Deutscher Drucksache 1 2/1710 12. Wahlperiode 04.12.91

Sachgebiet 303

Gesetzentwurf der Abgeordneten , Horst Eylmann, Herbert Helmrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Detlef Kleinert (Hannover), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Jörg van Essen, Dr. und der Fraktion der FDP

Entwurf eines Gesetzes über Fachanwaltsbezeichnungen nach der Bundesrechtsanwaltsordnung (RAFachBezG)

A. Problem

Durch das Gesetz zur Änderung des Berufsrechts der Notare und der Rechtsanwälte vom 29. Januar 1991 (BGBl. I S. 150) sind für den Geltungsbereich der Bundesrechtsanwaltsordnung Fachan- waltsbezeichnungen für das Verwaltungsrecht, das Steuerrecht, das Arbeitsrecht und das Sozialrecht eingeführt worden. Als Vor- aussetzung für das Führen einer Fachanwaltsbezeichnung schreibt das Gesetz besondere Kenntnisse in dem Fachgebiet vor. Nach- dem mangels Zustimmung des Bundesrates der Erlaß einer auf § 42 d Abs. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung gestützten Rechts- verordnung nicht möglich war, sollen die einzelnen Anforderun- gen an den Nachweis der besonderen Kenntnisse und Erfahrungen nunmehr gesetzlich geregelt werden.

B. Lösung

Das Gesetz bestimmt die Bereiche der Fachgebiete, auf denen besondere Kenntnisse nachzuweisen sind, und regelt im einzel- nen, wie der Nachweis der besonderen theoretischen Kenntnisse und der praktischen Erfahrungen erfolgt. Drucksache 1 2/1 710 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

C. Alternativen Keine

D. Kosten Bund, Ländern und Gemeinden entstehen durch das Gesetz keine Kosten. Auswirkungen auf das allgemeine Preisniveau, insbeson- dere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/1710

Entwurf eines Gesetzes über Fachanwaltsbezeichnungen nach der Bundesrechtsanwaltsordnung (RAFachBezG)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesra- g) Abgabenrecht, soweit die Gerichte der Verwal- tes das folgende Gesetz beschlossen: tungsgerichtsbarkeit zuständig sind,

h) Kommunalrecht (mit Ausnahme des kommuna- len Haushaltsrechts), §1 i) Straßen- und Straßenverkehrsrecht, Dieses Gesetz regelt die im Interesse der Rechts- pflege für die Führung einer Fachanwaltsbezeich- j) Luft- und Luftverkehrsrecht, Eisenbahn- und nung notwendigen Anforderungen an den Nachweis Wasserstraßenrecht, der besonderen Kenntnisse und Erfahrungen. k) Recht des öffentlichen Dienstes, Disziplinar- und Personalvertretungsrecht,

§2 l) allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Ver- sammlungsrecht, Personenordnungsrecht, Waf- (1) Besondere Kenntnisse (§ 42a Abs. 1 Satz 1 der fenrecht, Bundesrechtsanwaltsordnung) hat der Rechtsanwalt, m) öffentliches Gesundheitsrecht, Lebensmittel- wenn seine Kenntnisse auf dem Fachgebiet erheblich und Arzneimittelrecht, das Maß der Kenntnisse übersteigen, das üblicher- weise durch die berufliche Ausbildung und praktische n) Ausländerrecht, Asylrecht, Staatsangehörig- Erfahrung im Beruf vermittelt wird. keitsrecht, (2) Die nach Absatz 1 erforderlichen Kenntnisse 1) Schul- und Hochschulrecht einschließlich des müssen Kenntnisse des Verfassungsrechts, soweit sie Zulassungs- und Prüfungsrechts, für das Fachgebiet wesentlich sind, einschließen. m) Sozialhilferecht, Ausbildungsförderungsrecht, Schwerbehindertenrecht,

§3 n) Datenschutzrecht, Recht der Statistik,

o) Wehrrecht, Recht der Kriegsdienstverweige- Für das Fachgebiet Verwaltungsrecht sind nachzu- rung und des Zivildienstes, weisen 1. besondere Kenntnisse in den Bereichen p) Medienrecht, Post- und Fernmelderecht, a) allgemeines Verwaltungsrecht einschließlich q) Kriegsfolgen- und Wiedergutmachungsrecht, Verwaltungsverfahren und Verwaltungs- r) Recht der offenen Vermögensfragen, Rehabili- zwangsverfahren, tierungsrecht, b) Staatshaftungsrecht (Amtshaftung, Enteignung, s) öffentliches Landwirtschaftsrecht (Marktord- enteignender Eingriff, enteignungsgleicher nungsrecht, Recht der landwirtschaftlichen Er- Eingriff, Aufopferung, Folgenbeseitigung), zeugung). c) Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs- gerichtsbarkeit; 2. besondere Kenntnisse in zwei der folgenden Berei- §4 che, von denen einer zu den in Buchstaben a bis d genannten gehören muß, Für das Fachgebiet Steuerrecht sind besondere Kenntnisse nachzuweisen in den Bereichen öffentliches Baurecht (Bauplanungs- und Bau- ordnungsrecht, Recht der Raumordnung und 1. allgemeines Abgabenrecht einschließlich Verfah- Landesplanung, Denkmalschutzrecht, Kataster- ren der Finanzbehörden, Bewertungsrecht, und Vermessungsrecht), 2. besonderes Steuer- und Abgabenrecht (Einkom- d)e) Wirtschaftsverwaltungsrecht (Gewerberecht, mensteuer, Körperschaft- und Gewerbesteuer, Handwerksrecht, Personen- und Güterver- Vermögensteuer, Erbschaft- und Schenkung- kehrsrecht, Wirtschaftsförderungsrecht, Gast- steuer, Grundsteuer, Umsatzsteuer, Grunderwerb- stättenrecht, Berg- und Energierecht), steuer und sonstige Verkehrsteuern, Grundzüge der Verbrauchsteuern und der Zölle), f) Umweltrecht (Immissionsschutzrecht, Atom- recht, Abfallrecht, Wasserrecht, Natur- und 3. Buchführung und Bilanzwesen einschließlich des Landschaftsschutzrecht, Forstrecht), Rechts der Buchführung und des Jahresabschlus-

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ses, steuerliches Revisionswesen, Aufstellung und biets umfaßt und dessen Erfolg durch mehrere Klau- steuerliche Behandlung von Bilanzen, suren bestätigt wird. Die Gesamtdauer des Lehrgangs muß mindestens drei Wochen betragen. 4. Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichts- barkeit. (2) Die Lehrgangsteilnahme soll regelmäßig nicht länger als zwei Jahre vor der Antragstellung liegen. Liegt sie länger als zwei Jahre zurück, ist eine ange- §5 messene zwischenzeitliche Fortbildung — in der Re- gel durch Teilnahme an Fortbildungskursen — nach- Für das Fachgebiet Arbeitsrecht sind besondere zuweisen. Kenntnisse nachzuweisen in den Bereichen (3) Ausnahmsweise kann der Nachweis anderweitig 1. Recht des Arbeits- und des Beruf sbildungsverhält- erworbener besonderer theoretischer Kenntnisse im nisses (Abschluß und Änderung des Arbeits- und Fachgebiet genügen, wenn diese mindestens das im Berufsbildungsvertrages, Inhalt des Arbeits- und jeweiligen Lehrgang vermittelte Wissen umfassen. Berufsbildungsverhältnisses, Beendigung des Ar- beits- und Berufsbildungsverhältnisses einschließ- lich Kündigungsschutz, Grundzüge des Arbeitsför- derungsgesetzes, Recht der betrieblichen Alters- §9 versorgung, Schutz besonderer Personengruppen, insbesondere der Schwangeren und Mütter, (1) Der Nachweis besonderer praktischer Erfahrun- Schwerbehinderten und Jugendlichen), gen ist in der Regel erbracht, wenn der Bewerber im Fachgebiet 2. kollektives Arbeitsrecht (Tarifvertrags-, Arbeits- kampf-, Mitbestimmungs- und Betriebsverfas- a) Verwaltungsrecht aus den in § 2 bestimmten Berei- sungsrecht), chen 80 Fälle, davon mindestens ein Drittel ge- richtliche Verfahren, 3. Verfahren vor den Gerichten der Arbeitsgerichts- barkeit. b) Steuerrecht 50 Fälle aus mehreren, in § 3 bestimm- ten Bereichen, davon mindestens ein Zehntel ge- §6 richtliche Verfahren, c) Arbeitsrecht 80 Fälle aus mehreren, in § 4 be- Für das Fachgebiet Sozialrecht sind besondere stimmten Bereichen, davon mindestens ein Drittel Kenntnisse nachzuweisen in den Bereichen gerichtliche Verfahren, 1. allgemeines Sozialrecht einschließlich Verwal- d) Sozialrecht 40 Fälle aus mehreren, in § 5 bestimm- tungsverfahren (Erstes und Zehntes Buch Sozialge- ten Bereichen, davon mindestens ein Drittel ge- setzbuch), richtliche Verfahren 2. Arbeitsförderungs- und Sozialversicherungsrecht als Rechtsanwalt selbständig bearbeitet hat. Die Be- (Krankenversicherung, Unfallversicherung, Ren- deutung einzelner Fälle (Beratungen, außergerichtli- tenversicherung), Recht der sozialen Entschädi- che und gerichtliche Tätigkeit) kann zu einer anderen gung bei Gesundheitsschäden und Recht des Fami- Gewichtung führen. lienlastenausgleichs, Recht der Eingliederung Be- hinderter, Sozialhilferecht, Ausbildungsförde- (2) Ausnahmsweise können die besonderen prakti- rungsrecht, schen Erfahrungen durch eine andere fachgebietsbe- zogene Tätigkeit nachgewiesen werden, wenn diese 3. Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichts- nach Umfang, Dauer und Inhalt dem in Absatz 1 ver- barkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit. langten Maßstab entspricht.

§7 § 10 (1) Zum Nachweis der besonderen theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen sind Zeug- (1) Kann der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer nisse, Bescheinigungen oder andere geeignete Unter- seine Stellungnahme gegenüber dem Vorstand nicht lagen vorzulegen. allein aufgrund der vom Rechtsanwalt vorgelegten schriftlichen Unterlagen abgeben, lädt er diesen zu (2) Bei Antragstellung muß der Bewerber in der einem Fachgespräch. Regel mindestens zwei Jahre als Rechtsanwalt tätig gewesen sein. (2) Bei dem Fachgespräch sind an den Rechtsanwalt Fragen aus dem Fachgebiet zu richten. Die auf den einzelnen Rechtsanwalt entfallende Befragungszeit §8 soll nicht weniger als 45 und nicht mehr als 60 Minu- ten betragen. (1) Der Nachweis der besonderen theoretischen Kenntnisse wird in der Regel erbracht durch die Teil- (3) Versäumt der Rechtsanwalt das Fachgespräch nahme an einem auf den Erwerb der jeweiligen Fach- ohne ausreichende Entschuldigung, ist der Nachweis anwaltsbezeichnung vorbereitenden Lehrgang, der der erforderlichen Kenntnisse als nicht erbracht anzu- die gesamten relevanten Teilbereiche des Fachge- sehen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/1710

§ 11 für Verwaltungsrecht, Steuerrecht, Arbeitsrecht oder Sozialrecht zu bezeichnen, bedürfen keines weiteren Für andere Personen, die Mitglied einer Rechtsan- Nachweises für die erforderlichen Kenntnisse auf die- waltskammer sind, gelten die §§ 1, 2, 4 bis 9 entspre- sen Gebieten. chend; soweit § 11 des Steuerberatungsgesetzes an- zuwenden ist, gilt auch § 3 entsprechend.

§12 § 13

Rechtsanwälte, die nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsgesetzes vom 13. September 1990 Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung (GBl. I S. 1504) berechtigt sind, sich als Fachanwalt in Kraft.

Bonn, den 4. Dezember 1991

Norbert Geis Dr. Dietrich Mahlo Horst Eylmann Herbert Helmrich Dr. Peter Paziorek Heinz Schemken Dr. Wolfgang Schäuble, Dr. Wolfgang Bötsch Dr. Karl H. Fell und Fraktion Ernst Hinsken Peter Kittelmann Detlef Kleinert (Hannover) Thomas Kossendey Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Karl-Josef Laumann Jörg van Essen Theo Magin Dr. Hermann Otto Solms und Fraktion Drucksache 12/1710 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines In § 42 d Abs. 1 sieht die BRAO den Erlaß einer Rechtsverordnung über die Anforderungen an den Nachweis der besonderen Kenntnisse und Erfahrun- Durch das Gesetz zur Änderung des Berufsrechts der gen des Bewerbers vor. Einer vom Bundeskabinett Notare und der Rechtsanwälte vom 29. Januar 1991 beschlossenen Rechtsverordnung (BR-Drucksache (BGBl. I S. 150) ist mit der Einfügung der §§ 42 a bis 381/91) bleibt die Zustimmung des Bundesrates ver- 42 d und 209, 210 Bundesrechtsanwaltsordnung sagt. Dieser äußerte „durchgreifende" verfassungs- (BRAO) für den Geltungsbereich der Bundesrechtsan- rechtliche Bedenken wegen der in § 42 d Abs. 1 BRAO waltsordnung eine gesetzliche Grundlage für die Füh- vorgesehenen Mitwirkung des Deutschen Bundesta- rung der Fachanwaltsbezeichnungen für das Steuer- ges. Infolgedessen bedarf es der gesetzlichen Rege- recht, das Verwaltungsrecht, das Arbeitsrecht und das lung der Anforderungen. Sozialrecht geschaffen worden. Das Rechtsanwalts- Der Entwurf orientiert sich an der bereits bewährten gesetz der Volkskammer vom 13. September 1990 Verleihungspraxis, die in den Kammerrichtlinien und (GB1. I Nr. 61 S. 1504), das in den neuen Bundeslän- den hierzu ergangenen Empfehlungen ihren Aus- dern fortgilt, hat dort ebenfalls die genannten vier druck gefunden hat. Wesentlich ist — neben der Defi- Fachanwaltsbezeichnungen eingeführt (§ 15 Rechts- nition der besonderen Kenntnisse — vor allem die nä- anwaltsgesetz). here Bestimmung der materiellen Bereiche, in denen für das jeweilige Fachgebiet besondere Kenntnisse Bislang wurden Fachanwaltsbezeichnungen auf- nachzuweisen sind. Insoweit übernimmt der Entwurf grund von Standesrichtlinien verliehen. Die Zusatzbe- die erfolgreich angewandten inhaltlichen Kriterien zeichnung „Fachanwalt für Steuerrecht" wurde be- der Kammerrichtlinien. An den im jeweiligen Fachge- reits 1930 als zulässig erachtet, wenn gegenüber der biet umfassenden Fächerkatalogen soll insbesondere Rechtsanwaltskammer die besonderen Kenntnisse im Hinblick auf die in der Diskussion befindliche Be- auf dem Gebiet des Steuerrechts nachgewiesen wor- fugnis zur Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten fest- den waren. Nachdem in der 10. Legislaturpe riode ein gehalten werden. Auch hinsichtlich der verfahrens- Gesetzentwurf, der Regelungen in der BRAO für die rechtlichen Fragen wird weitgehend auf die bewährte Vergabe von Fachgebietsbezeichnungen für das Ver- Praxis zurückgegriffen: Für den Nachweis der beson- waltungsrecht, Steuerrecht, Arbeits- und Sozialrecht deren theoretischen Kenntnisse ist in der Regel die vorsah (BT-Drucksache 10/3854), nicht verwirklicht Absolvierung eines vorbereitenden Lehrgangs vorge- wurde, stellte die Hauptversammlung der Bundes- sehen, wie ihn die Institutionen der Anwaltschaft seit rechtsanwaltskammer mit Beschluß vom 10. Oktober Jahren mit Erfolg veranstalten. Für den Nachweis der 1986 (BRAK-Mitt. 1986, 198) Richtlinien für die Ge- besonderen praktischen Erfahrungen werden — ne- stattung dieser vier Fachanwaltsbezeichnungen auf. ben einer Mindestzeit allgemeiner Berufstätigkeit als Hieran anknüpfend erarbeitete eine von den Organi- Rechtsanwalt — weiterhin bestimmte Fallzahlen in sationen der Anwaltschaft ausgerichtete Arbeits- und dem jeweiligen Fachgebiet verlangt. Schließlich wird Aussprachetagung Empfehlungen für eine gleichmä- — wie bisher — die Möglichkeit eines kurzen Fachge- ßige Anwendung der Richtlinien, insbesondere im sprächs vorgesehen, durch das der Ausschuß sich in Hinblick auf die Anforderungen an den Nachweis der Zweifelsfällen Klarheit verschaffen kann. besonderen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen (vgl. BRAK-Mitt. 1988, 34). Anhand dieser Kriterien Für den Geltungsbereich des Rechtsanwaltsgesetzes sind in größerer Zahl Fachanwaltsbezeichnungen ver- soll gesondert eine Verordnung ergehen, die inhalt- geben worden. Am 1. Januar 1991 gab es 2 137 Fach- lich weitgehend parallele Bestimmungen enthält. anwälte für Steuerrecht, 316 Fachanwälte für Verwal- Für Bund, Länder und Gemeinden entstehen keine tungsrecht, 952 Fachanwälte für Arbeitsrecht und Mehrbelastungen. Auswirkungen auf das allgemeine 196 Fachanwälte für Sozialrecht. Diese Vergabepra- Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreis- xis wurde durch den Beschluß des Bundesgerichtshofs niveau, sind nicht zu erwarten. vom 14. Mai 1990 (BGH NJW 1990 S. 1719) beendet, mit dem, ausgehend von den Beschlüssen des Bun- desverfassungsgerichts vom 14. Juli 1987 zu den B. Zu den einzelnen Vorschriften Grundsätzen des anwaltlichen Standesrechts (BVerfGE 76, 171, 196) die Fachanwaltsrichtlinien als Zu § 1 nicht ausreichende rechtliche Grundlage für die Ver- leihung von Fachanwaltsbezeichnungen bemängelt Die Vorschrift bestimmt den Zweck des Gesetzes. wurden. Diesen Mangel hat das Gesetz zur Änderung des Berufsrechts der Notare und der Rechtsanwälte vom 29. Januar 1991 behoben und — orientiert an der Zu § 2 bereits bewährten Praxis — eine gesetzliche Grund- lage für die bislang verliehenen Fachanwaltsbezeich- Das Führen einer Fachanwaltsbezeichnung setzt vor- nungen in der BRAO geschaffen. aus, daß der Rechtsanwalt besondere Kenntnisse

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(§ 42 a Abs. 1 Satz 1 BRAO) in dem fraglichen Rechts- Zu § 8 gebiet erworben hat. Diese liegen nach der Definition des Absatzes 1 vor, wenn die Kenntnisse des Rechts- Die besonderen theoretischen Kenntnisse werden anwalts auf dem Fachgebiet erheblich das Maß des- wie sich aus Absatz 1 ergibt — im Regelfall durch sen übersteigen, was die berufliche Ausbildung und die Teilnahme an einem speziellen Lehrgang erwor- die praktische Erfahrung im Beruf im Durchschnitt ben, der die gesamten, nach §§ 3 bis 6 im jeweiligen vermitteln. Fachgebiet abzudeckenden Teilbereiche umfassen muß. Hierdurch wird gewährleistet, daß dem Bewer- as- Absatz 2 trägt der besonderen Bedeutung des Verf ber zum Fachanwalt ein hohes Niveau von breiten sungsrechts Rechnung und schreibt vor, daß spezielle Fachkenntnissen vermittelt wird. Die Dauer des Lehr- Kenntnisse des Verfassungsrechts in dem für das je- gangs richtet sich nach dem Umfang der im jeweiligen weilige Fachgebiet erforderlichen Umfang zu den Fachgebiet zu vermittelnden Kenntnisse und muß nach Absatz 1 geforderten Kenntnissen gehören. — auch bei der Durchführung an Wochenenden — eine Gesamtdauer von mindestens drei Wochen (oder 120 Stunden) erreichen. Die bisherige Praxis hat ge- zeigt, daß zur Kenntnisvermittlung insbesondere in Zu §§ 3 bis 6 den Fachgebieten Steuerrecht und Verwaltungsrecht eine längere Lehrgangsdauer erforderlich ist. Um das Die Vorschriften bestimmen die Bereiche, in denen für Erreichen des Lehrgangsziels sicherzustellen, sind das jeweilige Fachgebiet besondere Kenntnisse nach- mehrere Klausuren vorgeschrieben, die bei Antrag- zuweisen sind. Im Hinblick darauf, daß zum einen im stellung ggf. dem Fachausschuß vorzulegen sind Interesse der Rechtsuchenden Sorge zu tragen ist für (§ 7 ). eine möglichst hohe Befähigung der sie beratenden und vertretenden Fachanwälte und zum anderen Derartige Lehrgänge werden seit Jahren — insbeson- auch unter Berücksichtigung der Belange der Anwalt- dere von den Organisationen der Anwaltschaft durch schaft die Berechtigung des werbenden Fachhinwei- das Deutsche Anwaltsinstitut und die Deutsche An- ses zu gewährleisten ist, wird eine erhebliche Breite waltsakademie — durchgeführt und haben sich in der im jeweiligen Fachgebiet abzudeckenden Teilbe- langer Praxis bewährt. reiche vorgeschrieben. Im einzelnen entsprechen die Absatz 2 soll gewährleisten, daß die durch den Lehr- aufgeführten Gebiete des materiellen Rechts weitge- gang vermittelten Kenntnisse aktuell sind. Daher wird hend den von den früheren Kammerrichtlinien aufge- vorgeschrieben, daß die Lehrgangsteilnahme zum stellten inhaltlichen Anforderungen, deren Fort- Zeitpunkt der Antragstellung regelmäßig nicht länger schreibung angesichts der mehrjährigen Vergabepra- als zwei Jahre zurückliegt. Ein länger zurückliegen- xis der Rechtsanwaltskammern, in denen sie sich be- der Lehrgang kann jedoch ausreichen, wenn der Be- währt haben, angezeigt erscheint. Darüber hinaus werber nachweist, daß er seine besonderen theoreti- werden — wie bisher — besondere Kenntnisse in den schen Kenntnisse in der Zwischenzeit in angemesse- jeweiligen Verfahrensordnungen der Verwaltungs-, ner Weise aktualisiert hat. Finanz-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit vorge- schrieben, die von einem Fachanwalt zu verlangen Absatz 3 bestimmt, daß im Ausnahmefall der Nach- sind. weis besonderer theoretischer Kenntnisse auch auf andere Weise geführt werden kann. Erforderlich ist jedoch, daß ein hoher Kenntnisstand in der gesamten, in §§ 3 bis 6 bestimmten Breite des Fachwissens nach- Zu § 7 gewiesen wird. In Betracht kommen kann dies etwa bei einer intensiven Betätigung in den maßgeblichen Absatz 1 regelt, wie die besonderen theoretischen Bereichen des Fachgebiets (z. B. im Rahmen einer Kenntnisse (§ 8) und praktischen Erfahrungen (§ 9) Lehrtätigkeit). gegenüber dem Fachausschuß nachzuweisen sind. Dies geschieht durch Vorlage von aussagekräftigen Zeugnissen, Bescheinigungen — etwa über die er- Zu § 9 folgreiche Teilnahme an einem Lehrgang — oder an- derer, geeigneter Unterlagen. Als solche kommen z. B. Veröffentlichungen, Dissertationen, Aktenaus- Der Fachanwaltsbewerber muß — neben einer gewis- züge oder Lehrgangsklausuren in Betracht sowie an- sen allgemeinen Berufserfahrung als Anwalt (§ 7 dere Unterlagen, aus denen sich in nachprüfbarer Abs. 2) — über besondere praktische Erfahrungen in Weise die besondere Qualifikation des Bewerbers er- der anwaltlichen Tätigkeit im Fachgebiet verfügen. gibt. Diese werden im Regelfall — Absatz 1 — durch eine bestimmte Anzahl von im Fachgebiet anwaltlich bear- Nach Absatz 2 setzt die Bewerbung als Fachanwalt beiteten Fällen nachgewiesen. Damit sichergestellt grundsätzlich eine mindestens zweijährige Tätigkeit ist, daß der Antragsteller auch forensische Erfahrung als Rechtsanwalt voraus. Hierdurch wird sicherge- in seinem Fachgebiet hat, muß ein bestimmter Anteil stellt, daß Fachanwalt nur wird, wer über eine wenig- gerichtlicher Verfahren vorliegen, zu denen insbeson- stens zweijährige allgemeine Berufserfahrung als An- dere im Arbeitsrecht auch Beschlußverfahren zählen. walt verfügt. Diese kann im Ausnahmefall auch auf Berücksichtigt werden nur solche Fälle, die der An- einer den anwaltlichen Aufgaben entsprechenden tragsteller als Rechtsanwalt selbständig bearbeitet Tätigkeit beruhen. hat.

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Die vorgeschriebenen Fallzahlen in den einzelnen Vorstand der Rechtsanwaltskammer abzugebende Fachgebieten orientieren sich an dem in der bisheri- Stellungnahme (§ 42b Abs. 1 BRAO) auch dann auf gen Verleihungspraxis der Rechtsanwaltskammern einer sicheren Grundlage abgeben kann, wenn die entwickelten Maßstab (vgl. die sogenannten „Bochu- vorgelegten schriftlichen Unterlagen — insbesondere mer Empfehlungen" — BRAK-Mitt. 1988, 34). Die dort zum Nachweis der besonderen theoretischen Kennt- angesetzten Zahlen sind — mit Ausnahme der ohne- nisse — hierfür nicht ausreichen. Nach den bisher ge- hin niedrigen Zahl im Sozialrecht — herabgesetzt wonnenen praktischen Erfahrungen hat sich die worden, um das Erreichen der notwendigen Fallzah- Durchführung des Fachgespräches in der Regel zu- len für junge Rechtsanwälte nicht zu schwer zu gestal- gunsten des Bewerbers ausgewirkt. ten. Absatz 2 regelt die Durchführung des Fachgesprächs, Die aufgeführten Fallzahlen gelten nicht absolut, viel- dessen Dauer der bewährten, bisherigen Praxis ent- mehr ist die Bedeutung der einzelnen Fälle sowie der spricht. Zeitraum, in dem diese bearbeitet wurden, mitzube- rücksichtigen und kann zu einer Mehr- oder Minder- Absatz 3 regelt die Folgen, wenn der Antragsteller anforderung von Fällen führen. So kann etwa die Ver- dem Fachgespräch ohne ausreichende Entschuldi- tretung in einem umfangreichen, rechtlich schwieri- gung fernbleibt. gen Verfahren mit dem Gewicht mehrerer Fälle zu Buche schlagen. Andererseits kann etwa einer Viel- zahl Bleichgelagerter, einfacher Verfahren nur ein ge- Zu § 11 ringeres Gewicht beizumessen sein; gleiches gilt, wenn die Bearbeitung der Mehrzahl der Fälle weit Die Vorschrift regelt die entsprechende Anwendung zurückliegt. der Verordnung für Rechtsbeistände, die nach § 209 Nach Absatz 2 kann im Ausnahmefall die besondere BRAO Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer gewor- praktische Erfahrung auch anders nachgewiesen wer- den sind. den, wenn der in Absatz 1 zugrunde gelegte Maßstab erreicht wird. Zu denken ist etwa an eine Tätigkeit als Syndikusanwalt, Richter oder Beamter im Fachgebiet. Zu § 12 Die in § 7 Abs. 2 vorgeschriebene allgemeine Berufs- erfahrung als Rechtsanwalt wird davon nicht be- Die Vorschrift regelt die Gleichstellung von Rechts- rührt. anwälten, die nach den Bestimmungen des Rechtsan- waltsgesetzes die Befugnis zum Führen einer Fachan- waltsbezeichnung erworben haben. Zu § 10

Die Bestimmung eröffnet dem Ausschuß die Möglich- keit, in Zweifelsfällen ein kurzes Fachgespräch mit Zu§ 13 dem Antragsteller durchzuführen. Hierdurch wird ge- währleistet, daß der Ausschuß seine gegenüber dem Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.