Die Monatsschrift Für Alle Eichsfelder · Heft 11 · November 2009 53
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53. Jahrgang H 11859 Die Monatsschrift für alle Eichsfelder · Heft 11 · November 2009 In dieser Ausgabe Dieterode - Deiderode Die November-Revolution 1918 in Duderstadt Mein schönstes Zur 825-Jahr-Feier von Grenzerlebnis Rengelrode Eine Grenze hat Geschichte Teistungenburg Einzelpreis 2,50 EUR incl. 7 % MWSt Eichsfelder Wurst- und Spezialitätenverkauf Gunkel 37359 Wachstedt/Eichsfeld · Bergstr. 7 · Tel. 036075-60014 · Fax 036075-52005 Email: [email protected] Wir bieten Ihnen Original Eichsfelder Wurstspezialitäten, warm verarbeitet, mit Naturgewürzen schmackhaft gewürzt, nach alter Tradition handwerklich hergestellt. – Stracke, Feldgieker, frische Runde, abgehangene Runde. 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Und mit den Jahren wurde die Vorstel- Nach der Eröffnung des Grenzübergangs Du- lung, dass die Bundesrepublik und die DDR derstadt/Worbis 1973 für den kleinen Grenz- wieder ein Staat werden würden, für mich im- verkehr versuchte ich mühsam und trotz viel- mer unwahrscheinlicher. facher Schikanen durch die Grenzer der DDR Dank der sehnsuchtsvollen Erzählungen mei- bei Besuchen mit meiner Familie, einen Teil ner Eltern erfuhr ich jedoch sehr früh, dass des Obereichsfeldes zu erschließen. Einzige sich jenseits der Grenzposten und Stahlzäu- Voraussetzung war, dass unser Ziel nicht in- ne eine sehr reizvolle Landschaft verbergen nerhalb der Fünf-Kilometer-Zone liegen durfte. musste. Denn diese hatten in ihrer Jugend die Die deutsch-deutsche Grenze an sich be- Gelegenheit gehabt, das Ohmgebirge und die kam während der vielen Kontrollen, die ich nähere Umgebung vielfach zu durchstreifen. über mich ergehen lassen musste, etwas Doch diese Zeiten waren lange vorbei, als ich Einmaliges im Vergleich zu anderen westeu- heranwuchs, und die Grenze bestimmte auch ropäischen Grenzübergängen, die ich bereits passiert hatte. Nirgendwo sonst war ich jemals solch menschenverachtenden Schikanen oder massiven Überwachungen ausgesetzt worden. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 änderte sich das alles schlagartig. Un- gläubig, dieses Glück nicht fassend, erlebte ich die Öffnung des Grenzüberganges Tei- stungen. Ich sah die nicht enden wollenden Trabbischlangen aus der damaligen DDR. Die Duderstädter Wallanlagen gegenüber un- serem Haus waren zweireihig zugeparkt und auf dem Stadtring trafen sich die Autoschlan- gen aus Richtung Ost und in Richtung West. Nichts ging mehr, weder auf den Straßen noch per Telefon, über die Grenze hinweg. Es herrschte Ausnahmezustand in Duder- stadt, und wenige Tage später wurde bekannt, dass, um den bisher einzigen Grenzübergang weit und breit zu entlasten, ein neuer Fußgän- gerweg bei Ecklingerode eingerichtet werden sollte. Kurzfristig hatte ich wegen der meist ortsfremden nach Duderstadt einströmenden DDR-Bürger zusammen mit dem damaligen Landschafts-, Heimat- und Verkehrsverband (LHV) beschlossen, 20.000 Exemplare einer Der Erste und Zweite Vorsitzende der Heimat- bekannten Eichsfeldkarte kostenlos zu dru- vereins „Goldene Mark“ aus Duderstadt als Er- cken und dann verteilen zu lassen. Sie sollten ste auf direktem Wege von Duderstadt aus am den neuen Verkehrsteilnehmern wenigstens 18. November 1989 auf dem Sonnenstein. eine grobe Orientierung rund um den grenz- 410 Eichsfelder Heimatzeitschrift – Die Monatsschrift für alle Eichsfelder nahen Bereich, Duderstadt und auch in Rich- tung Göttingen, Northeim und Harz geben. Die Eröffnung des neuen Grenzübergangs Ecklingerode wurde für Samstag, den 18. November um 6 Uhr festgelegt. Geplant war, dass ein Umzug aus Richtung Ecklingerode die Grenze passieren und sich auf den Weg nach Duderstadt machen sollte, um dort einen Dankgottesdienst in der St.-Cyriakus-Kirche zu halten und anschließend auf der Duderstädter Marktstraße ein Wiedersehensfest zu feiern. Daher fand ich mich am Morgen dieses Ta- ges zusammen mit Helmut Bömeke, dem 1. Erinnerungsfoto am Ortsausgang Brehme. Vorsitzenden des Heimatvereins, um 5.30 Uhr am Ende einer sehr kalten Nacht am neuen, aus Duderstadt, wie der damalige Oberkreis- hell erleuchteten Grenzübergang ein. Als wir direktor Dr. Alexander Engelhardt. dort ankamen, stellte ich zu meinem großen Helmut Bömeke und ich hatten uns ganz vorn Erstaunen fest, dass der ehemalige Todesstrei- am Grenzstreifen platziert und warteten ge- fen planiert und somit ein Überweg ähnlich ei- meinsam mit der anwesenden Menge darauf, ner Fahrradwegtrasse geschaffen worden war. dass uns der diensthabende DDR-Offizier Etwa hundert Meter weiter auf der DDR-Seite endlich zur Grenzkontrollstelle durchließe. begrüßte eine provisorisch aus Containern er- Doch dieser ignorierte unser Drängen, wenn richtete Kontrollstelle all die Westdeutschen, auch jeder Dezimeter, den er zurückging, so- die die Gelegenheit nutzen wollten, einen Ab- fort von der nachfolgenden Menge eingenom- stecher in die vierzig Jahre lang gesperrten men wurde. Diskussionen entbrannten, die er Gebiete und darüber hinaus zu machen. jedoch immer wieder mit dem Satz: „Meine Direkt an der Grenze hatte sich schon eine Damen und Herren, respektieren Sie bitte die große Menschenmenge versammelt, unter ih- Staatsgrenze der DDR“, beendete. Doch un- nen hohe BGS-Beamte und bekannte Politiker terschätzte der DDR-Grenzer die anschwel- lenden Emotionen der Leute. Die Anwesenden verschmolzen immer mehr zu einem wütenden Mob, der sich von einem Grenzer nicht ver- bieten lassen wollte, die geöffnete Grenze zu passieren. Und so wurde der Leutnant kurzer- hand beiseite geschoben und im Laufschritt die Grenzkontrollstelle gestürmt und überrannt. Ich persönlich fand mich mitten in diesem Mob wieder und muss sagen, dass ich in meinem Leben noch nie so ein Gefühl der emotionalen Verbundenheit und Euphorie erlebt habe. Als Nächstes zogen die Menschenmassen um mich herum weiter nach Ecklingerode. Als wir die ersten eingezäunten Häuser von Ecklingerode erreichten, kam uns bereits der Umzug aus Richtung Osten entgegen. Mit Fahnen, Fackeln und Blasmusik und auf Hand- und Bollerwagen Bierfässer sowie ein geschlachtetes Schwein ziehend, fragten sie Der Hermann-Iseke-Stein am 18.11.1989. uns erstaunt, ob sie bereits im Westen seien. Eichsfelder Heimatzeitschrift – Die Monatsschrift für alle Eichsfelder 411 an, den wir unbedingt, obwohl es auf dem Berg sehr zugig und kalt war, erleben wollten. Ich suchte mir Steine zusammen und fokus- sierte meine Kamera auf das Sonnenstein- kreuz, das 1953 dort aufgestellt worden war. Mit dem Selbstauslöser habe ich die hier ab- gebildete Aufnahme gemacht. Als Bildunter- schrift vermerkte ich: „Der Erste und Zweite Vorsitzende des Heimatvereins „Goldene Mark“ aus Duderstadt als Erste auf direktem Wege von Duderstadt aus am 18. November 1989 auf dem Sonnenstein.“ Beim Abstieg gingen wir an dem uns bisher unbekannten Gedenkstein des Heimatdichters Neue Gedenktafel ab Oktober 2009 am ehema- Hermann Iseke unterhalb des Braunen Bühls ligen Grenzverlauf Ecklingerode. vorbei. Dort verweilten wir einige Minuten und legten angesichts des historischen Augen- Schnell schlossen sich die Umzüge zusam- blicks eine Gedenkminute ein, die ebenfalls men, und auf ging es nach Duderstadt. von mir fotografisch dokumentiert wurde. Doch wir hatten andere Pläne. Auf den von Es war etwa gegen 8.30 Uhr, als wir uns auf mir gedruckten Karten hatten wir einen Weg den Rückweg nach Duderstadt machten in zum Sonnenstein ausgemacht. Dorthin der Hoffnung, vielleicht in Brehme in einer wollten wir wandern, sofern dies überhaupt Gaststätte einen Kaffee trinken zu können. möglich sei. Der Sonnenstein, den man auch Wir kamen auf die Häuser der Siedlung Son- vom Duderstädter Stadtwall aus sehen kann, nenstein zu. Da wurde bei dem ersten Haus war ein Sehnsuchtsberg der Duderstädter - so auf der rechten Straßenseite das Tor geöffnet nah und bisher doch so unerreichbar in der Fünf-Kilometer-Sperrzone liegend. Da wir den genauen Weg nicht kannten, gin- gen wir durch das für uns ungewöhnlich ruhige Ecklingerode in Richtung Sonnenstein. Keine Autos, keine Menschen kamen uns entgegen. Nachdem wir die Kaserne der Grenztruppen in Richtung Brehme hinter uns gelassen hatten, kamen uns Zweifel, wie weit es wohl noch bis zum Sonnenstein sein würde. Glücklicherwei- se sahen wir im Dunkeln ein Auto kommen. Kurzentschlossen stellten wir uns mitten auf die Straße und nötigten den Fahrer zum Anhalten. Der Mann begrüßte uns freundlich. Er wollte zur Arbeit nach Bischofferode in den Schacht, doch nachdem wir ihm unser Ansinnen ge- schildert hatten, brachte er uns direkt bis unter den Sonnenstein. Obwohl ich zuvor schon viel- mals in der DDR unterwegs gewesen war, war dies meine erste Trabbifahrt. Der Aufstieg im Dunkeln auf den Berg war nicht schwierig. Oben am Kreuz angekom- men, dämmerte bereits der Morgen, und es Das 1990 errichtete Holzkreuz auf dem