Vorsatz Essay Stalins Tod Und Die Folgen Globalisierung, Hegemonie
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Monatliche Publikation, . herausgegeben von der 152 Juni 2003 Rosa-Luxemburg-Stiftung VorSatz 387 Essay JÖRN SCHÜTRUMPF Die Juni-Insurrektion 1953. Schwierigkeiten mit der Klasse. Thesen 485 Stalins Tod und die Folgen KARL-HEINZ GRÄFE 1953: die Krise des Imperiums und der »Neue Kurs« in Osteuropa 493 Globalisierung, Hegemonie & Krieg HANS JÜRGEN KRYSMANSKI Wer führt die neuen Kriege? Globale Macht- und Geldeliten machen mobil 506 PEER HEINELT Nur deutsche Kriege sind gute Kriege. Bundesrepublikanische Medien auf Friedenskurs? 520 Programmdiskussion HELGE MEVES Das Selbstverständnis der PDS, der Neoliberalismus und die Mitte-Unten-Optionen 525 SAHRA WAGENKNECHT Welche Aufgaben hat ein Programm einer sozialistischen Partei? 536 Alternative Wirtschaftstheorie ANNELIESE BRAUN Auf der Suche nach einer feministischen Theorie des Wirtschaftens 543 In memoriam ILSEGRET FINK Dorothee Sölle (1929 bis 2003) 555 GERHARD GUNDERMANN »Verantwortung für das eigene Produkt«. Beitrag zum Kongreß der Unterhaltungskunst, März 1989 557 Festplatte WOLFGANG SABATH Die Wochen im Rückstau 564 Bücher & Zeitschriften Heike Walk, Nele Boehme (Hrsg.): Globaler Widerstand. Internationale Netzwerke auf der Suche nach Alternativen im globalen Kapitalismus (FRIEDHELM WOLSKI-PRENGER) 566 Alexander Roesler, Bernd Stiegler (Hrsg.): Microsoft. Medien – Macht – Monopol (KLAUS MELLE) 567 Christoph Deutschmann (Hrsg.): Die gesellschaftliche Macht des Geldes, Leviathan Sonderheft 21 Werner Rügemer: Arm und reich. Bibliothek dialektischer Grundbegriffe, Band 3 (ULRICH BUSCH) 569 Michael Steffen: Geschichten vom Trüffelschwein. Politik und Organisation des Kommunistischen Bundes 1971 bis 1991 (FLORIAN WEIS) 571 Malcolm Sylvers: Die USA – Anatomie einer Weltmacht. Zwischen Hegemonie und Krise (ANJA LAABS) 572 Summaries 574 An unsere Autorinnen und Autoren Impressum 576 VorSatz Die PDS kommt aus ihrer Krise nicht heraus. Ein Sonderparteitag Ende Juni soll Abhilfe schaffen. Überall in der Partei erschallt der Ruf nach Politikfähigkeit. Sie wiederzugewinnen gilt als Hauptpro- blem. Das ist auch deshalb ein so großes und mannigfaches, weil der Streit schon um den Inhalt des Wortes geht. Denn was ist – oder könnte sie sein –: diese Politikfähigkeit? Zu kurz griffe, wer dies als eine Frage beschriebe, die lediglich die PDS umtreibt. Denn wer genauer hinschaut, merkt sehr schnell, daß auch alles andere, was sich links von Bundeskanzler Gerhard Schrö- der zu positionieren versucht, im Meinungshauptstrom aus SPD, Grünen, CDU/CSU und FDP plus Medienwelt ganz schnell im Ruch steht, nicht mehr politikfähig zu sein. Seien es die Einwendungen von Oskar Lafontaine, die Rebellionsversuche von Ottmar Schreiner, Andrea Nahles und Niels Annen oder die Vorstöße der DGB- und ver.di-Spitzen Michael Sommer und Frank Bsirske – sie alle werden in einem wundersamen Zusammenspiel aus immer den gleichen Re- gionalkonferenz-Kanzlerreden, stets abrufbereiten Einlassungen von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und dienstwilligen Leitartiklern meinungseinheitlich mit dem Stempel »politikuntauglich« gebrand- markt, als ewiggestrig verhöhnt und als realitätsfremd lächerlich gemacht. Gerade wiederholen sich die Kolumnisten meiner Regio- nalzeitung darin, mir einzureden, daß John Maynard Keynes nicht etwa ein erfolgreicher Wirtschaftspolitiker und Theoretiker des Kapitalismus war, über den sich gründlich nachzudenken lohnte, sondern vielmehr ein auf den Müllhaufen der Geschichte gehören- der ... nun, vielleicht nicht gerade Sozialist, aber doch jedenfalls Nicht-Realist. Womit sie beide in die gleiche Ecke gestellt wären – die Sozialisten und die Nicht-Realisten. Die im heutigen, ganz mo- dernen, ganz neuen Kapitalismus natürlich beide gleichermaßen keinen Platz haben können, denn dieser neue Kapitalismus ist – sagt uns der Meinungshauptstrom – alternativlos. Im Gebäude solchen Denkens ist politikfähig nur, wer und was sich einreiht in den Kurs dieser Alternativlosigkeit. Und der Sog die- ses Denkens ist unerhört stark – viel stärker, als sich mancher, der nach Alternativen sucht, einzugestehen bereit ist. Noch der gebeu- teltste Leiter eines bereits fast kaputt gesparten Bildungs-, Verkehrs- erziehungs-, Naturschutz- oder Sozialprojekts beginnt, nach den Zukunftsaussichten seiner Bemühungen gefragt, seine Rede mit dem Satz: »Natürlich muß überall gespart werden.« Und längst ist es zum Brustton gesamtgesellschaftlicher Überzeugung geworden, daß die- ses Sparen einer wunderbaren Sache diene: dem Glück künftiger Generationen nämlich. Wie schön, sagt sich da der Realsozialismus- Erfahrene, der schon einmal im Alternativlosen sich verausgabt hat, daß da wieder eine »Sache« ist, für die es sich im schnöden Jetzt ausgiebig Opfer zu bringen lohnt. Aber sie nützt ihm nichts, diese Erfahrung, und er bringt ihn nicht weiter, dieser Spott, denn der Ruf nach Vermögensteuer wird damit im Gebäude der Alternativlosigkeit trotzdem nicht »politikfähig«, die Forderung nach sinnvoller Neuverschuldung trotzdem nicht »realistisch« – und diene sie auch »nur«, wie das jetzt in aller Schärfe der Fall ist, der Abwendung tatsächlichen und blanken und nicht mehr nur vereinzelten, sondern Zehntausende, ja Hunderttausende betreffenden Elends. Die Vergottung des Marktes ist in eine neue Phase getreten – und zwar nicht des Marktes allgemein, denn der könnte ja auf alternative Weise reguliert werden, sondern des alternativlos im Interesse eini- ger weniger ökonomischer Machtzentralen regulierten Marktes. Ei- nes Marktes, in dem Menschen – ja, Menschen, und nicht »der Markt« – zum Beispiel willkürlich jene 3-Prozent-Verschuldungs- marge der EU zum Gesetz erhoben haben, an der nun der Sozial- staat alternativlos kaputtzugehen hat. Gegen diese Logik der alternativlosen »Politikfähigkeit« poli- tikfähig zu sein – also gesellschaftlichen Druck aufzunehmen, zu verstärken, ihm Stimme zu geben – gelingt gegenwärtig nicht nur der PDS nicht, sondern auch – siehe oben – der SPD-Linken und den Gewerkschaften. Wer da wechselseitig scheel oder schadenfroh auf den jeweils anderen zeigt, hat die Zeichen der Zeit so gründlich mißverstanden, wie man sie nur mißverstehen kann. Um so schlim- mer ist es, daß die »Flügel« in der PDS nun nicht etwa in einen Wett- bewerb um die besten Ideen getreten sind, wie man selbstbewußt und offen aus der eigenen und durchaus auch aus der Sprachlosigkeit mancher potentieller Verbündeter herauskommen könnte, sondern sich statt dessen im kraft-, ideen- und konzeptionslosen »Linien«- streit und Postenclinch verschleißen. Die »Agenda sozial«, mit der die Parteivorsitzende Gabi Zimmer Anfang Mai an die Öffentlichkeit getreten ist, könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein. Aber nicht in der jetzigen Form eines lan- gen und »allumfassenden« Papiers, sondern auf zwei, drei Punkte konzentriert – und dann auch wirklich von der Partei in ihrer Ge- samtheit getragen und hartnäckig und professionell auf allen Ebe- nen in die Öffentlichkeit gebracht. Politikfähig ist nicht etwas, das »an sich« dem einen oder anderen klugen Gedanken eigen wäre. Politikfähig wird der kluge Gedanke durch Politik. Man gehe mit so einfachen, übersichtlichen Forderungen wie »Die Rente von allen für alle!« oder »Vermögensteuer ist Verfas- sungspflicht!« oder einem Drei-Punkte-Programm »Innovations- faktor Ost!« in ein beliebiges linkes Parteibüro und mache die Probe aufs Exempel. Es wird einem auf vielen, vielen Analyseseiten erklärt werden, daß es in dieser Kürze nicht gehen kann. So wird besten Gewissens Politikunfähigkeit produziert. Das poli- tikfähige 3-Prozent-Gesetz aber – das ist in all seiner brutalen Kürze überall verinnerlicht. WOLFRAM ADOLPHI UTOPIE kreativ, H. 152 (Juni 2003), S. 485-492 485 JÖRN SCHÜTRUMPF Die Juni-Insurrektion 1953. Schwierigkeiten mit der Klasse. Thesen Am 17. Juni 1953 erkämpfte sich in der Deutschen Demokratischen Republik die Bau- und Industriearbeiterschaft einen privilegierten Platz, den zu verteidigen ihr bis hinein in den Untergang des »real existierenden Sozialismus« gelang. Auch im Westen Deutschlands wurde durch diesen Erfolg das Kräfteverhältnis nachhaltig verscho- ben. Anfang der fünfziger Jahre grassierte dort – anders, als es durch die Geschichtsphantasien gaukelt, die heute die Mainstreammedien kolportieren – keineswegs der soziale Aufschwung. Nach der Währungsreform 1948 war die Arbeitslosigkeit sprunghaft gestiegen und der ohnehin niedrige Lebensstandard durch ein »Minuswachs- tum« geprägt. Der Koreakriegsboom hatte zwar Arbeitsplätze ge- schaffen, aber keine Wohlfahrt; der Topos Sozialstaat war ein Fremdwort. Damals wäre niemandem eingefallen, Ludwig Erhard als »Vater des Wirtschaftswunders« zu apostrophieren; der Wirt- Jörn Schütrumpf – Jg. 1956, schaftsminister galt als der bestgehaßte Mann des Landes. Das alles Historiker, Dr. phil., Mitglied änderte sich nach dem 17. Juni. der Redaktion UTOPIE kreativ, leitet die Öffentlich- * keitsarbeit an der Rosa- Seit der Herbstrevolution 1989 hat die ostdeutsche Industriearbeiter- Luxemburg-Stiftung. schaft sich in verschiedene Richtungen aufgelöst. Nun wird der west- Zuletzt in UTOPIE kreativ: deutschen Arbeiterschaft eindrucksvoll demonstriert, wie hoch ihr Unabgegoltenes. Politik- Anteil an ihrer Wohlfahrt zu veranschlagen ist: Die Realeinkommen verständnis bei Paul Levi, sinken seit dem Anschluß der DDR fast so stetig, wie sie zuvor über in: Heft 150 (April 2003). lange Zeit hinweg stiegen; einem aus dem ärmeren proletarischen Milieu emporgekommenen sozialdemokratischen Regierungschef wurde es möglich, auf den Gedanken zu verfallen, den Sozialstaat