SPORTWETTEN „NICHT GANZ SO EILIG“

Der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki erklärt, warum das hessische Innen- ministerium das deutsche Glücksspielgesetz nicht umsetzt, wer Schuld am Stillstand hat und warum die deutsche Politik auf den EuGH hofft.

SPONSORS: Herr Kubicki, wenn man dem der Glücksspielmarktregelung derzeit eher KUBICKI: Ich höre immer wieder: Hessen hat politischen Versagen bei der Vergabe der von nebensächlicher Bedeutung. Und das technische Probleme. So dumm sind die Sportwettenlizenzen in Deutschland ein wird sich auch nicht ändern. Es sei denn, aber auch nicht. Sie machen es nicht, weil Gesicht geben würde, wie würde dies aus- es wird jemand kommen, der sagt: Wir wol- sie genau wissen, dass der 21. Bewerber, der sehen? Wer ist schuld? len Casino-Spiele und Online-Poker nicht abgewiesen wird und dagegen klagt, recht KUBICKI: . Die erste Begren- und schalten eure Geräte ab. Dann gibt es bekommen würde. Außerdem würde er zung auf fünf Lizenzen kam von ihm (Anm. einen Volksaufstand. Schadensersatz in nicht unerheblicher Hö- d. Red.: Mittlerweile liegt die Begrenzung SPONSORS: Der Schwarze Peter wird bei der he kriegen. Weil die Zeit, in der nichts pas- bei 20 Lizenzen). Aber wir wollen jetzt kei- Vergabe der Sportwettenlizenzen immer siert ist, entgolten werden müsste. Und weil nen persönlich an- man das nicht will, greifen. Die Minister- kriegt man es tech- präsidenten haben nisch nicht auf die alle versagt. Reihe. SPONSORS: Warum? SPONSORS: Verstehen KUBICKI: Ich höre aus wir Sie richtig: Hes- Hessen und Sachsen, sen will das Glücks- dass sie ein eigenes spielgesetz nicht um- Gesetz in der Schub- setzen? lade haben. Warum KUBICKI: Die Bürokra- wird das dann nicht ten wollen es viel- umgesetzt? Warum leicht. Irgendjemand machen nicht drei ge- sagt aber vielleicht: meinsam regierte „Nicht ganz so eilig“. Länder einen gemein- SPONSORS: Wer ge- samen Vertrag? Weil nau? sie keinen Ärger ha- KUBICKI: Wir beide ben wollen! sind es nicht. Es kön- SPONSORS: Sind die nen nur die politisch Bundesländer viel- Verantwortlichen in leicht zu feige? den jeweiligen Län- KUBICKI: Darum geht dern sein. Ich glaube, es nicht. Die Men- Sie haben eine falsche /picture alliance

schen sind bewegt S Vorstellung wie Poli- über Krieg und Frie- tik funktioniert. den auf der Krim, SPONSORS: Dann er- durch NSA und ande- SPONSOR klären Sie es uns

re Themen. Für die Foto: bitte. Politik ist die Frage FDP-POLITIKER WOLFGANG KUBICKI*: „Nicht von dieser Welt.“ KUBICKI: Die Motiva- tion der Politiker, das wieder dem hessischen Innenministerium staatliche Glücksspielmonopol beizubehal- WOLFGANG KUBICKI zugeschoben. Zu Recht? ten, war über Jahre hinweg das Thema KUBICKI: Ich höre seit zwei Jahren, dass die Spielsuchtprävention. Politiker können al- Wolfgang Kubicki (62) ist seit 1971 Mitglied der FDP, seit 1996 Vorsitzender der FDP-Fraktion deutsche Bürokratie nicht in der Lage ist, so nicht von heute auf morgen sagen, dass im Landtag von Schleswig-Holstein und seit dies zu regeln. Wir waren bislang doch im- ihnen dieses Thema völlig egal ist. Also Dezember 2013 stellvertretender Bundesvor- mer so stolz auf unsere Bürokratie. Wer in brauchen sie entweder Anknüpfungspunk- sitzender der Liberalen. Der studierte Volks- diesem Land glaubt, dass Mitarbeiter des te, um ihre Meinung zu ändern. Die gibt es wirt und Jurist betreibt in Kiel gemeinsam mit öffentlichen Dienstes, die zum Teil aus der derzeit nicht. Hendrik Schöler eine Anwaltskanzlei. Er gilt Finanzabteilung kommen, nicht in der Lage SPONSORS: Oder? als ausgesprochener Steuer- und Glücksspiel- sind, so etwas umzusetzen, der ist nicht von KUBICKI: Die zweite Möglichkeit ist, dass der experte und als einer der Väter des schleswig- dieser Welt. Die spannende Frage ist, wa- Impuls von außen kommt. Es gibt viele The- holsteinischen Glücksspielgesetzes. rum die Hessen das Thema nicht umsetzen. men, bei denen in der Politik Entscheidun- SPONSORS 5/14 Quelle: SPONSORS SPONSORS: Sagen Sie es uns. gen getroffen wurden, bei denen die Politi-

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hr_InterviewKubicki_2S.indd 2 23.04.14 18:19 ker aber inständig darauf gehofft haben, dass irgendein Gericht sie wieder kippt. Damit man hinterher sagen kann: Nicht wir sind die Bösen, sondern die! SPONSORS: Die EU-Kommissionäre ent- scheiden über so wichtige Dinge wie die Länge von Fischstäbchen oder über die Grö- ße von Kartoffeln. Beim Thema Glücksspiel halten sie sich zurück. Warum gibt es kein einheitliches EU-Glücksspielgesetz? KUBICKI: Sicherlich würde das Sinn ma- chen. Vor allem, weil sich der Markt im Zeitalter des Internets nicht mehr abschot- ten lässt. Allerdings ist die EU relativ zu- rückhaltend in allen Bereichen, in denen die Nationalstaaten darauf pochen, dass sie beispielsweise ihr Sozialsystem oder ihr Gesundheitswesen selbst regeln können. Und die Glücksspielregulierung ist unter der Überschrift Suchtprävention nun mal ein Gesundheitsthema. SPONSORS: Könnte es dennoch zu einer ein- picture alliance heitlichen Regelung kommen?

KUBICKI: Ja, aber erst dann, wenn es die Foto: Nationalstaaten begriffen haben, dass sie KABINETTSCHEFS DER UNION IM HERBST 2011**: „Die Ministerpräsidenten haben versagt.“ im Internet, in einem globalen Markt, mit nationalen Regelungen nicht mehr weiter- tagswahlen, das Thema Sportwetten- KUBICKI: Entweder wird der EuGH erklären, kommen. Sie müssen wissen, dass die EU lizenzen zu verbessern oder verschlechtern dass eine Inkohärenz da ist. Oder man stellt den Nationalstaaten Regelungskompeten- sie es eher? fest, das man endlich etwas regeln muss, zen überlässt. Aus gutem Grund. Weil es KUBICKI: Weder noch. Das ist bei keiner weil der Markt immer weiter wächst. Und unterschiedliche Kulturen und Herange- Landtagswahl ein Thema. dadurch läuft den politisch Handelnden die SPONSORS: Die Glücksspielregulierung ist Zeit weg – und nicht den Akteuren im Markt. Ländersache. Aber müsste die Glücksspiel- SPONSORS: Was kann die Branche tun, au- „DER DRUCK gesetzgebung nicht eigentlich beim Bund ßer abzuwarten? Vielleicht Druck machen, KANN VOM liegen? auf die Politik? KUBICKI: Der Bund hätte die Möglichkeit, KUBICKI: Der Druck kann vom Sport kom- SPORT KOMMEN“ das Thema an sich zu ziehen. Sinnvoll wä- men. Nach dem Motto: Wenn wir nicht in re es sicherlich, wenn es sogar in ganz Eu- der Lage sind, für Sportwetten zu werben, hensweisen gibt. Die Nationalstaaten wür- ropa eine einheitliche Regelung geben wür- haben wir bei Olympia und Weltmeister- den sich dagegen wehren, wenn die EU alles de. Dadurch, dass wir in Deutschland 16 schaften keine Chance mehr. Wenn sich die über einen Kamm scheren würde. Lotto-Gesellschaften und 16 Territorien Vereinsvorsitzenden der Bundesligisten SPONSORS: Wie egal ist es deutschen Politi- haben, wird das aber sicherlich noch eine und die Deutsche Fußball Liga tatsächlich kern, ob sie gegen EU-Richtlinien verstoßen? Weile dauern. auflehnen, dann wird etwas passieren. Es KUBICKI: Überhaupt nicht. Ich will keine SPONSORS: Man hat das Gefühl, auch die muss ja nicht gerade Uli Hoeneß sein, der Namen von Ministerpräsidenten nennen, Gerichte spielen mittlerweile schon sehr sich für Sportwetten starkmacht. aber einige warten schlichtweg darauf, dass zügig zurück: Die Politik soll klare Gesetze SPONSORS: Sie haben die Hoffnung also der Europäische Gerichtshof (EuGH) ent- machen, erst dann können wir auch etwas noch nicht aufgegeben, dass Lizenzen kom- scheidet. Wie ich schon sagte: Politiker entscheiden. Täuscht der Eindruck? men. Nur wann? müssen ihr Gesicht wahren und können ihr KUBICKI: Nein, tut er nicht. Gerichte sind KUBICKI: Ich bin sicher, dass es nicht mehr bisheriges Verhalten nicht von heute auf dafür da, nach Recht und Gesetzen zu ent- bis zum Jahr 2016 dauern wird. Ich halte eine morgen umkehren. Und das funktioniert scheiden. Wenn das Gesetz da ist, es in der Wette, dass es noch im Jahr 2015 eine bun- nur, wenn sie mit dem Finger auf andere Praxis aber nicht umgesetzt wird, dann deseinige Regelung geben wird. Diese wird zeigen können. In diesem Fall auf die EU. können die Gerichte nichts entscheiden. in etwa – wenn auch nicht ganz – der Rege- SPONSORS: Helfen die anstehenden Land- Warum sollte das Gericht also den Anbie- lung von Schleswig Holstein entsprechen. tern das Spiel jetzt untersagen? Die Gerich- SPONSORS: Herr Kubicki, vielen Dank für das *Das Interview wurde von SPONSORS-Chefredakteur Marco Klewenhagen auf der Bühne des SPONSORS Sports Gaming Summit 2014 in geführt. te üben damit auch ein bisschen Druck auf Gespräch. **Ministerpräsidenten am 27. Oktober 2011 in Lübeck (v. l. n. r.): Horst Seehofer (CSU, Bayern), Christine Lieberknecht (CDU, Thüringen), Volker Bouffier (CDU, den Gesetzgeber aus. Hessen), David McAllister (CDU, Niedersachsen) und (CDU, SPONSORS: Wie kann eine Lösung aussehen? H. Rehm Schleswig-Holstein).

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