustimmen. – Im Übrigen gebe ich meine Rede zu Einzelnes beziehenden Angstperspektive angehen. Protokoll*).

Meine Damen, meine Herren, die Föderalismus- reform ist am Ziel; das ist gut so. Die Geburt war Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Minister nicht leicht. Sie gelang nur unter heftigsten Wehen. Professor Dr. Reinhart, herzlichen Dank! Viele wurden noch konsultiert. Am Ende drückten Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Minis- und zogen auch die Hebammen nicht immer in die terpräsident Althaus (Thüringen) gibt eine Erklä- gleiche Richtung. Es ist also kein Wunder, dass das rung zu Protokoll**). Kind gerade in der Schlussphase der Geburt noch ei- Wir kommen nun zur Abstimmung, zunächst zu nige Blessuren davongetragen hat. Aber wir wollen Tagesordnungspunkt 59 a), der Grundgesetzände- nicht mäkeln. Als Väter und Mütter lassen wir das rung. hinter uns. Wir freuen uns und dürfen heute alle ge- meinsam stolz sein. Hierzu liegen neben dem Gesetz zwei Zu-Drucksa- chen und ein Entschließungsantrag von vier Ländern Die Reform ist ein Erfolg für die große Koalition. vor. Sie ist ein Signal für ihre politische Handlungsfähig- keit, ein Beweis für die Durchsetzungskraft der Kanz- Ausschussberatungen haben nicht stattgefunden. lerin und ein Ausweis für die Reformfähigkeit des Wir sind aber übereingekommen, heute in der Sache Föderalismus. zu entscheiden. Über Grundgesetzänderungen pflegen wir durch Allerdings kann die Reform ihren Kompromiss- Aufruf der einzelnen Länder abzustimmen. Ich bitte, charakter nicht verleugnen. Ich hätte hier viele die Länder aufzurufen. Punkte anzuführen, beschränke mich aber darauf, meine Rede zu Protokoll zu geben. Karin Schubert (Berlin), Schriftführerin: Abschließend weise ich darauf hin, dass wir erst am Anfang stehen. Die Föderalismusreform ist mit Baden-Württemberg Ja der Beschlussfassung heute im Bundesrat und vorher Bayern Ja im Bundestag nicht abgeschlossen. Im Grunde ge- nommen beginnt sie erst. Was bisher nur auf dem Pa- Berlin Ja pier steht, muss mit Leben erfüllt werden. Die Umset- Brandenburg Ja (B) zung in den Ländern ist der Startschuss. (D) Bremen Ja Unser Credo lautet: Das Eintreten für mehr Subsi- Hamburg Ja diarität, für mehr Wettbewerb und mehr Gestaltungs- freiheit darf kein Lippenbekenntnis bleiben. Diese Hessen Ja Ziele müssen rasch in praktische Politik umgesetzt Mecklenburg-Vorpommern Nein werden, damit die Menschen spüren, dass etwas bes- ser wird: weniger Bürokratie, mehr Freiheit, mehr Niedersachsen Ja Passgenauigkeit und mehr Entscheidungsrechte der Nordrhein-Westfalen Ja Landtage. Rheinland-Pfalz Ja Die Länder sind künftig zwar für die Besoldung Saarland Ja und Versorgung ihrer Beamten zuständig, dem Bund verbleibt aber die Zuständigkeit für die Statusrechte. Sachsen Ja Deshalb ist die Gefahr real, dass diese Zuständigkeit Sachsen-Anhalt Ja zu weit ausgelegt wird und dadurch der Regelungs- spielraum der Länder über Gebühr eingeschränkt Schleswig-Holstein Enthaltung wird. Ob die Beamten in Baden-Württemberg, um ein Thüringen Ja Beispiel anzuführen, mit 65 oder mit 67 Jahren in Pension gehen, darf nicht vom Bund vorgeschrieben werden. Dies muss dem Land überlassen bleiben. Präsident Peter Harry Carstensen: Damit hat der Bundesrat mit der erforderlichen Mehrheit beschlos- Viele Ergänzungen gibt es im Umweltrecht und im sen, dem Gesetz zuzustimmen. Hochschulbereich. Es bleibt abzustimmen über den Entschließungsan- Wir wollen eine Neuordnung der Finanzverfas- trag. Wer stimmt zu? – Das ist die Mehrheit. sung, haben allerdings die Sorge, dass jeder etwas Damit ist die Entschließung gefasst. anderes darunter versteht. Auch insoweit verweise ich auf meine Rede. Es wird – wie Max W e b e r gesagt hat –, ein beharrliches Bohren dicker Bretter *) Anlage 1 mit Augenmaß und Leidenschaft zugleich nötig sein. **) Anlage 2 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 223 Präsident Peter Harry Carstensen (A) (C) Nun bitte die Abstimmung zu Tagesordnungs- würdig, wenn die Bundesregierung versucht, diese punkt 59 b), dem Föderalismusreform-Begleitgesetz! Lücke durch Einsparungen bei den Eingliederungs- mitteln zu schließen, sind diese Gelder doch gerade Auch hier liegen keine Ausschussempfehlungen dazu da, die Arbeitslosen aus dem Leistungsbezug zu vor. bringen und damit den Bedarf an ALG II zu reduzie- Ich frage: Wer stimmt dem Gesetz zu? – Das ist die ren. Mehrheit. Im Haushaltsentwurf für 2007 sind jetzt 21,4 Mil- Damit hat der Bundesrat entsprechend beschlos- liarden Euro eingeplant, 3 Milliarden Euro weniger sen. als im Haushalt 2006 und nach unserer Prognose Mit den soeben getroffenen Entscheidungen zur 6 Milliarden Euro weniger, als dieses Jahr benötigt Föderalismusreform sind die noch anhängigen Län- werden. deranträge in den Drucksachen 178 bis 180/06 erle- Warum sage ich dies? Ich sage es nicht, weil ich die digt. Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozial- Meine Damen und Herren, ich bedanke mich. hilfe im Grundsatz für falsch hielte. Ich sage es auch nicht, weil ich der Meinung wäre, die Verantwortli- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 1: chen im Bund wüssten nicht um diese Entwicklung. Gesetz über die Feststellung des Bundeshaus- Ich sage es, weil ich der festen Überzeugung bin, haltsplans für das Haushaltsjahr 2006 (Haus- dass das, was heute mit dem SGB-II-Fortentwick- haltsgesetz 2006) (Drucksache 435/06) lungsgesetz vorgelegt wird, zwar richtig ist, aber nicht ausreichen wird. Damit lösen wir einen Teil der Wortmeldungen liegen nicht vor. – Eine Erklärung Probleme, bekommen sie aber nicht insgesamt in den zu Protokoll*) gibt Minister Breuer (Nordrhein- Griff. Westfalen). Eine Ausschussempfehlung auf Anrufung des Ver- Für meine Meinung nenne ich mehrere Gründe: mittlungsausschusses oder ein entsprechender Lan- Erstens. Die Reform hatte einen entscheidenden desantrag liegt nicht vor. Geburtsfehler. Es hat sich gezeigt – auch der Om- Ich stelle daher fest, dass der Bundesrat zu dem budsrat hat darauf hingewiesen –, dass sich die ge- Haushaltsgesetz 2006 einen Antrag gemäß Artikel 77 teilte Trägerschaft von Kommunen und örtlichen Abs. 2 des Grundgesetzes n i c h t stellt. Agenturen für Arbeit nicht bewährt hat. Was als Kompromiss im Vermittlungsausschuss geboren Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 2: wurde, war von vornherein eine fragwürdige Zustän- (B) Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsiche- digkeitsverteilung. Der Fehler war, dass Verantwort- (D) rung für Arbeitsuchende (Drucksache 404/06) lichkeiten verwischt wurden und keine klare Kompe- tenz geregelt worden ist. Wir sollten hier alsbald die Wortmeldungen: Ministerpräsident Oettinger, Reißleine ziehen und auf unterer Ebene Klarheit Staatsminister Hoff und Bundesminister für Arbeit schaffen, wer für welche Aufgaben voll verantwort- und Soziales, Herr Müntefering. lich ist. Bitte sehr, Herr Ministerpräsident Oettinger. Wir meinen, dass sowohl die Kommunen als auch die Agenturen für Arbeit kompetent sind. Um Kom- Günther H. Oettinger (Baden-Württemberg): Herr petenzfragen geht es nicht; aber Mischverantwor- Präsident, meine Damen und Herren! Seit 1. Januar tung sorgt dafür, dass der Bürger keine Klarheit hat 2005 ist das Sozialgesetzbuch Teil II in Kraft. Die und dass die Beamten und Mitarbeiter hinsichtlich Grundsatzüberlegungen waren dabei richtig; aber ihrer Verantwortung ebenfalls nicht auf klaren zahlreiche Regelungen haben sich in der Praxis nicht Grundlagen stehen. bewährt. Deswegen schlagen wir eine grundlegende Revi- Vor Inkrafttreten des Hartz-IV-Gesetzes hatte die damalige Bundesregierung für das ALG II mit Ausga- sion im Herbst vor. Wir bitten die Bundesregierung, ben von 14 Milliarden Euro gerechnet. Die tatsächli- mit den Ländern und den Verwaltungen in Gesprä- chen Ausgaben waren im letzten Jahr um mehr als che einzutreten, damit nach diesem Gesetz schon im 10 Milliarden Euro höher, sie beliefen sich auf rund Herbst über weitergehende Veränderungen ent- 24,4 Milliarden Euro. schieden werden kann. In diesem Jahr orientieren wir uns an den Ausga- Dabei wird über Folgendes zu sprechen sein: ers- ben des letzten Jahres, aber die Kosten laufen weiter tens über eine Verstärkung der Anreize zur Arbeits- davon. Allein in den ersten fünf Monaten hat der aufnahme, zweitens über Korrekturen bei der Daten- Bund 11,5 Milliarden Euro ausgegeben; das sind ermittlung, drittens über Fragen des Datenschutzes 13 % mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres. und der Datenbanken insgesamt, viertens vielleicht Hochgerechnet auf das ganze Jahr fehlen 2006 schon auch über Kostensenkungen im Bereich von Unter- jetzt 3 Milliarden Euro. Dabei halte ich es für frag- kunft und Heizung. Außerdem geht es um die Definition der Erwerbsfähigkeit, um den Unterhalts- rückgriff zwischen Eltern und Kindern und um Mit- *) Anlage 3 nahmeeffekte insgesamt. 224 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Günther H. Oettinger (Baden-Württemberg) (A) (C) Zweitens. Die Diskussion über das SGB II ist wich- Ergebnis der bei der Agentur in den letzten Jahren tig, geht aber letztendlich etwas am Thema vorbei. vorangetriebenen Optimierung von Strukturen und Die Kostenentwicklung bei Hartz IV werden wir in- Abläufen. Die Bundesagentur ist dank der Bundes- nerhalb des Systems auf Dauer nicht lösen können. politik und dank ihrer Arbeit heute deutlich besser Vielmehr brauchen wir eine weitergehende Debatte aufgestellt. Aber ausreichend ist dies noch nicht. Wir über einen durchgreifenden Abbau von Arbeits- sind der festen Überzeugung, dass wir bei der Bun- losigkeit und über neue Arbeitsplätze; dafür wird desagentur das Ende der Möglichkeiten zur Kosten- Hartz IV allein die Lösung nicht sein. senkung noch nicht erreicht haben. Auch hier ist der Bund gefordert, die Vielzahl der Förderinstrumente Deswegen sollten wir gemeinsam bei jeder Ent- der Arbeitsmarktpolitik zu durchforsten, zu vereinfa- scheidung prüfen, ob sie arbeitsmarktförderlich oder chen und zielgenauer auszurichten. Mehr Effizienz -hemmend ist. Dies gilt für die Gesundheitsreform, und geringerer Verwaltungsaufwand bei der Ar- für Fragen des Kündigungsschutzes, für das Tarifver- beitsförderung müssen unsere gemeinsamen Ziele tragsrecht und die Koalitionsvereinbarung dazu, für sein. Wir sollten die Bundesagentur durch Reformen die Unternehmenssteuerreform und den Mittelstand weiter konsolidieren und im nächsten Schritt die Per- sowie für flexible Arbeitszeit. In diesen materiellen sonalstruktur optimieren. Fragen liegen meines Erachtens viel mehr Chancen für den Arbeitsmarkt als im SGB II selbst. Die Aufgabe der materiellen und strukturellen Weiterentwicklung wird mit dem heute vorliegenden Drittens. Das SGB-II-Fortentwicklungsgesetz ist Gesetz nicht ausreichend gelöst. Es ist ein erster ein Zustimmungsgesetz, und die Länder stimmen Schritt; wir tragen ihn mit, erwarten aber im Herbst heute zu. In diesem Zusammenhang sprechen wir die Bereitschaft zu einer weitergehenden, größeren aber an, dass eine faire Regelung für unsere Kom- und grundlegenderen Reform. munen notwendig ist. Die Länder sind hier die Sach- walter der Kommunen; die Regelung 2006 läuft aus. Wir sagen ausdrücklich, dass die 29,1 % für die Un- Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Minister- terkunftskosten in diesem Jahr kommunalfreundlich präsident, herzlichen Dank! gewesen sind. Damit wurde und wird der Bund den Das Wort hat Staatsminister Hoff (Hessen). kommunalen Aufgaben und den kommunalen Kos- ten gerecht. Wir brauchen jetzt eine Regelung für 2007 und die folgenden Jahre, die nicht nur ein Jahr Volker Hoff (Hessen): Herr Präsident! Meine sehr hält und die den Kommunen alsbald Klarheit ver- verehrten Damen und Herren! Ich kann nahtlos an schafft, mit welchen Fördermitteln des Bundes sie für das anknüpfen, was Ministerpräsident Oettinger ihre Aufgaben und Ausgaben rechnen können. soeben gesagt hat: Mit dem Gesetz zur Fortentwick- (B) lung der Grundsicherung für Arbeitsuchende verän- (D) Dabei habe ich Zweifel, ob die im Entwurf des dern wir das SGB II nunmehr zum dritten Mal seit Bundeshaushaltes veranschlagten 2 Milliarden Euro seinem Inkrafttreten. ausreichen, um die Aufgaben der Kommunen zu finanzieren und parallel die zugesagte Entlastung Für die von dem Gesetz Betroffenen, aber auch für von 2,5 Milliarden Euro zu realisieren. 2006 waren diejenigen, die mit ihm arbeiten müssen, sind Ände- 4 Milliarden Euro eingestellt. Wir bezweifeln, dass rungen in schneller Folge natürlich nur schwer zu der Haushaltsentwurf des Bundes die Aufgaben und handhaben. Dennoch führt kein Weg daran vorbei, Ausgaben der Kommunen sowie die Entlastung aus- dass erkannte Mängel und Fehlsteuerungen des Ge- reichend realisiert. Wir verkennen nicht, dass in allen setzes schnellstmöglich abgestellt werden müssen. Bereichen gespart werden muss; aber der Bund muss Darauf hat Hessen – das betone ich – die damalige in diesem Bereich so viele Mittel einstellen, wie nach Bundesregierung schon vor über einem Jahr mit sei- Bundesrecht vor Ort tatsächlich notwendig sind. ner Bundesratsinitiative zum SGB-II-Optimierungs- gesetz hingewiesen. Außerdem geht es um die Frage, ob die quotale Be- teiligung des Bundes auch in Zukunft aufrechterhal- Korrekturbedarf besteht zum einen wegen des ten werden kann. Wir vermuten, dass im Rahmen der enormen Anstiegs der Fallzahlen und der damit ver- derzeitigen Finanzierung einige Länder mehr als not- bundenen Kostensteigerungen, wegen der Notwen- wendig bekommen, während andere deutlich zu we- digkeit, Leistungsmissbrauch und Mitnahmeeffekte nig erhalten. Unseres Erachtens profitieren einige zu verringern, zum anderen deshalb, weil unnötige Länder von der jetzigen Regelung. So beträgt die leistungsrechtliche Schnittstellen dringend abgebaut Entlastung pro Kopf in Hamburg über 146 Euro, in werden müssen. Vor diesem Hintergrund ist das Fort- Bayern knapp 6 Euro. Baden-Württemberg liegt mit entwicklungsgesetz ein zwar wichtiger und richtiger 16 Euro deutlich unter dem Durchschnittsbetrag von Schritt, um Fehlsteuerungen zu korrigieren, die sich 30 Euro. Daher wird auch die quotale Verteilung in in der Praxis inzwischen gezeigt haben, aber noch der zweiten Revisionsdebatte anzusprechen sein. keineswegs ausreichend.

Viertens. Die Haushaltslage der Bundesagentur ist Aus hessischer Sicht bleibt das Fortentwicklungs- gut. Dies ist erfreulich; denn damit kann die Senkung gesetz an vielen Stellen deutlich hinter dem zurück, des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung, der was an Änderungen heute schon möglich und not- Lohnkosten und der Lohnnebenkosten generell er- wendig ist. Lassen Sie mich die wesentlichen Punkte reicht werden. Diese Haushaltsentwicklung ist auch kurz erläutern: Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 225 Volker Hoff (Hessen) (A) (C) Mir ist der faire Wettbewerb zwischen Arbeitsge- zu erreichen. Damit werden unnötigerweise wie- meinschaften und Optionskommunen ein dringendes derum neue Schnittstellen eröffnet und behinderte Anliegen. Dieser Wettbewerb ist bereits jetzt zu Las- Menschen mit zwei für dieselbe Leistung zuständi- ten der Optionskommunen sehr empfindlich gestört, gen Behörden konfrontiert. Das ist nicht sinnvoll. weil diese anders als die Arbeitsgemeinschaften nicht über ungehinderten Zugang zu den Stellenver- Ein weiteres Problem sehe ich im Bereich der Ver- mittlungsdatenbanken der Bundesagentur für Arbeit mittlung der unter 25-Jährigen in eine berufliche verfügen. Die neuen Regelungen des Fortentwick- Erstausbildung. Die derzeitige Regelung einer zwei- lungsgesetzes verschärfen die daraus resultierenden geteilten Trägerschaft zwischen SGB II und SGB III Wettbewerbsnachteile zusätzlich; denn zukünftig hat sich in der Praxis nicht bewährt. Die im Fortent- müssen die Optionskommunen offene Stellen an die wicklungsgesetz vorgesehene Möglichkeit der SGB- Bundesagentur melden, so dass diese auf die Stellen II-Träger, die SGB-III-Träger mit der Ausbildungs- dann auch SGB-III-Empfänger vermitteln kann. vermittlung zu beauftragen, löst die bestehenden Diese im Interesse der Betroffenen sinnvolle Rege- Probleme an dieser Stelle in keiner Weise. Vielmehr lung wirkt sich als entscheidender Wettbewerbs- werden dadurch neue Schnittstellen, zusätzlicher nachteil für die Optionskommunen aus. Verwaltungsaufwand und neue Kostenerstattungs- regelungen verursacht. Daher sehen wir die drin- Daher fordern wir, dass auch den Optionskommu- gende Notwendigkeit, diese Vermittlungstätigkeit nen unbeschränkter Zugriff auf die Vermittlungsda- den Agenturen für Arbeit in ihrer Eigenschaft als tenbanken der BA eingeräumt wird, zumal dies die Leistungsträger nach SGB III zu übertragen. Vermittlungschancen der Betroffenen verbessert. Ich appelliere nochmals an die Bundesregierung, zumin- Weiteren Korrekturbedarf sehen wir für die Men- dest dies so schnell wie nur irgend möglich zu korri- schen, die in stationären Einrichtungen leben und er- gieren. werbsfähig sind. Es ist nicht akzeptabel, dass diese Menschen von den Leistungen zur Integration in Ar- Meine Damen und Herren, auch die bisherigen Re- beit ausgeschlossen werden. Stationär unterge- gelungen des Gesetzes zur Datenübermittlung und brachte Personen, die erwerbsfähig sind, müssen so- zum Datenschutz sowie zu Statistik und Forschung wohl im eigenen als auch im Interesse der bedürfen grundlegender Überarbeitung. Insbeson- Allgemeinheit die für sie jeweils erforderlichen Leis- dere sind die bislang von der BA erstellten Statisti- tungen zur Eingliederung in Arbeit erhalten. Derar- ken zur Grundsicherung für Arbeitsuchende auf tige Leistungen werden nach dem SGB XII sowie in eine Bundesstatistik umzustellen, die dann vom Sta- den Bereichen der Jugendhilfe und des Strafvollzugs tistischen Bundesamt geführt wird. Bund, Länder und nur sehr unzureichend erbracht. Das Fortentwick- Kommunen benötigen als Entscheidungsgrundlage lungsgesetz greift hier deutlich zu kurz, weil nicht (B) (D) für ihre Arbeit zuverlässiges und belastbares Daten- alle erwerbsfähigen stationär untergebrachten Per- material. Die bisher von der BA erstellten Statistiken sonen die aktivierenden Leistungen nach dem genügen den Anforderungen in keiner Weise. SGB II erhalten sollen, sondern nur diejenigen, die Auf die mangelnde Funktionalität und massive Pro- mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig bleme mit der von der BA eingesetzten Software will sind. ich an dieser Stelle nicht näher eingehen; sie sind in Ich möchte ein weiteres Problem ansprechen, das der Fachöffentlichkeit hinreichend bekannt. Vor die- noch nicht zufriedenstellend gelöst ist, nämlich die sem Hintergrund ist die indirekte gesetzliche Fest- bedarfsdeckenden Leistungen an Auszubildende. legung auf ein derartiges zentralistisches Datenver- Anders als im Koalitionsvertrag vereinbart, bereinigt arbeitungssystem im Fortentwicklungsgesetz aus das Fortentwicklungsgesetz nicht Schnittstellen, in- unserer Sicht nicht zielführend, umso mehr, als in der dem die Leistungen nach den einschlägigen Leis- Gesetzesbegründung ausdrücklich festgestellt wird, tungsgesetzen, also BAföG, Berufsausbildungsbei- dass die Leistungsgewährung mittels einheitlicher hilfe nach dem SGB III, erbracht werden; stattdessen von der BA betriebener Softwaresysteme erfolgen werden – systemwidrig, wie wir meinen – die kom- muss. munalen Träger mit zusätzlichen Kosten belastet. Auch im Bereich der Zuständigkeitsregelungen Aus unserer Sicht müssen diese Leistungen zukünftig schafft das Fortentwicklungsgesetz keineswegs die nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und erforderliche Klarheit. im Wege der Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB III erbracht werden. Im Interesse behinderter Arbeitsuchender wie auch aus Gründen der Verwaltungsökonomie ist es drin- Meine sehr verehrten Damen und Herren, sowohl gend geboten, den Aufgabenbereich „berufliche nach dem, was Ministerpräsident Oettinger vorgetra- Rehabilitation“ allein der Bundesagentur für Arbeit gen hat, als auch unter dem Aspekt vieler „kleiner“ zuzuweisen. Das im Fortentwicklungsgesetz vorge- Punkte, die zu bemängeln sind, wird deutlich, dass sehene Auseinanderfallen von Handlungs- und das Fortentwicklungsgesetz keineswegs einen Finanzverantwortung – Reha-Träger ist an dieser Schlusspunkt setzt, sondern allenfalls ein Kommazei- Stelle die BA, während für die Leistungserbringung chen darstellen kann; denn wir alle sind uns wohl da- SGB-II-Träger zuständig sind – steht im Widerspruch rin einig, dass wir zu weiteren Änderungen kommen zu den seit Jahrzehnten währenden Bemühungen, müssen. Ich kann die Bundesregierung nur auffor- eine Konzentration der Leistungen auf einen Träger dern, sehr schnell in die Gänge zu kommen, damit 226 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Volker Hoff (Hessen) (A) (C) die aufgezeigten Fehlsteuerungen im System abge- als früher ist es nicht; Intention ist vielmehr, zu inte- stellt werden. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksam- grieren und zu vermitteln. keit. Heute geht es konkret um das SGB-II-Fortentwick- lungsgesetz. Damit sollen einige „Dehnungen“, die Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Staats- es gegeben hat, bereinigt werden; ich spreche aus- minister, herzlichen Dank! drücklich nicht von Missbrauch. Das Gesetz, so wie wir alle miteinander es angelegt haben, wird von Das Wort hat der Bundesminister für Arbeit und manchen Leuten schlau genutzt. Wir müssen daraus Soziales, Herr Müntefering. Bitte. lernen: Wenn man solche Gesetze macht, muss man verhindern, dass um die Gesetze herum Slalom ge- Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und fahren werden kann. Daraus müssen wir Konsequen- Soziales: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Da- zen ziehen. Es geht nicht um Kürzungen der Leistun- men und Herren! Vom Arbeitsmarkt gibt es gute gen, sondern es geht darum, dass die Leistungen Zahlen. Es besteht eigentlich aller Anlass, das zu fei- zielgenauer ankommen. ern. Wir haben 383 000 Arbeitslose weniger als vor Mit dem Gesetz, das wir heute verabschieden, wol- einem Jahr, 15 % weniger bei den unter 25-Jähri- len wir im nächsten Jahr 1,2 Milliarden Euro einspa- gen. Normalerweise freut sich ein Land darüber. Das ren – bei den Kommunen noch einmal 280 Millionen ist bei allen anderen Sorgen, die wir haben, ein biss- Euro – und in diesem Jahr etwa 400 bis 500 Millionen chen untergegangen. Ich will zu Anfang sagen: Es Euro. Zusammen mit dem SGB-II-Änderungsgesetz wäre gut, wenn das beachtet und gewürdigt würde; wollen wir im nächsten Jahr, im Jahr der vollen denn die Menschen brauchen Zuversicht, dass sich Wirksamkeit, 4 Milliarden Euro einsparen. die Dinge zum Guten wenden. Wir haben etwa 50 Maßnahmen vorgesehen; ich Ich glaube, dass die Bundesregierung gemeinsam will nicht alle aufzählen. Dazu gehört das Sofort- mit den Ländern die Chance hat, die Dinge in diesem angebot: Wer – als Bedarfsgemeinschaft – Arbeits- Land nach vorn zu treiben, was den Arbeitsmarkt losengeld II beantragt, muss sofort eine Vermittlung und die Zuversicht angeht. Das 25-Milliarden-Pro- oder eine Qualifizierung oder ein Angebot bekom- gramm und das, was die Länder an Investitionen und men, welches eindeutig klarstellt, dass er für den Ar- an Hilfen für den privaten Bereich zusätzlich vorse- beitsmarkt zur Verfügung steht. Diese unmittelbare hen, helfen dabei. Ich bin mir sicher, dass wir in die- Ansprache ist sehr wichtig, damit klar ist: Alle, die sem Jahr und in den kommenden Jahren eine insge- sich melden, müssen am folgenden Tag dem Arbeits- samt positive Entwicklung erleben können. markt zur Verfügung stehen. Aber darüber wird an anderer Stelle zu sprechen (B) Wir haben die Sanktionen verschärft. Das ist ein (D) sein. Heute geht es um Probleme, die wir trotzdem umstrittenes Instrument. Wer dreimal in ein und haben. Sie gibt es ohne Zweifel im Bereich des Ar- demselben Jahr eine ihm angebotene Arbeit nicht beitsmarktes, insbesondere bei denen, die lange ar- annimmt, kann mit einer Kürzung bis auf null rech- beitslos sind. Die Arbeitsmarktreform haben Bund nen. Das bedeutet nicht, dass man in Deutschland und Länder miteinander beschlossen. Nicht alles, verhungern muss. Aber das ist eine klare Botschaft was wir damals getan haben, war klug. Das merken von denen, die einem das Arbeitslosengeld II geben. wir. Aber wir müssen das jetzt miteinander bereini- gen und dafür sorgen, dass wir auf einen guten Weg Der Datenabgleich wird automatisiert. Das hat kommen. Herr Ministerpräsident Oettinger soeben angespro- chen. Hier müssen wir alle miteinander besser wer- Als erster Punkt ist aus meiner Sicht sehr wichtig: den. Auch die Vernetzung der zentralen mit der Es muss klar bleiben, dass es e i n e n Arbeitsmarkt kommunalen Technik – A2LL – muss verbessert wer- gibt. Ziel sind Integration und Vermittlung. SGB II den. Alles, was nötig ist, ist veranlasst. Aber das wird und SGB III sind die Instrumente auf diesem einen noch eine Zeit lang dauern. Fachleute, die von sol- Arbeitsmarkt. Es gibt keine „Sozialhilfe plus“ na- chen Techniken etwas verstehen, haben mir erklärt: mens Arbeitslosengeld II. Wir müssen uns einer ge- Auf ein Einfamilienhaus sind mit A2LL 15 weitere wissermaßen schleichenden „Sozialhilferisierung“ gebaut worden. Die Statik des Gebäudes ist ein biss- des gesamten Bereichs entgegenstellen. Was auf dem chen problematisch. Wir werden das von Grund auf Arbeitsmarkt stattfindet – wir haben viele aus der sehr sorgfältig neu justieren müssen, damit es funkti- Sackgasse der Sozialhilfe herausgeholt und sie auf oniert. – Die nötigen Aufträge sind erteilt; es geht den Arbeitsmarkt gebracht –, muss mit Arbeitsmarkt- voran. momenten beantwortet werden. Grundsicherung ist keine Sache, in der sich die Menschen einrichten sol- Die Beweislastumkehr gilt für eheähnliche Part- len, sondern sie sollen durch Qualifizierung und Ver- nerschaften. Diejenigen, die damit angesprochen mittlung auf den Arbeitsmarkt hin orientiert werden. sind, haben in Zukunft selbst Beweis zu führen. Ge- gen alle Mutmaßungen sage ich an dieser Stelle Das geht nicht überall so schnell, wie wir uns das auch: Hier wird nicht Schnüffelei eingeführt, sondern wünschen. Es kommt darauf an, dass die Philosophie unnötig gemacht. Das ist eine Maßnahme, die ich für klar bleibt, damit nicht immer mehr Menschen den- sehr wichtig und förderlich halte. ken, das sei eigentlich eine Art von Sozialhilfe nach dem Motto, nachdem man da hineingegangen ist, ist Einige Forderungen der Länder sind berücksichtigt es sozusagen erledigt. Eine etwas bessere Sozialhilfe worden, z. B. zur Ausbildungsvermittlung. Die ein- Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 227 Bundesminister Franz Müntefering (A) (C) zelnen ARGEn können die Bundesagentur für Arbeit Ich bin daran interessiert, zu diesen Umsetzungs- mit der Ausbildungsvermittlung beauftragen. Die fragen im Herbst ein zielführendes Gespräch mit den Meinungen, wie man das besser organisiert, ob Ländern zu führen. Da gibt es viel zu besprechen. durch zwei Stellen oder durch eine Stelle, sind unter- schiedlich. Das ist eine freiwillige Maßnahme. Zu den Kosten! Die Kosten für das Arbeitslosen- geld II explodieren nicht. Lassen Sie sich nicht ver- Die Bewilligungszeit ist auf bis zu zwölf Monate wirren! Seit Februar liegen sie konstant bei rund verlängert worden. Die Flexibilität wird höher. Man 2,25 Milliarden Euro pro Monat. Im Mai war es etwas kann für mehr oder weniger als sechs Monate bewil- mehr, im Juni etwas weniger. Wir werden mehr als ligen. Das ist für diejenigen, die zu entscheiden ha- 24,4 Milliarden Euro brauchen, aber nicht so viel ben, sehr wichtig. mehr, wie manche immer wieder behaupten. Wir werden in der zweiten Jahreshälfte noch einiges ein- Ein Punkt, der in der empfohlenen Entschließung zusparen haben. Die Arbeit geht an dieser Stelle wei- eine Rolle spielt, ist von Herrn Hoff hervorgehoben ter. worden. Es geht darum zu erreichen, dass die ARGEn und die ZKT, die optierenden Kommunen, die Infor- Wir werden in diesem Herbst Diskussionen über mationen über Arbeitsplatzangebote der Bundesa- zwei wichtige Themen miteinander zu führen haben. gentur bekommen. Ich stimme mit diesem Anliegen Es wird eine Diskussion zum Niedriglohnbereich ge- völlig überein. Alles Nötige ist veranlasst. In Zukunft ben. Die Stichworte heißen „Kombilohn“, „Mindest- werden die Informationen der BA über offene Stel- lohn“ und „Entsendegesetz“. Welche Rolle spielen len nicht nur den ARGEn, sondern auch den Op- Mini- und Midijobs? Wir alle wissen, mit dem, was wir tionskommunen zur Verfügung gestellt. Die BA wird als Arbeitslosengeld II installiert haben, besteht fak- das umsetzen. Das ist aus technischen Gründen nicht tisch ein Mindestlohngesetz. 400 000 Menschen ar- sofort möglich, aber die Vorbereitungen laufen. Bis beiten ganztags, haben aber so wenig Geld in ihrer zum 1. Januar 2007 wird dieses Problem zur Zufrie- Lohntüte, dass sie zusätzlich Arbeitslosengeld II brau- denheit des Bundesrates gelöst sein. Stellenangebote chen. Weitere 600 000 bis 700 000 arbeiten in Teilzeit aus dem internen System VerBIS einschließlich der und erhalten zusätzlich Arbeitslosengeld II. Es gibt in Kontaktdaten der Arbeitgeber werden den Options- Deutschland Anzeigen, in denen steht: 173 Stunden kommunen ebenso wie den Agenturen für Arbeit und arbeiten, kein Weihnachtsgeld, kein Urlaubsgeld, den ARGEn dann offen und komplett zugänglich Bruttolohn 700 Euro monatlich. – Das liegt weit unter sein. Das ist die generelle Lösung. Damit wird dem dem Existenzminimum. Anliegen der Entschließung entsprochen. Wir Politiker werden uns mit dieser Entwicklung Eine besondere Kategorie will ich ansprechen: Es im Niedriglohnbereich auseinander zu setzen haben. (B) gibt Arbeitsplatzangebote, die auf ausdrücklichen Da kann man nicht einfach zusehen. Ergänzend zu (D) Wunsch des jeweiligen Unternehmens nur einem dem, was die Tarifparteien tun, müssen wir nach Ant- Vermittler der BA bekannt und im Übrigen anonymi- worten suchen. Das wird keine leichte Diskussion siert sind. Hier können die Optionskommunen wie sein; das brauche ich hier nicht zu sagen. Sie alle die übrigen Vermittler in der BA Vermittlungsvor- sind sach- und fachkundig genug, um zu wissen, zu schläge über den einen beauftragten Vermittler ma- welchen Verwerfungen es kommt, wenn man über chen. Wichtig ist: Arbeitsagenturen, ARGEn und Op- Mindest- und Kombilohn spricht. Wir müssen darauf tionskommunen werden gleichbehandelt. Auch eine Antwort finden. hierfür ist also eine akzeptable Lösung gefunden worden. Wir können es aber nicht verhindern, dass Ein Lediger ohne Kinder bekommt in einem Job bei sich Arbeitgeber mit einem Angebot melden, jedoch 6,50 Euro pro Stunde etwa so viel, wie wenn er Ar- nicht möchten, dass es in den großen Verteiler beitslosengeld II bezieht. Ein Familienvater oder eine kommt. Darauf sollten alle in gleicher Weise Zugriff Familienmutter, vier Personen, ein Verdiener, zwei haben. Kinder, muss 11,50 Euro pro Stunde verdienen, um dasselbe zu haben wie beim Bezug von Arbeitslosen- Meine Damen und Herren, wenn wir Erfolg haben geld II. Hier geht es nicht nur um die Frage des Min- wollen, sind wir auf den guten Willen aller Beteilig- destlohns, sondern auch um das Mindesteinkommen. ten angewiesen. Das Gesetz, über das heute beraten Wie wollen wir auf mittlere Sicht damit umgehen? wird, ist ein vernünftiger Schritt, ein guter Kompro- Wollen wir akzeptieren, dass Arbeitslosengeld II der miss. Anderes steht noch aus. Mindestlohn ist und Zuzahlungen in Form eines Kombilohns stattfinden? Das ist die Realität. Damit Es wird dem Erfolg dienen, wenn Verantwortlich- müssen wir uns im Bund und in den Ländern ausei- keiten klar zugeordnet sind. Der Bund finanziert die nander setzen. Wir müssen gemeinsam eine vernünf- Grundsicherung. Er hat über die BA als Leistungsträ- tige Lösung formulieren. ger die Rechts- und Fachaufsicht. Für diese Aufga- ben und dafür, wie und wie erfolgreich die Mittel aus Ich bitte, keine Angst vor bestimmten Wörtern zu dem Bundestopf eingesetzt werden, trägt der Bund haben, die sehr schwierig sind. Ich gebe zu: Als die die Verantwortung. Deshalb macht er entsprechende Verhandlungen zur Bildung der großen Koalition be- Vorgaben. Einer gedeihlichen Zusammenarbeit mit gannen, konnten wir Sozialdemokraten das Wort den Ländern, die in den organisatorischen Fragen „Kombilohn“ nicht sagen, ohne dass uns schlecht der ARGEn die Rechtsaufsicht haben, muss das kei- wurde. Die CDU/CSU konnte das Wort „Mindest- nen Abbruch tun. lohn“ nicht sagen. Wir alle haben gelernt, dass man 228 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Bundesminister Franz Müntefering (A) (C) ruhig neutral darüber sprechen darf, welche Funktio- Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Bundes- nen die Begriffe jeweils haben. Deshalb kann man minister, herzlichen Dank! damit jetzt ohne Arg umgehen. Wir können darüber Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. – reden. Herr Staatsminister Mackenroth (Sachsen) gibt eine ) Ein letztes Wort zu den Kosten der Unterkunft! Es Erklärung zu Protokoll* . ist ein Zeitplan vereinbart. Wir werden das in diesem Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- Herbst klären. Zu einem ersten Termin ist die vorbe- fehlungen vor. reitende Gruppe am 17. Juli eingeladen. Es ist im Weiteren eine politische Zusammensetzung vorgese- Wer entsprechend Ziffer 1 dem Gesetz zuzustim- hen: sechs Ministerpräsidenten, drei Minister. Sie men wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – werden nach politischen Wegen suchen. Ich wäre Mehrheit. dankbar, wenn im Vorfeld über eine Lösung nach- Damit hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt. gedacht würde. Beim letzten Mal haben wir wie vor einer Glaskugel gestanden; alle wussten: Man kann Wir haben nun noch über die empfohlene Ent- nur raten. Ich weiß nicht, ob wir ein neues System schließung zu befinden. finden. Aber einiges von dem, was hier gesagt wor- den ist, deutet darauf hin, dass wir eine Lösung fin- Bitte das Handzeichen für Ziffer 6 der Ausschuss- den müssen, die uns von der Notwendigkeit befreit, empfehlungen! – Mehrheit. noch im Jahre 2009 auf der Basis der Zahlen von Damit entfällt Ziffer 7. 2004 zu mutmaßen, was im Jahre 2010 herauskommt und welche Konsequenzen sich für den Ausgleich Ziffer 8! – Mehrheit. zwischen Bund, Ländern und Kommunen ergeben. Das ist unsere Aufgabe. Ziffer 10! – Minderheit. Ziffer 11! – Minderheit. Richtig fair und vernünftig kann man es nicht ma- chen. Viele verdienen daran. Das sagen sie nicht, wie Ziffer 12! – Minderheit. wir wissen. Aber diejenigen, die weniger haben, mel- den sich. Ihnen glaube ich das auch. Gut leben kann Ziffer 15! – Minderheit. man mit dieser Entwicklung nicht, weder im Verhält- Ziffer 18! – Mehrheit. nis der Länder untereinander noch im Verhältnis der Kommunen zu den Ländern. Ziffer 20! – Minderheit.

Ich möchte auf Folgendes hinweisen: 1,5 Milliar- Ziffer 21! – Mehrheit. (B) (D) den von den 2,5 Milliarden Euro für die Kommunen Ziffer 23! – Mehrheit. sind für die Schaffung von Ganztagsbetreuungsplät- zen für die unter 3-Jährigen vorgesehen. Ich will das Ziffer 29! – Minderheit. nicht vertiefen, sage aber: Bevor wir über die weitere Entwicklung sprechen, wüsste ich gerne, wie viel da- Ziffer 30! – Mehrheit. von im Jahr 2005 umgesetzt worden ist, was mit dem Ziffer 31! – Minderheit. Geld geschehen ist. Die 1,5 Milliarden Euro sind nach der Vorstellung des Bundes an die Verbesse- Bitte das Handzeichen für alle noch nicht erledig- rung des Angebotes an Betreuungsplätzen für die ten Ausschussempfehlungen! – Mehrheit. Kleinen gebunden. Damit hat der Bundesrat eine Entschließung ge- Meine Damen und Herren, ich bitte um Zustim- fasst. mung zu dem SGB-II-Fortentwicklungsgesetz. Es Zur gemeinsamen Abstimmung nach § 29 Abs. 2 bringt uns einen Schritt weiter. Ich weiß, das ist nicht der Geschäftsordnung rufe ich die in dem Umdruck die ganze Antwort. Wir werden in diesem Herbst Nr. 6/2006**) zusammengefassten Beratungsgegen- eine intensive Debatte miteinander darüber zu füh- stände auf. Es sind dies die Tagesordnungspunkte: ren haben. 3 bis 5, 7, 9, 10, 16 bis 18, 20, 21, 23, 25, 26, Wir sollten nicht aus dem Blick verlieren: Den Ar- 28 a), 29, 30, 33 bis 35, 37, 41, 44, 46, 48 und beitslosen ist es egal, ob der Bundesminister oder der 51 bis 58. Ministerpräsident oder der Bürgermeister bezahlt. Sie wollen, dass etwas Vernünftiges für sie erreicht Wer den Empfehlungen folgen möchte, den bitte wird. Wir dürfen nicht das Bild bieten, dass wir uns ich um das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. im Streit über Zuständigkeiten verheddern. Es Dann ist so beschlossen. kommt darauf an, vernünftige Regelungen zu finden. Einiges kann besser werden, als es heute ist. Wir ha- Je eine Erklärung zu Protokoll haben abgegeben: ben uns für das nächste Jahr vorgenommen, die In- Herr Minister Wiegard (Schleswig-Holstein) zu strumente des Arbeitsmarktes insgesamt zu verbes- sern, nachdem wir sie geprüft haben. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten. – Vielen Dank für die Auf- *) Anlage 4 merksamkeit. **) Anlage 5 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 229 Präsident Peter Harry Carstensen (A) (C) Tagesordnungspunkt 4*) und Herr Minister Profes- Das vorliegende Gesetz geht mit der Einsetzung ei- sor Dr. Reinhart (Baden-Württemberg) zu Tagesord- nes Nationalen Normenkontrollrats und der Bürokra- nungspunkt 9**). tiekostenmessung nach dem so genannten Standard- kostenmodell einen neuen Weg. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 6: Gesetz zur Änderung personenbeförderungs- Ich möchte mich meinem Vorredner anschließen und auf Grund der fortgeschrittenen Zeit die ergän- rechtlicher Vorschriften und arbeitszeitrechtli- ) cher Vorschriften für Fahrpersonal (Drucksache zenden Ausführungen zu dieser Frage zu Protokoll* 409/06 [neu]) geben. Es gibt eine Wortmeldung von Herrn Senator Wir begrüßen das Gesetz. Dr. Freytag (Hamburg). Sie haben das Wort. Bitte sehr. Präsident Peter Harry Carstensen: Ich bedanke mich, Herr Minister. Dr. Michael Freytag (Hamburg): Herr Präsident, Wir kommen zur Abstimmung. Dazu liegen Ihnen meine Damen und Herren! Ich begrüße die Wirkungs- die Ausschussempfehlungen vor. richtung des vorliegenden Gesetzes, insbesondere im Hinblick auf den deutlich erhöhten Bußgeldrahmen Empfehlungen oder Anträge auf Anrufung des Ver- bei Verstößen gegen das Personenbeförderungs- mittlungsausschusses liegen nicht vor. recht. Es ist ein Gebot der Praxis, gravierendem Fehl- verhalten mit einer angemessenen, spürbaren Sank- Ich stelle damit fest, dass der Bundesrat den Ver- tion begegnen zu können. Besondere Bedeutung hat mittlungsausschuss n i c h t anruft. die hiermit verbundene nachhaltige Erhöhung der Wir haben noch über die vom Wirtschaftsausschuss generalpräventiven Wirkung. empfohlene Entschließung abzustimmen. Aus den Meine Damen und Herren, angesichts der fortge- Ausschussempfehlungen rufe ich auf: schrittenen Zeit möchte ich meine Rede im Übrigen Ziffer 2! – Mehrheit. zu Protokoll***) geben. Ich bitte Sie, dem Gesetz zuzustimmen. Ziffer 3! – Mehrheit. Ziffer 4! – Mehrheit. Präsident Peter Harry Carstensen: Eine gute Idee, Damit hat der Bundesrat, wie soeben beschlossen, Herr Senator Dr. Freytag. Herzlichen Dank! eine Entschließung gefasst. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. (B) Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 60: (D) Wer dem Gesetz zuzustimmen wünscht, den bitte Steueränderungsgesetz 2007 (Drucksache 464/ ich um das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. 06) Dann ist so beschlossen. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 8: Wir kommen zur Abstimmung. Wer ist dafür, dem Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Nor- Gesetz zuzustimmen? – Das ist die Mehrheit. menkontrollrates (Drucksache 411/06) Der Bundesrat hat dem Gesetz zugestimmt. Es gibt eine Wortmeldung von Minister Professor Dr. Reinhart (Baden-Württemberg). Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 61: Gesetz zur Neuregelung der Besteuerung von Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden-Württem- Energieerzeugnissen und zur Änderung des berg): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kol- Stromsteuergesetzes (Drucksache 465/06) legen! „Im Prinzip ist Bürokratieabbau wie Wortmeldungen liegen nicht vor. Gärtnern – das hört nie auf.“ – So hat jüngst ein Ken- ner der Materie, Professor J a n n von der Univer- Eine Ausschussempfehlung auf Anrufung des Ver- sität Potsdam, das Problem zutreffend beschrieben. mittlungsausschusses oder ein entsprechender Lan- Ein Ende ist also nicht in Sicht. Vielleicht können wir desantrag liegt nicht vor. mit der heutigen Initiative ein neues Kapitel beim Bürokratieabbau aufschlagen. Ich stelle fest, dass der Bundesrat zu dem Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundge- Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen: Eine setzes n i c h t stellt. auf Einzelmaßnahmen beschränkte Deregulierung reicht nicht aus, um das Übermaß an Bürokratie und Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 62: Kostenlasten, insbesondere für die kleinen und mitt- Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien leren Unternehmen, zu beseitigen. zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung (Drucksache 466/06) *) Anlage 6 **) Anlage 7 ***) Anlage 8 *) Anlage 9 230 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Präsident Peter Harry Carstensen (A) (C) Wortmeldungen liegen nicht vor. – Eine Erklärung dersachsen und Baden-Württemberg zu unterstützen. zu Protokoll*) gibt Herr Minister Breuer (Nordrhein- Weitere unterstützende Voten sind uns willkommen. Westfalen). Die übrigen Ausführungen gebe ich gern zu Proto- Eine Empfehlung auf Anrufung des Vermittlungs- koll*). – Danke schön. ausschusses oder ein entsprechender Landesantrag liegt nicht vor. Präsident Peter Harry Carstensen: Herzlichen Ich stelle daher fest, dass der Bundesrat zu dem Dank, Frau Thoben! Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Grundgesetzes n i c h t stellt. Ich weise die Vorlage dem Finanzausschuss – fe- Tagesordnungspunkt 63: derführend – sowie dem Rechtsausschuss und dem Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses Wirtschaftsausschuss – mitberatend – zur weiteren über den Europäischen Haftbefehl und die Beratung zu. Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaa- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 11: ten der Europäischen Union (Europäisches Haftbefehlsgesetz – EuHbG) (Drucksache 467/ Entwurf einer … Verordnung zur Änderung 06) straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften – An- trag der Freien und Hansestadt Hamburg – Frau Staatsministerin Dr. Merk (Bayern), Herr Par- (Drucksache 396/06) lamentarischer Staatssekretär Hartenbach (Bundes- ministerium der Justiz) und Frau Bürgermeisterin Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Schubert (Berlin) geben je eine Erklärung zu Proto- Wir kommen zur Abstimmung. Hierzu liegen Ihnen koll**). die Ausschussempfehlungen vor. Eine Empfehlung auf Anrufung des Vermittlungs- Wer entsprechend Ziffer 1 dafür ist, den Verord- ausschusses oder ein entsprechender Landesantrag nungsentwurf der Bundesregierung zuzuleiten, den liegt nicht vor. bitte ich um das Handzeichen. – Das ist eine Minder- Ich stelle daher fest, dass der Bundesrat zu dem heit. Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Damit wird der Verordnungsentwurf entspre- Grundgesetzes n i c h t stellt. chend Ziffer 2 der Ausschussempfehlungen der Bun- Tagesordnungspunkt 64: desregierung n i c h t zugeleitet. Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung Tagesordnungspunkt 12: (B) (D) des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungs- Entschließung des Bundesrates zur Änderung gesellschaften (UBGG) – Antrag der Länder der Neuregelung des Fälligkeitstermins für Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Ham- Sozialabgaben – Antrag der Länder Nordrhein- burg, Niedersachsen gemäß § 36 Abs. 2 Westfalen, Baden-Württemberg gemäß § 36 GO BR – (Drucksache 461/06) Abs. 2 GO BR – (Drucksache 430/06) Dem Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen, Ba- Eine Erklärung zu Protokoll**) gibt Minister den-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen sind die Breuer (Nordrhein-Westfalen). – Weitere Wortmel- Länder Brandenburg und Sachsen beigetreten. dungen liegen mir nicht vor. Es gibt eine Wortmeldung von Frau Ministerin Ich weise die Vorlage dem Ausschuss für Arbeit Thoben (Nordrhein-Westfalen). und Sozialpolitik – federführend – sowie dem Ge- sundheitsausschuss und dem Wirtschaftsausschuss Christa Thoben (Nordrhein-Westfalen): Herr Präsi- – mitberatend – zu. dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Tagesordnungspunkt 65: Wirtschaftsministerkonferenz hat auf Initiative Nord- rhein-Westfalens im Dezember 2005 den Ad-hoc- Entschließung des Bundesrates zur Integration Arbeitskreis „Weiterentwicklung des UBGG“ einge- und Einbürgerung – Antrag der Länder Hes- setzt. Der Arbeitskreis hat unter dem Vorsitz meines sen, Bayern, Schleswig-Holstein gemäß § 36 Hauses den Entwurf einer Gesetzesnovelle abge- Abs. 2 GO BR – (Drucksache 460/06) stimmt. Diesen Gesetzesvorschlag hat die Wirt- Dem Antrag der Länder Hessen, Bayern, Schles- schaftsministerkonferenz am 7. Juni dieses Jahres wig-Holstein ist das Saarland beigetreten. einstimmig gebilligt und die an der Arbeitsgruppe beteiligten Länder um Antragstellung im Bundesrat Wortmeldungen: Herr Staatsminister Bouffier (Hes- gebeten. sen) und Herr Minister Dr. Stegner (Schleswig-Hol- stein). Ich bitte Sie daher, die gemeinsame Gesetzesinitia- tive der Länder Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Nie- Bitte sehr, Herr Bouffier.

*) Anlage 10 *) Anlage 14 **) Anlagen 11 bis 13 **) Anlage 15 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 231

(A) (C) Volker Bouffier (Hessen): Herr Präsident! Meine Staatsbürger werden will – wir werben aus vielerlei Damen und meine Herren! In der nächsten Woche Gründen dafür –, sollte auch etwas von dem Land findet bei der Bundeskanzlerin der Integrationsgip- wissen, dessen Staatsbürger er werden will. Das zu fel statt. Ich freue mich sehr, dass zum ersten Mal auf verlangen, was gemeinhin als „staatsbürgerschaftli- höchster politischer Ebene die Aufgabe der Integra- ches Rucksackwissen“ bezeichnet wird, ist keine un- tion angegangen wird. Ich verspreche mir von die- nötige Erschwerung, sondern, richtig verstanden, sem Gipfel wichtige Impulse. eine Hilfestellung. Derjenige, der sich mit dem Land, seinen Bedingungen, seiner Geschichte und seinen Für die Frage, wie sich unser Land weiterentwi- Besonderheiten vertraut macht, ist anschließend we- ckelt, ist es von entscheidender Bedeutung, dass es sentlich besser in der Lage, seine Entwicklung und uns gelingt, die Millionen Menschen, die aus den un- die Entwicklung seiner Kinder in diesem Land so zu terschiedlichsten Ländern mit völlig unterschiedli- gestalten, dass es für alle Seiten erfolgreich ist. chen Traditionen, Wertvorstellungen und kulturellen Hintergründen zu uns gekommen sind, in unser Land Warum das bisherige Verfahren aus der Sicht aller zu integrieren. Wenn die gemeinsame Entwicklung Innenminister unzureichend und jedenfalls nicht hin- friedlich und erfolgreich verlaufen soll – das ist un- länglich brauchbar ist, kann man an Folgendem er- sere gemeinsame Überzeugung –, dann müssen wir kennen: Wer in unserem Land eine Niederlassungs- vom Reden zum Handeln kommen. erlaubnis haben will, muss einen Integrationskurs Es geht dabei schon lange nicht mehr um die Frage besuchen; wer Staatsbürger werden will, muss das des Ob, sondern um die Frage des Wie. Wir müssen nicht tun. von dem häufigen Nebeneinander zum gelebten Mit- Ich halte dies gemeinsam mit meinen Kolleginnen einander kommen. Das bedeutet, wir müssen Paral- und Kollegen für falsch. Wir haben deshalb in Hes- lelgesellschaften vermeiden und sie dort, wo sie ent- sen und in vielen anderen Bundesländern die De- standen sind, Stück für Stück wieder auflösen. Wir batte aufgegriffen und sind zu dem Ergebnis gekom- brauchen gemeinsame Grundlagen, wie wir in Zu- men, dass wir verbindliche Einbürgerungskurse kunft unser Leben gestalten wollen, nach welchen brauchen, in denen diese Gesichtspunkte verankert Werten und nach welchen Grundüberzeugungen. sind. In der Entschließung wird dazu eine ganze Das ist nicht beliebig, sondern das orientiert sich an Reihe von Punkten, die ich aus Zeitgründen nicht alle unserer Verfassung und an den Überzeugungen un- vortrage, im Einzelnen benannt. serer Gesellschaft. Wir wollen diese Kurse verbindlich halten. Wir wol- Dabei müssen wir ein faires Angebot an diejenigen len auch das Ergebnis überprüfen. Wir möchten, dass machen, die zu uns gekommen sind; aber sie müssen dies ernst gemeint ist, dass es eine echte Auseinan- dieses Angebot auch annehmen. (B) dersetzung mit diesen Fragen gibt. Deshalb sollten (D) In diesem größeren Zusammenhang ist die Einbür- die Kurse Verbindlichkeitscharakter haben. gerung sozusagen der Schlussstein der Integration. Nicht jede Einbürgerung ist per se ein Gewinn. Jede Die Innenministerkonferenz hat sich mit dieser gelungene Integration, die in die Einbürgerung mün- Aufgabe beschäftigt und nach intensiver Diskussion det, ist ein Gewinn. ein Konzept unter dem Stichwort „Fördern und For- dern“ beschlossen. Im allgemeinen Teil äußern wir In den letzten Monaten wurde intensiv darüber dis- uns zu Integrationsfragen, die uns sicherlich noch kutiert, ob das bisherige Einbürgerungsverfahren lange beschäftigen werden. Im besonderen Teil be- diesen Überlegungen und diesen Zielsetzungen ge- schreiben wir die Notwendigkeit der Verbesserung nügt. Wir sind in der Innenministerkonferenz zu dem des Einbürgerungsverfahrens. Ergebnis gekommen, dass das bisherige Verfahren Mängel aufweist und diesen Grundüberzeugungen Dieses Konzept beseitigt die vorhandenen Mängel. nicht hinreichend genügt. Ich will das an zwei Bei- Es eröffnet bessere Chancen der Integration, und es spielen deutlich machen. wahrt bundeseinheitliche Standards. Wir verlangen das Bekenntnis zur freiheitlich-de- Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass mokratischen Grundordnung. Das ist selbstverständ- wir dort einen Vorschlag verankert haben, den wir lich. Aber wie geschieht das? Durch Unterschrift un- speziell unter das Stichwort „Fördern“ gestellt ha- ter ein Formular. Eigentlich hat es aber keinen Sinn, ben. Wir sind davon ausgegangen, dass es bei der richtigerweise ein Bekenntnis zur freiheitlich-demo- Regelanwartschaftszeit von acht Jahren bleiben soll, kratischen Grundordnung zu verlangen, wenn man meinen aber, dass wir denjenigen, die sich besonders nicht vorher sicherstellt, dass derjenige, der es abge- gut integrieren, also hohe Integrationsleistungen er- ben soll, weiß, worum es geht. Deshalb muss erreicht bringen, zeigen sollten, dass sie uns willkommen werden, dass sich der Bewerber mit den tragenden sind. Deshalb haben wir vorgeschlagen, dass in sol- Prinzipien, mit den Werten und mit der Entwicklung chen Fällen die Einbürgerung ohne weiteres nach dieser Verfassung und dieser Gesellschaft vertraut sechs Jahren möglich sein soll. macht, sich mit ihnen auseinander setzt und sie ak- zeptiert. Wir haben den Schwerpunkt auf besondere Bedin- gungen des Spracherwerbs gelegt und halten im Üb- Es gibt ein Zweites, das eigentlich selbstverständ- rigen an den Voraussetzungen fest, die auch bislang lich ist, bislang aber nicht geschieht: Derjenige, der im Verfahren erforderlich waren. 232 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Volker Bouffier (Hessen) (A) (C) Wir haben gute Aussichten, die Mängel des bishe- Die meisten dieser Menschen sind übrigens gut in- rigen Verfahrens abzustellen und zu besseren Ver- tegriert. Sie leben hier; sie arbeiten hier; sie zahlen fahren und Inhalten zu kommen, weil sich die Bun- ihre Steuern und Beiträge. Wir haben in Sachen desregierung zurzeit im Prozess der Novellierung Staatsbürgerschaft eigentlich auch keine substanziel- des Aufenthaltsgesetzes befindet. Es besteht die len Probleme – außer dass zu wenige Menschen sie große Chance, die Punkte, die in der Entschließung beantragen. In der Tat: Es ist der Schlussstein gelun- im Einzelnen aufgeführt sind, mit in den Novellie- gener Integration, wenn jemand sie beantragt. rungsprozess aufzunehmen. Schon 1979 hatte der erste Ausländerbeauftragte Die Innenministerkonferenz wendet sich an die der Bundesregierung, Heinz K ü h n , in seinem Bundesregierung mit der Bitte und der Aufforderung, Memorandum eine konsequente Integrationspolitik diese Gesichtspunkte aufzugreifen. Der Ihnen vorge- auf allen politischen Ebenen eingefordert. Notwen- legte Entschließungsantrag der Länder Hessen, Bay- dig sei ein „Maßnahmebündel, das die Chance zu ei- ern und Schleswig-Holstein sowie – wenn ich es rich- ner vorbehaltlosen und dauerhaften Eingliederung tig gehört habe – dankenswerterweise auch des eröffnet“. Erst ein Vierteljahrhundert später hat das Saarlandes soll dieses Anliegen bekräftigen und Zuwanderungsgesetz ein bundesweites Integrations- seine Umsetzung beschleunigen. Ich bitte herzlich programm verankert. darum, dass wir unseren Standpunkt in der Grund- frage für unser Land, wie wir es erreichen, dass die Viele Landesregierungen und Kommunen haben Entwicklung für alle – sowohl für diejenigen, die Integrationskonzepte erstellt. Was fehlt, ist die Ver- schon immer hier waren, als auch für diejenigen, die knüpfung der Integrationskonzepte zu einem zu uns gekommen sind – erfolgreich und friedlich Gesamtrahmen. Handlungsbedarf besteht vom Aus- verläuft, durch ein möglichst einstimmiges Votum länderrecht über Bildung und Erziehung bis zum des Bundesrates unterstreichen. Wohnungs- und Städtebau.

Die Kollegen aus Rheinland-Pfalz haben einen Än- Vieles läuft parallel und ungesteuert. Manche derungsantrag vorgelegt. Ich muss sagen: Ich kann Maßnahme verpufft dadurch ungewollt in ihrer Wir- darin nichts Neues erkennen, aus meiner Sicht auch kung. Bund, Länder und Kommunen investieren in nichts Besseres. Aber er ist sicherlich soziologischer. Milliardenhöhe in Integrationsmaßnahmen. Es fehlt Mir ist wichtig – das sage ich den Kollegen aus also nicht an den notwendigen finanziellen Ressour- Rheinland-Pfalz –, dass wir die Einstimmigkeit beibe- cen für eine vernünftige Integrationspolitik. Es fehlt halten. Deshalb empfehle ich, den Änderungsantrag vielmehr an einem bedarfsgerechten und ab- mit aufzunehmen, und ich bitte das Haus, sowohl gestimmten „Maßnahmebündel“, um das Wort von dieser Änderung als auch dem Antrag auf sofortige Heinz Kühn aufzugreifen. (B) (D) Sachentscheidung, vor allen Dingen aber der Ent- Dieses Maßnahmebündel mit einem optimalen Zu- schließung zuzustimmen. – Ich danke Ihnen. sammenspiel der verantwortlichen Akteure auf allen Ebenen wird mit dem bundesweiten Integrations- Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Staats- programm angestrebt. Ich hoffe sehr, dass dieser minister, herzlichen Dank! Gipfel – es hat in letzter Zeit viele Gipfel gegeben – nicht im Wesentlichen auf mediale Wirkung abstellt. Das Wort hat Minister Dr. Stegner (Schleswig-Hol- Das ist in der Demokratie zwar wichtig. Im Kern geht stein). es aber darum, dass sich Bund, Länder und Kommu- nen sowie die gesellschaftlichen Gruppen auf Ziele und Eckpunkte verständigen, um ein Integra- Dr. Ralf Stegner (Schleswig-Holstein): Herr Präsi- tionsprogramm in Gang zu setzen. dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „In- tegration“ hat alle Chancen, zum Wort des Jahres zu Die Innenministerkonferenz hat sich im Mai auf werden. Wir haben es in der Hand, ob es ein Begriff Eckpunkte zur Integration geeinigt. Das war nicht aus Sonntagsreden bleibt oder ob wir es mit Leben leicht. Man kam von verschiedenen Ebenen und von erfüllen und damit Taten folgen lassen. verschiedenen Ecken her. Dass Sie heute einen ge- meinsamen Antrag von Bayern, Hessen, Schleswig- Die Vorarbeit ist geleistet. Heute könnte eine wich- Holstein und jetzt auch des Saarlandes vorfinden, ist tige Zwischenetappe sein. Der Integrationsgipfel, auf meines Erachtens ein ermutigendes Zeichen dafür, den Herr Kollege Bouffier hingewiesen hat, könnte dass man in der Lage und willens ist, solche Dinge den Startschuss für bundesweit koordiniertes Han- gemeinsam anzugehen. deln geben. Mit diesen Eckpunkten würden die Länder auf ei- Mit dem Zuwanderungsgesetz wurde parteiüber- ner soliden Basis in den Integrationsgipfel gehen. Vor greifend konstatiert, dass Deutschland ein Einwan- der heutigen Sitzung ist die Frage aufgetaucht: Wa- derungsland ist. Sollte es weiterhin Skepsis geben, so rum müsst ihr das vor dem Integrationsgipfel ma- wird sie durch den jüngsten Mikrozensus ausge- chen? – Ich will es mit einem Satz begründen: weil räumt. Fakt ist danach, dass rund ein Fünftel unserer die Länder und Kommunen die Hauptlast der exeku- Bevölkerung einen Migrationshintergrund hat. Bei tiven Verantwortung für die konkret zu leistende der Altersgruppe der unter 25-Jährigen ist es sogar Integrationsarbeit zu tragen haben. Das kann durch jeder Vierte. noch so schöne Erklärungen anderswo nicht ersetzt Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 233 Dr. Ralf Stegner (Schleswig-Holstein) (A) (C) werden, es ist die tägliche Praxis. Daher rührt der Be- Das gilt übrigens auch für die Jugendlichen, die darf, das Problem zu lösen. aus den ehemaligen GUS-Staaten kommen, keines- wegs nur für andere; auch dort haben wir massive Übrigens geht es keineswegs, wie ich gestern in ei- Probleme, meine sehr verehrten Damen und Herren. ner großen Zeitung gelesen habe, in erster Linie um Die Sprachanforderungen müssen für alle gelten, so schärfere Sanktionen gegen Einwanderer. Das wäre wie das Zuwanderungsgesetz es für erwachsene Zu- falsch. Eine solche Akzentsetzung hat das Land wanderinnen und Zuwanderer mit den Integrations- Schleswig-Holstein mit Sicherheit nicht in den Bun- kursen vorsieht. desrat eingebracht. Wer die Sprache nicht beherrscht, hat keine Im Zentrum der Eckpunkte steht vielmehr das Bild Chance, eine Ausbildung abzuschließen und einen der Zweibahnstraße. Herr Kollege Bouffier hat von Arbeitsplatz zu finden. Er wird sich nicht integrieren Fordern und Fördern gesprochen. Diese Begriffe und zu anderen Dingen greifen. Wir haben dann Pro- sind im Zusammenhang mit Hartz IV ein bisschen bleme, deren Lösung uns teurer zu stehen kommt als diskreditiert worden. Sie sind aber richtig. Zwei- Sprachkurse. Von denjenigen, die zugewandert sind, bahnstraße heißt: Leistungen des Gemeinwesens auf müssen wir erwarten, dass sie sich den Mühen des der einen Seite und Erwartung an diejenigen, die Spracherwerbs auch tatsächlich stellen. bei uns leben, auf der anderen Seite. Migrantinnen und Migranten müssen es als ihre selbstverständliche Entscheidend für den Erfolg ist also, dass die staat- Aufgabe begreifen, sich und ihre Kinder in die deut- lichen Systeme so aufgestellt sind, dass Menschen sche Gesellschaft zu integrieren und einen aktiven mit Migrationshintergrund die gleichen Zugangs- Beitrag zu leisten. Integration ist insofern Pflicht, möglichkeiten zu Bildung, Ausbildung und Beruf meine sehr verehrten Damen und Herren. Gefordert haben. Es geht um Teilhabe am gesellschaftlichen, werden muss ein aktives Bekenntnis zu Demokratie am wirtschaftlichen, am sozialen und am politischen und moderner Gesellschaft als gemeinsame Grund- Leben. lage des Miteinanders. Wir müssen weg von der Dauerförderung noch so Auch hier gibt es eine Zweibahnstraße: Glaubens- guter Projekte und hin zu justierten Systemen kom- und Religionsfreiheit sind das eine, Meinungs- und men, die integrationsfördernd, nicht integrations- Pressefreiheit das andere. Beides ist zu akzeptieren. hemmend sind. Hier warten große Hausaufgaben auf Das gilt gleichermaßen für die deutsche Bevölke- Bund, Länder und Kommunen. rung. Wir reden also nicht über Sonderregeln für die- jenigen, die zu uns kommen. Das gilt insbesondere für den Bildungsbereich. Ich will das nicht im Detail ausführen, um Sie zeitlich Es geht nicht um das in der Öffentlichkeit sehr in- nicht zu sehr zu beanspruchen. Mit „Mini-Sprach- (B) tensiv diskutierte so genannte „Wissensquiz“. Es (D) kursen“ allein ist es nicht getan. Wir brauchen inte- geht auch nicht um Gesinnungsprüfung. Worum es grative Sprachförderungskonzepte, wie wir sie z. B. geht, ist das Zusammenleben auf dem Fundament in Schleswig-Holstein entwickelt haben. gemeinsamer Werte. Die deutsche Verfassung sagt das, was dazu zu sagen ist: Demokratie, Rechtsstaat- Dazu gehört, dass Eltern ihre Kinder im Rahmen ih- lichkeit sowie Meinungs- und Religionsfreiheit. Übri- rer Möglichkeiten unterstützen. Frühzeitiger Kinder- gens gehört die Gleichberechtigung von Mann und gartenbesuch, regelmäßiger Schulbesuch, Unterstüt- Frau zu den Verfassungsprinzipien, die wir in zung bei Hausaufgaben und Teilnahme an all den Deutschland haben. Auf diesem Fundament ist viel Dingen, die in Deutschland zur Schule dazugehören, Platz für kulturelle Vielfalt und individuelle Lebens- dürfen erwartet werden. Eltern müssen ihre Kinder entwürfe. Niemand wird gezwungen, seine Herkunft animieren, Bildungschancen zu nutzen, auch wenn und Identität aufzugeben. der Weg steinig ist.

Wir wollen Integration, nicht Assimilation. Wir Es muss darum gehen, in einem größeren Maß, als wollen Menschen, die zu uns kommen, integrieren. es bisher möglich war, Chancen zu bieten und Chan- Wir wollen sie nicht verbeamten. Daher haben wir cen zu nutzen. Hierbei kann ein bundesweites Inte- uns auf eine Lösung verständigt, nach der die Länder grationsprogramm eine maßgebliche Rolle spielen. zwischen einer Eidesleistung und einer feierlichen Die Chancen zu nutzen ist Verpflichtung der Zuwan- Einbürgerungsveranstaltung wählen können. Beides derer. ist gleichermaßen möglich. Gleichzeitig leben bei uns allzu viele Menschen, Ich meine, dass die Bevölkerung mit Offenheit und die eine unsichere Perspektive haben, was ihren Auf- ausgestreckter Hand auf die Migrantinnen und Mi- enthaltsstatus angeht, obwohl sie und ihre Kinder in- granten zugehen sollte. tegriert sind. Auch diesen Menschen müssen wir eine Zu dem aktiven Bekenntnis zu Demokratie und Perspektive geben. moderner Gesellschaft gehört eines in allererster Linie: Man muss Deutsch verstehen und sprechen Pluralität kann unsere seit jeher weltoffene Gesell- können; sonst kann man sich nicht integrieren. Das schaft stärken. Migration kann aber auch ins Abseits ist nicht zu viel verlangt. und zur Bildung von Parallelgesellschaften führen. Wir haben bei unseren französischen Nachbarn vor Auch dies ist eine Zweibahnstraße: Der Staat muss kurzem gesehen, wie weit es gehen kann, wenn man ausreichend Förderangebote zur Verfügung stellen. die entsprechende Verknüpfung nicht herstellt. 234 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Dr. Ralf Stegner (Schleswig-Holstein) (A) (C) Insofern brauchen wir eine moderne Integrations- Wortmeldungen liegen nicht vor. – Minister Breuer politik, die weder schwärmerisch ist noch auf die (Nordrhein-Westfalen) gibt eine Erklärung zu Proto- Stammtische zielt. Beides wäre gleichermaßen falsch. koll*). Gerade als Bürger eines Landes, aus dem vor einigen Wir kommen zur Abstimmung. Ich beginne mit Jahrzehnten viele Menschen fliehen mussten, die an- Punkt 13, dem Elterngeld. derswo integriert wurden, haben wir die Verpflich- tung – auch die historische Verpflichtung –, in einer Dazu liegen Ihnen die Ausschussempfehlungen Phase, in der es den Deutschen so gut geht wie noch vor. Ich erbitte das Handzeichen für: nie in ihrer Geschichte, keine hartherzige Politik zu Ziffer 1! – Mehrheit. betreiben, sondern eine Politik, die mit dem Prinzip des Förderns und Forderns Menschen integriert, die Ziffer 2! – Mehrheit. hier leben wollen. Es geht also um ein pragmatisches, viele Politikfelder berührendes Integrationskonzept Ziffer 3! – Mehrheit. in einem weltoffenen Land. Ziffer 5! – Mehrheit. Meine sehr verehrten Damen und Herren, meines Ziffer 6! – Mehrheit. Erachtens hat die zu Ende gehende Fußballwelt- Ziffer 8! – Mehrheit. meisterschaft gezeigt, dass die im Vorfeld geäußerte Bedenkenträgerei und Miesepetrigkeit ebenso wie Ziffer 10! – Mehrheit. das Katastrophengerede völlig unbegründet waren. Damit entfällt Ziffer 11. Die Welt war und ist zu Gast bei außerordentlich fröhlichen Freunden. Das mag für uns Ansporn sein, Nun bitte Ihr Handzeichen zu allen noch nicht erle- diesen Schwung für die Aufgaben mitzunehmen, die digten Ausschussempfehlungen! – Das ist die Mehr- wir auf dem Feld der Integrationspolitik zu leisten heit. haben – übrigens keineswegs wir Politiker alleine, Der Bundesrat hat entsprechend Stellung genom- sondern auch Kirchen, Verbände, Gewerkschaften men. und andere Organisationen sowie Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Wir können die Verantwortung über- Nun zu Punkt 27, dem Familienbericht! nehmen. Ich stelle fest, dass der Bundesrat entsprechend der Ich bitte Sie herzlich um Zustimmung zu dem von Empfehlung des federführenden Ausschusses für Fa- Bayern, Hessen, Schleswig-Holstein und dem Saar- milie und Senioren den Bericht zur Kenntnis nimmt. land vorgelegten Antrag. – Vielen Dank. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 14: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung (B) Präsident Peter Harry Carstensen: Danke schön, des Gesetzes zur Verbesserung der personel- (D) Herr Stegner! len Struktur beim Bundeseisenbahnvermögen und in den Unternehmen der Deutschen Bun- Mir liegt keine Wortmeldung mehr vor. despost (Drucksache 399/06) Wir kommen zur Abstimmung. Ausschussberatun- Wortmeldungen liegen nicht vor. gen haben nicht stattgefunden. Die antragstellenden Länder haben jedoch beantragt, bereits heute in der Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- Sache zu entscheiden. Wer also für sofortige Sachent- fehlungen in Drucksache 399/1/06 vor. scheidung ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Ihr Handzeichen bitte für die unter Ziffer 1 emp- Das ist die Mehrheit. fohlene Stellungnahme! – Das ist die Mehrheit. Zu der Entschließung liegt ein Änderungsantrag Es ist so beschlossen. von Rheinland-Pfalz vor, über den ich zunächst ab- stimmen lasse. Wer ist dafür? – Das ist die Mehrheit. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 15: Wer stimmt der Entschließung mit der soeben fest- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ver- gelegten Änderung zu? – Das ist die Mehrheit. tragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertrags- arztrechtsänderungsgesetz – VÄndG) (Druck- Dann ist so beschlossen. sache 353/06) Zur gemeinsamen Beratung rufe ich die Tagesord- Wortmeldungen liegen nicht vor. nungspunkte 13 und 27 auf: Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- 13. Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des fehlungen in Drucksache 353/1/06 und ein Antrag Elterngeldes (Drucksache 426/06) Thüringens in Drucksache 353/2/06 vor. Wir beginnen mit den Ausschussempfehlungen. in Verbindung mit Zur Einzelabstimmung rufe ich auf: 27. Siebter Familienbericht – Familie zwischen Ziffer 1! – Mehrheit. Flexibilität und Verlässlichkeit – Perspektiven für eine lebenslaufbezogene Familienpolitik Ziffer 5! – Mehrheit. und Stellungnahme der Bundesregierung (Druck- sache 292/06) *) Anlage 16 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 235 Präsident Peter Harry Carstensen (A) (C) Ziffer 9! – Mehrheit. Man muss sich diese Vorgeschichte vor Augen füh- ren, um zu erkennen, dass die Finanzierungsrege- Ziffer 11! – Minderheit. lung des EEG zur Förderung der erneuerbaren Ener- gien auf Dauer mit massiven Akzeptanzproblemen Nun bitte das Handzeichen für den Antrag Thürin- rechnen muss. Daher unterstützen wir den Antrag gens! – Mehrheit. Bayerns, das Finanzierungssystem für die erneuer- Zur Sammelabstimmung: Wer stimmt den noch baren Energien grundlegend zu überprüfen. Das Er- nicht erledigten Ziffern der Ausschussempfehlungen gebnis der Überprüfung soll Grundlage für das wei- zu? – Das ist die Mehrheit. tere Vorgehen sein. Ich will betonen: Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf, wie soeben festgelegt, Stellung genommen. Dies ist kein Plädoyer gegen die Förderung erneu- erbarer Energien. Tagesordnungspunkt 19: Mir ist bewusst, dass auch wettbewerbsorientierte Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung Finanzierungskonzepte – etwa Quoten- oder Aus- des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (Druck- schreibungsmodelle – bei der konkreten Ausgestal- sache 427/06) tung durchaus Probleme aufwerfen. Wortmeldung: Frau Ministerin Thoben (Nordrhein- Aber die Diskussion um die Härteklausel zeigt, Westfalen). Bitte sehr, Sie haben das Wort. dass wir die Frage einer konzeptionellen Neuorien- tierung bei der Förderung der erneuerbaren Ener- gien nicht tabuisieren sollten. Akzeptanz wird die Christa Thoben (Nordrhein-Westfalen): Herr Präsi- Förderung auf Dauer nur finden, wenn stärkere dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei Anstrengungen unternommen werden, das Förder- den Änderungen des Erneuerbare-Energien-Geset- volumen insgesamt auf das notwendige Maß zu zes, über die wir heute beraten, scheinen auf den ers- reduzieren. Wir fordern von den etablierten Energie- ten Blick umfangreiche rechtstechnische Änderun- versorgern bei der Netzregulierung effiziente Leis- gen im Vordergrund zu stehen. tungsbereitstellung. Für die Betreiber von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien kann kein an- Dieser erste Eindruck täuscht gründlich. Die wich- derer Maßstab gelten. tigste Vorschrift des Gesetzentwurfs ist kurz und ein- fach. Sie bestimmt, dass § 16 Abs. 5 aufgehoben Ich appelliere daher auch an das Bundesumwelt- wird. Damit entfällt in Zukunft die Deckelung der ministerium, spätestens den Erfahrungsbericht zum (B) Entlastung stromintensiver Betriebe bei den durch EEG zu nutzen, um über die Ausschöpfung vorhan- (D) das EEG verursachten Mehrkosten. Das ist für Nord- dener Effizienzpotenziale und über alternative För- rhein-Westfalen mit zahlreichen Standorten der derkonzepte nachzudenken. stromintensiven Industrie, darunter den drei größten deutschen Aluminiumstandorten, ein wichtiger und notwendiger Schritt. Er macht für die stromintensive Präsident Peter Harry Carstensen: Frau Ministerin, Industrie die Entlastung, mit der sie bei den EEG- herzlichen Dank! Kosten rechnen kann, wieder verlässlich kalkulier- Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. bar. Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- Verfolgt man die Entwicklung der Härteklausel im fehlungen vor. Aus Drucksache 427/1/06 rufe ich auf: EEG für die stromintensive Industrie, drängen sich aber auch grundsätzliche Schlussfolgerungen auf: Ziffer 1! Wer ist dafür? – Das ist die Mehrheit. Am Anfang stand – noch im alten EEG – bekanntlich Ziffer 2! – Das ist nicht die Mehrheit. eine eng gefasste Härteklausel für wenige besonders stromintensive Unternehmen, vor allem für die Alu- Ziffer 3! – Das ist die Mehrheit. miniumindustrie. Das neue EEG erweiterte 2004 die Entlastung, weil deutlich geworden war, dass zahl- Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf reiche Branchen durch die EEG-Belastungen in ihrer entsprechend Stellung genommen. internationalen Wettbewerbsposition beeinträchtigt Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 22: wurden. Natürlich führte die Erweiterung der Härte- klausel zu einer stärkeren Belastung der übrigen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung telekom- Kunden. Daher erfand man die Deckelung. Entgegen munikationsrechtlicher Vorschriften (Druck- den Versicherungen des Bundesumweltministeriums sache 359/06) griff sie bereits im ersten Jahr. Folge war, dass die Entlastung der besonders stromintensiven Betriebe Wortmeldungen liegen nicht vor. gekürzt wurde; sie war also nicht mehr berechenbar. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu liegen Ihnen Diesen Konstruktionsfehler wollen wir beseitigen. die Ausschussempfehlungen und ein Antrag des Lan- Dabei wissen wir, dass wir den Bürgern spätestens des Rheinland-Pfalz vor. zum Jahresende sagen müssen, dass die Strompreise auch wegen der EEG-Mehrkosten wieder steigen Der Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen in werden. Drucksache 359/3/06 wurde zurückgezogen. 236 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Präsident Peter Harry Carstensen (A) (C) Ich beginne mit den Ausschussempfehlungen. Zur Beide Länder haben in dieser Zeit ein außerordent- Einzelabstimmung rufe ich auf: liches Maß an Reformbereitschaft und Reformfähig- keit bewiesen. Wenn wir uns vor Augen führen, wie Ziffer 1, bei deren Annahme der Antrag des Landes schwierig Reformen in unserem eigenen Land durch- Rheinland-Pfalz entfällt! Wer ist dafür? – Mehrheit. zusetzen sind, dann erahnt man, was die gesamt- Damit entfällt der Antrag des Landes Rheinland- gesellschaftliche Angleichung an den EU-Rechtsbe- Pfalz. stand innenpolitisch für die einzelnen Länder bedeuten muss. Beide Länder haben es verdient, am Ziffer 2! – Mehrheit. 1. Januar 2007 in die Europäische Union aufgenom- Ziffer 4! – Minderheit. men zu werden. Debatten über eine mögliche Ver- schiebung um maximal ein Jahr auf den 1. Januar Ziffer 8! – Minderheit. 2008 sind unseres Erachtens kontraproduktiv. Es geht vor allem darum, die europäisch orientierten Reform- Ziffer 12! – Minderheit. kräfte in den Ländern weiterhin zu stärken. Daran Ziffer 13! – Minderheit. sollten wir alle interessiert sein. Ziffer 25! – Minderheit. Die Kommissionsberichte vom Mai 2006 benennen in klarer Sprache Defizite, die beide Länder noch zu Ziffer 26! – Mehrheit. beseitigen haben. Nur so können Bulgarien und Ru- Ziffer 28! – Minderheit. mänien die Anwendung von Schutzklauseln vermei- den, die ein Beitrittsvertrag erstmals in dieser Form Ziffer 29, bei deren Annahme Ziffer 30 entfällt! – vorsieht. Minderheit. Die Schutzklauseln sind geeignete Instrumente, Ziffer 30! – Mehrheit. um den Reformdruck auch über den 1. Januar 2007 Ziffer 33! – Minderheit. hinaus aufrechtzuerhalten; denn in den ersten drei Jahren nach dem Beitritt kann die Kommission auf Dann bitte ich um Ihr Handzeichen für alle noch Antrag eines Mitgliedstaates wirksame Schutzmaß- nicht erledigten Ziffern der Ausschussempfehlun- nahmen verhängen, und zwar im Falle relevanter De- gen. – Das ist die Mehrheit. fizite in den zentralen Bereichen Binnenmarkt, Justiz und Inneres. Denkbar sind sogar Auszahlungssper- Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf, ren bei den Strukturfondsmitteln oder Agrarmitteln. wie soeben beschlossen, Stellung genommen. Die Schutzmaßnahmen gelten über den Dreijahres- Tagesordnungspunkt 24: zeitraum hinaus, bis der Missstand behoben ist. Er- (B) gänzend zu diesen Mechanismen gelten, wie bei der (D) Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom Erweiterungsrunde 2004, Übergangsregelungen für 25. April 2005 über den Beitritt der Republik bestimmte Grundfreiheiten. Für Deutschland ist die Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen mehrjährige Einschränkung der Arbeitnehmerfrei- Union (Drucksache 360/06) zügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit in be- Es liegen Wortmeldungen von Frau Bürgermeiste- stimmten Bereichen von besonderer Bedeutung. rin Schubert (Berlin), Minister Breuer (Nordrhein- Wir sollten uns und der Öffentlichkeit diese Viel- Westfalen) und Staatsminister Gloser (Auswärtiges zahl von Schutzmechanismen ins Bewusstsein rufen, Amt) vor. auch um mehr oder weniger begründeten Ängsten in Bitte sehr, Frau Schubert. der Bevölkerung wirksam entgegentreten zu können. Wir dürfen diese Ängste und die zunehmende Skep- sis gegenüber der Erweiterung der Europäischen Karin Schubert (Berlin): Herr Präsident, meine Da- Union nicht klein reden; wir dürfen Ängste aber auch men und Herren! Berlin begrüßt den Beitritt Bulga- nicht schüren, indem der Eindruck erweckt wird, ein- riens und Rumäniens zur Europäischen Union. zelne Kandidatenländer hätten die Beitrittsreife nicht Die große europäische Familie nimmt zwei weitere erreicht und würden zu einer Gefahr oder einer Be- Mitglieder auf und schließt damit die historische lastung für die Europäische Union. fünfte Erweiterungsrunde ab. Der Beitritt Bulgariens Mit dem Abschluss der fünften Erweiterungsrunde und Rumäniens ist ein weiterer wichtiger Schritt, um steht in den nächsten Monaten zugleich eine Gene- die Spaltung des Kontinents in Ost und West endgül- raldebatte über die zukünftige Erweiterungspolitik tig zu überwinden und dauerhaften Frieden in der Europäischen Union an. Wir werden mit dem Eu- Europa zu gewährleisten. ropa der 27 an einem Punkt angekommen sein, an Rumänien war das erste Land des damaligen Ost- dem die bisherige Politik nicht einfach fortgeführt blocks, mit dem die Europäische Gemeinschaft 1974 werden kann, weder unter dem Gesichtspunkt der offizielle Beziehungen aufnahm. Von da war es aller- institutionellen Voraussetzungen noch unter dem Ge- dings noch ein weiter Weg, der schließlich im Jahre sichtspunkt der politischen Akzeptanz in weiten Tei- 2000 zu Beitrittsverhandlungen führte, die im Juli len der europäischen Öffentlichkeit. Rat, Kommission 2004 abgeschlossen worden sind. Ich glaube, wir alle und Parlament haben eine Debatte über die Aufnah- können mit dem Ergebnis dieser Verhandlungen zu- mefähigkeit der Europäischen Union angeregt. Die frieden sein. finnische Präsidentschaft hat noch für 2006 eine all- Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 237 Karin Schubert (Berlin) (A) (C) gemeine Aussprache über die Erweiterungspolitik Die Kommission hat mit ihrer Entscheidung im Mai angekündigt. Diese Diskussionen müssen ernsthaft 2006 deutlich gemacht, dass der Beitritt zur Europäi- und ergebnisoffen geführt werden, wenn wir kein schen Union von der Erfüllung klar aufgezeigter Bei- Europa der zwei Geschwindigkeiten oder ein Kern- trittskriterien abhängt. Mit anderen Worten: Vorraus- europa haben wollen. setzung ist nach der Grundidee der Europäischen Union zunächst einmal die Beitrittsreife des jeweili- Lassen Sie mich abschließend zu einem formalen gen Kandidatenlandes. Jetzt zeigt sich, dass die ver- Aspekt der heutigen Beratung kommen! Anders als bindliche Festlegung eines konkreten Beitrittszeit- die Bundesregierung sind wir in Berlin der Meinung, punktes unabhängig davon, ob die Kriterien wirklich dass das Gesetz der Zustimmung von zwei Dritteln erfüllt sind, zumindest – ich formuliere es vorsichtig – der Stimmen des Bundesrates bedarf. Mit dieser problematisch war. Rechtsauffassung können die Länder direkt an die umfangreiche Protokollerklärung eines ehemaligen Ein anderer Punkt ist: Auch die Europäische Union sächsischen Staatsministers anknüpfen. Dr. Thomas muss bei Erweiterungen aufnahme- und integra- d e M a i z i è r e hat am 20. Juni 2003 im Bundesrat tionsfähig sein. Ich halte es für äußerst problema- dankenswerterweise klar festgehalten, dass mit den tisch, potenziellen Beitrittskandidaten Aufnahme- damaligen Beitrittsverträgen eine wesentliche Ände- bereitschaft zu signalisieren, wenn die EU selbst rung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen hierauf nicht vorbereitet ist. Europa benötigt drin- Union verbunden ist, durch die das Grundgesetz sei- gend eine Reform seiner Institutionen, wenn es mit nem Inhalt nach geändert wird. Deswegen sind wir demnächst 27 Mitgliedern handlungs- und funktions- der Auffassung, dass hier eine Zweidrittelmehrheit fähig bleiben will. notwendig ist. – Ich bedanke mich. Dies ist auch bei den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union angekommen. Diese haben viel- Präsident Peter Harry Carstensen: Ich bedanke fach den Eindruck, dass das vorgelegte Tempo der mich, Frau Bürgermeisterin. Erweiterung und die aktuellen Möglichkeiten der Europäischen Union zur Aufnahme weiterer Mitglie- Das Wort hat Minister Breuer (Nordrhein-West- der auseinander gedriftet sind. Die Zahlen des so falen). genannten Eurobarometers sind da eindeutig. Sie belegen die skeptische Haltung weiter Bevölke- rungskreise. In der Bundesrepublik sind demnach Michael Breuer (Nordrhein-Westfalen): Sehr geehr- fast 60 % gegen die Aufnahme weiterer Staaten in ter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! den nächsten Jahren. Mit solchen Einschätzungen Auf Grund der bestehenden Vereinbarungen treten und den dahinter stehenden Sorgen müssen wir ver- (B) Bulgarien und Rumänien spätestens am 1. Januar (D) antwortungsvoll umgehen. 2008 der Europäischen Union bei. Es ist für viele schwer nachvollziehbar, dass neue Dies geschieht unabhängig von der am 16. Mai ge- Mitgliedstaaten der Europäischen Union beitreten troffenen Beurteilung der Europäischen Kommission, und die anderen Mitgliedstaaten sich gleichzeitig dass nach den Monitoring-Berichten die Vorberei- über wichtige Schutzklauseln absichern müssen, tungen von Rumänien und Bulgarien auf die EU-Mit- wenn die beitretenden Staaten die Aufnahmekrite- gliedschaft trotz vieler Fortschritte noch erhebliche rien nachweislich nicht erfüllen. Dies ist ein Wider- Defizite in einigen Bereichen, insbesondere in den spruch in sich, der der Bevölkerung der Mitgliedstaa- Bereichen Inneres und Justiz, aufweisen. ten nur schwer zu erklären ist. Die Kommission hat es unterlassen, eine Empfeh- Meine Damen und Herren, ich begrüße es sehr, lung zum Beitrittsdatum – 1. Januar 2007 oder dass der Europäische Rat auf seiner Tagung im De- 1. Januar 2008 – auszusprechen und dies auf Anfang zember 2006 alle Fragen erörtern will, die sich im Zu- Oktober aufgeschoben. Grundlage sollen weitere sammenhang mit künftigen Erweiterungen stellen. Monitoring-Berichte darstellen. Vor diesem zeitli- Er hat auf seiner letzten Tagung am 15./16. Juni in chen Hintergrund wird der Bundesrat heute auch Brüssel die Kommission gebeten, einen Sonderbe- keine Entscheidung über die Zustimmung zum Ent- richt über alle einschlägigen Aspekte der Aufnahme- wurf des Ratifikationsgesetzes treffen, sondern die fähigkeit der Union vorzulegen. Insbesondere soll Empfehlung abwarten. die Vorlage der Kommission dem Erfordernis Rech- Für den unbedarften Beobachter erscheint dies nung tragen, dass der Erweiterungsprozess der Öf- schon ein wenig paradox. Einerseits besteht eine fentlichkeit in der Union angemessen erläutert wird. feste und verbindliche Erweiterungszusage spätes- Damit ist der Fahrplan vorgegeben. Nun müssen tens zum 1. Januar 2008, andererseits kann die Kom- aber auch Taten folgen. mission den beiden Ländern nicht bescheinigen, dass Das Land Nordrhein-Westfalen ist wie die übrigen sie uneingeschränkt beitrittsreif sind. Dies bedeutet Bundesländer über den Bundesrat zu konstruktiver für mich: Wir brauchen dringend eine Verstän- Mitarbeit bereit, um die Bundesregierung in ihren digung über die weitere Erweiterungspolitik und Gesprächen im Europäischen Rat zu unterstützen. -strategie der Europäischen Union. Die Bundesregie- rung muss sich im Europäischen Rat hierfür einset- ( V o r s i t z : Amtierender Präsident zen. Prof. Dr. Wolfgang Reinhart) 238 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Michael Breuer (Nordrhein-Westfalen) (A) (C) Was die rechtlich strittige Frage angeht – meine eben auch angesprochen worden –, der vor dem Bei- Vorrednerin hat es angesprochen –, ob das Gesetz tritt abgearbeitet werden muss. der Zustimmung des Bundesrates mit Zweidrittel- mehrheit bedarf, vertritt Nordrhein-Westfalen die Wir haben uns deshalb in sehr enger Abstimmung Auffassung, dass eine solche erforderlich ist, weil mit der Kommission und mit unseren europäischen mit dem Beitrittsvertrag die vertraglichen Grundla- Partnern die Sache nicht leicht gemacht. Am 16. Mai gen der Europäischen Union auf eine Weise geändert 2006 hat die Kommission Monitoring-Berichte vor- werden, die das Grundgesetz seinem Inhalt nach än- gelegt, die die Lage nicht nur sehr differenziert ana- dert bzw. ergänzt. Über Einzelheiten werden wir lysieren, sondern meiner Meinung nach auch sehr sicherlich diskutieren. – Ich bedanke mich für die gute Vorschläge zum weiteren Vorgehen enthalten. Aufmerksamkeit. Die Kommission bescheinigt beiden Ländern er- hebliche Fortschritte bei den Vorbereitungen auf den Beitritt. Sie benennt aber auch klar die Bereiche, in Amtierender Präsident Prof. Dr. Wolfgang denen noch Defizite bestehen: Im Falle Rumäniens Reinhart: Vielen Dank, Herr Minister Breuer! betrifft dies Einzelbereiche der Landwirtschaft und Herr Staatsminister Gloser (Auswärtiges Amt), die Umsetzung des EU-Mehrwertsteuersystems, im bitte. Falle Bulgariens die Landwirtschaft, aber auch die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kri- minalität. Günter Gloser, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Im Lichte der Analyse spricht sich die Kommission Damen und Herren! Die Bundesregierung hat am für den Beitritt zum 1. Januar 2007 aus, allerdings 5. April 2006 die Einleitung des Ratifikationsverfah- nur, wenn beide Länder konkrete Fortschritte in den rens für den Beitritt von Bulgarien und Rumänien zur Defizitbereichen erzielen. Hierzu wird die Kommis- Europäischen Union beschlossen. Damit haben wir sion im Herbst einen weiteren Bericht vorlegen. Bul- uns auch innerstaatlich darangemacht, eines der gro- garien und Rumänien haben es nun selbst in der ßen europapolitischen Projekte der vergangenen Hand, pünktlich beizutreten, d. h. zum 1. Januar 2007, Jahre zu vollenden: die fünfte Erweiterungsrunde der nicht erst 2008. Beide haben aber auch verstanden Europäischen Union. – das zeigen die Gespräche gerade in den letzten Ta- gen –, dass sie dafür ihre Reformbemühungen fortset- Es handelt sich dabei um viel mehr als nur ein am- zen und noch verstärken müssen. bitioniertes europapolitisches Projekt. Diese Erweite- rungsrunde nach Süden und Osten ist ein wahrhaft Darüber hinaus wurde eine Lösung gefunden, um historischer Prozess, ein eingelöstes Versprechen, auf mögliche Ungleichgewichte auch nach dem Bei- (B) eine aktive Politik für Frieden und Stabilität auf un- tritt noch flexibel reagieren zu können. Sollten ver- (D) serem Kontinent. Über Jahrzehnte war Europa ge- bleibende Defizite z. B. negative Auswirkungen auf spalten – eine Teilung in Ost und West, die wir mit den Binnenmarkt haben, kann die Kommission bis der Aufnahme der zehn neuen Mitgliedstaaten vor drei Jahre nach dem Beitrittstermin besondere zwei Jahren überwunden haben. Millionen Men- Schutzmaßnahmen ergreifen. schen, die einst hinter dem Eisernen Vorhang leben Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten mussten, sind nun Teil unserer Union von Wohlstand, Damen und Herren, dies alles ist eine gute Mischung Freiheit und Frieden. Diese historische Dimension aus Anreizen, strikter Konditionalität und Kontrolle sollten wir auch heute im Auge haben, wenn wir und in der jetzigen Situation in jeder Hinsicht ange- über die Ratifizierung des Beitrittsvertrages von Bul- messen. Die Bundesregierung unterstützt deshalb garien und Rumänien sprechen. nicht nur das Vorgehen der Kommission, sie begrüßt auch, dass Bulgarien und Rumänien ehrgeizige Ak- Am 25. April 2005 haben alle Mitgliedstaaten der tionspläne beschlossen haben, um die von der Kom- Europäischen Union den Beitrittsvertrag unterzeich- mission angeführten Defizite zu beseitigen. net und sich verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2006 die Ratifikationsurkunden zu hinterlegen. Sollten die 17 unserer Partner in der Europäischen Union ha- Kandidaten dann alle Auflagen erfüllen, wäre der ben den Beitrittsvertrag bereits ratifiziert, in vier Weg für den vertraglich vorgesehenen Beitritt am weiteren Ländern hat das Parlament positiv entschie- 1. Januar 2007 frei. den. In Frankreich steht nach der Annahme durch die Nationalversammlung nur noch die Zustimmung des Wir alle wissen: Dieser Beitritt ist nicht nur eine Senats aus. In dieser Situation sollten auch wir alles historische Verpflichtung, nicht nur eine große daransetzen, unserer Verpflichtung aus dem Beitritts- Chance für diese beiden Länder, er ist auch eine vertrag nachzukommen, und die Ratifizierung mög- große und nicht leichte Herausforderung für die Eu- lichst zügig abschließen. Für Ihre Kooperationsbe- ropäische Union. reitschaft bedanke ich mich sehr. Die Bundesregierung hat deshalb immer wieder klargestellt: Voraussetzung für den Beitritt ist, dass Amtierender Präsident Prof. Dr. Wolfgang die beiden Kandidaten die 1993 in Kopenhagen auf- Reinhart: Vielen Dank! gestellten politischen, wirtschaftlichen und rechtli- chen Kriterien erfüllen. In beiden Ländern sehen wir Frau Staatsministerin Dr. Merk (Bayern) für Frau immer noch erheblichen Reformbedarf – das ist so- Staatsministerin Müller und Herr Staatsminister Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 239 Amtierender Präsident Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (A) (C) Winkler (Sachsen) haben je eine Erklärung zu Proto- Ziffer 9! – Mehrheit. koll*) gegeben. Ziffer 10! – Mehrheit. Zur Abstimmung liegt Ihnen die Ausschussempfeh- Nun bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erle- lung in Drucksache 360/1/06 vor. Ich rufe auf: digten Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehr- Ziffern 1 bis 9 gemeinsam! – Das ist die Mehrheit. heit. Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung genommen. genommen. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 28 b): Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 32: Stellungnahme der Bundesregierung zum Tä- Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des tigkeitsbericht 2004/2005 der Bundesnetzagen- Rates zur Änderung der Verordnung (EG, tur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Euratom) Nr. 1605/2002 über die Haushaltsord- Post und Eisenbahnen nung für den Gesamthaushaltsplan der Euro- und zu den päischen Gemeinschaften (Drucksache 390/06) Sondergutachten der Monopolkommission Keine Wortmeldungen. „Wettbewerbsentwicklung bei der Telekommu- nikation 2005: Dynamik unter neuen Rahmen- Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungen bedingungen“ sowie „Wettbewerbsentwick- der Ausschüsse in Drucksache 390/1/06 vor. Zur Ein- lung bei der Post 2005: Beharren auf alten zelabstimmung rufe ich auf: Privilegien“ (Drucksache 331/06) Ziffer 6! – Mehrheit. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ziffer 7! – Mehrheit. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu liegen Ihnen die Ausschussempfehlungen vor. Nun bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erle- digten Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehr- Zur Einzelabstimmung rufe ich aus der Ziffer 1 den heit. Abschnitt „Zu B – Stellungnahme zum Kapitel Tele- kommunikation“ auf. Ihr Handzeichen bitte! – Das ist Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung die Mehrheit. genommen. Aus dem Abschnitt „Zu C – Stellungnahme zum Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 36: Kapitel Post“ rufe ich zunächst die Buchstaben b und f Mitteilung der Kommission der Europäischen (B) gemeinsam auf. Ihr Handzeichen bitte! – Das ist die Gemeinschaften an den Europäischen Rat – (D) Mehrheit. Eine bürgernahe Agenda: Konkrete Ergeb- Nun bitte Ihr Handzeichen für den Buchstaben h! – nisse für Europa (Drucksache 394/06) Mehrheit. Es liegt eine Wortmeldung von Staatsminister Hoff Ihr Handzeichen für alle noch nicht erledigten (Hessen) vor. Teile der Ziffer 1! – Mehrheit. Damit hat der Bundesrat zu der Vorlage, wie Volker Hoff (Hessen): Herr Präsident! Meine sehr soeben beschlossen, Stellung genommen. verehrten Damen und Herren! Die Europäische Kom- mission hat zum europäischen Gipfel vor drei Wo- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 31: chen mit der Mitteilung „Eine bürgernahe Agenda: Konkrete Ergebnisse für Europa“ einen Beitrag zur Grünbuch der Kommission der Europäischen Debatte über die Zukunft des Verfassungsvertrages Gemeinschaften: Europäische Transparenzini- und der Europäischen Union vorgelegt. Sie regt da- tiative (Drucksache 349/06) rin an, den Schwerpunkt des europapolitischen Han- Wortmeldungen liegen nicht vor. delns auf ein Europa der Resultate, weniger auf die institutionelle Reform zu richten. Dazu wird eine Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungen ganze Reihe von Initiativen vorgeschlagen. Ihr Ziel der Ausschüsse in Drucksache 349/1/06 vor. Zur Ein- soll sein, mehr Vertrauen der Bürgerinnen und Bür- zelabstimmung rufe ich auf: ger in die Europäische Union zu schaffen und sie von Ziffern 1 und 7 gemeinsam! – Mehrheit. deren Notwendigkeit zu überzeugen. Die Mitteilung steht heute auf unserer Tagesordnung. Damit ist Ziffer 11 erledigt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Ziffern 5 und 6 gemeinsam! – Minderheit. Kolleginnen und Kollegen, grundsätzlich ist der An- Ziffer 8, zunächst ohne Absatz 4! – Mehrheit. satz, zu konkreten, für die Bürgerinnen und Bürger sichtbaren Ergebnissen zu kommen, richtig und be- Bitte das Handzeichen für Absatz 4 der Ziffer 8! – grüßenswert. Auch die in der Kommissionsmitteilung Minderheit. enthaltenen Vorschläge zur Wahrung des Subsidiari- tätsprinzips und für eine fundierte Debatte über die künftige Erweiterungspolitik – wir haben bereits da- *) Anlagen 17 und 18 von gehört – sind sehr zu befürworten. 240 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Volker Hoff (Hessen) (A) (C) Etliche Vorschläge aber sind unter Subsidiaritäts- Meine Damen und Herren, dies ist genau der fal- gesichtspunkten, aus Gründen der Kompetenzord- sche Weg. Wir lehnen ihn ab. Ich darf Sie sehr herz- nung oder schlicht wegen Unnötigkeit grundsätzlich lich bitten, dem Antrag, den wir heute vorgelegt ha- abzulehnen. Vornehmlich gilt diese Kritik dem Vor- ben, die Zustimmung zu geben. – Ich danke Ihnen. schlag, auf der Basis des geltenden Vertrages von Nizza Kompetenzen in der Innen- und Justizpolitik und in der Ausländer- und Asylpolitik, darunter er- Amtierender Präsident Prof. Dr. Wolfgang hebliche Teile der polizeilichen und justiziellen Zu- Reinhart: Vielen Dank, Herr Staatsminister Hoff! sammenarbeit in Strafsachen und die legale Migra- Wir kommen zur Abstimmung. Dazu liegen Ihnen tion, zu vergemeinschaften. Dies halten wir vom die Empfehlungen der Ausschüsse in Drucksache Ansatz her für völlig falsch. Ich kann auf die Kritik 394/1/06 vor. Ich rufe auf: Bezug nehmen, die von führenden Europaabgeord- neten gegenüber diesem Kompromiss schon geäußert Ziffern 1 bis 18 gemeinsam! – Mehrheit. worden ist. Durch neue Zentralisierungstendenzen Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung der Kommission wird die Absicht, den Verfassungs- genommen. prozess wieder zu beleben, genau ins Gegenteil ver- kehrt. Gerade in dezentral strukturierten Mitglied- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 38: staaten würden damit Ängste der Bürger vor einem übermächtigen Zentralstaat Europäische Union eher Mitteilung der Kommission der Europäischen gestärkt als abgebaut. Gemeinschaften: Umsetzung des Gemein- schaftsprogramms von Lissabon – Die Sozial- Nun zu den Vorschlägen im Detail! Zwar sind die dienstleistungen von allgemeinem Interesse in genannten Maßnahmen auf der Basis der geltenden der Europäischen Union (Drucksache 324/06) europäischen Verträge möglich. Es sollte jedoch dem Keine Wortmeldungen. Verfassungsvertrag, der gerade für die polizeiliche Zusammenarbeit und hinsichtlich der legalen Migra- Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungen tion ein fein austariertes und abgestimmtes System der Ausschüsse in Drucksache 324/1/06 vor. Ich rufe darstellt, nicht vorgegriffen werden. Wir wollen we- auf: der eine EU-Strafrechtskompetenz noch wollen wir, dass die Europäische Union bestimmt, wie viele Dritt- Ziffern 1, 2, 4, 7 bis 9 gemeinsam! – Mehrheit. staatsangehörige nach Deutschland einreisen dürfen, Ziffern 3, 5 und 6 gemeinsam! – Mehrheit. um hier zu arbeiten. Die Umsetzung dieser Vor- schläge würde zu einer einseitigen und weit reichen- Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung den Kompetenzverschiebung zu Lasten der Mit- genommen. (B) gliedstaaten und damit auch von uns Ländern (D) führen. Das können wir in dieser Form nicht akzep- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 39: tieren. Verordnung zur Änderung von Verordnungen zur Anpassung an das Tierische-Nebenpro- Eines möchte ich betonen: Die Zustimmung des dukte-Beseitigungsrecht (Drucksache 364/06) Bundesrates galt dem Gesamtpaket Verfassungsver- trag. Manches haben wir im letzten Jahr akzeptiert, Keine Wortmeldungen. was wir als herausgelöste Einzelmaßnahme in jedem Fall ablehnen würden. Ich halte es daher für richtig, Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- wenn der Bundesrat der Kommission ein deutliches fehlungen in Drucksache 364/1/06 vor. Zur Einzelab- Zeichen gibt, dass sie hier auf dem Holzweg ist, und stimmung rufe ich auf: dass wir die Bundesregierung bitten, in Brüssel ent- Ziffer 1! – Mehrheit. sprechend aktiv zu werden. Ziffer 5! – Mehrheit. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wol- len zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Kompe- Ziffer 6! – Minderheit. tenzverlagerungen nach Brüssel, sondern erst Klar- Nun bitte das Handzeichen für alle noch nicht erle- heit, wie es mit dem Verfassungsvertrag weitergeht. digten Ausschussempfehlungen! – Mehrheit. Dazu passt, was das Europäische Parlament gestern auf Antrag eines Abgeordneten beschlossen hat. Ich Damit hat der Bundesrat der Verordnung entspre- zitiere wörtlich: chend zugestimmt und eine Entschließung gefasst.

Das Europäische Parlament fordert den Rat Wir kommen zu Punkt 40: nachdrücklich auf, die Brückenklausel von Arti- Verordnung zur Durchführung des Tierische kel 67 Absatz 2 … zu aktivieren, um dem Parla- Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes (Tieri- ment Mitentscheidungsbefugnisse im Bereich sche Nebenprodukte-Beseitigungsverordnung – der Integration und der legalen Einwanderung TierNebV) (Drucksache 365/06) zu übertragen, und im Rat Beschlüsse mit quali- fizierter Mehrheit zu fassen; Keine Wortmeldungen. Dies hat auch die Kommission in der Bürgeragenda Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- vorgeschlagen. fehlungen sowie drei Anträge Bayerns vor. Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 241 Amtierender Präsident Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (A) (C) Aus den Ausschussempfehlungen in Drucksache Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- 365/1/06 rufe ich zur Einzelabstimmung auf: fehlungen in Drucksache 371/1/06 vor. Zur Einzelab- stimmung rufe ich auf: Ziffer 1! – Mehrheit. Ziffer 1! – Mehrheit. Ziffer 2! – Mehrheit. Ziffer 2! – Minderheit. Ziffer 3! – Mehrheit. Wir kommen zur Schlussabstimmung: Wer der Ver- Ziffer 4! – Minderheit. ordnung nach Maßgabe der vorherigen Abstimmung Ziffer 8! – Mehrheit. zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzei- chen. – Das ist die Mehrheit. Nun zum Antrag Bayerns in Drucksache 365/2/ 06! – Minderheit. Dann ist so beschlossen. Zurück zu den Ausschussempfehlungen: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 45: Ziffer 10! – Mehrheit. Verordnung zur Approbation von Tierärztin- nen und Tierärzten (TAppV) (Drucksache 351/ Ziffer 11! – Mehrheit. 06) Wir kommen zu dem Antrag Bayerns in Druck- Wortmeldungen liegen nicht vor. sache 365/3/06. Bitte Ihr Handzeichen! – Mehrheit. Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- Damit entfällt Ziffer 13 der Ausschussempfehlun- fehlungen in Drucksache 351/1/06 vor. Zur Einzelab- gen. stimmung rufe ich auf: Ziffer 14! – Mehrheit. Ziffer 1! – Minderheit. Ziffer 18! – Mehrheit. Ziffer 5! – Mehrheit. Weiter mit dem Antrag Bayerns in Drucksache 365/ Nun bitte das Handzeichen für die übrigen Aus- 4/06! Bitte Ihr Handzeichen! – Minderheit. schussempfehlungen mit Ausnahme der Ziffer 7! – Mehrheit. Zurück zu den Ausschussempfehlungen: Damit hat der Bundesrat der Verordnung, wie so- Ziffer 19! – Minderheit. eben festgelegt, zugestimmt. Ziffer 20! – Minderheit. Wir haben noch über die empfohlene Entschlie- Ziffer 25! – Mehrheit. ßung abzustimmen. (B) (D) Nun bitte das Handzeichen für alle noch nicht erle- Ich bitte um das Handzeichen für Ziffer 7. – Mehr- digten Ausschussempfehlungen! – Mehrheit. heit. Damit hat der Bundesrat der Verordnung entspre- Damit hat der Bundesrat die Entschließung gefasst. chend zugestimmt. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 47: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 42: Verordnung zur Ablösung der Betriebsverord- Erste Verordnung zur Änderung der Geflügel- nung für pharmazeutische Unternehmer Aufstallungsverordnung (Drucksache 370/06) (Drucksache 398/06) Wortmeldungen liegen nicht vor. – Minister Profes- Keine Wortmeldungen. sor Dr. Reinhart (Baden-Württemberg) für Minister Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- Hauk und Staatsminister Professor Dr. Deubel fehlungen in Drucksache 398/1/06 und vier Landes- (Rheinland-Pfalz) haben je eine Erklärung zu Proto- anträge vor. koll*) gegeben. Wir beginnen mit den Ausschussempfehlungen: Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- fehlungen in Drucksache 370/1/06 vor. Ich rufe auf: Ziffer 2! – Minderheit. Ziffern 1 bis 4 gemeinsam! – Mehrheit. Bitte das Handzeichen für Ziffer 3! – Mehrheit. Damit hat der Bundesrat der Verordnung entspre- Ziffer 5! – Mehrheit. chend zugestimmt und eine Entschließung gefasst. Ziffer 6! – Minderheit. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 43: Der Antrag Hamburgs in Drucksache 398/5/06! – Verordnung zur Änderung von Verordnungen Mehrheit. zum Schutz vor Geflügelpest (Drucksache 371/ Zurück zu den Ausschussempfehlungen: 06) Ziffer 13! – Mehrheit. Keine Wortmeldungen. Ziffer 17! – Minderheit. Bitte das Handzeichen für den Antrag Schleswig- *) Anlagen 19 und 20 Holsteins in Drucksache 398/3/06! – Mehrheit. 242 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 Amtierender Präsident Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (A) (C) Damit entfällt die Abstimmung über Ziffer 23 der Bei der Verordnung zur Umsetzung der Ratsent- Ausschussempfehlungen. scheidung vom 19. Dezember 2002 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren für die Annahme von Bitte das Handzeichen für den Antrag Sachsens in Drucksache 398/2/06 (neu)! – Mehrheit. Abfällen auf Abfalldeponien hat sich Baden- Württemberg zwei Ziele vorgenommen: erstens voll- Damit entfällt die Abstimmung über Ziffer 24 der zugstaugliche Rechtsvorschriften mit klaren Vorga- Ausschussempfehlungen. ben einzuführen, die flexibel genug sind, damit auch Weiter mit den Ausschussempfehlungen: die örtlichen und regionalen Belange berücksichtigt werden können; zweitens bestehende nationale Ziffer 26! – Mehrheit. Standards zu wahren. Das heißt: Nur noch behan- Ziffer 29! – Mehrheit. delte Siedlungsabfälle werden abgelagert. Bitte das Handzeichen für den Antrag Bayerns in Der hohe Ausbaustandard unserer Deponien lässt Drucksache 398/4/06! – Mehrheit. es zu, einzelne Zuordnungswerte an den europäi- schen Standard anzugleichen. Damit kann auch im Wer stimmt den noch nicht erledigten Ziffern der Deponiebereich eine Harmonisierung der Vorschrif- Ausschussempfehlungen zu? – Mehrheit. ten durchgeführt werden. Wir geben unsere ökologi- Damit hat der Bundesrat der Verordnung, wie so- schen Grundsätze nicht auf. eben festgelegt, zugestimmt und eine Entschließung gefasst. Insgesamt verfolgen wir das Ziel, schon bei der Umsetzung der Ratsvorgaben eine Linie in das un- Wir kommen zu Punkt 49: durchsichtige Regelwerk hineinzubekommen. Der Verordnung zur Vereinfachung der abfallrecht- Vorschriftendschungel aus drei Verordnungen und lichen Überwachung (Drucksache 336/05, zu zwei Verwaltungsvorschriften muss gelichtet werden. Drucksache 336/05) Allerdings bitte ich Sie, bei den Ziffern 30 und 35 Wortmeldungen liegen nicht vor. entgegen den Ausschussempfehlungen mit Nein zu stimmen. Hier geht es darum, einmal festgelegte Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- Grenzwerte, von denen wir auf Grund wissenschaftli- fehlungen vor. Zur Einzelabstimmung rufe ich aus cher Begleitung wussten, dass sie technisch machbar Drucksache 439/06 auf: sind, wieder zu lockern, weil bestimmte Anlagenbe- Ziffer 10! – Mehrheit. treiber nicht in der Lage sind, sie, obwohl technisch nachgewiesen, zu erreichen. Ich halte es für ein fal- Ziffer 11! – Mehrheit. sches Signal, wenn wir diese Werte verringern. (B) Ich ziehe Ziffer 20 vor. Bitte Ihr Handzeichen! – (D) Mehrheit. Ich bitte Sie, die beiden Ziffern der Ausschussemp- fehlungen abzulehnen. – Herzlichen Dank. Ziffer 16! – Mehrheit.

Damit entfällt Ziffer 17. Amtierender Präsident Prof. Dr. Wolfgang Ziffer 26! – Mehrheit. Reinhart: Vielen Dank! Ziffer 51! – Mehrheit. Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- fehlungen vor. Zur Einzelabstimmung rufe ich aus Nun bitte das Handzeichen für alle noch nicht erle- Drucksache 245/1/06 auf: digten Ausschussempfehlungen! – Mehrheit. Ziffer 12! – Mehrheit. Damit hat der Bundesrat der Verordnung entspre- chend zugestimmt und eine Entschließung gefasst. Ziffer 16! – Mehrheit. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 50: Ziffer 18! – Mehrheit. Verordnung zur Umsetzung der Ratsentschei- Ziffer 20! – Mehrheit. dung vom 19. Dezember 2002 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren für die Annahme Ziffer 21! – Mehrheit. von Abfällen auf Abfalldeponien (Drucksache Ziffer 22! – Mehrheit. 245/06) Es liegt eine Wortmeldung von Frau Ministerin Damit entfällt Ziffer 60. Gönner (Baden-Württemberg) vor. Ziffer 23! – Mehrheit. Ziffer 24! – Mehrheit. Tanja Gönner (Baden-Württemberg): Herr Präsi- dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Ziffer 25! – Mehrheit. Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit mache ich we- Ziffer 26! – Mehrheit. nige Bemerkungen, den Rest der Rede gebe ich zu Protokoll*). Ziffer 30! – Mehrheit. Ziffer 35! – Mehrheit. *) Anlage 21 Ziffer 42! – Mehrheit. Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 243 Amtierender Präsident Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (A) (C) Ziffer 45! – Mehrheit. Wer für sofortige Sachentscheidung ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Mehrheit. Ziffer 46! – Mehrheit. Zur Abstimmung liegt Ihnen die Ausschussempfeh- Ziffer 47! – Mehrheit. lung in Drucksache 422/1/06 vor. Wer dafür ist, der Ziffer 48! – Mehrheit. Empfehlung des Gesundheitsausschusses zu folgen, den bitte ich um das Handzeichen. – Mehrheit. Ziffer 49! – Mehrheit. Ziffer 50! – Mehrheit. Damit hat der Bundesrat entsprechend beschlos- sen. Ziffer 51! – Mehrheit. Ich rufe Punkt 67 auf: Ziffer 52! – Mehrheit. Benennung eines Mitglieds und eines stellver- Ziffer 54! – Mehrheit. tretenden Mitglieds für den Beirat der Bundes- Ziffer 55! – Mehrheit. netzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommu- nikation, Post und Eisenbahnen – Antrag des Ziffer 61! – Minderheit. Landes Baden-Württemberg gemäß § 36 Abs. 2 Ziffer 62! – Minderheit. GO BR – (Drucksache 478/06) Ziffer 64! – Mehrheit. Keine Wortmeldungen. Ziffer 65! – Mehrheit. Damit kommen wir zur Abstimmung. Ausschussbe- ratungen haben noch nicht stattgefunden. Baden- Ziffer 66! – Mehrheit. Württemberg hat jedoch beantragt, bereits heute in Ziffer 67! – Minderheit. der Sache zu entscheiden. Ziffer 70! – Mehrheit. Ich frage zunächst, wer der beantragten sofortigen Sachentscheidung zustimmt. – Mehrheit. Nun bitte das Handzeichen für alle noch nicht erle- digten Ausschussempfehlungen! – Mehrheit. Wer stimmt den Benennungsvorschlägen zu? – Mehrheit. Damit hat der Bundesrat der Verordnung entspre- chend zugestimmt. Dann ist so beschlossen. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 66: Damit haben wir die Tagesordnung der heutigen Benennung von Vertretern in Beratungsgre- Sitzung abgewickelt. mien der Europäischen Union (Bereich Ge- (B) Die nächste Sitzung des Bundesrates berufe ich ein (D) sundheit) – Geschäftsordnungsantrag des Lan- auf Freitag, den 22. September 2006, 9.30 Uhr. des Nordrhein-Westfalen – (Drucksache 422/06 [neu]) Bevor ich die Sitzung schließe, wünsche ich Ihnen ein – letztmalig – spannendes Fußballwochenende Wortmeldungen liegen nicht vor. und erholsame Sommerferien. Die Ausschussberatungen sind noch nicht abge- Die Sitzung ist geschlossen. schlossen. Das Land Nordrhein-Westfalen beantragt, bereits heute in der Sache zu entscheiden. (Schluss: 13.43 Uhr) 244 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A) (C) Beschlüsse im vereinfachten Verfahren (§ 35 GO BR)

Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und den Europäischen Rat: Die Zeit der Reflexion und Plan D des Rates zur Einführung eines Aktionsprogramms für das Zollwesen in der Gemeinschaft (Zoll 2013) (Drucksache 395/06) (Drucksache 392/06) Ausschusszuweisung: EU Ausschusszuweisung: EU – Fz – In – Wi Beschluss: Kenntnisnahme Beschluss: Kenntnisnahme Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Gemeinschaftsprogramms zur Ver- besserung der Funktionsweise der Steuersysteme im Binnenmarkt Fünfundsiebzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschafts- (Fiscalis 2013) verordnung (Drucksache 393/06) (Drucksache 418/06) Ausschusszuweisung: EU – Fz Ausschusszuweisung: Wi Beschluss: Kenntnisnahme Beschluss: Absehen von Stellungnahme

Feststellung gemäß § 34 GO BR Einspruch gegen den Bericht über die 823. Sitzung ist nicht eingelegt worden. Damit gilt der Bericht ge- mäß § 34 GO BR als genehmigt.

(B) (D) Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 245*

(A) (C) Anlage 1 II. Umsetzung der Föderalismusreform in Bund und Ländern Erklärung Es hat jetzt keinen Sinn, lang darüber zu diskutie- ren, was gut und schlecht ist und was vielleicht bes- von Minister Prof. Dr. Wolfgang Reinhart ser oder noch schlechter gewesen wäre. Wir müssen (Baden-Württemberg) den Blick vielmehr nach vorn richten. Denn die Föde- zu Punkt 59 a) und b) der Tagesordnung ralismusreform ist mit der Beschlussfassung in Bun- destag und Bundesrat nicht abgeschlossen; sie fängt I. Grundsätzliche Bewertung im Grunde genommen erst an. Jetzt muss mit Leben erfüllt werden, was bisher nur auf dem Papier steht. Die Föderalismusreform ist endlich am Ziel, und Einige Ansätze hierzu: das ist gut so. Die Geburt war nicht leicht und gelang nur unter heftigsten Wehen. In der Not mussten er- Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens gibt neut Sachverständige konsultiert und die Einleitung den Startschuss für die Umsetzung in den Ländern. noch einmal verzögert werden. Am Ende drückten Unser Credo lautet: Das Eintreten für mehr Subsidia- und zogen auch die Hebammen nicht immer in die rität, mehr Wettbewerb und mehr Gestaltungsfreiheit gleiche Richtung. Kein Wunder also, dass das Kind dürfen kein Lippenbekenntnis bleiben, es muss rasch gerade in der Schlussphase der Geburt noch einige in praktische Politik umgesetzt werden. Die Men- Blessuren davongetragen hat. schen müssen spüren, dass durch die Zuständigkeit der Länder etwas besser wird – weniger Bürokratie, Aber wir wollen nicht mäkeln. Als Väter und Müt- mehr Freiheit, mehr Passgenauigkeit und mehr Ent- ter lassen wir das hinter uns. Wir freuen uns und dür- scheidungsrechte des Landtags. fen alle gemeinsam stolz sein. Die Reform ist ein Erfolg für die große Koalition, Die Umsetzung der Reform in den Ländern ist ein Signal für ihre politische Handlungsfähigkeit, ein nicht allein eine Aufgabe der Regierungen. Es ist Beweis für die Durchsetzungskraft der Kanzlerin und wichtig, dass sich die Landtage jetzt aktiv in die Um- Ausweis für die Reformfähigkeit des Föderalismus. setzung einbringen und damit deutlich machen, dass sie ihre neuen Zuständigkeiten auch verantwortlich Die Reform kann allerdings auch ihren Kompro- wahrnehmen. Um ihretwillen wurde die Reform in misscharakter nicht verleugnen. So ist es nicht nur erster Linie gemacht. ein Schönheitsfehler, dass in letzter Sekunde die neue Gemeinschaftsaufgabe „Förderung von Vorha- Die Länder sind künftig zwar für die Besoldung ben der Wissenschaft an Hochschulen“ eingeführt und Versorgung ihrer Beamten zuständig; dem Bund wurde. Zur Entflechtung von Zuständigkeiten und verbleibt aber die Zuständigkeit für die Statusrechte. zur Klarstellung politischer Verantwortlichkeiten Die Gefahr ist real, dass er diese Zuständigkeit weit (B) (D) trägt dies sicherlich nicht bei. Die Änderung ist auch auslegt und dadurch den Regelungsspielraum der nicht notwendig, um einen Hochschulpakt von Bund Länder über Gebühr einschränkt. Die Länder müssen und Ländern zur Bewältigung des anstehenden „Stu- hier aufpassen und wenn nötig den Bund in die dentenbergs“ abzuschließen. Schranken weisen. Ob die Beamten in Baden- Württemberg mit 65 oder mit 67 in Pension gehen, Andererseits bleiben die Länder künftig von Ein- lassen wir uns nicht vom Bund vorschreiben. flussnahmen des Bundes im Schulbereich verschont. Ein Ganztagsschulprogramm wird es künftig nicht Im Umweltrecht wird – anders als von Umweltver- mehr geben. Manche sprechen insoweit etwas ten- bänden behauptet – die Zuständigkeit des Bundes denziös von einem Kooperationsverbot; der Begriff ausgeweitet. Dass ein Bundesumweltgesetzbuch Korruptionsverbot trifft die Sache wahrscheinlich möglich wird, war unser gemeinsames Anliegen. Die besser. Es hat heute freilich keinen Sinn, sich mit Länder werden sich in diese Gesetzgebung mit Schönheitsfehlern aufzuhalten. Nachdruck einbringen. Ich biete konstruktive Mit- arbeit an und verweise ergänzend darauf, dass es Wichtig bleibt: Die Länder sind dem Bund bis zur ohne Zustimmung des Bundesrates auch künftig kein Schmerzgrenze entgegengekommen; es gab also auf UGB geben wird. Bundesseite keine Ausreden mehr. Und: Baden- Württemberg wird der Reform aus Überzeugung zu- Für die Gemeinschaftsaufgaben im Hochschul- stimmen, weil sie per saldo einen großen Fortschritt bereich müssen wir nach dem Wegfall der Ge- markiert. meinschaftsaufgaben „Hochschulbau“ und „Bil- dungsplanung“ und im Hinblick auf die neue Zum ersten Mal werden die Verflechtungen zwi- Gemeinschaftsaufgabe „Wissenschaftsförderung“ die schen Bund und Ländern aufgebrochen – beim Zu- Strukturen überdenken. Klar ist: Wir brauchen auch stimmungsrecht des Bundesrates oder bei den Misch- künftig den Wissenschaftsrat und seine Expertise. Bei finanzierungen. BLK und KMK könnte eine Neuordnung dagegen Zum ersten Mal werden die Landtage in ihren Ge- Möglichkeiten der Synergie eröffnen. setzgebungsrechten deutlich gestärkt – im Hoch- schulrecht oder im Recht des öffentlichen Dienstes. III. Neuordnung Finanzverfassung – Föderalismusreform II Zum ersten Mal wird der unterschiedlichen Ge- staltungskraft und dem unterschiedlichen Gestal- Finanzverfassungsrechtliche Fragen waren bisher tungswillen in den Ländern Rechnung getragen – weitgehend ausgeklammert. Das war nicht zu än- durch das Abweichungsrecht. dern; sonst hätte es schon die Föderalismusreform I 246* Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A) (C) nicht gegeben. Umso dringlicher ist es jetzt, sich der durch eine deutliche Reduzierung der Zahl zustim- Föderalismusreform II anzunehmen. mungspflichtiger Gesetze. Baden-Württemberg hat im Jahr 2005 rund Was wir heute verabschieden wollen, ist das Re- 2,2 Milliarden Euro in den Länderfinanzausgleich sultat jahrelanger intensiver Beratungen, in die auch eingezahlt; zusätzlich fast 1,5 Milliarden Euro gingen die Ergebnisse mehrerer Anhörungen eingeflossen uns durch den Umsatzsteuerausgleich verloren. sind. Insgesamt sieben Mal sind der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages und der Ausschuss für Deutschland reißt 2006 zum fünften Mal in Folge Innere Angelegenheiten des Bundesrates zu gemein- die Maastricht-Kriterien. samen Sitzungen zusammengekommen, um die Stellungnahmen der mehr als hundert Experten ent- Viele Länder können 2006 keinen verfassungsge- gegenzunehmen. mäßen Haushalt aufstellen. Die Sachverständigen haben die geplante Reform Offensichtlich läuft da etwas aus dem Ruder, und überwiegend als Schritt in die richtige Richtung be- offensichtlich reichen die bisherigen verfassungs- grüßt. Gleichwohl gab es – was nicht überraschend rechtlichen Vorgaben nicht aus, um Fehlentwicklun- war – im Detail zahlreiche Änderungswünsche. gen zu verhindern. Ich bin deshalb froh, dass die MPK mit der Kanzlerin ein klares Bekenntnis zur Der Freistaat Thüringen hat seine abweichenden Föderalismusreform II abgelegt hat. Nach der Som- Positionen z. B. zum Beamtenrecht oder zur Hoch- merpause sollen die Gespräche beginnen. schulbauförderung wiederholt zum Ausdruck ge- bracht. Auch beim Strafvollzug wäre uns eine andere Das alles wird nicht einfach: Bremen, Berlin oder Lösung lieber gewesen. das Saarland haben andere Vorstellungen als Baden- Württemberg, Hessen oder Bayern. Niemand kann Das ändert jedoch nichts an der Richtigkeit und deshalb mit dem Kopf durch die Wand gehen. Wenn Notwendigkeit des Gesamtpakets, das die Minister- wir Verbesserungen erreichen wollen, sind wir auf- präsidenten in ihrer Konferenz am 22. Juni 2006 einander angewiesen. – nach einer Reihe von Detailänderungen und Präzi- sierungen – gebilligt haben. Einige Aspekte möchte Außerdem stehen wir unter Zeitdruck: Spätestens ich hervorheben: Ende 2008 schließt sich das Zeitfenster, innerhalb dessen eine Reform gestemmt werden kann. Wir haben die Chance, dass sich die beste Politik im Bereich der Bildung durchsetzt. Die Thüringer Deshalb wird, wie Max Weber es sagte, ein „be- Landesregierung ist überzeugt, dass Wettbewerb zu harrliches Bohren dicker Bretter mit Augenmaß und fairen Bedingungen nicht zu weniger, sondern zu Leidenschaft zugleich“ nötig sein. Ich füge hinzu: in mehr Qualität, mehr Leistung im bundesweiten und gegenseitigem Vertrauen, dass niemand den anderen internationalen Vergleich führt. (B) (D) über den Tisch ziehen will. Das so genannte Kooperationsverbot im Bereich der Hochschulfinanzierung, das schon nach dem ur- sprünglichen Entwurf keine generelle Anwendung gefunden hätte, ist weiter gelockert worden. Bund und Länder können auch künftig gemeinsam Wissen- Anlage 2 schaft und Forschung fördern – sofern alle Länder zu- stimmen. Erklärung Die Aufnahme der Begriffs „Wissenschaft“ – Arti- kel 91b neu GG – ermöglicht es dem Bund, direkt von Ministerpräsident Dieter Althaus Lehre und Dozentenstellen an Hochschulen zu finan- (Thüringen) zieren. Bei den Finanzhilfen – Artikel 104b neu GG – zu Punkt 59 a) und b) der Tagesordnung ist jetzt klargestellt, dass auch künftig Bund-Länder- Der Deutsche Bundestag hat am vergangenen Programme im Bereich der Hochschullehre möglich Freitag mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit sind. die Föderalismusreform verabschiedet. Ein umfang- Die Mehrzahl der Länder hat sich dafür ausge- reiches Reformprojekt steht nach jahrelanger Bera- sprochen, die Zuständigkeit für den Strafvollzug auf tung vor seiner letzten Hürde im Bundesrat. Heute die Länder zu verlagern. Selbstverständlich sind die haben wir die Chance, den parlamentarischen Weg, Länder an die Vorgaben des Grundgesetzes und der der auch durch den mehrheitlichen Beschluss der Mi- Rechtsprechung genauso gebunden wie der Bund – nisterpräsidenten geebnet worden ist, erfolgreich ab- eine „Zersplitterung des Strafvollzugsrechts“ ist des- zuschließen. halb nicht zu befürchten. Ich bin überzeugt: Auch die Vertretung der Länder Thüringen wird diese neue Regelungskompetenz wird ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung gerecht verantwortlich wahrnehmen und die Qualität des werden. deutschen Strafvollzugs erhalten. Dazu gehört auch ein bestimmtes Maß an Einheitlichkeit, das durch die Die Föderalismusreform ist der Schlüssel, um die Koordinierung zwischen den Ländern sichergestellt politischen Entscheidungsprozesse in Deutschland zu wird. beschleunigen und Blockademöglichkeiten abzu- bauen. Dieses Ziel erreichen wir durch eine Entflech- Der internationale Terror nimmt keine Rücksicht tung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern und auf bundesstaatliche Strukturen und Ländergrenzen. Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 247*

(A) (C) Deshalb ist es wichtig und richtig, dass der Bund die Aus diesen Gründen wird der Freistaat Thüringen ausschließliche Gesetzgebungskompetenz erhält, dem vorliegenden Gesetz zur Änderung des Grund- wenn es um die Abwehr von Gefahren des interna- gesetzes und dem Föderalismusreform-Begleitgesetz tionalen Terrorismus geht. Eine Beeinträchtigung der zustimmen. originären Landespolizeiarbeit ist durch diese Rege- lung nicht zu befürchten.

Beim Umweltschutz haben die Länder erst dann Anlage 3 ein Abweichungsrecht, wenn ein noch zu erlassendes Umweltgesetzbuch des Bundes in Kraft tritt. Für die Erklärung Felder, auf denen die Länder vom Bundesrecht ab- weichen dürfen, ist vereinbart worden, dass Bundes- von Minister Michael Breuer gesetze frühestens sechs Monate nach ihrer Verkün- (Nordrhein-Westfalen) dung in Kraft treten – in Eilfällen auch schon früher, zu Punkt 1 der Tagesordnung wenn der Bundesrat mit einfacher Mehrheit zu- stimmt. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen tritt dem Gesetz über die Feststellung des Bundeshaus- Die Länder werden sich – wenn es so weit ist – vor haltsplans für das Haushaltsjahr 2006 nicht ent- allem auf die Umsetzung landesspezifischer Beson- gegen. Sie weist allerdings auf die Einlassungen derheiten konzentrieren. Im Übrigen ist das Umwelt- Nordrhein-Westfalens in der Plenardebatte zum recht in weiten Teilen an Vorgaben aus Brüssel und Haushaltsbegleitgesetz 2006 in der Sitzung des Bun- damit an gewisse Standards gebunden. desrates am 16. Juni 2006 hin.

Diese wenigen Beispiele zeigen: Von einer gele- gentlich behaupteten Kleinstaaterei kann nicht die Rede sein. Es geht vielmehr darum, die bundesstaat- Anlage 4 liche Ordnung zu modernisieren und in einer zweiten Stufe die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Erklärung Ländern weiterzuentwickeln. von Staatsminister Geert Mackenroth Die Ministerpräsidenten der Länder haben am (Sachsen) 22. Juni 2006 mit der Bundeskanzlerin vereinbart, zu Punkt 2 der Tagesordnung dass Vertreter der Länder, des Deutschen Bundesta- ges und der Bundesregierung zügig Gespräche über Für die Freistaaten Sachsen und Thüringen gebe (B) das weitere Verfahren und die notwendigen Verfas- ich folgende Erklärung zu Protokoll: (D) sungsänderungen aufnehmen. Die Regelung zur dauerhaften finanziellen Entlas- Ohne Zweifel: Das werden nicht minder schwie- tung der Kommunen für die Zeit ab dem 1. Januar rige Verhandlungen sein! Gefordert ist die Bereit- 2007 muss auch die nachhaltige Entlastung der Kom- schaft aller Beteiligten, Strukturen zu entwickeln, die munen in Ostdeutschland umfassen. Dabei ist sicher- die Leistungsfähigkeit des Staates insgesamt erhö- zustellen, dass die Sonderlasten der ostdeutschen hen. Thüringen wird in diesem Sinn den weiteren Kommunen durch die strukturelle Arbeitslosigkeit und die daraus entstehenden überproportionalen Reformprozess aktiv mitgestalten. Lasten durch die Zusammenführung von Arbeitslo- Es ist unser Ziel, dass auch die zweite Stufe der senhilfe und Sozialhilfe ausgeglichen werden. Föderalismusreform zu einem Erfolg wird, der aller- dings die Erfüllung wichtiger Kriterien voraussetzt:

1. Mit dem Zuwachs an Länderkompetenzen muss Anlage 5 auch eine aufgabenadäquate Finanzausstattung verbunden sein. Umdruck Nr. 6/2006

2. Auf die teilungsbedingte Sondersituation Thürin- Zu den folgenden Punkten der Tagesordnung der gens und der übrigen jungen Länder ist Rücksicht 824. Sitzung des Bundesrates empfehlen die Aus- zu nehmen. schüsse bzw. der Ständige Beirat dem Bundesrat:

3. Die bis 2019 geltenden Regelungen zum Solidar- pakt II und zum Bund-Länder-Finanzausgleich I. dürfen deshalb nicht zur Disposition stehen. Zu dem Gesetz einen Antrag auf Anrufung des Zusammenfassend stelle ich fest: Die erste Stufe Vermittlungsausschusses nicht zu stellen: der Föderalismusreform ist ein guter Kompromiss im Interesse Deutschlands und im Interesse Thüringens. Punkt 3 a) Die Vorteile liegen auf der Hand: mehr Bürgernähe Gesetz über die Bereinigung von Bundesrecht im und Transparenz, stärkere Orientierung an regiona- Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums len Besonderheiten, offener Wettbewerb um die für Arbeit und Soziales und des Bundesministe- beste Politik. riums für Gesundheit (Drucksache 405/06) 248* Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A) (C) II. vom 25. Juni 1990 über Sicherheit bei der Ver- wendung chemischer Stoffe bei der Arbeit Den Gesetzen zuzustimmen: (Drucksache 361/06) Punkt 3 b) Punkt 25 Erstes Gesetz über die Bereinigung von Bundes- recht im Zuständigkeitsbereich des Bundesminis- Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom teriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 12. August 2004 zwischen der Bundesrepublik (Drucksache 406/06) Deutschland und der Republik Ghana zur Ver- meidung der Doppelbesteuerung und zur Verhin- Punkt 4 derung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Investitionszulagengesetz 2007 (InvZulG 2007) Steuern vom Einkommen, vom Vermögen und (Drucksache 407/06) vom Veräußerungsgewinn (Drucksache 362/06)

Punkt 5 Punkt 26 Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom für den Digitalfunk der Behörden und Organisa- 26. Oktober 2004 zwischen der Europäischen tionen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS-Gesetz – Union, der Europäischen Gemeinschaft und der BDBOSG) (Drucksache 408/06) Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Punkt 7 Anwendung und Entwicklung des Schengen- Gesetz zur Einführung einer Grundqualifikation Besitzstands (Drucksache 363/06) und Weiterbildung der Fahrer im Güterkraft- oder Personenverkehr (Drucksache 410/06)

Punkt 9 Erstes Gesetz zum Abbau bürokratischer Hemm- IV. nisse insbesondere in der mittelständischen Wirt- schaft (Drucksache 436/06) Zu den Gesetzentwürfen die in den zitierten Emp- fehlungsdrucksachen wiedergegebenen Stellung- Punkt 10 nahmen abzugeben: Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 6. November 2003 über den Schutz von Tie- Punkt 18 (B) ren beim internationalen Transport (revidiert) (D) (Drucksache 403/06) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Über- stellungsausführungsgesetzes und des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Drucksache 356/06, Drucksache 356/1/06)

III. Punkt 21 Gegen die Gesetzentwürfe keine Einwendungen Entwurf eines Gesetzes über die Weiterverwen- zu erheben: dung von Informationen öffentlicher Stellen (Informationsweiterverwendungsgesetz – IWG) Punkt 16 (Drucksache 358/06, Drucksache 358/1/06) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bun- desdisziplinargesetzes, des Bundesbeamtenge- setzes und weiterer Gesetze (Drucksache 354/06)

Punkt 17 V. Entwurf eines Gesetzes zur Auflösung der Unab- Von der Vorlage Kenntnis zu nehmen: hängigen Kommission zur Ermittlung des Ver- mögens der Parteien und Massenorganisationen der Deutschen Demokratischen Republik (Druck- Punkt 28 a) sache 355/06) Tätigkeitsbericht 2004/2005 der Bundesnetz- agentur für Elektrizität, Gas, Telekommunika- Punkt 20 tion, Post und Eisenbahnen – Bericht nach § 121 Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Abs. 1 Telekommunikationsgesetz und § 47 Abs. 1 Allgemeinen Eisenbahngesetzes (Drucksache Postgesetz 357/06) und Sondergutachten der Monopolkommission ge- Punkt 23 mäß § 121 Abs. 2 Telekommunikationsgesetz und Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen gemäß § 44 Postgesetz i.V.m. § 81 Abs. 3 Telekom- Nr. 170 der Internationalen Arbeitsorganisation munikationsgesetz (a.F.) (Drucksache 863/05) Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 249*

(A) (C) VI. VIII.

Zu den Vorlagen die Stellungnahme abzugeben Den Vorlagen ohne Änderung zuzustimmen: oder ihnen nach Maßgabe der Empfehlungen zuzu- stimmen, die in der jeweils zitierten Empfehlungs- Punkt 41 drucksache wiedergegeben sind: Verordnung zur Änderung marktordnungsrecht- licher Verordnungen (Drucksache 369/06) Punkt 29 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Punkt 44 Parlaments und des Rates über die Haftung von Elfte Verordnung zur Neufestsetzung der Beträge Beförderern von Reisenden auf See und im Bin- nach § 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Hilfe für Frauen nenschiffsverkehr bei Unfällen (Drucksache 174/ bei Schwangerschaftsabbrüchen in besonderen 06, Drucksache 174/1/06) Fällen (Drucksache 368/06)

Punkt 30 Punkt 46 Grünbuch der Kommission der Europäischen Ge- Verordnung über die Kennzeichnung von Arznei- meinschaften über die Kompetenzkonflikte und mitteln in Blindenschrift bei Kleinstmengen (Blin- den Grundsatz ne bis in idem in Strafverfahren denschrift-Kennzeichnungs-Verordnung) (Druck- (Drucksache 53/06, Drucksache 53/1/06) sache 352/06)

Punkt 33 Punkt 48 Verordnung zur Änderung der Eurojust-Anlauf- Grünbuch der Kommission der Europäischen Ge- stellen-Verordnung (Drucksache 429/06) meinschaften über die Unschuldsvermutung (Drucksache 348/06, Drucksache 348/1/06)

Punkt 35 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen IX. Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG des Ra- Entsprechend den Anregungen und Vorschlägen tes zwecks Verbesserung der Wirksamkeit der zu beschließen: Nachprüfungsverfahren im Bereich des öffent- lichen Auftragswesens (Drucksache 327/06, Punkt 52 (B) Drucksache 327/1/06) Vorschlag für die Berufung eines Mitglieds des (D) Verwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit Punkt 37 (Drucksache 419/06, Drucksache 419/1/06) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Punkt 53 Richtlinie 91/477/EWG des Rates über die Kon- Benennung von Vertretern in Beratungsgremien trolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen der Europäischen Union (Umweltschutz auf Kom- (Drucksache 391/06, Drucksache 391/1/06) missions- wie auf Ratsebene – Themenbereich Hochwasserrisikomanagement) (Drucksache 423/ Punkt 51 06, Drucksache 423/1/06) Verordnung über den Erlass und die Änderung verkehrsrechtlicher Vorschriften zur Durchfüh- Punkt 54 rung des Berufskraftfahrer-Qualifikations-Geset- Personelle Veränderung im Beirat für Ausbil- zes (Drucksache 366/06, Drucksache 366/1/06) dungsförderung beim Bundesministerium für Bil- dung und Forschung (Drucksache 309/06, Druck- sache 309/1/06)

Punkt 55 VII. Benennung eines Mitglieds des Kuratoriums der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepu- Das Einvernehmen zu der Zustimmung zu dem blik Deutschland“ (Drucksache 401/06) Vorhaben gemäß § 5 Abs. 3 EUZBLG zu erklären: Punkt 56 Punkt 34 Benennung eines Mitglieds für den Eisenbahnin- Beschluss des Rates zu „Prävention, Abwehr- frastrukturbeirat (Drucksache 400/06) bereitschaft und Folgenbewältigung im Zusam- menhang mit Terrorakten und anderen Sicher- Punkt 57 heitsrisiken für den Zeitraum 2007–2013“ Benennung eines Mitglieds und eines stellvertre- Rahmenprogramm „Sicherheit und Schutz der tenden Mitglieds des Beirates der Bundesnetz- Freiheitsrechte“ (Drucksache 413/06, Drucksache agentur für Elektrizität, Gas, Telekommunika- 413/1/06) tion, Post und Eisenbahnen (Drucksache 431/06) 250* Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A) (C) X. Anlage 7

Zu den Verfahren, die in der zitierten Drucksache Erklärung bezeichnet sind, von einer Äußerung und einem Bei- tritt abzusehen: von Minister Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden-Württemberg) Punkt 58 zu Punkt 9 der Tagesordnung Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht Baden-Württemberg unterstützt das Ziel der Bun- (Drucksache 421/06) desregierung, insbesondere kleine und mittlere Un- ternehmen von Bürokratiekosten zu entlasten. Da- durch kann die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe gestärkt werden.

Anlage 6 Das vorliegende Gesetz geht aber nicht weit ge- nug. Insbesondere ist die von der Bundesregierung Erklärung vorgesehene Anhebung der gesetzlichen Buchfüh- rungspflichtgrenze beim Umsatz von 350 000 Euro auf 500 000 Euro zu gering. Dadurch wird kein deut- von Minister Rainer Wiegard licher Bürokratieabbau bewirkt. Baden-Württem- (Schleswig-Holstein) berg fordert deshalb eine Anhebung auf 1 Million zu Punkt 4 der Tagesordnung Euro. Auch in anderen Industrieländern liegt die Grenze in einer solchen Größenordnung. Schleswig-Holstein stimmt dem Investitionszula- gengesetz 2007 und seinen Zielen zwar zu, weist aber auf Folgendes hin:

1. Staatliche Fördermaßnahmen stellen ein nicht un- wesentliches Kriterium der Unternehmen im Rah- Anlage 8 men von Investitionsentscheidungen dar. Sie be- einflussen diese Entscheidungen nicht immer im Erklärung Sinne des Gesetzgebers, sondern führen auch zu nicht erwünschten Mitnahmeeffekten bzw. zu Er- von Senator Dr. Michael Freytag gebnissen, die mit den Intentionen des Gesetzes (Hamburg) zu Punkt 6 der Tagesordnung (B) nicht übereinstimmen. Das Ziel des Investitions- (D) zulagengesetzes besteht darin, zusätzliche Ar- Mit dem vorliegenden Gesetz zur Änderung per- beitsplätze im Fördergebiet zu schaffen. Die sonenbeförderungsrechtlicher Vorschriften kann Anknüpfung der Tatbestandsmerkmale an Sachin- nun ein auch von Hamburg seit längerem verfolgtes vestitionen spiegelt dies aber nicht ausreichend Ziel realisiert werden: die Erhöhung der Obergrenze wider. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass für Bußgelder, die bei Ordnungswidrigkeiten wegen Firmen unter gleichzeitiger Aufgabe oder Redu- Verstößen gegen das Personenbeförderungsrecht zierung der Funktionen ihrer bisherigen Betriebs- verhängt werden können. Seit Inkrafttreten des Per- stätte die Mittel in Anspruch nehmen, ohne dass sonenbeförderungsgesetzes im Jahre 1961 konnten diese öffentliche Förderung gesamtwirtschaftlich Bußgelder von maximal 10 000 DM bzw. 5 000 Euro einen Vorteil bringt. Die Bundesregierung wird verhängt werden. deshalb aufgefordert, alle notwendigen Maßnah- men zu treffen, die eine Fehlleitung der Investiti- Die Vorschriften des Personenbeförderungsgeset- onszulagenmittel nachhaltig verhindern. zes dienen vorrangig dem Ziel, Leben und Gesund- heit der Fahrgäste zu schützen. Deshalb gibt es im 2. Die Zahl der vom Investitionszulagengesetz be- Personenbeförderungssektor deutlich mehr Regelun- günstigten Wirtschaftszweige wurde in der Ver- gen und Vorschriften als in anderen Gewerbezwei- gangenheit angesichts der fortschreitenden wirt- gen. Dies ist auch erforderlich, wie Busunfälle immer schaftlichen Entwicklung in den neuen Ländern wieder zeigen. Ein Fall erregte kürzlich besonderes permanent reduziert. Demgegenüber erweitert Aufsehen: Ein Busunternehmer wollte für eine Klas- das Investitionszulagengesetz 2007 den Fördertat- senfahrt ein verkehrsunsicheres Fahrzeug einsetzen, bestand. Die nunmehr vorgesehene Investitionszu- was durch die Stilllegung des Fahrzeugs durch die lagenberechtigung des Beherbergungsgewerbes herbeigerufene Polizei verhindert werden konnte. kann nach Auffassung Schleswig-Holsteins zu Es kann und darf nicht sein, dass es sich für ver- Wettbewerbsverzerrungen führen. Die Tourismus- antwortungslose Unternehmer letztlich rentiert, ei- wirtschaft und damit auch das Beherbergungsge- nen nicht verkehrstüchtigen Bus auf die Reise zu werbe haben sich in den neuen Ländern sehr gut schicken, weil die eingesparten Reparaturkosten entwickelt und verfügen zwischenzeitlich über ein deutlich höher sind als das eventuell zu erwartende hohes Qualitätsniveau. Insoweit ist nicht auszu- Bußgeld. Gerade in Fällen, in denen mit ordnungs- schließen, dass die vorgesehene Förderung zu ei- widrigem Verhalten wirtschaftliche Vorteile erzielt ner Fehlleitung staatlicher Mittel führt. werden, muss der Staat die Möglichkeit haben, Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 251*

(A) (C) empfindliche Sanktionen zu verhängen, damit sich Anlage 9 ebendieses Verhalten nicht mehr rentiert. Erklärung Es ist auch Aufgabe des Staates, die ehrlichen Un- ternehmer vor dieser besonders verantwortungslosen von Minister Prof. Dr. Wolfgang Reinhart Art des unlauteren Wettbewerbs zu schützen. Denn (Baden-Württemberg) – das will ich betonen – der größte Teil der Busunter- zu Punkt 8 der Tagesordnung nehmer hält sich an die gesetzlichen Regelungen und muss hierfür nennenswerte Kosten in Kauf nehmen. Der Grund ist: Über das Volumen und die Vertei- Diese Busunternehmer wollen ihren Fahrgästen ne- lung der staatlich verursachten Bürokratiekosten bei ben Qualität bestmögliche Sicherheitsstandards bie- Unternehmen und Bürgern gibt es keine exakten ten. Gerade diese Anstrengungen dürfen nicht durch Zahlen. Niemand weiß, auf Grund welcher Gesetze das Fehlverhalten einiger schwarzer Schafe hinter- und Verordnungen auf welcher staatlichen Ebene trieben werden. Der Konkurrenzkampf in diesem welche Kosten entstanden sind. Solange diese Infor- Gewerbe ist hart; umso mehr kommt es darauf an, mationen fehlen, können wir politisch nicht wirksam Fehlverhalten, das Rechtsverstöße billigend in Kauf steuern. nimmt, angemessen sanktionieren zu können. Wer wissen will, wo Geld für unnötige Bürokratie Die Gesetzesänderung betrifft nicht nur Busbe- verschwendet wird, muss daher messen. In den Nie- triebe, sondern auch das Taxengewerbe. Gerade in derlanden wurde dafür das Standardkostenmodell der harten Wettbewerbssituation im großstädtischen entwickelt; es wird seit mehreren Jahren erfolgreich Bereich ist immer wieder zu beobachten, dass Taxi- praktiziert. Damit kann man die administrativen fahrer ihr Fahrzeug auch außerhalb der gekenn- Belastungen für Unternehmen in Euro und Cent mes- zeichneten Stände bereithalten oder wenig lukrative sen. Es wird nicht mehr auf eine „gefühlte Büro- Fahrten über kurze Distanzen ablehnen. Mit solchem kratie“ abgestellt, sondern Kostentransparenz her- rechtswidrigen Verhalten verschaffen sich einzelne gestellt. Unternehmen gegenüber ihren rechtstreuen Konkur- Gemessen werden die Informations- und Berichts- renten erhebliche wirtschaftliche Vorteile. Die Auf- pflichten, die sich aus einer staatlichen Anforderung sichtsbehörden in Hamburg gehen daher verstärkt ergeben. Dazu zählen Anträge, Formulare, Statisti- gegen derartige Auswüchse vor. ken, Nachweise usw. Diese Pflichten erhalten Preis- Hamburg erprobt in einem Pilotversuch den Ein- schilder. Auf dieser Basis können dann die politischen satz von Fiskaltaxametern, um eine ordnungsgemäße Entscheidungen fallen, bestimmte bürokratische Be- Abrechnung und Versteuerung aller Fahrten sicher- lastungen zurückzuführen oder erst gar nicht entste- hen zu lassen. (B) zustellen. Da hier bereits erste positive Rückmeldun- (D) gen vorliegen, wird erwogen, dieses System verbind- Die niederländische Regierung hat sich das Ziel lich einzuführen. In diesem Zusammenhang wird gesetzt, die Belastungen so bis 2007 um 25 % zu re- eine Hamburger Bundesratsinitiative vorbereitet. duzieren; in den Niederlanden sind das 4,1 Milliar- Wir dürfen es nicht zulassen, dass schwarze Schafe den Euro pro Jahr. Weil mit diesem Modell die Verur- die gesamte Branche in Misskredit bringen. Die vie- sacher genau identifiziert werden können, sind len kundenfreundlichen und korrekt arbeitenden Ta- Zielvorgaben für alle Fachressorts möglich. xifahrer haben ein Recht darauf, vor den Praktiken Außerdem erhalten wir bei neuen Gesetzen end- unredlicher Fahrer geschützt zu werden. Hierzu ge- lich Transparenz. Wir müssen wissen, wie viel Büro- hört die Androhung und gegebenenfalls Verhängung kratieaufwand mit den Entwürfen, über die wir bera- höherer Bußgelder. ten, verbunden ist. Der Hinweis in den Entwürfen Letztendlich ist es auch gezielte Verbraucher- „Kosten: Keine – Bürokratie: Keine“ wird hoffentlich schutzpolitik, in der Personenbeförderung Qualitäts- der Vergangenheit angehören. standards zu halten und auszubauen, die der Sicher- Wir begrüßen deswegen die Initiative, das Stan- heit und dem Komfort der Kunden zugute kommen. dardkostenmodell einzuführen und diesen Prozess durch die Einrichtung eines Nationalen Normen- Ich freue mich deshalb, dass die von Hamburg ver- kontrollrates zu begleiten. folgte Zielsetzung, den Bußgeldrahmen deutlich zu erhöhen, jetzt realisiert werden kann. Mit der vom Die Länder – auch Baden-Württemberg – sind be- Bundestag beschlossenen Differenzierung der einzel- reits in verschiedenen Projekten zur Anwendung des nen Tatbestände nach schweren Verstößen mit einer Standardkostenmodells auf landesrechtlicher Ebene Obergrenze von 20 000 Euro und den übrigen Ver- aktiv. Wir können gerne unsere Erfahrungen beisteu- stößen mit maximal 10 000 Euro Buße sind wir ein- ern. verstanden. Entscheidend ist, richtige Signale zu set- zen und klarzustellen, dass Fehlverhalten gerade in Jedenfalls wünsche ich mir – dabei spreche ich si- diesem Bereich deutlich schärfer sanktioniert wird cherlich auch für andere Kolleginnen und Kollegen –, als bisher. Damit wird zugleich die abschreckende dass die Bundesregierung mit den Ländern bei der Wirkung nachhaltig erhöht. anstehenden Messung des Bundesrechts eng zusam- menarbeitet. Bundesrecht wird nun einmal im Regel- Ich darf Sie bitten, dem vorliegenden Gesetz zuzu- fall von den Ländern vollzogen. Aus der Sicht desje- stimmen. nigen, der von einer Informationspflicht betroffen ist, 252* Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A) (C) macht eine Beschränkung auf reines Bundesrecht Punkten der auch von NRW eingebrachten Stellung- keinen Sinn. nahme des Bundesrates vom 16. Juni 2006 Rechnung getragen hat. Der Normenkontrollrat soll beim Bundeskanzler- amt angesiedelt werden. Wir halten das für eindeutig Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen weist richtig. Nur mit der entsprechenden politischen darauf hin, dass das vorliegende Gesetz nach wie Rückendeckung werden wir zu substanziellen Fort- vor in Teilen überflüssige Vorschriften enthält, die schritten in Sachen Bürokratieabbau gelangen. Belastungen für das Wirtschafts- und Rechtsleben Lassen Sie mich noch einige Worte zu der Ihnen schaffen und die nicht zwingend von den zu Grunde vorliegenden Entschließung, die wir unterstützen, sa- liegenden europäischen Richtlinien vorgegeben wer- gen: den. Der Hinweis auf die materiell-rechtlichen Belas- Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen erwar- tungen der Wirtschaft macht deutlich, dass Bürokra- tet von der Bundesregierung, dass EU-Richtlinien tie und die damit verbundene Kostenlast natürlich grundsätzlich 1 : 1 umgesetzt werden. nicht auf die Informationskosten beschränkt sind. Es ist jedoch richtig, mit diesem einfachen, gleichzeitig aber innovativen Ansatz des Standardkostenmodells anzufangen. Denn Bürokratieabbau wird damit zu- nächst von der inhaltlichen Auseinandersetzung be- freit. Deshalb sprechen wir in der Entschließung Anlage 11 auch von der Messung materiell-rechtlicher Belas- tungen in einem weiteren Schritt. In den Niederlan- Erklärung den wird derzeit eine entsprechende Methodik ent- wickelt. von Staatsministerin Dr. Beate Merk (Bayern) Der zweite Punkt betrifft die Einschränkung, dass zu Punkt 63 der Tagesordnung nur Entwürfe der Bundesregierung, nicht aber Ent- würfe von Bundestag und Bundesrat auf ihre Kosten- Der Bundestag hat am 29. Juni 2006 das Gesetz folgen hin untersucht werden sollen. Wir wünschen zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den uns, dass auch Gesetzesvorhaben des Bundesrates Europäischen Haftbefehl beschlossen. Mit diesem oder aus der Mitte des Bundestages in die Folgenab- Gesetz wird der Schutz Deutscher vor Auslieferung schätzung des Normenkontrollrates aufgenommen verbessert. Im Grundsatz gibt es darüber keinen werden können. Zu einer entsprechenden gesetzli- Streit. Zu zwei Punkten wirft die Gesetzesformulie- (B) chen Klarstellung ist es bei der Beratung im Bundes- rung bei der Auslieferung Deutscher allerdings Fra- (D) tag auf Wunsch der SPD-Fraktion zunächst leider gen auf: nicht gekommen. 1. Der Deutsche Bundestag hat zum einen die Möglicherweise kommen wir aber im Weiteren Empfehlung des Bundesrates nicht aufgegriffen, bei doch noch zu einer Einbeziehung entsprechender der Auslieferung Deutscher den Grundsatz der Ver- Gesetze, etwa bei der Stellungnahme der Bundesre- hältnismäßigkeit ausdrücklich im Gesetz zu veran- gierung zu Gesetzesvorhaben des Bundesrates oder kern. in anderer geeigneter Weise bei Vorhaben des Bun- destages. Nach unserem Verfassungsrecht gilt der Verhält- nismäßigkeitsgrundsatz immer. Eine ausdrückliche Abschließend möchte ich festhalten: Lassen Sie Verankerung im Gesetz ist aber bei dieser hoch- uns rasch mit der Arbeit beginnen! Die Unternehmen sensiblen Regelungsmaterie ein besonders deutliches in Deutschland erwarten zu Recht spürbare Erfolge Signal. Sie dient auch dem besseren Verständnis un- bei der Reduzierung von Bürokratielasten. Der neue serer Bürger. systematische Ansatz von Standardkostenmodell und Nationalem Normenkontrollrat bietet hierfür die Das bedeutet z. B., dass die Auslieferung eines Grundlage. Nutzen wir die Chance für mehr Freiheit, Deutschen dann nicht möglich ist, wenn nach unse- Wachstum und Beschäftigung in unserem Land! rem Strafrecht offenkundig eine Freiheitsstrafe nicht zu erwarten ist. Das Gleiche gilt, wenn die Dauer des Auslieferungsverfahrens in keinem Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe steht. Wenn etwa ein Deut- scher in der EU einen Ladendiebstahl mit einem Anlage 10 Schaden von 20 Euro begeht, ist eine Auslieferung regelmäßig unverhältnismäßig. Der Schutz Deutscher Erklärung fordert klare Regelungen. 2. Zum anderen spreche ich Fälle an, die zu- von Minister Michael Breuer gleich Inlands- und Auslandsbezug haben. Nach (Nordrhein-Westfalen) dem Gesetzesbeschluss liegt ein maßgeblicher Be- zu Punkt 62 der Tagesordnung zug der Tat zum Inland in der Regel vor, „wenn die Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen er- Tathandlung vollständig oder in wesentlichen Tei- kennt an, dass der Bundestag einigen wesentlichen len im Geltungsbereich dieses Gesetzes begangen Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 253*

(A) (C) wurde und der Erfolg zumindest in wesentlichen Anlage 12 Teilen dort eingetreten ist. Bei der Abwägung sind insbesondere der Tatvorwurf, die praktischen Erfor- Erklärung dernisse und Möglichkeiten einer effektiven Straf- verfolgung und die grundrechtlich geschützten Inte- von Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach ressen des Verfolgten unter Berücksichtigung der (BMJ) mit der Schaffung eines europäischen Rechtsraums zu Punkt 63 der Tagesordnung verbundenen Ziele zu gewichten und zueinander ins Verhältnis zu setzen.“ – In diesen Fällen ist eine Wir können heute nach intensiven Beratungen das Auslieferung ausgeschlossen. Europäische Haftbefehlsgesetz verabschieden. Mit dem Gesetz erfüllen wir Punkt für Punkt die Vorga- Der Praxis tun wir mit der zitierten Regelung kei- ben des Bundesverfassungsgerichts. Wir haben uns nen Gefallen. Der Bundesrat hat eine wesentlich diese Arbeit nicht einfach gemacht. Wir haben die klarer formulierte Alternative vorgeschlagen, die Ergebnisse der Sachverständigenanhörung des Bun- dem Bundesverfassungsgericht ebenfalls Rechnung destages sorgfältig ausgewertet und unsere Konzep- trägt. tion noch einmal unvoreingenommen auf den Prüf- stand gestellt. Damit zur Gleichstellung von Ausländern: Im ur- So wollen wir – als Konsequenz aus der Anhörung – sprünglichen Regierungsentwurf war die obligatori- bei der Rücküberstellung auf das Erfordernis der bei- sche Gleichstellung von bestimmten Ausländern mit derseitigen Strafbarkeit verzichten. Es geht hier um Deutschen festgeschrieben, obwohl das Bundesver- die Fälle, dass Deutsche im Ausland wegen einer Tat fassungsgericht dies nicht gefordert hat. Ausländer, verurteilt werden, die bei uns nicht strafbar ist. Das die mit einem deutschen Familienangehörigen oder ist durchaus denkbar, etwa bei einer Verurteilung im Lebenspartner in familiärer oder lebenspartner- Ausland wegen fahrlässigen Betruges, den es bei uns schaftlicher Lebensgemeinschaft leben, sollten den nicht gibt. Wenn wir hier bei der Rücküberstellung gleichen Schutz vor Auslieferung genießen wie Deut- auf der beiderseitigen Strafbarkeit bestünden, hieße sche. das, dass der verurteilte Deutsche seine Strafe nicht in Deutschland verbüßen kann, obwohl er das Ich habe am 10. März 2006 im Bundesrat diese Re- möchte, sondern weiterhin in einem ausländischen gelung kritisiert. Dieser Kritik wurde nur scheinbar Gefängnis sitzen muss. Rechnung getragen. Die Vorschrift aus dem Regie- rungsentwurf wurde zwar gestrichen, allerdings Wir haben auch Änderungen bei der Ausländer- klausel vorgenommen. Wir sind nicht so weit gegan- (B) wurde ein neuer § 83b Abs. 2 eingefügt. Danach (D) k a n n die Bewilligung der Auslieferung j e d e s gen, die Klausel komplett zu streichen, wie der Bun- Ausländers, der im Inland seinen gewöhnlichen Auf- desrat es gefordert hatte. Ich verrate aber sicherlich enthalt hat, in zwei Fällen abgelehnt werden: kein Geheimnis, wenn ich sage, dass mir das Ab- rücken von der Formulierung des Gesetzentwurfs 1. Bei einer Auslieferung zum Zweck der Strafver- schwer gefallen ist. folgung, wenn die Auslieferung eines Deutschen Deutschland ist ein Einwanderungsland. Diese Er- nicht zulässig wäre. kenntnis ist glücklicherweise inzwischen auch bei den meisten Kollegen im Bundestag angekommen. 2. Bei einer Auslieferung zum Zweck der Strafvoll- Man kann mit der Realität so umgehen, dass man streckung, wenn der Ausländer nach Belehrung nicht versucht, das Beste daraus zu machen, d. h., dass zustimmt und sein schutzwürdiges Interesse an der man sich aktiv um Integration bemüht. Manche ver- Strafvollstreckung im Inland überwiegt. suchen bei jeder passenden oder unpassenden Gele- genheit, mit ausländerfeindlichen Ressentiments auf Auch wenn diese Regelung nur fakultativ ist und Stimmenfang zu gehen. Das braucht aber derzeit nie- gerichtlicher Kontrolle unterliegen soll, geht sie mir mand. Ich finde es deshalb mehr als schade, dass ge- zu weit. rade der Kompromiss zur Ausländerklausel, den wir in konzentrierten Gesprächen gemeinsam mit unse- Angesichts fehlender materieller Kriterien für die rem Koalitionspartner erarbeitet haben, heute wieder Gleichstellung müssen wir mit einer unterschiedli- einmal von Bayern angegangen wird – ein Foul, das chen Bewilligungspraxis in Deutschland rechnen. gelbwürdig ist! Das bedeutet erhebliche Rechtsunsicherheit. Menschen mit ausländischem Pass, die in Bayern hat im Rechtsausschuss weder zur aus- Deutschland leben, halten sich zum sehr großen Teil drücklichen Berücksichtigung des Grundsatzes der an unsere Gesetze und werden nie straffällig. Auch Verhältnismäßigkeit bei Deutschen noch zur Strei- das sollte man betonen. Natürlich gibt es auch Aus- chung der Gleichstellungsregelung für Ausländer länder, die Straftaten begehen, hier oder im Ausland, eine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsaus- vielleicht sogar ihrem Geburtsland, zu dem sie allen- schusses bekommen. Angesichts dieses Ergebnisses falls noch emotionale Beziehungen haben. Wenn sehen wir von einem Landesantrag ab. Unsere Be- diese Menschen bei uns gut integriert und verwurzelt denken bestehen gleichwohl fort. sind, halte ich es nicht für richtig, bei der Frage der 254* Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A) (C) Auslieferung einzig und allein darauf abzustellen, Zum Schluss möchte ich die gesetzestechnischen was für einen Pass sie haben. Details beiseite lassen, über die wir leider streiten müssen. Wir sollten nicht aus den Augen verlieren, Wir geben deshalb der Bewilligungsbehörde die worum es insgesamt geht und warum wir das Gesetz Möglichkeit, im Einzelfall von einer Auslieferung heute verabschieden. – unter den gleichen Voraussetzungen wie bei einem deutschen Staatsbürger – abzusehen. Denken Sie Die Grenzen in Europa sind in den letzten Jahr- etwa an einen jungen Erwachsenen, der als Kind zehnten immer durchlässiger geworden. Das war ausländischer Staatsbürger hier geboren wurde, sein eine glückliche Entwicklung, und zahllose Menschen gesamtes bisheriges Leben hier verbracht hat und für profitieren heute davon. Das sollten wir nie verges- den Deutschland zur Heimat geworden ist. Hier muss sen. Wir sorgen mit dem EU-Haftbefehl dafür, dass doch zumindest die Möglichkeit eröffnet werden zu auch die Strafverfolgung mit der europäischen Inte- gration Schritt halten kann und neben der Freizügig- prüfen, ob man so jemanden in einer Fallkonstella- keit Sicherheit und Recht in der EU gewährleistet tion ausliefert, in der man bei seinem deutschen werden. Nachbarn von einer Auslieferung absehen würde. Mehr wollen wir nicht. An der zwingenden Regel zu Gunsten bestimmter Ausländer halten wir nicht mehr fest. Anlage 13 Die Kritik aus Bayern, diese Regelung schütze Ausländer, die sich in Deutschland illegal aufhalten, Erklärung ist so typisch für Sie, wie sie falsch ist. Zum einen ist es nicht Sache des Europäischen Haftbefehls, hier il- von Bürgermeisterin Karin Schubert legal lebende Ausländer abzuschieben. Zuständig (Berlin) dafür sind die Ausländerbehörden, und es gibt dafür zu Punkt 63 der Tagesordnung ein besonderes Verfahren. Das wissen Sie. Zum Wir befinden uns heute im zweiten Anlauf, ein anderen: Wenn sich ein Ausländer illegal bei uns auf- Europäisches Haftbefehlsgesetz zu erlassen. Das hält, ist das in die Einzelfallabwägung einzubezie- Vorgängergesetz wurde durch das Bundesverfas- hen. In der Regel wird in solchen Fällen ein berech- sungsgericht für nichtig erklärt. Seither wurden eine tigtes Interesse eben nicht bestehen. weitere Bund-Länder-Besprechung und eine Sach- verständigenanhörung im Rechtsausschuss des Bun- Richtig ist allerdings, dass eine gewisse Diskre- destages durchgeführt. Der Bundestag hat den Ge- panz darin besteht, ob ein Ausländer nach dem Euro- setzentwurf daraufhin mit Mehrheit beschlossen. (B) päischen Haftbefehlsgesetz in einen EU-Staat oder (D) ob er auf vertraglicher Grundlage in einen Drittstaat Die Bayerische Staatsregierung wollte zu dem ausgeliefert werden soll. Die Ausländerklausel gilt neuen Gesetz wiederum den Vermittlungsausschuss nur beim EU-Haftbefehl. Aber: Auch wenn wir ver- anrufen, obwohl sich der Rechtsausschuss mit großer traglich verpflichtet sind, einen Ausländer an einen Mehrheit dagegen ausgesprochen hat. Das ist auch richtig so; denn das vom Bundestag verabschiedete Drittstaat auszuliefern, besteht auch hier ein Ent- Gesetz erfüllt die Vorgaben des Bundesverfassungs- scheidungsspielraum, der es erlaubt, im Einzelfall, gerichts. Im Übrigen stellt es einen fachlich und etwa wegen der familiären Situation, von der Auslie- rechtspolitisch gut tragbaren Kompromiss dar. Die ferung abzusehen. von Bayern ursprünglich angestrebte Anrufung des Das Argument Bayerns, dass Behörden und Ge- Vermittlungsausschusses hätte daher auch zu keinem anderen Ergebnis geführt, sondern nur eine unnötige richte mit der fakultativen Ausländerklausel in der weitere Verzögerung der Umsetzung des EU-Auslie- Praxis Schwierigkeiten haben werden, halte ich für ferungsverfahrens dargestellt. vorgeschoben. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir, wie bei anderen Regelungen auch, innerhalb kurzer Bayern wollte erreichen, in § 73 des Gesetzes über Zeit eine gut handhabbare und verlässliche Spruch- die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen bei der praxis bekommen werden. Auslieferung Deutscher den Grundsatz der Verhält- nismäßigkeit ausdrücklich zu verankern. Dies ist Kurz noch zu Ihrer Forderung, den Verhältnismä- nicht erforderlich, weil dieser Verfassungsgrundsatz ßigkeitsgrundsatz bei der Auslieferung von Deut- auch ohne einfachgesetzliche Regelung zu beachten schen ausdrücklich im Gesetz zu erwähnen: Der Ver- ist und auch in vielen anderen Gesetzen nicht aus- hältnismäßigkeitsgrundsatz gilt schon heute und drücklich geregelt ist. Daher wird auch niemand da- findet im Gesetzestext seine Stütze im Ordre Public, ran zweifeln, dass die zuständigen Oberlandesge- § 73 IRG. Welche Funktion soll eine weitere Erwäh- richte diesen Grundsatz auch ohne ausdrückliche nung haben? Sie wollen sagen: Was gilt, das gilt. – Regelung im IRG angemessen berücksichtigen wer- Das ist schon handwerklich nicht in Ordnung, weil den. Sie damit der Praxis den falschen Gegenschluss nahe Die zweite Änderungsabsicht Bayerns betrifft mit legen, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht § 83b Abs. 2 IRG eine Regelung über die Ausliefe- gilt, wenn es um die Auslieferung eines Ausländers rung von Ausländern, die ihren gewöhnlichen Auf- geht, weil dort nicht noch einmal ausdrücklich steht, enthalt im Inland haben. Die zuständige Verwal- dass er gilt. tungsbehörde soll im Rahmen ihres Ermessens Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 255*

(A) (C) darüber entscheiden, ob der für Deutsche geltende sis gefunden werden konnte, werte ich als großen Er- Auslieferungsschutz auf diese Ausländer erstreckt folg. wird. Deren Auslieferung zur Strafverfolgung kann, muss aber nicht abgelehnt werden, wenn sie einen Mit der Weiterentwicklung des UBGG sollen eine Deutschen betreffend unzulässig wäre. Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Mit- telstandsfinanzierung und eine Belebung des Mark- Bei der Auslieferung zur Strafvollstreckung kann tes für Wagniskapitalbeteiligungen an innovativen eine Ablehnung der Bewilligung erfolgen, wenn der mittelständischen Unternehmen erreicht werden. Be- belehrte Ausländer der Auslieferung nicht zustimmt sonders weise ich auf die positiven Beschäftigungsef- und sein schutzwürdiges Interesse an der Vollstre- fekte gerade bei innovativen mittelständischen Un- ckung im Inland überwiegt. ternehmen durch Venture Capital hin. Dies hat erneut eine Studie des Center for Entrepreneurial Diese Regelungen erlauben angemessene Ent- scheidungen im Einzelfall und sind in der gebotenen and Financial Studies an der Technischen Universität verfassungskonformen Auslegung auch ausreichend München bestätigt. bestimmt. Eckpunkte der im Entwurf vorgelegten Gesetzes- Die von Bayern verfolgte Streichung von § 83b novelle sind: Abs. 2 IRG stellt demgegenüber keine bessere, son- – Die mittelstandspolitische Zielsetzung des UBGG dern eine einseitige Lösung dar. soll verdeutlicht werden. Das uns vorliegende Europäische Haftbefehls- – Das Spektrum der Wagniskapitalbeteiligungen, gesetz ist im Deutschen Bundestag von den Regie- rungsfraktionen und der FDP mitgetragen worden die Unternehmensbeteiligungsgesellschaften und stellt einen gut vertretbaren rechtspolitischen (UBGen) eingehen dürfen, soll erweitert werden. Kompromiss dar. Dass im Vermittlungsausschuss Beispielsweise sollen künftig Beteiligungen an oder in einem weiteren Verfahren ein anderes Ergeb- Unternehmen in der Rechtsform der Offenen Han- nis zu Stande käme, wäre ziemlich unrealistisch. Es delsgesellschaft und an Gesellschaften europäi- ist daher zu begrüßen, dass Bayern nunmehr diese scher Rechtsformen zulässig sein. Änderungsabsichten nicht weiterverfolgt und mit der – Unnötige Beschränkungen im UBGG sollen künf- großen Mehrheit der Länder die Auffassung vertritt, dass der Vermittlungsausschuss nicht angerufen wer- tig entfallen; Regelungen flexibler und praxisnä- den soll. her gefasst werden. Zum Beispiel sollen Beteili- gungen an Unternehmen in der Rechtsform der Wir sollten jede unnötige Verzögerung vermeiden GmbH & Co. KG erleichtert werden. Da mittel- (B) und das Gesetz alsbald in Kraft treten lassen, damit ständische Unternehmen häufig in dieser Rechts- (D) Deutschland im EU-Auslieferungsverkehr wieder un- form geführt werden, ist die bisherige restriktive eingeschränkt handlungsfähig ist. Regelung ein Wettbewerbsnachteil für UBGen und dieses Unternehmen selbst.

– Erleichterungen sind auch hinsichtlich der Regeln über den Eigenkapitalersatz vorgesehen. Gesell- schafterdarlehen, die die UBG selbst gewährt, sol- Anlage 14 len wie Gesellschafterdarlehen ihrer Muttergesell- schaft behandelt werden. Erklärung – Der Kreis der Zielunternehmen, an denen sich UB- Gen beteiligen dürfen, soll weiter gefasst werden. von Ministerin Christa Thoben Außerdem ist eine Verlängerung der möglichen (Nordrhein-Westfalen) Haltefristen vorgesehen. Teile des Gesetzes sollen zu Punkt 64 der Tagesordnung klarer gefasst werden. Die Wirtschaftsministerkonferenz hat auf Initiative Nordrhein-Westfalens im Dezember 2005 den Ad- Der Gesetzesvorschlag tangiert – das möchte ich hoc-Arbeitskreis „Weiterentwicklung des UBGG“ betonen – nicht das im Koalitionsvertrag auf Bundes- eingesetzt. Der Arbeitskreis hat unter dem Vorsitz ebene enthaltene Vorhaben, das UBGG zu einem all- meines Hauses über den Entwurf einer Gesetzes- gemeinen Private-Equity-Gesetz fortzuentwickeln. novelle abgestimmt. Diesen Gesetzesvorschlag hat Dieses große und komplexe Vorhaben will der Bund die Wirtschaftsministerkonferenz am 7. Juni dieses nach meinem Kenntnisstand erst in der zweiten Jahres gebilligt und die an der Arbeitsgruppe betei- Hälfte der Legislaturperiode in Angriff nehmen. Hin- ligten Länder um Antragstellung im Bundesrat gebe- sichtlich der jetzt vorgesehenen mittelstandsfreundli- ten. chen Erleichterungen besteht allerdings kurzfristiger Handlungsbedarf. Der Antrag im Bundesrat ist ein gemeinsamer An- trag der Länder Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Ich bitte Sie daher, die gemeinsame Gesetzesini- Niedersachsen und Baden-Württemberg. Nach mei- tiative der Länder Nordrhein-Westfalen, Hamburg, ner Information erwägen andere Länder, dem Antrag Niedersachsen und Baden-Württemberg zu unter- beizutreten. Dass für diesen Antrag eine so breite Ba- stützen. 256* Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A) (C) Anlage 15 nats. Nachträgliche Abrechnungen entfallen. Bei Be- endigung der Betriebstätigkeit oder bei Rückkehr zu Erklärung dem heute geltenden Verfahren der Vorausschätzung ist der einmalige Sonder-Gesamtsozialversicherungs- von Minister Michael Breuer beitrag mit dem letzten zu zahlenden Beitrag zu ver- (Nordrhein-Westfalen) rechnen. zu Punkt 12 der Tagesordnung Die im Bundestag diskutierte Änderung auf Vor- Am 1. Januar 2006 ist eine neue Regelung zur schlag des Bundessozialministeriums sieht dagegen Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge in Kraft – wie ich es verstanden habe – lediglich eine Verein- getreten. Nach dem früheren Recht wurden die Bei- fachung der Vorausschätzung vor. Der bürokratische träge spätestens am 15. des Folgemonats fällig. Auf Mehraufwand einer Verrechnung im Folgemonat so- Grund der Neuregelung sind die Beiträge bereits am wie die Liquiditätsrisiken der Rentenversicherung drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats zu werden damit nicht beseitigt. zahlen. Für Arbeitgeber, die variable Löhne, z. B. Daher bin ich der Auffassung, dass unser Antrag Stundenlöhne, zahlen, bedeutet dies, dass sie zu- besser geeignet ist, die aufgezeigten Probleme zu lö- nächst die voraussichtliche Beitragsschuld ermitteln sen. Ich bitte Sie, den vorliegenden Antrag der Lan- und im Folgemonat eine Verrechnung durchführen desregierungen von Nordrhein-Westfalen und müssen. Baden-Württemberg zu unterstützen, damit er alter- Dieses Verfahren führt für die Arbeitgeber zu ei- nativ zu den Überlegungen im Bundestag geprüft nem erheblichen bürokratischen Mehraufwand. Die wird. Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat diese Än- derung im letzten Jahr gleichwohl mitgetragen, weil nur so eine Anhebung des Beitragssatzes zur Renten- versicherung im Jahr 2006 auf 20 % vermieden wer- den konnte. Anlage 16 Die Erfahrungen der letzten Monate belegen, dass die Befürchtungen hinsichtlich des zu erwartenden Erklärung bürokratischen Mehraufwands berechtigt waren. Hinzu kommen programmierte Streitigkeiten hin- von Minister Michael Breuer sichtlich der richtigen Ermittlung der voraussicht- (Nordrhein-Westfalen) lichen Beitragsschuld zwischen den Arbeitgebern zu Punkt 13 der Tagesordnung und der Betriebsprüfung der Rentenversicherung (B) Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen unter- (D) und das permanente Risiko, dass die erforderlichen stützt grundsätzlich die familienpolitische Zielset- Mittel nicht rechtzeitig bei der Rentenversicherung zung, Paaren die Familiengründung zu erleichtern vorliegen. und die Entscheidung für mehr Kinder zu fördern. Sie Um diese Probleme zu lösen, hat die Landesregie- hält verfassungsrechtliche Zweifel an der Vereinbar- rung von Nordrhein-Westfalen einen Vorschlag ent- keit der so genannten Partnermonate mit dem Eltern- wickelt und mit dem vorliegenden Antrag als Prüf- recht aus Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz aller- bitte an die Bundesregierung in den Bundesrat dings noch nicht für restlos ausgeräumt, so dass eine eingebracht. Die Landesregierung von Baden- weitere Prüfung der vorgesehenen Regelungen auf Württemberg hat beschlossen, dem Antrag beizutre- ihre Verfassungsfestigkeit durch die Bundesregie- ten. rung empfohlen wird. Zugleich unterstreicht die Lan- desregierung ihre Auffassung, dass im Hinblick auf Wie man einer Pressemitteilung des Bundesminis- den vorgesehenen Einsatz erheblicher Steuermittel teriums für Arbeit und Soziales entnehmen kann, soziale Unausgewogenheiten zu vermeiden sind. In sieht inzwischen auch die Bundesregierung die Not- diesem Sinne sollten deshalb die Auswirkungen der wendigkeit einer Verwaltungsvereinfachung. Im Regelungen auf einkommensschwache Familien Wirtschaftsausschuss des Bundestages wurde ein noch einmal überprüft werden. entsprechender Änderungsantrag beschlossen. Ich denke, das ist ein gutes Beispiel für die Vorteile unse- res föderalen Systems, in dem ein Wettbewerb zwi- schen Bund und Ländern um die besten Ideen und Lösungen geführt wird. Anlage 17 Mit unserem Vorschlag lassen sich die von mir ge- nannten Probleme lösen: Die Arbeitgeber können auf Erklärung Antrag das Beitragszahlverfahren umstellen und ein- malig zum 15. des ersten Monats einen Sonder- von Staatsministerin Dr. Beate Merk Gesamtsozialversicherungsbeitrag in Höhe von ei- (Bayern) nem Zwölftel des letzten Jahresbeitrages zahlen. zu Punkt 24 der Tagesordnung Vom nächsten Abrechnungsmonat an ist der Beitrag entsprechend dem früheren, bis Ende 2005 geltenden Für Frau Staatsministerin Emilia Müller gebe ich Recht zu zahlen, also spätestens am 15. des Folgemo- folgende Erklärung zu Protokoll: Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 257*

(A) (C) Die Bayerische Staatsregierung arbeitet seit vielen verfahrens in Deutschland. Dies würde die nach dem Jahren in gemeinsamen Kommissionen mit den Re- Beitrittsvertrag erforderliche Hinterlegung der Ratifi- gierungen Rumäniens und Bulgariens zusammen. kationsurkunde bis zum 31. Dezember 2006 in Frage Wir haben den Beitrittswunsch dieser Staaten aktiv stellen. Die bisherigen Zeitplanungen müssen einge- unterstützt, insbesondere durch Hilfestellungen für halten werden. diese Länder bei der Entwicklung einer funktionie- renden Verwaltung. Deshalb freuen wir uns, dass Hinweisen will ich allerdings auf den für Oktober dieser Prozess mit den vorliegenden Verträgen einen 2006 angekündigten Bericht der Kommission über entscheidenden Schritt nach vorne kommt. die Fortschritte Rumäniens und Bulgariens bei der Erfüllung der Beitrittsvoraussetzungen. Der Bericht Beide Länder haben beachtliche, große Fort- wird eine Beurteilung der Fortschritte beider Länder schritte erzielt, die in dem Monitoring-Bericht der bei der Behebung der noch bestehenden Defizite und Kornmission anerkannt werden. Gleichzeitig be- die erforderlichen Schutzmaßnahmen enthalten. nennt die Kommission aber deutlich und zu Recht die Bundestag und Bundesrat sollten deshalb erst nach noch verbleibenden Defizite. Durch die bedingte Vorlage des Fortschrittsberichts abschließend über Empfehlung der Kommission wird beiden Staaten die deutsche Ratifizierung entscheiden. eine Beitrittsperspektive zum 1. Januar 2007 eröffnet, der Druck zur Beseitigung bestehender Defizite und Ich erlaube mir, die Vertreter der Bundesregierung zur konsequenten Umsetzung notwendiger Reformen auf ein Problem hinzuweisen, das auch die Aus- jedoch weiter aufrechterhalten. Wir hoffen auf größte schussempfehlungen zu dem vorliegenden Gesetz- Anstrengungen von Seiten Bulgariens und Rumäni- entwurf unterstreichen. ens. Zugleich müssen wir aber wissen, was zu tun ist, Die Bundesregierung verletzt mit der Vorlage des wenn Defizite bei der Erreichung unverzichtbarer Entwurfs des Ratifizierungsgesetzes als Einspruchs- europäischer Standards und Grundregeln bis zum gesetz Beteiligungsrechte des Bundesrates. Das Herbst nicht vollständig beseitigt werden. Grundgesetz bestimmt, dass ein Ratifizierungsgesetz Für Bayern kommt es nun darauf an, sicherzustel- als Zustimmungsgesetz vorzulegen ist, über das mit len, dass sich solche Defizite der Beitrittskandidaten verfassungsändernder Zweidrittelmehrheit zu ent- nicht nachteilig auf die Mitgliedstaaten und die scheiden ist, wenn dadurch die vertraglichen Grund- Rechtsgemeinschaft der EU auswirken. Deshalb hal- lagen der EU geändert werden. Genau darum geht es ten wir die konsequente Anwendung der im Beitritts- doch bei einem Beitritt: Die Zusammensetzung des vertrag vorgesehenen Übergangs- und Schutzbe- Rates und damit das Stimmgewicht Deutschlands in stimmungen für unumgänglich. Ich denke hier neben der EU ändern sich. Die Zusammensetzung der Kom- den ohnehin bestehenden Übergangsbestimmungen mission ändert sich. Die Zusammensetzung des Euro- (B) im Bereich Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienst- päischen Parlamentes und damit die dortigen Mehr- (D) leistungsfreiheit vor allem an die Möglichkeit, Rechte heitsverhältnisse ändern sich. in den Bereichen Binnenmarkt, Justiz und Inneres so- Wir stellen fest: Das Ratifizierungsgesetz bedarf wie Strukturfonds und Direktzahlungen auszusetzen. der Zustimmung des Bundesrates mit Zweidrittel- Lassen Sie mich folgende Beispiele nennen: mehrheit. Ich fordere deshalb die Bundesregierung auf, Vorlagen zur Ratifizierung von Beitrittsverträgen Sofern Rumänien die nach dem EU-Rechtsrahmen in der verfassungsmäßig vorgesehenen Form vorzu- für die Mehrwertsteuer und die Verbrauchssteuern legen. Bei künftigen Beitritten kann dieser Frage er- erforderlichen EDV-Systeme nicht rechtzeitig ein- hebliche Bedeutung zukommen. richten sollte, kann die Kommission nach Artikel 37 Maßnahmen ergreifen, damit die Steuerkontrollen zwischen Rumänien und der übrigen EU fortgesetzt werden können. Anlage 18 Ebenfalls auf Grund von Artikel 37 könnten Aus- zahlungen von EU-Mitteln an Bulgarien und Rumä- Erklärung nien ausgesetzt werden, solange kein integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem für die Landwirt- schaft (InVeKoS) eingerichtet ist. von Staatsminister Hermann Winkler (Sachsen) Ohne entsprechende Schutzmaßnahmen drohen zu Punkt 24 der Tagesordnung Verwaltungsprobleme und Missbrauch. Wir wissen, dass dies die Akzeptanz der Bürger für die EU wie Der Bundesrat nimmt heute im ersten Durchgang auch für diese Beitritte nachhaltig beschädigen Stellung zum Entwurf des Ratifikationsgesetzes zum würde. Wir fordern deshalb die Kommission auf, in Vertrag über den Beitritt Rumäniens und Bulgariens allen Bereichen, in denen sich eine entsprechende zur EU. Eine abschließende Entscheidung des Bun- Notwendigkeit abzeichnet, die rechtlich vorgesehe- desrates zu dem Gesetzentwurf ist derzeit nicht an- nen Schutzmaßnahmen in enger Abstimmung mit gezeigt. Eine Entscheidung soll – wie auch im Bun- den Mitgliedstaaten zu erlassen. destag geplant – erst nach Vorlage des nächsten Berichts der Kommission zum Stand der Vorbereitun- Keine Alternative zu diesen Maßnahmen wäre in gen dieser Staaten Ende September bzw. Anfang Ok- meinen Augen eine Verzögerung des Ratifikations- tober erfolgen. 258* Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A) (C) Die vorliegende Stellungnahme des Bundesrates res machen. Wenn im Herbst noch Defizite bestehen, greift diesen Sachstand kritisch auf. Nach den ak- könnte allein durch die Anwendung dieser Instru- tuellen Berichten der Kommission vom Mai dieses mente ein Signal gesetzt werden, dass die Union es Jahres bestehen weiterhin erhebliche Defizite bei der mit der Erfüllung der Kriterien ernst meint. Für die Vorbereitung auf den Beitritt sowohl in Rumänien als Zukunft sollte hieraus die Lehre gezogen werden, auch in Bulgarien. Dies gilt für wichtige Bereiche wie dass die umfassende Beitrittsreife eines Staates für die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Wirksam- die Aufnahme in die EU vor Festlegung eines kon- keit der Justiz sowie für den Kampf gegen organi- kreten Zeitpunktes gegeben sein sollte. sierte Kriminalität und Korruption. Weiterhin beste- hen erhebliche Defizite bei der Vorbereitung der Die Vorgänge um den Beitritt von Rumänien und Landwirtschaftsverwaltung und der Verwaltung von Bulgarien zur Europäischen Union zeigen beispiel- EU-Mitteln. haft den Reform- bzw. Diskussionsbedarf im Hinblick auf eine Erweiterungsstrategie der Europäischen Wir alle wissen, dass eine grundlegende Verbesse- Union. Die Auseinandersetzung mit einer eventuel- rung des Vorbereitungsstandes beider Staaten, die len weiteren Vergrößerung der Union darf sich nicht nicht nur die Harmonisierung der gesetzlichen darin erschöpfen, den sicher wichtigen EU-Verfas- Grundlagen, sondern auch die Verbesserung der sungsprozess erneut zu beleben, um die europäi- Verwaltungspraxis betrifft, in den verbleibenden vier schen Institutionen „aufnahmefähig“ zu machen. Sie Monaten fast unmöglich ist. Wir wissen auch, dass muss auch Antworten auf die Frage geben, wer aus eine Verschiebung des Beitritts um ein Jahr, wie sie welchen Gründen zur EU gehören soll, was die Vor- der Beitrittsvertrag bei Defiziten grundsätzlich er- und Nachteile sind und welche Folgen für Gesell- möglichen würde, so gut wie ausgeschlossen ist. Eine schaft, Wirtschaft und Politik zu erwarten sind. Ich solche Entscheidung müsste von den Mitgliedstaaten vermisse konkrete Antworten auf diese Fragen. In einstimmig getroffen werden. Einzelne Staaten ha- Deutschland besteht eine wachsende Skepsis der ben bereits angekündigt, dass sie einem solchen Vor- Bürger gegenüber der EU, und Umfragen belegen gehen nicht zustimmen würden. Jedoch selbst bei ei- eine mangelnde Unterstützung der Fortsetzung des ner Verschiebung um ein Jahr hätte die EU am Ende Erweiterungsprozesses gegenüber den Staaten des dieser Frist keine Handhabe, wenn auch dann noch westlichen Balkans, gegenüber der Türkei oder ge- Defizite im Vorbereitungsstand bestünden. Der Bei- genüber der Ukraine. tritt zum l. Januar 2008 müsste, wie vertraglich zuge- sagt, erfolgen. Der Europäische Rat hat am 15./16. Juni 2006 be- kräftigt, dass sich die Union verstärkt mit diesem Ich bin der Ansicht, dass der Abschluss des Vertra- Thema befassen muss. Im Herbst wird die Kommis- ges und die Nennung eines festen Beitrittstermins sion einen Sonderbericht zur Erweiterungsstrategie (B) bereits im April 2005 ein Fehler war. Zu diesem Zeit- der Union mit Schwerpunkt auf alle Aspekte im Zu- (D) punkt waren die gravierenden Defizite des Vorberei- sammenhang mit der Aufnahmefähigkeit der Union tungsstandes beider Staaten bekannt. Ich verweise vorlegen. Ich denke, dass dieser Schritt überfällig ist, auf die Monitoring-Berichte der Kommission vom und hoffe, dass aus dieser Analyse Konsequenzen Oktober 2004, in denen alle kritischen Bereiche be- gezogen werden. nannt wurden und in denen es zu einem Staat heißt: „Die Korruption ist (...) weiterhin ein ernstes Problem und weit verbreitet.“ Durch den Abschluss des Vertrages zu diesem frü- hen Zeitpunkt wurden Fakten geschaffen, die die Anlage 19 Durchsetzung der von der EU aufgestellten Kriterien extrem erschwert haben, da ein Beitritt zur Union in Erklärung letzter Konsequenz auch ohne Erfüllung dieser Be- dingungen ermöglicht wurde. Verstehen Sie mich von Minister Prof. Dr. Wolfgang Reinhart nicht falsch: Rumänien und Bulgarien gehören zur (Baden-Württemberg) Europäischen Union, und der Vorbereitungsprozess zu Punkt 42 der Tagesordnung beider Länder, der mit großen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen verbunden ist, Für Herrn Minister Peter Hauk gebe ich folgende verdient allen Respekt. Wenn man sich aber für be- Erklärung zu Protokoll: stimmte Beitrittskriterien entschieden hat, sollte man diese ernst nehmen und auf ihrer Erfüllung als Vo- Die Aviäre Influenza hat seit ihrem Auftreten auf raussetzung für den Beitritt beharren. Tut man dies Rügen wie kaum eine andere Seuche die Diskussion nicht, so gefährdet man die Glaubwürdigkeit der in der Bevölkerung, der Wissenschaft und der Politik Union nach innen bei ihren Bürgern sowie nach au- beherrscht. Sie traf Europa in der Form der Wild- ßen bei den Beitrittsstaaten. vogelseuche nicht unvorbereitet. Gleichwohl waren die gesetzlichen Maßnahmen am Anfang sehr auf die Vor diesem Hintergrund sollte sich die Europäi- Hausgeflügelpopulation zugeschnitten. sche Kommission im Hinblick auf ihre für Ende Sep- tember angekündigte Empfehlung zu Rumänien und Schritt für Schritt haben wir uns, gestützt auf wis- Bulgarien ernsthaft Gedanken über die Anwendung senschaftliche Erkenntnisse, mit der Wildvogelseu- der im Beitrittsvertrag enthaltenen Schutzklauseln che „Geflügelpest“ auseinander gesetzt. Eines steht für die Bereiche Binnenmarkt sowie Justiz und Inne- fest: Es besteht noch großer Forschungsbedarf. Ich Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 259*

(A) (C) begrüße es daher, dass die Bundesregierung diese diesem Zeitpunkt konkrete Vorschläge der von der Forschungen unterstützt. Länderarbeitsgemeinschaft Gesundheitlicher Ver- braucherschutz (LAGV) gebildeten Länderarbeits- Auch wir in Baden-Württemberg wollen flankie- gruppe vorliegen, welche Regelungen langfristig be- rend helfen. Mit dem Bodensee haben wir ein inter- stehen bleiben müssen, um einerseits ausreichenden nationales Gewässer, an dem neben dem Freistaat Seuchenschutz zu gewährleisten, andererseits aber Bayern auch das EU-Mitgliedsland Österreich und allen Sparten der Geflügelhaltung zukünftig eine das Drittland Schweiz liegen. Mit dem Forschungs- wirtschaftliche Existenz zu ermöglichen. projekt „Constanze“, an dem sich alle Bodensee- anrainer beteiligen wollen, runden wir im Süden un- sere Aktivitäten ab. Zu diesem Zeitpunkt legt die Bundesregierung die Änderung der Geflügel-Aufstallungsverordnung vor, Anlage 21 mit dem Ziel, die Aufstauung des Hausgeflügels zu perpetuieren. Das passt nicht zusammen. Ein solcher Erklärung Schritt ist erst dann angebracht, wenn wir über die weitere Entwicklung des Seuchengeschehens und von Ministerin Tanja Gönner die Konsequenzen, die wir daraus ziehen müssen, (Baden-Württemberg) mehr Klarheit haben. zu Punkt 50 der Tagesordnung Es gilt noch viele Fragestellungen zu bearbeiten. Ich freue mich, dass die Empfehlungen des Um- Ich habe deshalb Verständnis, wenn die Bundeslän- weltausschusses die dringend notwendigen Ergän- der das von der Bundesregierung auf unbestimmte zungen zur Vorlage des Bundes enthalten: Zeit beabsichtigte Aufstallungsgebot zunächst bis Erstens. Wir bringen die Nutzung des Energie- zum 28. Februar 2007 befristet sehen wollen. Baden- potenzials von Abfällen voran. Auf Grund des einge- Württemberg unterstützt diese Linie. führten Heizwertkriteriums dürfen Abfälle mit ent- Wir sehen darüber hinaus die Notwendigkeit, sprechendem Energieinhalt nicht mehr abgelagert dann erneut alle vorliegenden Erkenntnisse auszu- werden. werten und weitere Maßnahmen sorgfältig abzu- Zweitens. Abfälle aus großen Schadensereignis- wägen. Dies sage ich auch mit Blick auf unsere sen, z. B. Hochwasser und Großbrand, können künf- heimischen geflügelhaltenden Betriebe und die Ge- tig unbürokratisch und schnell entsorgt werden. Eine flügelzüchter. entsprechende Ausnahmeregelung verschafft Ver- Mir ist die öffentliche Diskussion sehr wohl be- waltung und Wirtschaft die notwendige Flexibilität. (B) (D) kannt. Die Sorgen der Bevölkerung sind vollkommen Drittens. Wir schaffen Rechtssicherheit für die De- verständlich. Dennoch muss immer wieder darauf poniebetreiber: Bei den so genannten grenzwertigen hingewiesen werden: Die Vogelgrippe ist zunächst Abfällen führen wir quantitative Vorgaben für die eine Tierseuche. Wir sollten daher mit Augenmaß Zulässigkeit einer Abweichung von den Kriterien der vorgehen und nicht verfrüht Maßnahmen ergreifen, Abfallablagerungsverordnung ein. über deren Notwendigkeit wir zum jetzigen Zeit- punkt nicht ausreichend fundiert entscheiden kön- Viertens. Wir nutzen den hohen Ausbaustandard nen. unserer Deponien: Wir heben die Zuordnungswerte für Sonderabfalldeponien auf EU-Niveau an. So ver- bessern wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Bei der Harmonisierung der deutschen Vorschrif- Anlage 20 ten mit den europäischen Vorgaben hätte ich mir mehr Mut zu Veränderung gewünscht – getreu nach Erklärung dem Motto: Darf's etwas mehr sein? Konkretes Bei- spiel: Es liegen Empfehlungen zur Abstimmung vor, von Staatsminister Prof. Dr. Ingolf Deubel wonach künftig Abfälle auf einer Deponie für Inert- (Rheinland-Pfalz) stoffe verwertet werden können, obwohl die gleichen zu Punkt 42 der Tagesordnung Abfälle dort nicht mehr beseitigt werden dürfen. Ich Auf Grund der Tatsache, dass seit Anfang Mai finde, dass wir uns derartige Unstimmigkeiten zu 2006 in Deutschland kein Fall von Geflügelpest mehr Lasten der Umwelt, unserer Wirtschaft und auch der aufgetreten ist und sich die bundesweit festgelegten entsorgungspflichtigen Körperschaften nicht leisten Risikogebiete auf deutlich weniger als 50 % der Lan- sollten. desfläche erstrecken, sollte der Grundsatz der Auf- Das Deponierecht geht – hoffentlich in absehbarer stallungspflicht – mit Ausnahmemöglichkeiten – vom Zeit – in eine zweite Runde. Deshalb möchte ich an Grundsatz der Freilandhaltung – mit Aufstallungs- dieser Stelle den mehrfach an die Bundesregierung pflicht in Risikogebieten – abgelöst werden. gerichteten Appell, das Deponierecht zusammenzu- Rheinland-Pfalz stimmt der Verordnung dennoch fassen, nochmals aufgreifen. Das Schlüsselwort heißt zu, da sie nunmehr bis Ende Februar 2007 befristet „integrierte Deponieverordnung“. Seit längerem an- werden soll. Es wird davon ausgegangen, dass bis zu gekündigt, warten wir auf die Vorschläge des Bun- 260* Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A) (C) des. Ich bin überzeugt, dass Sie mir darin beipflich- eine auf drei Jahre befristete Lösung. Dann hätten ten, dass wir – die Länder – frühzeitig Gelegenheit die Anlagenbetreiber ihre Betriebe optimieren und bekommen müssen, unsere Vorschläge einzubringen. an den technischen Fortschritt anpassen können. Die Die Vorstellung von einer schlanken, dennoch aus- notwendige Entsorgungssicherheit wäre gewährleis- reichend konkreten und vollzugstauglichen Verord- tet. nung muss Realität werden. Ich bedauere es sehr, dass unser Antrag keine Eine Empfehlung des Umweltausschusses stößt Mehrheit gefunden hat. Wir werden unser Anliegen bei uns auf Widerspruch. Es geht um die Anhebung bei der integrierten Deponieverordnung weiterver- von Grenzwerten für mechanisch-biologisch behan- folgen. Lediglich den Wünschen der Anlagenbetrei- delte Abfälle. Diese Grenzwerte wurden seinerzeit ber zu folgen ist ein gefährliches Signal. Aufwei- auf der Basis wissenschaftlicher Untersuchungen so chungstendenzen des mit dem 1. Juni 2005 festgelegt, dass ähnlich günstige abwasser- und ab- eingeleiteten Paradigmenwechsels dürfen wir keinen luftseitige Emissionsfrachten wie bei der Ablagerung Vorschub leisten. von thermisch behandelten Abfällen gewährleistet werden können. Jetzt werden flugs die Werte an- Sie mögen sich fragen, warum wir über ca. 70 Än- gehoben, nur weil es Probleme mit der Einhaltung derungsanträge abstimmen sollen, obwohl die Zeit einzelner Grenzwerte gibt, deren Erreichbarkeit man für eine integrierte Deponieverordnung überreif ist. zuvor vollmundig versprochen hat. Meine Antwort: Bis die integrierte Verordnung kommt, brauchen wir im Interesse einer zukunfts- Mir ist bewusst, dass wir Entsorgungssicherheit fähigen Abfallwirtschaft ein EU-konformes und praxis- brauchen. Mir ist auch bekannt, dass derzeit die taugliches Deponierecht. meisten mechanisch-biologischen Behandlungsanla- gen noch Probleme haben, die Zuordnungswerte des Ich bitte Sie, für die vorliegende Empfehlung des Anhangs 2 der Abfallablagerungsverordnung einzu- Umweltausschusses zu votieren. Der Ausschuss emp- halten. Die Mehrheit des Umweltausschusses emp- fiehlt viele Verbesserungen und Handlungsoptionen. fiehlt die Anhebung der Zuordnungswerte. Das ist So setzen wir auch ein Signal für die künftige inte- eine Lösung. Aber: Baden-Württemberg plädiert für grierte Deponieverordnung.

(B) (D)