Deutschland zur Geldwäsche gestolpert wäre, die jah- relang knapp 200 Millionen Mark für die CDU besorgt hatten, mimte Terlinden vor den Fahndern den Ahnungslosen. Wo die Akten seien, wisse er beim besten Willen nicht,Wandsafe und Schreibtisch seien lei- der nicht zu öffnen, da „die Schlüssel ab- handen gekommen“ seien. Vor dem Untersuchungsausschuss schwieg Terlinden beharrlich. Die Ermitt- lungen gegen beide verliefen im Sande. Der Bonner Traum erfüllte sich für Terlinden erst im Spätsommer 1989, als Kohl einen Putsch durch die Entlassung Geißlers vereitelte. Endlich wurde der Gehilfe im Adenauer-Haus installiert, als Leiter der Hauptabteilung Verwaltung.Wie in Mainz amtierte er als Herr über Perso- nal und Geld. Nun kontrollierte er auch die Zuwendungen an die Landesverbände nach Kohlschem Kalkül. Für heikle Missionen hatte der Kanzler

jetzt den richtigen Mann. Während Kohl S. DÖRING nach dem Mauerfall zu den Brüdern und Kohl-Kritiker Biedenkopf: „Die Spendendiskussion belastet nicht nur Kohl“ Schwestern zog und warmherzig Wahl- kampf machte, suchte Terlinden bei den verbündeten Ostparteien nach Spar- SPIEGEL-GESPRÄCH potenzial. Nur der lautstarke Protest der Ost-CDU verhinderte, dass die Bonner das Ostvermögen einsackten. „Wie Bauer und Altbauer“ Der wunderbare Freund Kohl sorgte auch dafür, dass der Getreue seinen Le- Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf über bensabend ohne Geldsorgen verbringen kann. Um in den Genuss der vollen CDU- die Altlast , die Spendenaffäre Betriebsrente zu kommen, blieb er im Amt, und die Chancen für die Erneuerung der CDU obgleich ihn 1996 ein Schlaganfall ereilte, der ihn für Monate ans Bett band und SPIEGEL: Herr Biedenkopf, die Bonner nicht nur der Kanzler der Einheit. Er hat dessen Folgen ihm bis heute Probleme Staatsanwaltschaft leitet ein Ermittlungs- mit seiner Politik vom Nato-Doppel- beim Laufen und Sprechen bereiten. verfahren wegen Untreue gegen Helmut beschluss bis zu den Verhandlungen mit „Wenn ich nicht wieder eingestiegen wäre, Kohl ein. Mit Korruptionsvorwürfen be- Gorbatschow entscheidend dazu beigetra- hätte ich sicher Depressionen bekommen“, gann auch der Niedergang der CDU- gen, dass sich die Menschen in Ost- meint er heute. Schwesterpartei Democrazia Cristiana. deutschland ohne Blutvergießen aus dem Die drohten dann nach dem Macht- Biedenkopf: Ich finde den Vergleich mit Ita- kommunistischen Zugriff lösen konnten. wechsel 1998. Unter der Regentschaft des lien unpassend und geschmacklos. Wir ha- Diese Leistung steht nicht zur Debatte. neuen CDU-Chefs Wolfgang Schäuble und ben es hier schließlich nicht mit mafiosen SPIEGEL: Es geht schlicht um die Frage, ob der Generalsekretärin fühl- Strukturen zu tun, sondern, wenn über- ein Parteivorsitzender Recht und Gesetz te er sich wie ein „Fremder im eigenen haupt, mit etwas, was Helmut Kohl öffent- nach Gutsherrenart auslegen darf. Haus“, erinnert sich ein alter Kollege. lich längst erklärt hat: mit einer Verletzung Biedenkopf: Das klingt mir viel zu drama- Zum Glück hatte er lange im Voraus be- der gesetzlichen Regelungen über Partei- tisch. Bleiben wir doch bei den Fakten. Zur rechnet, dass das Leben mit dem Umzug spenden. Debatte steht die Frage, ob es richtig war, ei- nach Berlin wohl ruhiger würde. Der Pend- SPIEGEL: Fürchten Sie nicht, dass Kohl die nen Teil der Parteienfinanzierung so zu ge- ler, der fast täglich von Mainz nach Bonn CDU mit dieser Spendenaffäre in eine Zer- stalten, wie Helmut Kohl das getan hat, und und zurück fuhr, wollte nicht mehr in der reißprobe manövriert hat? welche rechtlichen Folgen dies haben kann. Hauptstadt wirken. Mit aufgespartem Ur- Biedenkopf: Das ist abwegig. Die CDU zer- Die öffentliche Diskussion belastet nicht laub wollte er die Übergangszeit bis zur fällt nicht. nur Kohl. Sie belastet auch die CDU. Pensionierung überbrücken – wahrschein- SPIEGEL: Der Umgang mit Helmut Kohl SPIEGEL: Also hat Angela Merkel Recht mit lich hatte er die Frist auf den Tag genau polarisiert die Partei wie selten zuvor. der Forderung nach schneller Abnabelung? ausgerechnet. Langjährige Günstlinge wie Norbert Blüm Biedenkopf: Der Beitrag von Angela Merkel Jetzt sitzt er in seiner kleinen Eigen- oder Ex-Kanzleramtschef in der „FAZ“ findet meine uneinge- tumswohnung im zweiten Stock eines un- springen ihm bei, Generalsekretärin An- schränkte Unterstützung. Sie ist mit dieser scheinbaren Mehrfamilienhauses in der gela Merkel fordert die Abnabelung vom Stellungnahme ihrer Aufgabe als General- Mainzer Innenstadt und hadert mit der Übervater. Und Sie? sekretärin in vorzüglicher Weise gerecht Welt. Soll er reden? Oder soll er weiter zu Biedenkopf: Die CDU ist in einer außeror- geworden. Sie findet damit große Zustim- seinem Mentor Kohl stehen? Ein langjähri- dentlich schwierigen Lage. Sie ist auf das mung in der Partei. Gleichwohl ist es ger Kollege aus dem Adenauer-Haus meint: Engste mit ihrem jahrzehntelangen Vorsit- schwierig für die CDU, aus dem Schatten „Das Schlimme für Terlinden ist, dass er zenden verbunden. Helmut Kohl ist ja eines Mannes zu treten, der sie 25 Jahre be- das Gefühl hat, sein Vater werde an den stimmt hat. Aber es ist notwendig – nicht Pranger gestellt.“ Matthias Gebauer, Das Gespräch führten die Redakteure Hajo Schuma- wegen Helmut Kohl, sondern wegen der Christoph Schult cher und Andreas Wassermann. Zukunft der Union.

30 1/2000 SPIEGEL: Kohl ist seit über einem Jahr nicht Koch jüngere Ministerpräsidenten. Eine dem Zweck gegründet, politische Ent- mehr Parteivorsitzender, sondern nur noch Führung ist dann optimal, wenn sie eine scheidungen sorgfältig vorzubereiten. einfacher Bundestagsabgeordneter. Wieso tiefere Altersstaffelung aufweist. In Sach- SPIEGEL: Mit eher bescheidenen Auswir- leidet die CDU so an ihm? sen haben wir im Kabinett eine Alters- kungen. Biedenkopf: Das ist keine Frage von Funk- spanne von 29 Jahren. Das erweist sich als Biedenkopf: Politik bedeutet auch, dicke tionen. Das Verhältnis der jetzigen Par- außerordentlich fruchtbar. Bretter zu bohren. Sie können die beste teiführung zu Kohl ähnelt dem Verhältnis SPIEGEL: In den siebziger Jahren gehörten Einsicht haben, aber wenn der Zwang fehlt, eines amtierenden Bauern zum Altbauern. Sie als CDU-Generalsekretär zu den Mo- passiert nichts. Jetzt erzeugt den Zwang die Wie bekommt man ihn dazu, sich endgül- dernisierern in der Partei. Können Sie sich demografische Entwicklung. Ich höre oft ge- tig aufs Altenteil zurückzuziehen? Es ist vorstellen, noch einmal eine operative Auf- rade von Jüngeren in der CDU: Wir lassen ein ganz normaler Generationenkonflikt. gabe in der CDU zu übernehmen? nicht zu, dass unsere Zukunft verscherbelt Wie lange hat es denn gedauert, bis sich die Biedenkopf: Nur in der Funktion, die ich wird, nur weil ihr Älteren euch nicht einigen SPD von gelöst hat? Wie jetzt schon habe. Dass ich mich als Mi- könnt und auf euren Besitzständen hockt. haben Erhard und Kiesinger unter dem nisterpräsident an der Bundespolitik be- Nein, was die CDU betrifft, bin ich über- Schatten Adenauers gelitten. teilige, auch an der Programmentwicklung haupt nicht pessimistisch. Ich halte sie für SPIEGEL: Wird die Befreiung von Kohl der CDU, ist selbstverständlich. Im Übrigen außerordentlich kreativ, gerade die mittle- durch die Spendenaffäre beschleunigt? weiß ich die Partei bei Wolfgang Schäuble ren und jüngeren Generationen. Biedenkopf: Es geht nicht um Befreiung, und Angela Merkel in besten Händen. SPIEGEL: Die Jüngeren in Ihrer Partei wol- sondern um Neuorientierung. Die Spen- SPIEGEL: Biedenkopf als uneigennütziger len auch, dass in Sachen Parteispenden denfrage hat diesen Prozess dynamisiert. Supervisor der jungen Milden in der CDU? eine Zäsur vorgenommen wird. Muss das Aber ganz unabhängig davon ist es not- Biedenkopf: Weder Supervisor noch unei- Gesetz geändert werden, um künftige Ver- wendig, sich aus den Denkgebäuden, aus gennützig. Aber in einer unabhängigen fehlungen auszuschließen? den Verhaltensstrukturen, aus dem Poli- Rolle. Ich kann Debatten gegen Besitz- Biedenkopf: Wir müssen nicht das Partei- tikverständnis einer zutiefst von Helmut stände entfachen, ohne persönliche Kon- engesetz ändern. Als Lafontaine im Bun- Kohl geprägten Zeit zu lösen. Seine kraft- sequenzen befürchten zu müssen. Ein desrat blockierte, meinten viele: Wir müs- volle Führung bedeutete ja auch, dass vie- 40-Jähriger kann das nicht. Er muss er- sen die föderale Ordnung ändern. Denen le Mitglieder ihre Probleme bei ihm abge- hebliche Nachteile befürchten. Wenn er habe ich immer gesagt: Sie können das geben haben und von beste Auto bauen. dort eine Lösung er- Aber wenn derjenige, warteten. Bis sich neue der am Steuer sitzt, Strukturen bilden, dau- nicht fahren kann oder ert es eben. Zudem will, dann nützt das standen viele Fragen, beste Auto nichts. Das die die CDU jetzt an- gilt für das Thema packen muss, nicht auf Parteispenden genau- Kohls Agenda. so: Die Gesetze rei- SPIEGEL: Ihr Lieblings- chen aus, sie müssen thema, die Umgestal- nur beachtet und ange- tung der Sozialsysteme wandt werden. vor dem Hintergrund, SPIEGEL: Wie tief geht dass immer weniger der Schaden, den der Junge immer mehr Bruch-Pilot Kohl sei- Alte finanzieren müs- ner Partei zugefügt sen, ist unter Kohl je- hat? Wie gravierend ist denfalls zu kurz ge- die Erschütterung? kommen. Biedenkopf: Von Er- Biedenkopf: Die Folgen schütterung würde ich der Globalisierung, die nicht reden, wohl von Konsequenzen der EU- Verunsicherung. Aber Osterweiterung, die ich bin mir ganz sicher:

Rückwirkungen der K.-B. KARWASZ Die CDU wird sich veränderten Arbeits- CDU-Politiker Schäuble, Merkel: „Da ist die Partei in besten Händen“ fangen. Die Spenden- welt auf die sozialen frage ist nicht existenz- Einrichtungen und die Auswirkungen der Berufspolitiker ist, kann ihn das seine bedrohend. Schon beim Parteitag im April demografischen Veränderungen – das sind Karriere kosten. wird die CDU wieder Tritt gefasst haben. Fragen, die wir zwar gesehen haben. Aber SPIEGEL: Ist das Entfachen von Debatten Sie wird sich den inhaltlichen Herausfor- die CDU haben sie in den letzten 20 Jah- für einen Politiker nicht etwas wenig? derungen in der Familien- und Bildungs- ren eher weniger beschäftigt. Die Renten- Biedenkopf: Ohne Debatten keine demo- politik stellen. Ich möchte, dass die CDU reform wird heute in der Union schon nicht kratischen Entscheidungen. Es geht dar- die Frage zu ihrem Programm macht: Wo mehr im Sinne von Kohl und Blüm disku- um, Debatten zu erzwingen, also Tabus zu muss Deutschland im Jahre 2015 stehen? tiert, sondern im Sinne der 45-Jährigen und brechen und Widerstände zu überwinden. SPIEGEL: Was heißt das konkret? Jüngeren. Sie sind entscheidend für die Zu- Das setzt viel und solide Arbeit voraus. Biedenkopf: Das heißt: Welche politischen kunftsgestaltung Deutschlands. Wir neigen heute dazu, sehr schnell zu Aufgaben müssen bis 2015 angepackt und SPIEGEL: Demnach ist CDU-Chef Wolfgang eher intuitiv begründeten Schlussfolge- gelöst werden, um unser Land fit zu ma- Schäuble nur ein Mann des Übergangs? rungen zu kommen, anstatt auf Ermittlung chen für das 21. Jahrhundert und seine Her- Biedenkopf: Keineswegs. Die 45-Jährigen und Durchdringung der Sachverhalte zu ausforderungen. Wir brauchen ein neues und Jüngeren brauchen Wissen und Erfah- setzen. Professor Meinhard Miegel und ich Alterssicherungssystem. Wir werden die rung der Älteren. Außerdem haben wir in- haben das Bonner Institut für Wirtschaft Hochschulen verändern müssen. Sie müs- zwischen mit Peter Müller und Roland und Gesellschaft vor 22 Jahren genau zu sen untereinander stärker in den Wett-

der spiegel 1/2000 31 bewerb treten. Sie müssen lige ich mich als Bundes- sich auf die Weiterbildung kanzler. von 40- oder 50-Jährigen vor- SPIEGEL: Insofern behagt Ih- bereiten.Wir müssen die Fol- nen das Vorgehen beim gen aus der Veränderung der Rentengipfel schon eher? Arbeitswelt ziehen. Daraus Biedenkopf: Da wird ausge- ergibt sich die Frage: Wie lotet, ob die Parteien ein muss unsere staatliche Ord- gemeinsames Gesetz tragen nung gestaltet werden, um können, auch im Bundes- den Aufgaben der Zukunft zu rat. Das hat nichts mit entsprechen? Bündnis zu tun. Hier agie- SPIEGEL: Die rot-grüne Bun- ren gewählte Vertreter des desregierung verfolgt derzeit Volkes und keine Interes- zwei Modelle, um in Zu- senvertreter. Die Beteilig- kunftsfragen zu Lösungen zu ten haben ein politisches kommen. Bei der Rente ver- Mandat. handelt eine große Koalition SPIEGEL: Erwarten Sie bei der Parteien, beim Bündnis der Rente eher Ergebnisse? für Arbeit sind es die großen Biedenkopf: Der Zwang ist

Interessenvertreter. Welche BILDERDIENST ULLSTEIN größer. Wenn wir bis 2002 Methode halten Sie für er- Parteifreunde Biedenkopf, Kohl (1986): „Endgültig aufs Altenteil“ untrennbar verbundene folgversprechender? Probleme wie die Finanz- Biedenkopf: Zuerst einmal hat es mich ge- nahme ständig von der Erfüllung von For- verfassung, den horizontalen Finanzaus- freut, dass sich Bundeskanzler Gerhard derungen abhängig machen. Der Kanzler gleich und die Alterssicherung lösen wol- Schröder beim Bündnis für Arbeit offenbar sollte dieses Schauspiel beenden. len, wird es höchste Zeit. Scheitern wir, ist nicht vorführen lassen will, auch nicht von SPIEGEL: Und dann? nach dem Urteil des Bundesverfassungs- der IG Metall. Tatsächlich gibt es kein Biedenkopf: Dann sollte Gerhard Schröder gerichts der horizontale Finanzausgleich Bündnis für Arbeit. In einem Bündnis su- sagen: Setzt euch allein zusammen, macht und damit ein wesentlicher Baustein der chen beide Seiten unter Überbrückung ih- eine Liste der Fragen, in denen ihr über- Finanzverfassung nichtig. Dann wird uns rer alltäglichen inhaltlichen Differenzen einstimmt, und der strittigen Probleme. ein Großteil der Wähler für unfähig halten, nach gemeinsamen Lösungen. Stattdessen Und macht Vorschläge zur Lösung. Wenn die Probleme des Landes zu lösen. erleben wir eine mühsam zusammenge- ihr fertig seid, wird darüber in der Öffent- SPIEGEL: Herr Biedenkopf, wir danken Ih- haltene Runde, deren Teilnehmer ihre Teil- lichkeit diskutiert – und erst dann betei- nen für dieses Gespräch.