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Bochum:TR Industriekultur im Herzen des Reviers 29 2

Bochum: Themenroute 29 TR Industriekultur im Herzen des Reviers

Zeche Prinz Regent, 1955. Quelle: Presseamt Bochum 29 4 5

Inhalt Standorte der Themenroute 29

Einleitung ...... 6 Jahrhunderthalle ...... 14 Heimkehrer-Dankeskirche Weitmar . . . 52 Stahlwerke Bochum ...... 86 Bochum zwischen Geschichte und Westpark ...... 16 Bergbauwanderweg Bochum-Süd . . . . . 53 Zeche Lothringen ...... 88 Gegenwart ...... 7 Colosseum ...... 17 Kleinzeche Haunert ...... 54 Halde Lothringen ...... 89 Herrschafts-, Verwaltungs- und Mechanische Werkstätten des Bochumer Zeche Brockhauser Tiefbau ...... 55 Industrielehrpfad Gerthe/Grumme/ Gebietsstrukturen ...... 7 Vereins ...... 18 Gahlenscher Kohlenweg ...... 56 Hiltrop ...... 90 Bochum im Industriezeitalter ...... 8 Bochumer Verein Verkehrstechnik . . . . 19 Kohlenniederlage Carl Friedrichs Zeche Constantin der Große ...... 91 Wandel der Stadt – Bochum seit 1945 . . . 11 Siedlung Stahlhausen ...... 21 Erbstollen ...... 57 Tippelsberg ...... 92 Auswahlbibliografie ...... 13 Bochumer Verein Werk Stahlindustrie . . 22 Schleuse Blankenstein und Wasserwerk Hauptverwaltung Westfalia- Rombacher Hütte ...... 23 Stiepel ...... 58 Dinnendahl-Gröppel ...... 93 Bochumer Verein Werk Höntrop . . . . . 24 Zeche Vereinigte Pfingstblume ...... 60 Deutsches Bergbau-Museum Bochum . . . 94 Werksbahn Bochumer Verein und Zeche Vereinigte Gibraltar Erbstollen . . . 61 Bergschule/Technische Erzbahn ...... 26 Kemnader See ...... 62 Hochschule Georg Agricola ...... 96 Glückauf-Siedlung ...... 28 Zeche Klosterbusch und Stadtpark Bochum ...... 97 Zeche Vereinigte Carolinenglück 2/3 . . . 29 Bergbauwanderweg -Universität . . . 63 Villa Nora und Villa Rosenstein- Epiphanias-Kirche (Autobahnkirche Zeche Julius Philipp – Medizinmuseum Markhoff ...... 100 RUHR) ...... 30 im Malakowturm ...... 64 Bahnhof Bochum Nord und Gleisdreieck 101 Siedlung Dahlhauser Heide ...... 31 BOMIN-Haus ...... 65 Privatbrauerei Moritz Fiege ...... 103 Zeche Hannover I/II/V ...... 32 Konsumverein Wohlfahrt ...... 66 Kortum-Park ...... 104 Arbeiterhäuser Am Rübenkamp . . . . . 34 Eickhoff ...... 67 Hauptverwaltung BP/Aral ...... 105 Kolonie Hannover ...... 35 Melanchthonkirche ...... 68 Stadtarchiv Bochum ...... 106 Zeche Holland 3/4/6 ...... 36 Bergmannsheil ...... 69 Hauptbahnhof Bochum ...... 107 Bergbauwanderweg Eppendorf-Höntrop . 37 Knappschaft ...... 70 Sparkasse Bochum ...... 108 Zeche Maria Anna & Steinbank . . . . . 38 Schauspielhaus Bochum ...... 71 Westfalenbank ...... 109 Villa Baare ...... 39 Haus der Geschichte des Ruhrgebiets . . . 73 Lueg-Haus ...... 110 Eisenbahnmuseum Bochum ...... 42 BOGESTRA-Hauptverwaltung ...... 74 Glocke des Bochumer Vereins vor dem Dr . C . Otto ...... 43 Scharoun-Kirche ...... 75 Rathaus ...... 111 Bahnhof Dahlhausen ...... 45 Hauptfriedhof Bochum ...... 76 Christuskirche Bochum-Zentrum . . . . 112 Schwimmbrücke Dahlhausen ...... 46 Opel ...... 78 Schlegel-Brauerei ...... 114 Bergbauhistorischer Lehrpfad Brennerei Eickelberg ...... 80 Am Kortländer ...... 116 Bochum-Dahlhausen ...... 47 Müser-Brauerei ...... 81 Bochumer Eisenhütte Heintzmann . . . 117 Grab Heinrich Kämpchen ...... 48 Bahnhof Langendreer ...... 82 Zeche Friedlicher Nachbar ...... 49 Kokerei Neu-Iserlohn ...... 83 Wasserturm Bochum-Weitmar ...... 50 Zeche Robert Müser ...... 84 Impressum ...... 118 Zeche und Kraftwerk Prinz-Regent . . . . 51 Vinzentiuskirche ...... 85 Der Autor ...... 118 6 7

Bochum zwischen bunden waren . Wissenschaftlich umstritten Geschichte und Gegenwart ist auch das in der Literatur vielfach in diesem Zusammenhang genannte Jahr 1321, Bochum entwickelte sich im 19 . Jahrhundert als Graf Engelbert II . Bochum erweiterte von einer ländlichen Kleinstadt zu einer von Kompetenzen zugestand, darunter er- Kohle und Stahl geprägten Industrieme- neut die Abhaltung von Märkten sowie die tropole . Als typische Stadt des Ruhrgebiets Mitwirkung der Einwohner an der Recht- befindet sie sich seit rund sechs Jahrzehnten sprechung und Verwaltung . Erst mit dem in einem Strukturwandel, in dessen Ver- Beitritt zum märkischen Städtebund 1426 lauf sich ihr äußeres Erscheinungsbild stark wurde Bochum durchgängig als Stadt be- veränderte . Dennoch erinnern bis heute zeichnet . Als offizielles Stadtjubiläum gilt zahlreiche Bauten an das Industriezeitalter jedoch das Jahr 1321 . Das Bochumer Stadt- in Bochum, die die Themenroute Bochum wappen, ein mit der Öffnung nach rechts der Route Industriekultur in einer Auswahl liegendes und mit zwei Spangen geschlos- vorstellt . Der folgende Beitrag gibt in drei senes Buch, ist seit 1381 belegt . Nach der Ein- Abschnitten einen Überblick zur Stadtge- gemeindung von Wattenscheid 1975 wurde schichte seit den Anfängen im Mittelalter . der rot-weiße märkische Balken ergänzt . Der erste Abschnitt befasst sich mit den Grundzügen der Verwaltungs- und Gebiets- Größere Auswirkungen oder gar ein Ent- entwicklung, der zweite widmet sich Bochum wicklungssprung waren mit der Stadtwer- Die Zeche und das Kraftwerk Prinz Regent, 1960 . Quelle: Presseamt Bochum im Industriezeitalter, während der dritte die dung jedoch nicht verbunden . Bochum vergangenen fünf Jahrzehnte der Industriali- sollte über mehrere Jahrhunderte auf dem sierung und des Strukturwandels betrachtet . Stand eines lokalen Oberzentrums ver- Einleitung und spätere Gaskraftzentrale des Bochumer Im Vordergrund steht in Perspektive der harren, das als Markt-, Kirchen- und Ver- Vereins ist seit 2003 zentrales Festspielhaus Themenroute die wirtschaftliche Entwicklung waltungsort seinen Einfluss nicht über die Wie das gesamte Ruhrgebiet prägten Kohle der RuhrTriennale . Von den insgesamt vier als ausschlaggebender Faktor für Stadt- Dörfer des nahen Umlands auszudehnen und Stahl auch die Stadt Bochum über weit ehemaligen Werksstandorten führt die The- gestalt, Flächennutzung und Architektur . vermochte . Ihrem untergeordneten Cha- mehr als ein Jahrhundert . Ab 1842 entstand menroute zunächst nach Norden in Richtung rakter entsprechend, besaß Bochum keine hier mit dem „Bochumer Verein“ eines der Hordel zur Zeche Hannover und von dort Herrschafts-, Verwaltungs- Stadtmauer oder gar eine Burg, sondern nur größten Hüttenwerke des Ruhrgebiets . Die entgegen dem Uhrzeigersinn über Watten- und Gebietsstrukturen eine Wall- und Grabenanlage . An die Lage zeitgleich einsetzende Entwicklung des Stein- scheid nach Dahlhausen zum Eisenbahn- der fünf Stadttore, das Beck-, Brück-, Bon- kohlenbergbaus ließ Bochum bis 1929 zur museum, einem der bedeutendsten seiner Bochum gehört zu den ältesten Städten im gard-, Hellweg- und Buddenbergtor, erinnern wohl größten Bergbaustadt des Kontinents Art in Deutschland . Über Linden, Weitmar Ruhrgebiet . Ihre siedlungsgeschichtlichen noch heute entsprechende Straßennamen . mit 74 Schachtanlagen aufsteigen . Umso und Stiepel geht es nach Wiemelhausen Anfänge liegen im Mittelalter und stehen Gleichzeitig vermitteln sie einen Eindruck heftiger wirkte die Ende der 1950er-Jah- und schließlich in den Osten nach Langen- wahrscheinlich in engem Zusammen- der geringen Siedlungsfläche von nur rund re einsetzende Kohlenkrise, die Bochum dreer . Nach einem Abstecher nach Laer und hang mit der Eroberung der Region durch 2 km2, die schon im 16 . Jahrhundert zur als erste Großstadt der Region massiv traf . Altenbochum schließt sich der Kreis über Karl den Großen während der Sachsen- Ausdehnung der Bebauung in das Umland Bereits 1973 musste die letzte Zeche stillge- die nördlichen Stadtteile Werne, Gerthe und kriege (772-804) . Im ausgehenden 9 . Jahr- zwang . Im 18 . Jahrhundert wurde der früh- legt werden, nachdem kurz zuvor die Roh- Riemke . Über die Herner Straße geht es in hundert gab es im Bereich der heutigen neuzeitliche Rahmen schließlich endgültig eisenerzeugung aufgegeben worden war . Richtung Bochumer Innenstadt, wo u . a . Propsteikirche am Schnittpunkt zweier verlassen, als die Wälle verfielen, die Gräben das Deutsche Bergbau-Museum Bochum als überregionaler Verkehrswege ein Königs- zugeschüttet wurden und der neu gewon- Mit der Ansiedlung des Opel-Werks 1962 weltweit größtes seiner Art zu besichtigen ist . hof, um den sich wohl bald eine kleine nene Platz der Stadterweiterung diente . und insbesondere mit der zeitgleichen Ansiedlung bzw . einige Höfe gruppierten . Gründung der Ruhr-Universität gelang es Die Themenroute erschließt neben montan- Er war Teil des westfälischen Hellweges, der Die zunächst wenigen Hundert, im 18 . Jahr- Bochum jedoch, den notwendigen Struk- industriellen Anlagen Bauten des Verkehrs- sich von Duisburg über und Dort- hundert schließlich bis zu 1 .500 Einwohner turwandel erfolgreich und in einer ruhrge- und Transportsektors, Arbeitersiedlungen, mund bis nach Paderborn erstreckte . lebten von Handwerk, Handel und Land- bietsweit einzigartigen Weise anzugehen . Kirchen und Friedhöfe, aber auch Verwal- wirtschaft, die häufig auch als Nebenerwerb tungsbauten und Kultureinrichtungen . Sie Im 14 . Jahrhundert wurden Bochum Stadt- in den Sommermonaten betrieben wurde . Das Spektrum industriekultureller Standorte stellt eine Auswahl der in Bochum vorhande- rechte verliehen, doch ist der genaue Zeit- Insgesamt war das gesamte Gewerbe land- in Bochum ist trotz des frühen Umbruchs be- nen industriekulturell interessanten Objekte punkt nicht bekannt . Die älteste überlieferte wirtschaftlich orientiert . Außerhalb des Walls eindruckend . Ausgangspunkt und Glanzstück dar und berücksichtigt hier bedeutsame Urkunde von 1298 erwähnt einen Markt erstreckten sich Gärten und Felder sowie im dieser Themenroute ist die Jahrhundert- Beispiele, allerdings ohne den Anspruch an und gewährt einigen Bewohnern Besitz- Norden, im Bereich des heutigen Stadtparks, halle . Die ursprüngliche Ausstellungshalle eine auch nur annähernde Vollzähligkeit . rechte, die in der Regel an eine Stadt ge- die Vöde, auf der bis ins 19 . Jahrhundert das 8 9

Vieh weidete . Carl Arnold Kortum (1745- chender Anziehungskraft . So mussten die 1824), Arzt, Literat, Naturwissenschaftler und Bochumer es hinnehmen, dass große Teile wohl berühmtester Bochumer, kennzeichnete des Landkreises im Rahmen der Gebiets- Bochum noch Ende des 18 . Jahrhunderts als reformen aus ihrem Einflussgebiet heraus- „klein und eher mittellos“, genoss aber das fielen und Teil der neuen Mittelstädte Hat- angenehme Leben inmitten von Wäldern, tingen, Witten, Herne und Gelsenkirchen Wiesen und Feldern, „anmutigen Höhen und wurden . Bochum gewann 1904 durch die kräuterreichen Tälern mit kleinen Bächen“ . Angliederung der direkt an das Stadtgebiet angrenzenden Landgemeinden Grumme, Seit dem 14 . Jahrhundert bildete die Stadt das Hamme, Hofstede und Wiemelhausen den Verwaltungszentrum des Amtes Bochum, das Status einer Großstadt mit mehr als 100 000. große Teile der späteren Städte , Einwohnern . Zwischen 1926 und 1929 folgte Malakowturm der Witten, Castrop-Rauxel, Wanne-Eickel, Gel- mit Ausnahme der erst 1975 nachgerückten Zeche Centrum, senkirchen und Wattenscheid umfasste . Als Stadt Wattenscheid die Eingemeindung aller Schacht II, in Wat- die preußische Gebiets- und Verwaltungsre- anderen heutigen Stadtteile, sodass Bochum tenscheid . Quelle: form Mitte des 18 . Jahrhunderts die Amts- die Marke von 300 .000 Einwohnern über- Presseamt Bochum verfassung durch eine Kreisverfassung mit schritt . 1962 wurde der Höchststand von Landratsamt ersetzte, wurde Bochum unter 367 .000 erreicht . 1975 lag dieser mit Watten- Verlust seiner angestammten Funktion in den scheid bei 435 .000 . Heute sind es 371 .000 . sich südlich der Stadt in Stiepel, Linden, Anfang der 1860er-Jahre erreichte der Stein- neuen Kreis Hörde eingegliedert und behielt Dahlhausen, Querenburg, Wiemelhau- kohlenbergbau Wattenscheid, wo der Ab- nur die eigentliche Stadtverwaltung . Erst die Bochum im Industriezeitalter sen und Weitmar ausbreiteten . Insgesamt bau auf den Zechen Holland und Centrum mit der Besetzung der Grafschaft Mark durch lassen sich für diesen Bereich weit mehr begann, und in den 1870er-Jahren schließlich Napoleon verbundene Einführung der fran- Der Südraum Bochums und Witten gelten als 100 Anlagen, mit zum Teil jedoch nur Gerthe mit den Lothringen-Schächten, so- zösischen Verwaltungsordnung führte Stadt als Wiege des Ruhrbergbaus . Wahrschein- kurzer Betriebsdauer, nachweisen . Auf den dass das gesamte spätere Bochumer Stadtge- und Land wieder zusammen . Sie brachte lich wurde hier schon im Mittelalter Kohle Bochumer Bergbauwanderwegen finden biet erschlossen war . Spätestens jetzt begann Bochum zwischen 1808 und 1813 den Rang abgebaut, die im Ruhrtal an die Tagesober- sich zahlreiche Hinterlassenschaften dieses der Niedergang des Bergbaus im Bereich einer Kantonsstadt und Munizipalität im fläche tritt . Einen Aufschwung erhoffte sich vorindustriellen Bergbaus . 1816 entstand in der Ruhr, der den hochproduktiven Anlagen Arrondissement Dortmund des Ruhr-De- der preußische Staat von der Gründung Bochum die Bergschule zur Ausbildung des im Norden sowohl bei den Fördermengen partements . Dieser Zustand blieb nach dem des Märkischen Bergamts in Bochum 1738, nicht akademischen bergbaulichen Leitungs- als auch bei den Kohlenqualitäten zuneh- Sieg über Frankreich erhalten . Nachdem das den Bergbau gezielt fördern und weiter personals, die sich seit den 1860er-Jahren mend unterlegen war . Anfang des 20 . Jahr- 1815 unter Einführung der preußischen Ge- entwickeln sollte . Jedoch erst in den 1760er- zur mit Abstand größten Institution ihrer hunderts kam es in der Ruhrzone zu einer meindeordnung die neue Provinz Westfalen Jahren sollte sich die Situation ändern . Mit Art in Deutschland entwickeln sollte . ersten Stilllegungswelle, von der auch zahl- gebildet worden war, zu der auch die Gebiete dem Erlass einer neuen Bergordnung wur- reiche Bochumer Anlagen betroffen waren . der ehemaligen Grafschaft Mark gehörten, de das Direktionsprinzip eingeführt, das In den 1840er-Jahren setzte dann die Ent- erhielt Bochum den Rang einer Kreisstadt im dem Staat nicht nur die Kontrolle, sondern wicklung Bochums zum montanindustriellen Der Steinkohlenbergbau stand von Beginn Regierungsbezirk Arnsberg . Der Landkreis auch die Betriebsleitung der Zechen vor- Zentrum ein, das die Stadt für die folgenden an in enger Beziehung zur Eisen- und Stahl- Bochum erstreckte sich von Hattingen und behielt . Ausschlaggebend für die nun stark 120 Jahre prägen sollte . Den Wandel markier- industrie und zum Eisenbahnbau . Alle drei Witten bis nach Gelsenkirchen und Her- ansteigende Steinkohlenförderung waren te die 1844 nach vierjährigen Vorarbeiten in Branchen fanden jeweils in den anderen ne . Die Erhebung Bochums zur kreisfreien jedoch Infrastrukturmaßnahmen . Nachdem Betrieb gegangene Zeche Präsident hinter der die größten Absatzmärkte für Kohle, Stahl- Stadt 1876 markierte dann den Anfang der das Projekt des Gahlenschen Kohlenweges Stadtgrenze von Bochum zu Hamme, der ers- erzeugnisse und Transportdienstleistun- allmählichen Auflösung des Landkreises, vom Bochumer Süden nach Gahlen an der ten Tiefbauanlage im westfälischen Bereich gen . Die Folge war ein mehrere Jahrzehnte die Ende der 1920er-Jahre nach mehreren Lippe gescheitert war, eröffnete die Schiff- des Ruhrgebiets . Rasch folgten in der nun währender selbsttragender Aufschwung, der Eingemeindungswellen abgeschlossen war . barmachung der Ruhr in den 1770er-Jahren einsetzenden ersten Industrialisierungsphase durch die vor allem durch den Eisenbahn- erstmals die Möglichkeit, größere Mengen bis Ende der 1850er-Jahre weitere Bergwerke . bau beflügelte Nachfrage getragen wurde . Anders als den großen Nachbarstädten Kohle kostengünstig flussabwärts in Rich- Die Zeche Heinrich Gustav in Werne sollte Bochumer Hauptakteur war der Bochumer Essen und Dortmund, die nach und nach tung Rhein zu transportieren . Der Bergbau zur Keimzelle der Harpener Bergbau-AG Verein für Bergbau und Gussstahlfabrikation, ihre Kreisgebiete integrierten und damit wurde nun für viele Bochumer zum willkom- werden, der Anfang des 20 . Jahrhunderts der zu den ältesten Montanunternehmen des zu den großen Flächenstädten aufstiegen, menen Nebenerwerb während der Winter- mit 14 Einzelzechen größten reinen Berg- Ruhrgebiets gehörte und über fast 130 Jahre gelang es Bochum jedoch nicht, von die- monate, wenn die Landwirtschaft ruhte . baugesellschaft Deutschlands . Die Zeche mit Abstand größter Industriebetrieb der ser Entwicklung zu profitieren . Weder die Constantin der Große in Riemke dehnte bald Stadt war . Bereits 1842 als Firma Mayer & Erhebung zur Kreisstadt noch die Gewäh- Der absolute Schwerpunkt des Bochumer ihre Aktivitäten in den Herner Raum aus und Kühne an der Essener Chaussee westlich der rung der Eigenständigkeit führten zu ihrer Bergbaus lag bis Mitte des 19 . Jahrhun- avancierte später mit 14 Schachtanlagen zah- Stadt gegründet, erlangte das junge Unter- Akzeptanz als Oberzentrum mit entspre- derts im Bereich der Stollenzechen, die lenmäßig zum Rekordhalter im Ruhrgebiet . nehmen aufgrund seiner hohen Produkt- 10 11

kümmerten . Auf Initiative der Unternehmen dieser weitgehend unorganischen, aber ruhr- entstanden Arbeitersiedlungen . Während gebietstypischen Entwicklung lässt sich bis das Bochumer Stadtgebiet bis zur Jahrhun- heute in Bochum beobachten . Während der dertwende nahezu vollständig bebaut wurde Norden und Osten durch dichte Bebauung und schließlich mehr als 10 .000 Einwohner geprägt ist, konnten die südlichen Ortstei- pro km2 in drangvoller Enge beherbergte, le, auch durch den frühen Niedergang des erschloss sich der wohlhabendere Teil der Bergbaus bedingt, stärker ihren ländlichen Bevölkerung am Stadtpark ein repräsenta- Charakter bewahren . In der Gesamtschau tives Villenviertel . Der Stadtpark wurde ab wird das Bild jedoch von mitunter scharf 1876 auf dem Gelände der Vöde als erster voneinander abgegrenzten Räumen unter- kommunal finanzierter Park des Ruhrge- schiedlicher Strukturen geprägt . So liegen biets in mehreren Abschnitten angelegt . Industrieflächen, Wohngebiete und Natur- Zeche Carolinen- landschaft in stetem Wechsel nebeneinander . glück, Bahngleise Da der seit den 1870er-Jahren verstärkt ent- der Erzbahntrasse, stehende technische Großbetrieb auf eine Nachdem die Ausdehnung der alten Innen- Hamme, 1910 . stetige Expansion ausgelegt war, verstärkten stadt auf das gesamte Bochumer Stadtgebiet Quelle: Presse- sich die Entwicklungseffekte gegenseitig . seit den 1870er-Jahren eine gewisse Verlage- amt Bochum Zuliefernde und weiterverarbeitende Unter- rung des Zentrums hin zur neuen „Kortum- nehmen ergänzten die Branchenstruktur, straße“ als Hauptverkehrsachse in Richtung erweiterten die Gewerbeflächen und zogen Bahnhof Süd gebracht hatte, setzte in der qualität schon bald überregionale Bedeutung . Witten am neuen Bochumer Bahnhof an der weitere Arbeiter aus bevölkerungsreichen, zweiten Hälfte der 1920er-Jahre ein rasanter Ausschlagegebend hierfür war insbesondere Südgrenze der Stadt zu Wiemelhausen ein . aber beschäftigungsarmen ländlichen Regio- Wandel im Stadtbild ein . Zahlreiche reprä- das um 1850 von Jacob Mayer entwickelte Als zwei Jahre später die Linie über Essen nen an . Das Ergebnis war die typische Mono- sentative Neubauten verdrängten weite Teile Stahlformgussverfahren, mit dem weltweit und Mülheim nach Oberhausen und Duis- struktur des Ruhrgebiets, die sich im Verlauf der an engen Gassen liegenden Fachwerkar- erstmals hochwertige Stahlprodukte wie burg verlängert und gleichzeitig die Strecke der Kohlenkrise der ausgehenden 1950er- chitektur und ließen das vorindustrielle Am- Maschinenteile ohne den bis dahin üblichen nach Dortmund fertiggestellt worden war, Jahre schmerzhaft bemerkbar machen sollte . biente immer stärker verblassen . Dazu gehört arbeitsintensiven Schmiedeprozess herge- konnten die Bochumer erstmals schnell weite etwa das neue Rathaus, die gegenüberliegen- stellt werden konnten . Weltbekannt wurde Teile des Ruhrgebiets erreichen . Anfang der Im Laufe der Zeit dehnten sich die zu Ar- de neue Hauptpost, das Kaufhaus Alsberg das Unternehmen mit seinem Glockenguss, 1870er-Jahre begann die Rheinische Eisen- beits- und Siedlungszwecken benötigten (später Kortum) und die Kommunalbank auch wenn diese Sparte regelmäßig nur einen bahngesellschaft mit der Weiterführung Gebiete aus und es entstanden industrielle (Sparkasse), sodass die Bochumer Innen- geringen Bruchteil zum Umsatz beitrug . ihrer Linie von Osterath im Rheinland über Ballungszentren bzw . Teilstädte, deren Aus- stadt über mehrere Jahre zur Großbaustelle Bochum nach Dortmund und errichtete dehnung die ursprünglichen Siedlungsflä- wurde . Dazu trug auch die Hochlegung der Als großes Problem erwies sich für die wirt- 1874 den zweiten Bochumer Bahnhof – chen der Altgemeinden bei weitem überragte . die Stadt einkreisenden und den Straßenver- schaftliche Entwicklung Bochums der an- „Bochum Rheinisch oder „Bochum-Nord“ Im Raum Bochum entwickelte sich so bereits kehr stark behindernden drei Bahnlinien auf fangs fehlende Eisenbahnanschluss . Die seit genannt –, sodass der Bergisch-Märkische im 19 . Jahrhundert eine Art Sternstadt, Bahndämme bei . Bis heute ist das Bochumer Anfang der 1840er-Jahre geplante und nach Bahnhof die Bezeichnung „Süd“ erhielt . deren Industriegemeinden sich als Unter- Zentrum im so genannten Gleisdreieck nur mehrjähriger Bauzeit 1848 in Betrieb gegan- zentren um das Oberzentrum gruppierten, nach Unterquerung einer Brücke erreichbar . gene Köln-Mindener Eisenbahn hatte sich im Die Stadtentwicklung erfolgte im 19 . Jahr- aber weitgehend ein Eigenleben führten . mittleren Ruhrgebiet vor allem aus Kosten- hundert weitgehend planlos, nur ausgerichtet Wichtige Verwaltungs- und Dienstleistungs- Mit fast 20 .000 Mitarbeitern war der Bochu- gründen für eine Trassenführung durch den auf die Bedürfnisse der Produktion . Es ent- funktionen wie das Wasserwerk, die Spar- mer Verein weiterhin mit Abstand der größte dünn besiedelten Emscherbruch entschieden . standen punktuelle Siedlungsspitzen, die sich kasse und die Straßenbahn wurden jedoch Arbeitgeber . Als zweites Großunternehmen Somit lag der nächste Bahnhof in Herne, an den Standorten der Unternehmen orien- zunehmend in der Stadt Bochum konzent- etablierte sich in den 1920er-Jahren die von rund 8 km vom Bochumer Zentrum entfernt . tierten, nicht aber an bestehenden Ortschaf- riert . Die Verbindungsadern zu den Unter- der Bergbau AG Lothringen gegründete Auch wenn er den Namen „Bochum-Her- ten . Im Mittelpunkt des Interesses lagen die zentren bildeten weiterhin die alten und Eisen- und Hüttenwerke AG mit ihren neuen ne“ trug, erschien das Oberzentrum dadurch industriellen Standortfaktoren wie Verkehrs- noch heute nach ihrem Zielort benannten, Werksanlagen an der Castroper Straße, den in überregionaler Perspektive als Vorort des verbindungen, die Rohstoffversorgung und radial auseinanderlaufenden Straßen nach späteren Stahlwerken Bochum . Relativ stabil kleinen Emscherstädtchens, das zu dieser im Ruhrgebiet besonders die Struktur des Hattingen, Witten, Castrop, Dorsten, Her- blieb der Anteil der Bochumer Zechen an der Zeit noch nicht einmal 1 000. Einwohner be- Steinkohlengebirges, die allein die Schacht- ne und Essen, deren Ränder nun ebenfalls Gesamtförderung des Ruhrgebiets, der seit saß . Erst als die Bergisch-Märkische Eisen- ansatzpunkte bestimmte . Um die neuen Be- bevorzugt besiedelt wurden . Zwischen den der Jahrhundertwende bei rund 12,5 % lag . bahn Mitte der 1850er-Jahre Verbindungen triebe siedelten sich Arbeiter und Angestellte Vorortgemeinden und Industrieansiedlun- Aufgrund ihrer rund 20 Zechen und rund 50 zwischen den großen Hellwegstädten plan- an, denen bald Handwerker, Kaufleute und gen lagen zu dieser Zeit noch größere Frei- Schachtanlagen galt Bochum neben Gelsen- te, rückte das Eisenbahnzeitalter auch für Dienstleister folgen, während die Kommu- flächen, die erst im 20 . Jahrhundert nach kirchen als zechenreichste Stadt Europas . Bochum näher . 1860 lief der erste Zug aus nen sich um den Ausbau der Infrastruktur und nach geschlossen wurden . Das Ergebnis Ihre besondere Bergbaunähe dokumentierte 12 13

auch das Anfang der 1930er Jahre auf dem betroffen waren die Bochumer Zechen, die sich dies bei den Arbeitslosenzahlen zunächst schaft Deutschlands, und zahlreiche Vertreter Gelände des ehemaligen Schachthofs eröff- aufgrund ihrer südlichen Lage im Ruhrge- nicht bemerkbar . Die Quote erreichte 1973 des Maschinenbaus und der Bauwirtschaft . nete Bergbau-Museum Bochum, das 1974 biet schon seit den 1920er-Jahren mit dem gerade 2,5 %, um sich dann durch die allge- In der Folge erfasste die Entwicklung auch durch das Fördergerüst der ehemaligen Dort- geologisch ungünstigen Steinkohlengebirge meine Wirtschaftskrise bis Mitte des Jahr- Handel und Konsumgüterindustrie . Diese munder Zeche Germania gekrönt wurde und und folglich hohen Förderkosten zu kämp- zehnts mehr als zu verdoppeln . Ein Grund für erneuten Verluste von mehreren Tausen- bis heute weltweit das größte seiner Art ist . fen hatten . Nachdem viele Bergleute schon die verzögerte Entwicklung war der Bevöl- den Arbeitsplätzen waren nun nicht mehr 1958 zu ersten Feierschichten gezwungen kerungsrückgang auf 351 000,. der einen Teil kompensierbar, und die Arbeitslosenquote Wandel der Stadt – Bochum seit 1945 worden waren, verdichtete sich 1959 die der Verluste kompensierte . Eine erheblich erreichte 1986 mit 15 % einen absoluten Gewissheit, dass in Bochum umfangreiche größere Bedeutung besaß jedoch der erfolg- Maximalwert, um bis heute auf einem Niveau Der Zweite Weltkrieg endete in Bochum am Stilllegungen bevorstanden . Die nun auf- reiche Strukturwandel, der in Bochum mit von rund 10 % zu verharren . Damit ist deut- 10 . April 1945, als US-amerikanische Trup- kommenden Massenproteste verhinderten zwei grundlegenden Entwicklungen verbun- lich, dass sich Bochum weiterhin im Struk- pen die Stadt besetzten . Durch die seit 1943 nicht, dass zwischen 1960 bis 1964 acht den war . Schon in den 1950er-Jahren bemüh- turwandel befindet bzw . die Entwicklungen verstärkt einsetzenden Luftangriffe, deren Großzechen mit rund 20 .000 Arbeitsplät- te sich die Stadtverwaltung trotz des Mangels der vergangenen Jahre die Stadt zu einem negativen Höhepunkt der Großangriff vom 4 . zen ihren Betrieb einstellten . Auch in den an freien Flächen für Gewerbeansiedlungen weiteren Strukturwandel herausfordern . November 1944 bildete, waren große Teile der folgenden Jahren verging kaum ein Jahr erfolgreich um eine Diversifizierung der Innenstadt wie der Vororte zerstört worden . ohne Zechenschließung, so dass Bochum Wirtschaft . Der größte Erfolg war schließlich Der systematische Wiederaufbau setzte 1948 1973 nach der Betriebseinstellung von mit der Ansiedlung des Opel-Werkes ver- Auswahlbibliografie nach der Währungsreform ein, als die Bochu- Hannover-Hannibal als erste Großstadt des bunden, das 1962 nach zweijähriger Bau- mer Stadtverwaltung einen umfangreichen Ruhrgebiets keinen Bergbau mehr besaß . zeit auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Bähr, Manfred: Bochumer Zechen . Eine Neuordnungsplan für die Innenstadt vor- Dannenbaum in Laer die Produktion des Datensammlung 1620-1974, Bochum 2012 legte . Kernpunkt der in den folgenden Jahren Die Krise erfasste in den 1960er-Jahren auch neuen Volumenmodells „Kadett“ aufnahm . umgesetzten Maßnahmen war die verkehrs- die Stahlindustrie . Es folgten massive Stillle- Ende der 1970er-Jahre beschäftigte Opel in Bleidick, Dietmar: Bochum für technische Optimierung, sodass ein Großteil gungs- und Konzentrationsbewegungen, die Bochum als mit Abstand größter Arbeitgeber Klugscheißer, Essen 2020 der angestammten Fluchtlinien aufgegeben erst Ende der 1990er-Jahre mit der Entste- rund 20 .000 Mitarbeiter . 2014 wurde in den wurde, die Grundstruktur der Vorkriegszeit hung der ThyssenKrupp AG weitgehend ab- Bochumer Opelwerken die Fertigung ein- Brinkmann, Karl: Bochum . Aus der aber erkennbar blieb . Neben einer Verle- geschlossen waren . Der Bochumer Verein ge- gestellt . Seither befindet sich das Gelände des Geschichte einer Großstadt des Re- gung und vollständigen Beseitigung sowie riet bereits Ende der 1950er-Jahre unter den Hauptwerkes unter dem Namen „Mark 51°7“ viers, 2 . Aufl . Bochum 1968 der bevorzugten Verbreiterung von Straßen Einfluss des Krupp-Konzerns, der ihn Mitte in der Vermarktung als neues Forschungs- beinhaltete das Konzept die Schaffung einer der 1960er Jahre mit seiner Tochtergesell- und Technologiezentrum . Neben der Ruhr- Bund deutscher Architekten, Kreis- Nord-Süd-Achse über die Königsallee, die schaft Hütten- und Bergwerke Rheinhausen Universität und diversen Unternehmen wurde gruppe Bochum (Hg .): Bau- Victoriastraße und die Hans-Böckler-Straße AG zur Fried . Krupp Hüttenwerke AG fu- auch ein Paketzentrum der DHL angesiedelt . en in Bochum, Bochum 1986 sowie einer West-Ost-Achse über die Mas- sionierte . Umgehend begann die Schließung senbergstraße, die Bongardstraße und die zahlreicher Produktionsstätten, darunter Der zweite grundlegende Schritt betraf die Darpe, Franz: Geschichte der Alleestraße . Zur Entlastung dieser Haupt- 1968 der Hochofenanlage, mit deren Abriss Weiterentwicklung Bochums zum Bildungs- Stadt Bochum, Bochum 1894 radialen entstand der nach den Himmels- in Bochum die Roheisenerzeugung endete, standort mit überregionaler Bedeutung . richtungen bezeichnete Innenring um den und bis 1985 von drei der vier Werksstandor- 1961 fiel die Entscheidung zum Aufbau der Friedemann, Peter/ Seebold, Gustav Stadtkern . Ein wichtiger Aspekt war auch die te . Erhalten blieben das ThyssenKrupp Edel- ersten großen Nachkriegsuniversität und (Hg .): Struktureller Wandel und kul- Verlegung des Hauptbahnhofes 1957 von dem stahlwerk in Höntrop sowie das vom Bochu- zugleich der ersten Universität im Ruhrge- turelles Leben . Politische Kultur in schon länger als ungünstig angesehenen alten mer Verein Verkehrstechnik GmbH genutzte biet zugunsten von Bochum . Anfang 1965 Bochum 1860-1990, Essen 1992 Standort . Damit verlagerte sich zum zweiten Schmiedewerk . In den 1990er-Jahren wurden begann der Lehrbetrieb in ersten Gebäuden, Mal innerhalb von 100 Jahren das städtische im alten Stammwerk an der Alleestraße die doch blieb die Ruhr-Universität bis in die Mittag, Jürgen/Wölk, Ingrid (Hg): Bo- Zentrum, dessen Architektur bis heute in wei- Jahrhunderthalle – heute Veranstaltungsort 1970er-Jahre, als das Audimax fertiggestellt chum und das Ruhrgebiet . Großstadt- ten Teilen den Wiederaufbau der 1950er- und und Ankerpunkt der Route der Industrie- wurde, eine Baustelle . Nach achtjähriger bildung im 20 . Jahrhundert, Essen 2005 1960er-Jahre widerspiegelt . Heute erinnern kultur – und die meisten der angrenzenden Planungs- und Bauzeit erweiterte 1979 die nur noch wenige Beispiele wie die Gaststätte Maschinenhallen unter Denkmalschutz ge- Fachhochschule Bochum, heute Hochschule Pätzold, Stefan (Hg .): Bochum . Klei- Mutter Wittig oder das Brauhaus Rietkötter stellt . Im Rahmen des Projektes „Innenstadt Bochum, das akademische Bildungsangebot . ne Stadtgeschichte, Regensburg 2017 auf den ersten Blick an das alte Bochum . West“ folgte die Umnutzung des ehemaligen Industriegeländes mit seinen attraktiven Ungeachtet dieser Erfolge erfasste in den Rudzinski, Marco: Ein Unternehmen und Schon Anfang der 1960er-Jahre wurde Bauten zu einem 38 ha großen Park . 1980er-Jahren eine weitere Entindustriali- „seine“ Stadt . Der Bochumer Verein und Bo- schnell deutlich, dass die Krise des Ruhr- sierungswelle die Stadt Bochum . Zahlreiche chum vor dem Ersten Weltkrieg, Essen 2012 bergbaus keine kurzfristige konjunkturelle Obwohl Bochum innerhalb von 15 Jahren bedeutende und teilweise alteingesessene Schwankung darstellte, sondern vielmehr ein rund 50 .000 Arbeitsplätze in den beiden Unternehmen mussten aufgeben, so die Bo- Wagner, Johannes Volker (Hg .): Wandel einer tiefgreifendes Strukturproblem . Besonders traditionellen Leitbranchen verlor, machte min AG, die größte private Mineralölgesell- Stadt . Bochum seit 1945, Bochum 1993 14 15 Standorte der Themenroute 29

Innenraum der Jahrhunderthalle Jahrhunderthalle Bochum . Foto: Bochum . Foto: Bochumer Ver- Bochumer Ver- anstaltungs-GmbH anstaltungs-GmbH

1 Jahrhunderthalle die Halle nach Ausstellungsende demontiert der Krupp Stahl AG bestehen . 1991 folgte bilden darüber hinaus während der Vorstel- und 1903 in Bochum auf dem Firmenge- der Denkmalschutz für die Jahrhundert- lungen einen zentralen Aspekt des Bühnen- Die Jahrhunderthalle gehört zu den wich- lände wieder aufgebaut . Von nun an diente halle und die beiden Wasserhochbehälter als konzeptes . Oberhalb der Kranbahn und in tigsten Industriedenkmalen des Ruhrgebiets . sie als Gaskraftzentrale des Unternehmens herausragende Beispiele der Wirtschafts-, den Giebelräumen wurden Zentralen für die Sie ist Ankerpunkt der Route der Industrie- und bildete das Zentrum der werkseigenen Sozial-, und Stadtgeschichte Bochums . In Bühnentechnik eingerichtet . Um behagliche kultur, zentraler Spielort der RuhrTriennale Energieversorgung . Hier verbrannten gro- dieser Zeit entstand auch der Name „Jahr- Temperaturen für den Zeitraum Mai bis Ok- und zugleich Aushängeschild des Bochumer ße Gasmotoren das im Hochofenprozess hunderthalle“, da zunächst irrtümlich von tober zu garantieren, erhielt der Hallenboden Zukunftsstandorts „Innenstadt-West“ . entstehende Gichtgas und trieben sowohl ihrer Verwendung auf der Pariser Weltaus- eine Dämmung und eine Fußbodenheizung . Generatoren zur Erzeugung von elektrischer stellung 1900 ausgegangen worden war . Ursprünglich 1902 für die Düsseldorfer Energie als auch die Gebläsemaschinen der Die wichtigsten Veränderungen bilden zwei Industrie- und Gewerbeausstellung als Hochofenwindversorgung an . Damit er- Im Rahmen der Internationalen Bauaus- Neubauten, die die Jahrhunderthalle von Pavillon des Bochumer Vereins für Bergbau gänzte die Anlage die Dampfkrafterzeugung . stellung Emscher Park wurde die Jahr- außen ergänzen . An der Südseite entstand und Gussstahlfabrikation errichtet, wurde hunderthalle vorsichtig restauriert und im 2003 „Saal 1“, ein vollständig unterkellertes, Kontakt & Infos Als die Montankrise in den 1960er-Jahren April 1991 für Ausstellungen, Kultur- und zweigeschossiges Foyergebäude mit Galerie auch den mittlerweile zum Krupp-Konzern Sportveranstaltungen nutzbar gemacht . 2002 und Café . An den Stirnseiten schließen sich gehörenden Bochumer Verein erschütterte, begann der Umbau zum zentralen Spiel- Balkone mit offenen Treppenanlagen an . Im Jahrhunderthalle stand das Stammwerk an der Alleestraße ort der RuhrTriennale . Der Innenraum mit Keller befindet sich die zentral angeordnete An der Jahrhunderthalle 1 bald vor dem Aus . Nachdem Ende des Jahr- seiner einzigartigen Ausstrahlung ist dabei Besuchergarderobe mit WC-Anlagen sowie D-44793 Bochum zehnts der letzte Hochofen stillgelegt worden nahezu unverändert belassen worden . Durch technischen Betriebs- und Lagerräumen . Ein www .jahrhunderthalle-bochum .de war, begann der Abriss großer Anlagenteile . reversible Vorhänge kann die Gesamtfläche zweiter Anbau entstand in Verlängerung der Die Maschinen in der nun funktionslosen von fast 10 .000 Quadratmetern in mehre- Jahrhunderthalle zum Wasserturm hin . In Gaskraftzentrale wurden demontiert und re unterschiedlich große Hallen unterteilt dem sechsgeschossigen Neubau mit Sattel- verschrottet, doch blieb die Halle zunächst werden . Die vorhandenen Kräne und Kran- dach wurden u . a . Garderoben- und Auf- als Schlosserei und später als Hauptlager bahnen sind multifunktional einsetzbar und enthaltsräume für Künstler eingerichtet . 16 17

erst letzte Schichtung auf einem Terrain, das zuvor rund 130 Jahre der Produktion von Roheisen und Stahl gedient hatte . Das Ge- lände wurde in dieser Zeit mehrfach dras- tisch überformt, da die Werksanlagen durch Das Colosseum . Abriss und Neubau stetig den Anforderungen Foto: Presse- der Produktion angepasst werden mussten . amt Bochum Die Reststoffe, darunter große Mengen an Westpark . Foto: Schlacke, verblieben am Ort und wurden Presseamt Bochum 2 Westpark in Gründungen und Überdeckungen ein- 3 Colosseum Mit dem Abriss der Siemens-Martin-An- gebaut . Ihre Höhenunterschiede sind nicht lagen 1983 stand auch die Existenz des Mit dem Projekt „Innenstadt West“ wurde natürlichen Ursprungs, sondern Folge einer Der Werksbetrieb des Bochumer Vereins Colosseums auf dem Spiel . Nachdem bereits seit den 1990er-Jahren eine der letzten gro- Werksplanung, die systematisch mit den formte eine auf die Anforderungen eines in den 1950er-Jahren die Rundbogenöff- ßen ehemals schwerindustriellen Flächen in Vorteilen verschiedener Ebenen arbeitete integrierten Hüttenwerks ausgerichtete nungen durch kleine rechteckige Fenster zentraler Lage Bochums für die Öffentlich- und auf dem vergleichsweise kleinen Gelän- Industrielandschaft . Stützmauern spiel- ersetzt worden waren und so die ursprüng- keit wiedergewonnen . Die jahrzehntelang für de den Bau in die Höhe auch aus Gründen ten bei dem im Abschnitt „Westpark“ be- liche Anmutung verloren ging, leitete nun Werksfremde „verbotene Stadt“ des Bochumer der Platzeinsparung favorisierte . Die Ebenen schriebenen Konzept der unterschiedlichen die Beseitigung des oberen Stockwerks einen Vereins für Bergbau und Gussstahlfabrika- erleichterten die Errichtung neuer Produk- Ebenen eine buchstäblich tragende Rolle, systematischen Verfall ein . Fehlende Dach- tion wich nach und nach einem modernen tionsstätten, die Anlage kreuzungsfreier denn die künstlich angehäuften Massen aufbauten führten zu einem verstärkten Wit- Stadtquartier, dessen Entwicklung bis heute Transportwege und Materialschüttungen aus benötigten Schutz vor Rutschungen und terungseinfluss auf das Mauerwerk, sodass jedoch noch nicht abgeschlossen ist . Neben der Höhe auf nun tiefer liegende Geländeteile . Abbrüchen . Dies galt insbesondere für den 1997 die Baufälligkeit festgestellt und ein Wirtschafts- und Kultureinrichtungen bildet Bau großer Werksanlagen wie dem etwa Abbruch empfohlen wurde . Nach der Revita- der Westpark ein Kernelement der Planungen . Auch nach der Beseitigung der eigentlichen 300 x 100 Meter großen Stahlwerksplateau . lisierung der Jahrhunderthalle entschlossen Fertigungsanlagen zeigt der Westpark diese Hier entstand 1911/12 rund 16 m über dem sich die Stadt Bochum und die Landesent- Mit dem im Rahmen der IBA Emscherpark terrassierte Landschaft mit beeindrucken- unteren Geländeniveau in Ergänzung des wicklungsgesellschaft NRW 2005 zur Siche- entwickelten Gestaltungskonzept des ring- den Industriebauten . Über dem städtischen älteren Werks von 1874 das neue Siemens- rung und Renovierung des Bauwerks . 2010 förmigen Parks rund um die Jahrhunderthalle Grundniveau von 70 Metern Höhe über Martin-Stahlwerk II . Die Anlage bestand aus konnte das in neuem und ursprünglichem wurden mehrere Ziele verfolgt: Es berück- Normal Null folgen in 10-Meter-Sprüngen einer Gaserzeugerhalle mit Generatoren, der Glanz erstrahlende Colosseum sowie der sichtigt zunächst die Vorgaben zur Bewäl- zwei weitere Höhenschichten . Wie ein Krater 80 Meter langen Mischerhalle, der Ofen- davor liegende Platz eingeweiht werden . tigung der Bodenkontamination, wertet so liegt im Zentrum des Geländes die 80-Meter- halle und der 120 Meter langen Gießhalle . das durch die Industrieentwicklung belastete Ebene, auf der die Jahrhunderthalle thront, Die sieben farbigen Stahlrohr-Skulpturen Standortimage auf und macht ihn interessant die ehemalige Gaskraftzentrale des Werkes . Das architektonische Konzept der im in der Rundbogenfassade wurden zwischen für Investoren . Der öffentliche Park bietet Auf dieser Ebene befinden sich auch die 2007 Ruhrgebiet einmaligen mächtigen Stütz- 1985 und 1990 von dem renommierten zudem den Rahmen einer Erlebnisland- entstandenen „Wasserwelten“ der ehemaligen mauer am Eingang des Westparks an der Bochumer Künstler Friedrich Gräsel ge- schaft, während die umliegenden Wohn- Klärteiche und Kühltürme mit einer spektaku- Alleestraße folgte zunächst dem Ziel hoher schaffen . Nachdem die Skulpturen das quartiere einen neuen Naherholungsbereich lären Nachtgestalt . Darüber bildet die 90-Me- Stabilität bei gleichzeitig möglichst geringem Colosseum bereits 1994 geschmückt hat- erhalten . Von den Hochpunkten des neuen ter-Ebene einen breiten Geländesaum, auf dem Materialaufwand . Mittel zum Zweck war ten, gingen sie zunächst für einige Jahre Parks eröffnet sich eine herausragende Fern- sich früher im Norden die Hochöfen und im ein Arkadenstil mit Rundbögen, der ihr in auf Ausstellungsreise . Darauf erwarb sie sicht über Teile des Bochumer Stadtgebiets . Süden das Siemens-Martin-Stahlwerk befan- Anlehnung an das berühmte Amphitheater die „Stiftung der Sparkasse Bochum zur den . Steinerne Böschungen und weiche Gelän- in Rom bald den Beinamen „Colosseum“ Förderung von Kultur und Wissenschaft“ Der zwischen 1999 und 2007 in mehreren demodellierungen verbinden die drei Niveaus . einbrachte . Die Belegschaft bezeichnete sie und ließ sie 2001 dauerhaft hier aufstellen . Abschnitten entstandene Park ist die vor- dagegen als „Klagemauer“ . Zur weiteren Kontakt & Infos Der Entwurf des neuen Westparks stellt die Stabilisierung der aus etwa 2,8 Millionen Kontakt & Infos vorgefundene Geländestruktur heraus, über- Ziegelsteinen errichteten Mauer wurden höht sie an einigen wenigen Stellen und ver- die Stützpfeiler durch queraussteifende, Westpark bindet sie mit Rampen, Treppen und Brücken . tragende Zwischendecken verbunden . Colosseum Eingang Alleestraße 80 und an der Von der U-Bahnstation „Bochumer Verein/ Dadurch entstand zugleich ein nutzbares Alleestraße Jahrhunderthalle, 44793 Bochum Jahrhunderthalle Bochum“ an der Alleestraße Gebäude, das in seinem Inneren Wasch- 44793 Bochum führt eine breite Treppenanlage hinauf auf kauen, Büros und Materiallager beherbergte . die 90-Meter-Ebene . Vom Wohngebiet und Im unteren Teil existierten Kriechgänge, dem Parkplatz im Westen an der Gahlen- die im Zweiten Weltkrieg in das weiträu- schen Straße leitet ein bequemer Anstieg zur mige, unterirdische Luftschutzsystem des Jahrhunderthalle auf das mittlere Niveau . Bochumer Vereins integriert wurden . 18 19

5 Bochumer Verein mit rund 600 Beschäftigten wieder unter dem Verkehrstechnik historischen Namen und gehört zur Georgs- marienhütte Holding . Das Lieferprogramm Die Bochumer Verein Verkehrstechnik umfasst Radsatzkomponenten und Radsät- GmbH, kurz „Bochumer Verein“, ge- ze für den schienengebundenen Nah- und hört zu den traditionsreichsten Unter- Fernverkehr . Zu den Kunden zählen weltweit nehmen des Ruhrgebiets und erinnert namhafte Schienenfahrzeug-Hersteller und nicht nur namentlich, sondern auch durch Betreiber sowie Nahverkehrsunternehmen . seinen Produktionsschwerpunkt Eisen- bahnmaterial an den Leitsektor der In- Neben modernsten Produktionsstätten be- dustrialisierung im 19 . Jahrhundert . findet sich auf dem Werksgelände ein ein- zigartiges technikhistorisches Objekt . Die Die Mechanischen 1842 als Firma Mayer & Kühne gegründet, Halle des 1865 vom ehemaligen Bochumer Werkstätten . erlangte das junge Unternehmen aufgrund Verein errichteten Hammerwerks 2 ist nicht Foto: RIK/Rein- seiner hohen Produktqualität schon bald nur eine der ältesten erhaltenen Stahlkons- hold Budde überregionale Bedeutung . Ausschlagge- truktionen im Hallenbau überhaupt, son- bend hierfür war das um 1850 von dem dern auch die erste in Deutschland, die eine Mitbegründer Jacob Mayer entwickelte Dreigelenksbogenkonstruktion erhielt . Diese 4 Mechanische Werkstätten wie Schupp setzte Mewes die modernen Stahlformgussverfahren, mit dem erstmals bis dahin nur im Brückenbau verwendete des Bochumer Vereins Architekturströmungen der 1920er-Jah- hochwertige Stahlprodukte wie Maschinen- Technik sollte hier die starken Erschütterun- re im Industriebau auch nach 1933 fort . teile ohne den bis dahin üblichen arbeitsin- gen der Dampfhämmer kompensieren . 2013 Als markante Architektur erstreckt sich an tensiven Schmiedeprozess hergestellt werden wurde die Fertigung in der Halle eingestellt . der Alleestraße die streng gegliederte Front Die langgestreckte Hallenfront der weitge- konnten . Vor allem die Gussstahlglocken der ehemaligen Mechanischen Werkstätten hend unverändert erhaltenen Mechanischen sorgten für ein weltweites Renommee . Bis vor einigen Jahren arbeitete am Stand- des Bochumer Vereins . In ihnen erfolgte die Werkstätten wird am Tor 5 durch ein turmar- Daneben lag der Tätigkeitsschwerpunkt ort auch noch eine 6 .000-t-Schmiedepres- Nachbearbeitung und Montage von Er- tiges, sechsgeschossiges Verwaltungsgebäude von Beginn an bei Radsätzen, Rädern und se aus dem Jahr 1937 . Nach dem Zweiten zeugnissen der Schmieden, der Press- und akzentuiert . Nach Westen zur Wattenscheider Radreifen für Eisen- und Straßenbahnen . Weltkrieg demontiert, wurde sie am Ziel- Walzwerke . Die neuen Mechanischen Werk- Straße findet die Halle ihren Abschluss eben- ort in England jedoch niemals eingesetzt stätten wurden 1935/36 unter Einbeziehung falls in einem kubischen Kopfbau . Die Rück- 1854 erfolgte die Umwandlung in eine und in den 1950er-Jahren von Bochumer einer älteren Halle nach Plänen des Kölner front zur Jahrhunderthalle ist im Gegensatz Aktiengesellschaft, den Bochumer Ver- Verein zurückerworben . Eine produktions- Architekten Emil Rudolf Mewes (1885-1949) zu den übrigen Fassaden gestalterisch un- ein für Bergbau und Gussstahlfabrikation . technisch erforderliche umfangreiche Mo- errichtet . Mewes gehörte zu den einfluss- spektakulär . Sie besteht aus einer genieteten 1926 wurde das Unternehmen in die Ver- dernisierung und die damit verbundene reichsten Industriearchitekten des Dritten Stahlkonstruktion mit Klinkermauerwerk- einigten Stahlwerke integriert, aber im Zuge Ausweitung der Leistung auf 8 .000 Tonnen Reiches . Als sein bedeutendstes Werk gilt das Ausfachungen . Die tragende Konstruktion der Neuordnung des Konzerns 1933 als ließ den ursprünglichen Charakter der Volkswagenwerk in Wolfsburg, das er 1938 der drei parallel verlaufenden Hallenschiffe Bochumer Verein für Gussstahlfabrikation Anlage nun weitgehend verschwinden . u . a . in Zusammenarbeit mit Fritz Schupp besteht aus Stahl und ist in Vollwandbau- AG wieder eigenständig . Ende der 1950er- und Martin Kremmer entwarf . Ebenso weise ausgeführt . Die Dachbinder tragen Jahre geriet der Bochumer Verein unter extrem flach geneigte Satteldächer mit quer Einfluss des Krupp-Konzerns, der ihn Mitte verlaufenden verglasten Dachaufsätzen . der 1960er Jahre vollständig übernahm und mit seiner Tochtergesellschaft Hütten- und Die heute als Lager der ThyssenKrupp AG Bergwerke Rheinhausen AG zur Fried . genutzte Werkhalle und das benachbarte Krupp Hüttenwerke AG fusionierte . Wäh- Kontakt & Infos Verwaltungsgebäude stehen seit 2003 unter rend seit Ende der 1960er-Jahre nach und Kontakt & Infos Denkmalschutz . Sie erinnern an die be- nach weite Teile des Stammwerks stillgelegt deutende Rolle des Bochumer Vereins als wurden, blieb das Schmiedewerk bestehen . ThyssenKrupp Steel Europe AG Stahlkonzern und Rüstungsbetrieb im Drit- Bochumer Verein - Materialwirtschaft ten Reich, der 1937 als erstes Montanunter- Die 1984 aus dem Krupp-Konzern ausgeglie- Verkehrstechnik GmbH (ehem . Mechanische Werkstät- nehmen den Titel „Nationalsozialistischer derten Produktionsbereiche waren anschlie- Alleestraße 79 ten des Bochumer Vereins) Musterbetrieb“ erhielt . In Bochum gehören ßend nach mehreren Umstrukturierungen 44793 Bochum-Stahlhausen Alleestraße 146 sie neben dem Hauptfriedhof und dem unter den Namen Schmiedewerke Krupp- www .bochumer-verein de. 44793 Bochum Deutschen Bergbau-Museum Bochum zu Klöckner GmbH, Vereinigte Schmiedewerke www .thyssenkrupp-steel .com/de den markantesten Beispielen für die Archi- GmbH und VSG Verkehrstechnik GmbH be- tektur aus der Zeit des Nationalsozialismus . kannt . Seit 1998 firmierte das Unternehmen 20 21

6 Siedlung Stahlhausen

Die Siedlung Stahlhausen bildete den Auf- takt der Wohnungsbautätigkeit des Bochu- mer Vereins für seine Mitarbeiter . Sie ist heute die älteste Stahlarbeitersiedlung in Bochum und eine der ältesten überhaupt .

Mitte der 1860er-Jahre entstanden südwest- lich des Werksgeländes an der Alleestraße die ersten 34 Gebäude nach dem „Mühlhauser Typ“ . Dieser im französischen Mülhausen entwickelte Baustil war durch vier um einen quadratischen Kreuzgrundriss gegliederte Wohnungen gekennzeichnet . Jede Wohnung besaß einen separaten Eingang und ein eige- nes Treppenhaus, das in den Keller und zum Obergeschoß führte . Die genormte Bauweise Die Siedlung Stahl- Bochumer Verein war äußerst spartanisch, erlaubte aber einen Geländer und Vordächer . Eine aufwendige hausen um 1910 . Verkehrstechnik . damals als günstig angesehenen Kompromiss Gestaltung mit Gesimsen, umlaufender Zier- Quelle: Histori- Foto: RIK/Rein- zwischen geringem Kostenaufwand und auf- keramik, bogenförmigen Fensteröffnungen in sches Archiv Krupp hold Budde gelockerter Struktur, die jeder Familie zudem Verbindung mit Ziegelläuferschichten sowie die Gelegenheit zur Gartenwirtschaft bot . Putzfeldern machten den Statusunterscheid Bauten aus dieser Zeit befinden sich noch an der Bewohner auf den ersten Blick erkennbar . Der Bochumer Verein Verkehrstechnik ihrer Geschlossenheit und ihrem Umfang der Stahlhauser Straße und der Gremmestra- verfügt über eine umfangreiche Sammlung ihresgleichen . Sie ist daher als Leistungs- ße sowie vereinzelt im Siedlungsbereich . Der Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs wurde der von Eisenbahnrädern und Radsätzen, die schau von besonderer Bedeutung nicht Name „Colonie Stahlhausen“, sollte die Ver- Zentralbereich der Siedlung Stahlhausen, die die wesentlichen Entwicklungsschritte nur für die Unternehmensgeschichte bundenheit zwischen dem Stahl erzeugenden 1940/41 einen Hochbunker an der Baarestra- der einzelnen Komponenten in Abhän- am historischen Standort, sondern auch Werk und dem Wohnort der hier sesshaft ße erhalten hatte, weitgehend zerstört . Der gigkeit von der jeweiligen Verwendung für die Stadt- und Industriegeschich- werdenden Stammarbeiterschaft verdeutli- Wiederaufbau der 1950er Jahre erzeugte ein dokumentieren . Die Sammlung sucht in te Bochums und des Ruhrgebiets . chen . Im Laufe der Zeit erhielt auch der um- neues Siedlungsbild, da die nun errichteten liegende Stadtteil den Namen „Stahlhausen“ . Mehrfamilienhäuser in lockerer Bauweise mit größeren Abständen und ohne begrenzende Bis Anfang des 20 . Jahrhunderts wurde Einfriedungen realisiert wurden . Trotz dieser die Siedlung in mehreren Ausbaustufen starken Substanzveränderungen hat sich auf über 90 Wohngebäude für bis zu zwölf der Charakter einer geschlossenen Sied- Familien mit insgesamt über 460 Wohnun- lung erhalten, grenzt sie sich doch aufgrund gen in unterschiedlichen Haustypen er- ihrer städtebaulichen wie architektonischen weitert . Dazu kam seit 1874 im Bereich der Merkmale deutlich von der Umgebung ab . heutigen Feuerwache das „Bullenkloster“, eines der größten Kost- und Logierhäu- ser des Ruhrgebiets mit 150 Wohnstuben für 1 .200 Arbeiter . Mit einem zentral ge- Kontakt & Infos legenen Schulgebäude besaß die Siedlung den Charakter einer eigenen Stadt . Siedlung Stahlhausen Die in den 1870er-Jahren u . a . an der Baa- Stahlhauser Straße / Baare- restraße errichteten und ebenfalls teilwei- straße / Gremmestraße / se erhaltenen Häuser der Werksbeamten Lerschstraße / Pinagelstraße unterschieden sich grundlegend von den 44793 Bochum-Stahlhausen schmucklosen der Arbeiter . Sie besitzen uneinheitliche Grundrisse durch Vor- und Rücksprünge, verzierte schmiedeeiserne 22 23

8 Rombacher Hütte

Heute erinnert nur noch das ehemalige Verwaltungsgebäude der Westfälischen Stahlwerke an der Kohlenstraße an die montanindustrielle Geschichte des gegen- überliegenden Gewerbegebiets Rombacher Bochumer Verein Hütte . Der Bau wurde 1896 von Heinrich Werk Stahlindus- Köhler (1836-1907) errichtet, der in Bochum trie . Foto: Presse- kurz darauf auch sein privates Wohnhaus, amt Bochum die Villa Nora, bauen ließ . Köhler hatte die Westfälischen Stahlwerke 1889 nach leiten- den Tätigkeiten beim Bochumer Verein und Verwaltungsge- 7 Bochumer Verein 1927 die Edelstahlaktivitäten des Konzerns in als Miteigentümer des „Neuen Stahlwerks produktion und den Stahlformguss, die bäude der Rom- Werk Stahlindustrie der neu gebildeten Deutsche Edelstahlwerke Daelen, Schreiber & Co .“, dem späteren Schwerpunkte bis zur schrittweisen Schlie- bacher Hütte . Foto: AG, verlegte deren Firmensitz nach Bochum Werk „Stahlindustrie“ des Bochumer Ver- ßung des mittlerweile zum Krupp-Konzern Presseamt Bochum Das Werk Stahlindustrie an der Besse- und integrierte auch das Werk Stahlindustrie . eins, gegründet . Die Anlage umfasste ein gehörenden Werkes Anfang der 1970er Jahre . mer Straße war das erste Zweigwerk des Schon 1929 gelangte die Anlage im Rahmen Siemens-Martin-Stahlwerk, mehrere Walz- Bochumer Vereins . 1870 hatten hier ehe- unternehmensinterner Umstrukturierungen straßen und Mechanische Werkstätten, Die Stadt Bochum erwarb 1980 das brach- malige leitende Angestellte das Konkur- jedoch zurück zum Bochumer Verein, der jedoch keine Hochöfen . Produziert wurden liegende Gelände, um dort ein Gewerbe- renzunternehmen „Neues Stahlwerk Com- sie um zahlreiche Neubauten auf der Fläche vor allem Eisenbahnmaterialien wie Rad- gebiet unter dem Namen „Rombacher mandit-Gesellschaft Daelen, Schreiber & zwischen Bessemer Straße und Kohlen- sätze, Federn, Schienen und Weichen . Hütte“ auszuweisen . Welche Intention mit Co .“ gegründet . Umgehend entstanden straße erweiterte . Zum Werk gehörten u . a . dieser Namensgebung verbunden war, ist südlich der Siedlung Stahlhausen ein Bes- die zentrale Gesenk- und Federnschmiede, Der dreigeschossige und dreiflügelige Back- unklar, da die fünfjährige Pleitephase unter semer- und ein Siemens-Martin-Stahl- mehrere Walzwerke und die Lehrwerkstatt . steinbau besitzt an der Straßenseite ein mittig diesem Eigentümer kaum als Reminiszenz werk, ein Hammer- und ein Walzwerk . gelegenes Portal mit Treppenaufgang, das geeignet scheint . So ging auch das Verwal- Nach dem Zweiten Weltkrieg behielt das durch seitliche Säulen und einen Rundbogen tungsgebäude der Westfälischen Stahlwerke Nach einer kurzen Phase unter dem Dach Werk Stahlindustrie weitgehend seinen sowie zwei zweigeschossige Vorbauten her- in den Besitz der Stadt über, die zunächst des Schalker Gruben- und Hüttenvereins und angestammten Zuschnitt . 1949 fand in der vorgehoben wird . Dahinter befindet sich ein einen Abriss vorsah, es 1989 jedoch unter der Umgründung zur „Aktiengesellschaft für Halle des Weichenbaus der 73 . Deutsche zentrales Treppenhaus unter einem Glasdach, Denkmalschutz stellte . Damit wurde auch Stahlindustrie“ kaufte der Bochumer Ver- Katholikentag statt . Einen Teil der Flächen das durch seine Gestaltung mit Galerien und gewürdigt, dass es zu den wenigen Bei- ein 1889 das Unternehmen . Die weiterhin des Werks Stahlindustrie belegte ab 1952 Relief-Plastiken einen repräsentativen Ein- spielen original erhaltener Verwaltungs- rechtlich selbstständige Gesellschaft produ- die neu gegründete Deutsche Edelstahlwer- druck vermittelt . Die Fassade ist symmetrisch architektur des 19 . Jahrhunderts in Bochum zierte fortan als „Werk Stahlindustrie“ des ke AG . Diese errichtete 1955/56 nach den gegliedert durch Gesimse und durchlaufende gehört und zugleich das letzte Überbleib- Bochumer Vereins vor allem Oberbaumate- Plänen des in Bochum geborenen Archi- Putzstreifen in der Horizontalen . Die vertika- sel eines der in dieser Zeit bedeutendsten rial für Bahnen, Halbzeuge und Schmiede- tekten Wilhelm Seidensticker den Hallen- le Gliederung erfolgte über die versatzartige Unternehmen der Stahlindustrie darstellt . stücke für den Maschinen- und Schiffbau . komplex sowie das Verwaltungsgebäude an Bauweise, die den Baukörper in fünf etwa der Bessemer Straße, die heute durch die gleich große Bereiche teilt . Die Gesamtord- Die Vereinigte Stahlwerke AG, zu der auch Bochumer Eisenhütte Heintzmann genutzt nung betont der massive Mauerwerkssockel, der Bochumer Verein gehörte, bündelte ab werden . Etwa gleichzeitig ließ der Bochumer wo eine wohl in den 1920er-Jahre angebrach- Verein wenige Meter weiter auf derselben te Inschrift auf die Nutzung des Gebäudes als Straßenseite sein neues Gesundheitshaus Verwaltung des Bochumer Vereins hinweist . Kontakt & Infos errichten, das neben Betriebskrankenkasse Kontakt & Infos und Gesundheitsdienst auch die Bibliothek Nach verschiedenen Besitzerwechseln ge- und das Archiv beherbergte . 1963/64 ent- langten die Westfälischen Stahlwerke 1921 zu Bochumer Verein Werk stand, ebenfalls nach Plänen Seidenstickers, den Rombacher Hüttenwerken . 1926 über- Verwaltungsgebäude der Stahlindustrie im Nordwesten des Geländes an der Allee- nahm die Vereinigte Stahlwerke AG die An- Rombacher Hütte Bessemer Straße 80 straße das neue Verwaltungshochhaus des lagen und gliederte sie dem Bochumer Verein Kohlenstraße 70 44793 Bochum BV . Beide sind bis heute erhalten . Ab 1968 an, der sie als „Werk Weitmar“ führte . In der 44795 Bochum wurden im Zuge der Stilllegungswelle im Bevölkerung hielt sich dagegen über lange Stammwerk nach und nach der Großteil Zeit der Name „Köhlers Fabrik“ . Es folgte die der Produktionsanlagen des Werks Stahl- Stilllegung zahlreicher Produktionsbereiche industrie geschlossen und abgerissen . und die Konzentration auf die Schienen- 24 25

Werk Höntrop des Luftbild des Krupp- Bochumer Vereins 9 Bochumer Verein Werk Höntrop werk, sodass sich hier weiterhin die moderns- ein Warmbreitbandwalzwerk (1966), ein dem unterirdischen Tunnel, der direkt in werks Höntrop, um 1925 . Quelle: ten Walzanlagen des BV befanden . Dazu kam Kaltwalzwerk (1971), zwei Verzinkungs- die Waschkaue des Stahlwerkes führte . 1978 . Quelle: Presseamt Bochum 1924 nahm der Bochumer Verein an der der Wiederaufbau der Rohstahlerzeugungs- anlagen (1987) und eine Feuerbeschich- Presseamt Bochum Essener Straße in Höntrop ein weiteres kapazitäten durch ein neues Siemens-Mar- tungsanlage (1992) . 2015 schloss der fin- Mit dem Verwaltungsgebäude und dem Tor- Siemens-Martin-Stahlwerk und erstmalig tin-Stahlwerk, mit dem die Produktions- nische Outokumpu-Konzern, der 2012 die haus entstanden auch die ersten Abschnitte ein Röhrenwalzwerk in Betrieb . Die An- kapazität der Vorkriegszeit wieder erreicht ThyssenKrupp-Edelstahlsparte Innoxum der neuen Werkssiedlung, die zunächst 171 lagen entsprachen modernsten technischen werden konnte . Der wichtigste Schritt war übernommen hatte, das Elektrostahlwerk . Mietwohnungen umfasste und in der zweiten Standards der Stahlindustrie und galten jedoch die Errichtung eines Oxygenstahl- Hälfte der 1930er-Jahre durch eine Mischung insbesondere durch ihre geringen Pro- werks, mit dem der Bochumer Verein 1957 An der Essener Straße erinnern heute noch von Eigenheimen und Kleinsiedlung ergänzt duktionskosten weltweit als vorbildlich . als zweites Unternehmen in Deutschland die zahlreiche Gebäude an die rund 100-jähri- wurde . Anfang der 1960er-Jahre verfügte die Stahlerzeugung nach dem neuen „Linz-Do- ge Geschichte des Stahlstandorts Höntrop . Siedlung nach Wiederaufbau und Erweite- In den 1950er-Jahren avancierte das Werk nawitz-Verfahren“ aufnahm . Bei dieser auch 1922/23 errichtete der renommierte Archi- rungsmaßnahmen über 456 Wohneinheiten . Höntrop nach und nach zum bedeutendsten als „Sauerstoffaufblasverfahren“ bezeichneten tekt Wilhelm Kreis auf der dem Werksge- der vier Produktionsstandorte des Bochumer Technik wird reiner Sauerstoff auf die Ober- lände gegenüberliegenden Straßenseite das Im September 1953 eröffnete der Bochumer Vereins . Zwei neue Walzwerke ersetzten das fläche der flüssigen Schmelze im Konver- Verwaltungsgebäude des Stahlwerks . Das Verein gegenüber der Höntroper Werkssied- nach Kriegsende demontierte Röhrenwalz- ter geblasen und das Roheisen auf diesem seit 1990 unter Denkmalschutz stehende lung ein neues Ledigenwohnheim, das Platz Kontakt & Infos Wege zu Stahl gefrischt . Aufgrund seiner festungsartige Bürohaus wirkt durch seinen für 280 Arbeiter bot . Der vom Wuppertaler vergleichsweise einfachen und dadurch romantisierenden bogenförmigen Dach- Architekten Alfred Franzen konzipierte Neu- kostensparenden Technik ersetzte es nach abschluss sehr eigenwillig . Weiter westlich bau sollte das im Krieg zerstörte alte Kost- ThyssenKrupp, Werk Bochum und nach alle älteren Verfahren und ist bis schließt sich das heute ebenfalls denkmal- haus des Stammwerks ersetzen . Das Wohn- Essener Straße 244 heute das wichtigste Erzeugungsverfahren . geschützte Torhaus 11 an, das in den 1980er heimkonzept stieß jedoch bei den Arbeitern 44793 Bochum Jahren kurz vor dem Abriss stand . Es diente trotz der offenen, an eine Hotelanlage Nach der Übernahme des Bochumer Vereins als zentrales Verbindungsglied zwischen erinnernden Architektur auf wenig Gegen- durch den Krupp-Konzern 1965 konzen- dem Werk auf der nördlichen Straßensei- liebe . Das Haus war von Beginn an kaum zur trierten sich die Aktivitäten auf das Werk te und der am Helmholtzplatz gelegenen Hälfte ausgelastet und verlor weiterhin an Höntrop, das systematisch erweitert und Arbeitersiedlung . Von hier aus gelangten Attraktivität, sodass es in den 1960er-Jahren modernisiert wurde . Es entstanden u . a . die Arbeiter über einen Treppenabgang zu in ein Bürogebäude umfunktioniert wurde . 26 27

10 Werksbahn Bochumer Verein schmalspuriges Eisenbahnnetz, das bis zum und Erzbahn Ende des Hochofenbetriebes Ende der 1960er- Jahre existierte . Eine weitere Besonderheit Obwohl die Produktion von Eisenbahnmate- der Werksbahn war eine Zahnradbahn, die rial seit den 1850er-Jahren das dominierende an der Verbindung zwischen der Gussstahl- Geschäftsfeld des Bochumer Vereins bildete, fabrik und dem Werk Stahlindustrie die star- blieb das Unternehmen nach seiner Gründung ke Steigung hinter der Siedlung Stahlhausen fast 25 Jahre ausschließlich auf den Straßen- überwand und von 1890 bis 1930 existierte . transport zum Bahnhof Herne angewiesen . Selbst als die Bergisch-Märkische Eisenbahn Eine besondere Rolle im Werksbahnbetrieb Bochum 1860 endlich die ersehnte Bahnver- spielte die „Erzbahn“ . Diese war im Zusammen- bindung brachte, wartete das Unternehmen hang mit dem Rhein-Herne-Kanal konzipiert noch bis 1867 mit dem Bau der 1,8 km lan- worden und verband im Norden den Schalker gen ersten Hüttenanschlussbahn . 1874 folgte Verein und im Süden den Bochumer Verein mit der Anschluss an die Rheinische Eisenbahn dem Gelsenkirchener Kanalhafen Grimberg . Bei im Bahnhof Bochum-Präsident . Dieser An- Inbetriebnahme des Kanals 1914 war jedoch nur schluss ist auch über die Zeit der Nachfolge- der nördliche Abschnitt fertiggestellt . Der Erste unternehmen des Bochumer Vereins hinweg, Weltkrieg und die Inflationsjahre verzögerten seit 1986 in der heutigen Form, in Betrieb . zunächst den Weiterbau der Südstrecke . Da hier zudem mehrere vorhandene Staats- und Privat- Die Bahnanschlüsse ergänzte bald ein eigenes bahnstrecken überquert werden musste, war Werksbahnnetz für den innerbetrieblichen ein bis zu 15 m hoher Damm mit entsprechen- Transport, das innerhalb weniger Jahre eine den Durchlässen und Brücken erforderlich . So Länge von 23 km erreichte . Bis in die 1920er- konnte der Bochumer Verein erst 1930 seinen Jahre wuchsen die Strecken auf 86 km an, da Eisenerzbedarf schnell und kostengünstig über systematisch die erworbenen „Hüttenzechen“ den Rhein-Herne-Kanal beziehen . Der Trassen- und die neuen Werksteile in Weitmar und verlauf über das Gelände der unternehmensei- Höntrop integriert wurden . Zwischen 1924 genen Zeche Vereinigte Carolinenglück ermög- und 1933 wurden große Teile des Werksbahn- lichte zudem den Kohlentransport . Mit dem netzes, allerdings nicht die „Erzbahn“, auf Ende der Roheisenerzeugung beim Bochumer elektrischen Betrieb umgestellt . 1941 hatte das Verein 1968 verlor die Erzbahn ihre Funktion Werksbahnnetz bei 90 km Fahrdrahtlänge den und wurde im südlichen Abschnitt stillgelegt . höchsten Elektrifizierungsgrad aller deutschen Hüttenwerke erreicht . Heute wird der Werks- Die Trasse der Erzbahn sowie der westlich an- bahnverkehr auf der zweigleisigen Anschluss- schießenden Kray-Wanner-Bahn wurde vom bahn zum Werk Höntrop von der Dortmunder Regionalverband Ruhr als Rad- und Wanderweg Eisenbahn (Captrain) durchgeführt . Der rege ausgebaut . Damit entstand eine kreuzungs- Bahnbetrieb kann gut von der „Erzbahn- freie, attraktive Grünverbindung vom Westpark Schwinge“ am Westpark aus beobachtet werden . Bochum mit der Jahrhunderthalle bis zum Rhein-Herne-Kanal und zur Zeche Zollver- Parallel zur normalspurigen Werksbahn be- ein . Bemerkenswert sind die bis auf wenige trieb der Bochumer Verein seit 1873 noch ein Ausnahmen noch erhaltenen Brücken unter- Kontakt & Infos schiedlicher Bauart an der Erzbahn, darunter einige technisch interessante Raritäten . Zu nennen sind in diesem Kontext die Brücken Werksbahn Bochumer Verein im Bereich der Günnigfelder Straße und die und Erzbahn Pfeilerbahn parallel zur Ostpreußenstraße in Gahlensche Straße / Am Marbach Gelsenkirchen . Insgesamt bieten die 15 Brücken Erzbahn auf dem 44793 Bochum bzw . Brückenzüge der Erzbahn und zahlreiche Gelände der Zeche weitere Brücken in ihrem Umfeld an unmittel- Carolinenglück, bar anschließenden oder parallel verlaufenden Hamme, 1958 . Bahnstrecken eine ideale Übersicht über die Quelle: Presse- Brückenbautechnik seit den 1880er-Jahren . amt Bochum 28 29

12 Zeche Vereinigte Carolinenglück 2/3

Die ehemalige Zeche Vereinigte Carolinen- glück (bis 1870 Zeche Glückauf) gehört zu den ältesten Bergwerken Bochums und zu den ersten im Ruhrgebiet, die die Mergeldecke, eine wasserundurchlässige Gesteinsschicht, durchstießen . Schacht 1 nahm nach mehr- jährigen Vorarbeiten 1850 die Förderung auf, musste aber bereits 1902 nach einem Schacht- bruch aufgegeben und verfüllt werden . Die Glückauf-Siedlung Zechenanlage befand sich auf dem Mittel- Schacht 3 der Zeche und Bahnhof der streifen der heutigen Autobahn 40, nur wenige Zwei Jahre nach dem Unglück übernahm Carolinenglück Zeche Carolineng- Meter nördlich der Brücke Erzbahntrasse . der Bochumer Verein die Zeche Caroli- in den 1960er- lück, 1925 . Quelle: nenglück, um sich eine ausreichende Koh- Jahren . Quelle: Historisches Obwohl die Abteufarbeiten zu Schacht 2 len-, bzw . Koksbasis zu sichern . Es folgten Stiftung Kultur Archiv Krupp bereits 1856 begonnen hatten, konnte die die Erweiterung und Modernisierung der Anlage aufgrund von massiven Wasserhal- seit 1890 bestehenden Kokerei sowie der tungsproblemen erst 1891 als neuer Haupt- Bau einer ersten Nebenproduktengewin- 11 Glückauf-Siedlung Der Bochumer Verein erwarb daher um- förderschacht in Betrieb gehen . Der heute nungsanlage . Im Rahmen der Erweiterung gehend mehrere benachbarte Bauerhöfe noch erhaltene Malakowturm besitzt zwar im des Werksbahnnetzes des Bochumer Ver- Wie nahezu alle Zechengesellschaften des und baute ab 1906 zwischen den Schächten Vergleich zu anderen auch durch Umbauten eins entstand 1901 eine Verbindungsbahn Ruhrgebiets errichtete auch die 1850 in Carolinenglück 1 und 2 an beiden Seiten eine äußerst einfache architektonische Ge- zum Betriebsgelände, später das letzte Betrieb gegangene Zeche Carolinenglück der Glückaufstraße eine Siedlung mit 67 staltung, ist aber möglicherweise der älteste Teilstück der Erzbahn . Für den Kokstrans- Wohnungen, um Arbeitskräfte unterzu- Häusern . Auf halber Höhe erweitert sich erhaltene im Ruhrgebiet . Von 1912 bis zur port zu den Hochöfen wurde außerdem bringen und an den Betrieb zu binden . 1895 die Straße zu einem kleinen Platz mit zwei Stilllegung der Zeche Carolinenglück 1964 im folgenden Jahr eine Seilbahn gebaut . standen für die knapp 700 Belegschaftsmit- zweieinhalbgeschossigen Doppelhäusern übernahm schließlich der direkt benach- glieder 90 Wohnungen bereit, was in etwa an jeder Seite . Nur hier werden die an- barte neue Schacht 3 der Zeche die Kohlen- Massive Zerstörungen gegen Ende des dem regionalen Durchschnitt entsprach . sonsten geschlossenen und anderthalb- förderung . Sein Fördergerüst ist neben dem Zweiten Weltkrieges führten zu einer relativ Als der Bochumer Verein 1900 die Zeche geschossigen Hausreihen durchbrochen . der Oberhausener Zeche Sterkrade eines von langen Wiederaufbau- und Instandsetzungs- übernahm und eine rasante Erweiterung zwei noch erhaltenen der seltenen deutschen phase, die erst 1952 abgeschlossen werden des Betriebs in Gang setzte, verdoppelte Im Unterschied zu den monoton gereih- Strebengerüste der Bauart Zschetzsche . konnte . Nach der Betriebsaufgabe 1964 wur- sich innerhalb weniger Jahre die Anzahl der ten frühen Werkssiedlungen des 19 . Jahr- de ein großer Teil der Tagesanlagen der Ze- angelegten Bergleute . Da der private Woh- hunderts zeichnet sich die kleine axial Der Kohlenabsatz erfolgte zunächst mit Fuhr- che abgebrochen . Eine neue Nutzung erhiel- nungsmarkt in der Umgebung die wachsende angeordnete Siedlung an der Glückauf- werken über den nahe gelegenen Gahlen- ten dagegen die Schächte 2 und 3 und die aus Nachfrage nicht einmal annähernd decken straße durch neue gestalterische Formen schen Kohlenweg . Ab 1858 baute die Zeche verschiedenen Epochen stammenden Sozial- konnte, war das Unternehmen gefordert . aus . Nach englischen Vorbildern wurden Carolinenglück zusammen mit den Zechen und Verwaltungsgebäude: Seit 1970 dient das die Doppelhäuser mit unterschiedlichen Hannover, Holland und Rheinelbe die Caro- eindrucksvolle technikhistorische Ensemble Dachvarianten, Hauseingangssituationen, linenglücker Bahn nach Gelsenkirchen zur als Standort der Grubenwasserhaltung der Mansardenfenstern und Fassadenformen Köln-Mindener-Eisenbahn . Teilstücke der Stre- RAG AG . Die Stilllegung der Anlage in den individuell gestaltet . Die Wohnungen cke wurden später in die Erzbahn integriert . nächsten Jahren ist bereits angekündigt . Kontakt & Infos waren über separate Eingänge erreichbar, Nach Eröffnung des Bochumer Abschnitts Kontakt & Infos im Erd- und im Obergeschoss befanden der Rheinischen Eisenbahn 1874 entstand ein sich jeweils zwei Wohnräume . Unter- Anschluss an den Bahnhof Ückendorf-Watten- Glückauf-Siedlung schiedliche Abstände der Häuser zur Straße scheid (später Gelsenkirchen-Wattenscheid) . Zeche Vereinigte (Carolinenglück) unterstrichen das Bild einer bewusst auf- Carolinenglück 2/3 Glückaufstraße gelockerten Bauweise . Jedes Haus verfügte 1898 brachte das bis dahin schwerste Gruben- Darpestraße 44793 Bochum-Hamme außerdem über einen Stallanbau und einen unglück des Ruhrbergbaus die Zeche Caroli- 44793 Bochum Garten für den Gemüse- und Obstanbau . nenglück in die Schlagzeilen: Mindestens 115 Die Vorgärten und der beidseitige Baum- Bergleute kamen bei einer Schlagwetter- und bestand an der Straße verliehen der Sied- Kohlenstaubexplosion unter Tage ums Le- lung einen gartenstädtischen Charakter . ben und bis zu 40 weitere wurden verletzt . 30 31

Die Siedlung Dahlhauser Heide, Epiphanias-Kir- 1920er Jahre . che . Foto: Presse- Quelle: Presse- amt Bochum amt Bochum

13 Epiphanias-Kirche Glocken wurden 1929 in der Glockengießerei 14 Siedlung Dahlhauser Heide lichem Charakter . Kindergärten, drei Schu- (Autobahnkirche RUHR) des nur wenige hundert Meter entfernten len, Gemeindehäuser beider Konfessionen, Bochumer Vereins aus Gussstahl gegossen Die Siedlung Dahlhauser Heide, im Volks- eine Konsumanstalt und eine Bierhalle mit Die Epiphanias-Kirche wurde 1929/30 von und überlebten die Kriegsjahre aufgrund mund auch „Kapps-Kolonie“ genannt, wurde Saalbau kennzeichneten die eigenständige der alt-lutherischen Gemeinde Bochum im ihres nicht kriegswichtigen Materials . von der Firma Krupp in zwei Bauabschnitten Infrastruktur der Mustersiedlung . Auch die damals modernen Bauhausstil errichtet . Ihr zwischen 1907 und 1915 auf dem Gelände des Platzgestaltung und der Straßenverlauf folgten Name erinnert an die Erscheinung Christi Im Kontrast zum Äußeren wirkt das Innere ehemaligen Rittergutes Dahlhausen östlich gartenstädtischen Grundgedanken . Die va- vor den drei Weisen aus dem Morgenland . der Kirche durch die bleiverglasten bunten der unternehmenseigenen Zeche Hannover riantenreiche, fachwerkähnliche Fassadenge- Fenster hell und freundlich . Es wird vom errichtet . Ihren Namen erhielt sie vom ver- staltung mit Holzverschalungselementen und Architekt Wilhelm Tiefenbach baute eine großen Kruzifix des Essener Bildhauers breiteten Anbau von Kohl, einem beliebten Fensterläden sowie die tief heruntergezogenen dunkle Backsteinkirche in schlichten geo- Ernst Hackländer mit einem fast lebensgro- Grundnahrungsmittel der Bergleute . Dachtraufen orientierten sich an westfälischen metrischen Formen . Die dominierenden ßen Corpus von 1956 dominiert, der den in Bauernhöfen . Großzügig angelegte Nutzgär- Ecken und Kanten des rechteckig geschach- den Himmel aufgenommen Christus nach Die hufeisenförmig um eine zentrale Park- ten für Gemüseanbau und Kleintierhaltung telten, knapp 30 Meter hohen Turms und der Beschreibung des Johannesevangeliums anlage angelegte Siedlung mit leicht ge- und eine geschickte Eingrünung der Stra- der aufstrebenden Säulen im Innenraum zeigt . Das interessanteste Objekt jedoch ist schwungenen Verbindungstraßen umfasste ßen und Plätze unterstreichen bis heute das finden jedoch einen Ausgleich in der halb- das seitlich stehende, kleinere „Kreuz auf ursprünglich 351 Gebäude mit 678 Doppel- Bild einer romantisch-heimatlichen Idylle . rund vorstehenden Kanzel, der halbrund Bombenzünder“, das ein Symbol der Ver- haushälften, sechs Beamtenhäusern, vereinzel- geschwungenen Empore sowie in Rund-Er- söhnung darstellt . Als Sockel soll der ori- tem Geschosswohnungsbau und insgesamt 777 Die Siedlung Dahlhauser Heide steht – an- kern an der Kirche und dem anschließenden ginale Zünder der Bombe gedient haben, Wohneinheiten . Damit gehört sie zu den größ- ders als zu erwarten – nicht unter Denk- Pfarrhaus . Wie viele vom Bauhaus inspirierte die am 19 . Februar 1945 das Pfarrhaus der ten im Ruhrgebiet . Mit Ausnahme der zweiein- malschutz . 1974 beschloss der Bochumer Kirchen orientiert sich auch die Epiphanias- Epiphanias-Gemeinde traf . Das Kreuz selbst halbgeschossigen Beamtenhäuser an der Hor- Stadtrat eine Bestandsveränderungssperre Kirche an ihrem industriellen Umfeld und besteht aus den geschmolzenen Resten der deler Heide basiert die Baustruktur auf zwölf und im Jahr darauf der Landeskonservator folgt in ihrem Äußeren einer Fabrikarchi- Kirchenglocke der damaligen altlutherischen anderthalbgeschossigen Typenhäusern, die in die Unterschutzstellung . Nach Erlass des tektur . Auch das Symbol des Kreuzes auf Kirche St . Petri in Wuppertal-Elberfeld . Es über 40 verschiedenen Variationen ausgeführt nordrhein-westfälischen Denkmalschutz- dem Turm sollte die Nähe der Kirche zu den wurde vom langjährigen Pastor der Ge- wurden . Alle verfügten über eine Wohnküche gesetzes 1980 erfolgte jedoch keine offizielle Menschen zum Ausdruck bringen . Die drei meinde, Theodor Greve, gespendet, dessen und ein Wohnzimmer im Erdgeschoss und Eintragung in die Denkmalliste, da Stadt die Grabstein sich hinter der Kirche befindet . zwei Schlafräume im Obergeschoss . Nach ins- Gestaltungssatzung für ausreichend hält . Kontakt & Infos gesamt nur geringen Kriegszerstörungen wur- Kontakt & Infos In der Anfangszeit beherrschte das Kir- den 90 Haushälften im Originalstil mit verein- chengebäude das Bild am damaligen Hin- fachter Fassadengestaltung wiedererrichtet . Epiphanias-Kirche denburgplatz . Heute dagegen liegt die Siedlung Dahlhauser Heide Dorstener Straße 263 Epiphanias-Kirche beengt wie auf einer Die Planung der Siedlung für die Beleg- Hordeler Heide 44809 Bochum Insel, umtost von den Verkehrsströmen schaften der Krupp-Zechen Hannover und 44793 Bochum www .autobahnkirche .de der B 226 und der A 40 . Wegen dieser Hannibal lag beim leitenden Architekten des Autobahnnähe ist die 2005 unter Denkmal- Krupp‘schen Baubüros, dem aus Württemberg schutz gestellte Kirche seit 2010 eine der stammenden Robert Schmohl . Er verband 30 deutschen Autobahnkirchen und zu- die Idee der Gartenstadt mit dem Heimatstil gleich die einzige in einem Ballungsraum . und entwarf eine Arbeitersiedlung mit dörf- 32 33

Die Zeche Hanno- Die historische ver in den 1950er- 15 Zeche Hannover I/II/V errichtete in den folgenden Jahren eine Dop- wurde . Eine weitere Innovation betraf die Förderung auf Schacht II und der Verbund Dampfförder- Jahren . Quelle: pelschachtanlage mit zwei Malakowtürmen . Streckenförderung unter Tage, bei der 1892 mit den Zechen Mont Cenis und Vereinigte maschine in der Presseamt Bochum Auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Bereits zwei Jahre nach Förderbeginn, 1872, erstmals im Oberbergamtsbezirk Dortmund Constantin der Große unter dem Namen Maschinenhalle Hannover ist ein ruhrgebietsweit ein- kaufte Alfred Krupp (1812-1887) die Anlage . Seilbahnen die Pferdebahnen ersetzten . Bergwerk Bochum konnten jedoch nicht der Zeche Hanno- maliges Ensemble von Malakowturm verhindern, dass die Zeche Hannover 1973 ver . Foto: Presse- und Maschinenhaus mit Dampfma- Zechendirektor Friedrich Koepe entwi- Im Juli 1899 erwarb Krupp auch die Nach- infolge der Kohlenkrise als letzte Bochumer amt Bochum . schine als Standort des LWL-Industrie- ckelte auf der Zeche Hannover 1877 ein barzeche Hannibal und richtete in Bochum- Schachtanlage stillgelegt werden musste . museums für Besucher zugänglich . Förderverfahren, das eine Revolution in der Hordel eine gemeinsame Zechenverwaltung Bergbautechnik darstellte und sich bis zur ein . 1905 wurde auf dem Gelände Schacht Anfang der 1980er-Jahre erfolgte der Ab- 1856 erwarb die Hannoversche Bergwerksge- Jahrhundertwende weltweit zum Standard 5 in Betrieb genommen . Eine neue Kohlen- bruch der meisten Tagesanlagen mit Ausnah- sellschaft Horstmann & Co . mehrere Gru- auf Tiefbauzechen entwickelte . Das „Koepe- wäsche, eine große Kokerei und ein Kraft- me des Grubenlüftergebäudes von 1929, des benfelder in der Bürgermeisterei Hordel und Verfahren“ ersetzte die bis dahin übliche werk zur Elektrizitätserzeugung vollendeten Malakowturms über Schacht I und der Ma- Seiltrommel durch eine Treibscheibe, die das den Ausbau der Schachtanlage Hannover schinenhalle, deren Dampffördermaschine Seil mittels Haftreibung antrieb . An jedem I/II/V zur modernen Großzeche . Ab 1907 von 1893 vermutlich die älteste am Original- Kontakt & Infos Seilende hing ein Förderkorb, die abwech- entstand die benachbarte Kolonie Dahl- standort erhaltene des Ruhrgebiets darstellt . selnd die Tagesoberfläche und die tiefste hauser Heide . Zur Leistungssteigerung ließ Das Ensemble wurde als Industriedenkmal Sohle im Schacht anfuhren . Zum Ausgleich Krupp 1939 den Malakowturm über Schacht erhalten und 1981 in das LWL-Industriemu- LWL-Industriemuseum des Seilgewichts verband ein Unterseil die II abreißen und durch einen modernen seum eingegliedert . Mit seiner einzigartigen Zeche Hannover Körbe, sodass die Fördermaschine nur Förderturm ersetzen, der jedoch erst nach Lage zwischen vorindustriellem Gutshof, Günnigfelder Straße 251 noch das Drehmoment der unterschied- dem Zweiten Weltkrieg in Betrieb ging . ehemaliger Konsumanstalt, Umspann- 44793 Bochum lichen Korblasten bewältigen musste . Die werk, Halden, Bahntrassen und Siedlungen https://zeche-hannover .lwl .org/de/ erste Turmförderung nach dem System 1954 wurde die Steinkohlenbergwerk Han- bietet das Denkmal Zeche Hannover die Koepe entstand 1888, als die neue Förder- nover-Hannibal AG gegründet, die im Möglichkeit, Industrialisierung und Struk- maschine vom Maschinenhaus in die Spitze selben Jahr die angrenzende Zeche Kö- turwandel, Landschaftsveränderung und des Malakowturms über Schacht II verlegt nigsgrube erwarb . Die Konzentration der Verstädterung auf einen Blick zu erfassen . 34 35

Die Arbeiterhäuser Am Rübenkamp . Kolonie Hanno- Foto: RIK/Rein- ver . Foto: Presse- hold Budde amt Bochum

16 Arbeiterhäuser Am Rübenkamp Weltkrieg erwarb die Zeche, wohl zur 17 Kolonie Hannover Satteldach sowie niedrigeren Anbauten mit Vermeidung von Ausgleichszahlungen Sattel- und Pultdächern . Ursprünglich als Die unmittelbar an der Zeche Hannover für Bergschäden, die Häuser und nutzte 1875 begann die Firma Krupp in Günnig- Kleintierställe und Toiletten genutzt, wur- gelegene Siedlung „Am Rübenkamp“ sie weiter als Wohnraum für Arbeiter . feld mit der Errichtung einer Werkssiedlung den dort später Badezimmer eingerichtet . besteht aus drei Häusern, die zwischen für ihre noch im Aufbau befindliche Zeche Die schlichte Formensprache und ein- 1888 und 1892 von privaten Bauherren, Die drei Gebäude stehen in einer Reihe Hannover III/IV . Bis 1890 entstanden in vier heitliche Gestaltung ist ebenso typisch für möglicherweise selbst Zechenmitarbeiter, an der Straßenfront . Ihre hell verputzten Bauabschnitten 37 Gebäude mit bis zu 148 die Siedlung wie die sehr großen Grund- zur Eigennutzung und Vermietung an Fassaden und die grünen Fensterläden Wohneinheiten . Den Anfang machten die stücke zum Obst- und Gemüseanbau . Bergleute errichtet wurden . Die Häuser an den Fenstern des Erd- als auch des auch für Angestellte vorgesehenen Back- verfügten ursprünglich über jeweils 131 Dachgeschosses prägen die Siedlung steindoppelhäuser an der Ulrichstraße . Es Die Kolonie Hannover gehört heute im Quadratmeter Wohnraum und boten als gestalterische Elemente . Dazu kom- folgten an der Karlstraße die markanten Ruhrgebiet zu den wenigen Arbeiterkolo- damit Platz für bis zu fünf Wohnun- men Gärten mit Stallgebäuden für die zweigeschossigen Fachwerk- und Ziegel- nien der 1870er- und 1880er-Jahre, die im gen . Dem Zweck entsprechend, waren Nutztierhaltung . Selbst die Straße weist häuser mit Kreuzgrundriss und Holzver- Außenbereich weitgehend unverändert sind . die Grundrisse der Wohnungen durch noch die zur Bauzeit übliche Schla- schalung an der Wetterseite . Auch die später Eine Ausnahme bilden der in den 1980er Flure und Verbindungstüren flexibel ckendecke auf . Trotz verschiedener errichteten Siedlungsteile an der Karlstraße, Jahren teilprivatisierte Abschnitt Ulrich- gestaltbar, sodass zwischenzeitlich bis Umbauten und Kriegszerstörungen Friedrichstraße und Rudolfstraße berück- straße, wo es zu Fassadenveränderungen zu zehn Haushalte die einzelnen Häu- hat sich so der einheitliche Charakter sichtigten diesen Typ, sodass eine weit- und einer baulichen Nachverdichtung kam . ser bewohnten . Noch vor dem Ersten der Kleinsiedlung erhalten, zumal das gehend gleichförmige Struktur entstand . Insgesamt bietet sie dennoch ein heraus- mittlere Haus sich annähernd im Ori- Ergänzt wurde die Siedlung durch zwei ragendes Beispiel für das Lebensumfeld von ginalzustand von 1890/91 befindet . Volksschulen, eine Konsumanstalt (alle nicht Bergarbeitern im 19 . und 20 . Jahrhundert . Kontakt & Infos erhalten) und die Krupp‘sche Kleinkinder- Kontakt & Infos 1997 wurde die Siedlung von der schule an der Günnigfelder Straße 68 . Stadt Bochum als lebendiges Zeugnis Arbeiterhäuser Am Rübenkamp der Wohn- und Lebensbedingungen Die in weiten Teilen gut erhaltene und seit Kolonie Hannover Am Rübenkamp der Bergarbeiter unter Denkmal- 1989 unter Denkmalschutz stehende Kolonie Günnigfelder Straße/Alfredstraße 44793 Bochum schutz gestellt . Heute befindet sie sich Hannover ist sowohl durch ihre geradlinige, 44866 Bochum im Besitz des Landschaftsverbandes von Nordwesten nach Südosten verlaufen- Westfalen-Lippe, der die Häuser als de klare Zeilenstruktur als auch durch die Ausstellungsobjekte des Industrie- prägnanten Kreuzgrundrisse der Gebäude museums Zeche Hannover innerhalb gekennzeichnet . Diese bestehen jeweils aus des LWL-Industriemuseums nutzt . einem zweigeschossigen Haupthaus mit 36 37

Zeche Holland in Tafelstandort des den 1960er-Jahren . Bergbauwan- Quelle: Presse- derwegs . Foto: amt Bochum Markus Lutter

18 Zeche Holland 3/4/6 direkt hinter der Stadtgrenze zu Gelsen- 19 Bergbauwanderweg hin zur Großschachtanlage . Nicht alle Stand- kirchen-Ückendorf entstandenen Schacht- Eppendorf-Höntrop orte sind auf den ersten Blick erkennbar, doch Die ehemalige Schachtanlage Holland 3/4/6 anlage 1/2 Schacht 3 niedergebracht, der weisen die Tafeln den Weg zur Entdeckung der in Wattenscheid hat eine architektonische 1880 in Förderung ging . Zwei Jahre später Auch im Gebiet von Eppendorf und Höntrop Spuren früherer bergbaulicher Aktivitäten . Besonderheit zu bieten: Das Kauen- und erhielt die neue Zeche eine Kokerei mit der reichen die steinkohleführenden Schichten Verwaltungsgebäude von 1921 ist das älteste ersten Nebenproduktengewinnungsanlage des Ruhrkohlenbeckens bis zur Erdoberflä- Ausgangspunkt des Wanderwegs ist die Kreu- noch erhaltene Werk der stilprägenden In- zur Separation von Ammoniak und Teer in che . Ähnlich wie im Ruhrtal bei Witten und zung von Höntroper Straße und Talstraße, dustriearchitekten Fritz Schupp und Martin Deutschland . Im Jahr 1900 folgte Schacht 4, Bochum wurde der Bergbau hier bereits sehr wo eine Übersichtstafel den Wegverlauf zeigt . Kremmer, die auch die Schachtanlage Zoll- kurz darauf der Wetterschacht 5 und in den früh aufgenommen . Wahrscheinlich bereits Die rund 4,8 km lange Strecke führt durch verein 12 in Essen entwarfen . Sie gruppierten 1920er-Jahren Schacht 6 als neuer Haupt- im 16 . Jahrhundert gewannen Bauern auf die heute landschaftlich reizvolle Umgebung die Backsteinbauten als dreiflügelige Anlage förderschacht . Seit den 1950er-Jahren bis ihren Feldern Steinkohle im Tagebau zum der beiden Stadtteile und erschließt mehrere um einen Hof und gestalteten die Gebäu- zur endgültigen Stilllegung 1983 kam der Eigenbedarf . Im 18 . Jahrhundert begann Stollen, Schachtgebäude, eine Pferdebahn, de in der Tradition des Neoklassizismus . Schachtanlage eine besondere Bedeutung als die Phase des Stollenbaus in drei Zechen . Bergehalden und Zechenbahnreste sowie zentraler Förderstandort eines Verbundes die Villa Baare, das Wohnhaus von Louis Die Gesamtanlage Holland 3/4/6 stammt verschiedener Zechen und Grubenfelder Anfang des 19 . Jahrhunderts waren die Kohlen- Baare, Generaldirektor des Bochumer Ver- aus der zweiten großen Gründungsphase auf Gelsenkirchener und Essener Gebiet zu . vorräte dieser Anlagen weitgehend erschöpft . eins . Da das Unternehmen mit den Zechen des Bergbaus nach dem Deutsch-Fran- Der zwischenzeitliche Name „Holland/Rhei- 1829 wurden mehrere Grubenfelder zur neuen Maria Anna Steinbank und Engelsburg einen zösischen Krieg . 1872 wurde hier zunächst nelbe-Alma“ verweist auf diese Situation . Zeche Engelsburg zusammengelegt, die zum bedeutenden Teil seines Kohlenbedarfs in als Ergänzung zur Ende der 1850er-Jahre Tiefbau mit Schächten überging . 1843 folgte Eppendorf und Höntrop deckte, bietet der Auch das Maschinenhaus von Schacht 6 mit Maria Anna & Steinbank eine zweite Tief- Wanderweg auch einen Blick in die Geschich- ist erhalten und wie das Fördergerüst von bauzeche . Beide wurden später vom Bochumer te des großen Bochumer Stahlproduzenten . Kontakt & Infos Schacht 4 restauriert . Das deutsche Stre- Verein für Bergbau und Gussstahlfabrikation Kontakt & Infos bengerüst mit dem Namenszug „Holland“ erworben und bestimmten den Bergbau in stammt ebenfalls aus der Feder von Schupp Eppendorf und Höntrop bis zur Stilllegung Zeche Holland 3/4/6 und Kremmer, stand aber zunächst in Essen 1904 bzw . 1961 . Damit endete die Ära des Bergbauwanderweg Emil-Weitz-Straße 2 auf Schacht Zollverein 4 und gelangte erst Steinkohlenbergbaus im Süden Wattenscheids . Eppendorf-Höntrop 44866 Bochum Ende der 1950er-Jahre nach Wattenscheid . Höntroper Straße/Talstraße Die anderen Tagesanlagen wurden nach Der Bergbauwanderweg wurde 1992 vom (Startpunkt) der Betriebsaufgabe Ende der 1980er-Jahre Bürger- und Heimatverein Wattenscheid kon- 44869 Bochum abgerissen . Im Verwaltungs- und Kauenge- zipiert und zwischen 2018 und 2020 grund- bäude befindet sich heute das TGW – Tech- legend neugestaltet . Er erschließt insgesamt nologie- und Gründerzentrum Wattenscheid . 20 Standorte vom frühesten Stollenbetrieb bis 38 39

Die Zeche Maria Anna & Steinbank Schacht 3 Ende des 19 . Jahrhunderts . Quelle: Presse- Villa Baare . Foto: amt Bochum RIK/Budde

20 Zeche Maria Anna & Steinbank Betriebsanlagen waren gerade fertiggestellt, 21 Villa Baare in sozialpolitischen Fragen . Er gehört zu den als die Zeche wegen der schlechten Absatz- wenigen Ehrenbürgern der Stadt Bochum . Die Zeche Maria Anna & Steinbank ent- lage und fehlender finanzieller Reserven Die Villa Baare in Höntrop wurde 1888 vom stand 1841 als Stollenzeche durch die Zu- geschlossen werden musste und absoff . Bochumer Verein für Bergbau und Guss- Sein Sohn und Nachfolger als Generaldirek- sammenlegung mehrerer Grubenfelder im stahlfabrikation für Louis Baare (1821-1897) tor, Fritz Baare (1855-1917), übernahm die Höntroper Raum . Nach der Inbetriebnahme 1868 kaufte der Bochumer Verein für Berg- in direkter Nähe zum Schacht 3 der unter- Villa nach dem Tod des Vaters . 1903 wur- 1844 erfolgten der Kohlentransport und die bau und Gussstahlfabrikation die Zeche, nehmenseigenen Zeche Maria Anna & Stein- de das bis dahin vergleichsweise schlichte Abführung des Grubenwassers zunächst um die Kohlengrundlage seines Stahlwerks bank errichtet . Der Bochumer Verein war zu spätklassizistische Gebäude durch mehrere über den Horster Erbstollen zur Ruhr . zu sichern, und nahm sie wieder in Betrieb . dieser Zeit das mit Abstand größte Bochumer Anbauten und den Turm ergänzt . Ein voll- Aufgrund massiver technischer Schwierigkei- Unternehmen und sein Generaldirektor ständiger Umbau im Inneren sorgte für die Anfang der 1850er-Jahre wurden am Elchweg ten am Schacht 3 entschloss sich das Unter- Baare die wohl bedeutendste Bochumer Per- Atmosphäre eines englischen Landhauses . und am Spelbergs Busch die beiden ersten nehmen zum Bau eines vierten Schachtes sönlichkeit . Zwischen 1854 und 1895 stand Schächte der Zeche Maria Anna & Steinbank an der Emilstraße in der Nähe der Bergisch- er an der Spitze des Montankonzerns und Nach Fritz Baares Tod bewohnte dessen abgeteuft . 1854 übernahm ein Konsortium Märkischen Eisenbahn, der ab 1878 zum gehörte damit zu den wichtigsten Vertretern Witwe die Villa bis zur Beschlagnahmung englischer Investoren die Zeche, die damit zu Hauptförderschacht wurde . In dieser Zeit der Eisen- und Stahlindustrie im Ruhrgebiet . durch alliierte Besatzungstruppen 1945 . einem der vielen Beispiele für ausländisches umfasste die Belegschaft rund 1 .000 Mann . Daneben war er 35 Jahre lang Stadtverord- Dann diente sie zwischenzeitlich als Kur- Kapital im Ruhrbergbau wurde . 1857 folgte neter in Bochum, ein Vierteljahrhundert heim für Kinder . 1974 verkaufte der Krupp- die Umgründung in eine Aktiengesellschaft . Schacht 3 blieb wegen hoher Wasserzuflüs- Präsident der Handelskammer und als Mit- Konzern als Eigentümer die Villa an die se und des instabilen Steinkohlengebirges glied des preußischen Abgeordnetenhauses Stadt Wattenscheid . Heute betreibt ein Zwischen 1858 und 1860 baute die Zeche auch weiterhin ein Sorgenkind . Eine ge- Berater von Reichskanzler Otto von Bismarck Verein hier einen Waldorf-Kindergarten . auf dem Gelände des heutigen Höntro- wisse Bedeutung gewann die Anlage erst per Reiterhofes einen dritten Schacht und 1890 als Verladebahnhof . Von der eben- wurde bald zum Opfer der ersten Wirt- falls dem Bochumer Verein gehörenden schaftskrise des Industriezeitalters . Die Dahlhauser Zeche Hasenwinkel wurde die Kohle bis hierhin per Seilbahn trans- portiert und dann über die Werksbahn in Kontakt & Infos Richtung Stammwerk an der Alleestraße . Kontakt & Infos

1904 wurde die Zeche Maria Anna & Stein- Zeche Maria Anna & Steinbank bank wegen Erschöpfung der Kohlenvor- Waldorf-Kindergarten Reiterweg 22 (Schacht 3) räte stillgelegt . Teile der Betriebsanlage von Reiterweg 13 44896 Wattenscheid Schacht 3, ein Zechenhaus und die Villa 44869 Bochum Baare in der Nachbarschaft sind bis heute gut erhalten . Alle anderen Schachtanlagen wur- den dagegen schon früh vollständig beseitigt . Die Tafeln des Bergbauwanderwegs Eppen- dorf-Höntrop verweisen auf die Standorte . 40 41

Eisenbahnmuseum Bochum. Foto: RIK/Staudinger 42 43

1870er-Jahren machte Dahlhausen zum be- deutenden Bahnknotenpunkt . Für den Ein- satz von Güterzuglokomotiven errichtete die Preußische Staatsbahn während des Ersten Weltkriegs die bis heute weitgehend erhal- tenen Anlagen des Bahnbetriebswerks . Die Dahlhauser Lokomotiven wurden im schwe- ren Güterzugverkehr, besonders im Verkehr von und zu den Zechen eingesetzt . Der Ma- ximalbestand betrug 35 Dampflokomotiven .

Nach der Beseitigung von Kriegsschäden erlebte das Betriebswerk Dahlhausen in den 1950er-Jahren mit rund 500 Mitarbeitern eine letzte Hochkonjunktur . Noch Mitte der 1960er-Jahre wurden im Güterbahn- hof Bochum-Dahlhausen täglich mehr Firma Dr . C . Otto als 2 .000 Güterwagen abgefertigt . Mit der in Bochum . Foto: Schließung der letzten Zechen an der Ruhr Presseamt Bochum entfiel dann das Haupteinsatzgebiet der Blick in den Ring- Lokomotiven des Betriebswerks Bochum- lokschuppen . Foto: 22 Eisenbahnmuseum Bochum Dahlhausen, das am 1 . August 1969 seinen 23 Fa. Dr. C. Otto wurde . Aus den in den 1890er Jahren auf RIK/Staudinger Status als selbstständige Dienststelle verlor . Initiative von Dr . C . Otto gebildeten Neben- Das größte private Eisenbahnmuseum Ein Teil der Anlagen wurde danach zurück- 1872 gründeten der Chemiker und Hütten- produktverkaufsvereinigungen entstanden Deutschlands zeigt mit über 120 Fahrzeugen gebaut und schließlich auch die Güter- techniker Carlos Otto (1838-1897) und u . a . die Aral AG und die Ruhrstickstoff AG . aus der Zeit von 1853 bis 1964 eine einzigar- wagenausbesserung 1982 aufgegeben . andere Gesellschafter die Firma Dr . C . Otto Auch in den Folgejahren zog das Unter- tige Sammlung zur Verkehrs- und Technikge- & Comp . Bereits ein Jahr später begann in nehmen die Aufmerksamkeit durch bahn- schichte . Im 14-ständigen Ringlokschuppen Die Deutsche Gesellschaft für Eisenbahn- den Werksanlagen in Dahlhausen die Pro- brechende technische Innovationen auf sich . des ehemaligen Bahnbetriebswerks Dahlhau- geschichte e . V . (DGEG) konnte das Gelän- duktion feuerfester Steine für Kokereien, sen der Königlich-Preußischen Eisenbahn de des Betriebswerks ab 1968 schrittweise Kessel- und Ofenanlagen . 1876 folgte die Nach der Jahrhundertwende stieg Dr . C . fanden die liebevoll und sachkundig gepfleg- für die Unterbringung ihrer Sammlung Konstruktion der ersten Koksofenanlagen, Otto verstärkt in den Kokereianlagen- ten Lokomotiven, Triebwagen und Wag- historischer Eisenbahnfahrzeuge von der die von Otto als Generalunternehmer u . a . bau ein, der bislang an externe Baufirmen gons eine standesgemäße Heimat . Wie die Bundesbahn übernehmen und eröffnete auf der Zeche Dannenbaum bei Bochum vergeben worden war . Dazu wurde eine Drehscheibe, die Bekohlungsanlage und der 1977 das Eisenbahnmuseum, das seitdem errichtet wurden . Hier wurden nicht nur zentrale Technische Abteilung gegründet, Wasserturm steht er unter Denkmalschutz . kontinuierlich weiterentwickelt wurde . 2011 erstmals in Deutschland Kokereien „schlüs- die 1912 ein eigenes Bürohaus in der Christ- entstand die Stiftung Eisenbahnmuseum selfertig“ übergeben und dann im Rahmen straße in Bochum-Ehrenfeld bezog . Neben Im mittleren Ruhrtal begann die Geschichte Bochum, die das Museum seither betreibt . eines Nutzungsvertrages betrieben, sondern Kokereien produzierte Dr . C . Otto auch der Eisenbahn 1863 mit der Eröffnung der auch die aufgrund ihrer innovativen Heiz- Gaswerksanlagen und Gaserzeuger . 1913 Zweigbahn Steele-Dahlhausen der Bergisch- In unmittelbarer Nähe des Eisenbahnmu- technik bald weitverbreiteten Otto-Cop- stammten allein im Ruhrgebiet insgesamt Märkischen Eisenbahn . Der weitere Ausbau seums und erreichbar durch eine Unterfüh- pée-Öfen eingesetzt . Damit war bereits früh rund 22 000. oder 70 % aller Koksöfen von des Streckennetzes zur Ruhrtalbahn in den rung unter dem Museumsgelände, stellt eine das spätere Kerngeschäft gefunden, in dem Dr . C . Otto . In den 1920er- und 1930er- Fußgängerbrücke die Verbindung zwischen das Unternehmen zu einem der weltweit Kontakt & Infos den beiden Flussufern her . Parallel hier- führenden Anlagenbauer aufsteigen sollte . Kontakt & Infos zu verläuft die lange Ruhrbrücke der 1874 von der Bergisch-Märkischen Eisenbahn 1881 begründete Dr . C . Otto etwa zeitgleich Eisenbahnmuseum Bochum im Zuge der Ruhrtalbahn erbauten Strecke und im Wettbewerb mit dem Kokereifach- P-D Refractories GmbH, Dr .-C -Otto-Straße. 191 Überruhr-Altendorf/Ruhr-Dahlhausen . mann Albert Hüssener die moderne Neben- Standort Dr . C . Otto 44879 Bochum Sie diente vornehmlich dem Güterverkehr, produktengewinnung . Auf der Zeche Holland Dr .-C .-Otto-Straße 222 www .eisenbahnmuseum-bochum de. insbesondere der Zechen im Raum Alten- in Wattenscheid entstand die erste Anlage 44879 Bochum dorf (heute Essen-) südlich mit einer Teer- und Ammoniakabscheidung, www .pd-refractories .com der Ruhr . 1990 fuhr der letzte Güterzug die 1885 um eine Benzolauswaschung er- über die Brücke, nachdem bereits 1959 der weitert und zum Grundstein eines neuen Personenverkehr aufgegeben worden war . Geschäftszweiges des Steinkohlenbergbaus 44 45

Bahnhof Dahl- hausen um 1910 . Repro: Presse- amt Bochum

24 Bahnhof Dahlhausen opferten die Gemeinden Dahlhausen und Linden einen nicht unbeträchtlichen Teil ih- Die heute nicht mehr durchgehend be- res Haushalts für einen Bahnhofsneubau, der triebene Strecke der Ruhrtalbahn diente ab schließlich 1875 fertiggestellt werden konnte . der Inbetriebnahme der Steele-Dahlhauser Auch dieser Bahnhof entsprach nach einiger Eisenbahn 1863 vor allem dem Güterver- Zeit nicht mehr den Anforderungen, so dass kehr zwischen dem Raum Dahlhausen/ die Königlich Preußische Eisenbahn-Ver- Hattingen und dem Verkehrsknotenpunkt waltung im April 1913 ein neues Bahnhofs- Hagen . Sie markiert einen verkehrstechni- gebäude für Dahlhausen planen ließ . Dieses schen Wendepunkt, denn bis dahin waren Gebäude im Bergischen Heimatstil wurde Fabrik Dr . C . Otto die Kohlen aus den zahlreichen Zechen während des Ersten Weltkriegs fertiggestellt im Jahre 1910 . Jahren forcierte Dr . C . Otto das Auslands- Nachdem Dr . C . Otto bereits mehrere Projekte längs der Ruhr auf Frachtschiffen (Ruhr- und war als Dienststelle bis 1979 in Betrieb . Quelle: Presse- geschäft durch die Gründung mehrerer gemeinsam mit der Recklinghäuser Carl Still aaken) in die flussabwärts gelegenen Ab- amt Bochum Tochtergesellschaften und den weltweiten GmbH durchgeführt hatte, übernahm diese satzgebiete transportiert worden . Nun 1994/95 wurde das Empfangsgebäude auf- Vertrieb von Kokereianlagen . 1926 wurden 1987 den Bochumer Konkurrenten, und es übernahm die Eisenbahn diese Aufgabe . wändig und denkmalgerecht restauriert . auch die Hauptverwaltung und der Unter- entstand die Still Otto GmbH mit Sitz in Bo- Dabei wurde die Empfangs- und Schalter- nehmenssitz von Dahlhausen nach Bochum chum . Dr . C . Otto hatte zu dieser Zeit weltweit Erwartungsgemäß profitierten die Zechen halle in ihren ursprünglichen Zustand im an die Christstraße verlegt . Das erhaltene rund 72 .000, beide Unternehmen gemeinsam von der neuen Linie, an die kurze Zeit Stil der 1920er-Jahre zurückversetzt . Leider Gebäude ist heute Sitz der GLS Bank . mehr als 100 .000 Koksöfen errichtet . Noch später auch die Zechen in Altendorf süd- waren alle anschließenden Nutzungen und im selben Jahr ging die Mehrheit des neuen lich der Ruhr angebunden wurden . Mit der weitergehenden ambitionierten Planungen zu Nach dem Zweiten Weltkrieg liefen die Ge- Unternehmens an den Thyssen-Konzern über, bald darauf fertiggestellten „Kohlenstation einer Aufwertung des Gebäudes als Außen- schäfte nur langsam wieder an . Im Verlauf worauf der Firmenname in Thyssen Still Otto Dahlhausen“ begann jedoch nicht nur das stelle des Eisenbahnmuseums und gastrono- der Hochkonjunktur der 1950er Jahre erlebte GmbH geändert wurde . Es folgten mehrere Zeitalter des Güterverkehrs auf der Schiene, mischer, kultureller und sozialer Mittelpunkt Dr . C . Otto eine letzte Blütezeit in Deutsch- Umfirmierungen und nach der Fusion der denn zugleich eröffnete sich der Bevölkerung des Stadtteils Dahlhausen bislang nur von land . 1954 konnte die Errichtung des 50 .000 . Thyssen AG mit der Krupp AG zur Thyssen- erstmals die Möglichkeit, in an die Koh- begrenztem Erfolg . Seit 2020 befindet sich Otto-Ofens gefeiert werden, und wenige Krupp AG 1999 die Zusammenlegung aller lenzüge angekoppelten Personenwaggons das Gebäude im Besitz der Stadt Bochum . Jahre später erreichte die Belegschaft mit Kokereibauaktivitäten in der TK EnCoke nach Steele oder Dahlhausen zu fahren . 3 .600 Mitarbeitern ihren absoluten Höchst- GmbH, heute unter dem Firmendach von Kontakt & Infos stand . Als im Rahmen der Kohlenkrise die ThyssenKrupp Uhde, einem der bedeutendsten Nach der Verlängerung der Strecke der inländische Auftragslage für Kokereien deutschen Anlagenbauunternehmen . Der Feu- Steele-Dahlhauser Eisenbahn nach Hattingen und Stadtgasanlagen nach und nach be- erfestbereich in Dahlhausen ist weiterhin als 1870 und weiter nach Herdecke (heute Ha- Bahnhof Dahlhausen deutungslos wurde, konzentrierte sich das Werksteil Dr . C . Otto der Firmengruppe P-D gen-Vorhalle) im Jahre 1874 gewann der Per- Otto-Wels-Platz Geschäft auf den Anlagenbau im Ausland . Refrectories (Preiss-Daimler) in Bochum aktiv . sonenverkehr an Bedeutung . Daher erhielt 44879 Bochum Dahlhausen 1870 ein erstes Stationsgebäude und eine Güterabfertigung . Beide Bauten erwiesen sich jedoch ebenso wie die Gleisan- lagen schon bald als zu klein . Da inzwischen die Ruhrtalbahn durchgehend befahrbar war, 46 47

Die alte und die Stollenmundloch neue Schwimm- Glücksonne an der brücke, November Lewackerstraße . 1958 . Quelle: Foto: Presse- Presseamt Bochum amt Bochum

25 Schwimmbrücke Dahlhausen Die Situation entspannte sich erst Ende des 26 Bergbauhistorischer Geologie der Steinkohlenformationen und 19 . Jahrhunderts, als in Dahlhausen auf Lehrpfad Bochum-Dahlhausen die Betriebsstrukturen im Zeitverlauf . Die Schwimmbrücke Dahlhausen ist ein private Initiative eine erste Pontonbrücke wichtiger Verkehrsweg im Bochumer Süden entstand . Diese benötigen weder Brücken- Wie im gesamten Bochumer Süden entlang Hervorzuheben sind einige für Bochum ein- und zugleich ein Nadelöhr . Sie verbindet Bo- pfeiler noch besondere Widerlager, sondern der Ruhr wurde auch in Dahlhausen bereits zigartigen Standorte . Dazu gehört etwa der chum-Dahlhausen mit dem südlich der Ruhr bestehen aus einer Reihe von Schwimm- im 17 . Jahrhundert Steinkohle abgebaut . „Primussprung“, der wie an keiner anderen gelegenen Essener Stadtteil Burgaltendorf . körpern, auf denen die Brückenfahrbahn Im Vergleich zu Stiepel gab es jedoch ge- Stelle des Ruhrgebiets die Brüche des Stein- aufliegt . Für die Schiffsdurchfahrt konnte wisse Unterschiede . So ähneln sich zwar die kohlengebirges deutlich macht . Zu erwähnen Bis ins 20 . Jahrhundert hinein stellte die Ruhr ein Brückenabschnitt angehoben werden . Topografie und die geologischen Strukturen, sind auch der leider nicht erhaltene Stall für eines der größten Verkehrshindernisse des Der Betrieb wurde durch die Erhebung aber der Bergbau erschloss hier nicht nur Grubenpferde mit angrenzender Weide sowie Ruhrgebiets dar . Mit der bereits in der Frü- eines Brückengeldes finanziert . Die Brücke die Täler im Bereich des Flusses, sondern das Maschinenhaus der Zeche Hasenwinkel, hen Neuzeit nachweisbaren und zuletzt 1870 wurde im Mai 1943 durch die Bombardie- auch höhergelegene Bereiche von Oberdahl- das Brikettwerk Dahlhausen und der Tunnel an die Bedürfnisse des Verkehrs angepass- rung der Möhnetalsperre stark beschädigt hausen und im angrenzenden Munscheid . Baaker Mulde unterhalb der Hattinger Straße . ten Brücke der Bochumer Straße (B 51) in und nur provisorisch wieder aufgebaut . Hattingen existierte im Bochumer Südwesten Zur Erinnerung an die Bergbaugeschichte nur eine Straßenverbindung . Dazu kamen 1959 ersetzte die heutige Schwimmbrücke Dahlhausens hat die Stadt Bochum zusam- drei Eisenbahnbrücken an der Henrichshütte, die im Zeitalter der Massenmotorisierung men mit dem „Bergmannstisch Bochum unterhalb der Straßenbrücke sowie im Be- unzureichende Konstruktion . Die 89,4 Meter Süd“ Anfang der 1990er-Jahre die bergbau- reich des heutigen Eisenbahnmuseums . Fuß- lange und 146,8 Tonnen schwere Brücke ver- historisch interessanten Stätten markiert gänger waren auf Fähren angewiesen oder fügt über drei Felder und sechs Pontons . Ihr und mit Informationstafeln ausgestattet . Die mussten weite Umwege in Kauf nehmen . südlicher Teil ließ sich ursprünglich mit Hilfe 32 Standorte liegen auf einer Strecke von von Seilwinden ausschwenken, damit Schiffe rund 10 km und zeigen sowohl Objekte des Kontakt & Infos die Brücke passieren konnten . Der Straßen- frühen als auch des industriellen Bergbaus Kontakt & Infos verkehr über die einspurige Brücke wird wie Stollenmundlöcher, Schächte, Berg- durch eine Ampel geregelt und ist seit 2011 mannssiedlungen, Halden und Kohlenwege . Schwimmbrücke Dahlhausen aufgrund von Gewichtsbeschränkungen stark Daneben existieren weitere sieben Standorte Bergbauwanderweg Dahlhausen Lewackerstraße/Auf eingeschränkt . Ob und wann die dringend außerhalb des Rundweges . Ursprünglich als Am Alten General (Startpunkt) dem Stade (Essen) notwendige Grundsanierung oder ein Neu- „Bergbauwanderweg“ bezeichnet, firmiert 44879 Bochum 44879 Bochum bau erfolgen, ist derzeit ungewiss . Seit 2014 die Rundstrecke seit einiger Zeit als „Berg- www .bergmannstisch-bo-su- steht die Brücke unter Denkmalschutz, ist sie bauhistorischer Lehrpfad“ . Und dies ist nicht ed .de/lehrpfad .html doch die einzige Ihrer Art im Ruhrgebiet . zu viel versprochen . Wie auch der Stiepeler www .bochum .de/Dahlhausen Bergbauwanderweg bietet der Lehrpfad einen umfassenden Überblick über die die 48 49

Beerdigung von Heinrich Kämp- chen, 1912, Lei- chenzug vor seinem Zeche Friedlicher Wohnhaus . Quelle: Nachbar . Foto: Presseamt Bochum Dietmar Bleidick

27 Grab Heinrich Kämpchen Kämpchen setzte sich schon früh mit dieser 28 Zeche Friedlicher Nachbar als eine der ersten Bochumer Zechen 1961, Situation auseinander und stellte sie in den gleich zu Beginn der Kohlenkrise, stillgelegt . Heinrich Wilhelm Kämpchen (1847-1912) Mittelpunkt seiner Gedichte . Dies brachte Wie viele Zechen im Bochumer Süden ist auch war Bergmann und Arbeiterdichter . Er ihm hohes Ansehen bei der Arbeiterschaft, die Zeche Friedlicher Nachbar aus älteren Von der Zeche erhalten ist unter anderem entstammte einer alten Bergmannsfami- die ihn 1889 beim ersten großen Berg- Stollenzechen hervorgegangen . 1868 begann die Maschinenhalle von Schacht 2, die heu- lie aus Altendorf (Essen-Burgaltendorf) . arbeiterstreik zu einem ihrer Streikführer das Unternehmen mit dem Tiefbau und legte te einem Keramik-Künstler als Werkstatt Sein Berufsleben als Bergmann begann er ernannte . Die Bergbauunternehmen be- an der heutigen Wuppertaler Straße (Auto- dient . Mehrmals im Jahr hält er inzwischen 1864 in Dahlhausen auf der Zeche Hasen- straften diese unerwünschten politischen haus) den ersten eigenen Schacht an, nach- über Bochum hinaus bekannte Design-Mes- winkel, die sich zu dieser Zeit im Umbruch Aktivitäten umgehend, setzten ihn auf dem zuvor bereits über den angepachteten sen ab, die eine gute Gelegenheit bieten, die vom Stollenbetrieb zur Tiefbauzeche be- eine schwarze Liste und verwehrten ihm Röderschacht der Nachbarzeche Hasenwinkel Maschinenhalle auch von innen zu besichti- fand . Der junge Heinrich Kämpchen erlebte von nun an einen Arbeitsplatz . So musste gefördert worden war . Der Kohlentransport gen . Daneben sind das eindrucksvolle Ge- dort den durch die Industrialisierung be- Kämpchen von einer äußerst kärglichen erfolgte über einen zum Tunnel ausgebauten bäude des Wetterschachtes sowie das südliche dingten sozialen Absturz des zuvor wohl- Rente als Frühinvalide leben – als Kost- Stollen durch den Höhenrücken der Hattinger Eingangsbauwerk des Tunnels erhalten . angesehenen privilegierten Bergmannes gänger im Haus Dr .-C .-Otto-Straße 46, wo Straße zur Bahnlinie Weitmar-Dahlhausen . zum weitgehend rechtlosen Bergarbeiter . heute eine Gedenktafel an ihn erinnert . Um die Wende zum 20 . Jahrhundert folg- Heinrich Kämpchen war einer der talen- ten ein zweiter Schacht 500 m südöstlich tiertesten sozialistischen Dichter seiner von Schacht 1 und ein Wetterschacht am Zeit, der vor dem Hintergrund der herben höchsten Punkt des Weitmarer Holzes an der Schönheit des Ruhrtals („Was die Ruhr mir Blankensteiner Straße . 1899 übernahm die sang“) mit großer Emotionalität die Nöte Zeche Friedlicher Nachbar die angrenzende Kontakt & Infos der Bergarbeiter thematisierte . Seit 1889 Zeche Baaker Mulde, die ebenfalls aus Stol- Kontakt & Infos erschienen seine mit deutlichen Bezügen lenzechen hervorgegangen war . Friedlicher zu tagespolitischen Geschehnissen ge- Nachbar wurde mehrmals weiter ausgebaut Katholischer Friedhof Linden kennzeichneten Gedichte in dem Wochen- und machte mehrere Besitzerwechsel durch . Zeche Friedlicher Nachbar Nöckerstraße blatt „Deutsche Bergarbeiter Zeitung“ . 1950 erhielt Schacht 2 ein neues Fördergerüst Friedlicher Nachbar-Straße 44879 Bochum nach Entwürfen des bedeutenden Industrie- 44879 Bochum Kämpchens Grab auf dem katholi- architekten Fritz Schupp . Dieses Gerüst ist schen Friedhof Linden wurde 1989 heute nicht mehr an seinem ursprünglichen als Ehrengrab gestaltet und mit einer Ort, sondern in Essen-Katernberg auf die von Tisa von der Schulenburg ent- Zeche Zollverein 1/2 zu sehen, wohin es worfenen Grabplatte versehen . versetzt wurde . Friedlicher Nachbar wurde 50 51

30 Zeche und Kraftwerk Prinz-Regent

In Weimar entstanden bereits im 17 . Jahr- hundert mehrere Zechen, die die Kohle ober- flächennah über Stollen abbauten . Der Be- trieb dieser Anlagen war unregelmäßig, die Förderung gering . 1869 wurden mehrere älte- re Stollenbetriebe und das 1862 verliehene Die Zeche Bochum Grubenfeld „Prinz Regent“ zusammengefasst, kaue der Zeche untergebracht residiert seit heute . Foto: um eine Tiefbauzeche zu errichten . Das kon- 1991 das Prinz Regent Theater, eine der Dietmar Bleidick solidierte Bergwerk trug zu Ehren des Königs wichtigsten freien Bühnen Bochums . von Preußen und späteren Kaisers Wilhelm I . weiterhin den Namen „Prinz Regent“ . 1905 errichtete die Zeche auf ihrem Ge- lände ein Kraftwerk zur Versorgung mit 1873 mit zwei Schächten in Betrieb ge- Strom, Druckluft und Dampf . An die sei- gangen, wuchs Prinz Regent nach der Jahr- nerzeit größte Anlage ihrer Art in Bochum hundertwende rasch zu einer der leistungs- waren schließlich vor dem Ersten Weltkrieg Wasserturm stärksten Bochumer Zechen . Hatten die zehn Schachtanlagen im Raum Bochum Weitmar . Foto: Fördermengen seit den 1880er Jahren bei und Dortmund angeschlossen . Das durch Dietmar Bleidick weniger als 200 .000 Tonnen pro Jahr zu- die Stilllegung dieser Zechen Anfang der nächst stagniert, verdreifachten sie sich bis 1960er-Jahre in seinem Bestand bedroh- zum Ersten Weltkrieg auf 650 .000 Tonnen . te Kraftwerk wurde dann zunächst von 29 Wasserturm Bochum-Weitmar Der Weitmarer Wasserhochbehälter wur- der Stadt Bochum als Energiezentrale des de als Kombination aus Wasserturm und Ausschlaggeben für diese Entwicklung neuen Opel-Werkes und schließlich von Der 1902/03 in Weitmar am höchsten Punkt Wohn- bzw . Betriebsräumen gebaut . Seine war die Übernahme durch Hugo Stinnes´ der Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen der Hattinger Straße errichtete Wasserhoch- von der Bochumer Firma Heinrich Sche- Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und übernommen . Mit dem Bau der Ruhr-Uni- behälter stand im Zusammenhang mit dem ven entwickelte Bauweise ist eine Sonder- Hütten-AG . Prinz Regent wurde zur Haupt- versität und der Hustadt gewann es weitere geplanten Bau eines kleinen Wasserwerks form, von der in Deutschland nur wenige förderanlage mehrerer Konzernzechen im Bedeutung als Lieferant von Fernwärme . für die Betriebszwecke der Steinkohlen- Exemplare entstanden, und daher von Bochumer Süden, die wie Friederika und Ju- zeche Friedlicher Nachbar in Linden . Da besonderem baugeschichtlichem Wert . Die lius Philipp in Wiemelhausen jedoch bereits Nach der Schließung des Opel-Werkes zur gleichen Zeit die neu gegründeten Fassadengestaltung wirkt architektonisch kurz nach der Jahrhundertwende stillgelegt 2014 und dem Auslaufen der Lieferver- Verbands-Wasserwerke Bochum ebenfalls sehr reizvoll, da sie an eine herrschaftliche wurden . Mit der endgültigen Schließung von träge mit der Ruhr-Universität 2017 wurde ein Wasserwerk im Ruhrtal zur Aufrecht- Gründerzeitvilla erinnert . Das im äußeren Carl Friedrichs Erbstolln in Weitmar war das Kraftwerk im Oktober 2018 stillge- erhaltung ihrer Wasserlieferungen plan- Eindruck viergeschossige Gebäude verfügt Prinz Regent Ende der 1920er-Jahre die mit legt . Die Kohleblöcke waren bereits in den ten, verzichtete die Zeche auf die weitere im unteren Bereich über zwei Wohn- bzw . Abstand wichtigste Zeche im Bochumer Sü- 1990er-Jahren abgerissen worden . Heute Durchführung ihres Vorhabens und wurde Bürogeschosse, während sich darüber zwei den und erreichte mit 3 .400 Bergleuten eine erinnern nur noch einige wenige verblie- stattdessen Kunde des Verbandes . Dieser Wasserbehälter mit einem Volumen von Rekordförderung von knapp 1 Mio . Tonnen . bene Gebäude an diese Großanlage im baute dann an der Hattinger Straße und in insgesamt 2000 Kubikmetern befinden . Bochumer Süden, zu der auch das 1961 an Bochum-Harpen zwei baugleiche Wasser- Ende der 1950er-Jahre gehörten die Zechen der Wasserstraße errichtete und 1986 ge- speicher, die zum Mengen- und Druck- Bis Ende der 1950er-Jahre wurde der Weit- im Bochumer Süden u . a . aufgrund schlech- schlossene Kraftwerk Springorum gehörte . ausgleich des Leitungsnetzes dienten . marer Wasserturm noch als Speicher genutzt . ter Lagerstättenverhältnisse und Kohlenqua- Kontakt & Infos Mitte der 1970er-Jahre übernahm die Stadt litäten zu den ersten Opfern der Kohlenkrise . Kontakt & Infos Bochum den Hochbehälter von den Stadt- Prinz Regent und Dannenbaum (Opel-Werk) werken, ließ ihn ab 1983 komplett sanieren wurden 1958 zusammengelegt, um dann Wasserturm Weitmar und stellte ihn 1989 unter Denkmalschutz . Ende Februar 1960 für immer zu schließen . Zeche und Kraftwerk Prinz Regent Hattinger Str . 467 Sein Pendant in Bochum-Harpen wurde da- Prinz-Regent-Straße 50-60 44795 Bochum gegen 1976 abgerissen . Eine neue Nutzung In der ehemaligen Schlosserei, einem der 44795 Bochum erhielt der Wasserturm durch die Unterbrin- wenigen vom Abriss verschonten Gebäu- gung des seit 1958 in Bochum heimischen de, entstand 1981 die „Zeche Bochum“ „Deutschen Instituts für Puppenspiel“, das als eines der ersten Veranstaltungszentren seit 1992 den Namen „Deutsches Forum für seiner Art in Deutschland . Direkt nebenan Figurentheater und Puppenspielkunst“ trägt . und in Magazinräumen bzw . der Wasch- 52 53

liegenden Fensterbahnen betont . Auf einen 32 Bergbauwanderweg Zu einem erneuten Aufschwung des Stiepeler Sakralbau weist nur ein kleiner kupferner Bochum-Süd Bergbaus kam es nach dem Zweiten Weltkrieg, Dachreiter hin, der spitz wie eine Nadel als der allgegenwärtige Kohlenmangel die Ge- auf der linken Rippe der Portalfront sitzt . Im Ruhrtal liegt die Wiege des Ruhrberg- winnung der noch vorhandenen Vorräte wie- baus . Hier treten an zahlreichen Stellen der zu einem guten Geschäft machte . Die zahl- Der helle Innenraum ist schlicht und wird die Kohleflöze an der Erdoberfläche aus . reichen neuen Kleinzechen wurden dann im durch den hoch liegenden Fries farbiger Bereits im Mittelalter wurde im Bereich Zuge der Kohlenkrise Anfang der 1960er-Jahre Fenster an beiden Längsseiten und ein großes des Flusses zwischen Essen und Dortmund stillgelegt . Carl Friedrichs Erbstollen war be- Fenster in Chorhöhe beleuchtet . Der Fries Kohle gewonnen . In Stiepel gehen die An- reits in den 1920er-Jahren geschlossen worden . Heimkehrer-Dan- stellt eine abstrakt gestaltete „Kriegsstraße“ fänge bis ins 16 . Jahrhundert zurück . Ein keskirche . Foto: 31 Heimkehrer-Dankeskirche dar und stammt ebenso vom Essener Maler regelmäßiger Bergbau begann jedoch erst Der Bergbau im Stiepeler Raum erfolg- Dietmar Bleidick Weitmar Wilhelm de Graaf wie das 95 Quadratmeter im 18 . Jahrhundert . Bevor die Ruhr in den te lange Zeit größtenteils oberflächennah große Chorfenster mit dem Motiv des „Lob- 1770er-Jahren schiffbar gemacht wurde, über Stollen, die in der Regel in der Talsohle Diese katholische Kirche ist etwas Außer- gesangs der drei Jünglinge im Feuerofen“ . war Stiepel der Ausgangspunkt des Gahlen- angelegt wurden . Dies ermöglichte nicht gewöhnliches . Schon ihr Name ist einzigartig Selbst Spätheimkehrer, setzte de Graaf dabei schen Kohlenweges, der bis in den Raum nur den einfachen Abtransport der Kohle, in Deutschland, denn sie erinnert nicht nur die Schrecken des Krieges und der Gefan- Dorsten führte . Noch heute erinnern in sondern sorgte auch für einen natürlichen an die Heimkehr der Heiligen Familie nach genschaft mit kräftigen Farben ins Bild . Im Bochum die Straßennamen Kohlenstraße, Abfluss des zulaufenden Wassers . Daneben der Flucht aus Ägypten, sondern zugleich Magdalenenfenster am Nebenaltar werden Dorstener Straße und Gahlensche Straße existierten nur kleine Schächte, die vor allem an die der Spätheimkehrer aus sowjetischer in blauen Farbtönen die Abkehr vom Bösen an diese erste Blütephase des Ruhrberg- zur Bewetterung (Belüftung) der Zechen Gefangenschaft nach dem Zweiten Welt- und die Hinwendung zu Gott als Weg des baus, während der zahlreiche Stollenzechen dienten . Die Standorte des Bergbauwander- krieg . Der Bau an der Karl-Friedrich-Stra- Heils thematisiert . Als letztes wurde das entstanden . Die Kohle wurde flussabwärts wegs zeigen dies eindrucksvoll, liegen sie ße geht auf die Anregung von Pfarrvikar Rosenkranzfenster des de Graaf-Schülers in Richtung Rhein verschifft und bis nach doch entweder direkt im Ruhrtal, oder aber August Halbe an St . Franziskus in Weitmar Nikolaus Bette erst 1974 fertiggestellt . Ob- Süddeutschland und in die Niederlande in einem der Seitentäler, Da im eigentlichen zurück, der selbst von diesem Schicksal wohl es nicht mehr stilistisch an die übri- verkauft . Den Landtransport im Umfeld der Ortsbereich kein Bergbau stattfand, zieht sich betroffen war . Beharrlich verfolgte er die gen Fenster anschließt, hat Gründerpfarrer Zechen übernahmen bald Pferdebahnen, die der Weg in einem großen Bogen über eine Idee, eine Kirche nicht nur als Dank für die Halbe es sich in dieser Form gewünscht . Die zu den ältesten in Deutschland gehören . Strecke von etwa 22 km um Stiepel herum . Heimkehr, sondern gleichzeitig als Zeichen Schutzmantelmadonna stammt aus dem Jahr der Versöhnung zu schaffen . Nachdem 20 1985 und nahm das Anliegen Halbes auf, die Mitte des 19 . Jahrhunderts boten der Kohlen- Der Wanderweg wurde zwischen 2017 und Spätheimkehrer 1958 den symbolischen Kirche unter den Schutz Marias zu stellen . reichtum Stiepels und die günstigen Ab- 2021 vom Knappenverein Schlägel & Eisen ersten Spatenstich vorgenommen hatten, baubedingungen zusammen mit der Lage Bochum Stiepel-Dorf 1884 in Kooperation weihte der Essener Bischof Franz Hengs- In der Krypta links vom Chor befinden sich an der Ruhr den Ausgangspunkt für die mit dem Stiepeler Verein für Heimatforschung bach die Kirche im Dezember 1959 ein . seit 1967 an der Altarwand neben dem Ta- Ansiedlung der Hattinger Henrichshütte . neugestaltet . Er ersetzt den in den 1980er bernakel zahlreiche Namen von Kriegsgefan- In dieser ersten Industrialisierungsphase Jahren entstandenen ersten Wanderweg, Der Herner Architekt Kurt Hubert Vieth genen . 1986 wurde die Krypta durch einen des Ruhrgebiets entstand an der Kemna- dessen Standorttafeln nach rund 30 Jahren schuf eine Hallenkirche mit flachem Sattel- Anbau zu einem Museum erweitert, das von der Straße an der Grenze zu Weitmar mit das Ende ihrer Lebensdauer erreicht hatten . dach als Stahlbetonskelettbau . Die Archi- Kriegsgefangenen in den Lagern unter primi- Carl Friedrichs Erbstollen auch die einzige Unverändert ist jedoch das Ziel des Bergbau- tektur soll an eine Lagerbaracke erinnern . tivsten Bedingungen hergestellte Alltags- und Großzeche Stiepels . Der Ort wurde so zur wanderwegs Bochum-Süd . Er soll in seiner Das Äußere wird durch rippenartige Stützen Kunstgegenstände zeigt . Zu den Exponaten Bergbaugemeinde, denn neben der Land- Gesamtheit einen Überblick über die Entste- zwischen hellen Klinkerflächen geprägt . Die zählt auch eine Kopie der Stalingradmadon- wirtschaft bot die Kohlengewinnung Arbeit hung und Entwicklung sowie die wirtschaft- Portale an der Westfassade werden durch na als gestickter Wandbehang . Das Original für einen großen Teil der Bevölkerung . lichen und technischen Rahmenbedingungen eine mittige Rippenfolge mit drei darüber wurde Weihnachten 1943 vom evangelischen des Stiepeler Bergbaus geben und damit das Pastor und Lagerarzt Kurt Reuber im Kessel Mit der gleichzeitig einsetzenden Nordwan- Zeitalter der Kohle ein wenig näherbringen . Kontakt & Infos von Stalingrad gezeichnet und an seine Frau derung des Bergbaus in Richtung Emscher Kontakt & Infos geschickt . Seit 1983 befindet es sich in der und Lippe verloren die Stiepeler Zechen nach Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin . und nach an Bedeutung . Sie verfügten nur Heimkehrer-Dankeskirche über vergleichsweise geringe und qualita- Bergbauwanderweg Bochum Süd Karl-Friedrich-Straße 111 Die Heimkehrer-Dankeskirche zählt zu tiv minderwertige Kohlenvorräte, die bald Eichenweg (Startpunkt) 44795 Bochum den Erinnerungsorten von nationalem abgebaut waren . Noch im 19 . Jahrhundert 44799 Bochum www .st-franziskus-bochum de. Rang und steht seit 2005 unter Denk- musste daher ein Großteil der Zechen ge- www .bochum .de malschutz . Seit 2009 ist sie Filialkirche schlossen werden . Dennoch blieb der Berg- www .bochum .de der St .-Franziskus-Pfarrei und war im bau der alles bestimmende Wirtschaftszweig Kulturhauptstadtjahr 2010 eine der Kul- in Stiepel, denn die Bergleute verdingten sich turtankstellen des Bistums Essen . jetzt bei Zechen in den Nachbargemeinden . 54 55

34 Zeche Brockhauser Tiefbau

Die Zeche Brockhauser Tiefbau geht zurück auf mehrere Stollenzechen, die zum Teil bereits im 17 . Jahrhundert in Betrieb waren und 1873 konsolidiert (zusammengefasst) wurden . Sie symbolisiert auf einzigartige Art und Weise die Entwicklung des Ruhr- bergbaus vom Stollenbau zum Tiefbau über Schächte . Darüber hinaus steht die Zeche sowohl für den vor- und frühindustriellen Bergbau im Ruhrgebiet als auch für den Übergang zur industrialisierten Steinkohlen- gewinnung seit Mitte des 19 . Jahrhunderts . Der Malakow- Kleinzeche Der in Ruhrsandstein gemauerte Schacht- turm der Zeche Haunert . Foto: turm – der Malakowturm – gehört zu den Brockhauser Dietmar Bleidick wenigen noch vorhandenen der ehemals Tiefbau . Foto: wohl über 130 Bauwerke dieser Art im Dietmar Bleidick Ruhrgebiet und ist der einzige erhaltene in 33 Kleinzeche Haunert ohne Genehmigung der Bergbehörden . Auf Ruhrsandstein-Mauerung . Malakowtürme den zahlreichen, im Wald gelegenen Ze- haben ihren Namen nach der gleichnamigen, Die Zeche erreichte bereits 1880 ihre höchste Nach dem Zweiten Weltkrieg war Steinkohle chen arbeiteten meist nur wenige Bergleute . als uneinnehmbar geltenden Festung auf der Förderung, als 185 Bergleute 43 000. t Kohle der wichtigste Energieträger des Wiederauf- Die Förderung war gering, und so erhielten Krim-Halbinsel, die im Krimkrieg (1853- an die Erdoberfläche brachten . Hauptab- baus . Durch die hohe Nachfrage herrschte ein diese Zechen im Volksmund den Namen 1856) zwischen Russland sowie dem Osma- nehmer war die Henrichshütte in Hattin- immenser Kohlenmangel, den die Großze- „Pütt Eimerweise“ . In den 1950er-Jahren nischen Reich, England und Frankreich Be- gen . 1887 wurde die Anlage stillgelegt und chen des Ruhrgebiets nicht decken konnten . existierten im Bochumer Süden zwischen- rühmtheit erlangte . In Westeuropa erhielten von der Zeche Carl Friedrichs Erbstollen Aus diesem Grund entstanden im Bereich zeitlich bis zu 100 Kleinzechen . Diese ver- die eher an Burgtürme erinnernden Anlagen (Stiepel/Weitmar Mark) übernommen . des Ruhrtales zahlreiche Kleinzechen . Hier schwanden dann mit der Kohlenkrise ab diese Bezeichnung im Volksmund aufgrund Diese baute nun die verbliebenen Kohlen lagen die Anfänge des Ruhrbergbaus im 18 . 1958 relativ schnell . 1967 schloss die letzte ihrer mächtigen Mauern . Eine solche Bau- im Grubenfeld ab und nutzte den Schacht Jahrhundert und nun kehrte er an seinen Ur- Stiepeler Kleinzeche „Küper-Kaeseberg“ . art bildete zunächst die einzige Möglichkeit, ab 1898 bis zur endgültigen Stilllegung sprungsort zurück . Ausgangspunkt waren die die für den Tiefbau erforderliche Anlagen- 1912 als Wetterschacht zur Belüftung . oberflächennahen Kohlevorkommen in die- Die Zeche Haunert ist ein typisches Bei- technik aufzunehmen . Mit der Inbetrieb- ser Gegend . Diese waren zwar durch den al- spiel einer Kleinzeche . Sie wurde 1946 am nahme 1876 ist der Malakowturm der Zeche Der einzigartige Schachtturm wurde erhalten ten Bergbau schon weitgehend erschöpft, bo- Bliestollen direkt neben dem Malakow- Brockhauser Tiefbau heute der jüngste noch und steht seit 1979 unter Denkmalschutz . ten aber noch ausreichend abbaufähige Flöze . turm Brockhauser Tiefbau gegründet, vorhandene . Zugleich war er bereits zur Zeit 2015 wurde auf Initiative des Knappenvereins erreichte 1952 ihre höchste Jahresförde- seiner Entstehung ein Auslaufmodell, das Schlägel & Eisen Bochum Stiepel-Dorf 1884 Ab 1945 wurde das Weimarer Holz zum Zen- rung von 17 .000 Tonnen und beschäftigte aus technischen Gründen zunehmend durch in Kooperation mit dem Stiepeler Verein trum des neuen Kleinbergbaus . In den ersten maximal 85 Kumpel . Der Durchschnitt lag Eisen- und Stahlgerüste verdrängt wurde . für Heimatforschung das Dach erneuert . Jahren erfolgte der Abbau unkontrolliert und jedoch erblich geringer . Zum Vergleich: Eine Großzeche im nördlichen Ruhrgebiet förderte zu dieser Zeit mit mehreren Tau- Kontakt & Infos send Bergleuten jährlich über eine Million Kontakt & Infos Tonnen . 1959 wurde Haunert stillgelegt und in den folgenden Jahren abgerissen . Kleinzeche Haunert Malakowturm Brockhauser Tiefbau Am Bliestollen Der Knappenverein Schlägel & Eisen Am Bliestollen 44797 Bochum Bochum-Stiepel/Dorf 1884 entschloss 44797 Bochum sich 2015 zur Rekonstruktion der Zeche Haunert als Erinnerung an den Bochu- mer Kleinbergbau . Im Juni 2017 wurde der einzige Nachbau einer Kleinzeche im Bochumer Raum fertiggestellt . 56 57

35 Gahlenscher Kohlenweg diesen durch eigene Ressourcen und nicht 36 Kohlenniederlage Carl mehr durch Lieferungen aus den Nachbarter- Friedrichs Erbstollen Der Gahlensche Kohlenweg war eine der ritorien wie dem Herzogtum Berg zu decken . ersten befestigten Straßen im mittleren Ruhr- Den Landtransport zwischen Mark und Die Ruhr wurde in der zweiten Hälfte der gebiet . Er führte auf einer Länge von 29 km Kleve behinderten jedoch nicht nur die „aus- 1770er-Jahre schiffbar gemacht . Damit von den Stiepeler und Weitmarer Zechen ländischen“ Zölle und Wegegelder, sondern begann die Blütezeit der Stiepeler Zechen . im Bochumer Süden zunächst über Haus auch das unzureichende und weitmaschige Anstatt des mühsamen, langwierigen und Dahlhausen bei Hamme nach Eickel, über- Straßennetz im nördlichen Ruhrgebiet . leistungsschwachen Landtransports mit querte die Emscher bei Crange und verlief Fuhrwerken bestand nun die Möglich- weiter in Richtung Buer und Polsum, um Vor diesem Hintergrund fand das 1765 von keit des Transports größerer Mengen hinter Dorsten am Lippehafen bei Gahlen dem Blankensteiner Lehrer und späteren über weite Strecken . Stiepeler Kohle wur- zu enden . Auch wenn die Strecke nur kurze Berggeschworenen Johann Wilhelm Müser de über Ruhr und Rhein bis nach Süd- Zeit im Verlauf der 1770er-Jahre ihre vor- vorgestellte Projekt des privat finanzierten deutschland und Holland vertrieben . gesehene Funktion als Kohlentransport- Gahlenschen Kohlenweges bei den preu- weg erfüllte und die beförderten Mengen ßischen Behörden eine positive Resonanz . Umgehend errichteten alle frühen Zechen zu keiner Zeit den erwarteten Umfang Der Staat errichtete in Gahlen, dem ersten zur Verschiffung der Kohle sogenannte erreichten, bildete das ambitionierte Ver- klevischen Ort hinter dem kurkölnischen „Niederlagen“ direkt am Fluss . Hier lagerten kehrsprojekt einen wichtigen Grundstein Dorsten, eine Kohlenniederlage und ein die zum Abtransport vorbereiteten Mengen für die spätere Verkehrserschließung der Lagergebäude, das „Kohlhaus“ . Außer- und warteten auf ihren Abtransport durch Region . Der Verlauf der Bundesstraßen dem stellte er über die märkische Berg- die „Ruhraaken“, so die Bezeichnung der 224 und 226 entspricht in weiten Teilen der kasse Kredite bereit und übertrug Müser typischen Ruhrschiffe . Insgesamt existierten ursprünglichen Streckenführung, während den Transport als Generalunternehmer . 1840 an der Ruhr 85 Kohlenniederlagen . ihre Namensgebung in Bochum als Dors- tener Straße und in Dorsten als Bochumer Von Beginn an zeigte sich jedoch, dass Die Niederlage der Zeche Carl Friedrichs Straße wie auch die der Bochumer Kohlen- der um 1770 fertiggestellte Kohlenweg Erbstollen ist die wohl größte und am besten straße an das Ursprungskonzept erinnern . die Hoffnungen nicht erfüllen konnte . Ab erhaltene im Ruhrgebiet . Sie wurde in dieser 1780 erlitt das chronisch defizitäre Unter- Form wahrscheinlich 1825 angelegt, als Ausschlaggebend für den Bau und die Stre- nehmen mit der Einführung der Ruhr- die Zeche durch Zusammenfassung älte- ckenführung des Gahlenschen Kohlenweges schifffahrt nach Witten einen dramatischen rer Stollenbetriebe gegründet wurde . Die waren Aspekte der Rohstoffversorgung, aber Bedeutungsverlust, und die Verbindung Zechen Haarmannsbank und Treue hatten Kohlenniederlage auch die territoriale Situation Preußens . Die verfiel zusehends . Erst nach der Aufhebung hier jedoch schon seit 1781 einen Lager- bereits in den 1850er-Jahren aufgegeben, Carl Friedrichs westlichen Landesteile Grafschaft Mark und der alten territorialen Grenzen 1815 wur- platz betrieben . Zur Anlieferung der Kohlen da mit dem Bau der ersten Kosterbrücke Erbstollen . Foto: Herzogtum Kleve bildeten kein einheitliches den im Rahmen des preußischen Kunst- existierte bereits zu dieser Zeit an der Rau- 1857 die Förderung der Zeche weitgehend Dietmar Bleidick Gebiet, sondern wurden durch das kurkölni- straßenbaus weitere Befestigungsarbeiten endahlstraße eine Pferdebahn . Nun legte die für den neuen Großkunden Henrichshütte sche Vest Recklinghausen und das Fürsten- eingeleitet . Zwischen 1849 und 1854 folg- Zeche außerdem eine neue Pferdebahn an . auf der anderen Ruhrseite bestimmt war . tum Essen voneinander getrennt . Angesichts te schließlich der Ausbau zur Dorstener des Mitte des 18 . Jahrhunderts aufstrebenden Chaussee . 2010 machte das Kulturhaupt- Mit dem Aufkommen der Eisenbahn verlor Den besten Blick auf die noch klar er- Steinkohlenbergbaus im Bochumer Raum stadtprojekt „Kunststraße wird Straße der die Ruhrschifffahrt ab 1860 schnell an Be- kennbare Pflasterung der Kohlen- und des zunehmenden Brennstoffbedarfs im Kunst“ den ehemaligen Kohlenweg anhand deutung und wurde 1890 schließlich ein- niederlage hat man von der stadtaus- holzarmen Herzogtum Kleve lag es nun nahe, mehrerer Kunstwerke lokal erlebbar . gestellt . Die Kohlenniederlage wurde wohl wärts linken Seite der Kosterbrücke .

Kontakt & Infos Kontakt & Infos

Gahlenscher Kohlenweg Kohlenniederlage Carl Am Bliesstollen Friedrichs Erbstollen 44797 Bochum Leinpfad unterhalb Kosterbrücke Gahlensche Straße 44797 Bochum 44909 Bochum 58 59

Wasserwerk Wasserwerk Bochum und Ruhr- 37 Schleuse Blankenstein Die Schleuse wurde im Rahmen der Schiff- Anfang des 20 . Jahrhunderts ergänzte das ser und Uferfiltrat gewonnen . Mit 46 .000 Bochum und Ruhr- schleuse Blanken- und Wasserwerk Stiepel barmachung der Ruhr 1777/78 vom Preu- Verbands-Wasserwerk Bochum – siehe Kubikmetern pro Tag deckte die Anlage schleuse Blanken- stein, 1940 . Quelle: ßischen Staat als eine von 16 Anlagen zu- Standort 29 „Wasserturm Weitmar“ – die mehr als die Hälfte des Bochumer Bedarfs . stein, 2021 . Foto: Presseamt Bochum Am Leinpfad der Ruhr liegen mit der histo- nächst in Holzkonstruktion errichtet und Versorgungsstrukturen . Die städtischen Dietmar Bleidick rischen Schleuse Blankenstein, dem ehe- mehrfach umgebaut . Bereits im 19 . Jahr- Wassergewinnungsanlagen wurden nun Der 1894/95 in Stiepel an der Kreuzung maligen Wasserwerk Stiepel sowie dem hundert verlor sie durch die aufkommende kontinuierlich ausgebaut, darunter durch von Kemnader Straße und Kosterstraße dazugehörenden Turbinenpump- und Eisenbahn im Ruhrgebiet an Bedeutung . ein neues Pumpwerk neben der Ruhr- errichtete Wasserbehälter ist bis heute am Wasserkraftwerk drei wichtige Bauwer- Seit 1988 steht die heute nicht mehr betriebs- schleuse Blankenstein, das von Beginn ursprünglichen Standort erhalten . Der ke der Wasser- und Energiewirtschaft bereite Schleuse unter Denkmalschutz . an auch zur Elektrizitätserzeugung aus Eingangsbereich besteht aus einem in den an der südlichen Grenze Bochums . Wasserkraft genutzt wurde . Das Tur- Hang gebauten, leicht rechteckigen, zwei- Schon Mitte des 19 . Jahrhunderts führten der binenpump- und Wasserkraftwerk geschossigen Gebäude mit einem flach mit der Bevölkerungsentwicklung anwach- Stiepel entstand 1910 und ist nach um- geneigten Zeltdach . Mit seiner zeittypischen sende Wasserbedarf und der zunehmende fassenden Modernisierungen 1996 und Architektur und sehr aufwendigen Aus- Tiefbau der Zechen, der Brunnen versiegen 2018 bis heute in Betrieb . Es produziert führung besitzt es Seltenheitswert . Hinter Kontakt & Infos ließ, zu Schwierigkeiten bei der Bochumer jährlich rund 5,4 Mio . kWh Strom . dem Eingang befanden sich im Erdreich Wasserversorgung . 1871 begann daher die zwei nebeneinander angeordnete Wasser- Wassergewinnung an der Ruhr, wo das Die Trinkwassergewinnung wurde da- behälter mit jeweils 3 600. Kubikmetern Schleuse Blankenstein und Grundwasser aus dem Kiesbett durch Ton- gegen Ende 2015 aufgegeben, da neue Fassungsvermögen . Zwischen 2008 und Wasserwerk Stiepel röhren in Sammelbrunnen gezogen und gesetzliche Anforderungen an die Wasser- 2010 wurden die alten Behälter durch neue Brockhauser Straße 149a über ein Pumpwerk in einen Hochbehälter qualität einen enormen Investitionsbedarf Trinkwasserbehälter mit insgesamt 12 000. 44797 Bochum am Rande des Weitmarer Holzes gepumpt bedeutet hätten . Die Wasserversorgung Kubikmetern Fassungsvermögen ersetzt . wurde . Von dort gelangte es ins Verteiler- Bochums erfolgt seither aus den Wasser- Dabei blieb neben dem Eingangsbauwerk netz . Die Verwaltung der Anlage über- werken in Witten-Heven und Essen-Horst . auch ein Teil des alten Wassersaals erhal- nahmen ab 1874 die „Städtischen Gas- und Bis dahin wurde das Trinkwasser über ten, der zu einem Versammlungsraum für Wasserwerke“, die heutigen Stadtwerke . mehrere Brunnenreihen als Grundwas- bis zu 130 Personen umgestaltet wurde . 60 61

Betriebsgebäude Betriebsgebäude der Zeche Ver . der Zeche Pfingst- Gibraltar/Freizeit- blume . Foto: zentrum . Foto: Dietmar Bleidick Dietmar Bleidick

38 Zeche Vereinigte Pfingstblume weiteren 1850 zur neuen Zeche Vereinigte 39 Zeche Vereinigte von rund 2 .000 m aufgefahren . Da keine er- Pfingstblume zusammengefasst wurde . Gibraltar Erbstollen giebigen Kohlenvorkommen erschlossen wer- An der Brockhauser Straße befindet sich den konnten, arbeitete die Anlage im Verlauf mit dem Stollenmundloch und dem Be- Der Betrieb blieb zunächst äußerst gering . Das Freizeitzentrum am Kemnader Stausee des 19 . Jahrhunderts jedoch nur zeitweise . triebsgebäude der Zeche Vereinigte Pfingst- Weniger als 20 Bergleute förderten in den lässt kaum erahnen, dass es sich bei dem ehe- Schon 1883 folgte die Stilllegung . Nach dem blume ein herausragendes Beispiel für 1860er-Jahren zwischen 600 und 3 .000 Tonnen maligen Gebäude der Zeche Gibraltar Erb- Ersten Weltkrieg wurde zunächst der Stollen den Kleinbergbau des 19 . Jahrhunderts Kohle pro Jahr . Im Zuge des Gründerbooms stollen um einen der bedeutendsten Erinne- erneut in Betrieb gesetzt und bis 1922 ein im Ruhrtal . Entstanden vielleicht schon der frühen 1870er Jahre wurde die Zeche dann rungsorte des nationalsozialistischen Terrors Förderschacht sowie die zwei heute noch vor- zusammen mit dem 1856 aufgefahrenen stark erweitert, sodass die Belegschaft auf bis nach der „Machtergreifung“ in Bochum handenen Gebäude angelegt . Erneut erwies Stollen, ist es nicht nur in Bochum, son- zu 150 Mann und die Produktion auf 17 .000 handelt . Anfang der 1930er-Jahre war die sich der Standort jedoch als unrentabel, und dern wohl auch im Ruhrgebiet einzigartig . Tonnen in 1874 anstieg . Damit waren die 1925 stillgelegte Zeche vom rechtsextremen schon 1925 endete der Abbau auf der Zeche insgesamt nur geringen Kohlenvorräte aber „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“ zum Vereinigte Gibraltar Erbstollen endgültig . Der Bergbau in diesem Bereich begann auch abgebaut, sodass die Anlage bereits zwei zentralen Heim im Gau Bochum ausgebaut möglicherweise bereits im 18 . Jahrhun- Jahre später vorübergehend stillgelegt werden worden . Im Frühjahr 1933 übernahm eine Nach der Fertigstellung des Kemnader dert . 1834 sorgte der Fund des zutage tre- musste . Auch die Wiederinbetriebnahme 1889 Bochumer SA-Gruppe den Komplex, um Stausees 1979 wurde das Zechengebäude tenden Flözes rund 1 km nordöstlich des brachte keinen Erfolg . 1893 wurde die Zeche dort im Juni eine „SA-Führerschule“ zur saniert und seither von der Ruhr-Uni- Stollenmundloches für die erste Mutung Vereinigte Pfingstblume endgültig aufgegeben . „weltanschaulichen Schulung und der Siche- versität Bochum sowie als Gastrono- (Beantragung der Abbaurechte bei den Es folgte der Umbau zu einem Wohnhaus . rung der nationalsozialistischen Revolution“ mie- und Freizeitzentrum genutzt . Bergbehörden) . Der Name Pfingstblume einzurichten . In dieser Zeit diente die Zeche stammt von den in der Gegend wachsenden Nachdem das Betriebsgebäude bereits 1989 Gibraltar zudem als Konzentrationslager für Ginsterbüschen, die im Volksmund auch als in die Denkmalliste der Stadt Bochum auf- Regimegegner . Vor allem Kommunisten, So- „Pfingstlumen“ bezeichnet wurden . Auch genommen worden war, folgte Anfang 1999 zialdemokraten und Gewerkschafter wurden im Umfeld wurden weitere Bergbauinteres- die Unterschutzstellung . 2002 pachtete es der zur Erzwingung von Geständnissen und zur senten aktiv, sodass das Grubenfeld mit vier Stiepeler Verein für Heimatforschung von Abschreckung oft grausam gefoltert . Wahr- der Stadt, restaurierte es und nutzt es seit- scheinlich endete die Funktion der Zeche als Kontakt & Infos her als Vereinshaus . 2018 wurde die Anlage „wildes KZ“ erst Anfang 1934, als die ersten Kontakt & Infos durch ein Vortrags- und Ausstellungsgebäude neu eingerichteten Konzentrationslager in erweitert, das „Pfingstblümchen“ . Zwischen Norddeutschland fertiggestellt wurden . Zeche Vereinigte Pfingstblume Mai und September lädt der Verein sonntags Zeche Gibraltar Brockhauser Straße 126 ins „Pfingstblume Café“ ein, dessen Einnah- Die Geschichte der Zeche zeugt von den Oveneystraße 71 44797 Bochum men in die Pflege des Ensembles fließen . Unwägbarkeiten des Ruhrbergbaus, dessen 44797 Bochum www .hvb-stiepel .de Versuche, an dieser Stelle eine florierende Der im Zweiten Weltkrieg auch als Luft- Förderung zu entwickeln, über fast 150 Jahre schutzbunker genutzte Stollen wurde 2011 erfolglos blieben . Nach einer kurzen Be- nach Bergschäden auf einer Länge von 52 m triebsphase in den 1780er-Jahren wurde der gesichert . Er ist nicht öffentlich zugänglich . Gibraltar Erbstollen ab 1830 auf einer Länge 62 63

41 Zeche Klosterbusch und Berg- bauwanderweg Ruhr-Universität

Auch im Bereich des Lottentals war Bergbau bereits im 18 . Jahrhundert verbreitet . Seit den 1820er-Jahren existierte zunächst ein Schiebe- weg, dann eine Kohlenbahn der Zeche Glücks- Zeche Kloster- burg zu den Kohlenniederlagen an der Ruhr . Nach der Stilllegung wurden Teile der Anla- busch . Foto: Insgesamt arbeiteten zahlreiche Zechen jedoch ge zwischenzeitlich von der Ruhr-Universität Dietmar Bleidick nur kurze Zeit und erreichten nur geringe För- genutzt . Da eine dauerhafte Verwendung der dermengen . Im Verlauf der Industrialisierung vorhandenen Bauten auch angesichts der zuneh- endete der Bergbau im Lottental angesichts der mend verfallenen Bausubstanz nicht zu erwarten ungünstigen Lage und mangelnder Kohlenquali- ist, steht die Zeche Klosterbusch möglicherweise täten vorübergehend . Es blieb jedoch der neue vor dem Abriss . Der hinter der Zeche liegende Name des früheren Blennbachtals, der sich von Steinbruch wurde als größter geologischer Auf- den hölzernen „Lutten“ (Rohren), mit denen schluss Bochums als Naturdenkmal unter Schutz der Bach eingefasst worden war, ableitete . gestellt . Zudem ist er Teil des Geoparks Ruhr- gebiet, da hier die Schichtung des geologisch Im Frühjahr 1918 erwarb die Gewerkschaft bedeutsamen Stockumer Sattels erkennbar wird . Ver . Klosterbusch die Mehrheit der Anteile an Kemnader See . mehreren Grubenfeldern im Raum Querenburg Die Zeche Klosterbusch ist Teil des rund 15 km Foto: Presse- und begann zwei Jahre später mit der Förde- langen Bergbauwanderwegs Ruhr-Universität, amt Bochum rung . Der Kohlentransport erfolgte über eine 2 der Querenburg und das östliche Stiepel umfasst . km lange Seilbahn zur Aufbereitungsanlage bei Im Lottental und am Stausee überschneidet er der Zeche Holland in Witten-Herbede auf der sich mit dem Bergbauwanderweg Bochum-Süd 40 Kemnader See werk ergänzt . Fische können den Höhen- Südseite der Ruhr, wo die Ruhrtalbahn verlief . in Stiepel, sodass der Weg eigentlich nur über unterschied in einer Fischtreppe in beiden Die Fundamente der Seilbahn sind in Stiepel die halbe Strecke führt . Der Schwerpunkt des Der 1979 fertiggestellte Kemnader Stausee Richtungen überwinden . Kanus und Ruder- bis heute auf den Feldern in Richtung Ruhr Wanderweges liegt bei diversen geologischen hat sich als jüngster der sechs Ruhrstau- boote passieren die Staustufe in einer Boots- gut erkennbar . Bis 1924 wurde im Lottental ein Aufschlüssen und den zahlreichen auffälligen, seen des Ruhrverbands rasch zum Surf- und gasse . Da die Schifffahrt im mittleren Be- Tiefbauschacht abgeteuft, der in den 1950er- aber nicht eindeutig auf den frühen Steinkohlen- Segelparadies des mittleren Ruhrgebiets ent- reich der Ruhr längst keine Bedeutung mehr Jahren eine Tiefe von knapp 600 m erreichte . bergbau zurückführbaren Veränderungen der wickelt . Oberhalb des flach in die Landschaft besitzt, ist keine Schiffsschleuse vorhanden . Mit dem Schacht entstanden die heute noch Erdoberfläche . Dazu gehören etwa Bodensen- eingepassten Stauwehrs mit einer Stauhö- vorhandene Maschinenhalle sowie das Verwal- kungen, Tagesbrüche und Pingen, trichterförmi- he von 2,60 Metern erstreckt sich der drei Der Kemnader See gewann schnell eine tungsgebäude . Ende der 1930er-Jahre erreichte ge Vertiefungen, die beim Graben nach Kohle Kilometer lange und etwa 430 Meter breite große Beliebtheit als Naherholungsgebiet . die Zeche Klosterbusch eine Maximalförde- vom Erdboden aus entstanden . Die Vielzahl See mit einem Inhalt von 3 Mio . Kubikme- Der Besucher findet Bootshallen für Kanu- rung von 450 .000 t bei einer Belegschaft von dieser Fundstellen vermittelt eindrucksvoll die tern Wasser und einer Oberfläche von 1,25 ten, Ruderer und Surfer sowie eine Segel- 1 .200 Mitarbeitern . Damit gehörte sie zu den Intensität dieses vorindustriellen Bergbaus im Quadratkilometern . Wegen der geringen schule . In den Monaten April bis Oktober kleineren Anlagen des Ruhrgebiets . Während Bochumer Süden und verdeutlicht zudem die Höhendifferenz wurde zunächst auf Anlagen verkehrt das Fahrgastschiff MS Kemnade des Zweiten Weltkriegs diente Klosterbusch als Notwendigkeit der auf zahlreichen Schildern zur Elektrizitätsgewinnung verzichtet und mit regelmäßigem Fahrplan . Die Rundfahrt Zwangsarbeiterlager . Ende Juli 1961 wurde die lesbaren Warnungen vor dem Verlassen be- das Wehr erst 2010/11 durch ein Wasserkraft- über den See dauert etwa eine Stunde . Zeche im Verlauf der Kohlenkrise stillgelegt . festigter Weg . Erhaltene Zechengebäude finden sich neben denen der Zeche Klosterbusch nicht . Kontakt & Infos Um den See führt ein rund 9 km langer Aufgrund der abseitigen Lage hatte die Ze- Kontakt & Infos Rundweg, der vor einigen Jahren weiter che Klosterbusch von Beginn an Probleme, ausgebaut wurde, sodass Fußgänger, Rad- ausreichend Arbeitskräfte für die Arbeit im Kemnader See fahrer und Inline-Skater nun größtenteils auf Lottental zu interessieren . Daher wurde um- Zeche Klosterbusch und Berg- Oveneystraße (Zufahrt West) eigenen Trassen unterwegs sind . Spiel- und gehend nördlich beim Dorf Querenburg die baurundweg Ruhr-Universität Hevener Straße (Zufahrt Ost) Sportanlagen, ein Fahrradverleih sowie das Lennershofsiedlung errichtet, die lange Zeit Im Lottental www .kemnadersee .de Freizeitbad Heveney bieten Erholung und die einzige zusammenhängende Bebauung in 44797 Bochum Spaß . Industriegeschichte bietet die ehe- der weiteren Umgebung war . Für technische www .bergbauhistorie .ruhr malige Stollen- und Schachtanlage Gibraltar Grubenbeamte entstanden die erhaltenen am Nordufer, die durch den Bergbauwan- Wohnhäuser zechennah auf der gegenüber- derweg Bochum-Süd erschlossen ist . liegenden Straßenseite des Lottentals . 64 65

ist das letzte bauliche Relikt der Zeche Julius 43 BOMIN-Haus Philipp, die 1863 aus der Konsolidation der beiden Stollenzechen Glücksburger Erb- Dass in Bochum die größte private Öl- stollen und Julius Philipp Erbstollen im handelsgesellschaft Deutschlands außer- Lottental hervorgegangen war . Die Förde- halb der großen Konzerne ansässig war, rung auf der neuen Tiefbauanlage an der mag erstaunen, ist aber wenig verwunder- Markstraße begann nach dreijähriger Bau- lich . Immerhin stieg das Ruhrgebiet nach zeit 1878 . In den folgenden Jahren wurde dem Zweiten Weltkrieg zwischenzeitlich die Zeche weiter ausgebaut, erhielt einen zu einem der wichtigsten Standorte der zweiten Schacht und eine Kokerei . Außer- Mineralölindustrie mit mehreren Raffine- dem wurde die aus der Stollenzechenzeit rien auf . Gleichzeitig stiegen Kohlen- und stammende Pferdebahn zum Bahnhof Chemikalienhändler in das Ölgeschäft ein . Langendreer zu einem Eisenbahnanschluss ausgebaut . Aber die Flözbeschaffenheit im Den Ausgangspunkt in Bochum bildete Bochumer Süden und die starken Wasser- der Osthandel mit der Sowjetunion . Dieser zuflüsse erschwerten einen gewinnträchtigen wurde aufgrund des schwierigen Zahlungs- Abbau, sodass Julius Philipp keine großen geschäfts mit dem Ostblock seit Ende der Entwicklungschancen beschieden waren . 1950er-Jahre bevorzugt im Tauschverfahren abgewickelt . Der Westen lieferte Industrie- Als die Arenberg‘sche Actiengesellschaft für güter und bot Kredite, der Osten bezahlte mit Bergbau und Hüttenbetrieb in Essen 1904 Rohstoffen . Da solche Warenkompensations- den Gewerken ein Kaufangebot unterbrei- geschäfte 1962 nach der Kuba-Krise verboten tete, nahmen diese gerne an . Ein Jahr später wurden, waren neue Wege erforderlich . Die legte die neue Eigentümerin die Zeche still, neu gegründete Bochumer Mineralölgesell- war sie doch nicht an der Kohlenförderung, schaft GmbH & Co . stieß in diese Lücke, be- sondern an ihrer Verkaufsbeteiligung im zahlte das Öl fortan mit Devisen und drängte Kohlensyndikat interessiert, die nun auf so große Konkurrenten aus dem Markt . andere Zechen des Unternehmens übertra- gen werden konnte . Zahlreiche Wiemelhau- Bis in die 1970er-Jahre ritt das Unterneh- ser Bergleute mussten sich während dieser men mit dem Ölboom auf einer Woge des ersten großen Stilllegungsphase des Ruhr- Erfolges und expandierte unaufhörlich . Der BOMIN-Haus . bergbaus nach der Jahrhundertwende einen staatliche Veba-Konzern garantierte die USA hatten nach der Invasion in Afgha- Foto: Dietmar neuen Arbeitsplatz suchen, denn auch die Abnahme von jährlich bis zu 4 Mio . Ton- nistan im Vorjahr ein Embargo gegen den Bleidick anderen Zechen im Stadtteil schlossen . In nen Rohöl, das teilweise über eine eigene Klassenfeind verhängt . Außerdem änderte Malakowturm den 1920er-Jahren wurden die Tagesanlagen Tankerflotte in Wilhelmshaven geliefert der Hauptkunde Veba seine Bezugspolitik Julius Philipp . Foto: 42 Zeche Julius Philipp – Medizin- der Zeche Julius Philipp abgerissen . Nur der wurde . Über einen Heizölvertrieb und eine und arbeitete fortan ohne Zwischenhändler . Dietmar Bleidick museum im Malakowturm Malakowturm blieb erhalten und diente bis Tankstellenkette wurden auch Privatkunden Im Mai 1983 musste die BOMIN Konkurs zur endgültigen Stilllegung 1962 als Wetter- versorgt . 1 .500 Mitarbeiter erwirtschafteten anmelden . Danach übernahm die heutige Von den insgesamt 14 erhaltenen Malakow- schacht der Nachbarzeche Prinz-Regent . einen Umsatz von maximal 2,3 Mrd . DM . Deutsche Rentenversicherung Knappschaft- türmen im Ruhrrevier stehen allein vier auf Sichtbarer Ausdruck dieser Entwicklung Bahn-See das Gebäude als Erweiterung Bochumer Stadtgebiet . Einer dieser Türme Nach einer umfangreichen und behutsamen war der Bau des BOMIN-Hauses an der ihrer alten Hauptverwaltung im Ehrenfeld . Sanierung zogen im Jahr 1990 das Institut Königsallee 1973/75 durch den Bochumer Kontakt & Infos für Geschichte der Medizin und die Medi- Architekten Roman Reiser, der jedoch zu Kontakt & Infos zinhistorische Sammlung der Ruhr-Univer- einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt kam . sität in den denkmalgeschützten Turm . 2005 Malakowturm Julius Phillip wurde der Aufgabenbereich des Instituts Die Ölkrise von 1973, die dadurch ver- BOMIN-Haus Markstraße 258a erweitert, das seither Institut für Medizi- ursachten weltpolitischen Veränderungen Knappschaftstraße 1 44799 Bochum nische Ethik und Geschichte der Medizin sowie eine verfehlte Geschäftspolitik leiteten 44799 Bochum www .mhs-rub .de heißt . Die Medizinhistorische Sammlung nun rasch den Niedergang der BOMIN ein . umfasst über 10 .000 Einzelstücke . Der Öf- So arbeitete die 1978 gekaufte Raffinerie fentlichkeit sind eine ständige Ausstellung der Erdölwerke Frisia in Emden mit hohen zur Geschichte und Ethik der Medizin sowie Verlusten . Ab 1980 brach dann der Handel wechselnde Sonderausstellungen zugänglich . mit der Sowjetunion zusammen, denn die 66 67

breite Lager- und Betriebsgebäude sowie 45 Eickhoff das Verwaltungsgebäude an der Königsallee errichtet . Die Anlage erhielt einen Anschluss 1864 gegründet, gehört die Gebr . Eickhoff an die Gleise der Bahnstrecke Bochum Maschinenfabrik und Eisengießerei GmbH Nord-Weitmar, die mittlerweile zum „Sprin- zu den ältesten Unternehmen des Ruhrge- gorum-Radweg“ ausgebaut wurde und bis biets . Der Name Eickhoff ist seit Ende des zum Bahnhof Dahlhausen führt . Nach dem 19 . Jahrhunderts untrennbar verbunden mit Ersten Weltkrieg entstand neben dem Ver- zahlreichen Innovationen im Rahmen der waltungsgebäude ein Wohnblock mit Dienst- Mechanisierung des Steinkohlenbergbaus Eickhoff-Haupt- Konsumverein 44 Konsumverein Wohlfahrt wohnungen, dem als letzter Bauteil 1927 durch Gewinnungs- und Fördermaschinen, Haupteingang ziert die Skulptur „Schaffender verwaltung . Foto: Wohlfahrt . Foto: noch das Ladengebäude an der Wohlfahrt- die bis ins 21 . Jahrhundert einen bedeutenden Mensch“ des Kölner Bildhauers Willy Meller, Dietmar Bleidick Dietmar Bleidick Die zwischen 1914 und 1916 errichteten Ge- straße folgte . Die ursprüngliche Bauform Teil des Produktionsprogramms ausmach- der in Bochum zehn Jahre zuvor auch den bäude des „Rote Konsums“ an der Königsallee und das Dekor sind weitgehend erhalten . ten . Weitere Schwerpunkte liegen heute im „Löwen“ an der Königsallee gestaltet hatte . sind eines der letzten steinernen Zeugnisse Getriebebau, etwa für Windkraftanlagen, bei der Bochumer Arbeiterbewegung . Jahrzehn- Der Bochumer Konsumverein erlebte Kokereimaschinen und Gießereiprodukten . Neben den Schüttelrutschen wurden in den telang diente der Komplex als Ausgangspunkt während der Weimarer Republik einen 1920er-Jahren Schrämmaschinen zum Produk- für ein umfangreiches Vertriebsstellennetz, enormen Aufschwung . Durch die An- Firmengründer Johann Henrich Carl Eickhoff tionsschwerpunkt bei Eickhoff . In den 1930er- das die Arbeiter und Bergleute in Bochum gliederung vieler kleiner Vereine wuchs errichtete 1860 in Bochum an der Herner Straße Jahren folgten zudem Förderbänder . Seit dieser und Umgebung mit billigen Lebensmitteln die Zahl der Mitglieder bis 1925 auf fast einen metallverarbeitenden Betrieb, der vor Zeit war Eickhoff maßgeblich an der Vollme- und Haushaltswaren versorgte . Den Grün- 38 .000, die in 113 Vertriebsstellen Waren allem Geräte für die Landwirtschaft herstellte . chanisierung des Untertagebergbaus durch die dern der Ende des 19 . Jahrhunderts aufkom- einkaufen konnten . Ende der 1920er-Jahre Es folgte der Aufbau einer Gießerei und über Kombination von Kohlengewinnung, Ladung menden demokratisch organisierten Konsum- war die Konzentration der Konsumvereine die Produktion von Förderwagenrädern der und Förderung in einer Maschine beteiligt . genossenschaften ging es im Wesentlichen abgeschlossen . Neben dem „Konsumver- Einstieg in das Bergbauzuliefergeschäft . 1864 Dazu gehört die Einführung der schneidenden um zwei zentrale Punkte: Erstens wollte man ein Wohlfahrt“ existierten im Ruhrgebiet verlegte Eickhoff seinen Betrieb an die Alleestra- Kohlengewinnung mithilfe von Walzenschräm- durch den Großeinkauf beim Produzenten nur noch zwei andere Genossenschaften . ße, Ecke Bessemer Straße, da das alte Firmen- ladern, die Eickhoff 1954 erstmals vorstellte . den verteuernden Zwischenhandel ausschal- gelände keine Expansionsmöglichkeiten bot . Dabei wird die Kohle von rotierenden Walzen ten und die Einkaufspreise für die Arbeiter Während des Nationalsozialismus wur- aus dem Flöz geschnitten und direkt über ein senken . Und zweitens sollte durch die Selbst- den die Konsumvereine „gleichgeschal- Nach erheblichen Schwierigkeiten während Fördermittel abtransportiert . Seit 1969 pro- organisation des Ein- und Verkaufs sowie die tet“ und in das „Gemeinschaftswerk der der Gründerkrise der 1870er-Jahre verringerte duziert Eickhoff auch Teilschnittmaschinen . Eigenproduktion von Waren die Abhängig- Deutschen Arbeitsfront“ überführt . Nach Eickhoff seine Abhängigkeit vom konjunktur- keit der Arbeiterschaft von unternehmens- dem Zweiten Weltkrieg folgten die Neu- anfälligen Bergbau und wandte sich mit der Das Produktionsprogramm wurde seither eigenen Konsumanstalten abgebaut werden . gründung des Konsumvereins Wohlfahrt Konstruktion von Kränen, Hebezeugen und ständig modernisiert und vor allem den und eine weitere Blütezeit mit nun bis zu Pressen verstärkt dem allgemeinen Maschinen- wachsenden Größenanforderungen angepasst . Der „Konsumverein Wohlfahrt GmbH 44 .000 Mitgliedern . 1962 nach wirtschaft- bau zu . Mit dem Bergbauboom des ausgehen- 2010 baute Eickhoff den mit einer maximalen Bochum“ entstand 1912 durch die Fusion lichen Schwierigkeiten mit anschließendem den 19 . Jahrhunderts und der folgenden Tech- Schneidhöhe von 7,1 m weltweit größten Wal- der beiden Konsumgenossenschaften „Kon- Konkurs von der „Konsumgenossenschaft nisierung der untertägigen Grubengebäude zenlader für den Einsatz in China . Tochter- sumverein Wohlfahrt für Weitmar, Stiepel Dortmund-Hamm“ übernommen, gelangten änderte sich dies wieder . Eickhoff nutzte seine gesellschaften und Niederlassungen in China, und Umgegend“ (gegründet 1902) und beide 1969 in die COOP-Dortmund-Kon- Kompetenzen im Bereich der Fördertechnik Australien, Russland und Südafrika sorgen „Konsumverein für Bochum und Umge- sumgenossenschaft“, die in den folgenden und produzierte zunehmend Förderhäspel, für den Vertrieb in wichtigen Bergbauzentren . gend“ (gegründet 1903) . Nach Plänen des Jahren zahlreiche Verkaufsstellen und Seilscheiben und schließlich auch Förderbän- Bochumer Architekten Heinrich Schmiede- auch die alte Bochumer Zentrale aufgab . der und Schüttelrutschen, einschließlich der Das Eickhoff als einer der wenigen Berg- knecht wurden zunächst das fast 100 Meter dazugehörenden Antriebe . Zahlreiche Patente bauzulieferer des Ruhrgebiets nicht nur die Kontakt & Infos Seit der Renovierung in den 1980er-Jah- untermauerten die besondere Stellung Eick- Kohlenkrise überlebt hat, Kontakt & Infos ren steht der Gebäudekomplex unter hoffs in diesem Marktsegment . 1913 war das sondern auch weiterhin Denkmalschutz . 2014 wurde er von der Unternehmen als Spezialfabrik für Bergwerks- im traditionellen Arbeits- Konsumverein Wohlfahrt G Data CyberDefense AG erworben . Der maschinen in den wichtigsten europäischen gebiet tätig ist, hängt Eickhoff Maschinenfabrik GmbH Königsallee 178 bedeutendste deutsche Anbieter von IT- Bergbaugebieten durch Filialen vertreten . auch mit der Diversi- Am Eickhoffpark 1 44799 Bochum Sicherheitssoftware nutzt ihn seither als fizierung des Geschäfts- 44789 Bochum Firmenzentrale (G Data Campus) . Im Die neuen Werksanlagen im Ehrenfeld ent- feldes zusammen . Seit den www .eickhoff-bochum de. Untergeschoss des Direktionsgebäude wurde standen in den 1920er- und 1930er-Jahren 1990er-Jahren realisiert 2015 das G Data Museum eröffnet, das und wurden 1939 durch das nach Plänen von Eickhoff Getriebelösungen neben der Geschichte des Standorts auch Paul Bonatz und Karl Eberle errichtete neue für eine Vielzahl indus- die der Computersicherheit präsentiert . Verwaltungsgebäude abgeschlossen . Den trieller Anwendungen . 68 69

tetes Bethaus an der Ecke Wasserstraße/ Wiemelhauser Straße . 1903 wurde dann in Wiemelhausen die Petrikirche eingeweiht .

Als ab 1904 südlich des ehemaligen Bochumer Hauptbahnhofs die Entwicklung des Ehren- felds zu einem neuen Stadtteil begann, wuchs auch hier rasch der Bedarf nach einer eigenen Kirche . Obwohl schon 1906 ein Kirchbau- verein gegründet wurde, verzögerten sich die Planungen bis 1911, da in der Gemeinde für einen zweiten Kirchenbau innerhalb derart Die Melanch- kurzer Zeit keine Mittel vorhanden waren . thonkirche in den 46 Melanchthonkirche 1920er-Jahren . Das nach Vorbild der Velberter Christus- Das Bergmanns- Foto: Stadtarchiv – Die Gemeinde Wiemelhausen und das Eh- kirche von Carl Krieger (Düsseldorf) und heil um 1910 . Zentrum für Stadt- renfeld besaßen traditionell eine besondere Jakob Hudlet (Essen) entworfene Gotteshaus Quelle: Sammlung geschichte Bochum Bedeutung für die evangelische Kirche in Bo- wurde in Ergänzung zur 1911 am Stadtpark Dietmar Bleidick chum . Die Familie von Schell auf Haus Rechen entstandenen Lutherkirche Melanchthon- (heute Kammerspiele des Schauspielhauses) kirche genannt . Anfang November 1913 hatte bereits im 16 . Jahrhundert Kirchenräte erfolgte die Einweihung des Komplexes 47 Bergmannsheil gungspflichtig wurde . Das gleiche gilt auf gestellt . Jürgen von Schell soll während seines mit Konfirmandensaal und Pfarrhaus . Seit dem chirurgischen Gebiet . Hier standen die Studiums in Wittenberg Kontakte zu Martin 1930 ergänzt das Ernst-Moritz-Arndt- In der zweiten Hälfte der 1880er-Jahre plante Erkrankungen durch Erschütterungen bei Luther und seinem Freund Philipp Melan- Haus als Gemeindehaus das Ensemble . die im Zuge der Entstehung des deutschen der Arbeit mit Pressluftwerkzeugen und die chthon gehabt haben . Vom Ostermannschen Sozialversicherungssystems neu gegründete Meniskusschäden der Bergleute im Vorder- Hof stammten die ersten lutherischen Pfarrer Die Melanchthonkirche wurde bereits Bergbau-Berufsgenossenschaft zusammen grund . Bis auf den heutigen Tag sind dem Bochums, Johann Ostermann, der Erbauer der beim ersten großen Luftangriff auf Bochum mit der Berggewerkschaftskasse und dem Bergmannsheil immer wieder neue medi- Pauluskirche, und sein Sohn Johann Konrad . im Mai 1943 so schwer getroffen, dass sie Unternehmerverband „Bergbauverein“ die zinische Abteilungen angegliedert worden . nicht mehr benutzbar war . Als Notkirche Gründung eines Krankenhauses in Bo- Seit 1977 ist es Universitätsklinik der Bo- Nachdem 1874 aus der größeren lutherischen diente der Gemeinde ab Sommer 1943 chum . Als erstes reines Unfallkrankenhaus chumer Ruhr-Universität, 1994 eröffnete und der kleineren reformierten Gemeinde zunächst das Ernst-Moritz-Arndt-Haus, der Welt wurde das Bergmannsheil 1890 das Bildungszentrum Bergmannsheil . die evangelische Kirchengemeinde Bochum bis auch dieses im November 1944 weit- eröffnet . Ziel war die ärztliche Versorgung entstanden war, dauerte es noch bis 1892, gehend zerstört wurde . Der Wiederaufbau der zahlreichen Verletzten des Bergbaus Während des Zweiten Weltkriegs erlitt das bis Wiemelhausen eine eigene Pfarrstelle der außen weitgehend unveränderten, innen und darüber hinaus auch ihre Rehabilita- Bergmannsheil schwere Bombenschäden, so- erhielt . Die von der Bochumer Stadtgrenze jedoch neu gestalteten Melanchthonkir- tion, wofür bereits 1892 ein „medico-me- dass die klinische Tätigkeit in andere Bochu- bis zum Lottental reichende Landgemeinde che konnte 1950 abgeschlossen werden . chanisches“ Institut eingerichtet wurde . mer Krankenhäuser verlegt werden musste . zeichnete sich durch eine kleinteilige Sied- Bereits 1946 begannen die Wiederaufbau- lungsstruktur ohne eigentliches Zentrum Da die Melanchthonkirche auf dem Gelände Aus den Anfängen heraus entwickelte sich arbeiten, die sich über mehr als zehn Jahre aus und besaß zu diesem Zeitpunkt nur des ehemaligen Privatfriedhofs der Familie das Krankenhaus nach und nach zu einer der hinstreckten . Seitdem ist das Bergmannsheil den 1883 an der Wasserstraße angelegten von Schell im alten Rechener Wald errichtet größten Unfallkliniken Deutschlands . Bald baulich immer wieder erweitert und um- Friedhof sowie ein kurz darauf eingerich- wurde, mussten die bis ins 16 . Jahrhundert ging es aber nicht mehr allein um die Ver- gestaltet worden . Von der ursprünglichen datierenden Grabsteine verlegt werden . Bis sorgung der Unfallverletzten, sondern ebenso Bausubstanz ist fast nichts mehr erhalten . Kontakt & Infos heute befinden sich diese wichtigen, denk- um die medizinische Betreuung des an den Kontakt & Infos malgeschützten Zeugnisse der Bochumer typischen Berufskrankheiten erkrankten Adelsgeschichte an der Südseite der Kirche . Bergmanns . Auch blieb es nicht allein bei Melanchthonkirche der praktischen Arbeit . Das Bergmannsheil Bergmannsheil Königsallee 46 Seit den 1990er-Jahren dient die Kirche wurde zu einem Ort der Forschung bergbau- Bürkle de la Camp-Platz 1 44789 Bochum als Zentrum lebendiger Kulturarbeit . Der typischer Krankheiten und gleichzeitig eine 44789 Bochum www .kirchengemeinde-bo- Kulturraum Melanchthon macht den Kir- bedeutende Lehr- und Ausbildungsstätte . www .bg-kliniken .de chum-wiemelhausen .de chenraum als spirituellen und zugleich Bahnbrechende Arbeit leisteten die Ärzte öffentlichen Raum erfahrbar, in dem Mu- z . B . bei der Erforschung und Erkennung sik, Literatur und Bildende Kunst in einen der Staublungenerkrankung, an der viele Dialog mit kirchlichen Situationen treten . Bergleute litten und die 1929 entschädi- 70 71

Sozialversicherung des Deutschen Reiches in den 1880er-Jahren ihre Selbständigkeit und Eigenarten behalten konnten . Dennoch brachte erst das Reichsknappschaftsgesetz in den 1920er-Jahren den endgültigen Zu- sammenschluss aller Vereine zur Reichs- knappschaft als Trägerin der bergbaulichen Kranken- und Rentenversicherung .

In der Bundesrepublik ging die Einheit der knappschaftlichen Versicherung zu- nächst verloren, und es entstand 1949 auf Knappschafts- bezirklicher Ebene u . a . die Ruhrknapp- gebäude in den 48 Knappschaft schaft . 1969 wurden die deutschen Bezirks- Schauspielhaus 1930er-Jahren . knappschaften zur Bundesknappschaft mit Bochum . Foto: Quelle: Sammlung 2010 feierte die Knappschaft ein seltenes Sitz in Bochum zusammengefasst . Mit der Presseamt Bochum . Dietmar Bleidick Jubiläum . 750 Jahre zuvor war in Goslar eine Organisationsreform der Rentenversiche- Bergbruderschaft gegründet worden, die rung sind Bundesknappschaft, Bahnversi- erstmals den Grundgedanken einer gegen- cherungsanstalt und Seekasse seit Oktober 49 Schauspielhaus Bochum 1912 pachtete die Stadt Bochum das mittler- seitigen Fürsorge der Bergleute vertrat und 2005 zur Deutschen Rentenversicherung weile als „Neues Stadttheater“ bezeichnete damit als Ursprung des Sozialversicherungs- Knappschaft-Bahn-See (KBS) verschmol- 1904 begann der Bauunternehmer Clemens Haus, übernahm es schließlich Anfang 1914 wesens in Deutschland aufgefasst werden zen . Die knappschaftliche Krankenver- Erlemann mit der Erschließung des Ehren- und ließ es bis Ende 1915 durch den Kölner kann . Der Begriff „Knappschaft“ entstand sicherung wird im Verbundsystem unter felds, eines neuen Stadtteils südlich des Architekten Carl Moritz vollständig umbau- rund 200 Jahre später im sächsischen Silber- dem Namen Knappschaft fortgeführt . ehemaligen Bochumer Hauptbahnhofs als en . Dadurch wurde der ehemals reichhaltige bergbau, bevor er im ausgehenden 15 . Jahr- Wohngebiet für die bürgerliche Mittel- und Jugendstilkomplex mit seiner Stahlrippen- hundert allgemein für die Belegschaft eines Zwischen 1908 und 1910 errichtete der All- Oberschicht . Um den besonderen Cha- betonkuppel von 29 Metern Durchmesser in Bergbaureviers gebräuchlich wurde . Mit der gemeine Knappschafts-Verein in Bochum an rakter des Ehrenfelds herauszustellen, ließ einen neoklassizistischen Bau verwandelt . Entwicklung des Steinkohlenbergbaus an der Pieperstraße ein monumentales neues Erlemann mit Unterstützung der Stadt nach der Ruhr entstanden auch hier seit dem 18 . Verwaltungsgebäude in barocker Opulenz . Plänen des Architekten Paul Engler ab 1907 Unter dem zwischen 1919 und 1949 amtie- Jahrhundert erste Knappschaftsvereine . Die Hauptfront wurde um 18 m in das Ge- ein Varieté-Theater in opulenten Jugend- renden Intendanten Saladin Schmitt mach- lände zurückgesetzt, um die Monumentali- stilformen errichten . Schon bald nach der te sich das Bochumer Stadttheater einen 1854 wurde im Rahmen der wirtschaftlichen tät des zu dieser Zeit mit Abstand größten Eröffnung einer der größten Bühnen des Namen als Shakespeare-Bühne . Schmitt Liberalisierung des Bergbaus in Preußen die Bochumer Gebäudes zur Geltung kommen Ruhrgebiets zeigte es sich, dass das Konzept prägte zudem mit der weitgehend werk- Mitgliedschaft in einer Knappschaft gesetz- und Raum für einen repräsentativen Vor- mit unterhaltsam-volkstümlichen Stücken getreuen Inszenierung deutscher Klassiker lich verpflichtend . Ende des 19 . Jahrhunderts platz mit Brunnen und Auffahrt zu lassen . am Publikumsgeschmack vorbeilief . Aus- den „Bochumer Stil“ . Zwischen 1921 und bestanden im Deutschen Reich rund 160 Besuchern, die von der Königsallee über schlaggebend für die fehlende Resonanz in 1935 bestand eine enge Kooperation mit der Knappschaftsvereine . Die Gründung des die direkt auf den Haupteingang zuführen- der Bevölkerung waren aber auch die extrem Duisburger Oper, die ebenfalls von Schmitt Allgemeinen Deutschen Knappschaftsver- de Christstraße kamen, eröffnete sich so schlechte Akustik des Gebäudes, die in keiner geleitet wurde . Bei dem großen Luftangriff bandes trug 1882 dazu bei, dass die Knapp- nach und nach ein eindrucksvoller Blick . Weise den Anforderungen eines Theaters auf Bochum am 4 . November 1944 wurde schaftsvereine bei der Einrichtung der entsprach, sowie die mangelhafte Sicht auf das alte Theatergebäude weitgehend zerstört . Nach Kriegszerstörungen wurde das Knapp- die Bühne . Um das Theater auch als Ver- schaftsgebäude stark vereinfacht wieder- anstaltungssaal nutzen zu können, stiegen Kontakt & Infos aufgebaut und 1952 in der heutigen Form die Sitzreihen nach hinten nicht wie üblich Kontakt & Infos eröffnet . Der Eingang wird von zwei Figuren an, sondern waren ebenerdig aufgestellt . des Bochumer Bildhauers Erich Schmidt- Knappschaft bochum (1913-1999) eingerahmt, die Berg- 1909 ging Erlemann mit seinen Bauunter- Schauspielhaus Bochum Pieperstraße 14-28 leute vor und nach der Schicht darstellen . nehmungen in Konkurs und musste auch die Königsallee 15 44789 Bochum Bereits 1926 entstanden der Erweiterungsbau Bühne schließen, da schon nach kurzer Zeit 44789 Bochum an der Pieperstraße, der mit dem Haupt- eine zunehmende Anzahl der 1 .400 Plätze www .schauspielhausbochum .de bau durch eine Brücke, „Beamtenlaufbahn“ regelmäßig freigeblieben war . Seine Frau genannt, verbunden ist, und direkt daneben erwarb das Theater aus der Konkursmasse eine Wohnhausgruppe mit Dienstwohnun- und führte den Theaterbetrieb mit Hilfe gen für leitende Angestellte und Läden . der Stadt und eines Theatervereins weiter . 72 73

50 Haus der Geschichte des Ruhrgebiets

Das Haus der Geschichte des Ruhrgebiets ist Sitz der Stiftung Bibliothek des Ruhrgebiets und des Instituts für soziale Bewegungen, einer fächerübergreifenden und interdiszi- plinären Einrichtung der Ruhr-Universität Bochum . Es wurde 1998 auf Initiative des Sozialhistorikers Klaus Tenfelde gegründet und vereint als Public-Private-Partnership vielfältige Angebote im Bereich der Er- Stadttheater Bo- forschung der Geschichte und Gegenwart chum, 1909 . Quelle: des Ruhrgebiets . Als Stifter fungierten der Presseamt Bochum Gesamtverband des deutschen Steinkohlen- bergbaus, die IG Bergbau, Chemie, Energie, die RAG Aktiengesellschaft, die DMT Ge- Haus der Ge- Der Wiederaufbau begann im Juni 1951 am Strahlkraft . Der Bereich zwischen Zuschau- sellschaft für Lehre und Bildung, die Ruhr- beherbergt zudem die Dokumentationsstelle schichte des alten Standort auf den vorhandenen Funda- erraum und Außenmauer ist in zahlreiche universität und die Stadt Bochum . Neben der Ruhrgebietsforschung, die den Zugang zur Ruhrgebiets . Foto: menten, sodass Architekt Gerhard Graubner „nierenförmige“ Räume unterteilt . Dazu regionalen Geschichtspflege und Identitäts- wissenschaftlichen Literatur mit Ruhrge- Dietmar Bleidick seine Pläne und insbesondere den Grundriss gehören die Wand- und Deckenleuchten, bildung bilden industrielle Ballungsräume in bietsbezug durch eine systematische Aus- des neuen Hauses daran auszurichten hatte . deren florale Form („Tulpenlampen“) am internationaler Perspektive sowie „soziale Be- wertung von Neuerscheinungen verbessert . Im September 1953 hob sich der Vorhang wirkungsvollsten in zwei Kronleuchtern im wegungen“ weitere Forschungsschwerpunkte . im neuen Schauspielhaus Bochum zum Foyer in Erscheinung tritt . Das Schauspiel- Das Haus der Geschichte des Ruhrgebiets ist ersten Mal . Als äußeres Hauptgestaltungs- haus ist ein sehr frühes Beispiel für diesen Zur Erfüllung ihres Zwecks bietet die im ehemaligen Gebäude des gewerkschafts- element wählte Architekt Gerhard Graubner typischen Architekturstil der 1950er Jahre . Stiftung Wissenschaftlern, Studierenden eigenen Berg-Verlags an der Clemensstraße die Verklinkerung der Fassaden als Remi- und der breiten Öffentlichkeit eine Viel- untergebracht, der hier seit 1954 die Publika- niszenz an den Ziegelstein – den Baustoff Graubner errichtete zwischen 1954 und falt an Möglichkeiten . Grundstein ist die tionen der Industriegewerkschaft Bergbau in des Ruhrgebiets seit dem 19 . Jahrhundert . 1957 auch das hinter dem Schauspielhaus Bibliothek des Ruhrgebiets mit annähernd unmittelbarer Nähe zum Verwaltungsgebäu- Der damit zugleich beschworene demo- liegende Verwaltungsgebäude der Ruhrstick- 500 000. Bänden . Zusammengeführt aus de an der Alten Hattinger Straße produzierte . kratisierende Stil, die symbolische Öffnung stoff AG (heute Finanzamt Bochum-Süd) den ehemaligen Bibliotheken des Bergbau- des Theaters für alle Bevölkerungsschich- sowie 1966 auf dem dazwischenliegenden vereins, der Industriegewerkschaft Bergbau ten, blieb jedoch lange Zeit reine Rhetorik . Gelände des ehemaligen Hauses Rechen und Energie sowie des Instituts zur Erfor- Ähnliches gilt auch für die Gestaltung des die Kammerspiele mit 400 Plätzen . schung der Geschichte der europäischen Innenraums, der auf die klassischen Rän- Arbeiterbewegung, verfügt sie über ein ge verzichtet und als trennendes Element Hans Schalla, Intendant von 1949 bis 1972, breites Spektrum an Literatur und Fach- allein über einen Balkon verfügt . Halbrunde, etablierte in den 1950er- und 1960er-Jahren zeitschriften aus mehreren Jahrhunderten . stark ansteigende Zuschauerreihen erin- Stücke moderner Autoren wie Jean-Paul Sartre nern hier an ein römisches Amphitheater . und Samuel Beckett . Ihm folgte zwischen 1972 Dazu kommt das Archiv für soziale Bewe- und 1979 Peter Zadek, in dessen Zeit Rai- gungen, das Aktenbestände der Industriege- Als bahnbrechend erwies sich das erstmals in ner Werner Fassbinder regelmäßiger Gast in werkschaft sowie zahlreicher weiterer Institu- einem deutschen Theater realisierte Konzept Bochum war . Eine weitere Blütezeit erreichte tionen und Organisationen der betrieblichen eines halbrund vor der Vorbühne angelegten das Schauspielhaus zwischen 1979 und 1986 wie überbetrieblichen Mitbestimmung Kontakt & Infos „Eisernen Vorhangs“ . Diese aus Gründen des unter der Intendanz von Claus Peymann . Sein vereint . Die Bestände von Archiv und Biblio- Brandschutzes zur Trennung von Zuschauer- Bochumer Ensemble mit Stars wie Gerd Voss, thek können im Lesesaal des Hauses einge- raum und Bühne notwendige Einrichtung Kirsten Dene und Traugott Buhre galt als sehen und letztere auch entliehen werden . Haus der Geschichte des befand sich bis dahin grundsätzlich hinter innovativstes Theater der Bundesrepublik . Pey- Ruhrgebiets der Vorbühne . Durch das neue Arrange- manns Nachfolger Frank Patrick Steckel prägte Die Kernaufgaben des Instituts für soziale Clemensstraße 17 ment rückten die Bühnenbilder und Schau- ein eher nachdenkliches Theater . Ihm folgten Bewegungen als Forschungseinrichtung 44789 Bochum spieler erheblich näher an den Zuschauer ab 1995 Leander Hausmann, Matthias Hart- liegen im Bereich der universitären Lehre www .isb .ruhr-uni-bochum de. heran . Bei der weiteren Innengestaltung des mann, Elmar Goerden und Anselm Weber . Seit sowie bei der Durchführung längerfristiger Hauses wurde die geschwungene Form zum Beginn der Spielzeit 2018/19 ist Johan Simons Forschungsprojekte und wissenschaftlicher tragenden Gestaltungsmerkmal von hoher Intendant des Schauspielhauses Bochum . Veranstaltungen . Das Haus der Geschichte 74 75

52 Scharoun-Kirche

Die 1966 geweihte und seit 1997 denkmal- geschützte Johanneskirche in Altenbochum ist der einzige realisierte Kirchenentwurf des Architekten Hans Scharoun (1893-1972) . Ebenso einzigartig ist ihre Gestaltung, trägt sie doch viele Elemente von Scharouns wohl wichtigster Arbeit, der nach ihrer Eröffnung 1963 zu Weltruhm gelangten Berliner Phil- Die alte Haupt- harmonie . Dazu gehören das Zeltdach, die verwaltung der Wandgestaltung, die dreieckige Fensterform, BOGESTRA . Foto: der markante dunkle Alta-Quarzitboden und Dietmar Bleidick das Konzept der Raumplastik . Aus diesem Grund ist sie kaum unter ihrem eigentlichen Namen, sondern nur als „Scharounkir- Scharoun-Kir- 51 BOGESTRA-Hauptverwaltung 1926 und 1928 entstanden an der heutigen che“ bekannt . Im Ruhrgebiet existieren nur die diagonale, schräge Fenstersüdwand . che . Foto: Diet- Universitätsstraße/Oskar-Hoffmann-Straße zwei weitere, ebenfalls denkmalgeschützte Dazu kommt der von Scharoun entworfene mar Bleidick Im November 1894 begann in Bochum das nach Plänen des renommierten Bochumer Bauten Scharouns, das Geschwister-Scholl- Altar, ein als leeres Steingrab verstandener Straßenbahnzeitalter mit der Eröffnung der Architekten Heinrich Schmiedeknecht (1880- Gymnasium (heute Gesamtschule) in hellgrauer Granitblock mit einer ausgeklü- ersten Linie nach Herne . Anfang 1896 grün- 1962) neben dem Verwaltungsgebäude ein Lünen (1956-1962) und die Haupt- und gelten Vierkantrohrkonstruktion . Die zum deten die Städte Bochum und Gelsenkirchen Straßenbahndepot und eine Direktorenvilla . Grundschule in Marl (1960-1971) . Altar gehörenden mannshohen Kerzen- und die Siemens & Halske AG die Bochum- leuchter aus verchromtem Stahlrohr wur- Gelsenkirchener-Straßenbahn-Aktienge- Bis heute wird der Gesamteindruck des 1962 gründete die Bochumer Gemeinde den 1970 vom Bauhausschüler Wilhelm sellschaft (BOGESTRA) . Das Unternehmen Ensembles von dem zentralen Verwaltungs- der Christengemeinschaft einen Verein mit Wagenfeld auf Bitten Scharouns gestaltet . fasste neben der Bochumer zwei weitere von bau beherrscht, dessen in der Front versetzte dem Ziel, eine Kirche zu bauen, und erwarb Siemens gebaute Linien in Wattenscheid und Baukörper unterschiedlicher Höhe symmet- zwei Jahre später Teile des ehemaligen Hofes 1986/87 folgte der Anbau der (Aufbahrungs-) Gelsenkirchen zusammen und entsprach der risch angeordnet sind . Flachdächer und stark Schulte-Vels . Dass mit Scharoun einer der Lazaruskapelle nach Entwürfen des Architek- zeittypischen Kooperation von Kommunen profilierte Abschlussgesimse bilden dabei bedeutendsten Vertreter der Moderne in ten Claude Decressionniere und des Bildhau- und privaten Anlagenbauern im Bereich eine bauübergreifende gestalterische Ein- Deutschland als Architekt gewonnen wer- ers Roland Stalling . Sie nimmt die formalen des Verkehrs- und Energiesektors . Umge- heit . Die Wagenhalle nahm mit fast 10 .000 den konnte, lag an einem Zufall, denn die Elemente der Kirche im Kleinen auf, ordnet hend folgte der rasche Ausbau des Netzes Quadratmetern Fläche und zehn Gleisen für Familie eines Gemeindemitglieds war ihm sich damit der großen Schwester unter, beein- in Bochum und Gelsenkirchen, doch auch damals 200 Wagen zwar fast zwei Drittel des seit langem freundschaftlich verbunden . trächtigt aber deren Erscheinungsbild durch Konkurrenzunternehmen wurden aktiv . gesamten Grundstücks ein, doch blieb sie den Anschluss an der Gartenseite nicht . hinter dem Hauptgebäude versteckt und von Die Architektur integriert die einzelnen 1908 erwarb der Industrielle Hugo Stinnes der Straße aus nur über die Zufahrt sichtbar . Funktionen eines Gotteshauses zu einer nach dem Ausscheiden von Siemens be- Bis heute gilt das Verwaltungsgebäude als Raumplastik, die zugleich als sichtbar ab- deutende Anteile an der BOGESTRA und eines der qualitätsvollsten expressionistischen gesetzte Raumteile und doch als Einheit verlegte den Firmensitz nach Essen . Mitte der Architekturbeispiele in Nordrhein-Westfalen . erkennbar sind: als Altar-, Predigt-, Innen-, 1920er-Jahre entschloss sich die Gesellschaft Musik- und Eingangsraum . Dazu kommen nach Jahren der Stagnation zum Bau einer Mit Eröffnung des zwischen 2003 und 2005 rechts vom Altar die fünfeckige Sakristei und zentralen Verwaltung in Bochum . Zwischen an der Essener Straße errichteten Betriebsho- die zum Eingangsbereich führende schlich- Kontakt & Infos fes Engelsburg verlor die Wagenhalle an der te Eingangshalle . Die Funktionalität wird Kontakt & Infos Universitätsstraße ihre Funktion und wurde jedoch nicht nur durch die Raumformen, 2007 abgerissen . Ähnliches galt für weitere sondern auch durch den geschickten Mate- BOGESTRA Hauptverwaltung Standorte der BOGESTRA im Stadtgebiet, rialeinsatz verdeutlicht . Klinker, Ziegel, Stahl, Scharoun-Kirche Universitätsstraße 58 die auf dem Areal der ehemaligen Zeche Glas und ungehobelte Holzbretter schaffen Glockengarten 70 44789 Bochum Engelsburg zusammengefasst wurden, dar- als typische Baustoffe des Ruhrgebiets einen 44803 Bochum www .bogestra .de unter die frühere Straßenbahnhauptwerkstatt regionalen Bezug und zugleich durch das www .scharoun-kirche .de Gerthe, die technische Abteilung aus den Zusammenspiel von Licht und Farbe ein Gebäuden der früheren Fahrzeugwerke von besonderes Ambiente . Beispiele dafür sind Lienen an der Wittener Straße 100, die Aus- die Eingangshalle sowie im Innenraum die bildungswerkstatt und der Bauhof Hamme . Lichtsprache in der Dachkonstruktion und 76 77

Der Hauptfriedhof Große Halle Freigrafendamm des Hauptfried- um 1940 . Quelle: hofs, 2021 . Foto: Presseamt Bochum Dietmar Bleidick

53 Hauptfriedhof Bochum mit Ausnahme der von Paul Perks als Toten- L-förmiger Verbindungsflügel, der zugleich Nach dem 2 . Weltkrieg wurden die Ge- tanz gestalteten Buntglasfenster der großen die Leichenzellen aufnimmt . Entlang der bäude weitergenutzt und nur die diversen Der Bochumer Hauptfriedhof am Freigra- Trauerhalle nahezu unverändert erhalten Straße erstreckt sich ein rund 160 m langer Hakenkreuze verbrämt oder entfernt . 1954 fendamm wurde zwischen 1929 und 1932 und wurde nach ihrer Eintragung in die Baukomplex, der ein Ensemble unterschied- folgte die symbolische Christianisierung angelegt . Wahrscheinlich aufgrund der Welt- Denkmalliste der Stadt Bochum 1989 in den licher, ebenfalls niedriger Bauten umfasst, der Anlage . Gegenüber der großen Trauer- wirtschaftskrise mussten die Errichtung der Jahren 1994 bis 1996 in Teilen restauriert und darunter den Haupteingang, ein Verwal- halle wurden als zentrales Mahnmahl der Betriebsgebäude und des Eingangsbereich renoviert . Die Traueranlage am Freigrafen- tungs- und Wohngebäude, zwei Wandelgän- Stadt Bochum ein Hochkreuz und eine zunächst zurückgestellt werden . Dies wurde damm ist das einzige vollendete und erhal- ge, zwei größere und drei kleinere Warte- Mosaikwand mit einem Klage-Motiv „Nio- dann zwischen 1935 bis 1941 nachgeholt, als tene Beispiel nationalsozialistischer Staatsar- hallen, ein Blumenladen und Toiletten . be“ des Bochumer Künstlers Ignatius Geitel die Bauten des Hauptfriedhofs im Sinne re- chitektur in Bochum und besitzt auch für das errichtet, die sich durch seine Farbigkeit präsentativer nationalsozialistischer Bauauf- Ruhrgebiet einen einzigartigen Charakter . Zur Anlage gehören weiterhin eine Terrasse und zeitgenössische Modernität deutlich fassung in mehreren Abschnitten entstanden . neben der großen Trauerhalle, die an einen von der Sandsteinarchitektur abhebt . Im Wesentlichen war die Anlage jedoch be- Architekten waren der Bochumer Stadt- Urnenhof grenzt, sowie eine mit Platten- reits Ende 1939 fertiggestellt, danach folgten baurat Heinrich Timmermann und sein wegen durchzogene Rasenfläche vor dem Zu den bekanntesten Persönlichkeiten, die nur noch einzelne Ergänzungen . Sie ist heute damaliger Mitarbeiter Wilhelm Seiden- zur Straße zurückgesetzten Haupteingang . hier neben weiteren umgebrachten Wider- sticker, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Auf der Rückseite der Anlage liegen die standskämpfern beigesetzt sind, gehört der Kontakt & Infos Bochum als eigenständiger Architekt auch Friedhofsgärtnerei mit Betriebsgebäude, Bergarbeiterführer und SPD-Reichstagsabge- die Hauptverwaltung der BV-Aral AG und ein Betriebshof sowie das Krematorium . ordnete Fritz Husemann (1873-1935), der im das neue Verwaltungsgebäude des Bochu- Die Architekten legten Wert auf die Ver- KZ Esterwegen von den Nationalsozialisten er- Hauptfriedhof mer Vereins planen sollte . Die ausgedehnte wendung „heimischer Materialien“ . Das mordet wurde . Seine Beerdigung, an der 2 .000 Freigrafendamm/Imma- Anlage besteht aus zwei Trauerhallen . Die tragende Mauerwerk der gesamten Anlage Personen teilnahmen, war ein beeindrucken- nuel-Kant-Straße größere, an einen Tempel erinnernde, dient wurde in Beton oder Ziegel ausgeführt und des Dokument der Popularität Husemanns 44803 Bochum als Aufbahrungshalle des dahinterliegen- dann mit grau-grünem Ruhrsandstein in und für den Zusammenhalt der Bergarbeiter- den Krematoriums, während die kleinere, flacher Schichtung verblendet . Ursprünglich bewegung . Weitere Gräberfelder bergen u . a . gegenüberliegende, für Andachten im stand die Farbe des Mauerwerks im Kontrast sowjetische Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter Rahmen von Erdbestattungen ausgestattet zum roten Sollingstein der Treppen, Ter- und Bochumer Bürger, die beim Bombenan- wurde . Beide Hallen verbindet ein niedriger, rassen und Wege, die heute vergraut sind . griff am 4 . November 1944 ihr Leben ließen . 78 79

rund um das Werk wie dessen Anschluss fang der 1990er-Jahre ersetzte der Astra an den Opelring und die Erweiterung der den Kadett und seit 1999 wurde zudem der Wittener Straße . Mit der Übernahme des Zafira im Bochumer Werk hergestellt . Kraftwerks der Zeche Prinz Regent durch die Stadtwerke Bochum wurde zudem die Nachdem bereits seit der Jahrtausendwen- Energieversorgung des Opelwerks gesichert . de die Zukunft des Opelwerks in Bochum immer wieder Thema der Strukturdiskus- Nach rund zweijähriger Bauzeit wurde das sionen des Mutterkonzerns General Motors Opel-Werk Bochum im Oktober 1962 mit gewesen war und die 2011 noch rund 5 .100 9 .000 der vorgesehenen 14 .000 Mitarbeiter Mitarbeiter zur Standortsicherung zahlreiche eröffnet . Schon nach wenigen Wochen liefen Zugeständnisse gemacht hatten, folgte Ende bis zu 1 000. Kadetten täglich vom Band . Bis 2012 die Nachricht von der Einstellung der 1991, als die Produktion des Modells ein- Fahrzeugproduktion . Mit der Werksschlie- gestellt wurde, waren es 7,5 Mio . Daneben ßung Ende 2014 endet in Bochum ein über entstanden in Bochum die beiden Opel- die Jahrzehnte betrachtet durchaus erfolg- kultautomobile . Zwischen 1968 und 1973 reiches Projekt des Strukturwandels mit rund Opel-Hauptverwal- fertigten die Mitarbeiter die Gesamtproduk- 20 .000 Arbeitsplätzen in den 1970er-Jah- tung, 2013 . Quelle: tion von rund 100 000. Stück des zweisitzi- ren und letztlich auch eine über 50-jährige Presseamt Bochum . gen Coupés Opel GT, dessen Bodengruppe, Tradition des Automobilbaus im Ruhrgebiet . Fahrwerk und kleinere Motorisierung aus dem Kadett B stammten . Die aus Frank- Seither befindet sich das Gelände des Haupt- 54 Opel Die Rüsselsheimer Adam Opel AG befass- reich kommenden Karosserien wurden in werkes unter dem Namen „Mark 51°7“ in te sich seit Ende der 1950er-Jahre mit dem Bochum endmontiert . Dazu kamen Anfang der Vermarktung als neues Forschungs- und Ende der 1950er-Jahre wurde Bochum als Projekt eines völlig neu entwickelten Opel der 1970er-Jahre der Manta A als Coupé Technologiezentrum . Neben der Ruhr-Uni- erste Großstadt des Ruhrgebiets massiv Kadett als neuem Volumenmodell in Kon- des zeitgleich eingeführten Ascona A, die versität und diversen Unternehmen wurde von den Auswirkungen der Kohlenkri- kurrenz zum VW-Käfer und dachte ähnlich . ebenfalls in Bochum gebaut wurden . An- auch ein Paketzentrum der DHL angesiedelt . se getroffen . Allein die Gelsenkirchener Die Suche nach einem geeigneten Stand- Bergwerks-AG (GBAG) schloss innerhalb ort für eine Werksansiedlung konzentrierte kurzer Zeit drei Großschachtanlagen . Bis sich bald auf Bochum, das als Stadt des 1962 verlor die Stadt rund 17 .500 Arbeits- Zechensterbens in den Medien mittlerweile plätze im Bergbau, bis 1967 sollten es 40 .000 eine traurige Berühmtheit erlangt hatte . Im werden . Da bundesweit vielfach Vollbe- Zentrum des Interesses stand bald die kurz schäftigung herrschte und zur Sicherung zuvor abschließend stillgelegte Zeche Dan- des Standortes Deutschland die ersten nenbaum 1 in Laer . Dazu kam 1962 das Ge- „Gastarbeiter“ angeworben wurden, wer- lände der Zeche Bruchstraße in Langendreer . teten zahlreiche außerhalb des Ruhrgebiets ansässige Unternehmen die Situation auch Da die Stadt Bochum nur über einen kleinen als Chance . In umgeschulten Bergarbeitern Teil der gewünschten Flächen verfügte, die sahen sie das zur Erweiterung ihrer Pro- Adam Opel AG jedoch als Geschäftspart- duktionskapazitäten notwendige Personal . ner nur die Stadt selbst akzeptierte, erwarb diese das Restgrundstück von der GBAG, um es baureif zu machen und dann weiter- Kontakt & Infos zuverkaufen . Hintergrund dieser Forderung war das Ziel des Unternehmens, der Stadt Bochum nicht nur die Abbruchkosten zu „Mark 51°7“ überlassen, sondern darüber hinaus auch die Opelring 1 ausschließliche Haftung für alle Bergschä- 44803 Bochum den aufzubürden . Neben diesem in seiner Mit dem ganzen www .mark51-7 .de Tragweite wohl einzigartigen Vorgang soll Stolz – und mit die Stadt bedeutende Zugeständnisse beim dem Kadett – vor späteren Verkaufspreis für das Grundstück dem Werk, 1960er- gemacht haben . Dazu kam die Übernahme Jahre . Quelle: aller Kosten für den Infrastrukturausbau Presseamt Bochum 80 81

schaft äußerst beliebt . Auf der einen Seite förderte das gemeinschaftliche Trinken in Kneipen und Gaststätten die Geselligkeit, sodass dem Alkoholgenuss durchaus eine starke gesellschaftliche Komponente zu- kam . Nicht selten ergänzte kalorienreicher Schnaps aber auch die einseitige Ernährung mit der Folge, dass die Industriegesellschaft des Ruhrgebiets mit einer nicht unerhebli- chen Suchtproblematik konfrontiert wurde . Müser-Braue- Die Brennerei wurde mehrere Generatio- rei, 1950er-Jahre . nen lang bis zu ihrer Schließung 1970 von Quelle: Presse- Familienmitgliedern geführt . Den wirtschaft- amt Bochum lichen Erfolg des Unternehmens spiegelt der repräsentative Neubau von 1933/34 .

Die Sanierung und Restaurierung des unter 56 Müser-Brauerei stufte Sudhausturm errichtet wurden, der Denkmalschutz stehenden Gebäudes wur- ein wenig an sein großes Pendant, das etwa de in den 1990er-Jahren detailgetreu und Der Sudhausturm der ehemaligen Mü- zeitgleich entstandene „Dortmunder U“ der liebevoll umgesetzt . Gebäudeteile wie der ser-Brauerei ist eines der Wahrzeichen Union-Brauerei erinnert . Als Architekt und stattliche Turm wurden abgetragen und von Bochum-Langendreer . Gemeinsam Ingenieur fungierte in beiden Fällen Emil wieder aufgebaut . Als sehr aufwendig erwies mit dem benachbarten Malzhaus bildet er Moog, ein anerkannter Spezialist auf dem sich die Sanierung der großen Fensterfront den letzten baulichen Rest einer der be- Gebiet des Brauereibaus . Der Turm ist durch zur Straße hin, für die eigens 930 Thermo- deutendsten Brauereien des Ruhrgebiets waagerechte schlichte Backsteinbänder, panescheiben nach Maß angefertigt wer- und steht seit 1994 unter Denkmalschutz . glatte Betonstürze in den oberen Geschossen Brennerei Ei- den mussten . Die Inneneinrichtung wurde und ein umlaufendes geometrisch gestal- ckelberg . Quelle: 55 Brennerei Eickelberg teilweise restauriert, zum Teil aber auch aus Die Geschichte der Brauerei reicht zurück tetes Abschlussgesims gegliedert . Die weit Wikipedia anderen Betrieben übernommen und nach- bis ins Jahr 1806, als Johann Wilhelm Mü- zurückspringenden, gestaffelten Geschosse Etwa gleichzeitig mit der Eröffnung der träglich eingebaut . Sie dokumentiert die ser eine Schankwirtschaft mit Brauerei und sorgen für eine laternenartige Krönung . Rechts unten: nahegelegenen Müser-Brauerei an der Haupt- Brennereiausstattung aus dem ersten Drittel Brennerei eröffnete . Erst 50 Jahre später Flaschenetikett straße gründete Dietrich Eickelberg 1866 des 20 . Jahrhunderts . In Anerkennung der legten seine Söhne Wilhelm und Heinrich Seit 1938 als „Müser-Brauerei AG“ firmie- der Brennerei eine Kornbrennerei in der Oberstraße . Sein hervorragenden Restaurierung des Gebäudes 1866 mit der „Dampfbrauerei Gebr . Mü- rend, wurde das Unternehmen 1960 von der Eickelberg . Quelle: Angebot umfasste hochwertigen Korn und wurde die Brennerei 1996 mit dem West- ser“ den Grundstein für eine Braustätte Berliner Schultheiss-Brauerei übernommen Presseamt Bochum Wacholderschnaps, nicht aber den sonst fälischen Denkmalpreis ausgezeichnet . Eine im industriellen Maßstab, bei der bereits und der Braubetrieb 1975 endgültig ein- weit verbreiteten, billigen Kartoffelschnaps . dauerhafte Reaktivierung des in Bochum Dampfmaschinen zum Einsatz kamen . gestellt . Mit der Neunutzung des Geländes einzigartigen Objekts gelangt jedoch nicht, Müsers Bier „bayerischer Brauart“ wurde durch einen Supermarkt war der Abriss Hochprozentige Getränke waren im 19 . wie mehrfache Eigentümer- und Nutzungs- 1885 auf der Weltausstellung in Antwerpen des größten Teils der Anlage verbunden . Jahrhundert gerade unter der Arbeiter- wechsel in den vergangenen Jahren zeigen . mit einer Silbermedaille ausgezeichnet . Der denkmalgeschützte Sudhausturm dient bereits seit 1978 als Diskothek – seit dem Mit der Gründung der „Bierbrauerei Gebr . Jahr 2000 die „Matrix Bochum“, eine der Müser Aktiengesellschaft“ wuchs der Be- größten und bekanntesten im Ruhrgebiet . Kontakt & Infos trieb 1891 zur Großbrauerei, die 1908 mit Kontakt & Infos mehr als 100 Mitarbeitern knapp 140 000. Hektoliter Bier braute und ein Absatz- Brennerei Eickelberg gebiet weit über das Ruhrgebiet hinaus Müser-Brauerei Oberstraße 43 besaß . Aus dieser Zeit stammt das Malz- Oberstraße 43 44892 Bochum haus, ein viergeschossiger Backsteinbau 44892 Bochum www .brennerei-eickelberg .de in städtebaulich wirksamer Ecklage .

Die letzte umfassende Erweiterung der Brauerei erfolgte zwischen 1925 und 1928, als ein neues Kesselhaus und der große ge- 82 83

Bahnhof Langen- Koksofenfunda- dreer, um 1920 . mente der Zeche Quelle: Presse- Neu-Iserlohn . Foto: amt Bochum Presseamt Bochum

57 Bahnhof Langendreer Schnittpunkt der wichtigen Nord-Süd-Ver- 58 Kokerei Neu-Iserlohn Batterie mit 60 Otto-Hoffmann-Öfen die bindung Recklinghausen-Hagen und der Gewinnung der im Koksofengas enthaltenen Das Eisenbahnzeitalter begann in Lan- Ost-West-Magistrale Dortmund-Duisburg Hinter einer kleinen Schranke an der Be- Kohlenwertstoffe Teer, Benzol und Ammo- gendreer 1860 mit Eröffnung des ersten wurde der Bahnhof zum Verkehrsknoten- verstraße, zwischen einem Gehölz und niak . Die Aufbereitung dieser Nebenpro- Bahnhofs durch die Bergisch-Märkischen punkt, der den Bochumer Hauptbahnhof einem Sportplatz, befindet sich das Ge- dukte erfolgte in dem niedriger gelegenen Eisenbahngesellschaft an ihrer Strecke auch nach der Eingemeindung Langendreers lände der ehemaligen Zeche Neu-Iser- Teil des Geländes, am Fuß der Fundamente . von Witten nach Bochum (später Bahnhof (1929) lange Zeit an Bedeutung übertraf . lohn 1 . Von hier aus sind am westlichen Schon 1907 wurde diese Batterie durch Langendreer-Süd genannt, in des Nähe des Geländerand gemauerte Gewölbebögen neue, daneben gebaute Koksöfen der Bau- heutigen S-Bahnhofs Langendreer-West) . Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor der sichtbar, die als ältestes erhaltenes Zeugnis art Otto-Hilgenstock ersetzt, die durch eine Zwei Jahre später gingen die Verbindungen Bahnhof Langendreer sukzessive an Be- des Kokereiwesens im Ruhrgebiet gelten . optimierte Beheizung einen besseren Koks nach Dortmund und Duisburg in Be- deutung . Im Bereich des Güterverkehrs produzierten . Die ehemals die Luft- und trieb . 1874 erhielt Langendreer durch die konnte das infolge des Zechensterbens Die Zeche Neu-Iserlohn geht auf die 1849 Gaszuführung beherbergenden Gewölbe Rheinische Eisenbahngesellschaft einen zurückgehende Verkehrsaufkommen teil- gegründete Gewerkschaft Münsterland zu- wurden fortan als Werkstatt und Lagerräu- zweiten Bahnhof (Rheinischer Bahnhof, weise durch den Bedarf der beiden Opel- rück, deren Name darauf hindeutet, dass ihre me genutzt . Der technische und finanzielle später Langendreer-Nord) für ihre Strecke werke kompensiert werden . 1967 wurde Kohlenfelder zu den nördlichsten bis dahin Aufwand für die Modernisierung der Koke- von Bochum-Nord nach Dortmund Süd . der erste Container-Umschlagbahnhof des erschlossenen zählten . Finanzielle Schwierig- reikapazitäten weist auf die hohe wirtschaft- Ruhrgebiets in Langendreer eröffnet, der keiten führten zur Einbringung zusätzlichen liche Bedeutung der Koksproduktion und Der wirtschaftliche Aufschwung der fol- an dieser Stelle bis zum Jahr 2000 existierte . Kapitals durch Iserlohner Geschäftsleute, Nebenproduktgewinnung für die Bergwerks- genden Jahrzehnte machte Anfang des 20 . 1983 endete der Personenverkehr am alten die der Zeche schließlich ihren endgültigen gesellschaften hin, die insbesondere im ersten Jahrhunderts den Ausbau der Güterbahnhöfe Bahnhof . Als Ersatz erhielt Langendreer zwei Namen gaben . Die nördlich angrenzenden Drittel des 20 . Jahrhunderts einen guten Teil zu einem Verkehrsknotenpunkt unumgäng- neue Haltepunkte an der S-Bahn-Linie S 1 Grubenfelder wurden ab 1876 als Zeche Neu- ihrer Gewinne in dieser Sparte machten . lich . Im Zuge dieser Ausbaumaßnahmen Düsseldorf-Essen-Bochum-Dortmund . Iserlohn 2 selbständig (erhaltene Gebäude- wurde auch die beiden alten Personenbahn- reste am Lütgendortmunder Hellweg) . Der höfe zugunsten des Neubaus eines Stations- Weil der prachtvolle Jugendstilbahnhof nun 1889 erfolgte Ankauf durch die Harpener gebäudes im Bereich Langendreer-Nord ohne Funktion war, sollte er im Jahr seines Bergbau-AG, deren Bergwerke an Neu-Iser- aufgeben, der 1907/08 am Wallbaumweg 75-jährigen Bestehens abgerissen werden . lohn angrenzten, sicherte den Ausbau zu ei- im modifizierten Jugendstil entstand . Als Nach heftigen Protesten einer „Bahnhofsin- ner mittelgroßen Schachtanlage . 1955 verlor itiative“ wurde er im Mai 1985 unter Denk- die Zeche ihre Selbständigkeit und wurde an Kontakt & Infos malschutz gestellt und nach aufwendigen die Zentralschachtanlage Robert Müser an- Kontakt & Infos Renovierungsarbeiten 1986 als „Kulturbahn- geschlossen . Kurz darauf erfolgte der Abriss hof“ neu eröffnet . Dessen vielfarbiges, multi- der Tagesanlagen, und das Gelände verfiel in Bahnhof Langendreer kulturell geprägtes Programm umfasst Musik, einen Dornröschenschlaf das heutige Ge- Kokerei Neu-Iserlohn Wallbaumweg 108 Theateraufführungen und Kabarett, ergänzt hölz konnte sich ausbreiten . 1989 wurden die Beverstraße (Geländezugang) 44894 Bochum durch Partys und regelmäßigen Discobetrieb . Fundamente der Koksofenbatterie gefunden . 44894 Bochum www .bahnhof-langendreer .de Die angeschlossene Gastronomie in den eins- tigen Gepäckräumen sorgt für das leibliche Nachdem auf der Zeche Neu-Iserlohn bereits Wohl . Außerdem bietet das Kino „Endsta- seit Ende der 1860er-Jahre Fettkohle in tion“ in den ehemaligen Wartesälen Filmlieb- Flammöfen verkokt worden war, ermöglichte habern ungewöhnliche Lichtspiel-Erlebnisse . die 1895 auf diesen Fundamenten errichtete 84 85

59 Zeche Robert Müser 60 Vinzentiuskirche

Die 1856 gegründete Harpener Bergbau Die Vinzentiuskirche in Harpen vereint AG erhielt ihren Namen durch die Lage Aspekte mittelalterlichen Lebens im länd- der Grubenfelder im Bereich des heu- lichen Bochum mit der Entwicklung der tigen Bochumer Stadtteils Harpen . Am Bergarbeitergemeinde im 19 . Jahrhundert . Anfang stand die Zeche Heinrich Gustav Dazu spiegelt sie die Konfessionsgeschich- in Werne . Sie teufte zunächst nördlich te im Ruhrgebiet, denn die ursprünglich der Werner Straße den Schacht Jakob ab, katholische Kirche wurde in der Reforma- 1859 folgte südlich der Schacht Arnold . tion lutherisch, behielt aber weitgehend ihre ursprüngliche Ausstattung bei . Nach anfänglichen Schwierigkeiten entwi- ckelte sich die Zeche aufgrund ihrer ergiebi- Die kleine Kirche aus dem 12 . Jahrhundert, gen Fettkohlevorkommen gewinnbringend die 1475 um einen Altarraum und ca . 1575 und wurde zur Keimzelle der ausgreifenden um eine Sakristei erweitert worden war, er- Aktivitäten der Harpener Bergbau-AG . Die fuhr 1905/06 eine massive Vergrößerung und reine Bergbaugesellschaft erwarb unter der ihre heutige Gestalt . Fast wäre sie abgerissen Führung ihres Generaldirektors Robert Mü- worden, doch der damalige oberste Denk- ser (1849-1927) zahlreiche weitere Zechen malpfleger Westfalens erkannte den hohen Fenster der Vinzen- u . a . in Bochum, Gelsenkirchen, Herne und Wert der romanisch-gotischen Anlage . Er re . 1939 auf der Zeche Robert Müser „vor tiuskirche mit Berg- Dortmund, wo die Zeche Gneisenau sich Arnoldschacht der Zeche Robert Müser . überzeugte die Gemeinde und den planen- Ort“ entworfen, wurden sie 1942 in Berlin baumotiven . Foto: zum größten Bergwerk des Unternehmens Quelle: Wikipedia den Architekten Gerhard August Fischer, von der Firma August Wagner produziert Presseamt Bochum entwickelte . Gleichzeitig stieg die Harpe- ihre Neubaupläne beiseitezulegen und die und danach unter Tage eingelagert . In den ner Bergbau-AG zu einem der wichtigsten alte zweijochige Pfeilerbasilika zu erweitern . Kriegswirren in Vergessenheit geraten, Kohleproduzenten des Ruhrgebiets auf . vom Typ Tomson-Bock . Dieses machte nun So ergänzte Fischer sie um ein neugotisches wurden sie nach Kriegsende zufällig auf der einem Vollwandstrebengerüst mit Doppel- Querhaus mit Orgelempore und nahm dabei Zeche Amalia in Bochum-Werne wieder- In den 1920er-Jahren stellte sich die Aufgabe förderung Platz, einem der ersten seiner Art die gotischen Formen von 1475 auf . Das gefunden und 1949 ihrer ursprünglichen einer Rationalisierung der Werner Zechen, im Ruhrgebiet . Die Firma Dörnen baute das kreuzgewölbte Mittel- und das nördliche Bestimmung gemäß eingebaut . Die Fenster und es folgte der Ausbau von Schacht Ar- 57,2 m hohe Gerüst als Modifizierung der Seitenschiff sowie der gotische Chor blieben zeigen: Seilfahrt von Bergleuten mit Stei- nold zum zentralen Förderschacht . Er wurde Bauart Klönne, die ingenieurtechnisch und unverändert . Das neue Querhaus ist vierach- ger, Kumpel in der Strecke, Kumpel vor Ort 1927 tiefer geteuft, auf den ungewöhnlich ästhetisch als eine der gelungensten Lö- sig gegliedert und in Anlehnung an die alten sowie einen Koksofenabstich . Fenster mit großen Durchmesser von 7,60 m erweitert sungen im Ruhrbergbau angesehen wurde . Bruchsteinwände in Sandstein ausgeführt . bergbaulichen Arbeitsszenen dieser Art sind und erhielt 1928 das heute noch vorhan- Die Konstruktion diente über 30 Jahre lang einmalig in einer europäischen Kirche . dene Fördergerüst, das dritte in der Be- noch als Vorbild für weitere Gerüste . Der mittelalterliche Turm der Vinzentius- triebsgeschichte . Vorangegangen waren ein kirche war bereits 1876 wegen Baufällig- Malakowturm sowie ein für die Harpener Die zu Ehren des verstorbenen General- keit komplett erneuert worden . Er erhielt Bergbau-AG kennzeichnendes Stahlgerüst direktors umbenannte Großschachtanlage einen oktogonalen Spitzhelm, der 1940 übernahm 1929 die Förderung der meisten einem Sturm zum Opfer fiel . 1951 entstand Bochumer Zechen bzw . Grubenfelder der die jetzige Spitze des Dortmunder Archi- Harpener Bergbau-AG, darunter Vollmond, tekten Tankred Pelgarus unter Einfluss Amalia, Caroline und Prinz von Preußen . der Harpener Bergbau AG als Stifterin . 1955 wurde auch Neu-Iserlohn angegliedert . Kontakt & Infos Im Zuge der Bergbaukrise musste die Zeche Im Inneren der Vinzentiuskirche finden Kontakt & Infos Robert Müser 1968 trotz weitreichender sich Reste romanischer Ausmalungen, zwei Vorräte die Förderung einstellen . Danach Sakramentenhäuser (um 1300 und 1474), Zeche Robert Müser verschwand die den Bochumer Osten be- ein Dreikönigsaltar (um 1430), ein Standbild St . Vinzentius-Kirche Brandwacht herrschende Industriekulisse fast vollständig, des Kirchenpatrons Vinzentius (um 1400) Vinzentiusweg 13 44894 Bochum lediglich das Gerüst über Schacht Arnold sowie ein lutherischer Barockaltar von 1699 . 44805 Bochum blieb erhalten . Es steht seit 1990 unter www .harpen .ekvw .de Denkmalschutz und dient aktuell noch der Für das Thema Industriekultur qualifizie- zentralen Wasserhaltung der RAG, jedoch ren diese Kirche in besonderer Weise die steht der Standort durch die vorgesehene Bergmannsfenster der Berliner Künstlerin Neuordnung des Bereichs zur Disposition . Helene Starck unterhalb der Südempo- 86 87

des Auslandsgeschäfts wurde das Produk- schaft umgewandelt . Größte Aktionäre waren tionsprogramm auf Eisenkonstruktionen nun die Allianz-Lebensversicherungs-AG und Maschinen wie Streckenförderungen und ein Bankenkonsortium . Das Unter- für den Bergbau ausgedehnt . Dazu kam der nehmen beschränkte sich beim Bau neuer Betrieb von Lampenstuben auf den Zechen . Anlagen zunächst auf ein Breitbandkaltwalz- werk, das Ende 1954 in Betrieb ging, führte Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg aber kurz darauf ein in Deutschland neues brachte umfangreiche Veränderungen Verfahren zur Erzeugung von Elektroblechen mit sich . 1924 beschloss die Bergbau ein . 1961 übernahm die Firma Otto Wolff AG Lothringen, mittlerweile Mehrheits- erneut die Aktienmehrheit an der SWB . eigentümerin der Firma, den Bau eines eigenen Stahl- und Walzwerks in Bo- Die Stahlkrise der 1960er-Jahre hinterließ chum an der Castroper Straße, wohin nun deutliche Spuren bei der SWB . 1966 endete auch der Werkseingang verlegt wurde . die erst kurz zuvor aufgenommene Elektro- Die Eisen- und Hüttenwerke AG (EHW) stahlproduktion, und bald darauf wurden nahm 1927 den Betrieb mit Siemens-Mar- die Blockstraße und das Warmbandwalz- tin-Öfen, einem Warmwalzwerk und werk stillgelegt . Die Belegschaft sank von schließlich einem Kaltwalzwerk auf . knapp 6 .000 auf 3 .300 Mitarbeiter . Es folgte die Gründung der Elektroblech Gesellschaft Im Verlauf der Weltwirtschaftskrise ge- mbH (EBG) und der Einstieg der August riet der Lothringen-Konzern in massive Thyssen-Hütte AG . Mit dem 1973 eröffne- Schwierigkeiten, und verkaufte die Ak- ten neuen Kaltwalzwerk, einem der weltweit tienmehrheit der EHW 1936 an den Otto- leistungsstärksten, avancierte die SWB zum Wolff-Konzern . Angesichts vergleichsweise größten Elektroblechhersteller Europas . geringer Kriegsschäden produzierte das Unternehmen in Bochum bis Kriegsende 1989 fasste der Thyssen-Konzern seine Elek- und erhielt bis Anfang 1946 wieder Be- troblechaktivitäten in der EBG Gesellschaft triebsgenehmigungen für alle Bereiche . für Elektromagnetische Werkstoffe GmbH Stahlwerke Bo- zusammen . 2002 wurden sie in die Thyssen- chum, 1952 . Quelle: 61 Stahlwerke Bochum Die Ursprünge der Stahlwerke Bochums Im Zuge der Neuordnung der Eisen- und Krupp Electrical Steel GmbH überführt . Stahlwerke Bochum liegen in mehreren mittelständischen Be- Stahlindustrie wurde im Februar 1947 die Den traditionsreichen Namen „Stahlwerke (Hg .): Arbeit am 2020 konnten die Stahlwerke Bochum trieben, darunter die um 1820 entstandene Stahlwerke Bochum AG (SWB) gegründet Bochum“ führt der 2004 als eigenständige Stahl, Bochum 1952 auf eine 200-jährige Geschichte zurück- Seilerei von Johann Hermann Vennemann und im August 1951 in eine Einheitsgesell- Gesellschaft ausgegliederte Gießereibetrieb . blicken . Neben dem Bochumer Verein (1798-1845) . Die engen geschäftlichen waren sie seit den 1920er-Jahren der be- Kontakte zum Bergbau führten bald zu deutendste Stahlerzeuger Bochums . familiären Verbindungen . Vennemanns Tochter Wilhelmine heiratete mit Heinrich Grimberg 1857 einen der später bedeutends- ten Montanindustriellen der Region, der kurz zuvor die Dortmunder Zeche Minister Stein mitgegründet hatte und ab 1872 an der Entstehung der Bochumer Zeche Lothringen Kontakt & Infos sowie weiterer Anlagen beteiligt war . 1880 wurde die Firma Vennemann & Comp . in „Heinrich Grimberg & Christian Hilgerd“ Stahlwerke Bochum umbenannt . Ab 1895 produzierte auf dem Castroper Str . 228 Betriebsgelände an der Alleestraße zudem 44791 Bochum die Firma „Grümer & Grimberg“ Gruben- www .stahlwerke-bochum com. lampen und Zünder für den Bergbau .

1907 zogen die Betriebe an die Karl-Lan- ge-Straße in den Bereich des heutigen Werksgeländes . Neben der Intensivierung 88 89

Zeche Lothringen um 1910 . Quel- Halde Lothringen . le: Sammlung Foto: Presse- Dietmar Bleidick amt Bochum

62 Zeche Lothringen ist das Maschinenhaus des Schachtes 1 mit 63 Halde Lothringen Zur südlichen Panoramaseite hin ist in das verzierten Rundbögen und tonnenförmi- Rohr ein Lichtprofil aus LEDs eingelassen . Name und Gründungszeit der Zeche Lothrin- ger Dachgestaltung . Es stammt wie auch Die Halde der Zeche Lothringen 1/2 ist die Aus der Ferne des südlichen Landschafts- gen verweisen auf den gewonnenen Deutsch- die anderen älteren Bauten aus der großen größte in Bochum . Sie bildet eine rund sechs raumes erscheint die Lichtinstallation Französischen Krieg 1870/71 und die darauf- Umbauphase um 1900, als die Gebäude Hektar große, in mehreren Stufen abfallende nachts als eine schmale gelbe Leuchtlinie, folgende Angliederung Elsass-Lothringens an ihre charakteristische Gestaltung erhielten, Plateaulandschaft, die einen weiten Blick in die auf der Halde zu schweben scheint . das Deutsche Reich . Die Gewerkschaft ließ die auf dem Kontrast von gelben und roten die Umgebung zulässt . Auf die Halde führt 1872 den ersten Schacht abteufen, weitere Ziegeln sowie Jugendstilornamenten beruht . ein zweihundert Meter langer Weg . Von der Tag- und Nachtgestalt der Installation vier folgten bis 1914 . Parallel zum Ausbau Promenade auf dem Haldenkopf sind im könnten unterschiedlicher nicht sein . Denn des Bergwerks wurden Kokereien errichtet Auf dem Gelände der ehemaligen Schachtan- Süden landwirtschaftlich genutzte Flächen, tagsüber ist „Über(n) Ort“ ein massives und vor allem die Gewinnung von Neben- lage 3 im Gerther Osten sind neben einigen in Richtung Nordosten ein Gewerbegebiet Bauwerk, das an eine überdimensionierte produkten wie z . B . Teer und Ammoniak zu Gebäuden mehrere Baracken des dortigen zu sehen . Nur an der Südkante ist die Hal- Rohrleitung erinnert, die aus unerfind- einem wichtigen Geschäftsfeld ausgebaut . Zwangsarbeiterlagers erhalten . Sie dienten de als künstliche Schüttung erkennbar . lichen Gründen über und nicht unter nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst als der Erde verläuft . Die Farbgebung unter- Die Entwicklung des Bochumer Stadtteils Unterkunft für neu angeworbene Bergarbei- Genau hier, an der steilen Böschungskante, streicht jedoch, dass es sich hier um kein Gerthe ist untrennbar mit der ehemaligen ter, dann als Ledigenheim, nach Schließung befindet sich die Lichtinstallation „Über(n) funktionales Bauelement handelt . Wie Zeche Lothringen verknüpft . Bis heute der Zeche 1966/67 als Wohnraum für „Gast- Ort“ von Kirsten Kaiser . In einer gelbfar- im Straßenverkehr verlangt die Signal- prägen die zahlreichen Siedlungen für die arbeiter“ . 1983 entstand in ihnen ein stu- benen Stahlkonstruktion erstreckt sie sich farbe Gelb auch hier Aufmerksamkeit Belegschaften das Ortsbild . Dazu sind auf der dentisches Wohnprojekt, das die Gebäude in über 220 Meter als massives horizontales und lockt auf die Halde hinauf, um dort Gründungsanlage Lothringen 1/2 im Gerther den heutigen Zustand umbaute . Trotz dieser Stahlrohr, das von mächtigen vertikalen den Landschaftsraum zu erleben und Zentrum einige Gebäude erhalten . Ihre Nut- Umbauten ist die Grundstruktur des Lagers Trägersäulen gestützt und auf einem ein- räumliche Bezüge herzustellen, die ohne zung, zum Teil kultureller Art, sorgt für Le- weitgehend unverändert erhalten, das damit heitlichen Höhenniveau gehalten wird . erhöhten Standort unmöglich wären . ben auf dem Gelände und macht es über den als eines der wenigen noch vorhandenen Stadtteil hinaus zu einem Anziehungspunkt . architektonischen Beispiele seiner Art in Besonderes architektonisches Schmuckstück Deutschland gelten kann . Im August 2005 wurde es in die Denkmalliste eingetragen . Kontakt & Infos Kontakt & Infos Reichsweite traurige Berühmtheit erlangte die Zeche Lothringen durch ein schwe- Zeche Lothringen res Grubenunglück, bei dem 1912 infolge Halde Lothringen Lothringer Straße 36 einer Schlagwetterexplosion 144 Berg- An der Halde 44805 Bochum leute ums Leben kamen . Kaiser Wilhelm, 44805 Bochum der zu dieser Zeit an den Feierlichkeiten zum 100-jährigen Firmenjubiläum der Firma Krupp in Essen teilnahm, sah sich daraufhin zu einem medienwirksamen Kondolenzbesuch in Gerthe gezwungen . 90 91

65 Zeche Constantin der Große der letzten fördernden Anlage 6/7 und der dortigen Kokerei . Einen Monat später ging Die Zeche Constantin der Große war mit Constantin zusammen mit der Zeche Han- einer Förderung von 2,9 Mio . Tonnen und nibal und der Zeche Hannover in die neue mehr als 10 .000 Beschäftigten Ende der „Bergwerke Bochum“ über, einer Betriebsab- 1920er-Jahre nicht nur die mit Abstand teilung der Fried Krupp Bergwerke AG . Nur bedeutendste Zeche Bochums, sondern im Feld von Constantin 1 wurde der Abbau auch eine der größten des Ruhrgebiets . Ihr weiterbetrieben und die Kohle über die Zeche Grubenfeld erstreckte sich über weite Teile Hannover zu Tage gebracht . 1973 endete des Bochumer Nordens und von Herne . auch diese Ära mit der Gesamtschließung des Zechenverbundes . Bis 1975 wurden alle noch Ehemaliges Ab 1851 entstand östlich der Herner Straße in offenen Schächte verfüllt und der größte Teil Zwangsarbeiter- Hofstede Schacht 1, der drei Jahre später die der Tagesanlagen in der Folgezeit abgerissen . lager Bergener Förderung aufnahm . 1858 wurden die Arbei- Straße 116a . Foto: ten an Schacht 2 auf der anderen Straßenseite An die 130-jährige Tradition des Bergbaus in Presseamt Bochum aufgenommen, der allerdings wegen der ersten Riemke und Hofstede verweist heute auf den Weltwirtschaftskrise erst 1866 in Betrieb ge- ersten Blick nur noch wenig . An der Herner nommen werden konnte . Durch den Ankauf Straße ist neben der WEDAG-Verwaltung Knochen-Karl . 64 Industrielehrpfad lungen zum ehemaligen Betriebshof Gerthe der Zeche Herminenglück-Liborius an der ein Gebäude von Constantin 2 erhalten . Am Foto: Dietmar Gerthe/Grumme/Hiltrop der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahn Castroper Straße erhielt Constantin 1892 einen Eingang der Vierhausstraße erinnert das 1937 Bleidick (Castroper Hellweg), dessen Ursprünge als dritten Schacht . Bis 1900 wurde zudem die aufgestellte Denkmal „Knochen-Karl“ an die Der 1995 von der Stadt Bochum eingerich- „Kleinbahn Bochum-Gerthe-Harpen“ bis neue Schachtanlage 4/5 in Herne, direkt hinter Toten des Ersten Weltkriegs . Hier befinden tete Industrielehrpfad folgt den Spuren der ins Jahr 1908 zurückreichen und der dem der Grenze zu Bergen an der heutigen Cons- sich auch Reste der Halde von Constantin Industrialisierung, die seit den 1870er-Jahren Unternehmen von 1971 bis 2005 als Haupt- tantinstraße errichtet, die den nördlichen Teil 1 . Eines von zwei größeren Ensembles bil- die drei kleinen Landgemeinden verstärkt werkstatt diente . Heute befindet sich auf des Felderbesitzes erschließen sollte . Kurz da- den die Werkstätten und Maschinenhallen erfasste und innerhalb von drei Jahrzehnten dem Gelände das EnergieEffizienzZentrum rauf folgten Constantin 6 und 7 an der Hiltro- von Constantin 8/9 an der Flottmannstra- in montanindustriell geprägte Unterzent- Bochum (EEZ) . Auch die frühere Direktoren- per Straße in Grumme, die bis 1907 in Betrieb ße . Das zweite befindet sich in Hiltrop am ren verwandelte . Damit macht er für diesen villa der Kleinbahn ist erhalten geblieben und gingen . Von besonderer Bedeutung für Riemke Wiekskamp und am Heiksfeld, wo neben Zeitraum typische Entwicklungslinien des dient als Bürogebäude . Weiter geht es durch war die Errichtung der Schachtanlage 8/9 an solchen Bauten auch die Benzolfabrik und Ruhrgebiets erlebbar . Im Mittelpunkt steht Siedlungen der Zeche Lothringen in Gerthe . der Stadtgrenze zu Herne knapp zwei Kilome- das Eingangsgebäude vorhanden sind . vor allem die Erfahrung der geografischen, Ein Abstecher führt zum Gerther Friedhof ter nördlich von Schacht 1 zwischen Flott- wirtschaftlichen und gesellschaftlichen mit dem Ehrenmal für die bei der Schlagwet- mannstraße und Oberscheidstraße ab 1910 . Bei genauerem Hinsehen finden sich allerdings Strukturen in Bochumer Norden . Daher terexplosion auf der Schachtanlage Lothrin- Nach Aufnahme der Förderung 1912 besaß die zahlreiche weitere Spuren . Die Zeche Constan- ist der knapp 20 Kilometer lange Weg als gen im August 1912 getötete 117 Bergleute . Gemeinde endlich ihre eigene Zeche . Wäh- tin besaß Ende der 1950er-Jahre 1 .300 Wohn- Fahrradroute konzipiert, die – je nach Ver- rend des Ersten Weltkriegs endete der Ausbau häuser mit 5 .000 Wohnungen und konnte so weildauer an den Einzelstandorten – etwa An verschiedenen erhaltenen Anlagen der mit den Schächten 10 und 11 nördlich der rechnerisch fast die gesamte Belegschaft mit drei bis vier Stunden in Anspruch nimmt . Zeche Lothringen und durch das Zentrum Wiescherstraße am Heiksfeld in Hiltrop und Wohnraum versorgen . Zu erwähnen sind vor Gerthes hindurch führt der Weg nach in Herne an der Gysenbergstraße . Zusammen allem die erhaltenen Siedlungen im Mühlen- Die Strecke führt von den Stahlwerken Bo- Hiltrop, das durch verschiedene Schachtan- mit weiteren Wetterschächten besaß Constan- tal, an der Flottmannstraße und der Bergener chum (Castroper Straße) mit seinen Sied- lagen der Zeche Constantin geprägt wurde . tin Anfang der 1920er-Jahre 14 Schächte und Straße . Einige der ältesten Gebäude liegen Vor allem auf dem Gelände der bereits 1961 damit die meisten einer Zeche im Ruhrgebiet . an der Ecke Herner Straße und Poststraße . stillgelegten Zeche Constantin 10 sind noch Kontakt & Infos zahlreiche Gebäude durch Umnutzung erhal- Ende des Jahrzehnts übernahm der Krupp- Kontakt & Infos ten geblieben . Das Barackenlager der Zeche Konzern die Mehrheit, der schon die Nach- Constantin (Bergener Str . 116a-h) erinnert baranlagen Hannibal und Hannover be- Industrielehrpfad Gerthe an den Zwangsarbeitereinsatz der Ruhrin- saß und nun seine Kohlenbasis elementar Zeche Constantin der Große www .bochum .de dustrie im Zweiten Weltkrieg . Den Abschluss erweitern konnte . Nach über 70-jähriger Vierhausstraße/Herner Straße des Rundweges bilden der Tippelsberg mit Eigenständigkeit wurde Constantin als (Schacht 1) seinem beeindruckenden Panoramablick und letzte der großen Zechengesellschaften 44807 Bochum die seit 1989 unter Denkmalschutz stehende zu einer sogenannten Hüttenzeche . Eisenbahnbrücke der Zechenbahn Constan- tin an der Tenthoffstraße von 1905 mit ihren Das Ende für den Riemker und Hofsteder bemerkenswerten gusseisernen Stützen . Bergbau kam im Februar 1967 mit Aufgabe 92 93

67 Hauptverwaltung Westfalia- Dinnendahl-Gröppel

Die wirtschaftliche Entwicklung und damit das Anwachsen von Riemke und Hofstede von kleinen Bauernschaften hin zu Industrie- gemeinden wurde ausschließlich durch den Bergbau geprägt . Die Schicht am Schacht bestimmte das Leben der Bevölkerung, die bald aus allen Teilen Deutschlands stamm- te . Wer nicht auf den Zechen arbeitete, war meist bei den Bergbauzulieferunternehmen oder Ziegeleien beschäftigt, die sich bald im WEDAG-Verwal- Dunstkreis der Zechen ansiedelten . In Herne Auch die Eisenhütte Westfalia AG konnte tung, 1950er Jahre . entstanden direkt hinter der Grenze zu Riem- bereits auf eine längere Geschichte zurück- Quelle: Stadtarchiv ke 1902 die neuen Werksanlagen der 1875 blicken . Sie wurde 1872 als Maschinenfabrik – Zentrum für in Bochum gegründeten Flottmannwerke, Brandenburg & Lämmerhirt in Bochum Stadtgeschich- die bald darauf zu einem der bedeutendsten gegründet, 1881 umbenannt und verfügte te Bochum Produzenten von Abbauhämmern aufstiegen . über Betriebsanlagen an der Hermannshöhe . Die Fusion mit Dinnendahl erfolgte 1922 . Von besonderer Bedeutung für die beiden Ge- Gipfel des Tip- meinden war allerdings ein anderes Unterneh- 1960 war die WEDAG einer der größten pelsberges . Foto: men . Neben Schacht 2 der Zeche Constantin Bergbauzulieferer Deutschlands mit ca . Presseamt Bochum der Große an der Verkehrsstraße errichtete 3 .200 Beschäftigten . Im Verlauf der Koh- der Ingenieur Franz Gröppel ab 1897 zunächst lenkrise schaffte es die WEDAG wie die mit wenigen Arbeitern eine Produktionsstät- meisten anderen Zulieferer nicht, sich von 66 Tippelsberg deponie genutzt und dadurch noch weiter te für Kohlenaufbereitungsanlagen . Gröppel den angestammten Produktpalette zu lö- aufgehöht . Unter anderem wurde hier der war bis dahin Mitarbeiter des Ingenieurbüros sen und ausreichend neue Märkte und Der Tippelsberg ist eine natürliche Erhe- Aushub der Stadtbahnlinie U 35 abgelagert . Carl Lührig in Niederschlesien, das ab 1877 Aufgabenfelder zu erschließen . Nach dem bung im Norden der Stadt Bochum, die eine in Bochum eine Zweigstelle betrieb . Lührig schleichenden Niedergang auf Raten kam Landmarke im Bereich der Stadtteile Riemke, Der Tippelsberg erreicht heute eine Höhe gilt als Erfinder der Feinkohlensetzmaschine . es 1972 zur Übernahme durch die in Köln Bergen und Grumme unweit der Stadtgrenze von 150 Metern über dem Meeresspiegel und Nach dessen Tod 1893 übernahm Gröppel das ansässige Klöckner-Humboldt-Deutz AG zu Herne bildet . Über die Entstehung gibt 40 Meter über Niveau . Die Ausdehnung be- Unternehmen, das nun „C . Lührig’s Nachfah- und anschließend zur systematischen Re- es verschiedene Sagen, darunter die einer trägt 18,5 Hektar . Von dem 2007 endgestalte- ren Franz Gröppel“ hieß, und verlegte den Sitz duzierung der Aktivitäten in Bochum . langen Reise des Riesen „Tippulus“ . Während ten und für die Öffentlichkeit freigegebenen nach Hofstede . Nicht zuletzt durch die zahl- einer Wanderpause befreite er seine Schuhe Gipfelplateau bietet sich ein weitreichender reichen Aufträge der Zeche Constantin wuchs In Hofstede entstand 1954 die neue Firmen- von Lehmklumpen, die fortan den Tippels- Blick auf Bochum, Herne und große Teile des die Firma rasch an und beschäftigte 1924 be- zentrale an der Herner Straße . Das Gebäude berg bildeten . Tatsächlich wurde der Tippels- mittleren Ruhrgebiets . Nicht nur besondere reits 900 Arbeiter und Angestellte . Nach dem ist nach umfangreichen Umbauarbeiten berg in den 1980er- und 1990er-Jahren über Ereignisse wie Sylvester, das Feuerwerk zur Tod Gröppels 1923 lautete der Name „Maschi- 2007 verändert erhalten . Es bildet heute einen Zeitraum von 14 Jahren als Bauschutt- Cranger Kirmes oder die Aktion „Schachtzei- nenfabrik Fr . Gröppel C . Lührig’s Nachfolger“ . zusammen mit den Resten der dahinterlie- chen“ im Rahmen der RUHR .2010 machen genden Hallen den Gewerbepark Riemke . den Tippelsberg zum Publikumsmagneten . In der Weltwirtschaftskrise geriet das Unter- Kontakt & Infos nehmen in finanzielle Schwierigkeiten und Kontakt & Infos Zu den Besonderheiten des Tippelsbergs wurde 1930 von der Westfalia Dinnendahl zählt der gepflasterte Gipfelplatz mit einem AG übernommen . Es entstand die „Westfalia Tippelsberg liegenden Gipfelkreuz . Das aus Gabionen Dinnendahl-Gröppel AG Maschinenfabriken WEDAG-Verwaltung Hiltroper Str . 148 (Mauersteinkörben) mit Holzauflage zum für Aufbereitung und Bergbau“ (WEDAG) Herner Str . 299 44807 Bochum Sitzen gestaltete Kreuz weist mit seinen als Verbund dreier bedeutender Firmen, de- 44809 Bochum www .tippelsberg .de Armen in die vier Himmelsrichtungen . ren Geschichte bis ins Jahr 1800 zurückeicht, Acht Stelen aus Stahl richten den Blick auf als Franz Dinnendahl sich nach dem erfolg- wichtige Sehenswürdigkeiten der Umge- reichen Aufbau der ersten Dampfmaschine bung . Dazu verfügen die Stelen über Guck- des Ruhrgebiets auf der Zeche Vollmond in löcher für große und kleine Besucher . Langendreer selbständig gemacht hatte . 94 95

1960er-Jahren entwickelte sich das ursprüng- lich rein historisch orientierte Museum zu einem von Bund und Ländern mitfinanzier- ten Forschungsinstitut . Damit verbunden war die Gründung des Bergbau-Archivs, das seither als Branchenarchiv historisch relevante Überlieferungen des gesamten deutschen Bergbaus sichert . Heute sind die Deutsches Berg- Sammlungen zusammen mit der umfang- bau-Museum 68 Deutsches Bergbau-Museum reichen Bibliothek und der Fotosammlung Bochum . Fotos: Bochum im Montanhistorischen Dokumentations- RIK/Staudinger zentrum (montan .dok) zusammengefasst . Ende der 1860er-Jahre begann die Westfä- lische Berggewerkschaftskasse in der Berg- 1973 wurde das weithin sichtbare Wahr- schule Bochum zu Unterrichtszwecken mit zeichen des Museums errichtet . Der För- dem Aufbau einer Sammlung „bergbaulicher derturm der stillgelegten Dortmunder Utensilien“ . Diese sollte zum Grundstein des Zeche Germania aus dem Jahr 1944 geht Bergbaumuseums werden, das auf Initiative ebenfalls auf Entwürfe von Fritz Schupp der Schulträgerin und der Stadt Bochum zurück und gehörte mit einer Höhe von fast 1930 gegründet wurde . Nachdem zunächst 72 Metern zu den größten im Ruhrgebiet . die Großviehschlachthalle des ehemaligen Seither verbindet ein Fahrstuhl Museum, Bochumer Schlachthofes zum Ausstellungs- Besucherbergwerk und Aussichtsplattform, raum umfunktioniert worden war, folgte die einen Blick über die früher vielleicht ab 1935 der Bau des heutigen Museums- größte Kohlenstadt des Reviers und weite gebäudes nach Entwürfen von Fritz Schupp Teile des Ruhrgebiets ermöglicht . Weite- und Heinrich Holzapfel . Die Architekten re Schwerpunkte des 1976 in „Deutsches übernahmen bei der Gestaltung typische Bergbau-Museum“ umbenannten Instituts Formen des zeitgenössischen Industriebaus wurden in dieser Zeit die Montanarchäo- wie kubische Baukörper mit hochrechtecki- logie und die Pflege technischer Denkmäler . gen Fenstern und betonte Ecken . Gleichzeitig zeigt der Eingangsbereich Elemente natio- Mit der Eröffnung des südlichen Erweite- nalsozialistischer Monumentalarchitektur . rungsbaus erhielt das Museum 1986 nicht Das von Beginn zum Konzept gehörende nur neue Ausstellungsräume, sondern auch Anschauungsbergwerk entstand zwischen einen Hörsaal und ein Restaurant . Dazu 1937 und 1940 und diente während des kam 2009 als zweiter moderner Anbau der Zweiten Weltkriegs als Luftschutzbunker . „Schwarze Diamant“ . Ausstellungsflächen von rund 12 .000 Quadratmeter und mehr Nach starken Kriegszerstörungen wurde als eine Viertelmillion Objekte machen das das Museum 1943 geschlossen und ab 1946 Deutsche Bergbau-Museum Bochum heute bis zum Abschluss der Wiederaufbau- und zum weltweit größten seiner Art . 2019 wurde Erweiterungsarbeiten Mitte der 1950er-Jah- das Haus nach umfangreichen Renovierungs- re abschnittsweise wiedereröffnet . In den arbeiten mit einer vollständig neugestalteten Kontakt & Infos Dauerausstellung wiedereröffnet . Neben der Dauerausstellung, die die Entwicklung des Bergbaus von den Ursprüngen bis heute Deutsches Bergbau-Museum u . a . in technischer, wirtschaftlicher, sozialer Bochum und künstlerischer Perspektive zeigt, fin- Am Bergbaumuseum 28 den regelmäßig Sonderausstellungen statt . 44791 Bochum www .bergbaumuseum .de Das Deutsche Bergbau-Museum Bochum ist neben dem Eisenbahnmuseum und der Jahrhunderthalle der dritte Bochumer Ankerpunkt der Route Industriekultur . 96 97

70 Stadtpark Bochum

Die Stadt Bochum besitzt den ersten, im Ruhrgebiet durch die öffentliche Hand in Auftrag gegebenen und finanzierten Stadtgarten . Er wurde in vier Abschnitten zwischen 1876 und 1903 nach den Ent- würfen des Kölner Gartenbaudirektors Anton Strauss angelegt und 1878 im ersten Teil um das Parkhaus herum eröffnet . Technische Hoch- schule Georg Dem Zeitgeist entsprechend, folgte der Agricola . Foto: Stadtpark dem Gestaltungskonzept des ein- Dietmar Bleidick flussreichen Landschaftsarchitekten Peter Joseph Lenné und seines Schülers Gustav Meyer, die Mitte des Jahrhunderts histori- Der Stadtpark mit 69 Bergschule/Technische Die Bochumer Bergschule entwickelte sich bald sierende Stilformen vergangener Epochen In den 1930er-Jahren folgte am Bismarck- dem Bismarckturm Hochschule Georg Agricola zur größten und mit Abstand bedeutendsten wiederbelebt hatten . So entstanden Misch- turm der Aufbau des Bochumer Tierparks . um 1910 . Quelle: im Deutschen Reich . Vor dem Ersten Weltkrieg formen von natürlichen Landschaftsparks Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Presseamt Bochum Die ehemalige Bergschule, seit 1995 Tech- absolvierten hier bis zu zwei Drittel aller Schü- nach englischem Vorbild und schmü- einzelne Parkbereiche neugestaltet . Heute nische Fachhochschule Georg Agricola für ler ihre Ausbildung; der Anteil in der Fach- ckenden Gartenpartien, die geometrische präsentiert sich der Bochumer Stadtpark Rohstoff, Energie und Umwelt zu Bochum, richtung Steinkohlenbergbau war noch höher . Formen italienischer Renaissance- oder auf einer Fläche von 31 Hektar als leben- seit 2016 Technische Hochschule Georg Neben der klassischen Steigerlaufbahn bot die französischer Barockgärten aufnahmen . diger Park im Stile des Englischen Land- Agricola, geht in ihren Anfängen auf das Schule als Reaktion auf die zunehmende Me- schaftsgartens . Verschiedene Parkräume Jahr 1816 zurück . Der Aufschwung der chanisierung der Zechen nun zahlreiche Son- Der Bochumer Stadtpark besticht durch wie Rosen-, Dahlien-, Rhododendren- oder Schule begann in den 1860er-Jahren, als der derlehrgänge im maschinentechnischen und sein abwechslungsreiches Geländerelief, Staudengärten, der alte Baumbestand und expandierende industrialisierte Bergbau bald auch im elektrotechnischen Bereich . Erst das teilweise natürlichen Ursprungs ist, der Teich mit den großen Wasserfontänen zunehmend qualifiziertes Personal im Be- in den 1930er-Jahren folgte der langsame Über- teilweise aber auch durch Bodenbewe- machen den Park zu einem aktuellen Er- reich der mittleren Leitungsebenen nach- gang zur Bergberufsschule, die mit der Erhe- gungen modelliert wurde und die An- lebnis von großer Gartengeschichte . Der fragte . Er ist untrennbar mit Hugo Schultz bung des Bergmannsberufs zu einem offiziellen lage in Kuppen und Tallagen mit Teichen Stadtpark selbst sowie einige Gebäude des (1838-1904) verbunden, der 1869 zum Ausbildungsberuf ab 1940 obligatorisch wurde . gliedert . Dazu wurden die einzelnen angrenzenden großbürgerlichen Villenvier- Direktor und Geschäftsführer der West- Gartenräume durch geometrische Ge- tels aus der Zeit um 1900 stehen heute wegen fälischen Berggewerkschaftskasse berufen Angesichts des starken Aufschwungs der staltungselemente wie Eingangs- und ihrer besonderen historischen und künst- wurde, einer Gemeinschaftsorganisation des Bochumer Bergschule reichten die ur- Erschließungsachsen in Verbindung mit lerischen Bedeutung unter Denkmalschutz . Ruhrbergbaus, die als Trägerin der Bildungs- sprünglichen Räumlichkeiten an der dem Parkhaus und anderen Schmuckbau- einrichtung fungierte . Schultz schuf neue Alleestraße schon bald nicht mehr aus . ten ergänzt . 760 verschiedene, zum Teil Bildungsgänge, eröffnete im Ruhrgebiet Zwischen 1897 und 1899 ließ die Bergge- fremdländische Gehölzarten sollten den zahlreiche Zweigstellen und entwickelte das werkschaftskasse daher durch die Kölner besonderen Charakter des Gartens hervor- „Bochumer Modell“, nach dessen Vorbild Architekten Franz Brantzky und Martin heben . Diese Vielfalt unterstreicht noch in den folgenden Jahrzehnten das deutsche Remges an der Herner Straße das heute heute den besonderen Reiz des Stadtparks . Bergschulwesen reorganisiert wurde . noch bestehende neue Schulgebäude er- richten . Nach Kriegszerstörungen folgten Erst die letzte große Erweiterung in den Kontakt & Infos 1960 bis 1962 der Umbau und die Aufsto- Jahren 1903-1905 vollendete die Gesamtan- Kontakt & Infos ckung um eine Etage . 1970 erhielt die Berg- lage . Mit dem Entwurf wurde Ernst Fin- schule den Status einer Fachhochschule . ken beauftragt, der zuvor einige Jahre lang Bergschule/Technische Direktor des Kölner Botanischen Gartens Stadtpark Hochschule Georg Agricola An Hugo Schutz, auf dessen weitreichende Flora gewesen war . Er folgte den Prinzipi- Bergstraße Herner Str . 45 Initiativen auch die Förderung der Mark- en von Strauss und schuf bis 1908 aus den 44791 Bochum 44787 Bochum scheiderei, die geologische Erforschung des zuvor zwei Parkteilen eine Einheit . Auf dem www .thga .de Ruhrgebiets sowie die Anfänge des Bergbau- Hochpunkt des Parkgeländes wurde 1910 der Museums Bochum zurückgehen, erinnert Bismarckturm errichtet, und 1913 entstand seit 1908 ein von dem Bildhauer Gustav Pillig das neue Parkhaus nach einem Entwurf des gestaltetes Denkmal vor dem Gebäude . Bochumer Stadtbaumeisters Karl Elkart . 98 99

Die Villen Markhoff-Rosenstein (links) und Nora (rechts hinten) mit dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal. um 1905. Quelle: Stadtarchiv - Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte 100 101

dem Ankauf durch die Stadt nach Kriegs- ende begann eine Phase stetig wechselnder Nutzungen, darunter als Verwaltung der Stadtwerke Bochum sowie als Schulräume für die benachbarte Goetheschule und die Fachhochschule Bochum . 2006 erwarb die Stiftung der Sparkasse Bochum die 1989 unter Denkmalschutz gestellte Villa Nora, renovierte sie umfassend und nutzt sie seit- Villa Markhoff- her gemeinsam mit dem Museum Bochum . Rosenstein . Foto: 71 Villa Nora und Dietmar Bleidick Villa Rosenstein-Markhoff Zur gleichen Zeit wie Köhler, zwischen 1898 und 1900, realisierten auf der gegenüber- Während der Hochkonjunktur des aus- liegenden Straßenseite Rechtsanwalt und gehenden 19 . Jahrhunderts herrschte im Justizrat Ernst Marckhoff (1864-1912) und Bochumer Stadtparkviertel eine rege Bau- der Bauunternehmer und Stadtrat Ludwig tätigkeit . Zahlreiche Manager und Unterneh- Rosenstein (1852-1913) ein ebenso reprä- mer investierten ihre wachsenden Einkünfte sentatives wie eigentümliches Bauvorhaben, in eine repräsentative Villenarchitektur . das architektonisch an die Pariser Oper angelehnt ist: eine Doppelhaus-Villa . Der Bahnhof Nord . So auch Heinrich Koehler (1836-1907), Eingang Rosensteins lag an der Goethestraße, Foto: Dietmar Generaldirektor der westfälischen Stahl- der Marckhoffs gegenüber an der Kortum- Bleidick werke (Rombacher Hütte), der zwischen straße . 1905 weihte die Stadt Bochum vor 1897 und 1899 am Ende der heutigen Kor- der Schaufassade in einer kleinen Grün- tumstraße ein standesgemäßes Wohnhaus anlage das Kaiser-Wilhelm-Denkmal als ihr 72 Bahnhof Bochum Nord wichtige Bahnhöfe in zentraler Lage . Beide errichten ließ . Das nach dem Kosenamen bedeutendstes Denkmal ein, wodurch der und Gleisdreieck Stationen waren beim Publikum nahezu seiner Frau Amélie bald als Villa Nora be- Standort nochmals aufgewertet wurde . gleich beliebt, doch konnte der Rheinische zeichnete Gebäude verfügte über mehr als Die Rheinische Eisenbahngesellschaft erhielt Bahnhof aufgrund niedrigerer Fahrpreise 40 Zimmer, einen Herrschaftseingang mit Beide Bauherren besaßen enge Beziehungen im November 1871 die Konzession für die schon bald einen Vorteil im Fahrgastaufkom- entsprechendem Treppenhaus sowie einen zur Bochumer Wirtschaft und waren später Weiterführung ihrer Strecke Osterath-Wat- men verzeichnen . Anders sah es hingegen separaten Dienstboten- und Lieferantenein- stark im Bereich der deutschen Zementin- tenscheid bis nach Dortmund . Umgehend im Güterverkehr aus, wo die Bergisch-Mär- gang . Die Villa Nora wurde noch vor dem dustrie engagiert . Nach dem Ersten Weltkrieg begann in Bochum am heutigen Nordring kische Eisenbahn eindeutig dominierte . Dies Ersten Weltkrieg von Hans Balcke, Inhaber betrieb die Bochumer „Kasino-Gesellschaft“ der Bau eines großes Stationsgebäudes, in änderte sich grundlegend, als die Rheinische der gleichnamigen Bochumer Maschinen- bis Mitte der 1930er-Jahre in der Villa eine dem auch ein Teil der Regionalverwaltung Eisenbahngesellschaft nach dem Anschluss bau-AG, erworben . Das Unternehmen gehobene Gastronomie; dann übernahm die sowie die Bauleitung der projektierten mehrerer Zechen den Bereich östlich des Sta- gehörte zu den renommierten Anlagenbau- Nordwestliche Gruppe des Vereins Deutscher Verlängerung Platz finden sollte . Da sich tionsgebäudes zu einem Güterbahnhof aus- ern des Ruhrgebiets und war auf Großkühl- Eisen- und Stahlindustrieller das Gebäude . die Fertigstellung der Trasse durch Roh- baute, dem ein Bahnbetriebswerk mit einem und Kondensationsanlagen spezialisiert . stoff- und Arbeitskräftemangel infolge des elfständigen Lokschuppen angegliedert war . Während des Zweiten Weltkriegs erlitt die Gründerbooms verzögerte, war das Bahn- Mitte der 1920er-Jahre mietete die Stadt Villa insbesondere auf der Rosenstein‘schen hofsgebäude eher betriebsbereit als der Nach der Verstaatlichung erweiterte die Bochum die Villa und brachte in ihr fort- Seite erhebliche Schäden . 1957 kaufte die Gleisanschluss . Erst mit der Eröffnung Preußische Eisenbahn-Verwaltung das an die Städtische Gemäldegalerie unter . Mit Stadt die Ruine, begann mit dem Wieder- des Streckenabschnitts zwischen Watten- Streckenangebot um die Zweigbahn Bo- Kontakt & Infos aufbau in reduzierter Form und eröffnete scheid und Bochum für den Personen- und Kontakt & Infos 1960 in den Räumen die „Städtische Kunst- Güterverkehr wurde der auch „Bochum sammlung“, die sich zum heutigen „Museum Rheinisch“ genannte Bahnhof im Oktober Villa Nora und Bochum“ entwickelte . Mit dem Einzug des 1874 seiner eigentlichen Bestimmung über- Bahnhof Bochum-Nord/ Villa Rosenstein-Markhoff Kunstmuseums in den zwischen 1981 und geben . Die Weiterführung der Bahnlinie Gleisdreieck Kortumstraße 147/156 1983 durch die dänischen Architekten Jorgen nach Dortmund erfolgte kurze Zeit später . Ostring 15 44787 Bochum Bo und Vilhelm Wohlert errichteten be- 44787 Bochum www .kunstmuseumbochum .de nachbarten Neubau wurde die Villa zum Durch den Rheinischen Bahnhof hatte Sitz der Museumsverwaltung . Es folgte ab Bochum nicht nur einen weiteren Anschluss 2008 eine zweijährige, aufwändige Sanie- an eine bedeutende Eisenbahnstrecke erhal- rung der Sandsteinfassade und des Daches . ten, sondern verfügte damit auch über zwei 102 103

chum-Weitmar, sodass der nun „Bochum bahnstrecke sieben denkmalwerte Brücken- Nord“ genannte Bahnhof 1883 Anschluss bauwerke in kurzem Abstand aufeinander . an die Ruhrtalbahn in Dahlhausen erhielt . Es handelt sich um die Brücken über die Castroper Straße, Bergstraße, Kortumstraße, Schon 1959 führte der durch Zechen- Uhlandstraße, Wielandstraße, Herner Straße schließungen verursachte Rückgang der und Dorstener Straße . Die ersten sechs Frachtmengen zur Aufgabe des Bahnbe- Brücken wurden 1912/1913 nach Plänen der triebswerks . Der Personenverkehr nach Königlichen Eisenbahndirektion Essen im Herne bzw . Wanne-Eickel konnte nach Zuge der Verlagerung der Gleisanlagen auf Bau einer Verbindungskurve zum neuen Wälle errichtet . Ziel war die Beseitigung der Hauptbahnhof verlagert werden, sodass den Straßenverkehr behindernden Bahnüber- der Nordbahnhof 1979 auch den Perso- gänge . Die Eisenbahnbrücke mit der beson- nenverkehr verlor . Das Gebäude wurde deren Nietoptik über die Dorstener Straße längere Zeit von Bahndienststellen genutzt wurde erst 1925 mit Tieferlegung der Straße und stand dann zunächst leer . Nachdem und der Verlegung des Bahnhofs Präsident zwischenzeitlich der Abriss des in Teilen fertig . Alle sieben Brücken sind eindrucks- im Originalzustand erhaltenen Bahnhofs volle Zeugnisse der Bochumer Verkehrs- und drohte, sorgte die kürzliche Umwandlung Stadtentwicklungsgeschichte mit bemerkens- Brauerei Moritz zu einem Medizinzentrum für den Erhalt . werter und seltener Konstruktionsvielfalt . Fiege . Foto: Dietmar Bleidick Während des Zweiten Weltkriegs war der Im gleichen Zeitraum wurden auch die Nordbahnhof Ausgangspunkt für die De- Gleise der anderen Bahnstrecken im Be- portation der jüdischen Bevölkerung Bo- reich des Bochumer Zentrums auf erhöhte 73 Privatbrauerei Moritz Fiege rei auch die Krisen und Marktumbrüche der chums . Seit 2019 erinnert eine vom Verein Trassen verlagert . Seither führt der Weg in 1920er- und 1970er-Jahre . Rund 65 Mitarbei- „Initiative Nordbahnhof“ errichtete Stele an die Innenstadt unter einer der insgesamt 16 In Bochum und seiner näheren Umgebung ter erzeugen heute etwa 150 000. Hektoliter diesen wichtigen Bochumer Gedenkort . Brücken hindurch . Das dazwischenliegende sind sie an zahlreichen Gaststätten und pro Jahr . Zum Angebot zählt neben zwölf Gebiet wird als „Gleisdreieck“ bezeichnet . In- Kneipen allgegenwärtig und unübersehbar: Biersorten auch der Moritz Fiege Bierbrand . Nördlich des Bahnhofs Bochum Nord folgen zwischen sind alle Eisenbahnbrücken Teil der die grünweißen Farben der Privatbrauerei im Zuge der ehemaligen Rheinischen Eisen- Lichtinstallation „KunstLichtTore Bochum“ . Moritz Fiege . Fiege-Pils ist hier ein Synonym Die Brauerei ist sich ihrer Tradition bewusst . für Bier, sozusagen Bochums Hausmarke . Neben den Betriebsanlagen wurde ein kleines Museum, das Brauerei-Kontor, eingerichtet . Die Anfänge der Brauerei reichen bis in das Es bietet Informationen zur Geschichte der 18 . Jahrhundert zurück . Mindestens seit Bierherstellung und zahlreiche Exponate 1736 betrieb die Familie Fiege im Zentrum aus der Firmengeschichte . Die Brauerei und Bochums an der damaligen Beckstraße das Museum sind im Rahmen regelmäßig eine Schankwirtschaft mit angegliederter angebotener Führungen („BrauKultTour“), Branntweinbrennerei und später eigener erlebbar . Seit Jahren ist der Standort zu- Hausbrauerei . 1878 verlegte Moritz Fiege dem Teil der Extraschicht und während des den Braubetrieb an den heutigen Standort Sommers mit dem Fiege Open Air Kino an der Moritz-Fiege-Straße in unmittel- beliebter Treffpunkt an lauen Abenden . barer Nähe des Hauptbahnhofs . Nachdem das Bier zwischenzeitlich unter dem Namen „Löwenbrauerei Moritz Fiege“ vertrieben Kontakt & Infos worden war, begann 1926 die Produktion des Der Bahnhof Nord bis heute klassischen „Moritz Fiege Pils“ . um 1910 . Foto: Brauerei Fiege Stadtarchiv – Zen- Die Privatbrauerei Moritz Fiege, neben Stau- Moritz-Fiege-Straße 1 trum für Stadtge- der in Essen die letzte ihrer Art im mittleren 44787 Bochum schichte Bochum Ruhrgebiet, verbindet klassisches Brauhand- www .moritz-fiege .de werk mit modernster Technologie . Mit ihrem mittlerweile als besondere Spezialität auch überregional anerkannten Pils überlebte die regelmäßig ausgezeichnete Ruhrgebietsbraue- 104 105

wurde der kommunale Begräbnisplatz 1819 75 Hauptverwaltung BP/Aral nun den Wiederaufbau des Tankstellennet- eingeweiht, nachdem der bisherige Fried- zes, das bis Ende der 1960er-Jahre auf mehr hof an der Kirche St . Peter und Paul den Ende 1898 gründeten mehrere Bergbau- und als 11 .000 Anlagen ausgedehnt wurde . Anforderungen der wachsenden Gemeinde Chemie-Unternehmen in Bochum die West- nicht mehr entsprochen hatte . Als die Stadt deutsche Benzol-Verkaufs-Vereinigung zur Die Kohlenkrise brachte die neue Aral AG mit Bochum die Anlage nach mehreren Erwei- Vermarktung des bei der Verkokung von Stein- den Hauptanteilseignern Gelsenberg AG, Veba terungen im Jahre 1884 für Reihenbegräb- kohle gewonnenen Benzols . Das in dieser Zeit Chemie AG, Mobil Oil AG und Winters- nisse schloss, nur noch Gruftbegräbnisse an der Wittener Straße 45 errichtete erste kleine hall AG . Das Jahr 1970 bildete schließlich erlaubte und eine neue Friedhofsfläche an Verwaltungsgebäude beherbergte auch die von in vielfacher Hinsicht eine Zäsur . Erst- der Blumenstraße auswies, wurde er im einem gemeinsamen Vorstand geführte Deut- mals wurde eine Bestandsreduktion im Volksmund zum „Alten Friedhof“ . Noch sche Ammoniak-Verkaufs-Vereinigung und Tankstellenbereich eingeleitet, die mit vor dem Ersten Weltkrieg erfolgte die Um- weitere Gesellschaften zum Vertrieb von Koke- der Einführung des Selbsttankens und wandlung in eine Parkanlage . Seit den reinebenprodukten, die bald unter der Bezeich- dem langsamen Abschied vom Tank- 1960er Jahren setzte sich in Erinnerung an nung „Bochumer Verbände“ bekannt wurden . wart verbunden war . Gleichzeitig begann den hier bestatteten Arzt und Aufklärer Carl mit dem Aufbau des Shopgeschäftes Arnold Kortum (1745-1824), den wohl be- 1924 entschloss sich das seit 1918 als Ben- und dem Verkauf von Lebensmitteln rühmtesten Bochumer Bürger, zunehmend zol-Verband (BV) firmierende Unternehmen und Artikeln des täglichen Bedarfs die Bezeichnung „Kortum-Park“ durch . zum Aufbau eines eigenen Tankstellennetzes . der Weg zur modernen Tankstelle . Grundlage des Geschäfts war der von dem Der Kortum-Park ist ein typisches Beispiel BV-Techniker Walter Ostwald entwickelte Nachdem im Jahr 2000 die Veba Oel städtischer Grabkultur des 19 . Jahrhunderts erste Super-Kraftstoff, ein Gemisch von 60 % AG zur Alleineigentümerin der Aral AG im Ruhrgebiet . Dazu markiert er den eng mit Benzin und 40 % Benzol, für das er das Ak- aufgestiegen war, wurde diese 2002 von der Aufklärung verbundenen Sinneswandel ronym „Aral“ aus den Anfangsbuchstaben der Deutschen BP AG übernommen im Bestattungswesen, der sowohl aus verän- der beiden Komponenten Aromaten (Ben- und damit in den BP-Konzern integriert . Die Hauptverwaltung derten ethisch-religiöse Anschauungen, aber zole) und Aliphaten (Benzine) bildete . Bis Zentrale der Deutschen BP AG zog darauf- BP/Aral . Foto: auch aus wissenschaftlicher Erkenntnis und 1930 errichtete der BV im Verlauf der ersten hin von Hamburg nach Bochum . Mit rund Dietmar Bleidick nicht zuletzt politischen Reformen resultier- Motorisierungswelle deutschlandweit etwa 2 .500 Tankstellen blieb Aral weiterhin die te . So besagte bereits 1794 das „Allgemeine 5 .000 Tank- und Zapfstellen und avancierte führende Tankstellenmarke in Deutschland . Landrecht“ in Preußen, daß keine Bestattun- bald zum Marktführer im Kraftstoffvertrieb . gen mehr innerhalb der engen Städte zugelas- Zwischen 2004 und 2006 entstand an der sen werden sollten . Ausschlaggebend für die Äußeres Zeichen dieses rasanten Wachstums Wittener Straße nach Plänen der Architekten Durchbrechung des kirchlichen Bestattungs- war das 1926 nach Plänen des Bochumer Jens Bothe, Kai Richter und Hadi Teherani ein monopols war schließlich die Verweltlichung Architekten Heinrich Schmiedeknecht er- repräsentativer Neubau, der vom BDA Bochum der Bestattungsordnung in den von Napole- richtete neue Verwaltungsgebäude . Die Ein- mit der „Auszeichnung guter Bauten“ prämiert Grabstätte von Carl on verwalteten deutschen Gebieten ab 1805 . führung schwarz-gelber Verkehrszeichen wurde . Während der Altbau von 1926 in die Arnold Kortum am 74 Kortum-Park veranlasste den BV im folgenden Jahr wegen Baumaßnahme einbezogen werden konnte, Parkeingang . Foto: Heute sind nicht nur die Parkanlage mit dem der Verwechselbarkeit mit der traditionellen wurde das straßenseitige Hauptgebäude von Dietmar Bleidick Hinter dem 1957 an dieser Stelle neu eröff- wunderschönen alten Baumbestand, son- Farbgebung zur Umstellung seiner Marke auf 1952 abgebrochen . Es machte Platz für einen neten Bochum Hauptbahnhof liegt an der dern gerade die reich geschmückten Grab- die Bochumer Stadtfarben Blau und Weiß . siebengeschossigen Gebäuderiegel mit dem Wittener Straße der „Alte Friedhof“ . Damals stätten aus dem 19 . Jahrhundert sehenswert . neuen Eingangsbereich, der den Altbau mit den noch vor den Toren der Stadt angesiedelt, Ein Spaziergang durch den Kortum-Park Die Jahre zwischen 1939 und 1951 standen vier parkseitigen Türmen verbindet . Durch die zeigt die kulturhistorische Entwicklung der unter dem Zeichen der Kraftstoffzwangsbewirt- Aufgliederung in mehrere Baukörper entstand Kontakt & Infos Sepulkralkunst vom Klassizismus bis zum schaftung . 1941/42 wurde der BV 1941/42 in eine offene, lichtdurchflutete Gebäudestruktur . Kontakt & Infos Jugendstil und erlaubt zugleich einen tiefen den neuen Benzin-Benzol-Verband integriert Einblick in die lokale Wirtschaftsgeschichte . und die Geschäftsführung aller Verbände Kortum-Park So finden sich auf dem gesamten Gelände in der AG der Kohlenwertstoffverbände mit Hauptverwaltung BP/Aral Wittener Str . 2a zahlreiche Grabstätten bedeutender Bochu- Sitz in Bochum gebündelt . Im Herbst 1946 Wittener Straße 45 44789 Bochum mer Persönlichkeiten aus Bergbau und In- folgte deren Umwandlung in die Kohlenwert- 44789 Bochum dustrie, darunter Jacob Mayer, Begründer des stoff AG, und 1952 entstanden im Rahmen www .aral .de Bochumer Vereins, dessen erster Generaldi- der Entflechtung der Ruhrindustrie die BV- www .bp .com rektor Louis Baare, Brauereigründer Johann Aral AG und die Ruhrstickstoff AG . Erst- Joachim Schlegel sowie die Maschinenbau- mals rückte damit der Markenname in den unternehmer Carl und Robert Eickhoff . Firmennamen . Das Unternehmen forcierte 106 107

Aspekte berücksichtigen sollte . Aber erst 77 Hauptbahnhof Bochum Ende der 1990er-Jahre kam es zu konkreten Planungen . Nachdem zunächst die Erweite- Die 1847 fertiggestellte Köln-Mindener rung des Gebäudes an der Kronenstraße im Eisenbahn hatte Bochum wie Mülheim Rahmen einer umfassenden Modernisierung und Essen bei der Linienführung u . a . aus vorgesehen worden war, beschloss die Stadt Kostengründen unberücksichtigt gelassen . 2002 einen Neubau an der Baarestraße auf Als Trostpflaster erhielt der nächste Bahn- dem Gelände der heutigen Feuerwache . hof nördlich des Dorfes Herne den Namen „Herne-Bochum“ . In den folgenden Jahren Schon im folgenden Jahr wurde die Entschei- versuchten die Bochumer vergeblich, die Der Hauptbahn- dung revidiert, da die Stadt aus Gründen Eisenbahngesellschaft dazu zu bewegen, das verblendete Raster des Betonskelettes sowie hof Bochum . Foto: der Wirtschaftsförderung ein Gebäude der aufstrebende Industriezentrum durch den die 58 Fensterachsen der drei Obergeschos- Dietmar Bleidick BP/Aral-Hauptverwaltung an der Wittener Bau einer Zweigbahn zur nicht weit ent- se . Das bestimmende Element der Fassade Straße in unmittelbarer Nähe zum Bo- fernten Strecke Elberfeld-Witten-Dortmund ist jedoch die weit in den Bahnhofsvorplatz chumer Hauptbahnhof anmietete . Dessen mit dem Eisenbahnnetz zu verknüpfen . hineinragende, verglaste Empfangshalle, die Das Stadtarchiv Grundriss eignet sich für Archiv-Magazine von einer markanten, schmetterlingsförmig – Zentrum für 76 Stadtarchiv Bochum und Ausstellungszwecke, garantierten doch So dauerte es noch über zehn Jahre, bis in gekrümmten Stahlbetonplatte mit einer vor- Stadtgeschichte Bo- großräumige, frei unterteilbare Geschoss- Bochum erstmals eine Eisenbahn hielt . Die deren Breite von 46,5 Metern überdacht wird . chum, 2020 . Foto: Das Stadtarchiv Bochum entstand als flächen ein hohes Maß an Variabilität . im Oktober 1860 eröffnete und rund 15 km Dietmar Bleidick eigene Einrichtung in den 1920er-Jah- lange Strecke Witten-Bochum wurde be- Noch heute zählt der Hauptbahnhof zu ren mit der Bestellung des Schulrektors Anfang der 1970er-Jahre geplant, fielen reits 1862 über Höntrop, Steele, Essen und den markantesten Gebäuden Bochums Bernhardt Kleff zum Archivar . Kleff war Bau und Eröffnung der Erweiterung der Mülheim nach Oberhausen und Duisburg und gilt als einer der bedeutendsten Bahn- zudem Leiter des zwischen 1919 und 1944 Aral-Hauptverwaltung an der Akade- verlängert . Gleichzeitig konnte auch die hofs-Neubauten in den 1950er-Jahren . auf Haus Rechen im Ehrenfeld bestehen- miestraße 1974/75 bereits in die Zeit der Strecke nach Dortmund in Betrieb genom- Im Rahmen einer in den 2010er-Jah- den städtischen Heimatsmuseums sowie ersten Ölkrise . Das von den Architekten men werden, so dass endlich große Teile des ren durchgeführten grundlegenden Sa- 1921 Gründer und erster Vorsitzender der Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg Ruhrgebiets ohne Umweg erreichbar waren . nierung wurde der ursprüngliche Zu- Vereinigung für Heimatkunde, der heu- entworfene Gebäude verfügt über eine stand weitgehend wiederhergestellt . tigen Kortum-Gesellschaft . Damit waren bronzefarbene Aluminium-Glasfassade Noch fehlte aber ein den Anforderungen private wie kommunale stadthistorische mit reflektierenden Fensterflächen über entsprechender Bahnhof . Erst Mitte der Am alten Standort blieb es nach Beseitigung Aktivitäten in einer Hand vereinigt . einem teilweise eingerückten Erdgeschoss . 1870er-Jahre konnten die Holzgebäude der von Kriegsschäden zunächst bei einem Provi- Gründungsphase durch einen repräsentati- sorium . Der Wiederaufbau beschränkte sich Nach verschiedenen Standortwechseln fand Ende 2006 war der Umbau im Wesentlichen ven Neubau an der heutigen Victoriastraße auf ein kleines Dienstgebäude, das rechtzeitig das Stadtarchiv Mitte der 1980er-Jahre ein abgeschlossen, und Anfang 2007 erfolgte der ersetzt werden . Mit der Verstaatlichung der zum 1949 in Bochum stattfindenden Deut- festes Domizil in der Innenstadt an der Umzug des mittlerweile zum „Stadtarchiv Eisenbahnen in Preußen Ende der 1870er schen Katholikentag fertig gestellt wurde und Kronenstraße, wo ein ehemaliges Lager- Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte“ Jahre wurde der Bergisch-Märkische Bahnhof seither im Volksmund den Namen „Katho- haus bezogen werden konnte . Da sich der erweiterten Instituts . Das neue Konzept in „Bochum Süd“ umbenannt, während der likentagsbahnhof“ trägt . Später diente die Zuschnitt der dortigen Räumlichkeiten für bündelt unterschiedliche Angebote zur Er- seit 1874 existierende Rheinische Bahnhof Anlage als Bundesbahnschule . 1994 endete Ausstellungen nicht besonders gut eignete, forschung und Vermittlung von Stadt- und (heute Ostring) den Zusatz „Nord“ erhielt . die Nutzung durch die Bahn und das Ge- begannen bereits in dieser Zeit Überlegun- Regionalgeschichte unter einem Dach und bäude verfiel zunächst . Seit 2010 fungiert es gen zur Entwicklung eines stadthistorischen umfasst seither die Aufgabenbereiche Stadt- Nach den starken Zerstörungen des Zwei- unter dem seiner Form entlehnten Namen Zentrums, das verstärkt auch museale archiv, Historisches Museum/Ausstellungen, ten Weltkriegs wurde der Bochumer „Rotunde“ als Kunst- und Kulturzentrum . Erinnerungskultur und Veranstaltungen . Hauptbahnhof nicht wieder aufgebaut, Kontakt & Infos Neben den typischen Aufgaben eines Archivs sondern zur Verbesserung seiner ver- Kontakt & Infos im Bereich der Sicherung und Nutzbar- kehrstechnischen Lage im Stadtgebiet machung historischer bedeutsamer Über- zwischen 1955 und 1957 durch den um Stadtarchiv – Zentrum für lieferungen liegen Schwerpunkte bei der ca . 650 Meter nach Osten verlegten Neu- Hauptbahnhof Bochum Stadtgeschichte Bochum Erforschung der Geschichte des National- bau des Architekten Heinz Ruhl ersetzt . Kurt-Schumacher-Platz 13-15 Wittener Str . 47 sozialismus und der musealen Aufarbeitung 44787 Bochum 44789 Bochum der stadthistorischen Sammlungen . Für Der viergeschossige Haupttrakt des Emp- www .bochum .de/Stadtarchiv Tagungen, museumspädagogische Projekte, fangsgebäudes besitzt eine Länge von knapp Lesungen und Filmvorführungen, etwa im 150 Metern und eine Tiefe von 15 Metern . Rahmen der etablierten Reihe „Archivkino“, Die stadtseitige Fassade erfährt eine rhyth- stehen entsprechende Räume zur Verfügung . mische Gliederung durch das in Kalkstein 108 109

möglich waren . Zu dieser Zeit existierten bei einer Bevölkerung von 65 .000 in Bochum bereits 12 .000 Sparbücher, sodass fast jeder Haushalt Kunde der kommunalen Bank war .

Nachdem die Bochumer Sparkasse zu- nächst im alten Renteihaus an der Propstei- kirche und dann in den Privathäusern der Rendanten (Kassenleiter) untergebracht worden war, zog sie 1886 in das Bochumer Rathaus, während die Amtssparkasse 1904 ein eigenes, heute nicht mehr erhaltenes Gebäude an der Marienkirche errichtete .

1925 gründeten die beiden Bochumer Spar- kassen die Kommunalbank AG und be- auftragten gemeinsam mit dem Deutschen Sparkasse Bo- Zementsyndikat ein neues Verwaltungs- chum . Foto: 78 Sparkasse Bochum gebäude in der Bochumer Innenstadt, das Dietmar Bleidick 1929 bezogen werden konnte . Die Pläne Gebäude der West- Sparkassen entstanden in Deutschland seit stammten von dem bekannten Architekten falenbank . Foto: Ende des 18 . Jahrhunderts . Sie sollten den Wilhelm Kreis (1873-1955), der im Ruhr- Dietmar Bleidick ärmeren Bevölkerungsschichten, die an- gebiet bereits zahlreiche Großprojekte sonsten keinen Zugang zu Banken hatten, die umgesetzt hatte . Kreis errichtet auf dem Gelegenheit eröffnen, ihr Erspartes anzulegen spitzwinkligen Grundstück einen Gebäu- 79 Westfalenbank Westfalen-Süd . Nach erheblichen Kriegs- und durch Zinszahlungen zu vermehren . dekomplex, der zu dieser Zeit wie kaum zerstörungen wurde das Gebäude mit nur ein anderer den Übergang Bochums zur Die Bergbau AG Lothringen in Gerthe grün- leichten Veränderungen wieder aufgebaut . Die „Sparkasse für die Bürgermeistereien Moderne markierte . Die strenge, sachliche dete 1921 zusammen mit der Essener Stein- Ende der 1950er-Jahre folgten Erweiterungen Bochum, Wattenscheid, Witten und Herne in Form und die ornamentfreie flächige Mu- kohlenbergwerke AG die Westfalenbank AG auf beiden Seiten an der Huestraße und der Bochum“ wurde 1837 am Vorabend des In- schelkalksteinfassade standen in starkem mit Sitz in Bochum . Ziel war die Unabhän- Kortumstraße durch Neubauten sowie die dustrialisierungszeitalters als eine der ersten Kontrast zur Nachbarschaft, die neben den gigkeit von den Berliner Großbanken und die Aufstockung des Altbaus um eine Etage . im Ruhrgebiet und noch vor Verabschiedung barocken Geschäftsbauten des Kaiserreichs Erschließung neuer Finanzierungsmöglich- des preußischen Sparkassengesetzes gegrün- auch noch ältere Fachwerkhäuser aufwies . keiten . Das einmalige Konzept hatte Erfolg Das Verwaltungsgebäude wurde 2008 det . In den folgenden Jahrzehnten erlangten und bald unterhielt die Westfalenbank Ge- an das Bochumer Immobilienunterneh- die Sparkassen der zum Landkreis Bochum Seit der Verschmelzung von Kommunal- schäftsbeziehungen nicht nur zu zahlreichen men Häusser-Bau veräußert, der es einige gehörenden Gemeinden mit dem Anwachsen bank und Sparkasse 1940 dient das Ge- Großunternehmen der Montanwirtschaft des Jahre später zu einem Medien- und Ge- der Bevölkerung Eigenständigkeit . Gleichzei- bäude als Hauptsitz der Sparkasse Bochum . Ruhrgebiets, sondern auch der deutschen schäftszentrum unter dem Namen „Kor- tig entstanden weitere Einrichtungen wie die Anders als die gesamte Bochumer Innen- Industrie . Nach einem Höhepunkt in den tumkarree“ umbaute . Dieses ist heute Amtssparkasse für den Landkreis Bochum, stadt überstand es den Zweiten Weltkrieg 1950er Jahren begann der Stern der Bank im u . a . Sitz der Bochumer WAZ-Redaktion sodass Anfang des 20 . Jahrhunderts auch in trotz diverser Beschädigungen als halbwegs Verlauf der Kohlenkrise rasch zu sinken . und des Lokalsenders „radio bochum“ . einigen späteren Stadtteilen Bankgeschäfte intakter Baukörper . So konnte schon 1948 der weitgehend unveränderte Wiederaufbau In den 1970er-Jahren wurde der Chemie- Kontakt & Infos unter Leitung des Bochumer Architekten konzern BASF kurzzeitig Mehrheitsaktionär, Kontakt & Infos Bernhard Wielers abgeschlossen werden . verkaufte die Westfalenbank dann aber bald Wielers hatte bereits in den 1920er Jahren an die Bayerische Hypotheken- und Wech- Sparkasse Bochum die örtliche Bauleitung übernommen . selbank AG, die spätere Hypo-Vereinsbank . Westfalenbank Dr .-Ruer-Platz Diese stellte den Geschäftsbetrieb 2010 ein . Huestraße 25 44787 Bochum Nach diversen Ergänzungen und Um- 44787 Bochum bauten in den folgenden Jahrzehnten Zwischen 1923 und 1925 errichtete die wurde das denkmalgeschützte Gebäude Westfalenbank an der Huestraße ihr Ver- der Sparkasse Bochum zwischen 1997 waltungsgebäude, in das auch die Zechen- und 1999 durch den Anbau der Sparkas- leitung einzog . Während des Zweiten Welt- sen-Galeria abschließend erweitert . kriegs beherbergte das Haus die Gau-Leitung 110 111

hundertwende rasch . Als zweiter Standort neben Bochum etablierte sich nun Essen . 1914 wurde der erste Kooperationsver- trag mit Benz & Cie . abgeschlossen . Im Angebot waren aber auch Fahrzeuge an- derer Hersteller wie BMW und Adler .

In den 1950er-Jahren stellte die Automobil- Die Glocke des Bo- industrie ihre Produktion auf die „Ponton- chumer Vereins vor bauweise“ um, bei der Rahmen, Boden und dem Rathaus . Foto: Karosserie fest miteinander verbunden wur- Dietmar Bleidick den . Dies erschwerte den Bau eigener Mo- delle und machte ihn schließlich unrentabel . Lueg gab daher 1954 die Herstellung eigener 81 Glocke des Bochumer cken die Frankfurter Paulskirche und Kleinserien au und konzentrierte sich fort- Vereins vor dem Rathaus die Weltfriedenskirche in Hiroshima . an auf Handel, Reparaturen und Wartung . Bereits 1950 hatte sich das Unternehmen Die Erfindung des Stahlformgusses durch Auf dem Bochumer Rathausvorplatz er- nach einem Exklusivvertrag mit Mercedes- Jacob Mayer um 1850 bedeutete für die innert die auf der Pariser Weltausstellung Benz vom Vertrieb anderer Marken getrennt . Stahlindustrie eine wichtige technische 1867 ausgestellte Glocke – eine der ältesten Neuerung . Sie ermöglichte die Herstel- erhaltenen und mit einem Gewicht von 15 Ende der 1890er-Jahre gab Lueg seinen be- lung komplexer Formen und Strukturen, Tonnen zugleich größten jemals produzierten Das Lueg-Haus engten ersten Firmenstandort an der Fried- die mit den bis dahin üblichen Verfah- – an die große Tradition des Bochumer Ver- mit dem Union- 80 Lueg-Haus richstraße (heute Kortumstraße zwischen ren Schmieden, Drehen oder Fräsen un- eins . Lange stand sie an der Essener Straße Filmtheater . Foto: Engelbertbrunnen und Südring) auf und zog erreichbar geblieben waren . Dazu gehörte vor dem Walzwerk Höntrop, bis sie in den Dietmar Bleidick Die Fahrzeug-Werke Lueg AG sind heute auf ein Gelände zwischen Kreuzstraße und auch der Guss von stählernen Glocken . 1970er-Jahren der Straßenerweiterung wei- nicht nur Deutschlands größter Merce- Bahnhofstraße (Kortumstraße) . Hier entstan- chen musste . Die Firma Krupp schenkte die des-Benz-Händler, sondern auch eines der den direkt neben dem heutigen Union-Kino Nachdem die Gussstahlfabrik Mayer & Küh- Glocke daraufhin der Stadt Bochum, die sie ältesten Bochumer Unternehmen . Gegrün- nicht nur ein Geschäftshaus, sondern auch ne, die Vorläuferin des Bochumer Vereins, im August 1979 vor dem Rathaus aufstellte . det 1868 durch den Wagenbauer Friedrich neue Produktionsanlagen . Nach dem Ers- 1852 zum ersten Mal seine neuen Glocken Lueg, baute und reparierte das Unternehmen ten Weltkrieg wurden das Werk im Bereich auf der Düsseldorfer Gewerbeausstellung Auch der über 40 Meter hohe Turm im zunächst Kutschen und Wagen aller Art . der Hermannshöhe erheblich erweitert . präsentiert hatte, wurde dieser Produk- Innenhof des von 1927 bis 1931 errichte- 1904 entstand das erste eigene Automobil tionszweig schnell zum Aushängeschild ten Bochumer Rathauses besaß von Beginn auf Basis eines Mercedes Simplex . Indivi- Zwischen 1923 und 1925 ließ das Unter- des Unternehmens . Auch wenn Glocken an ein Glockenspiel des Bochumer Ver- duelle Aufbauten auf eingekauften Chassis nehmen dann vom Dortmunder Architekten nur einen verschwindend geringen Anteil eins . Nach Kriegszerstörungen 1951 neu und Motoren bildeten fortan die Grundlage Emil Pohle das Lueg-Haus als Verwaltungs- am Umsatz ausmachten, symbolisierten sie installiert, besteht es heute aus 28 Guss- des Geschäftes . Damit war Lueg ein eigen- und Ausstellungsgebäude errichten . Mit doch wie kein anderes Produkt den Mythos stahlglocken mit Einzelgewichten zwischen ständiger Fahrzeugproduzent, was sich einer Höhe von 32 Metern war es das erste des Unternehmens als Innovationsträger 4 und 375 Kilogramm und einem Gesamt- bis heute im Firmennamen ausdrückt . Hochhaus Bochums . Auch die Fahrzeug- der Stahlindustrie . Ein in den 1950er-Jah- gewicht von 2 .300 Kilogramm . Das ur- ausstellung suchte ihresgleichen . Sie war ren auf Messen präsentiertes transportables sprünglich erste aus Gussstahl hergestellte Mit der frühen Konzentration auf das die größte im gesamten Deutschen Reich . Glockenspiel fand noch 1964 vor dem neuen Glockenspiel der Welt spielt täglich zwi- Automobil expandierte Lueg nach der Jahr- Verwaltungshochhaus an der Essener Straße schen 8 Uhr und 20 Uhr alle vier Stunden . Nach umfangreichen Kriegszerstörun- einen festen Standort . Es erinnerte an den Kontakt & Infos gen wurde das Lueg-Haus bis Ende der alten Glockenturm auf dem Werksgelän- Kontakt & Infos 1940er-Jahre wieder aufgebaut und vom de, der den Schichtwechsel einläutete, und Deutschen Gewerkschaftsbund übernom- wurde kürzlich wieder dorthin versetzt . Lueg-Haus men . Lueg zog an den heutigen Firmen- Glocke des Bochumer Vereins Kortumstraße 16 sitz an der Universitätsstraße . Der DGB Bis zur Einstellung der Produktion 1970 vor dem Rathaus 44787 Bochum gestaltete die Fahrzeugausstellung zur verließen das Bochumer Werk rund 38 .000 Willy-Brandt-Platz „Union-Bühne“ um . Ursprünglich als Ver- Glocken aus Gussstahl, darunter etwa 44787 Bochum anstaltungs- und Theatersaal vorgesehen, 18 .000 Kirchenglocken und 20 .000 Signal- sorgte der Filmboom der 1950er-Jahre bald glocken . Als kostengünstige Alternative für eine Umgestaltung zum Kino . Dieses zu den teuren Bronzeglocken fanden sie existiert als „Union Filmtheater“ bis heute . eine weltweite Verbreitung . Sie schmü- 112 113

82 Christuskirche che für die bekennende Kirche und gegen Bochum-Zentrum die Anfeindungen der Deutschen Christen, die das evangelische Bochum zu dieser Zeit Im Bereich der evangelischen Kirche be- beherrschten . Schon im Juni 1933 hatte standen seit dem 17 . Jahrhundert in Bochum Ehrenberg das „Bochumer Bekenntnis“ for- zwei Zweige, die Lutheraner mit der Pau- muliert, das sich als erstes Bekenntnis einer luskirche (neben dem Kortumhaus) und die evangelischen Kirche im Dritten Reich von Reformierten mit der im Zweiten Weltkrieg der völkischen Ideologie absetzte und ein zerstörten und nicht wieder aufgebauten Vorläufer der Barmer Erklärung war . Heute Johanniskirche („Pfefferdose“) am Wei- wird in der Kirche der Hans-Ehrenberg-Preis lenbrink . 1874 schlossen sie sich zur „Ver- an Personen verliehen, die protestantische einigten evangelischen Kirchengemeinde Positionen in aktuellen politischen, kirch- zu Bochum“, der „Altstadtgemeinde“, zu- lichen und wissenschaftlichen Kontroversen sammen und errichteten als drittes Gottes- vertreten . Im Mai 1943 wurde die Kirche bis haus die 1879 eingeweihte Christuskirche . auf den weitgehend unbeschadeten Turm Der von den Architekten August Hartel bei einem Bombenangriff völlig zerstört . und Theodor Quester gestaltete neugotische Bau verfügte über 1 .250 Plätze, Backstein- Exakt 80 Jahre nach der Grundsteinlegung mauerwerk mit Sandsteinverblendung und wurde am 15 . Mai 1957 der Grundstein einen Glockenturm, der die Schornsteine des zur neuen Christuskirche gelegt . Architekt benachbarten Bochumer Vereins überragte . Dieter Oesterlen setzte das modern gestaltete Kirchenschiff mit nun 1 .100 Plätzen deut- 1931 wurde die Eingangshalle des Turms lich vom alten Turm ab und verdeutlichte nach den Plänen des Bochumer Architekten damit den Bruch mit der und zugleich die Heinrich Schmiedeknecht zu einer Gedenk- Verbindung zur Vergangenheit . Als Aus- halle für die während des Krieges 1870/71 druck des Gegensatzes zum Alten ist die neue und des Ersten Weltkriegs gefallenen Ge- Christuskirche bilderlos, nur mit schlichtem meindemitglieder umgebaut . Die Namen Kreuz, Altartisch und Ambo ausgestattet, wurden an beiden Seitenwänden in Goldmo- und beschränkt sich mit einfachen Formen saik, der Ewigkeit symbolisierenden Kunst- und Materialien auf das Wesentliche . Der form, gelegt und mit jeweils einem kleinen Grundriss ist trapezförmig und verjüngt Kreuz zwischen den Namen verbunden . sich zum Altarraum hin . Die scheibenartig Oberhalb der Namensreihen zeigt ein Mosaik gegliederten Seitenwände sind mit Betonglas- eine Christusfigur, der sich Männer, „auf- fenstern versehen, und die Faltdecke erinnert erstehende Helden“, aus einer Wolkendecke an Dornenkronen bzw . an ein „Zelt Gottes“ . in der Erwartung der Erlösung entgegen- Die Christuskirche zählt in künstlerischer strecken . Neben der Namensliste werden die Hinsicht zu den bedeutenden Sakralbauten „Feindstaaten“ des Weltkrieges genannt . und neben der Berliner Kaiser-Wilhelm- Gedächtnis-Kirche und der englischen Während des Nationalsozialismus predigte Kathedrale von Coventry zu den eindrucks- Pfarrer Hans Ehrenberg in der Christuskir- vollsten Antikriegs-Mahnmalen in Europa . Kontakt & Infos Diese Aussage verstärkt der „Platz des euro- päischen Versprechens“, ein Kunstprojekt von Jochen Gerz, bei dem sich jeder nament- Christuskirche lich zum europäischen Frieden bekennen Platz des europäi- konnte . Der Platz nimmt seinen Ausgangs- schen Versprechens punkt an dem alten Heldengedenk-Mosaik 44787 Bochum im Turm und fließt mit 24 Steinplatten mit christuskirche-bochum de. jeweils 600 Namen hinaus in den öffentli- chen Raum vor der Kirche . Ursprünglich als Projekt für die Ruhr 2010 geplant, verzögert sich Fertigstellung der Anlage bis 2016 . Die Christuskirche am Platz des europäischen Versprechens. Foto: Dietmar Bleidick 114 115

Schlegel-Brauerei in den 1950er- Schlegel-Braue- Jahren . Quelle: rei heute . Foto: Presseamt Bochum Dietmar Bleidick

83 Schlegel-Brauerei stiegen sie in den folgenden Jahrzehnten zu zentrationswelle nur die Müser-Brauerei die Instandsetzung der Werksanlagen bis den größten Bochumer Braustätten auf . in Langendreer und die Brauerei Fiege . 1954 . Im Jahr des 100 . Firmenjubiläums 1850 richtete der bayerische Braumeister gehörte die Schlegel-Scharpenseel-Brauerei Johann Joachim Schlegel (1821-1890) in Bo- 1903 wurde als Firmenzeichen ein den Diese Entwicklung begleitete ein großzü- zu den zehn größten Brauereien Deutsch- chum die erste Brauerei der Stadt für unter- bayerischen Landesfarben folgendes Emb- giger Ausbau der Bochumer Brauanlagen, lands mit weltweiten Geschäftsbeziehungen . gäriges bayerisches Bier ein und eröffnete lem mit drei weißen Küferhämmerchen auf wo große Teile der Produktion zusammen- vier Jahre später im Wirtshaus Hasselkuss an blauem Grund eingeführt . Die Bevölkerung gefasst wurden . Das neue, weithin sichtbare Im Verlauf der zweiten großen Konzen- der Alleestraße die „Bayerische Bierbraue- interpretierte es jedoch als von den Bochu- Wahrzeichen bildete der 1926/27 durch den trationswelle im Brauereisektor wurde rei J . Schlegel“ . 1859 begann der Bau einer mer Stadtfarben und dem bergmännischen Bochumer Architekten Heinrich Schmie- die Schlegel-Brauerei 1971 mit der Dort- modernen Brauerei im Bereich des heutigen Zeichen Schlägel und Eisen inspiriert . Aus deknecht errichtete 58 m hohe Silo-Turm, munder Union-Brauerei verschmolzen . Schlegelturms auf der gegenüberliegenden dieser Zeit stammt auch der langjährig ver- dem bis 1930 das neue fünfgeschossige Als neues Logo diente von nun an ein Straßenseite . Etwa gleichzeitig mit Schlegel wendete Werbeslogan: „Bochums Dreiklang, Hauptverwaltungsgebäude an der Straßen- stilisiertes Familienwappen der Familie hatte auch Moritz Scharpenseel eine „Baye- merk ihn Dir: Kohle, Eisen, Schlegel-Bier“ . seite vorgelagert wurde . Gleichzeitig ent- Schlegel, da viele das alte infolge der fort- rische Bierbrauerei“ gegründet . Zusammen standen das Bochumer Rathaus sowie auf schreitenden Bergbaukrise mit negativen Ende des Ersten Weltkriegs fusionierten die dem Nachbargrundstück das Gebäude der Assoziationen verbanden . 1980 folgte die Kontakt & Infos Schlegel-Brauerei und die Scharpenseel- Hauptpost, sodass das Zentrum Bochums Einstellung der Erzeugung im Bochu- Brauerei zur Schlegel-Scharpenseel-Brauerei für mehrere Jahre zur Großbaustelle wurde . mer Stammhaus . Als einzige Bochumer AG . Das neue Unternehmen wuchs in den Brauerei überlebte Moritz Fiege . Zwischen Schlegel-Brauerei folgenden Jahren durch die Übernahme In den ersten Nachkriegsjahren beschränkte 1983 und 1985 wurde ein Großteil der Willy-Brandt-Platz 5-7 mehrerer Brauereien . Bis Ende des Jahr- sich der Betrieb wegen des alliierten Brau- Schlegel-Gebäude abgerissen und das 44787 Bochum zehnts entstand ein Brauereikonzern mit verbots auf Erfrischungsgetränke . Erst Gelände mit Wohn- und Bürogebäuden einem Jahresausstoß von 325 .000 Hekto- 1949 waren wieder Schlegelbiere erhältlich . bebaut . Erhalten blieben der Schlegel- litern . Im Angebot waren nun zahlreiche Während das Verwaltungsgebäude für den turm und das Verwaltungsgebäude mit Biersorten für jeden Geschmack sowie in diesem Jahr in Bochum stattfindenden der Gaststätte . Seit 2003 wird durch neue Erfrischungsgetränke . Als nächstgrößte Katholischen Kirchentag als dreigeschossi- Markeninhaber wieder Schlegel-Bier der Bochumer Brauereien überlebten die Kon- ges Hotel wiederaufgebaut wurde, dauerte klassischen Sorte „Urtyp“ vertrieben . 116 117

untersagten die Verwendung der polnischen 85 Bochumer Eisenhütte Sprache . Nationalpolnische Bestrebungen Heintzmann zur Wiedererrichtung des 1795 unter Preu- ßen und Russland aufgeteilten Staates Polen Die Entwicklung des Ruhrbergbaus im 18 . wurden von den deutschen Polizeibehörden und 19 . Jahrhundert ist untrennbar mit dem als staatsfeindliche Aktivität eingestuft . Namen Heintzmann verbunden . Mehrere Familienmitglieder waren in leitender Funktion Angesichts dieser Situation entstanden im sowohl in der staatlichen Bergbauverwaltung Ruhrgebiet seit den 1890er-Jahren zahlreiche als auch über ihren bedeutenden Bergwerks- polnische Vereinigungen und Organisatio- besitz beim Bergbauverein als wichtigstem Am Kortländer nen . Neben lokalen Sport-, Gesangs- und Verband des Privatbergbaus tätig . Nach Berg- Verwaltungsgebäu- um 1900 . Quelle: 84 Am Kortländer Gebetsvereinen wurden mehrere Institu- rat Julius Philipp Heintzmann wurde die Nach der Totalzerstörung der Bochumer de der Bochumer Presseamt Bochum tionen mit überregionaler Bedeutung ge- Wiemelhauser Zeche Julius Philipp benannt . Anlagen im November 1944 wurde die Pro- Eisenhütte . Foto: „Leben wir mit den Deutschen in Eintracht, gründet . Ihr Sitz war in Bochum, das damit duktion bei der Hoesch AG in Dortmund Dietmar Bleidick aber verweilen wir unter uns!“, lautete 1899 zum ruhrpolnischen Zentrum wurde . 1851 folgte zu Beginn der ersten Industrialisie- und im Saarland weitergeführt, bis 1954 an die Mahnung des „Wiarus Polski“ . Die be- rungsphase der Schritt in die Zulieferindustrie . der Klosterstraße das neue Bochumer Werk deutendste polnischsprachige Zeitung in Im Umfeld des ehemaligen Bochu- Mit der Firma „Korte & Co“ gründeten Egmont in Betrieb ging . Neben dem Streckenausbau Deutschland traf damit die Haltung vieler mer Redemptoristenklosters siedelten Heintzmann, der Bochumer Bankier Karl Korte lieferte die Bochumer Eisenhütte Heintzmann polnischstämmiger Menschen, die seit den sich an der heutigen Straße Am Kort- sowie Gerichtsrat Moritz Bölling ein Unter- seit Anfang der 1960er-Jahre auch modernen 1870er-Jahren in zunehmender Anzahl aus länder folgende Institutionen an: nehmen, das für den aufstrebenden Bergbau Schildausbau . Weitere Meilensteine der Unter- den östlichen Provinzen des Deutschen hochwertige Gusswaren und Gegenstände aus nehmensgeschichte markieren der Aufbau der Reiches als Arbeitsmigranten ins Ruhr- Nr. 2: Schmiedeeisen herstellte . An der Stühmeyer- ersten ausländischen Tochterfirma in Südafrika gebiet gekommen waren . Sie besaßen zwar Arbeiterbank – Bank Robotników eGmbH straße, wo 1899 das bis heute erhaltene alte Ver- und die Übernahme des Bochumer Werkes der die deutsche Staatsbürgerschaft, fühlten Nr. 4: waltungsgebäude errichtet wurde, entwickelte Deutschen Edelstahlwerke an der Bessemer sich jedoch als Polen, pflegten ihre Spra- Polnische Gewerkschaftsvereinigung – sich in den dahinter liegenden Produktionsan- Straße, mit denen 1974 die Produktionskapa- che und Kultur . 1910 lebten rund 500 .000 Zjednoczenie Zawodowe Polskie (ZZP) lagen rasch ein florierender Betrieb . Nachdem zität bedeutend ausgeweitet werden konnte . Polen im Ruhrgebiet . In Städten wie Reck- Nr. 6: die Gesellschafter Korte und Bölling während linghausen und Herne erreichten sie einen Filiale der Handelsbank – der Gründerkrise der 1870er-Jahre ausgestiegen In den vergangenen drei Jahrzehnten wan- Anteil von über 20 % der Bevölkerung . Kasa deposytowa Bank Handlowy eGmbH waren, übernahm der bereits länger im Unter- delte sich Bochumer Eisenhütte Heintzmann Ausführendes Komitee – nehmen tätige Ingenieur Albert Dreyer Anteile unter Verstärkung der Auslandsaktivitäten zu Die mangelnde Integrationsbereitschaft Komitet Wykonawczy des Unternehmens, das nun als „Bochumer einer diversifizierten mittelständischen Unter- war vor allem die Folge der verbreiteten Bund der Polen in Deutschland – Eisenhütte Heintzmann & Dreyer“ firmierte . nehmensgruppe mit neuen Geschäftsfeldern . Fremdenfeindlichkeit von Bevölkerung, Związek Polaków w Niemczech Bis zur Jahrhundertwende wurde die Produkt- Neben dem traditionellen Zuliefergeschäft im Behörden und Arbeitgebern . Obwohl die Nationale Arbeiterpartei – palette systematisch auf den Maschinenbau Bergbau gehören dazu die Bereiche Tunnelbau, Polen auf den Ruhrzechen einen unverzicht- Narodowa Partia Robotnicza erweitert . Auf dem Programm standen nun Sicherheitstechnik, Automatisierungstechnik baren Teil der Belegschaften ausmachten, Zentrale der Volksbüchereien – Pumpen, Wasserhaltungs- und Kokereimaschi- und Stahlbau, in denen vielfach Sonderlö- der auf den so genannten „Polenzechen“ Centrala bibliotek ludowych nen, die auch ins Ausland exportiert wurden . sungen angeboten werden . Fertigungsstand- auf über 50 % ansteigen konnte, wurden sie Sekretariat der Schulvereine – orte und Vertriebsgesellschaften im Euro- abschätzig behandelt und politisch unter- Sekretariat Towarzystw Szkolnych Anfang der 1930er-Jahre wurde der nachgiebi- päischen Ausland, den USA, Australien und drückt . Sie mussten minderwertige Arbei- Nr. 8 und 10: ge Toussaint-Heintzmann-Ausbau entwickelt, Afrika vertreiben die Produkte weltweit . ten verrichten und galten als Lohndrücker . Redaktion und Druckerei des Wiarus Polski der die Offenhaltung von Bergbau-Strecken Verschiedene Gesetze und Verordnungen sowie das Soziale Büro der Reichstagsfraktion unter Tage revolutionierte . Der mittlerweile für Kontakt & Infos Nr. 12: Heintzmann tätige ehemalige Werftdirektor Kontakt & Infos Abteilung Bergbau der polnischen Heinrich Toussaint hatte dazu Erfahrungen Gewerkschaft ZZP aus dem Bau von U-Booten adaptiert und die Am Kortländer Nr. 14: dort verwendeten U-förmige Profile für den Bochumer Eisenhütte Heintzmann Am Kortländer Wohnhaus Einsatz im Steinkohlenbergbau überarbeitet . Stühmeyerstraße 33 44787 Bochum Diese Innovation markiert bis heute eines der 44787 Bochum Heute erinnert an die lange polnische Tradi- bedeutendsten Ereignisse in der Geschichte des tion der im Volksmund „Polenquerschlag“ Unternehmens, da sich der TH-Streckenaus- oder „Klein Warschau“ genannten Straße nur bau aufgrund seiner überlegenen Konstruktion noch die verblasste Inschrift der Bank Robot- rasch etablierte und als Produktionsschwer- ników auf der Seitenwand des Hauses Nr . 2 . punkt für entsprechende Umsätze sorgte . 118

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Herausgeber: Dietmar Bleidick: Regionalverband Ruhr Die Regionaldirektorin Freiberuflicher Historiker und Archi- Kronprinzenstraße 35 var, Autor zahlreicher Publikationen im 45128 Essen Bereich der Wirtschafts-, Technik- und www .rvr .ruhr Unternehmensgeschichte sowie der Re- gionalgeschichte des Ruhrgebiets . Projektleitung: Referat Industriekultur www .route-industriekultur .ruhr

Redaktion und Gestaltung: Schacht 11, Essen www .schacht11 .ruhr

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