„Uni Wimbach“ Die Nürburgring-Schule mit Förderschwerpunkt Lernen

Udo Stratmann

ls sich 1972 die Schulreform in Rheinland- Grund- und Hauptschulen, wurden in einigen APfalz, bei der die meisten kleinen Schulen Dörfern die Anfang der sechziger Jahre gebau- aufgelöst wurden, dem Ende zu neigte, ent- ten Schulgebäude frei. Hier bot sich die unweit deckte man hoch im Norden des Bundeslandes von in Wimbach gelegene ehemalige noch einen weißen sonderpädagogischen Volksschule als künftige Förderschule an. Die- Fleck. Die Verbandsgemeinde Adenau war bis se verfügte über drei Klassen- und einige Ne- dahin mit allen Schularten versehen worden, benräume nebst einem Lehrerwohnhaus. Der aber eine Sonderschule fehlte noch. Nicht dass Kreis als Schulträger und die dama- eine solche Schule hier nicht erforderlich ge- lige Bezirksregierung Koblenz als Schulbehör- wesen wäre, nein, das Gesetz sah eben erst seit de entschlossen sich, dort die erste Sonder- einiger Zeit vor, dass alle Schüler in Rhein- schule im Adenauer Raum zu eröffnen. In der land-Pfalz mit einer Behinderung in einer be- Nähe des Schulzentrums in Adenau sollte dann sonderen Schule entsprechend gefördert werden nach damaligen Vorstellungen später ein Neu- sollten. Im Raum Adenau war deshalb daran ge- bau für die Förderschule entstehen. dacht, eine Schule für Lernbehinderte zunächst mit einer Klasse einzurichten und diese dann je Aufbau der Schule nach Bedarf bis auf drei oder vier Klassen auf- Mit dem Aufbau der Schule wurde die erfahre- zustocken. ne Pädagogin Margot Ries betraut. Die umliegenden Grundschulen wurden ange- Standortsuche wiesen, die Kinder zu melden, die trotz inter- Am Anfang stand die Standortsuche. Durch die ner Förderung dem Stoff der Grundschule Umwandlung der Volksschulen zu zentralen nicht gewachsen waren. Das waren vor allem

Das Gebäude der Nürburgring-Schule in Wimbach, 2008

66 ◆ Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2009 Kinder, die zweimal hintereinander in der glei- chen Klasse dem Unterricht nicht folgen konn- ten oder bei zwei aufeinander folgenden Klas- sen jeweils das Klassenziel nicht erreicht hat- ten. Nach einer Vorauswahl begann die sonder- pädagogische Überprüfung, bei der Margot Ries von Dieter Stein unterstützt wurde, der sich als Volksschullehrer für das Sonderschul- studium angemeldet hatte und nun ein sechs- wöchiges Praktikum an einer Sonderschule ab- leisten musste. Zum Verfahren gehören auch heute noch ein ausführliches Gespräch mit den Eltern sowie einige Testverfahren. Neben einem Intelligenz- test und einem Test, der die Schulleistung des Kindes neutral erfassen soll, müssen die Kinder auch einen Mann zu zeichnen. Daraus lässt sich feststellen, in welchem Entwicklungsalter Die Schule ist großzügig mit Laptops ausge- sich das Kind befindet. Dies kann dann in Re- stattet. lation zum Lebensalter gesetzt werden. Ein weiteres Gespräch mit den Eltern und der an- konnte sie aber am 18. September 1972 den Un- meldenden Schule sowie ein ärztliches Gut- terricht mit 23 Kindern in Wimbach aufnehmen. achten des Gesundheitsamtes sollen zusätzlich Unterstützt wurde sie dabei zunächst von Frau klären, ob die weitere Beschulung in einer Ursula Schmitz, die den Handarbeitsunterricht Sonderschule erfolgt. übernahm, den sie zuvor schon an der Volks- Es kann aber auch festgestellt werden, dass ei- schule in Wimbach erteilt hatte. ne Förderung an der Grundschule unter beson- deren Auflagen empfohlen wird. Chancen Werden bei dem getesteten Kind keine körper- Früher gab es in nahezu jedem Dorf Kinder, die lichen Gebrechen oder eine geistige Behinde- über die zweite oder dritte Klasse nicht hinaus- rung festgestellt, so konnte oder kann es die kamen und die Schule verließen, ohne richtig Schule für Lernbehinderte (Sonderschule) in lesen, schreiben oder rechnen zu können. Wimbach besuchen. Die Eröffnung der Förderschule in Wimbach eröffnete für Kinder mit Lernbehinderung im Vorurteile Raum Adenau die Chance zu einer ihnen Dieser Schritt war für Kinder und Eltern be- gemäßen Beschulung. sonders in der Anfangszeit oft nicht einfach, Durch die besondere Förderung in kleinen denn die „Hilfsschulen“, wie sie damals noch Gruppen mit einem besonderen Lehrplan und vielfach im Volksmund genannt wurden, hat- speziell ausgebildeten Lehrern sollten diese ten nicht den besten Ruf. Das kam daher, dass Kinder nun möglichst nahe an die Berufsreife vor allem in großen Städten diese Schulart oft herangeführt werden und möglichst auch noch ein Sammelbecken von Kindern aus sozial- einen Beruf erlernen. schwachen Familien und Kindern mit schweren Die Schule wurde in den Folgejahren weiter Verhaltensauffälligkeiten war. Gegen dieses ausgebaut, das Lehrerkollegium um die Son- Vorurteil, das sich leider auch heute noch in vie- derschullehrer Udo Stratmann (ab 1973) und len Köpfen gehalten hat, galt es nun an- Dieter Stein (ab 1974) erweitert. So wurden im zukämpfen. Hier musste die Schulleiterin Mar- Schuljahr 1973/74 39 Schüler in zwei Klassen got Ries wahre Pionierarbeit leisten. Schließlich unterrichtet.

Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2009 ◆ 67 1974/75 waren es 54 Kinder in drei Klassen. Bei mit der Sonderschule in zusammen- weiter wachsenden Schülerzahlen wurde im legen, um dem Schulgesetz gerecht zu werden, Schuljahr 1976/77 die Schule vorübergehend welches bis dahin nur vierklassige Sonder- vierklassig, wobei aus Raummangel die vierte schulen vorsah. Seitens der Schule setzte man Klasse im ehemaligen Lehrerwohnhaus unter- jedoch alles daran, selbständig zu bleiben. Ei- gebracht wurde, wo sich mittlerweile auch ein gens für die Wimbacher Schule wurde darauf- Werkraum und eine Schulküche mit 6 Arbeits- hin 1985 das Schulgesetz geändert, so dass im plätzen befand, denn praktische Bildung wur- ländlichen Raum auch in Ausnahmefällen klei- de an Lernbehindertenschulen schon immer nere Schuleinheiten möglich waren. groß geschrieben. Es zeigte sich, dass viele Schülerinnen und Namensgebung Schüler in der Praxis besser waren als in der Zwischenzeitlich kam der Wunsch auf, der Theorie. Diese Tatsache half dabei als es hieß, Schule einen Namen zu geben. Der damalige die abgehenden Schüler im Berufsleben unter- Begriff „Schule für Lernbehinderte (Sonder- zubringen. Hohes Lob verdienen in diesem Zu- schule)“ hatte nämlich mittlerweile einen ne- sammenhang die Betriebe im Adenauer Land, gativen Beigeschmack bekommen. Entweder denn viele waren bereit, den Schülern, die in sollte eine berühmte Persönlichkeit, die einen Wimbach den Schulabschluss erreicht hatten, Bezug zur Schule oder zur Schulart hat, als Na- eine berufliche Chance zu geben. So schafften mensgeber dienen oder es sollte sich ein Bezug es viele ehemalige Sonderschüler sich in ver- zur Region im Namen wiederfinden. Die Ent- schiedenen Handwerksberufen zu etablieren, z. scheidung fiel auf einen Namen mit regiona- B. als Schreiner, Bäcker, Metzger, Anstreicher, lem Bezug: den Nürburgring. Schüler und Leh- KFZ-Mechaniker oder Polsterer. Sie nutzten ih- rer kennen und erleben den Nürburgring ja un- re beruflichen Chancen, machten eine Ausbil- mittelbar. Bei Rennveranstaltungen kann man dung und arbeiten teils immer noch in diesen die Motorengeräusche sogar bis in die Klassen Betrieben. hören. Leider ist das heute schwieriger geworden. Das Nachdem die Bezirksregierung, der Kreis Ahr- Angebot an Ausbildungsplätzen ist kleiner und weiler und auch die Nürburgring GmbH der die Anforderungen sind größer, wodurch die Namensgebung zugestimmt hatten, wurde die Konkurrenz unter den Schulabgängern der Schule 1998 auf den Namen „Nürburgring- verschiedenen Schularten verschärft wurde. Schule“ getauft. Dem versucht man dadurch gerecht zu werden, dass die Schulzeit für Schüler ohne Arbeits- Aktuelle Situation oder Ausbildungsplatz um ein Jahr verlängert Die Nürburgring-Schule ist seit einigen Jahren wurde. Dadurch gab es auch die Möglichkeit für mit rund 40 Schüler vierklassig. Die Vorausset- Schüler, die ihre 9 Schuljahre in Wimbach ab- zung hierfür schuf eine Änderung der Klassen- geschlossen hatten mit einem zehnten Schul- messzahlen. jahr entweder in einem Berufsvorbereitungs- Aus der Schule für Lernbehinderte (Sonder- jahr an der Berufsbildenden Schule oder in ei- schule) wurde die Schule mit dem Förder- nem freiwilligen 10. Schuljahr an der Don- schwerpunkt Lernen (Förderschule). Die Verle- Bosco-Schule in Bad Neuenahr-Ahrweiler den gung der Schule nach Adenau ist längst kein Hauptschulabschluss nachzuholen. Diese Gele- Thema mehr. Zwischenzeitlich wurde das genheiten wurde von vielen Schülern genutzt, Schulgebäude auch vom Kreis Ahrweiler ange- da sie so bessere Aussichten auf dem Arbeits- kauft. markt hatten. Nachdem Margot Ries 1985 in den Ruhestand Im Laufe der Jahre gab es immer wieder Pläne, trat, wurde Udo Stratmann Schulleiter. Zum die Schule nach Adenau zu verlegen. Auch Lehrerkollegium gehören weiterhin die erfah- wollte man zu Zeiten der Dreiklassigkeit seitens renen Sonderpädagogen Dieter Stein, Hilde- der Bezirksregierung die Wimbacher Schule gard Henneberger und Bernd Wagner. In jün-

68 ◆ Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2009 gerer Zeit kamen noch die Förderschullehre- und hat im Rahmen des Schulbauprogramms rinnen Kirsten Ermeling und Sabine Pommere- einen vierten Klassenraum angebaut, denn In- ning hinzu . vestitionen in die Schulen sind ja stets gute Zu den Aufgaben der Förderschule in Wim- Anlagen für die Zukunft. bach gehört auch die integrierte Förderung, Nach dem Aufbau einer Solaranlage, der In- wobei Kinder mit vorübergehenden Lern- stallation einer Wärmepumpe, dem Einbau von störungen in ihren Grundschulklassenverbän- neuen Isolierglasfenstern und der rundum den gefördert werden: Sie werden in ihrem je- Außendämmung ist das Schulgebäude zudem weiligen Klassenverband gefördert. Das Kolle- effektiv und umweltfreundlich gegen die Eifel- gium der Nürburgring-Schule steht außerdem kälte gesichert. den Grundschulen immer beratend zur Seite. Die kleine Schule in der Hocheifel mit dem För- Die Nürburgring-Schule liegt idyllisch am derschwerpunkt Lernen trägt als Nürburgring- Berghang des Wimbachtales. Sie ist räumlich Schule einen großen Namen. Im Volksmund und materiell sehr gut ausgestattet. Der Kreis wird sie oft sogar liebevoll „Uni Wimbach“ ge- Ahrweiler als Schulträger ist schulfreundlich nannt.

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