MEMORANDUM 2017 Statt „Germany First“: Alternativen Für Ein Solidarisches Europa

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MEMORANDUM 2017 Statt „Germany First“: Alternativen Für Ein Solidarisches Europa Neue Kleine Bibliothek 247 Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik MEMORANDUM 2017 Statt „Germany first“: Alternativen für ein solidarisches Europa PapyRossa Verlag © 2017 by PapyRossa Verlags GmbH & Co. KG, Köln Luxemburger Str. 202, D–50937 Köln Tel.: +49 (0) 221 – 44 85 45 Fax: +49 (0) 221 – 44 43 05 E-Mail: [email protected] Internet: www.papyrossa.de Alle Rechte vorbehalten Grafiken: Safran Works, Frankfurt/Main Druck: Interpress Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-89438-645-0 Inhalt Vorwort 9 I. Kurzfassung des MEMORANDUM 11 II. Langfassung des MEMORANDUM 63 1 Vier Jahre Große Koalition – verpasste Chancen 65 1.1 Wirtschaftliche Rahmendaten zeigen positive Entwicklung 67 1.2 Gestaltung der Politik: Ein paar positive Ansätze, viel Austerität 71 1.3 Günstige Rahmenbedingungen ermöglichen Erfolge 75 1.4 Versäumnisse und Erfolge auf dem Arbeitsmarkt 78 1.5 Geldpolitik und Niedrigzinsen sanieren den deutschen Haushalt 83 1.6 Günstige Rahmenbedingungen – keine Fortschritte der Politik 85 2 Statt „Germany first“: Alternativen für ein solidarisches Europa 89 2.1 Die existenzielle Krise der EU 90 2.2 Das unglaubliche Ausmaß der Austeritätspolitik und ihre Folgen 91 2.3 Die Folgen des gescheiterten Krisenmanagements 95 2.4 Raus aus dem Euro? Eine Kritik an Euro-Ausstiegs- kampagnen 98 2.5 Die sieben Säulen einer radikalen Euro-Reform 101 2.6 Ausblick 126 3 Arbeitsmarkt: Entwicklung und aktuelle Situation 131 3.1 Trotz gestiegener Erwerbstätigkeit ist existenz- sichernde Vollbeschäftigung nicht in Sicht 132 3.2 Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt – ein Gesamtüberblick seit Beginn der 1990er Jahre 133 3.3 Bedrückend prekäre Lebenslagen von Allein- erziehenden sowie von Berufsanfängerinnen und -anfängern 135 3.4 Das Problem hochsegmentierter Arbeitsmärkte 136 3.5 Regionale Diskrepanzen 137 3.6 Diskrepanzen bei den fachlichen und persönlichen Anforderungen 137 3.7 Arbeitsmarktrealitäten 141 3.8 Produktions-Produktivitätslücke 145 3.9 Mit Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich endlich Massenarbeitslosigkeit bekämpfen 146 3.10 Arbeitszeitverkürzung verlangt nach Umverteilung 149 3.11 Beschäftigungswirkung von Arbeitszeitverkürzungen verstärken – Mitbestimmung der Betriebs- und Personalräte ausbauen 153 3.12 Gesellschaftliche Bewegung zur Arbeitszeit- verkürzung erforderlich 154 3.13 Arbeitszeit ist wieder ein Thema – auch in der Politik 156 3.14 Prekäre Beschäftigung und Niedriglohnsektor bekämpfen – Abbau atypischer Beschäftigungs- verhältnisse 157 3.15 Zusätzliche Beschäftigung schaffen – Investitionen deutlich steigern 160 3.16 Aufbau eines öffentlich geförderten Beschäftigungs- sektors 161 3.17 Arbeitssuchende qualifizieren und fördern 161 3.18 Die selektive Einstellungs- und Beschäftigungs- praxis von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern sanktionieren 163 3.19 Arbeitssuchende mit gesundheitlichen und sozialen Einschränkungen fördern 164 3.20 Spezielle Maßnahmen zur Integration von Migran- tinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt ergreifen 165 3.21 Fazit 167 4 Öffentlicher Dienst – Mangelverwaltung oder Ausbau 169 4.1 Einfluss der wohlfahrtsstaatlichen Grundarchitektur 169 4.2 Nationale Politiken zählen 170 4.3 Zukunftsperspektiven des öffentlichen Dienstes zwischen Renaissance und Mängelverwaltung 176 4.4 Die falsche Gleichsetzung: Weniger Staat bedeutet nicht zwingend weniger Bürokratie 177 4.5 Wie Personalabbau und die Prekarisierung von Beschäftigungsverhältnissen zusammenhängen 180 4.6 Eckpfeiler für einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst 184 5 Einkommen und Vermögen – Ungleichheit verschärft sich 191 6 Gegen die Machtwirtschaft – die Eigentumsfrage stellen 207 6.1 Marktwirtschaftlich immanente Pervertierungen 207 6.2 Konzentration- und Zentralisationsprozess des Kapitals 214 6.3 Eigentum an den Produktionsmitteln entscheidet 221 6.4 Nur die Kapitaleignerinnen und -eigner bestimmen – das ist widersprüchlich 223 7 Öffentliche Einnahmen – kein Spielraum für Steuersenkungen 231 7.1 Status quo – zwischen Rekordsteuereinnahmen und einem Investitions- und Modernisierungsstau 232 7.2 Die Wirkung von Steuersenkungen 240 7.3 Warum Steuersenkungen die vorhandenen Probleme weiter verstärken 242 7.4 Eine andere Finanz- und Steuerpolitik ist unumgänglich 244 8 Klimapolitik: Mehr Mut zu „Germany first“ 249 8.1 Klimapolitik nach Paris und Marrakesch 250 8.2 Emissionshandel als zentraler Baustein der EU-Klimapolitik 254 8.3 Anders wirtschaften 259 9 Die merkelsche Bildungsrepublik – eine magere Bilanz 263 9.1 Ziele und Bilanz der merkelschen Bildungsrepublik 264 9.2 Konservativer Bildungsstaat und soziale Selektivität 269 9.3 Politökonomischer Entwicklungshintergrund der Bildungsrepublik: Neoliberale Interessen gegen den konservativen Bildungsstaat 272 9.4 Fazit und Zukunft der Bildungsrepublik 275 Tabellenanhang 277 Vorwort Das MEMORANDUM 2017, das Ende April der Öffentlichkeit vor- gelegt wurde, gliedert sich wie in den vergangenen Jahren in zwei Teile: I. Die Kurzfassung wurde bis Ende März von über 900 Wirtschafts- wissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern durch ihre Unterschrift unterstützt. II. Die Langfassung enthält ausführliche Erläuterungen und Begrün- dungen für die Kurzfassung. An der Vorbereitung und Ausarbei- tung war ein großer Kreis von Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aktiv beteiligt. Auf zwei Wochenendtagungen der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik wurden die Grund- positionen erarbeitet und diskutiert und von einer Endredaktion Mitte Februar in die vorliegende Fassung gebracht. * * * Mehr Informationen über die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschafts- politik sind im Internet zu finden (www.alternative-wirtschaftspolitik. de). Dort finden sich eine Liste aller Publikationen der Gruppe, Einla- dungen zu Tagungen, aktuelle Veröffentlichungen einzelner Mitglieder der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik sowie Termine und Einladungen. Kontaktanschrift: Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik e.V. Postfach 33 04 47 28334 Bremen E-Mail: [email protected] Internet: www.alternative-wirtschaftspolitik.de 9 I. Kurzfassung des MEMORANDUM Statt „Germany first“: Alternativen für ein solidarisches Europa Traditionell wird die deutsche Wirtschaft vom Export hochwertiger Industriegüter getragen. Richtig Fahrt aufgenommen hat dieses Mo- dell Mitte der 1990er-Jahre. Nach dem deutschen Vereinigungsprozess und der Marktöffnung Osteuropas wuchsen die Handelsüberschüsse so stark, dass auch auf der Ebene der Leistungsbilanz immer stärkere Überschüsse erzielt wurden. Hochwertige Produkte, eine gesamtwirt- schaftlich schwache Lohnentwicklung und der Aufbau verlängerter Werkbänke mit niedrigen Löhnen in Osteuropa waren die Erfolgs- rezepte. „Germany first“ ist so seit Langem das implizite Motto der deutschen Wirtschaftspolitik. Deutschland kommt aber nicht zuerst, weil es sich abschottet. Ganz im Gegenteil: Das deutsche Entwick- lungsmodell braucht offene Grenzen und den freien Handel. Deutsch- land kommt zuerst, weil die deutsche Industrie im Konkurrenzkampf andere Industrien niederringt. Mit der Einführung des Euro wurde noch einmal der Turbo zuge- schaltet. Bei Überschüssen in der Leistungsbilanz kommt eine Wäh- rung unter Aufwertungsdruck. Die Währung des Exporteurs ist auf den Märkten gefragt. Die Aufwertung verteuert die Produkte, was zumindest die preisliche Wettbewerbsposition verschlechtert. Innerhalb einer Währungsunion scheidet dieser Mechanismus aus. Aber auch bei Exporten jenseits der Eurozone hilft die gemeinsame Währung. Weil die Währungszone insgesamt keine so großen Überschüsse erzielt wie Deutschland, ist der Euro nicht so stark unter Aufwertungsdruck ge- kommen, wie es bei der D-Mark der Fall gewesen wäre. Zuletzt hat er sogar abgewertet – auch das hilft der Exportwirtschaft. Der bisher letzte Nachbrenner der Exportorientierung war die Agenda-Politik von Rot-Grün. Damit war es gelungen, die Lohnquote förmlich zum Absturz zu bringen. Bei einer binnenorientierten Wirt- schaft haben Kürzungen bei Löhnen und Sozialleistungen negative Wachstumseffekte. Eine solche Orientierung hat die deutsche Wirt- 13 MEMORANDUM 2017 schaft aber nicht. Über den blühenden Export konnte der inländische Nachfrageausfall kompensiert werden. Denn beim Export zählen nur die Kostensenkungen. Das Exportüberschuss-Modell Deutschland wurde verfestigt. Das deutsche Exportmodell hat Folgen. Das Problem ist nicht, dass die deutsche Industrie den Weltmarkt versorgt. Das ist vielmehr ein Ausdruck internationaler Arbeitsteilung. Das Problem sind die Über- schüsse, denn sie haben viele negative Konsequenzen. Zunächst müs- sen sich die Abnehmer der Produkte in Deutschland verschulden, um die Güter zu bezahlen. Dann sorgt ein weit über den einheimischen Bedarf hinausreichendes Produktionsvolumen dafür, dass industrielle Produktion in anderen Ländern verdrängt wird. Das gilt übrigens im gleichen Maße für Dienstleistungen. In der Konsequenz wird Arbeits- losigkeit gewissermaßen exportiert, ohne dass im Inland zwangsläufig neue Stellen geschaffen wurden. In dem Maße, wie Exportvorteile über Lohnkostenvorteile erkauft werden, sind aber auch die Beschäftigten in Deutschland die Verliere- rinnen und Verlierer dieser Politik. Vor allem in der ersten Hälfte der 2000er-Jahre sanken in Deutschland die im Konkurrenzmechanismus entscheidend wirkenden Lohnstückkosten. Auch wenn hierzulande insbesondere im
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