Deutschland Die deutscheKARRIEREN Queen Das Volk diskutiert darüber, ob seine Kanzlerin eher Protestantin oder Physikerin oder Frau oder Ostdeutsche ist. Dabei lebt die einstige Quereinsteigerin seit Jahren wie in einem Schloss, aus dem sie auf ihr Land und die Welt schaut. Von Alexander Osang

n einem Freitagnachmittag, Situation von Jürgen Klinsmann, und so Ende April, hat Angela Mer- hat sie wohl erst von ihrem Mann erfahren, kel ein weiteres Stück Boden dass die Straße geflickt wurde. Professor unter den Füßen verloren. Sauer war schon am Nachmittag mit dem Rüdiger Schuck und seine alten roten Golf vorgefahren. In dem spürt AJungs haben es verschwinden lassen. man jeden Huckel. Schuck ist Polier einer Templiner Stra- Ein Mitarbeiter aus dem Kanzleramt ßenbaufirma. Er und seine drei Kollegen sagt, dass die größte Veränderung für An- bekamen den Auftrag, zwischen zwei Wo- gela Merkel seit 2005 das Gewicht ihres chenenden einen 120 Meter langen Streifen Wortes ist. Wenn sie sich über das Wetter uraltes uckermärkisches Pflaster mit einer äußert, vermuten manche Untergebenen Asphaltschicht zu überziehen. Er gehört eine Anspielung zum Klimawandel und zu der schmalen Straße, die zwischen Fel- bereiten schnell irgendeine Vorlage vor. dern, Seen und Wäldern zum Dorf Ho- Womöglich hat sie mal „huch“ gesagt, als henwalde führt, wo das Wochenendhaus sie über den kleinen Hügel holperte, und so der Bundeskanzlerin steht. Der Weg er- Rüdiger Schuck und seine Brigade in Be- klimmt hier einen kleinen Hügel, den letz- wegung gesetzt, ohne es zu wissen. Ein Au- ten vor dem Dorf, dort, wo der Besucher genaufschlag kann eine Lawine auslösen, aus der Stadt bereits anfängt, sich zu er- wenn man Bundeskanzlerin ist. Als sie am holen, wie man so sagt, und war an den Freitagabend schließlich in Hohenwalde Rändern ziemlich ausgefahren. einrollte, war die russische Fliegerbombe „Die schönen ollen Katzenköppe sind zwar noch nicht entschärft, aber ein Spre- natürlich weg jetze“, sagt Rüdiger Schuck, cher der Bundesregierung erklärte, dass sie zündet sich eine Zigarette an und schaut kein Problem für die Kanzlerin darstelle. auf das schwarzglänzende Asphaltband, „Die Bundeskanzlerin musste ihre Pla- das wie ein Flicken auf dem alten Feldweg nungen für den Abend nicht ändern“, sag- klebt. Er kann sich nicht vorstellen, dass te der Sprecher. Es klingt, als sei das klei- es der Bundeskanzlerin so gefällt, aber ne Neubauernhaus in Hohenwalde Teil der Auftrag ist Auftrag. Freitagmittag müssen Staatsaffären geworden, und womöglich ist sie fertig sein. Ab da öffnet sich das Zeit- das so. fenster für das Eintreffen der Kanzlerin, Wie der alte Golf und der Professor hat ihm einer der Polizisten ausgerichtet, Sauer bietet die Uckermark Angela Merkel die in dem weißen Würfel Wache halten, eine Möglichkeit, ihr jetziges Leben mit der gegenüber dem Kanzlerinnenwochen- ihrem früheren abzugleichen, durchzuat- endhaus steht. men, anzuhalten. Sie ist in den vergange- Das Zeitfenster für das Eintreffen der nen 20 Jahren wie eine Rakete durch die Kanzlerin in Hohenwalde klappte dann deutsche Gesellschaft geschossen. Alles ist später zu als gedacht, weil am Freitag- anders, nur das Haus in Hohenwalde hatte nachmittag in der Nähe ihres Mietshauses sie schon damals und den Blick über die in - eine russische Fliegerbom- abfallenden Wiesen zum See. Wie in ei- be gefunden wurde. Das ganze Viertel war nem Kloster sucht sie hier ihre Maßstäbe. abgesperrt, sie durfte nur kurz in ihre Es ist das letzte Stück Welt, das ihr ver- Wohnung, um ein paar Sachen zu holen. traut vorkommt, von dem sie sicher weiß, Es war schon dunkel, als sie in den Feldweg dass es so ist, wie sie es sieht. Es ist für sie bog, vielleicht hat sie gemerkt, dass der nicht mehr möglich, als Angela Merkel zu letzte Anstieg vor Hohenwalde nicht so wirken. Es wirkt immer die Bundeskanz- holprig war wie sonst, vielleicht nicht. Ein lerin. Und sie kann die Welt nicht mehr als

Regierungs-Audi ist gut gefedert, und eine Angela Merkel wahrnehmen. Ihr wird eine MÜHE ANDREAS Bundeskanzlerin hat am Ende einer Ar- beitswoche noch ziemlich viel im Kopf, Merkel beim Fototermin die Bombe, die Weltwirtschaftskrise, die „Dann machen Se mal“

38 der spiegel 20/2009 der spiegel 20/2009 39 Merkels Büro im Kanzleramt Ganz oben im Raumschiff

Bundeskanzlerinnenwelt präsentiert und erzählt. Wie sieht diese Welt aus? Und was hat sie aus Angela Merkel gemacht? Einige Dinge haben sich auch in Ho- henwalde verändert, seit sie Kanzlerin ist. Es gibt jetzt eine Polizeiwache im Dorf, mit großen Antennen und überdachtem Stellplatz für einen blau-weißen Polizei- Mercedes. Wenn Angela Merkel spazieren geht, steht am Waldrand ein Geländewa- gen, in dem ein Mann sitzt. Schaut sie hin, hebt der Mann eine Zeitung. Sie ist mal rü- bergegangen und hat ihn gefragt: Glauben Sie, ich denke, Sie lesen hier Zeitung? Aber beim nächsten Mal stand der Geländewa- gen wieder da. Sie hat durchgesetzt, dass der Wachschutz auf ihren Spaziergängen mindestens 200 Meter Abstand zu ihr hat und nicht mehr nur 50 Meter wie vorge- schrieben, weil sie keine Lust hatte, mit ihrem Mann zu flüstern. 200 Meter, intimer kann sie nicht sein. Eine Mitarbeiterin aus dem Kanzleramt sagt, das Privatleben verschwinde, wenn man Kanzler ist, und auch die Freizeit löse sich auf. Es gibt die Newscenter-SMS aus dem Kanzleramt, 40 bis 50 politische Nach- richten am Tag, die auf dem Handy der Kanzlerin eintreffen, und es gibt Ausflüg- ler, die in das Sackdorf kommen und raten, in welchem Haus sie wohnt. Ihr Haus ist eigentlich zu klein für eine Kanzlerin, aber was heißt das schon. Merkel ist fremder im Ort als die neu

zugezogenen Berliner und wird mit jedem MÜHE ANDREAS Tag fremder. Die Nachbarin, die früher den Dorfkonsum führte, sieht die Bundeskanz- späten Helmut Kohl. Man kann hier Gerhard Schröder hat fast jede Nacht hier lerin manchmal an ihrem Gartentor vorbei- schnell verlorengehen, denn Maßstäbe gibt drin geschlafen, ganz oben unterm Dach. joggen, sagt sie. Dann nickt sie schwach und es keine. Die Häuser wirken wie riesige Das erklärt auch einiges. Wenn man sich denkt: Früher haben wir hier alle mehr zu- Bauklötze, die von einem dicken, gelang- vorstellt, wie er im Dunkeln mit gestreif- sammengehalten. Ein Wirt aus dem Nach- weilten Kind in großen Abständen fallen tem Schlafanzug die Raumschifffahrstühle barort erzählt, dass er Angela Merkel im gelassen worden sind. Gegen das Bundes- hoch- und runtergefahren ist und auf die vorigen Sommer beim Baden traf. Er kam kanzleramt wirkt das Weiße Haus wie ein Welt dort draußen guckte, versteht man sei- gerade, als sie dem See entstieg. Er grüßte Wochenendbungalow. nen letzten großen Auftritt in der Fernseh- sie freundlich, aber sie wirkte geschockt, Flopp machen die Türen wie Schleusen- elefantenrunde besser. Der Fernsehturm, sagt der Wirt. Sie starrte ihn an, wahr- tore, man erwartet, dass man jeden Mo- der Hauptbahnhof, der Reichstag, die Spree scheinlich weil sie keine Kanzlerinnengeste ment desinfiziert wird, abgesprüht wie in wirken von hier aus, als wären sie um den für die Badeanzugsituation hatte, winkte einer großen Autowaschanlage, der Ton Bundeskanzler herumgebaut worden, so ihm schließlich leicht mit einer Hand zu wie der eigenen Schritte verändert sich. Man wie der kleine Park da hinten, in dem der einem Staatsgast. Einen Moment später fühlt sich riesig und einsam zugleich, so Kanzler mit seinen Gästen spazieren gehen stieg der Sicherheitsbeamte aus dem Was- wie Will Smith als letzter Überlebender in kann, mittendrin der Helikopterlandeplatz. ser. Angela Merkel verschwand in ihrem al- „I am Legend“. Hinter den Fenstern sieht Sein Reich. Wer hier zu viel Zeit verbringt, ten Golf und fuhr davon. Der Bodyguard ra- man vor anderen größenwahnsinnigen muss am Ende rausgetragen werden wie ein delte hinterher. Gebäuden Menschen herumlaufen, die an verrückt gewordener König. Das klingt doch eigentlich gar nicht so die Gestalten erinnern, die Stadtplaner auf Angela Merkel hat sofort das Kanzler- abgehoben. ihre Entwürfe malen, um Leben vorzutäu- bett abbauen lassen. Sie will zu Hause Na ja, sagt der Wirt, früher ist sie immer schen. Wenn man fast eine halbe Stunde in schlafen. Aber das Glas bleibt, es ist dick, nackig baden gegangen. dem Haus sitzt, kann man sich nicht mehr und es verschwindet nicht, wenn sie das Die Begegnung am See beschreibt wahr- vorstellen, dass es eine Verbindungsmög- Raumschiff verlässt. scheinlich den größtmöglichen Unterschied lichkeit zwischen hier drinnen und dort Manchmal lädt sie sich Leute ein und zu ihrem Alltag im Bundeskanzleramt, draußen gibt. Eine Mitarbeiterin sagt, dass lässt sich von ihnen erzählen, was im durch das sie rollt wie eine Königin mit man vom Zimmer der Kanzlerin eine hal- Land da draußen passiert. Künstler oder Rädern unten dran. Niemand steht ihr hier be Stunde braucht, um das nächste öffent- Wissenschaftler oder Sportler oder Wirt- überraschend im Weg. liche Café zu erreichen. Das ist auf dem schaftsbosse, sie kann ja kriegen, wen sie Die Uckermark wurde von der letzten Hauptbahnhof. Es ist ein Ghetto, sagt die will. Über ihrem Büro, ganz oben, gibt es Eiszeit geformt, das Regierungsviertel vom Mitarbeiterin, eine Käseglocke. ein Gästezimmer, da sitzt sie dann mit Jo-

40 der spiegel 20/2009 Deutschland

wie er von außen, als jemand, der nicht zur Frage ist, welches Bild Angela Merkel hat. Familie gehörte, den starren Fußballver- Wie stellt sie sich nach fast vier Jahren band aufbrach. Vielleicht sah sie da Paral- Kanzlerschaft ihr Land vor? Was sieht sie? lelen zu ihrem eigenen Leben. Sie hatte ge- Ein riesiges Ölbild, gemalt von Josef Acker- hofft, dass er die Bundesliga revolutionieren mann, Friede Springer, Uwe Tellkamp, würde, aber jetzt hat ihn die Familie abge- Franz Beckenbauer und Uschi Glas? stoßen. Den engsten Kontakt hat sie zu Oli- ver Bierhoff. Sie ist mit ihm nach Südafrika ie hat lange davon profitiert, dass gereist und schickt ihm gelegentlich eine sie eine Seiteneinsteigerin war. SMS. Wenn ein Fußballspiel ansteht oder es Sie hat sich nicht wie die anderen mal wieder Ärger gibt mit Michael Ballack. von klein auf durch die politi- Neulich wollte sie mal ein paar Leute aus schen Instanzen robben müssen, dem Filmgeschäft kennenlernen, sagt sie. sieS hatte Inseln, von denen die anderen Sie hat sich eine Liste zusammenstellen las- nichts wussten, Plätze, auf die sie sich sen, auf der auch ein paar persönliche Wün- zurückziehen konnte. Sie war Naturwis- sche berücksichtigt waren. Es kamen dann senschaftlerin, sie konnte Russisch, sie ist Heiner Lauterbach, Veronica Ferres, Volker Pfarrerstochter und war FDJlerin, sie hat Schlöndorff, Uschi Glas, Thomas Brussig sich erst als Erwachsene für eine Partei und noch ein paar andere. Es sollte eigent- entschieden wie für eine Eissorte. Sie hat lich darum gehen, was die Rolle der Kultur die CDU genommen, vielleicht weil sie zu in den Zeiten der Weltwirtschaftskrise sein der am weitesten laufen und am höchsten kann. Am Ende ging es dann aber vor allem springen musste. Die Partei der rheini- um die Steuererklärungen von Schauspie- schen Katholiken, eine Welt, in der Män- lern, sagt jemand, der dabei war. ner mit dickem Bauch, Aknenarben und Die meisten ihrer Gäste berichten, wie schweigender Ehefrau herumstolzierten, unprätentiös und aufmerksam Angela Mer- war die Fremde, das Gegenteil von dem, kel auftritt. Es gibt immer reichlich Rot- was sie war, eine geschiedene, protestan- wein, und mit der Zeit beginnen sich alle tische, ostdeutsche, kinderlose Naturwis- recht wohl zu fühlen wie auf einem ganz senschaftlerin. Das wollte sie doch mal normalen Abendessen. Es ist nur seltsam, sehen, ob sie die knacken konnte. Aus ähn- wenn sie aus dem Raum gerufen wird und lichen Gründen hat sie einst Physik stu- man redet gerade, sagt jemand. Es fühlt diert, es schien ihr die größtmögliche Her- sich an, als verlören die eigenen Worte da- ausforderung zu sein. mit jegliche Bedeutung. In diesen Mo- Eine Frau mit dieser bunten, verrück- menten begreifen alle, dass man zur Un- ten Biografie, die im Westen geboren wur- terhaltung und Information der Kanzlerin de, im Osten aufwuchs und nun das wie- eingeladen wurde. dervereinigte Land führt, sei doch ein wun- Gerhard Schröder wollte nicht allein sein, derbares Experiment für Deutschland, sagt sagt ein Schriftsteller, der mit mehreren Po- eine ihrer Mitarbeiterinnen. Verglichen mit sef Ackermann von der Deutschen Bank, litikern aß, er wollte Gesellschaft, Wein und dem bundesdeutschen Politikbetrieb war Dieter Zetsche von Daimler und Jürgen ein paar gute Geschichten. Lafontaine sah Angela Merkel wirklich lange Zeit ge- Hambrecht von BASF und redet über die eingeladene Künstler als Multiplikatoren, heimnisvoll, anders und authentisch. Sie Wirtschaft. Sie kann gut zuhören, sagt Zet- die seine Ideen unters Volk bringen sollten, hatte ein richtiges Leben vor der Politik. sche, bei ihrem Vorgänger Gerhard Schrö- Angela Merkel aber sei wirklich interessiert, Aber dieses Leben ist seit 20 Jahren vorbei. der redete in solchen Runden zu 80 Pro- was sie denken und fühlen. Natürlich weiß Womöglich ist es aufgebraucht, und ein zent der Kanzler. Bei ihr ist es umgekehrt. sie auch, dass es den Leuten schmeichelt, neues, authentisches Leben anzufangen ist Es ist natürlich nicht immer leicht, die wenn sie eingeladen werden. Sie ist nun schwer, in ihrer Position. Wahrheit zu erfahren, weil die Leute sich mal Kanzlerin, das ist das, was sie anzubie- Den politischen Aschermittwoch 2009 ihr mit großer Verehrung oder großer ten hat. Aber sie will keine Erinnerungsfo- feierte Angela Merkel in Demmin, um ein Furcht nähern und oft auch mit eigenen tos. Sie will nicht, dass die Gespräche „ver- bisschen vom rheinischen Temperament ih- Interessen. Ackermann, so heißt es, be- zweckt“ werden, wie sie das nennt. Sie will rer Partei ins wortkarge Mecklenburg-Vor- schwere sich des Öfteren darüber, dass es so privat halten wie möglich. pommern zu tragen, auch das eine Riesen- sie nicht mache, was er ihr rate. Bei Das funktioniert nicht immer. In der herausforderung. Aus dem Autofenster Hambrecht sei es eher so, dass er ihr zu aktuellen Ausgabe des Magazins „Cicero“ sieht sie schwarze Wolken, die direkt überm sehr nach dem Munde rede. plapperte der Regisseur Volker Schlöndorff vorpommerschen Ackerboden hängen. Sie hat hier oben mit Jürgen Klinsmann, seitenlang stolz über seine Begegnung mit Vor der Festhalle wischen die langen Franz Beckenbauer und Oliver Bierhoff ge- Angela Merkel im Kanzleramt. Dazu gibt Autoschlangen der Karnevalisten vorbei, standen und über die bevorstehende Welt- es Fotos von Volker Schlöndorff im Kanz- und ein paar verlorene Gestalten, die gegen meisterschaft geredet. Seitdem versteht sie leramtsheizungskeller und eine Großauf- eine Schweinemastanlage protestieren. „Lie- ein wenig vom Fußball, nicht viel, aber nahme von Angela Merkels Kaffeetasse. be Frau Merkel, warum so viel Ferkel!“ manchmal ist auch Fußball nicht so anders Das ist das Bild des Mannes, der mal einen Dann werden auch schon die Wagenschlä- als Politik. Sie bewunderte Klinsmann dafür, Oscar für Deutschland gewonnen hat, die ge aufgerissen, das festgefrorene Begrü- ßungslächeln der lokalen Christdemokraten leuchtet auf, die Jackettschöße knattern im Verglichen mit dem bundesdeutschen Politik- eiskalten Winterwind, ein Foto mit den Gastwirten, die das Hotel betreiben, zu betrieb war Angela Merkel wirklich lange dem die Festhalle gehört, gern, vielen Dank, sehr schön, zwischen den Anzugträ- Zeit geheimnisvoll, anders und authentisch. gern wartet ein älterer Mann mit gefärbten,

der spiegel 20/2009 41 Deutschland zerzausten Haaren und einer Old-Shatterhand-Wildlederjacke, der sie anlächelt, als würden sie sich seit Jahren kennen. Wer ist das? Das ist HA Schult. Ein Kölner Maler, der ein Porträt von ihr angefertigt hat. Sie lächelt ihn unsicher an und verschwindet schnell in einem kleinen Hin- terzimmer. HA Schult erzählt draußen, dass er bislang alle Kanzler gemalt hat und zu den wenigen bildenden Künstlern zählt, die mit der Kanzlerin be- freundet sind. Einen Moment lang kann man sich das vorstel- len, auch weil einem kein Maler im Land einfällt, der als Freund der Bundeskanzlerin gilt. Alles, was einem einfällt, ist Schröder neben Immendorff. Ehrlich ge- sagt weiß man gar nicht so rich- tig, wer überhaupt mit Angela Merkel befreundet ist. Zu ihren Klassentreffen geht sie nicht mehr, weil es so lange dauert, um mit ihren ehemaligen Mit- schülern auf eine gemeinsame Ebene zu kommen, sagt sie. Sie hat ein sehr gutes Verhältnis zu ihrer Schwester. Und es gibt den Mann, Professor Sauer, von dem es heißt, er halte sie am Boden.

Sie hat ihre beiden Mitarbeite- MÜHE ANDREAS rinnen im Bundeskanzleramt, Merkels Grundstück in der Uckermark: „Die schönen ollen Katzenköppe“ Eva Christiansen und Beate Baumann, denen vertraut sie. Sie hat Fa- auf seiner Verabschiedung. Es war die Merkel lächelt steif. Guido im Dirndl. milie und Kollegen, aber Freunde? berührendste, persönlichste Rede an je- Ist das ihr Humor? Sind das noch ihre Leu- Alice Schwarzer, mit der sie sich ein nem Abend, sagt Kluge. Sie hatten jetzt te? Sie kontrolliert ihr Handy unentwegt paarmal zu privaten Essen traf, braucht kaum noch Kontakte, weil sie nicht mehr wie ein gelangweilter Teenager. Bütten- eine ganze Weile, um ihr Verhältnis auf auf einer Funktionsebene waren, sie war redner Kuhn stellt die Kandidaten für die den Freundschaftsgehalt abzuklopfen. aufgestiegen, er ab. Vor ein paar Monaten diesjährigen Wahlen vor. Wer genannt „Freundinnen?“, sagt sie und holt Luft. war Kluge auf einer Tagung in Berlin und wird, soll kurz aufstehen. Aber du, liebe „Nein, das behauptet die Presse. Obwohl lief abends durchs Stadtzentrum zu seinem Angela, bleib bitte sitzen. Die Kanzlerin ich nichts dagegen hätte. Ein freundschaft- Hotel. Als er am Kupfergraben vorbeikam, schaut sich nach den Fernsehkameras um liches Verhältnis, das kann man sagen.“ traf gerade Angela Merkels Wagenkolonne und dann auf die Uhr, überall im Land Jürgen Kluge, Ex-McKinsey-Deutsch- ein. Sie hielten vor ihrem Mietshaus, und sprechen jetzt Politiker auf politischen landchef, hat Angela Merkel und ihren Kluge sah sie im Fond telefonieren. Er Aschermittwochen, sie sind spät dran, das Mann mal in ihrem Wochenendhaus in Ho- wollte kurz guten Abend sagen, aber dann Zeitfenster des Parlamentssenders Phoe- henwalde besucht. Er war mit seiner Frau sah er, wie das Wachpersonal sich spannte. nix schließt sich gerade, und Werner Kuhn da. Angela Merkel hat Forellen gekocht. Sie telefonierte, es war spät. Er wollte ihr ist immer noch nicht fertig. Sie sind spazieren gegangen und haben nicht zur Last fallen und lief einfach weiter. „Amerika weiß ganz genau, dass Schwar- zwei Stunden lang keinen einzigen Men- Es geht mit Marschmusik in den Festsaal ze wählen keine Sünde ist“, ruft er. schen getroffen. Er hat dort draußen zum von Demmin, die Karnevalisten klatschen, Tusch. ersten Mal Kraniche schreien hören. Werner Kuhn, Landtagsabgeordneter der Dann endlich ist Angela Merkel dran. Sie haben sich bei einer Jugend-forscht- CDU aus Zingst, steht in der Bütt: Drei Teile hat ihre Rede, sagt sie. Drei Tei- Veranstaltung in der Frankfurter Pauls- Was sind Obama, Sarkozy und Putin le wie das Jahr. Krisenjahr. Jubiläums- kirche kennengelernt. Sie verstanden sich gegen Aschermittwoch in Demmin. jahr. Wahljahr. Es ist die Rede, die sie in blendend, was sicher auch daran lag, dass Tätä. diesen Wochen immer wieder hält, bei beide Physiker sind. Kluge mochte ihre Guido wollt den Sieg in Bayern Grundsteinlegungen, Messeeröffnungen, offene Art, sie seine. Er war schon als ganz zünftig gleich im Dirndl feiern. Betriebsversammlungen, die Amerikaner Kind in Salzburg und Bayreuth und ver- stand sich auch gut mit Sauer, der ein großer Opernfan ist. Es hätte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden Wenn man Angela Merkel dort oben im können. Himmel besucht, kann man sich kaum noch Als Kluge als McKinsey-Chef-Deutsch- land abgelöst wurde, sprach Angela Merkel vorstellen, dass es sie wirklich gibt.

42 der spiegel 20/2009 nennen das „stump“. Ein Wahlkampfstum- amtsklotz, sondern auch daran, dass sie im- pen, der mit ein paar lokalen Besonder- mer mehr zu Material wird für Bücher, Leit- heiten wie Hallo Ilmenau, Willkommen auf artikel und Stammtischgespräche. der Cebit, liebe Heimatvertriebene ge- Draußen tobt immer irgendetwas, im spickt wird. Es geht immer um die Krise, Moment ist es eine weltweite Wirtschafts- aus der wir gestärkt hervorgehen werden, krise, und das Land fragt sich wieder, ob ja müssen, es geht ums Brückenbauen, um sie das packt. Als Frau, als Ostlerin, als harte Arbeit, um die Neuaufteilung der Pfarrerstochter. Welt, um die Wahl und dann um zwei Es gibt Kritiker, die sagen, sie handle Jubiläen, 60 Jahre Bundesrepublik und 20 zu langsam, zu spät, zu unentschlossen. Es Jahre Mauerfall, alles ein großes Glück. gibt Bewunderer, die sagen, sie sei so be- Die Demminer Besonderheit geht so: „Ich sonnen, ruhig und beharrlich, wie man es will gleiche Chancen in Stadt und Land, in so einer Krise sein muss. Im März schie- das ist unser Konzept.“ nen sich die Kritiker durchzusetzen, sie Die Bauern klatschen. Lenin hat ja schichten Argumente der Führungsschwä- nichts anderes gewollt. Manche Sachen än- che um sie auf, die Konjunkturpakete wa- dern sich nie. ren zu groß beziehungsweise zu klein, sie Als sie fertig ist, spielt die Band „Hoch sei nicht in der Lage, die große Rede zu soll sie leben!“, und von hinten nähert sich halten, die das Volk erwarte. Im Moment Werner Kuhn mit dem zerzausten Kölner sieht es wieder besser aus. Es heißt, sie Maler. HA Schult überreicht sein Kanzle- habe sich konsolidiert. Warum, ist nicht rinnenporträt. Sie nimmt das Bild entgegen ganz klar, vor allem weil die Bewunderer wie den Schrumpfkopf eines afrikanischen von heute oft die Kritiker von gestern sind. Stammesfürsten. Man spürt jetzt, dass HA Überrascht sie das? Schult kein Freund ist. Sie will das alles „Ach, ich glaube, politische Entwicklun- nicht. Sie möchte kein Buch schreiben, ob- gen gehen einfach so“, sagt sie. „Es ist eine wohl ihre Berater sie immer wieder dazu Wellenbewegung, die kann man als Per- auffordern, sie hält das alles für überflüssig. son zwar beeinflussen, und die Umstände Ihr graut vor der Ahnengalerie im Kanz- sind mal besser und mal schlechter, aber im leramt. Das Fernsehfenster ist zu, Demmin Grunde wünschen sich weder die Öffent- schafft es nicht in die Nachrichten, Ange- lichkeit noch die Medien Gleichmaß, also la Merkel schnauzt, immer noch lächelnd, geht es hoch und runter. Natürlich freue Werner Kuhn zusammen. ich mich, dass es im Moment eher nach „Sie war ziemlich sauer“, sagt Kuhn spä- oben geht.“ ter. „Vielleicht liegt’s an der Krise.“ Sie lächelt entspannt. Vor ein paar Tagen war sie Gast von Anne Will, vor ein paar as kann schon sein, aber viel- Stunden hatte sie eine Videokonferenz mit leicht haben sie sich einfach Barack Obama. Beides lief offensichtlich auseinanderentwickelt. Vor gut für sie. Bei Anne Will kümmerte sie 20 Jahren waren sie zwei sich um ihr innenpolitisches Ansehen, bei Christen in der unchristlichen Obama ging’s eher um Weltpolitik. Für sie DDDR. Kuhn war Schiffbauingenieur in hängt das alles zusammen. Sie lebt in einer Barth, Merkel Physikerin in Berlin. 20 Jah- Welt, die in einem Moment riesengroß ist re sind eine lange Zeit. Kuhn hat sie in und im nächsten winzig klein, einer Welt, Mecklenburg-Vorpommern verbracht, An- in der man ihr nicht mehr folgen kann. Sie gela Merkel in der Bundespolitik. Sie war erlebt die unglaublichsten Sachen, aber sie Ministerin, Partei- und Fraktionsvorsit- kann es eigentlich mit niemandem teilen. zende und ist jetzt Kanzlerin. Sie ist keine Das ist der Preis der Kanzlerschaft. Der Seiteneinsteigerin mehr, sie ist Politikerin. Preis, den sie bezahlen muss. Und der Sie hat viele Männer hinter sich gelassen, Preis, den sie gewonnen hat. erst die ostdeutschen, die zu zart oder zu Mitte März hat sie innerhalb von drei ungehobelt für die Politik waren, dann die Tagen Nicolas Sarkozy, Gordon Brown und westdeutschen, die zu selbstzufrieden und ihr Haus in der Uckermark gesehen. Es war unbeweglich waren, um sie zu bezwingen, wie ein Wirbelwind. An einem Tag stand und jetzt ist sie da. Ihr Schreibtisch steht sie mit Sarkozy und seiner wunderbar bun- ganz oben im Raumschiff. Hinter ihr an ten französischen Delegation vor der der Wand hängt nur noch Konrad Ade- blauen Wand im Kanzleramt. Sie hatte ei- nauer, der allererste der steifen katho- nen Knopf im Ohr, spitzte die Lippen und lischen Männer, die ihr einst so fremd wa- sah mit einem Seitenblick auf den franzö- ren wie ein Vorfahr, der Opa vielleicht. Sie sischen Präsidenten, der gestikulierte wie hat ihn nicht kennengelernt, aber inzwi- der Gendarm von St.-Tropez. Am nächsten schen ist er ihr näher als Werner Kuhn. Tag wanderte sie mit Gordon Brown durch Wenn man Angela Merkel dort oben im die grünen Hügel, in denen der Landsitz Himmel besucht, kann man sich kaum noch des britischen Premiers liegt. Dann hatten vorstellen, dass es sie wirklich gibt. Man sie ein kräftiges englisches Frühstück, fuh- möchte sie kneifen, um herauszubekom- ren nach London, redeten in der Downing men, dass sie echt ist, wenn sie in der Tür zu Street Number 10 über die bevorstehen- ihrem Arbeitszimmer auftaucht. Das liegt den Gipfel und gaben in einem Raum, der nicht nur am unwirklichen Bundeskanzler- nach Mottenkugeln roch, eine Pressekon-

der spiegel 20/2009 43 ferenz. Sie hatte einen Stöpsel im Ohr, spitzte die Lippen und sah mit einem Sei- tenblick auf den britischen Premier, der verglichen mit dem zappeligen Sarkozy wirkte wie ein Findling aus der Uckermark. Von ihrem Stehpult bei der Pressekon- ferenz in London sah sie auf ein verstaub- tes Gemälde von George II., Prince of Wales aus dem Jahr 1716, vom Stehpult in Berlin aus sah sie auf die seltsame Ahnen- galerie der deutschen Kanzler. Helmut Kohl sieht aus wie ein verwirrter Alter, in einem bekleckerten Jackett, Gerhard Schröder glänzt golden wie König Midas. Dort wird sie auch irgendwann hängen, aber darüber möchte sie nicht nachden- ken. Aus dem Autofenster sah sie dann, wie die Bäume in den Londoner Parks be- reits blühten. Die Sonne schien. In Berlin blühten die Bäume noch nicht. Es war ein Sonnabendnachmittag, sie fuhr gleich wei- ter nach Hohenwalde. So konnte sie an ei- nem Tag Hügel der Uckermark mit denen von Chequers vergleichen. Um 17 Uhr schloss sie ihr Wochenendhaus auf. Es heißt, sie kann Jacques Chirac gut nachmachen. Sie kann auch vorführen, wie Putin ist, wenn er wütend wird. Er schreibt dann Dinge auf einen Zettel, hektisch, und hält sie hoch. Da!, Da!, Da!, schreit Putin und zeigt immer wieder auf den Zettel. An- gela Merkel lächelt und sagt leise, ich hab Sie schon beim ersten Mal verstanden. Sie hat keine Angst vor Putin, aber Respekt, weil er die gesamte Klaviatur des Macht-

spiels beherrscht, und sie hat auch George MÜHE ANDREAS Bush nie unterschätzt. Sie hält ihn für hoch- Gastgeberin Merkel*: „Manchmal wache ich nachts auf und denke mir Sachen durch“ intelligent und eisenhart in der Sache. Sie mochte sehr, wie er sich für ihre persönliche Girls Club zusammen, der weitgehend für eine Stylistin im Raumschiff, die sie jeden Geschichte interessierte. Da war echtes In- das aktuelle Erscheinungsbild der Kanzle- Morgen zu der Frau macht, die wir sehen. teresse, glaubt sie. Am meisten mochte sie rin verantwortlich sein soll. Zum erweiter- Obamas Jackett? wohl Tony Blair, da ist etwas entstanden, ten Kreis gehörten Friede Springer, Sabine Sie schaut zu Ulrich Wilhelm, ihrem Re- das man beinahe Freundschaft nennen Christiansen und Inga Griese, eine Stilko- gierungssprecher, der ihr gegenübersitzt. kann, sagt jemand aus dem Kanzleramt. lumnistin der „Welt“. Inga Griese mag An- Wilhelm nickt. Wie war die Videokonferenz mit Barack gela Merkel, sie findet cool, dass sie Rus- „Also gut, er hatte ein Jackett an. Was Obama? sisch kann, Englisch und dass man sich für spielt das für eine Rolle? Soll ich wieder „Es war gut und interessant“, sagt sie, sie nicht schämen muss. Sie findet es an- sagen, wie ich Obama finde?“ „dass man sich sehen kann, macht es per- genehm, dass sie nicht von einer Bugwel- Gern. sönlicher als am Telefon. Insgesamt eine le angekündigt wird wie Gerhard Schröder, „Ich find ihn sehr sympathisch, intelli- praktische Sache.“ sondern dass da nur Angela Merkel her- gent, offen, zuhörend, abwägend, auf Fra- Hatte er ein Jackett an? einkommt. Sie verkörpert Deutschland, die gen gut eingehend.“ Sie schaut entgeistert. Ruhe, die Unaufgeregtheit, sagt sie, wir War sie eher für Hillary oder eher für ihn? Die Aufregung darüber, dass Barack sind nicht Hollywood. „Ich war Beobachterin, keine Beteiligte, Obama den Jackettzwang im Weißen Haus Inga Griese bestreitet, dass sie und ihre weil’s ja nicht mein Land ist. Also mich in- abschaffte, findet Angela Merkel sicher so Freundinnen sich einen Stil für Angela teressierte sein Vorgehen, seine Zielstrebig- seltsam wie die Seufzer, die Michelle Oba- Merkel ausgedacht haben. Sie habe sich keit, wie er zu einem ernsthaften Rivalen mas armfreie Kleider auslösten. Aber seit Tipps geben lassen, auch vom Berliner wurde und dann zum Gewinner. Natürlich ihr tiefdekolletiertes Kleid beim Opern- Starfriseur Udo Walz, und eine Marke kre- hab ich zum Anfang als Frau eher auf Hil- besuch in Oslo in die Schlagzeilen kam, iert, die man verlässlich, aber nicht tantig lary Clinton geguckt. Sie hat toll gekämpft, weiß sie, dass es wichtig sein kann. nennen könnte, sagt Inga Griese. und es war ja auch ein enges Rennen. Aber In den Jahren, bevor sie gewählt wurde, Inzwischen ist auch dieser Kontakt in die Sie sind ja wohl nicht hergekommen, um als bei den Frauen der Frust über Gerhard Außenwelt vorbei. Angela Merkel hat jetzt mit mir über Obama zu reden.“ Schröder wuchs, vor allem bei den kon- servativen, bekam Angela Merkel viele Hinweise, wie sie sich äußerlich verändern müsse. In Berlin fand sich ein sogenannter „Wir müssen immer aufpassen, dass wir jetzt nicht Sachen machen, über die man in * Beim Empfang des lettischen Ministerpräsidenten Valdis Dombrovskis am 29. April in Berlin. fünf Jahren den Kopf schüttelt.“

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Sie lacht ihr spöttisches Mädchenlachen, „Ich verstehe den Wunsch der Menschen das sie für die Jungs übrig hat. nach Erklärung in dieser Situation, aber am Als sie vor ein paar Wochen das Opel- Ende ist eine Rede eine Rede, und ent- Werk in Rüsselsheim besuchte, präsentier- scheidend bleiben die Taten. Die Menschen te ihr der Vorstand auf einer riesigen Büh- wollen Gewissheit gegen die Verunsiche- ne zwischen Kinderchor und Oldtimern rung, aber vollständige Gewissheit kann auch ein Elektroauto, mit dem sie in die niemand auf der Welt geben, zu keiner Zeit. Zukunft starten wollen. „Na, dann stren- Ich will keine Illusionen wecken, die in vier gen Se sich ma an!“, rief Merkel und lach- Wochen wieder zerplatzen. Ich habe aber te ihr spöttisches Mädchenlachen. Der Vor- die Zuversicht, dass wir den Weg aus der standsvorsitzende lachte, das Meer der An- Krise schaffen, und die kann ich, weil ich sie zugträger, in dem sie stand, lachte, und selbst habe, auch ausstrahlen. Das zählt.“ schließlich lachte der gesamte Saal. Män- Eine königliche Haltung. Auch das bri- ner mit Arbeitergesichtern und gelben T- tische Volk erwartete eine Rede von der Shirts, auf denen stand „WIR SIND Queen, nachdem Lady Di verunglückt war. OPEL“, lachten, weil man mitlachen muss, Auch sie wollte nicht zum Volk sprechen, wenn sie lacht. Diesmal lacht nur Ulrich weil sie nicht wusste, warum. Wilhelm mit, der Regierungssprecher. Ein Angela Merkel macht nur das, was sie freundlicher, blonder Mann, in dessen Ge- für vernünftig und sinnvoll hält. Als sie vor sicht sich die Stimmung der Kanzlerin wie- ein paar Wochen zusammen mit dem pol- derfindet wie in einem Spiegel. Wenn sie nischen Ministerpräsidenten Tusk als Red- lacht, lacht er. Schaut sie ernst, schaut auch nerin zum traditionellen Matthiae-Mahl ins er ernst. Versteht sie eine Frage nicht, Hamburger Rathaus geladen wurde, sagte schaut er ahnungslos. sie den anwesenden Honoratioren der Stadt nicht, dass sie in Hamburg geboren s heißt, sie rede nicht gern über wurde. Es wäre ein wunderbarer Einstieg Obama, weil er all das verkör- gewesen, aber sie sah den Zusammenhang pere, was sie nicht hat. Die Prä- zum angespannten deutsch-polnischen senz, den Zauber, die Leichtig- Verhältnis nicht. keit, den Pop, die Vision. Er hält Sie hat auch vor den Opel-Arbeitern in Edie Reden, die sie nicht hält. Sie sagt, dass Rüsselsheim nicht Manfred Eggert er- auch Obama keine Illusionen schüre. Dass wähnt, den Opel-Händler aus ihrem Wahl- er dasselbe Ziel vorgebe wie sie: Man müs- kreis Rügen, in dessen Autosalon sie im se stärker aus der Krise kommen, als man vorigen Jahr eine Stunde verbracht hat. hineingegangen sei. Aber all das wirkt lust- Ihre Reden sind schlicht und kühl, die Ste- los, gebremst. Sie hat ein tiefes Misstrauen nografen aus dem Bundeskanzleramt ha- gegenüber Massenbewegungen, sagt ein ben es nicht besonders schwer mit ihr. Mitarbeiter. Sie wolle erst einmal sehen, Manchmal müssen sie einen Satz auffüllen, wie Obama funktioniere, wenn er wirk- den sie nicht zu Ende gebracht hat. Und lich etwas durchsetzen muss. manchmal verwendet sie Wörter, die es Er ist ihr sicher ein wenig unheimlich, aber nicht gibt. Bei Opel in Rüsselsheim hat sie als er im Januar vereidigt wurde, wollte sie zweimal das Wort „Angang“ benutzt, der das unbedingt sehen. Auf dem Landeplatz Stenograf hat „Ansatz“ draus gemacht. im Kanzlergarten drehten sich die Rotoren Denn das hat sie gemeint, wahrscheinlich. des Hubschraubers, der sie sofort zu einer Klaus von Dohnanyi saß im Hamburger Gewerkschaftstagung fliegen sollte. Soll war- Rathaussaal und wunderte sich, dass sie ten, sagte sie. Sie saß im Zimmer ihrer Büro- ihre Geburtsstadt nicht erwähnte, wun- chefin und sah sich im Fernsehen an, wie derte sich und freute sich zugleich. der erste schwarze Mann als Präsident Ame- „Sie ist die unprätentiöseste Politikerin, rikas vereidigt wurde. Sie wollte nicht seine die ich kenne“, sagt er. „Die deutsche Po- Rede hören, sie wollte nur dabei sein. Denn litik muss dringend versachlicht werden. dies war ein historischer Moment. Angela Merkel ist ein Glücksfall. Ihr Ehr- Denkt sie daran, was die Geschichte ein- geiz besteht darin, Deutschland vernünftig mal über sie sagen wird? zu führen. Sie macht keine Sache, von der „Nein“, sagt sie schnell. „Dafür nimmt sie vorher weiß, dass sie nichts bringt.“ mich das tägliche Geschehen viel zu sehr in Er und seine Frau Ulla Hahn sind wahr- Beschlag. Ich sitz ja nicht dauernd neben scheinlich das, was man am ehesten als mir und denke: Was könnte bleiben. Wir Freunde der Kanzlerin bezeichnen könnte, hatten drei Jahre, in denen wir gezeigt ha- sagt man im Kanzleramt. Sie gehen zu- ben, dass Reformen sich lohnen. Wir ha- sammen in die Oper, in Konzerte, sie reden ben mit 5 Millionen Arbeitslosen angefan- über Musik und Literatur. Dohnanyi sitzt gen und waren nach drei Jahren bei 2,9. in der Arbeitsetage seines schönen weißen Und jetzt wird unsere Arbeit natürlich sehr Hauses an der Außenalster, auf dem durch diese Krise bestimmt. Wir müssen Couchtisch Tee, Plätzchen und der aktuel- immer aufpassen, dass wir jetzt unter dem le SPIEGEL. Druck der Wünsche nicht Sachen machen, „Darf der Staat Opel retten?“ ist die Ti- über die man in fünf Jahren den Kopf telfrage. schüttelt. „Falsch gefragt“, sagt Dohnanyi, die Li- Und die große Rede? der halb geschlossen. „Die Frage ist, ob er

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um Arnold Schwarzenegger herumstan- den. Ein paar Gäste der Cebit fassten sich ein Herz und kamen näher, begannen sie zu fotografieren. Man musste jederzeit da- mit rechnen, dass sie sie gleich berühren würden. Für einen kurzen Augenblick war das dicke Glas gebrochen. In diesem Mo- ment sah es aus, als habe sie Angst vor ihrem Volk. Sie ist es einfach nicht mehr gewohnt. Jeden Quadratzentimeter deutschen Bo- den, den sie betritt, hat vorher schon je- mand für sie abgeschritten. Die Sicher- heitskräfte oder das Vorabkommando aus dem Kanzleramt. Als sie im vergangenen Jahr auf ihrer Bildungstour nach Ilmenau kam, um die Goetheschule zu besuchen, hatte das Kommando sogar einen grünen

ANDREAS MÜHE ANDREAS Kunstteppichweg ausgerollt, auf dem sich Merkels Wohnhaus in Berlin-Mitte: Die Netrebko zum Borschtsch die Bundeskanzlerin den Schülern näher- te, links und rechts des Weges wurden es kann. Wenn er es kann, darf er es.“ Er leramt eingeladen und die Netrebko zum Absperrbänder gespannt. war jahrelang im Aufsichtsrat von Audi Borschtsch-Essen in ihre Wohnung. Und Es gab Punkte, an denen die Kanzlerin und hat, wie er sagt, viele gute Sachen für sie sind gekommen, beide. Bei der Eröff- haltmachen sollte, um mit Schülern ins Ge- Ford getan, in den Fünfzigern. In den nung der Cebit sagte Arnold Schwarzen- spräch zu kommen, die vorher bestimmt Dreißigern war er an der Leipziger Tho- egger, der wahrscheinlich berühmteste Po- worden waren. Es gab die Anweisung, alle masschule, in den Achtzigern Erster Bür- litiker der Welt, dass das deutsche Volk Handys zu Hause zu lassen, und aus ir- germeister von Hamburg. Er ist Bonhoef- stolz auf diese Frau sein sollte. Sie sei die gendeinem Grund sollten während des Be- fers Neffe, war Staatssekretär unter Karl „most powerful woman in the world“. suchs der Kanzlerin keine Faxgeräte be- Schiller und hat einen Yale-Abschluss. Hät- Außerdem gebe es sie jetzt auch als Bar- trieben werden. te Angela Merkel im Frühjahr 1990 diesen biepuppe, ein sicheres Zeichen, dass man Ein Mann in einem kleinkarierten Ja- Mann kennengelernt, wäre sie vielleicht in es geschafft habe. ckett, der das Vorauskommando leitet, kleb- die SPD eingetreten. Aber Angela Merkel schaute nach un- te einen kleinen weißen Punkt auf die „Ach was“, sagt Dohnanyi. „Alle guten ten, sie wischte irgendwelche Staubflecken Rasenfläche vor dem Schulgebäude. Dort Politiker sind in der falschen Partei. Ich bin von den Hosen ihres Hosenanzugs. würde später die Kanzlerin stehen, um in es, Steinbrück ist es und Helmut Schmidt die Kameras zu sprechen. Es gab eine wohl auch. Alles Menschen, die ihre Auf- päter, beim Abendessen, saß sie Schönwettervariante für das Gruppenfoto gabe darin sehen, Probleme zu lösen, die neben Arnold Schwarzenegger, der Kanzlerin mit den Schülern und eine Schwächen auch in der eigenen Partei se- der von weitem aussah wie ihr Schlechtwettervariante in der Turnhalle. hen. Ich war immer froh, wenn meine Par- Bodyguard, und schien nicht so Die Zentrale für die Sicherheit wurde im tei zu 51 Prozent recht hatte. Ich möchte richtig zu wissen, worüber sie Sekretariat eingerichtet, im Büro des Rek- eine starke CDU, ich kann Frau Merkel sichS mit ihm unterhalten sollte. Sie inter- tors saßen ein Dutzend Einsatzkräfte. Das nicht wählen, weil ich seit 52 Jahren in der essierte sich mehr für Craig Barrett, den Vorauskommando war bereits Wochen vor- SPD bin. Aber ich wünsche ihr viel Glück.“ Verwaltungsratsvorsitzenden der kalifor- her hier, um die Tauglichkeit der Goethe- Er empfiehlt, ein euphorisches Porträt nischen Weltfirma Intel, der drei Plätze schule zu prüfen. Alles passte. Die Reali- zu schreiben. neben ihr, getrennt durch den nieder- tät wurde so lange gesiebt, bis nur noch „Dann machen Se mal“, sagt Angela sächsischen Ministerpräsidenten Christian Goldstaub da war. Ein hübsches weißes Merkel und lacht spöttisch. Wulff und dessen junge Frau, plaziert Schulgebäude auf einem kleinen Hügel am Ihr Misstrauen ist grenzenlos. Und je worden war. Im Laufe des Abends tausch- Waldesrand, wie aus einem Mittwochfilm mehr sie geliebt wird, desto misstrauischer te sie Plätze mit den Wulffs. Frau Wulff ki- im ZDF. wird sie. 52 Prozent aller Deutschen würden cherte mit Herrn Schwarzenegger, Herr Vor diesem Hintergrund sind nur winzi- gern mit ihr in ein Café gehen. Sie lieben sie Wulff saß stolz daneben. Angela Merkel ge Ausbrüche möglich. Weil Angela Merkel mehr als ihre Partei und mehr als den stei- aber redete mit Craig Barrett über die Zu- an der falschen Stelle haltmachte, erfuhr fen Steinmeier sowieso. Die Autorin Jana kunft der Welt. sie vom Handy-Verbot, was sie furchtbar Hensel, die vor ein paar Monaten ein Als das Essen vorbei war, lief sie los wie aufregte, weil sie das niemals verlangt hat- „Zeit“-Gespräch mit Angela Merkel führte, immer, gewohnt, das Zentrum der Bewe- te. Später beim Forum fuhr sie dem Rektor testete vorher bei ein paar Freunden, wie gung zu sein. Aber das war an diesem über den Mund, weil er eine Frage beant- das ankomme. Alle sagten ihr: Ach, die Abend Arnold Schwarzenegger. Einen Mo- wortet hatte, die eigentlich seinen Lehrern würde ich auch gern mal kennenlernen. ment lang merkte sie nicht, dass ihr nie- gestellt worden war. Bevor sich alle beru- Und ehrlich gesagt ging es ihr genauso. mand folgte. Dann blieb sie stehen und sah higt hatten, saß Angela Merkel schon wie- Die Leute schauen auf sie wie auf die zurück zu den Dinnertischen, wo ihr Re- der im Auto zum Helikopter, mit dem sie Queen. Sie hat den Dalai Lama ins Kanz- gierungssprecher und die Sicherheitsleute zum nächsten Stopp ihrer Bildungsreise flog, einem Berufsausbildungszentrum in Ludwigshafen. Das Vorauskommando aus Jeden Quadratzentimeter deutschen dem Kanzleramt überwachte den Rückbau seiner Inszenierung und nahm dann den Boden, den sie betritt, hat vorher schon Nachmittagszug nach Berlin. Angela Merkel weiß, dass sich die Dinge jemand für sie abgeschritten. verselbständigen können, ist aber grund-

46 der spiegel 20/2009 Deutschland sätzlich dankbar für einen reibungslosen ist ihr wichtig. Sie möchte auch den Wagen klagte sich Kasner, dass sie mache, was sie Ablauf. selbst schieben. Bis zum Auto. wolle. Aber am Ende hat sie doch noch sei- Sie erzählt, wie sie als Oppositionspoli- Helga Marquaß, die Chefkassiererin der nen Weg eingeschlagen. Sie dient. tikerin mal eine Soldatenunterkunft im Kaufhalle, sagt, dass Frau Merkel so unauf- Sie will kein Buch über sich, sie will kein Kosovo ohne Vorabkommando besuchte. fällig wie möglich durch die Gänge laufe. Gemälde, sie will keine großen Reden hal- Fotografen und Kameraleute sprangen auf Meist schaue sie nach unten. Professor Sau- ten, sie will allein einkaufen gehen. Das den Betten herum und fotografierten sie er rede schon mal mit ihnen, wenn er das Präsidium des Vertriebenenbundes hat sie ungeschützt. Sie stammelte und starrte, Obst nicht finde oder das Manhattan-Eis alle zu ihrem Geburtstag zum Essen eingela- und später wurde ihr noch vorgeworfen, sei. Frau Marquaß nennt ihn „unseren Herrn den, weil ihr die Vertriebenenfrage so dass sie dort drin ein Chaos verursacht Sauer“. Wenn Angela Merkel in die Oper wichtig ist. Vielleicht wichtiger als sie habe. Es war ein legendärer Auftritt. Das geht oder in ein Restaurant, lässt sie für die selbst. Den Pflaumenkuchen, von dem im- soll ihr nie wieder passieren. Angela Mer- Sicherheitsleute Plätze reservieren und sagt mer alle reden, isst sie nicht. Sie mag kei- kel macht jeden Fehler nur einmal, sagt je- ihnen ein halbe Stunde vorher Bescheid, da- nen Kuchen. Sie backt ihn, weil er ihrem mand aus dem Kanzleramt. Sie will natür- mit sie keine Zeit mehr haben, die Loka- Mann schmeckt. lich Kontakt, aber sie will auch die besten litäten vorher auf den Kopf zu stellen. Es ist In den letzten Tagen lief sie durch die Bilder. Im gerade erschienenen Bildband ein ständiger Kampf um Normalität. westdeutsche Kunstausstellung „60 Jahre – ihrer Lieblingsfotografin Lau- 60 Werke“ mit der gleichen kö- rence Chaperon sieht man sie niglichen Distanz wie durch in so inszenierten Landschaf- den ostdeutschen Stasi-Knast ten und Farben, dass sie mit- Hohenschönhausen. Beides unter wirkt wie Kim Il Sung. hatte scheinbar nichts mit ihr Jemand, der seit Jahren an zu tun. Nur am Ende ihres Be- ihren kleinen und größeren suchs in Hohenschönhausen, Runden teilnimmt, sagt, dass nachdem sie von ehemaligen sie die einzige Spitzenpoliti- Häftlingen durch Folterräume kerin sei, die man kritisieren und Verhörzimmer geführt könne. Sie höre zu, nicke, worden war, meldete sich aus aber die Kritik erreiche sie dem lila Kostümpanzer die nicht. Teilweise mache sie Stimme eines Mädchens, die er- anschließend das Gegenteil zählte, wie Angela Merkel an von dem, was man ihr geraten der Hochschule in Ilmenau von habe. Sie sei eine Riesenent- der Stasi angesprochen wurde täuschung. Sie habe sich völlig und denen sagte, was ihr ihre abgekapselt. Mutter mit auf den Weg gab: Auch Jürgen Kluge, ihr Bei- Du kannst doch den Mund nah-Freund, weiß, dass es nicht halten. Doch dann musste manchmal schwer ist, sie zu die Kanzlerin weiter zum König erreichen. Kurz vor den letz- von Jordanien, und am nächs-

ten Bundestagswahlen hat er M.) (U. MÜHE; RÜDIGER NEHMZOW ANDREAS FOTOS: ten Tag klangen die Worte selt- sie angerufen und ihr gesagt, Merkel-Gesprächspartner*: Wie auf einem ganz normalen Abendessen sam naiv. Man kann sie sich dass ihr Wirtschaftskurs die nicht mehr vorstellen in einem Wähler verunsichere. Sie müsse die Leute Warum wollte sie eigentlich Kanzlerin anderen Leben. Und daran hat sie hart ge- mehr mitnehmen, sagt er. Sie konnte kaum werden? arbeitet. zuhören, sie war auf dem Weg von einem „Ich wollte was gestalten, also, es ist der Sie überzieht alles Persönliche, das pro- Wahlkampfauftritt zum nächsten. Gestaltungsanspruch“, sagt sie. „Es macht testantische, ostdeutsche und weibliche, Er riet ihr, ein, zwei Tage freizumachen mir Spaß, Leute zusammenzuführen, Er- mit einer Asphaltschicht wie das alte Kat- und Luft zu holen. gebnisse zu finden.“ zenkopfpflaster auf dem Feldweg in Ho- Ich kann das nicht, sagte sie, ich muss Würde sie es noch mal machen? henwalde, um voll und ganz Kanzlerin sein weiter. „Natürlich“. zu können. Ihre Wohnung, sagt jemand, Geschichten wie diese erzählen viele Schläft sie gut? der sie dort mal besucht hat, gleiche einer Menschen, von denen es heißt, sie seien „In der Regel schon. Manchmal wache ich Studentenbude. Ein metallicfarbener CD- Angela Merkel nahe. Alice Schwarzer, Oli- nachts auf und denke mir Sachen durch.“ Player auf dem Fußboden, um den ein ver Bierhoff, Klaus von Dohnanyi, sie alle Ihr Vater Horst Kasner ist mit seiner Fa- paar CDs herumliegen. Ein Resopaltisch, sagen an irgendeiner Stelle: Na ja, sie hat milie 1954 aus Hamburg in den Osten ge- Kunstholzstühle. Ein Poster an der Wand. natürlich auch nicht mehr so viel Zeit, seit zogen, weil er dachte, dass er als Pfarrer Schmucklos, unpersönlich und asketisch. sie Kanzlerin ist. Wann ich sie das letzte dort eher gebraucht würde. Er hat Angela Und wenn man sie nach der Schuhmar- Mal gesehen habe? Oh, da muss ich über- Merkel in einem Körbchen in die DDR ge- ke fragt, die ihr Alice Schwarzer mal emp- legen. Andere sagen, sie erscheine in Ber- tragen. Sie hat den Preis dafür bezahlt und fohlen hat, zuckt sie mit den Schultern und lin auf allen möglichen gesellschaftlichen auch ihre Mutter, die als westdeutsche La- sagt: „Festes und schönes Schuhwerk Partys und bleibe oft bis zum Schluss. Es tein- und Englischlehrerin in die Uckermark bringt einen gut durch den Tag.“ klingt, als falle sie seit vier Jahren in einen musste, wo Russisch die erste Fremdsprache Ein wunderbarer Satz. Leider nimmt sie Brunnen, der keinen Boden hat. war. Kasner baute das Pastoralkolleg Temp- ihn später zurück wie fast alles, was sie zu Sie kämpft dagegen an, mit teilweise lin auf und hatte auch das Leben seiner menschlich erscheinen lässt. rührenden Methoden. Einmal wöchentlich Tochter geplant. Sie schien immer wieder Einmal hat sie versucht, über den geht sie in ihre alte Kaufhalle, den Ullrich ausbrechen zu wollen. Als alter Mann be- Küchenfahrstuhl des Kanzleramts auszu- Verbrauchermarkt in der Mohrenstraße. brechen. Es war der einzige Weg hinaus, Manchmal macht sie den großen Einkauf, * Supermarktkassiererin Helga Marquaß, Politiker Klaus der nicht mit Kameras bewacht wurde. Sie von Dohnanyi, Herausgeberin Alice Schwarzer, Fußball- manchmal ihr Mann. Es ist nicht immer Manager Oliver Bierhoff, Manager Jürgen Kluge, Unter- kam bis in die Tiefgarage. Da standen sie einfach wegen der Sicherheitsleute, aber es nehmer Manfred Eggert. mit den Hunden. ™

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