Inhaltsverzeichnis Plenarprotokoll 17/241

Deutscher

Stenografischer Bericht

241. Sitzung

Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Inhalt:

Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) ...... 30533 B neten ...... 30519 A Begrüßung des neuen Abgeordneten Gerhard Tagesordnungspunkt 53: Drexler ...... 30519 A a) Erste Beratung des von den Fraktionen der Absetzung des Tagesordnungspunktes 52 . . . 30519 B CDU/CSU und FDP eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertra- Tagesordnungspunkt 51: gung besonderer Aufgaben im Zusam- a) Abgabe einer Regierungserklärung durch menhang mit der Aufsicht über Kreditin- den Bundesminister für Umwelt, Natur- stitute auf die Europäische Zentralbank schutz und Reaktorsicherheit: Nukleare (Drucksachen 17/13470, 17/13523, Entsorgung im Konsens regeln ...... 30519 B 17/13539) ...... 30534 C b) Erste Beratung des von den Fraktionen der b) Zweite und dritte Beratung des von der CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/ Bundesregierung eingebrachten Entwurfs DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs ei- eines Gesetzes zur Abschirmung von nes Gesetzes zur Suche und Auswahl ei- Risiken und zur Planung der Sanierung nes Standortes für ein Endlager für und Abwicklung von Kreditinstituten Wärme entwickelnde radioaktive Ab- und Finanzgruppen fälle und zur Änderung anderer Gesetze (Drucksachen 17/12601, 17/13035, (Standortauswahlgesetz – StandAG) 17/13523, 17/13539) ...... 30534 D (Drucksache 17/13471) ...... 30519 B , Bundesminister in Verbindung mit BMU ...... 30519 C Stephan Weil, Ministerpräsident Zusatztagesordnungspunkt 9: (Niedersachsen) ...... 30523 B Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- (FDP) ...... 30524 C nanzausschusses zu dem Antrag der Fraktio- Dorothée Menzner (DIE LINKE) ...... 30525 D nen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Ein neuer Anlauf zur Bändigung der Dr. (CDU/CSU) ...... 30527 B Finanzmärkte: Erpressungspotenzial ver- ringern – Geschäfts- und Investmentban- Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 30529 A king trennen (Drucksachen 17/12687, 17/13523, 17/13539) 30534 B (FDP) ...... 30530 B Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär (SPD) ...... 30530 D BMF ...... 30535 A (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . 30532 A (Erfurt) (SPD) ...... 30536 C II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Manfred Zöllmer (SPD) ...... 30537 B (CDU/CSU) ...... 30559 B Dr. (FDP) ...... 30538 D (SPD) ...... 30562 A Dr. (BÜNDNIS 90/ Dr. (FDP) ...... 30563 C DIE GRÜNEN) ...... 30539 D Raju Sharma (DIE LINKE) ...... 30564 A Dr. (DIE LINKE) ...... 30540 C (Köln) (BÜNDNIS 90/ Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 30565 C DIE GRÜNEN) ...... 30541 D (CDU/CSU) ...... 30543 A Zusatztagesordnungspunkt 10: Dr. (SPD) ...... 30544 C Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion Björn Sänger (FDP) ...... 30546 B DIE LINKE: Haltung der Bundesregierung beim Verkauf der TLG ...... 30566 C (CDU/CSU) ...... 30548 D (DIE LINKE) ...... 30566 D (CDU/CSU) ...... 30568 A Tagesordnungspunkt 54: Hans-Joachim Hacker (SPD) ...... 30569 A Antrag der Abgeordneten , Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) ...... 30570 B Angelika Krüger-Leißner, (Peine), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der (BÜNDNIS 90/ SPD: Moderne Mitbestimmung für das DIE GRÜNEN) ...... 30571 B 21. Jahrhundert Dr. , Parl. Staatssekretär (Drucksache 17/13476) ...... 30549 C BMI ...... 30572 C (SPD) ...... 30549 D Andrea Wicklein (SPD) ...... 30573 D Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . 30550 D (DIE LINKE) ...... 30574 D (DIE LINKE) ...... 30552 B (CDU/CSU) ...... 30576 A (FDP) ...... 30553 B Iris Gleicke (SPD) ...... 30577 C

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ Dr. Michael Luther (CDU/CSU) ...... 30579 B DIE GRÜNEN) ...... 30555 A Stefanie Vogelsang (CDU/CSU) ...... 30580 C Dr. (CDU/CSU) ...... 30556 A (SPD) ...... 30557 D Nächste Sitzung ...... 30581 D

Berichtigung ...... Tagesordnungspunkt 55: 30582 A Beschlussempfehlung und Bericht des Innen- ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Anlage 1 Raju Sharma, , , weite- Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 30583 A rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Demokratie stärken, Lobbyismus verhin- dern und Parteienfinanzierung transparen- Anlage 2 ter gestalten (Drucksachen 17/9063, 17/13530) ...... 30559 A Amtliche Mitteilungen ...... 30583 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30519

(A) (C)

241. Sitzung

Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Beginn: 9.00 Uhr

Vizepräsident Dr. h. c. : Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung Sitzung ist eröffnet. eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gratuliere ich dem Kollegen Johannes Singhammer nachträglich Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat zu seinem 60. Geburtstag, den er in den vergangenen Ta- der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reak- gen gefeiert hat. Alle guten Wünsche im Namen des torsicherheit, Peter Altmaier. Bitte schön. ganzen Hauses! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall) Peter Altmaier, Bundesminister für Umwelt, Natur- Für den am 12. Mai verstorbenen Kollegen Dr. Max schutz und Reaktorsicherheit: Stadler ist der Kollege Gerhard Drexler nachgerückt. (B) Im Namen des ganzen Hauses begrüße ich den neuen Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und (D) Kollegen sehr herzlich und wünsche eine gute Zusam- Herren! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit der menarbeit. heutigen ersten Lesung des Standortauswahlgesetzes zur Endlagerung hochradioaktiver Abfälle schlagen wir ein (Beifall) neues Kapitel in der langen und zugleich auch wechsel- vollen Kernenergiepolitik unseres Landes auf. Es wird Liebe Kolleginnen und Kollegen, interfraktionell ist eines der letzten Kapitel sein. Wir wollen und wir wer- vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 52 abzuset- den dieses Kapitel gemeinsam gestalten. zen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. In Deutschland hat man sich frühzeitig, früher als in vielen anderen Ländern, die Kernkraftwerke gebaut und Ich rufe die Tagesordnungspunkte 51 a und 51 b auf: betrieben haben, mit der Frage der sicheren Entsorgung a) Abgabe einer Regierungserklärung durch den beschäftigt. Der Standort Gorleben wurde nach den da- Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Re- maligen Vorstellungen ausgewählt. Es wurde mit der Er- aktorsicherheit kundung des Salzstocks begonnen; aber ein Endlager haben wir bis zum heutigen Tage nicht. Die Entschei- Nukleare Entsorgung im Konsens regeln dungen waren fachlich und politisch umstritten. Nie ist es gelungen, einen Konsens, eine allgemein akzeptierte b) Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/ Lösung zu gestalten. Damit gehört die 30-jährige De- CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- batte über diese Frage zu den großen, aber nicht unbe- NEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur dingt zu den vorbildlichen Debatten in der Geschichte Suche und Auswahl eines Standortes für ein der alten Bundesrepublik und des wiedervereinigten Endlager für Wärme entwickelnde radioak- Deutschlands. tive Abfälle und zur Änderung anderer Ge- setze (Standortauswahlgesetz – StandAG) Nach einem jahrzehntelangen Streit und gesellschaft- lichen Konflikten in der Frage, wo und wie radioaktive – Drucksache 17/13471 – Abfälle langzeitsicher entsorgt werden können, ist der Überweisungsvorschlag: nun erzielte Konsens ein historischer Durchbruch. Er Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f) folgt dem breiten Konsens aus dem Jahre 2011 über den

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie schrittweisen Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Kernenergie bis zum Jahre 2022. Damit geht das Zeital- Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO ter der Kernenergie in Deutschland definitiv zu Ende. 30520 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Bundesminister Peter Altmaier (A) Egal wie man in den letzten Jahren zur friedlichen Nut- Die Herausforderung ist groß. Der Ministerpräsident (C) zung der Kernenergie stand oder wie man heute dazu von Baden-Württemberg, Herr Ministerpräsident steht, egal welche Überzeugungen auf den unterschiedli- Kretschmann, hat pointiert von einem Gesetz nicht für chen Seiten dieses Hauses vorherrschten: Es gibt heute die nächsten drei, sondern für die nächsten 300 000 einen breiten, einen soliden, einen parteiübergreifenden Jahre gesprochen. Ich weiß nicht, ob wir ein Mandat ha- Konsens, dass die Kernenergie für die Energieversor- ben, das so weit reicht, und ich weiß nicht, ob man die gung der Zukunft in Deutschland keine Option mehr dar- Geschichte so weit vorhersehen kann. Wir haben aber stellt. Es ist wichtig, dass wir diesen Konsens über alle die Verantwortung, heute Entscheidungen zu treffen, die kontroversen Debatten hinweg aufrechterhalten und uns in den nächsten 300 000 Jahren keine Probleme ma- nach außen sichtbar machen. chen; wir, unsere Generation, müssen dieser Verantwor- tung gerecht werden. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dies entspricht auch dem Wunsch der großen Mehr- Das haben wir übrigens mit dem Gesetz zur Be- heit der Menschen in Deutschland, wie Umfragen immer schleunigung der Rückholung radioaktiver Abfälle aus wieder zeigen. Ein jahrzehntelanger tiefer Konflikt in der Schachtanlage Asse II, dem Asse-Gesetz, getan, das Politik und Gesellschaft, vermutlich der größte und am 25. April 2013 in Kraft getreten ist. Auch dort geht längste in der Nachkriegsgeschichte unseres Landes, ist damit gelöst worden, ein Konflikt, der unsere Gesell- es darum, eine schwärende Wunde in der Natur zu be- schaft auch gespalten und die Politik manchmal gera- handeln und eines Tages hoffentlich zu schließen, sodass dezu gelähmt hat, ein Konflikt, der mit heftigen Demon- wir unserer Verpflichtung für künftige Generationen ge- strationen, großen Polizeiaufgeboten und leider recht werden. Ich möchte deshalb allen Beteiligten dan- manchmal auch mit Gewalt und Verletzten einherging. ken, die diesen Konsens durch ihre konstruktive Mitwir- Brokdorf, Wackersdorf, Gorleben – alle hier im Saal kung und ihre Kompromissbereitschaft ermöglicht wissen, wovon ich spreche. Deshalb liegt es mir am Be- haben. Wir setzen ein wichtiges Signal dafür, dass die ginn der Beratungen auch am Herzen, all den friedlichen Politik trotz allen notwendigen Streites in elementaren Demonstranten, die jahre- und oftmals jahrzehntelang Fragen zusammenfinden und gemeinsam tragfähige und für ihre Überzeugung gekämpft haben, aber auch den zukunftsfähige Lösungen zum Wohle der Bürgerinnen vielen Tausend Polizisten, die all die Jahre unter Einsatz und Bürger beschließen kann. ihres Lebens und ihrer Gesundheit für Sicherheit und Die Bemühungen um ein Endlager reichen lange zu- Rechtsstaatlichkeit gesorgt haben, meinen Respekt und rück, die Bemühungen um einen Konsens ebenfalls. Mir meine Hochachtung auszusprechen. Herzlichen Dank! (B) liegt daran, heute vor allen Dingen die Arbeit zu würdi- (D) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie gen, die unmittelbar zu diesem Gesetzentwurf geführt bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- hat. Deshalb werden Sie verstehen, dass ich ganz beson- NISSES 90/DIE GRÜNEN) ders Herrn Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg und meinem unmittelbaren Wenn wir uns die Dimension dieses Konfliktes vor Vorgänger, Norbert Röttgen, dafür danken möchte, dass Augen halten, dann wird klar, dass die Einigung in der sie im November 2011 die Initiative ergriffen haben, um Endlagerfrage, die wir am 9. April 2013 erzielt haben, in dieser so wichtigen Frage zu einer Lösung zu kom- mit Fug und Recht als Durchbruch bezeichnet werden men. darf. Einige der Teilnehmer, die nicht meiner Partei an- gehören, sprachen sogar von einem historischen Durch- (Beifall des Abg. Jürgen Trittin [BÜND- bruch. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Das Erreichte NIS 90/DIE GRÜNEN]) hat nicht nur für die Gegenwart Bedeutung. Es wirkt vor allem für unsere Zukunft; denn Maßstab des politischen Auch wenn es länger gedauert hat, als damals einige Handelns heute müssen Sicherheit und Lebensqualität glaubten: Es war wichtig, dass Sie, lieber Herr Röttgen, der nach uns kommenden Generationen sein. Darum und Sie, lieber Herr Kretschmann, den Mut hatten, auch muss die Generation, die das Problem verursacht hat, es in den eigenen Reihen für diesen Konsens zu werben, auch lösen. Sie muss zumindest die Lösung auf den Weg weil es ohne das Springen über den eigenen Schatten bringen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir das Problem nicht möglich gewesen wäre, zu einer Lösung zu kom- der Endlagerung hochradioaktiver Abfälle heute für die men, die für alle akzeptabel ist. Dafür ganz herzlichen Zukunft gemeinsam anpacken, und zwar partei- und Dank! fraktionsübergreifend. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem Im Übrigen: Wir haben diese Gespräche in einer Zeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- geführt, in der wir uns auch auf eine wichtige Wahlent- geordneten der SPD) scheidung vorbereiten. Dass alle Beteiligten sehr kon- krete, aber zum Teil sehr unterschiedliche Vorstellungen Ich möchte mich bei meinen weiteren Vorgängern darüber haben, wie diese Wahlentscheidung ausfallen bedanken, bei und Jürgen Trittin, mit de- wird, muss nicht negativ sein. Wahrscheinlich ist es so- nen ich in den Sommermonaten in manchen Gesprächen gar positiv, wenn es darum geht, gemeinsam etwas auf und Diskussionen versucht habe, das, was Winfried die Beine zu stellen, was die Wahlauseinandersetzungen Kretschmann und Norbert Röttgen vorbereitet hatten, in übersteht. eine konsensfähige finale Fassung zu bringen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30521

Bundesminister Peter Altmaier (A) Ich möchte mich auch bei den Verantwortlichen des Deutschland verantwortlich sind, wollen und werden wir (C) Landes Niedersachsen bedanken. Ich habe einmal ge- auch in Deutschland entsorgen. sagt, Niedersachsen sei ein Premiumpartner bei der Su- (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem che nach einem Endlager; denn alle vorhandenen, ge- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- nehmigten und erkundeten möglichen Endlager befinden geordneten der SPD) sich in Niedersachsen: die Asse, Schacht Konrad und eben auch Gorleben. Deshalb war es wichtig, diese Ar- Mit dem Standortauswahlgesetz wird ein Fahrplan für beit in enger Zusammenarbeit mit der Niedersächsischen die Endlagersuche erstmals auf eine gesetzliche Grund- Landesregierung voranzutreiben. Ich möchte mich für lage gestellt. Wir haben das Endlager noch nicht, wir su- die sehr konstruktive Zusammenarbeit bei David chen es erst. Aber es ist ein Paradigmenwechsel, weil es McAllister und Stefan Birkner bedanken. Ich habe mich bisher in vielen Fällen darum ging, ein Endlager zu ver- bemüht, diese Zusammenarbeit mit Stefan Wenzel und hindern. Jetzt geht es darum, ein Endlager zu finden. Da- Stephan Weil fortzusetzen, und bin froh und erleichtert, mit haben sich die Voraussetzungen grundlegend geän- dass es gelungen ist, gerade auch in Niedersachsen Ver- dert. Wir werden deshalb mit diesem Gesetz ein ständnis für den Prozess zu finden, den wir vor über ei- gestuftes Standortauswahlverfahren neu einrichten. Wir nem Jahr auf die Schiene gesetzt haben. wollen den bestmöglichen, bestgeeigneten Endlager- standort mit Blick auf die Sicherheit der Endlagerung, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) die Sicherheit der Menschen, die Sicherheit der Natur und der Umgebung erreichen. Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auch bei all denen bedanken, die in den letzten Jahrzehnten dafür Die Standortsuche erfolgt nach dem Prinzip der wei- gesorgt haben, dass die Kernkraftwerke in Deutschland ßen Landkarte. Das heißt, es gibt keine Vorfestlegungen die sichersten in der Welt waren und immer noch sind. auf bestimmte Gesteinsformationen, aber auch nicht den Das hat der Bericht der Reaktor-Sicherheitskommission Ausschluss einzelner Standorte. Dies gilt für das Erkun- noch einmal bestätigt. Das ist kein Grund, sich zurück- dungsbergwerk Gorleben. Das gilt aber auch für jeden zulehnen. Das ist kein Grund, in den Anstrengungen anderen denkbaren Standort in der Republik. nachzulassen. Aber es ist eine beeindruckende Leistung. Die Endlagersuche ist zugleich demokratisch legiti- Ich sage das, weil es mir wichtig ist, deutlich zu machen: miert, transparent und nachvollziehbar. Sie erfolgt in ei- Der Ausstieg aus der Kernenergie bedeutet nicht, dass nem transparenten Prozess mit breiter Beteiligung der die Lebensleistung all derer, die über Jahrzehnte für die Bürgerinnen und Bürger. Das ist mir besonders wichtig, Sicherheit von Kernanlagen gesorgt haben, nicht aner- und das habe ich zum Ausdruck gebracht, als ich am kannt würde, ganz im Gegenteil. Ich schließe auch die (B) 22. Januar im Wendland mit über 500 Bürgerinnen und (D) Bergleute und die Wissenschaftler in Gorleben sowie die Bürgern, die zum Teil seit vielen Jahren in dieser Frage Beschäftigten in den Kernkraftwerken in diesen Dank aktiv sind, einen ganzen Abend lang diskutiert habe. Mir ein. Ich weiß, vor uns allen liegen noch große und her- ist wichtig, dass wir Vertrauen und Akzeptanz dadurch ausfordernde Aufgaben beim Rückbau der Anlagen. schaffen, dass wir Transparenz herstellen und gewähr- leisten; denn wir müssen auch verloren gegangenes Ver- Vertrauen und Sicherheit, das ist der Kompass beim trauen wieder zurückgewinnen. Deshalb wollen wir mit Umgang mit dem Ausstieg aus der Kernenergie. Mit die- dem Gesetz Lösungen erreichen, die, so weit es geht, sem Kompass ist der Ausstieg bisher eine Erfolgsge- den Belangen aller Betroffenen gerecht werden: denen, schichte. Wir haben acht Kernkraftwerke abgeschaltet. die sich im Wendland seit 30 Jahren mit dieser Frage Parallel dazu ist ein nationaler Aktionsplan erarbeitet auseinandersetzen, aber auch denen in allen anderen Tei- worden, um die Robustheit der noch laufenden Kern- len der Republik, die sich Gedanken darüber machen, ob kraftwerke zu erhöhen. Die Stromversorgung ist bisher eventuell demnächst in einigen Jahren bei ihnen konkret gesichert, weil wir eine solide Grundstruktur unserer nach einem Standort für ein Endlager gesucht wird, das klassischen Energieversorgung haben. Zugleich haben dann vielleicht auch eines Tages gebaut werden soll. wir die erneuerbaren Energien in den letzten Jahren schneller und deutlicher ausgebaut, als viele es für mög- So wollen wir bis zum Ende des Jahres 2031 in einem lich gehalten hätten. Deutschland ist und bleibt ein Land, schrittweise auf der Basis fachlich begründeter und wis- das Elektrizität exportiert, nicht importiert. senschaftlicher Kriterien basierenden Prozess den Stand- ort für ein Endlager suchen. Es wird oft darüber disku- Vertrauen und Sicherheit, das ist der Kompass für die tiert, ob dieser Termin, 2031, zu lang oder zu kurz Energiewende; es ist aber auch der Kompass für das gegriffen ist. Das kann zum jetzigen Zeitpunkt niemand Standortauswahlgesetz. Dabei leitet uns ein Grundsatz, wissen. Aber wenn es richtig ist, dass wir in unserer Ge- der uns alle eint: Die in Deutschland angefallenen Ab- neration den Grundstein für eine Lösung der Endlager- fälle müssen auch in Deutschland entsorgt werden; das frage legen wollen – das haben Sie eben alle mit Ihrem gebietet das Prinzip der nationalen Verantwortung. Des- Beifall unterstützt –, dann können wir auch die Entschei- halb haben wir bei der Erreichung unseres großen Kon- dung über den Endlagerstandort nicht beliebig lange vor senses vereinbart, dass wir nach der Bundestagswahl bei uns herschieben. Dann werden wir irgendwann um die der Umsetzung der entsprechenden europäischen Richt- Jahreswende 2030 zu einer solchen Entscheidung kom- linie noch einmal ganz klar zum Ausdruck bringen wer- men müssen. Wir werden sie übrigens umso eher treffen den, dass für uns eine Entsorgung dieser Abfälle im Aus- können, je weniger das Verfahren angreifbar ist. Deshalb land nicht in Betracht kommt. Die Abfälle, für die wir in habe ich mit Ministerpräsident Weil und mit Umwelt- 30522 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Bundesminister Peter Altmaier (A) minister Wenzel in sehr intensiven persönlichen Gesprä- Wer über die Endlagersuche spricht, kann über die (C) chen darüber diskutiert, wie man die Einbeziehung der Kosten nicht schweigen. Für mich ist klar: Die Kosten Öffentlichkeit und die Transparenz so herstellen kann, des Auswahlverfahrens müssen von den Abfallverursa- dass wir verlorenes Vertrauen zurückgewinnen und dass chern getragen werden. Das ist die gesetzliche Regelung, wir das Vertrauen in die Ergebnisoffenheit der Endlager- und an dieser gesetzlichen Regelung halten wir fest. suche über jeden Zweifel erhaben stellen. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem Aus diesem Grund wollen wir die Standortsuche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- durch eine 24-köpfige Bund-Länder-Kommission vor- geordneten der SPD) bereiten. Sie wird zwei Jahre lang bis 2015 die Grund- fragen für die Entsorgung dieser Abfälle klären. Sie wird Allerdings liegt mir daran – das sage ich mit gleicher sie diskutieren und Vorschläge machen. Das Gewicht Bedeutung und Betonung –, dass wir in den Konsens, dieser Vorschläge wird von der Autorität dieser Kom- den wir zwischen den Parteien gefunden haben, die Um- mission maßgeblich abhängig sein. Deshalb ist es wich- weltverbände, die Bürgerinitiativen und die Zivilgesell- tig, dorthin Persönlichkeiten zu entsenden, die kraft ihrer schaft, aber auch die Kernkraftwerksbetreiber einbezie- Autorität und Kompetenz imstande sind, diesen Debat- hen und dass wir in einem offenen Dialog mit allen ten Gewicht und Autorität zu verleihen. Sie werden über Beteiligten dafür sorgen, dass das Gesetz, das wir hier Ausschlusskriterien, Mindestanforderungen und Abwä- beschließen, die nötige Unterstützung in der Praxis und gungskriterien diskutieren sowie über unterschiedliche vor Ort erfährt. Deshalb bin ich in Gesprächen mit den Lagerkonzepte und über die Anforderungen an das Kraftwerksbetreibern. Ich möchte sicherstellen, dass wir Suchverfahren. Sie werden auch Vorschläge zur Evaluie- alle Entscheidungen unseres Kompromisses im vorgese- rung dieses Gesetzes machen. Der Deutsche Bundestag henen zeitlichen Rahmen und mit den vorgegebenen wird dann seine Arbeiten im Lichte der Kommissions- Konsequenzen tatsächlich durchsetzen können. Dazu ge- ergebnisse aufnehmen können. Möglicherweise wird die hört zentral auch die Frage, wie wir mit den Zwischenla- Kommission am Ende nicht zu einer Verzögerung, son- gern umgehen. dern sogar zu einer Beschleunigung der Arbeiten beitra- Für mich war von Anfang an, seit dem ersten Tag gen. meiner Amtszeit, klar: Wenn wir zu einer ergebnisoffe- nen Suche kommen, wenn wir von dem Prinzip der wei- Die Entscheidung über die weiteren Schritte des Aus- ßen Landkarte ausgehen, dann dürfen wir die Akzeptanz wahlverfahrens, die über- und untertägige Erkundung des Ergebnisses nicht dadurch gefährden, dass in der sowie den abschließenden Standortvorschlag trifft der Frage der Zwischenlagerung alles so weiter geht wie bis- Bundestag per Gesetz. Damit unterstreichen wir die Be- her. Deshalb besteht die Herausforderung darin, dass wir deutung dieser Aufgabe. Wir wollen aber nicht, dass da- (B) die 26 Behälter mit abgebrannten Kernbrennstäben, die (D) durch Rechtswege verkürzt werden und dass einzelne wir in den nächsten Jahren nach der Wiederaufbereitung Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, dass sie we- im Ausland zurücknehmen müssen, in anderen Zwi- niger Möglichkeiten haben, ihre Vorstellungen und Inte- schenlagern in der Republik sicher verwahren. Wir ha- ressen geltend zu machen. Auch dafür haben wir ge- ben Einigkeit zwischen allen Beteiligten, dass keine wei- meinsam eine gute Regelung gefunden. teren Castortransporte nach Gorleben durchgeführt Mehr Transparenz bedeutet dabei auch: Die Entschei- werden. dung über die unterirdisch zu erkundenden Standorte (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ wird so ausgestaltet, dass sie verwaltungsgerichtlich DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der überprüft werden kann. Für den dann gesetzlich festge- CDU/CSU und der LINKEN) legten Standort wird es ein atomrechtliches Genehmi- gungsverfahren zur Sicherheitsprüfung geben, das wie- Deshalb wollen wir vor der abschließenden zweiten und derum verwaltungsgerichtlich überprüfbar sein wird. dritten Lesung und vor der Zustimmung durch den Bun- Mit diesem am Kriterium der Sicherheit orientierten Ver- desrat Klarheit darüber schaffen, wohin diese Transporte fahren setzen wir übrigens zusammen mit der Schweiz gehen, und dafür sorgen, dass die notwendigen Anträge auch international Maßstäbe. gestellt werden. Um den wissenschaftsbasierten Such- und Auswahl- Ich danke denjenigen Ländern, die bereits jetzt ihre prozess und ein transparentes Verfahren zu gewährleis- politische Bereitschaft für weitere Zwischenlagerstand- ten, ist die Einrichtung eines Bundesamtes für kerntech- orte erklärt haben. Ich werde meine Gespräche mit den nische Entsorgung erforderlich, das die Tätigkeit des anderen Ländern fortsetzen. Ich werde keine öffentli- Vorhabenträgers überwacht. So verwirklichen wir den chen Ratschläge geben, weil es der Respekt vor dem Fö- international üblichen und auch von der EU vorgegebe- deralismus verbietet. Ich will aber sagen, dass mich in nen Grundsatz der Trennung zwischen Betreiber und allen Gesprächen dasjenige leitet, was mich von Anfang Aufsichtsbehörde. Das Bundesamt muss Erkundungs- an geleitet hat, nämlich nicht die Frage nach irgendwel- programme und Prüfkriterien entwickeln und festlegen. chen parteipolitischen Farben und Präferenzen, sondern Es muss die Standortentscheidung effizient und sachge- die Frage, wie diese Transporte so sicher und verant- recht vorbereiten. Es muss die Öffentlichkeit aktiv und wortlich wie möglich durchgeführt werden können. Das korrekt unterrichten. Das Bundesamt für Strahlenschutz ist eine Frage der technischen Vorrichtungen vor Ort, wird als Vorhabensträger eine entscheidende, eine ganz eine Frage der Transportwege, eine Frage der Sicherheit wichtige Rolle in diesem Prozess zu übernehmen haben. bei der Begleitung und vieles andere mehr. Ich bin auf- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30523

Bundesminister Peter Altmaier (A) grund der geführten Gespräche optimistisch und über- kein anderes Vorhaben, wo Anspruch und Wirklichkeit (C) zeugt, dass wir diese Frage nicht nur gemeinsam mit den bislang so weit auseinanderklaffen wie bei der Suche Bundesländern, sondern auch gemeinsam mit den Be- nach einem Endlager für den Atommüll. Das zeigt: Wir treibern in den nächsten Wochen klären können. brauchen dringend einen Neuanfang bei der Endlager- suche. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird gro- ßer Anstrengungen bedürfen, um dieses Gesetz in die (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Praxis umzusetzen. Wir haben für die parlamentarische DIE GRÜNEN sowie des Abg. Beratung großen Wert darauf gelegt – obwohl uns die [DIE LINKE]) Zeit am Ende knapp wurde –, dass wir ein Verfahren ha- Als Niedersachse weiß ich, wovon ich da spreche. Für ben, das ohne Fristverkürzungen auskommt, dass wir ein alle anderen Bundesländer ist die Endlagerdebatte ab- Verfahren mit allen Anhörungen und Ausschussberatun- strakt; für uns ist sie konkret. In Niedersachsen tobt seit gen, die notwendig sind, haben. Wir haben uns gemein- dreieinhalb Jahrzehnten der Streit um Gorleben. Bei je- sam darauf geeinigt, ein dreitägiges Symposium zur Ein- dem neuen Castortransport hat es in unserem Land im- beziehung der Zivilgesellschaft durchzuführen, das Ende mer und immer wieder heftige Auseinandersetzungen Mai und Anfang Juni stattfinden wird. auf den Straßen und den Schienen gegeben, und bei uns Für mich sind aber der Konsens und die Gemeinsam- liegt der Salzstock Asse II, wo radioaktiver Müll in un- keit mit der Verabschiedung des Endlagersuchgesetzes bekannter Menge in Fässern unbekannten Zustands an am 5. Juli im Bundesrat nicht beendet. Dann geht es erst unbekannten Orten das Grundwasser zu verseuchen wirklich los. Deshalb müssen sich alle Beteiligten inner- droht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer die halb und außerhalb dieses Parlaments darüber im Klaren Folgen einer falschen Endlagerpolitik kennenlernen sein, dass das, was wir erreicht haben, nämlich den par- möchte, der ist in Niedersachsen richtig; der wird in Nie- tei- und fraktionsübergreifenden Konsens, ein hohes Gut dersachsen fündig. ist. Ich weiß, wie schwierig das manchmal für alle Seiten (Beifall bei der SPD) ist. Schließlich sind bei vielen von uns noch die alten Reflexe lebendig. So kommt es, dass sich manchmal die Wenn wir es künftig besser machen wollen, dann Emotionen, nachdem die große Frage entschieden ist, brauchen wir einen Neustart. Wir brauchen eine ergeb- bei kleinen Details entzünden. Diese Details sind wich- nisoffene Suche überall in Deutschland. Die Fixierung tig. Wir werden sie sorgfältig behandeln. Aber ich werbe auf Gorleben war ein schwerer Fehler. und plädiere dafür, dass wir uns auch immer dessen be- wusst sind, dass wir gemeinsam das Signal geben müs- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sen, dass wir dieses Problem lösen, dass wir es lösen DIE GRÜNEN) (B) (D) können, dass wir, egal wie die Bundestagswahl ausgeht, Wir brauchen Transparenz und Öffentlichkeit. Mit der egal wie der Souverän entscheidet, auch nach der Bun- Endlagerpolitik hinter verschlossenen Türen muss end- destagswahl alle wesentlichen Entscheidungen gemein- lich Schluss sein. sam und im Konsens treffen wollen, weil wir damit die große Chance, die uns dieses Gesetz eröffnet, nutzen und (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ wahrnehmen, die letzte große Herausforderung des DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Kernenergiezeitalters geschlossen anzugehen und zu be- LINKEN) wältigen. Deswegen betrachte ich die Bund-Länder-Kommission Ich bitte Sie um Unterstützung für das weitere parla- zur Klärung der vielen offenen Fragen tatsächlich als ei- mentarische Verfahren und für die Zeit darüber hinaus. nen entscheidenden Fortschritt, der mit diesem Geset- zesvorhaben verbunden ist. Wir brauchen aber vor allem Vielen Dank. eines: Vertrauen. Ohne Vertrauen, dass es alle Beteilig- (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem ten ernst meinen mit dem Konsens und dass alle – alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 16 Bundesländer, die ganze Bundespolitik – diesen Kon- sens über viele Jahre hinweg durchhalten, wird es nichts werden mit dem Neustart in der Endlagersuche. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort erhält nun der Ministerpräsident des Landes Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie Niedersachsen, Stephan Weil. uns offen reden! Schon bei seiner Einbringung steht die- ses Gesetzesvorhaben auf der Kippe. Die partei- und (Beifall bei der SPD) ebenenübergreifende Verständigung vom 9. April war der erste und überaus wichtige Schritt – nicht mehr, aber Stephan Weil, Ministerpräsident (Niedersachsen): auch nicht weniger. Jetzt folgt der erste Test auf die Be- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und lastbarkeit dieser Verständigung – nicht mehr, aber auch Herren! Es ist tatsächlich ein sehr ungewöhnliches Ge- nicht weniger. Was heißt das? Das heißt, dass alle Punkte setzesvorhaben, das der Deutsche Bundestag heute erst- unserer Verständigung auch tatsächlich gesetzlich umge- mals berät. Ich kenne kein anderes Vorhaben, das seit setzt werden müssen. Da haben wir zum Beispiel bei der sage und schreibe fast 40 Jahren umstritten ist – poli- Enteignungsregelung noch Klärungsbedarf. Vor allem tisch, wissenschaftlich, gesellschaftlich. Ich kenne kein darf es – da sind wir uns alle einig; der Bundesumwelt- anderes Vorhaben, das für sage und schreibe fast 1 Mil- minister hat es eben wiederholt – keine weiteren Castor- lion Jahre Sicherheit schaffen soll. Ich kenne kurzum transporte nach Gorleben geben. 30524 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Ministerpräsident Stephan Weil (Niedersachsen) (A) (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Angelika Brunkhorst (FDP): (C) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenige Das ist wichtig und auch zwingend notwendig. Kein Monate nachdem wir in diesem Hause und im Bundesrat Mensch würde sonst an eine ergebnisoffene Suche bei den Beschluss über die Lex Asse fraktionsübergreifend der Endlagerung glauben. beschlossen haben, können wir heute wiederum frak- tionsübergreifend das Standortauswahlgesetz auf den So weit, so gut. Aber der Bundesumweltminister Weg bringen. Ich bedanke mich vorab – Herr Minister muss auch die Frage beantworten, wohin die nächsten Altmaier hat sich schon bei allen bedankt – ganz herzlich Castoren gehen sollen. Um ein in der Regierungskoali- bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BMU und tion geflügeltes Wort aufzugreifen, Herr Minister bei Herrn Altmaier. Ich bedanke mich aber auch bei mei- Altmaier: Sie müssen liefern. nen Kollegen und Kolleginnen aus den Fraktionen. Wir (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ haben uns intensiv auseinandergesetzt und sehr stark ge- DIE GRÜNEN) rungen, haben aber sehr konstruktiv zusammengearbei- tet. An dieser Stelle vielen Dank. Es ist Aufgabe des Bundesumweltministers, ein verbind- liches Konzept für die weitere Zwischenlagerung auf (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten den Tisch zu legen. Sie, Herr Minister Altmaier, müssen der CDU/CSU) für eine Verständigung mit den Energieversorgern sor- gen. Davon sind wir zur Stunde noch weit entfernt. Sie Bereits Umweltminister Röttgen hat im Dezember müssen eine Vereinbarung mit Schleswig-Holstein und 2011 in Zusammenarbeit mit den Bundesländern, in der mit Baden-Württemberg herbeiführen. Beide Länder Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die wesentlichen Punkte verhalten sich sehr konstruktiv. Dafür gebührt ihnen eines Endlagergesetzes erarbeitet, hat einem Zeitplan zu- Dank und Anerkennung. gestimmt. Auf Grundlage dieser Vereinbarung konnten wir im April dieses Jahres verkünden, dass wir unter der (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ weisen Moderation von Bundesumweltminister Altmaier DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der den Gesetzentwurf vorlegen können. Tatsächlich hat FDP) diese christlich-liberale Regierung einen Kabinettsbe- Aber es kann nicht nur die Aufgabe von rot-grün regier- schluss gefasst. Das ist besonders. Das haben die ande- ten Ländern sein, sich einer gemeinsamen nationalen ren Regierungen zuvor nicht geschafft. Auch das kann Herausforderung zu stellen. man hier erwähnen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Ich möchte noch einiges dazu sagen, was der Inhalt DIE GRÜNEN sowie des Abg. Patrick Döring dieses Gesetzes sein wird. (B) [FDP] – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: (D) Wie war das denn in Niedersachsen?) Für meine Fraktion ist ganz klar, dass wir die Ausfül- lung dieses Gesetzes mithilfe eines wissenschaftsbasier- Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her- ten Ansatzes angehen. Für uns ist wichtig, dass die Ein- ren, der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Kompromiss, haltung der strengen Maßstäbe des Atomgesetzes, um eine extrem schwierige Aufgabe gemeinsam meis- nämlich Stand von Wissenschaft und Technik sowie für tern zu können, ein Kompromiss, den Niedersachsen un- einen langen Zeitraum Schadensvorsorge, für den neuen ter Zurückstellung gewichtiger Argumente mitträgt – wir Standort, den wir finden wollen, hundertprozentig ge- halten bekanntlich Gorleben als Endlagerstandort für un- währleistet sein muss. geeignet –, ein Kompromiss, den Niedersachsen aber aus Überzeugung mitträgt. Dieser Kompromiss muss jetzt in (Beifall bei der FDP) allen – ich wiederhole: in allen – seinen Teilen umge- setzt werden. Die Verantwortung dafür trägt in erster Li- Ich komme auf den Standort Gorleben, der lange nie die Bundesregierung. Werden Sie dieser Verantwor- Thema war, zu sprechen. Wir haben bislang keinen geo- tung gerecht, meine sehr verehrten Damen und Herren. wissenschaftlichen Grund gefunden, der Gorleben als Standort ausschließt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Lachen bei der LINKEN) Der vorliegende Gesetzentwurf ist eine große Chance Das bedeutet für uns, dass Gorleben im Topf bleibt. für einen echten Neustart in der Endlagersuche. Sorgen Selbst Gerhard Schröder und Herr Trittin haben im Rah- wir gemeinsam dafür, dass wir diese Chance auch nut- men ihres Atomkonsenses bestätigt, zen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. NEN]: Bitte zitieren Sie richtig!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ dass dieser Standort weiterhin eignungshöffig ist. DIE GRÜNEN) (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: NEN]: Nicht widerlegt!) Das Wort hat nun Angelika Brunkhorst für die FDP- Somit wird der Standort Gorleben im Topf landen. Er Fraktion. wird anhand der gleichen wissenschaftlichen Kriterien (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) bewertet wie alle anderen möglichen Standorte auch. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30525

Angelika Brunkhorst (A) Das heißt: Die Endlagerstandortsuche wird offen ge- die vorherige Regierung unter Herrn McAllister und (C) führt. dem Landesumweltminister Birkner die Forderung ge- stellt hat, dass man die anderen Bundesländer doch bitte (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten an der Lastenverteilung beteiligt. der CDU/CSU) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wir wollen alle gesellschaftlichen Gruppen in die NEN]: Das war aber geheim!) Standortsuche einbinden. Es soll Transparenz geschaffen werden. Deshalb haben wir entschieden, dass es eine Sie haben darum gebeten, dass man auch andere Bun- Kommission geben wird, in der die eigentliche Geset- desländer in diese gesamtstaatliche Aufgabe einbeziehen zesausfüllung vorbereitet wird. Diese Kommission wird möge. noch zu bilden sein. Sie wird circa zwei Jahre arbeiten und dann eine wissenschaftsbasierte Empfehlung vorle- Ich möchte daran erinnern: Wir haben in der Sitzung gen. Sie wird aus politisch legitimierten Vertretern aus im April gesagt, dass wir für die noch zurückzunehmen- Bund und Ländern gebildet. Es werden Experten dazu- den 26 Castoren kurze Wege brauchen. Daraus ergibt kommen. Es werden alle gesellschaftlich relevanten sich natürlich, dass vielleicht doch eher küstennahe Gruppen vertreten sein. Standpunkte geeignet sind. Es gibt natürlich Kritiker, die sagen, man hätte erst (Lachen der Abg. Dorothée Menzner [DIE einmal abwarten müssen und erst dann das Gesetz auf LINKE]) den Weg bringen sollen. Das stimmt so nicht. Die Kriti- Ich begrüße auf jeden Fall das Zugeständnis der beiden ker übersehen, dass dieses Gesetz ein Rahmen für das Bundesländer Baden-Württemberg Suchverfahren darstellen soll. Es handelt sich um ein Verfahrensrahmengesetz. Es ist genau der richtige Zeit- (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: punkt, dieses Gesetz jetzt auf den Weg zu bringen. Küstennah? – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja, Bodenseeküste!) (Beifall bei der FDP) – ja, gut – und Schleswig-Holstein, dass sie sich bereit Wann hat es das letzte Mal einen großen umfassenden erklären, darüber nachzudenken, ob es einen Weg gibt. gesellschaftlichen Konsens in der Entsorgungsfrage ge- geben? Das ist sage und schreibe 33 Jahre her. Es war im (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Jahre 1979, als es einen solchen Konsens zum letzten NEN]: Haben Sie sonst noch irgendeine For- Mal gab. derung an irgendein Bundesland?) (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Es gibt noch viele offene Fragen und Probleme, aber (B) (D) NEN]: Aus diesem Grund haben wir uns ge- ich bin sehr zuversichtlich, dass die Gespräche, die be- gründet! Das war kein Konsens!) reits sehr fruchtbar sind und einen guten Zwischenstand haben, in den nächsten zwei oder drei Wochen zu einer Das ist für uns jetzt eine große Chance. Ich gehe davon Lösung führen. Ich setze hohes Vertrauen in den Bun- aus, dass durch die Wissenschaftseinrichtungen, die Res- desumweltminister Altmaier. sortforschungseinrichtungen und die geologischen Dienste der Länder sehr viel Expertise in diese Kommis- Vielen Dank. sion eingebracht wird. Ich hoffe, dass wir die bisherigen (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie Forschungsergebnisse nicht ausblenden werden. Denn der Abg. Ute Vogt [SPD]) wir haben bereits einen großen Fundus an Ergebnissen. Deutschland ist in der Endlagerforschung auch an vielen internationalen Forschungsprojekten beteiligt und hat Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: sehr viel geleistet. Das Wort hat nun Dorothée Menzner für die Fraktion Die Linke. Zum eigentlichen Verfahren. Das BMU hat ein dreitä- giges Symposium vorbereitet, an dem Bürger und Wis- (Beifall bei der LINKEN) senschaftler, die sich mit diesem Thema befasst haben, die davon betroffen sind und die sich dafür interessieren, Dorothée Menzner (DIE LINKE): teilnehmen können. Wir laden alle herzlich ein, daran Guten Morgen, Herr Präsident! Herr Minister! Werte teilzunehmen, dort einen Beitrag abzugeben oder eben Kolleginnen und Kollegen! Dem vorliegenden Gesetz- einfach nur als Gast dabei zu sein. Das Symposium wird entwurf liegen drei Grundirrtümer zugrunde; ich möchte am 31. Mai 2013 sowie am 1. und 2. Juni 2013 hier in sie an dieser Stelle sehr deutlich benennen. Berlin stattfinden. Darüber hinaus wird am 10. Juni 2013 Der erste Grundirrtum ist, die Zeit würde drängen. eine öffentliche Anhörung des Umweltausschusses des Planmäßig, nach jetziger Gesetzeslage, werden spätes- Deutschen Bundestages stattfinden, bevor das Gesetz in tens Silvester 2022 die Kernkraftwerke Isar 2, Neckar- die zweite und dritte Lesung geht. Ich bitte alle Kritiker westheim 2 und Emsland vom Netz gehen. Wir alle wis- und all diejenigen, die interessiert sind, sich darum zu sen, dass die Brennelemente dann noch vier Jahre in der kümmern, an dieser Anhörung teilnehmen zu können. Anlage, im Abklingbecken, und weitere 40 Jahre ober- Zur Castorfrage. Herr Weil, Sie haben angesprochen, irdisch abkühlen müssen. Das bedeutet, frühestens 2068 dass das für Niedersachsen nicht verhandelbar gewesen werden die letzten Brennelemente überhaupt einer End- ist. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass auch lagerung zugeführt werden können. Das ist ein Zeit- 30526 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Dorothée Menzner (A) punkt, von dem ich annehme, dass die meisten hier im Es gibt einen weiteren Grundirrtum, von dem hier im- (C) Hause ihn nicht mehr erleben werden. – So viel zu der mer wieder ausgegangen worden ist. Es heißt: Dieses Frage, wie sehr die Zeit drängt. Gesetz würde den gesellschaftlichen Großkonflikt be- frieden. Aber solange es keine ergebnisoffene Debatte (Beifall bei der LINKEN – Jürgen Trittin gibt, solange Gorleben nicht aus dem Topf ist, solange [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt in der Öffentlichkeit, Verbände und kritische Wissenschaftler Zeit viel zu tun!) nicht oder nur unzureichend einbezogen werden und Zweiter Grundirrtum. Sie formulieren hier fraktions- nicht wissen, in welcher Form sie sich einbringen kön- übergreifend, es würde sich hier um einen Konsens han- nen und ob sie Gehör finden werden, wage ich die Pro- deln. Es ist im besten Falle ein Kompromiss zwischen vier gnose, dass dieser gesellschaftliche Großkonflikt nicht Fraktionen. Es ist kein gesamtgesellschaftlicher Konsens, zu befrieden ist. dem eine Meinungsbildung in der Gesellschaft, ein gesell- (Beifall bei der LINKEN) schaftlicher Dialog und eine Diskussion, die diesen Na- men verdienen würde, vorausgegangen wären. Jetzt kön- Angesichts der Tatsache, dass es hier darum geht, atoma- nen Sie einwenden: Über die Kommission sind noch ren Müll mindestens 1 Million Jahre sicher vor der Bio- Veränderungen möglich. – Richtig, aber dafür sind rela- sphäre abzuschirmen, ist mehr Sorgfalt, mehr Transpa- tiv hohe Hürden gesetzt: Für Entscheidungen des Gre- renz und mehr echte öffentliche Beteiligung notwendig. miums ist eine Zweidrittelmehrheit der 24 Mitglieder (Beifall bei der LINKEN) notwendig; neun Mitglieder bilden also eine Sperrmino- rität. Wenn man sich anschaut, wie sich die Kommission Meine Fraktion hat dazu vor geraumer Zeit ein Fünf- zusammensetzt, kommt man sehr schnell zu dem Punkte-Konzept vorgelegt, das wir gemeinsam mit Anti- Schluss, dass es optimistisch ist, anzunehmen, dort atominitiativen, Wissenschaftlern und Verbänden erar- könnte es zu grundlegenden Veränderungen kommen. beitet haben. Ich möchte diese fünf Punkte kurz benen- Denn in diesem Gremium sitzen nur zwei Vertreter von nen. Sie sind aus unserer Sicht die Grundvoraussetzung Umweltverbänden, zwei Vertreter der Gewerkschaften dafür, dass ein gesellschaftlicher Konsens zustande kom- und zwei Vertreter von Religionsgemeinschaften; das men kann, der diesen Konflikt befriedet. macht insgesamt sechs. Somit wird es ganz schwierig, Der erste und unabdingbare Punkt ist ein unverzügli- überhaupt neun Stimmen für eine Sperrminorität zusam- cher und unabkehrbarer Atomausstieg und die Aufarbei- menzubekommen, selbst wenn sich diese drei gesell- tung der Fehler der Vergangenheit. schaftlichen Gruppen einig wären. (Beifall bei der LINKEN) Der dritte Grundirrtum ist, wir hätten gemeinsam aus (B) den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Abgeordnete aller Wenn wir das nicht tun, können wir keine Lehren für die (D) Fraktionen haben in den letzten Jahren sehr viel Zeit und Zukunft ziehen. Das betrifft Gorleben, Asse, natürlich Energie aufgewendet, um diese Fehler zu durchleuchten, auch Morsleben und Schacht Konrad – der Standort, der sowohl im Untersuchungsausschuss „Asse“ des Nieder- aufzugeben ist –, und es betrifft auch mögliche Rechts- sächsischen Landtags als auch im Untersuchungsaus- verstöße, die juristischer Aufarbeitung bedürfen. Wich- schuss „Gorleben“ hier im Bundestag; den entsprechen- tig ist auch, dass endlich eine Kostenübernahme nach den Bericht und die Voten der Fraktionen diskutieren wir dem Verursacherprinzip eingeführt wird. nächste Woche, insgesamt über 1 000 Seiten. Ich wage (Beifall bei der LINKEN) die Behauptung, dass nur wenige hier im Haus, die nicht selber in diesem Ausschuss saßen, bis heute das Thema Zweitens ist es dringend notwendig, ein Verfahren zu durchdrungen, die Fehler realisiert und daraus Schluss- entwickeln, das eine Einbeziehung der Öffentlichkeit folgerungen gezogen haben. über Beirats- und Beraterstrukturen, über Volksabstim- mungen, aber auch über ein Klagerecht für Kommunen Der nächste Aspekt. Bis heute findet kaum eine wis- ermöglicht. senschaftliche Aufarbeitung statt. Es ist nicht nur eine (Beifall bei der LINKEN) parlamentarische Aufarbeitung, sondern auch eine wis- senschaftliche Aufarbeitung der Fehler der Vergangen- Es muss transparent sein, und es muss von vornherein heit notwendig. klar sein, wo demokratisch legitimierte Stellen wie in das Verfahren eingreifen können. (Beifall bei der LINKEN) Erst dann kann – das ist der dritte Punkt – überhaupt Da ist relativ wenig zu sehen. Das Desaster bei der Asse die Suche nach einem Verwahrkonzept erfolgen. Es ist ist nicht wissenschaftlich aufgearbeitet, das vermurkste noch gar nicht klar: Was ist unser Konzept? Ist das, was Verfahren im Zusammenhang mit Gorleben auch nicht. wir jahrzehntelang postuliert haben, nämlich die Nicht- Ich merke nur, dass für die Anhörung im Juni nun dieje- rückholbarkeit, überhaupt noch Stand der Wissenschaft nigen Personen als Sachverständige gehandelt werden, und Technik? Es gilt, die Vor- und Nachteile abzuwägen die wir im Untersuchungsausschuss immer wieder als und ethische Fragen – wir befinden uns in einem ethi- treibende Kräfte auf wissenschaftlicher Seite gesehen schen Dilemma – zu werten, um dann zu einem allge- haben, die Probleme verursacht haben. mein akzeptierten Kompromiss zu kommen. Der letzte Punkt. Bei der juristischen Aufarbeitung ist Wenn das erfolgt ist, kann in einem vierten Schritt bis heute komplett Fehlanzeige. überhaupt über eine Festlegung von standortunabhängi- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30527

Dorothée Menzner (A) gen Kriterien nachgedacht werden. Sie können erst fest- gänzlich unterschiedlich wahrgenommen und mit ge- (C) gelegt werden, wenn wir wissen, nach welcher Methode radezu konträren Kommentaren versehen. Leider war wir lagern wollen. aus diesem Grund noch nicht einmal ein gemeinsamer Feststellungsteil, also ein Konsens über die bloße (Beifall bei der LINKEN) Faktenerhebung, möglich. Dass das bei der Wertung Erst in einem fünften und letzten Schritt – das hat eine nicht möglich war – okay, geschenkt. Aber bei der gewisse Logik – kann es darum gehen, Standorte zu be- Faktenerhebung? Das hat letztendlich gezeigt, wie tief nennen und vergleichend zu untersuchen, um sich dann die Gräben sind, wie groß das gegenseitige Misstrauen einer Entscheidung zu nähern. und wie notwendig ein Neuanfang ist. Als Fazit halte ich fest: Sie satteln hier heute ein totes Wenn wir uns denn jetzt unserer gemeinsamen Ver- Pferd. Sie sagen, dass wir ganz schnell ans Ziel kommen antwortung stellen wollen und uns nun, nach über müssen. Deswegen haben Sie das erste Pferd genom- 40 Jahren der Stromproduktion aus Kernenergie, endlich men, das Sie im Stall gefunden haben, leider ist es ein to- der Endlagerung der hochradioaktiven, hochgiftigen Ab- tes. Damit werden Sie nicht weit kommen. Sie müssen fälle in unserem Land ergebnisorientiert annehmen wol- nach dem besten Pferd im Stall suchen. len, dann braucht es für diesen Neuanfang politischen Ich ahne, Sie wissen das, aber Sie haben die Hoff- Mut. Es ist über all die Jahre so bequem gewesen, den nung, dass es bis zur Bundestagswahl keinem auffällt. Schwarzen Peter nach Niedersachsen zu schieben. Ich sage Ihnen: Es ist nicht gut, die Bürgerinnen und Deshalb bedanke ich mich und adressiere meine aus- Bürger für so doof zu halten. drücklich große Anerkennung an Ministerpräsident Kretschmann, an unseren ehemaligen Bundesumweltmi- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wer nister Röttgen und auch an David McAllister, diese Ge- macht denn das?) spräche wieder in Gang gebracht zu haben. Sie durchschauen das. Sie werden schon seit Jahrzehnten Es ist doch klar, dass diese Gespräche kein Spazier- in der Frage der Atompolitik immer wieder an der Nase gang sind, dass immer wieder – wie möglicherweise herumgeführt. Jetzt werden sie sich einmischen, sie wer- auch jetzt – Scheitern drohen kann. Dennoch hat der den mitdiskutieren, und sie werden sich wehren. Genau Prozess den Ministerwechsel in Berlin zu Peter Altmaier da ist der Platz der Linken. und einen Regierungswechsel in Niedersachsen zu Ich danke Ihnen. Stephan Weil und Stefan Wenzel überstanden, nicht zu- letzt auch deshalb, weil die beiden ehemaligen Bundes- (Beifall bei der LINKEN) umweltminister Jürgen Trittin und Sigmar Gabriel ihre (B) Fachkompetenz, vor allen Dingen aber auch ihren politi- (D) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: schen Willen eingebracht haben, die Chance zur Eini- Das Wort hat nun Maria Flachsbarth für die CDU/ gung nicht verstreichen zu lassen. CSU-Fraktion. Wir haben uns am 9. April darauf verständigt, ein Ge- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und setz noch in dieser Legislaturperiode einzubringen und der FDP) es im Deutschen Bundestag und im Bundesrat auch zu verabschieden. Diese Standortauswahl soll wissenschaft- Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): lichen Kriterien genügen, in einem vergleichenden Ver- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- fahren den Standort mit der bestmöglichen Sicherheit ren! Liebe Frau Kollegin Menzner: Schade! Es ist finden, in jedem Schritt von der Öffentlichkeit begleitet schade, dass aus Ihrer Rede nur Verweigerungshaltung und dann vom Deutschen Bundestag schrittweise legiti- hervorgeht, weil ich Sie über weite Teile der Legislatur- miert werden. periode anders kennengelernt habe, weil wir in den Ver- Das Verfahren orientiert sich an den Ergebnissen des handlungen über die Asse sehr konstruktiv zusammen- Arbeitskreises Endlager, die bereits seit 2002 auf dem gearbeitet haben, weil wir in den Verhandlungen, auch Tisch liegen. Vor diesem Hintergrund ist klar, dass wir im Gorleben-Untersuchungsausschuss, äußerst kontro- auf der einen Seite keine Vorfestlegungen treffen kön- vers und dennoch konstruktiv miteinander umgegangen nen, dass wir auf der anderen Seite aber auch keinen sind. Weil ich weiß, dass Sie in der nächsten Legislatur- Standort von vornherein herausnehmen können. Deshalb periode diesem Bundestag nicht mehr angehören wer- bleibt Gorleben wie jeder andere Standort im Verfahren. den, möchte ich mich für diese Arbeit herzlich bedanken und Ihre Fraktion einladen, sich zu beteiligen. Die bergmännische Erkundung in Gorleben bleibt be- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und endet, und auch auf die Errichtung eines Forschungsla- der FDP) bors wird verzichtet. Das nimmt Druck aus dem Verfah- ren. Auf der anderen Seite möchte ich die Bundes- und Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Gorleben- die Landesregierung aber bitten, alles dafür zu tun, die Untersuchungsausschuss ist eben schon genannt worden. bergtechnische Expertise zu sichern und nicht zuletzt Er hat tatsächlich gezeigt, wie tief die Gräben zwischen den Bergleuten und ihren Familien eine berufliche Per- den Fraktionen und in der Gesellschaft in Bezug auf die spektive zu bieten. Vorgänge um Gorleben sind. Je nachdem, durch wessen Brille man denn schaut, wird ein und derselbe Vorgang (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) 30528 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Dr. Maria Flachsbarth (A) Dem eigentlichen Standortauswahlverfahren wird Im Übrigen handelt es sich bei der Forderung nicht (C) zunächst die Arbeit einer pluralistisch besetzten Bund- um eine Idee der rot-grünen Landesregierung, sondern Länder-Kommission, bestehend aus 24 Mitgliedern, vor- bestenfalls um eine niedersächsische Forderung. ausgehen. Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Religions- gemeinschaften, Gewerkschaften und Umweltverbände ( [SPD]: Kurzfristig entdeckt!) sollen bis Ende 2015 das Auswahlverfahren bezüglich Ich darf auf einen Artikel auf Seite 1 der Hannoverschen der Sicherheitsmindestanforderungen, der Ausschluss- Allgemeinen Zeitung vom 5. November 2011 verweisen. und Auswahlkriterien und bezüglich des methodischen Die Überschrift lautete damals: Vorgehens vorbereiten. Wie gestern in einem Bericht- erstattergespräch klar wurde, gibt es nicht nur aus mei- Schwarz-gelbe Castor-Gegner stellen sich quer. ner Fraktion noch einige Anfragen zu Besetzung, Damit sind der ehemalige niedersächsische Umwelt- Arbeitsweise und politischer Anbindung dieser Kom- minister Sander und ich gemeint. Wir fordern gemein- mission. Das wird dann im parlamentarischen Verfahren sam, dass keine weiteren Castoren nach Niedersachsen zu erörtern sein. kommen, In allen Phasen des Prozesses, aber auch in die Arbeit (Ulrich Kelber [SPD]: Spät kamen sie, aber sie der Bund-Länder-Kommission wird die Öffentlichkeit kamen wenigstens!) intensiv einbezogen. Transparenz sowie Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger werden bei jedem Verfahrens- weil die Menschen vor Ort das natürlich als weitere Vor- schritt notwendige Voraussetzungen sein. Die im Gesetz- festlegung verstehen würden. Das hat mir in meiner ei- entwurf festgeschriebene frühzeitige, umfassende, aber genen Fraktion übrigens nicht nur Freunde eingebracht, auch dynamische Öffentlichkeitsbeteiligung soll im wei- wie Sie sich vorstellen können. teren Verfahren im Sinne eines lernenden Systems fort- (Ulrich Kelber [SPD]: Heldin des Wider- entwickelt werden. stands!) Die parlamentarische Beratung, die wir ja nun heute Das Wegducken der anderen Länder – ich schließe beginnen, soll durch eine intensive öffentliche Diskus- Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg ganz aus- sion begleitet werden. Das Bundesumweltministerium drücklich aus – hat nichts mit Rot-Grün oder Schwarz- veranstaltet deshalb ein Endlagersymposium. Vom Gelb zu tun, sondern ist bestimmt durch das seit Jahr- 31. Mai bis zum 2. Juni können sich interessierte Bürge- zehnten bekannte Agieren aufgrund von Länderegois- rinnen und Bürger beteiligen und sich mit eigenen Rede- men. beiträgen einbringen. Ihre Einlassungen werden dann (B) auch in der Anhörung, die der Umweltausschuss des (Ulrich Kelber [SPD]: Es geht erst einmal um (D) Deutschen Bundestages am 10. Juni 2013 durchführen die Länder, die AKW betreiben!) wird, berücksichtigt. Deshalb sage ich: Lassen Sie uns den Weg der Sachpoli- tik, der in diesem verminten Politikfeld nur im Konsens Zentraler Kern des Gesetzentwurfs sind demokratisch zu gehen ist, weitergehen. Es ist viel einfacher, sich in legitimierte, nachvollziehbare Entscheidungen. Über die den Schützengräben einzumauern, als neue Wege zu wa- einzelnen Schritte des Auswahlverfahrens entscheidet gen. das Parlament per Gesetz. Dazu gehören am Ende des Verfahrens die Beschlüsse über die Standorte für die (Beifall der Abg. [CDU/CSU]) über- und untertägige Erkundung sowie über den end- gültigen Standortvorschlag. Zwischendurch, also vor der Der niedersächsischen Landesregierung sage ich untertägigen Erkundung, soll über das Umwelt-Rechts- – das sage ich als Niedersächsin –: Gerade wir Nieder- behelfsgesetz noch ein verwaltungsgerichtlicher Rechts- sachsen haben ein extremes Interesse daran, dass dieses schutz gewährt werden. Dann kommt ein Planfeststel- Gesetz gelingt; lungsverfahren, sodass es ab dem Jahr 2031 an dem (Beifall des Abg. Jürgen Trittin [BÜND- Standort an die Errichtung eines Endlagers gehen kann. NIS 90/DIE GRÜNEN]) Außerdem haben sich alle Beteiligten darauf verstän- denn sollte es scheitern, gilt der Status quo. Gorleben ist digt, dass die Castortransporte in das Zwischenlager der einzige Standort in Deutschland, der für ein Endlager Gorleben eingestellt werden sollen. In diesen Tagen wer- für hochradioaktive Abfälle erkundet wird. den die Voraussetzungen dafür mit den Energieversor- gungsunternehmen diskutiert. Die Gespräche machen (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nach den Aussagen der Bundesregierung gegenüber den NEN]: Da haben Sie recht!) Berichterstatterinnen gestern gute Fortschritte. Herr Mi- Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben mit der nisterpräsident, ob die scharfen Töne aus Niedersachsen, Lex Asse, der kleinen Schwester dieses Vorhabens, ge- die ein Scheitern des Gesetzentwurfs androhen, falls der zeigt, dass Politik handlungsfähig sein kann und auch Bundesminister sich nicht endlich kümmere, nötig und schwierige Fragen gelöst werden können, wenn der poli- hilfreich sind, wage ich zu bezweifeln. tische Mut und der Wille dazu da sind. Beides wünsche ich uns sehr. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Angelika Brunkhorst [FDP]) Herzlichen Dank. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30529

Dr. Maria Flachsbarth (A) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie Wir stehen in der Endlagerfrage also vor einem Neu- (C) bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- start. Dieser Neustart hat auch viel damit zu tun, Ver- NISSES 90/DIE GRÜNEN) trauen zu schaffen. Wir haben viel Wert darauf gelegt, bei den Beratungen zu diesem Gesetzentwurf, insbeson- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: dere auch nach den Erfahrungen im Gorleben-Untersu- chungsausschuss und durch die Arbeit von Sylvia Das Wort hat nun Jürgen Trittin für die Fraktion Kotting-Uhl und Doro Steiner, für umfassende Beteili- Bündnis 90/Die Grünen. gung zu sorgen.

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass gerade ein Minis- terpräsident, der für sich selbst die Politik des Gehört- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir befin- werdens zum Motto gewählt hat, die Tür für diese den uns in dieser Situation: Wir führen gemeinsam eine Lösung aufgestoßen hat. Dadurch, dass Winfried seit über 30 Jahren umstrittene Frage einem breiten Kon- Kretschmann gesagt hat: „Wir in Baden-Württemberg sens, einer Lösung zu. Man hat sich vor 50 Jahren dafür entziehen uns nicht länger dieser Verantwortung“, hat er entschieden, Atomkraftwerke zu betreiben, ohne dass dies ermöglicht. Ich finde, es ist ein schönes Geburts- man sich klar darüber war, was anschließend mit dem tagsgeschenk für ihn, dass wir heute dieses Gesetz bera- Atommüll geschehen sollte. Man träumte von billiger ten. Energie, aber den Müll wollte niemand haben. Die Dis- kussionen waren von kleinlichen Kostenerwägungen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und zum großen Teil bornierter Standortpolitik geprägt. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Der Untersuchungsausschuss Asse in Niedersachsen und SPD und der FDP) der Untersuchungsausschuss Gorleben legen beredt Zeugnis von dieser Praxis ab. Transparenz und Vertrauen müssen aber immer wie- der erworben werden. Lieber Peter Altmaier, ich bin ja Wir in Niedersachsen haben es nicht nur mit dem ein- bei Ihnen, wenn Sie sagen, dass wir uns nicht immer zigen genehmigten Endlager für schwach und mittel ra- über Petitessen echauffieren dürfen. Ich glaube aber, dioaktiven Müll in Salzgitter zu tun. Wir haben auch das dass die Frage, wie man mit dem Vertrauen der Bürge- Forschungsendlager, die sogenannte Asse, und in unmit- rinnen und Bürger umgeht, eben gerade keine Petitesse telbarer Nähe das Endlager Morsleben, in dem Sie, liebe ist. Ich vermute, Sie sehen das genauso. Die Frage, ob es Frau Bundeskanzlerin, einst zusätzlichen Müll einlagern in Gorleben als Folge der vorherigen Festlegung zu Ent- wollten. Darunter wird heute ein Schlussstrich gezogen. eignungen kommt oder nicht, ist entscheidend und keine Frau Flachsbarth, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu: Petitesse. (B) Diese Praxis, mit Atommüll umzugehen, beenden wir (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heute. Wir beenden damit auch die unselige Vorfestle- und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der gung auf Gorleben. Dass wir das im Konsens gemein- LINKEN) sam tun können, ist eine gute Nachricht. Wir wollen eine weiße Landkarte, und eine weiße Land- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN karte kennt weder schwarze Löcher noch Vorfestlegung. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Jedwede Vorfestlegung muss rechtssicher – ich betone SPD und der FDP) das – beendet werden, wenn dieses Gesetz den Deut- Wir gehen jetzt einen Weg, bei dem wir ausgehend schen Bundestag verlassen und den Bundesrat passieren von wissenschaftlich festgelegten Kriterien, und zwar soll. vorher festgelegten Kriterien – wir bestimmen die Krite- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rien nicht anhand eines konkreten gewünschten Stand- und bei der SPD) ortes –, schauen, welche Standorte für eine solche Endla- gerung nicht geeignet sind. Dann schauen wir, welche Das gilt auch für die Frage des Umgangs mit den geeignet sein könnten, vergleichen diese miteinander Transporten in die Zwischenlager. Wir haben in – oberirdisch wie unterirdisch – und treffen am Ende Deutschland mehrere Zwischenlager; diese hat damals eine Entscheidung. Die wesentlichen Entscheidungen übrigens eine rot-grüne Bundesregierung genehmigt und hierzu werden nicht mehr, wie es einst bei Gorleben der durchgesetzt. Wir werden praktisch zu entscheiden ha- Fall gewesen ist, im Hinterzimmer von einem Kabinetts- ben, in welches dieser Zwischenlager wir die zusätzli- ausschuss eines Landeskabinetts mit ein paar zugereisten chen 26 Castoren bringen, die zurückzunehmen wir ver- Bundesministern getroffen, sondern hier im Deutschen pflichtet sind. Es ist unsere Pflicht, den Müll, der von Bundestag nach öffentlicher Anhörung und in öffentli- uns stammt, aus den anderen Ländern zurückzunehmen. cher Debatte transparent für das gesamte deutsche Volk. Ich muss sagen, Frau Brunkhorst, ich hätte mir von Das ist der einzige Weg, angemessen mit den Problemen Ihnen – ich weiß, wie Sie persönlich das sehen – klare der Entsorgung des sehr gefährlichen Atommülls umzu- Worte gewünscht. Wer regiert denn in Hessen mit? gehen. (Zuruf von der SPD: Noch!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Wer regiert in Bayern mit? Wollen Sie wirklich warten, SPD und der FDP – Zuruf von der LINKEN: bis wir Sie da im Herbst abgewählt haben, sodass das Das reicht aber nicht!) wieder eine grüne Regierung macht? 30530 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Jürgen Trittin (A) (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ja, Das gilt genauso, wenn es um die Castoren geht. (C) träumen Sie weiter! – Angelika Brunkhorst Auch hier müssen alle bereit sein, einen Beitrag zu leis- [FDP]: Ja, warten wir es ab! – Gisela Piltz ten. Aber, Herr Trittin, ich finde es schon ein bisschen [FDP]: Was ist denn mit Ahaus, Nordrhein- billig, wenn Sie sich hier hinstellen und auf Bayern und Westfalen?) Hessen einschlagen. Oder: Was sagen Sie zu dem bekennenden Atomkraft- (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gegner Herrn Kubicki, der die Landesregierung in Ich komme ja selbst aus NRW. Aber ich habe noch nicht Schleswig-Holstein dafür beschimpft, dass sie im Sinne gehört, dass der nordrhein-westfälische Umweltminister unseres gemeinsamen Konsenses hier Verantwortung geschrien hat: Bitte, bitte, gebt mir Castoren! übernimmt, und schon ankündigt, dass er sich an Sitz- blockaden beteiligen möchte? (Ulrich Kelber [SPD]: NRW ist auch vor 30 Jahren ausgestiegen aus der Atomenergie! (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE Gegen euren Willen!) GRÜNEN]: Eine gute Idee!) Herr Sailer dagegen sagt: Grundsätzlich sind alle Zwi- Ich finde, so kann man das Vertrauen der Bürgerinnen schenlager geeignet. Das ist also eine billige parteipoliti- und Bürger in einen solchen Prozess auch zerstören. sche Zuspitzung gewesen, die, glaube ich, an dieser (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Stelle nicht der Sache dient. sowie bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Wir legen heute gemeinsam einen Gesetzentwurf vor, der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Viel- der einen Neustart bei der Endlagersuche ermöglicht; leicht sagen Sie das einmal den Produzenten mit diesem Gesetz soll wissenschaftlich fundiert, trans- von Atommüll!) parent und demokratisch legitimiert eine Grundlage da- für geschaffen werden, dass die Gefährdung künftiger Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Generationen durch den von unserer Generation produ- Herr Kauch, gestatten Sie eine Zwischenfrage? zierten Atommüll so weit minimiert bzw. gemindert wird, wie es nach bestem Wissen und nach dem Stand Michael Kauch (FDP): von Wissenschaft und Technik möglich ist. Dass dies im Konsens heute möglich ist, das ist ein gutes Zeichen. Nein, das möchte ich jetzt nicht. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NEN]: Dann wäre ja auch rausgekommen, dass sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. (B) es in Ahaus nicht geht! – Britta Haßelmann (D) Helga Daub [FDP]) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ja auch falsch, Herr Kauch! – Weitere Zurufe Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Wa- Das Wort hat nun Michael Kauch für die FDP-Frak- rum nicht?) tion. Deshalb, meine Damen und Herren: Wir wollen hier (Beifall bei der FDP) einen Konsens finden. Diese Konsensorientierung soll- ten wir auch im Umgang miteinander weiterhin beibe- Michael Kauch (FDP): halten und nicht, wie es Herr Trittin heute im Fernsehen, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist im Morgenmagazin, wieder einmal gemacht hat, versu- heute ein guter Tag, nämlich ein Tag, an dem wir ein kla- chen, Haare in der Suppe zu finden, um sich dann ir- res Verfahren beschließen, wie wir ergebnisoffen einen gendwann doch vom Acker zu machen. Wer jetzt dem Endlagerstandort finden können. Heute sprechen wir Standortauswahlgesetz zustimmt, der muss auch im ge- über das Verfahren. Damit ist aber das Problem noch samten Verfahren zu dem stehen, was wir hier gemein- nicht gelöst; darüber sollten wir uns auch im Klaren sein. sam vereinbaren. Es wird im weiteren Verfahren genügend Gelegenheiten Vielen Dank. geben, bei denen immer wieder die Gefahr besteht, dass sich irgendjemand vom Acker macht und sagt: „Ich will (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten die Verantwortung dafür nicht übernehmen“, oder: „Gut, der CDU/CSU) wir haben ein Verfahren; aber in meinem Wahlkreis geht das überhaupt nicht.“ – Es ist ja nicht das erste Mal, dass Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: wir nationale Aufgaben zu bewältigen haben, und immer Das Wort hat nun Ute Vogt für die SPD-Fraktion. wieder haben wir den Reflex „In meinem Wahlkreis aber nicht“ gesehen. Jeder, der dem Gesetzentwurf, den wir (Beifall bei der SPD) heute einbringen, schließlich zustimmt, sollte sich auch darüber im Klaren sein, dass es letztendlich auch seinen Ute Vogt (SPD): eigenen Wahlkreis treffen kann. Auch dann muss man zu Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen dem, was man hier beschlossen hat, stehen. Ich glaube, und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Ge- auch das gehört zur Wahrheit über die Konsensfindung schichte der Atomenergie in Deutschland ist eine Ge- dazu. schichte großer Irrtümer. Die einen haben diese Irrtümer Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30531

Ute Vogt (A) früher bemerkt, die anderen erst kürzlich. Es ist in der Fraktionen jetzt gefunden haben, darf nicht darüber hin- (C) Tat gut, dass wir uns in diesem Haus heute einig sind, wegtäuschen, dass wir im Gesetzesverfahren die ent- dass wir es den nachfolgenden Generationen schuldig scheidende Arbeit noch leisten müssen. Ich bin froh, sind, mit dem Problem Atommüll so umzugehen, dass es dass sich der Herr Bundesminister eindeutig bekannt hat: zumindest in den nächsten Jahrzehnten – endgültig lösen Für uns ist es unabdingbar, dass klargestellt wird, dass können wir es wohl nicht – gelöst werden kann. die Finanzierung dieser Lasten durch die Verursacher, nämlich durch die Betreiber, also durch die Energiever- Um zu illustrieren, welchen Irrtümern man unterlag, sorgungsunternehmen, erfolgen muss. will ich beispielhaft zitieren, was im Jahr 1969 zum Thema Atommüll gesagt wurde: (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Ich habe mir … sagen lassen, daß der gesamte GRÜNEN) Atommüll, der in der Bundesrepublik im Jahr 2000 vorhanden sein wird, in einen Kasten hineinginge, Für uns ist es unabdingbar, dass in diesem Gesetz steht, der ein Kubus von 20 m Seitenlänge ist. Wenn man dass, bevor die unterirdische Erkundung in Angriff ge- das gut versiegelt und verschließt und in ein Berg- nommen wird, die Bürgerinnen und Bürger, insbeson- werk steckt, dann wird man hoffen können, daß dere Betroffene, die Chance haben, eine Überprüfung man damit dieses Problem gelöst hat. der Rechtmäßigkeit des Vorgehens vornehmen zu lassen. Hierzu muss wahrscheinlich in den Gesetzestext noch So Carl Friedrich von Weizsäcker, immerhin ein sehr re- eine vernünftige und rechtssichere Formulierung aufge- nommierter Wissenschaftler, im Jahr 1969. Ich denke, nommen werden. das zeigt, in welchem Ausmaß man das Risiko, das von hochstrahlendem Atommüll ausgeht, unterschätzt hat. Und schließlich: Der Verbleib der Castoren ist nicht beliebig, sondern ihm zugrunde liegt eine zentrale Zu- Angesichts der Größe der Aufgabe, die vor uns liegt, sage, die der Bundesminister gegeben hat. Deshalb er- sollten wir nicht unterschätzen, dass die Einigung, die warten wir, dass diese Zusage vor der Verabschiedung wir gefunden haben, Herr Minister Altmaier, durchaus dieses Gesetzentwurfs eingehalten wird. fragil ist; denn die lange Vorphase bis zu dieser Einigung ist gegenüber dem, was jetzt noch an Aufgaben auf uns (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten zukommt, vergleichsweise kurz. Wir haben in dieser Re- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) publik schon mehrfach erlebt, dass Anstrengungen un- ternommen worden sind, die Suche nach einem Standort Wir haben im Gorleben-Untersuchungsausschuss er- für ein atomares Endlager wieder aufzunehmen. Ich er- fahren, wie es durch eine falsche Politik und ein sehr innere daran, dass zuletzt im Jahre 2006, also noch zu willkürliches Vorgehen gelungen ist, im Grunde nicht (B) (D) Zeiten der Großen Koalition, der damalige Umwelt- nur die betroffenen Anwohner, sondern auch viele Men- minister Sigmar Gabriel eine erneute Endlagersuche auf schen aus der ganzen Bundesrepublik gegen das in Gor- den Weg bringen wollte. Das damalige Vorhaben ist an leben geplante Endlager aufzubringen bzw. zumindest den Reihen der Union gescheitert, insbesondere an den gegen die Art und Weise, wie man ohne wissenschaftli- Ländern Baden-Württemberg und Bayern. Seinerzeit che Expertise, zumindest unter Missachtung vieler wis- waren Unionsregierungen, auch mit FDP-Beteiligung, senschaftlicher Erkenntnisse schlichtweg aus politischen nicht bereit, diese nationale Verantwortung zu überneh- Gründen eine Entscheidung getroffen und sie der Bevöl- men, obwohl sie selbst gut daran verdient haben, dass kerung übergestülpt hat. Wir haben erfahren, dass man ihre Länder Atomkraftwerksstandorte haben. nicht etwa vorher Kriterien hatte, anhand derer man suk- zessive geprüft hat, ob das Bergwerk in Gorleben diese (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dorothée Kriterien erfüllt, sondern man hat umgekehrt im Grunde Menzner [DIE LINKE]) jedes Mal, wenn man ein Untersuchungsergebnis hatte, die Kriterien entsprechend angepasst. Herr Kollege Kauch, genau darum geht es in dieser Diskussion. Es geht nicht darum, dass man die Castoren Ich glaube an den Erfolg dieses Gesetzes, weil wir breit über Deutschland verteilt, sondern um zwei Dinge: dieses Mal anders vorgehen, weil im Vorfeld Kriterien zum einen, dass wir lange Wege möglichst vermeiden, festgelegt werden. Diese stehen von vornherein fest; sie denn jeder Transport ist mit Gefahren verbunden; zum werden nicht den Erkenntnissen aus der Erkundung an- anderen, dass die Länder, die noch Atomkraftwerks- gepasst, sondern unter Beteiligung auch kritischer Wis- standorte haben, an der Übernahme nationaler Verant- senschaftler, liebe Frau Menzner, vorher festgelegt. Da- wortung beteiligt werden. für werden wir sorgen. Es werden nicht nur diejenigen beteiligt, die in den letzten Jahrzehnten einschlägig auf- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ gefallen sind – ich denke zum Beispiel an diejenigen im DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Umfeld des Atomforums –, sondern es werden auch die- LINKEN) jenigen einbezogen, die eine kritische Meinung haben Deshalb sind auch Bayern und Hessen selbstverständlich und am Gorleben-Prozess beteiligt gewesen sind. gefordert, dazu beizutragen, Niedersachsen zu entlasten, Ich glaube, wenn man so vorgeht, dass man vorher das in der Tat schon viele Jahrzehnte für uns alle diese die Regeln festlegt und anschließend die verschiedenen Verantwortung getragen hat. Standorte miteinander vergleicht, dann wird es uns zwar Die Einigung über die Grundlinien, die wir in den nicht gelingen, das supersichere Endlager zu finden Bund-Länder-Verhandlungen unter Beteiligung der – denn wer von uns kann sagen, was in 1 Million Jahren 30532 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Ute Vogt (A) sein wird? –, aber es wird uns jedenfalls gelingen, das si- Umgekehrt ist es aber genauso notwendig, dass Gorle- (C) cherstmögliche Endlager in Deutschland ausfindig zu ben bei der Suche nach einem Endlagerstandort nicht machen. von vornherein ausgeschlossen wird. Ich bedanke mich bei allen, die konstruktiv an diesem Die Suche muss nach wissenschaftlichen Kriterien er- Prozess teilnehmen. Ich hoffe, dass es uns gelingt, die folgen. Wir brauchen einen transparenten Vergleich. Es Hürden, die jetzt noch zu überwinden sind, auch vonsei- ist richtig, dass wir dies im Konsens gemeinsam ange- ten des Bundesumweltministers, zu überwinden, damit hen. dieses große Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- werden kann. Ich hoffe, dass uns heute nicht nur die Ein- bringung des Gesetzentwurfes mit Freude erfüllt, son- wie der Abg. Ute Vogt [SPD] und Angelika Brunkhorst [FDP]) dern möglichst noch in dieser Legislaturperiode auch die Verabschiedung des Gesetzes erfolgt, damit keiner mehr Dabei kommt es darauf an, dass wir gemeinsam in den hinter dieses Gesetz zurück kann. Mittelpunkt stellen: Bei der Suche nach einem Endlager- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ standort soll nach wissenschaftlichen Kriterien vorge- DIE GRÜNEN) gangen werden, entscheidend soll die bestmögliche Sicherheit sein. Ich finde, dagegen gibt es keine Argu- mente. Das ist die Diskussion, die wir jetzt zu führen ha- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: ben. Darüber soll eine Enquete-Kommission beraten, Das Wort hat nun Andreas Jung für die CDU/CSU- und der Deutsche Bundestag wird dann darüber beraten. Fraktion. Dass dieses Verfahren, wie Herr Trittin gesagt hat, ei- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) nen Neustart darstellt, trifft zu. Gleichwohl können wir bei den wissenschaftlichen Erkenntnissen an einen jahr- Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU): zehntelangen Diskurs anknüpfen. Sie, Herr Trittin, ha- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die ben den AK End eingesetzt, der Empfehlungen ausge- Debatte über die Suche nach einem Endlager für radio- sprochen hat, was bei der Endlagersuche zu aktive Abfälle führt uns in aller Deutlichkeit noch ein- berücksichtigen ist: Es werden klare Anforderungen an mal zwei Dinge vor Augen. Sie zeigt uns zum einen, die geologischen Gegebenheiten, aber auch an die Erd- dass die Kernenergie eine Technologie ist, die Risiken bebensicherheit gestellt. Meine Auffassung ist, dass wir mit sich bringt, und sie zeigt uns zum anderen, wenn wir auf diesen Erkenntnissen aufbauen müssen und sie be- uns die Kosten der Endlagersuche und die Kosten der rücksichtigen müssen. Gerade nach Fukushima dürfen beim Thema Erdbebensicherheit keine Kompromisse ge- (B) Errichtung eines Endlagers vor Augen führen, dass die (D) Kernenergie keine billige Form der Energieerzeugung ist macht werden, darf es keine Aufweichungen geben. und dass unser gemeinsamer Weg, aus der Kernenergie (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der auszusteigen und mit der Energiewende den Weg hin zu SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- erneuerbaren Energien zu gehen, richtig ist. Deshalb NEN) können wir heute betonen, welch große Bedeutung der Energiekonsens von vor zwei Jahren für die Zukunft der Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den Kon- Energieversorgung hat. text der Endlagersuche gehört natürlich auch die Frage der Zwischenlager. Ich will zunächst einmal vorausschi- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der cken, dass, nur weil wir in der Frage der Endlagersuche SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- jetzt einen Konsens haben und diesen umsetzen, die NEN) Frage der Zwischenlager und des Transports von Casto- Auf diesen Energiekonsens bauen wir jetzt mit dem ren an Sensibilität nichts verloren hat. Es gibt Ängste bei Endlagerkonsens auf. Ich begrüße diesen Konsens aus- den betroffenen Menschen; diese Ängste müssen wir drücklich. Ich schließe mich der Wortwahl von Peter weiterhin ernst nehmen. Es ist klar, dass hier nicht über Altmaier an, der gesagt hat: Es ist ein hohes Gut, dass die Köpfe der Menschen hinweg entschieden werden wir diese wichtige Frage in einem möglichst breiten ge- darf. Wir brauchen auch im Hinblick auf die Zwischen- sellschaftlichen und politischen Konsens lösen. – Es lager ein transparentes Verfahren. Die Bevölkerung geht hier eben nicht um Fragen mit Auswirkungen von muss einbezogen werden, und die Länderparlamente vier, acht oder zwölf Jahren, auch nicht von Jahrzehnten, müssen einbezogen werden. Im Übrigen – das wurde sondern es geht um Fragen mit Auswirkungen von Jahr- hier mehrfach gefordert – müssen die Lasten gerecht hunderten und Jahrtausenden; so lange bringen diese verteilt werden. Abfälle noch Gefahren mit sich. Deshalb will ich mich der Forderung, die hier mehr- Deshalb halte ich es für richtig, dass wir gemeinsam fach erhoben wurde, anschließen: Weitere Länder müs- voranschreiten und damit eine Diskussion überwinden, sen ihrer Verantwortung gerecht werden. Bisher haben die Verhärtungen mit sich gebracht hat, die Verzögerun- Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein angekün- gen mit sich gebracht hat und die von einem Gegenein- digt, dass sie sich konstruktiv einbringen wollen. Aber ander von Parteien, Bund und einzelnen Ländern ge- auch andere Länder müssen sich konstruktiv einbringen. kennzeichnet war. Es ist gut, dass wir diesen Konsens Es gibt – das sage ich völlig unabhängig von der partei- erreichen. Wir wissen, dass es dafür notwendig war, von politischen Farbenlehre – weitere große Länder, die in einer alleinigen Erkundung von Gorleben abzurücken. der Vergangenheit Atommüll produziert haben und dies Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30533

Andreas Jung (Konstanz) (A) auch weiter tun. Wir erwarten, dass sich auch diese Län- che. Das wäre jedenfalls nicht der richtige Zeitpunkt und (C) der konstruktiv einbringen. Wir setzen darauf, dass Peter dem Thema nicht angemessen. Altmaier, der diese Gespräche intensiv und mit Engage- Wir beraten jetzt in erster Lesung einen Gesetzent- ment führt, auch hier wesentliche Fortschritte erzielen wurf, der einen partei- und länderübergreifenden Kon- wird. sens zu einem besonders wichtigen Thema markiert; (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- aber ich sage auch ganz klar: „In erster Lesung“ heißt, neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN dass wir kurz vor dem Ziel, aber noch nicht am Ziel sind. und der Abg. Dr. [SPD] und Genauso wichtig ist: Wir haben uns jetzt erst einmal Angelika Brunkhorst [FDP]) über ein Verfahren verständigt. Das ist ein großer Schritt, aber trotzdem sind wir eben leider noch nicht am Ende. Ich wünsche mir – das will ich zum Abschluss sagen –, dass auch die Diskussion über mögliche Zwischenlager Natürlich muss unser gemeinsames Vorgehen abbil- im Geiste dieses Konsenses geführt wird und nicht mit den, dass die Generationen, die die Kernenergie genutzt einer Rhetorik einseitiger Erwartungshaltungen. Gestat- haben, verantwortlich mit der Entsorgung umgehen ten Sie mir, Herr Ministerpräsident Weil, deshalb eine müssen. Das liegt in ihrer Verantwortung. Ich möchte an Bemerkung: Wir betonen hier den Konsens. Sie wissen, der Stelle betonen: Genutzt haben sie alle, und über die dass es ohne die Beteiligung der betroffenen Länder Einführung der Kernenergie in Deutschland haben auch nicht geht und der Bundesumweltminister niemanden alle damals etablierten Parteien im Konsens entschieden. zwingen kann, dass man nur durch konstruktive Gesprä- Deshalb, Herr Ministerpräsident – da hat Andi Jung na- che weiterkommen kann. Daher war ich verwundert, türlich recht –, muss nicht nur der Bundesumweltminis- Herr Weil, dass Sie hier zu der oben angesprochenen ter liefern, sondern wir alle müssen liefern. Ich glaube, Rhetorik gegriffen haben, indem Sie gesagt haben: „Herr darüber gibt es hier gar keinen Streit. Minister Altmaier: Sie müssen liefern.“ (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Ulrich Kelber [SPD]: Aber Herr Jung, Sie ha- Das sind die Prämissen des heute zu debattierenden ben Ihre Region schon in einer Pressemittei- Entwurfs, der Zeugnis einer über Partei- und Landes- lung als Standort für ein Endlager ausgeschlos- grenzen hinweggehenden Konsensfindung ist. Ich sage sen! So etwas dann zu Herrn Weil zu sagen, ist auch ganz klar: Wer Parteipolitik kennt – alle hier sind doch unehrlich! Soll ich Ihnen die Pressemit- fachkundig –, der weiß, wie schwierig so etwas ist und teilung vorlesen? Ich habe sie hier!) dass das alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist. Diese Haltung ist nicht getragen von einem konstrukti- Wir haben somit hier heute eine außerordentlich große Chance, gemeinsam Handlungsfähigkeit zu dokumentie- (B) ven Miteinander. Ich jedenfalls bin der Meinung, dass (D) wir konstruktiv weiterdiskutieren sollten, auch über die ren. Diese sollten wir nutzen und bei so einer Gelegen- Frage der Zwischenlager. In diesem Sinne wird sich die heit auch einmal gemeinsam aufzeigen und nach drau- Unionsfraktion auch einbringen. ßen tragen, dass Politik in Deutschland auch bei noch so strittigen Themen handlungsfähig und einigungsfähig Herzlichen Dank. ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie Es geht auf der einen Seite um die sichere Endlage- bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE rung, aber auf der anderen Seite eben auch darum – das GRÜNEN – Ulrich Kelber [SPD]: Ich kann Ih- möchte ich am Schluss der Debatte noch einmal ganz nen die Presseerklärung zeigen, in der Sie Ih- klar herausstellen –, zu zeigen, dass wir im modernen ren Wahlkreis als Standort ausschließen!) Rechtsstaat auch über besonders streitige und besonders wichtige gesellschaftspolitische Themen überparteilich verhandeln und am Ende auch im Konsens eine Lösung Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: umsetzen können; denn das Umsetzen ist ja die eigentli- Letzter Redner in dieser Debatte ist Georg Nüßlein che Herausforderung. für die CDU/CSU-Fraktion. Herr Trittin, ich habe vorhin gesagt, dass ich gerne (Ulrich Kelber [SPD]: Jetzt sagst du mal, dass streite. Weil es hier nicht hineinpasst, verkneife ich mir Bayern auch Castoren aufnimmt! Das wäre an dieser Stelle aber einen Spruch zu der von Ihnen an- doch mal was für die Debatte! Komm, Georg!) gekündigten Regierungsübernahme durch die Grünen in Bayern. Ich habe von Andi Jung ja gerade gehört, es Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): gehe hier um Jahrhunderte, wenn nicht gar um Jahrtau- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube sende. nicht, dass es Sinn macht, jetzt – am Ende der Debatte – (Ulrich Kelber [SPD]: Nur nicht in seinem Streitpunkte zu eröffnen, laut zu werden oder in größe- Wahlkreis!) rem Ausmaß Zwischenrufe zu starten, Unter dem Gesichtspunkt betrachte ich die zeitliche (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Herr Schiene, von der Sie da gesprochen haben. Kelber kann nicht leise!) (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sosehr ich auch für mich in Anspruch nehme, dass ich in NEN]: Ich hatte eigentlich an den 15. Septem- den Debatten im Deutschen Bundestag gerne Zurufe ma- ber 2013 gedacht, Herr Nüßlein!) 30534 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Dr. Georg Nüßlein (A) Wir debattieren hier in erster Lesung natürlich einen Landkarte mit einem schwarzen Fleck zu versehen. Las- (C) Kompromiss. Im parlamentarischen Verfahren wird das sen Sie uns wirklich von vorne anfangen. eine oder andere Detail natürlich noch auszugestalten Das ist unser Anliegen. Nur so können wir nicht nur sein. Es gibt eine ganze Menge an Themen: die Frage der Zusammensetzung und des Vorsitzes der einzurich- einen Konsens über das Verfahren schaffen, sondern am tenden Enquete-Kommission, die Frage, wer das ganze Schluss auch ein konsensfähiges Vorgehen erreichen. In Verfahren bezahlt bzw. wie die Kosten verteilt werden, diesem Sinne: Glück auf für dieses Gesetz! die Frage, wie diese Kommissionsarbeit letztendlich ab- Vielen herzlichen Dank. gerechnet wird, und ähnliche Dinge. Verglichen mit der Grundsatzbedeutung, die dem Inhalt des Gesetzentwurfs (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- beizumessen ist, sind das aber nur Marginalien, die im neten der FDP) regulären parlamentarischen Verfahren noch eingebracht und verhandelt werden können. Ich will diesen Aspekten Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: damit nicht ihre Bedeutung absprechen. Ein gutes Ge- Ich schließe die Aussprache. setz muss natürlich bis ins letzte Detail durchdacht sein, aber alles hat seine Zeit. Diese Punkte können wir noch Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent- in Debatten, Anhörungen und Ausschüssen beraten. Wir wurfs auf Drucksache 17/13471 an die in der Tagesord- sind nämlich Gott sei Dank so vorgegangen, dass jetzt nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es am Ende der Wahlperiode noch genügend Zeit ist, das dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. ordentlich zu regeln; auch das möchte ich betonen. Das Dann ist die Überweisung so beschlossen. ist ein Verdienst all derjenigen, die das letztendlich mit Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 53 a und 53 b angestoßen und mit organisiert haben. sowie Zusatzpunkt 9 auf: Weil heute insbesondere der Bundesumweltminister 53 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ allen gedankt hat, möchte ich das an dieser Stelle auch CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Ge- einmal umgekehrt tun, nämlich dem Bundesumweltmi- setzes zum Vorschlag für eine Verordnung des nister danken. Es war ein großer Kraftakt, den er hier Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben vollzogen hat, und er hat das hervorragend gemacht. Lie- im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kre- ber Peter Altmaier, vielen Dank! Großartige Leistung! ditinstitute auf die Europäische Zentralbank (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten – Drucksache 17/13470 – der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE Überweisungsvorschlag: GRÜNEN) Finanzausschuss (f) (B) Rechtsausschuss (D) In der Thematik Gorleben muss man drei Dinge ganz Ausschuss für Wirtschaft und Technologie klar festhalten: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Erster Punkt. Um zu zeigen, dass wir es ernst meinen, Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ist es sinnvoll, darauf zu verzichten, jetzt zusätzliche Haushaltsausschuss Castoren nach Gorleben zu transportieren, denn sonst b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre- würden wir die Entscheidung für eine Standortsuche in- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes frage stellen, und dann würde der Eindruck entstehen: zur Abschirmung von Risiken und zur Pla- Die spielen mit uns, die meinen das nicht ernst. nung der Sanierung und Abwicklung von Kre- Zweiter Punkt. Genauso sinnvoll ist es, das Wissen, ditinstituten und Finanzgruppen das wir bei der Erkundung erworben haben, jetzt nicht – Drucksachen 17/12601, 17/13035 – ad acta zu legen. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus- Dritter Punkt. Darüber hinaus ist es sinnvoll, darauf schusses (7. Ausschuss) zu achten, dass es bei der Endlagersuche auf der weißen Landkarte nicht von Anfang an einen schwarzen Fleck – Drucksachen 17/13523, 17/13539 – gibt, nämlich Gorleben. Auch das würde niemand ver- Berichterstattung: stehen. Abgeordnete Ralph Brinkhaus (Beifall des Abg. Jürgen Trittin [BÜND- Manfred Zöllmer NIS 90/DIE GRÜNEN]) Björn Sänger Dr. Gerhard Schick – Es freut mich, dass der Kollege Trittin an dieser Stelle klatscht. – Wichtig ist auch – das muss sich bei den Lin- ZP 9 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- ken noch herumsprechen –: Ich kann nicht beschließen, richts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu mit der Suche neu zu beginnen, und dann einen Ort kom- dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- plett ausschließen, nur weil es dort nachvollziehbare NIS 90/DIE GRÜNEN Schwierigkeiten mit der Bevölkerung gibt. Ich habe gro- Ein neuer Anlauf zur Bändigung der Finanz- ßes Verständnis für die Betroffenen vor Ort. Aber es gibt märkte: Erpressungspotenzial verringern – zum jetzigen Zeitpunkt, jedenfalls bei den Geologen, Geschäfts- und Investmentbanking trennen kein Argument, warum man Gorleben ausschließen sollte. Es bringt auch politisch keinen Nutzen, die weiße – Drucksachen 17/12687, 17/13523, 17/13539 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30535

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse (A) Berichterstattung: eine formelle Verabschiedung dieser Verordnung vorlie- (C) Abgeordnete Ralph Brinkhaus gen. Manfred Zöllmer Mit dem heute eingebrachten Entwurf eines Zustim- Björn Sänger mungsgesetzes soll der deutsche Vertreter im Rat er- Dr. Gerhard Schick mächtigt werden, dieser ausgehandelten Verordnung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die über eine einheitliche europäische Aufsichtsstruktur im Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Bankenwesen zuzustimmen. Durch die Verordnung sol- Widerspruch. Dann ist so beschlossen. len besondere Aufgaben im Bereich der Bankenaufsicht, die bislang nur auf nationaler Ebene wahrgenommen Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Parlamen- werden, auch auf die EZB verlagert werden. tarischen Staatssekretär Hartmut Koschyk das Wort. So wird die Europäische Zentralbank die zuständige Behörde für die Überwachung der Einhaltung der Eigen- Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- kapitalanforderungen und die Beaufsichtigung auf kon- desminister der Finanzen: solidierter Basis sein. Zudem wird sie die Einhaltung Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! von Bestimmungen zum Verschuldungsgrad und zur Wir haben in dieser Woche im Deutschen Bundestag Mindestliquiditätsquote überwachen und entsprechende über wichtige Meilensteine im Hinblick auf einen stabi- Kapitalpuffer festlegen. len Finanzrahmen mit notwendiger Konsequenzziehung aus der Finanzmarktkrise debattiert. Heute werden wir Deutschland hat sich in den Verhandlungen über eine über einen weiteren Meilenstein für eine stabile Finanz- gemeinsame europäische Bankenaufsichtsstruktur stets systemordnung in Europa und darüber hinaus debattie- und entschieden für eine klare Aufteilung der Aufgaben ren, nämlich über die Schaffung einer einheitlichen EU- zwischen EZB und nationalen Aufsichtsbehörden und weiten Bankenaufsicht. für die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips eingesetzt. Wir konnten uns durchsetzen. Die direkte Aufsicht der Wir erinnern uns: Am 29. Juni des vergangenen Jah- EZB wird sich nur auf die bedeutenden Kreditinstitute res haben die Staats- und Regierungschefs des Euro- der teilnehmenden Mitgliedstaaten konzentrieren. Krite- Währungsgebietes in ihrer Gipfelerklärung den Weg für rien für die Bedeutsamkeit eines Kreditinstituts sind die einen einheitlichen europäischen Bankenaufsichtsme- Größe, chanismus unter Beteiligung der Europäischen Zentral- bank politisch freigemacht. Das politische Hauptziel ist, (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wo ist dass durch einen solchen einheitlichen Aufsichtsmecha- denn überhaupt Herr Schäuble?) nismus der Teufelskreis aus Banken und Staatsanleihen seine Bedeutung für die Wirtschaft der EU oder des Mit- (B) durchbrochen werden soll. gliedstaates oder der Umfang der grenzüberschreitenden (D) (Manfred Zöllmer [SPD]: Wie geht das?) Tätigkeit des Instituts. Zum Beispiel gelten Kreditinsti- tute mit einer Bilanzsumme von über 30 Milliarden Euro Wir wollen die gleiche Durchsetzung europäischer Auf- als bedeutend. sichtsstandards in den an ihm teilnehmenden Mitglied- staaten. Damit soll das Vertrauen in unsere europäische Unabhängig von diesen Kriterien soll die EZB min- Währung und in ein stabiles Bankensystem in Europa destens gefestigt werden. (Johannes Kahrs [SPD]: Können Sie auch was Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone ha- anderes als ablesen? Abgelesene Reden funk- ben in ihrer Gipfelerklärung die Rechtsgrundlage für tionieren hier nicht, Herr Staatssekretär!) diesen einheitlichen Aufsichtsmechanismus klar vorge- die drei bedeutendsten Kreditinstitute eines jeden teil- geben: Art. 127 Abs. 6 des Vertrages über die Arbeits- nehmenden Mitgliedstaates direkt beaufsichtigen. weise der Europäischen Union. Darin ist vorgesehen, dass der Rat einstimmig durch Verordnung besondere (Johannes Kahrs [SPD]: Herr Staatssekretär, in Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über die der Geschäftsordnung steht: frei reden, nicht EZB übertragen kann. ablesen!) Die Europäische Kommission hat dann am 12. Sep- – Lieber Herr Kollege Kahrs, Sie können nachher reden tember des vergangenen Jahres einen Vorschlag für eine und Ihren Sachverstand zu diesem Sachverhalt in freier Verordnung des Rates vorgelegt. Diese Verordnung trägt Rede deutlich machen. den schönen Titel „Single Supervisory Mechanism“, (Johannes Kahrs [SPD]: Das tue ich meistens, kurz: SSM-Verordnung. und nicht so schlecht!) Es folgten dann intensive Verhandlungen im Rat. Nur Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn – mit Unterstützung drei Monate nachdem die Vorschläge vorgelegt worden des Präsidenten – Sie mich jetzt fortfahren lassen wür- waren, konnte am 13. September des vergangenen Jahres den, lieber Kollege Kahrs. unter den 27 EU-Finanzministern eine erste einstimmige politische Einigung über Texte erreicht werden. Natür- (Johannes Kahrs [SPD]: Aber nicht ablesen! lich war es wichtig und notwendig, auch das Europäi- Lesen Sie die Geschäftsordnung! Freie sche Parlament in die Verhandlungen einzubeziehen. Rede! – Gegenruf des Abg. Klaus-Peter Jetzt haben wir einen Verordnungstext mit Datum vom Flosbach [CDU/CSU]: Unverschämtheit da- 18. April, mit dem die inhaltlichen Voraussetzungen für hinten! Unglaublich!) 30536 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk (A) – Ich wusste gar nicht, dass Sie bei diesem Thema so Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C) kompetent und engagiert sind. Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine vermutlich sachliche Zwischenfrage des Kollegen Schneider? Jedenfalls kommt es darauf an, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir durch den heute zu verabschiedenden Entwurf des Zustimmungsgesetzes den Weg dafür frei- Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- machen, dass im Hinblick auf die Situation der europäi- desminister der Finanzen: schen Bankenlandschaft mehr Stabilität eintritt. Wir ha- Ja. Der Kollege Schneider zeichnet sich immer durch ben uns sehr dafür eingesetzt, dass es bei der strikten sachliche Beiträge und Zwischenfragen aus. Trennung im Hinblick auf die Verantwortung der Euro- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Es sei päischen Zentralbank, was die Geldwertstabilität in die- denn, ihm ist etwas über die Leber gelaufen!) sen Aufsichtsfragen anbelangt, bleibt.

Des Weiteren haben wir uns dafür eingesetzt, dass es Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): zu einer abgestimmten Aufsichtsstruktur kommt. Die be- Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin den Teufelskreis währten nationalen Aufsichtsstrukturen werden die aus Staatsfinanzen und Bankfinanzen beschrieben, der nichtbedeutenden Kreditinstitute weiter überwachen. durchbrochen werden soll. In der Erklärung der Regie- Die bedeutenden Kreditinstitute – ich habe die Defini- rungschefs vom Juni 2012, die die Bundeskanzlerin mit tion genannt – werden in Zukunft von der Europäischen unterschrieben hat, wird auch die Öffnung des Europäi- Zentralbank überwacht werden. Wir werden natürlich schen Stabilitätsmechanismus für die Refinanzierung der auch genau darauf achten, dass die technischen Details, Banken genannt. Das heißt, der Staatsrettungsfonds wird die jetzt noch auszuformulieren sind, auch unter Mitwir- zu einem Bankenrettungsfonds. Sie haben bisher noch kung sowohl des Europäischen Parlaments als auch der nichts dazu gesagt. Ich möchte gern wissen, wann Sie nationalen Parlamente ausformuliert werden. hier dem Haus den geänderten Gesetzentwurf dazu vor- legen wollen; denn der Bundestag hat das ausgeschlos- Die strikte Trennung zwischen Geldpolitik und Auf- sen. Eine der Bedingungen für die Öffnung des ESM ist sicht war ein ganz entscheidender Punkt. Für uns ist es – ich denke, die Bundesregierung steht bei ihren euro- aber auch wichtig, dass eine Schlichtungsstelle ein- päischen Partnern im Wort – die Bankenaufsicht. Sind gerichtet wird, die im Falle eines Einspruchs des EZB- Sie noch der Auffassung, dass der ESM die Rekapitali- Rates gegenüber einem Entscheidungsvorschlag des sierung der Banken, also die Schuldenübernahme, durch Aufsichtsgremiums die Meinungsverschiedenheiten bei- europäisches Geld vornehmen soll, oder ist das jetzt legen soll. Auch die Aufsichtstätigkeit bei der EZB soll nicht mehr Ihr Punkt? (B) durch Abgaben finanziert werden. Diese Abgaben wer- (D) den von den beaufsichtigten Kreditinstituten zu zahlen sein. Das heißt, es wird nicht zu Belastungen der öffent- Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bun- lichen Haushalte durch diese neue Aufsichtsstruktur desminister der Finanzen: kommen. Lieber Herr Kollege Schneider, wenn Sie die Schluss- folgerungen des Europäischen Rates aufmerksam ver- (Johannes Kahrs [SPD]: Das glaubt doch kein folgt haben, werden Sie festgestellt haben, dass dort eine Mensch! Kein Wunder, dass der Minister nicht klare Prioritätensetzung vorgenommen wurde. Jetzt geht da ist! So einen Unsinn hätte der nie erzählt!) es darum, die Regeln für den einheitlichen Aufsichtsme- chanismus unter Dach und Fach zu bringen. Der nächste – Ich weiß gar nicht, lieber Herr Kahrs, warum Sie in Schritt ist der Abschluss der Bankenrestrukturierungs- eine sachliche Debatte über ein wichtiges europäisches richtlinie. Dann werden wir uns mit wirksamen Instru- Gesetzesvorhaben eine solch komische Stimmung hin- menten einer möglichst gemeinsam abgestimmten euro- einbringen. päischen Einlagensicherung beschäftigen. Danach wird – genau das sind die Schlussfolgerungen des Europäi- (Johannes Kahrs [SPD]: Weil Sie nur ablesen!) schen Rates – mit der Erarbeitung von Möglichkeiten ei- Ist Ihnen heute irgendetwas über die Leber gelaufen? ner direkten, konditionierten Rekapitalisierung von Ban- ken durch den ESM begonnen werden. Alles schön der (Beifall des Abg. Peter Aumer (CDU/CSU) Reihe nach, so wie es in den Schlussfolgerungen des Eu- ropäischen Rates festgelegt wurde. Wahrscheinlich ist Ihnen wirklich etwas über die Leber gelaufen; Ich gehe davon aus, lieber Herr Kollege Schneider, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, (Johannes Kahrs [SPD]: Ja, Ihre Rede!) dass Sie dieses Gesamtwerk, das uns mehr Stabilität des Finanzsystems in Europa bringen soll, konstruktiv unter- denn der Sachverhalt, lieber Herr Kahrs, mit dem wir stützen. Es wäre völlig falsch, hier die Schritte unkoordi- uns heute auseinandersetzen, erfordert doch ein wenig niert und nicht in der Reihenfolge, wie sie in den Ernsthaftigkeit und Seriosität und nicht plumpe Pöbelei. Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vorgesehen Vielleicht versuchen Sie jetzt, der Debatte ein bisschen ist, zu unternehmen. Ich lade Sie dazu ein, dies konstruk- angemessener zu folgen. tiv zu begleiten. Darüber würde ich mich freuen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30537

Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk (A) Ich kann mir nicht vorstellen, dass es im Interesse der (Johannes Kahrs [SPD]: Aber der Minister ist (C) Opposition und Deutschlands liegt, wenn wir uns zum nicht da!) Beispiel an das schwierige Thema der direkten Banken- rekapitalisierung durch den ESM wagen, ohne die ande- und über ein – angebliches – Trennbankensystem, das ren Grundvoraussetzungen, wie ich sie beschrieben nicht trennt. Wir stellen fest, dass der Minister nicht da habe, deutlich darzulegen. Das müsste sogar der Kollege ist. Ich kann nur sagen: Dies ist ein Armutszeugnis für Kahrs verstanden haben. diese Bundesregierung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) In diesem Sinne werden wir mit dem heute einge- brachten Entwurf eines Gesetzes, das die Zustimmung Liebe Kolleginnen und Kollegen, blicken wir noch des deutschen Ratsvertreters zu der Verordnung des Ra- einmal zurück: Es war die Bundeskanzlerin, die auf ei- tes ermöglichen soll, einen wichtigen Meilenstein auf ner Ratssitzung im Juni letzten Jahres ihre Zustimmung den Weg bringen. Das zeigt übrigens auch, welch hohen dazu gab, dass Banken in Zukunft direkt aus dem ESM Grad der Parlamentsbeteiligung wir in Deutschland ha- rekapitalisiert werden können, wenn eine gemeinsame ben. Bevor der deutsche Vertreter im Rat zustimmen Bankenaufsicht eingerichtet ist. Wir haben von Anfang kann, holen wir die Zustimmung des Deutschen Bundes- an gesagt, dass es ein großer politischer Fehler war, den tages durch dieses Gesetz ein. die Bundeskanzlerin da gemacht hat. Nun versucht die Bundesregierung krampfhaft, Nebelkerzen zu werfen, Wir werden uns heute in zweiter und dritter Lesung Chaos zu produzieren, um ihr politisches Versagen zu mit einem weiteren wichtigen Gesetz der Bundesregie- vertuschen. rung befassen, zu dem dann auch noch andere Kollegen aus den Koalitionsfraktionen Stellung nehmen werden. Sie haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, um die Zu- Ich will nur sehr deutlich sagen: Auch beim Thema stimmung des Bundestages zu einer europäischen Ban- Trennbanken geht Deutschland wieder einmal voran, kenaufsicht einzuholen. Ja, eine europäische Bankenauf- setzt Deutschland wieder einmal Zeichen. Wir haben das sicht, eine Bankenunion in Europa, ist unserer Meinung beim Thema Leerverkaufsverbot getan. Wir haben das nach notwendig; denn das europäische Bankensystem ist beim Thema Hochfrequenzhandel getan. Wir haben das nach wie vor marode. Es fehlen nach Meinung von Ex- beim Thema Honorarberatung getan. Wir tun es jetzt – es perten mindestens 500 Milliarden bis 1 Billion Euro an geht dabei um erste Konsequenzen aus dem Liikanen-Be- Kapital. richt – durch das Gesetz, das man als Trennbankengesetz bezeichnen kann. Es wäre schön gewesen und wir hätten Die Bankenkrise verschlimmert die Rezession im (B) uns in Europa viel erspart, wenn Deutschland auch in Euro-Raum massiv. In vielen Ländern gibt es eine dra- (D) den elf Jahren sozialdemokratischer Verantwortung im matische Kreditklemme. Die traditionelle Geldpolitik Bundesfinanzministerium Schrittmacher für mehr und der Zentralbank wirkt in vielen Ländern nicht mehr. Mit für notwendige Regulierung auf europäischer Ebene ge- der andauernden Rezession werden auch die Probleme wesen wäre. vieler Banken größer. Die Bankenunion soll helfen. Sie muss deshalb kommen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Man hat sich in Europa verständigt – der Herr Staats- Diese Aufgabe hat diese Bundesregierung mit Bun- sekretär hat das eben deutlich gemacht – auf eine ge- desfinanzminister Schäuble und der christlich-liberalen meinsame Bankenaufsicht bei der EZB. Wenn man so et- Koalition übernommen. Wir können am Ende dieser Le- was kurzfristig einrichten will, dann kann man im gislaturperiode sagen, dass wir durch unseren entschie- Moment sicherlich keine andere Institution beauftragen, denen Einsatz die richtigen Konsequenzen aus der Krise die in der Lage ist, dies in Europa fachkundig zu erledi- gezogen und die Finanzsysteme in Europa und damit un- gen. Aber die Probleme liegen auf der Hand. Geldpolitik sere gemeinsame Währung stabiler gemacht haben. und Aufsicht lassen sich nicht wirklich trennen, auch Herzlichen Dank. wenn Sie, Herr Koschyk, hier eben etwas anderes darge- stellt haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Nach den Gesetzen kann nur der EZB-Rat Entschei- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: dungen treffen. Die juristische Prüfung hat dies eindeu- Das Wort hat nun Manfred Zöllmer für die SPD-Frak- tig ergeben. Interessengegensätze zwischen Geldpolitik tion. und Aufsicht sind damit vorprogrammiert. Wie – das frage ich Sie – soll die EZB eine Bank beaufsichtigen, (Beifall bei der SPD – Klaus-Peter Flosbach wenn sie gleichzeitig Geschäftspartner und Gläubiger [CDU/CSU]: Aber nicht ablesen!) ist? (Beifall bei der SPD) Manfred Zöllmer (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Wir fordern deshalb, die Übertragung der Aufsicht über diskutieren heute über den wichtigsten Souveräni- systemrelevante Institute an die EZB zeitlich zu begren- tätstransfer, den es in der Europäischen Union bisher ge- zen. Wir brauchen auf Dauer eine von der Geldpolitik geben hat, unabhängige Institution, die diese Aufgabe übernimmt. 30538 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Manfred Zöllmer (A) Zur Bankenunion gehören notwendigerweise auch Auch die EZB und die Kommission haben sich ent- (C) eine unabhängige europäische Abwicklungsbehörde, die sprechend geäußert. In einem Artikel heißt es: EZB ge- das Recht hat, Banken zu rekapitalisieren und auch ab- gen zweistufige Bankenabwicklung; Asmussen hält zuwickeln, und ein entsprechender Abwicklungsfonds, nichts von Schäubles Idee. – Das ist auch nachvollzieh- der aus den Beiträgen der Banken gespeist werden muss, bar; denn diese Idee wäre genauso unsinnig, wie es wäre, so wie wir es hier vorgeschlagen haben, damit die Ban- wenn die Polizei keine Knöllchen schreiben dürfte. ken selber und nicht die Steuerzahler die Risiken über- nehmen. (Dr. h. c. [CDU/CSU]: Jetzt wird der Asmussen gelobt, oder wie?) (Beifall bei der SPD) Lassen Sie mich noch ganz kurz etwas zum Stichwort Jetzt wird es interessant: Der Bundesfinanzminister Bankentrennung sagen. Bankentrennung? Schön wäre übt sich im Moment im Tarnen, Täuschen, Tricksen und es, wenn Banken tatsächlich getrennt würden. Dieser Verzögern. Gesetzentwurf trennt aber nichts. Der Kommentator auf (Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: der Wirtschaftsseite der Süddeutschen Zeitung nennt den Er ist ja nicht mal da!) Gesetzentwurf völlig zu Recht „Blendwerk“. Warum? Die Idee einer Trennbank ist die Unterbindung der In einem Namensartikel der Financial Times geht er auf Finanzierung des Casinos durch die Kreditbank. Dies Konfrontation zur EZB und verkündet: Ohne Vertrags- gelingt der Bundesregierung nicht. Die Abtrennung des änderung kein Abwicklungsfonds. Stattdessen will er ein risikoreichen Geschäfts vom Kundengeschäft wird nicht Netzwerk nationaler Behörden. Man überlege einmal: wirklich vorgenommen. Das hat die Anhörung des Selbst in Deutschland gibt es keinen entsprechenden Finanzausschusses eindeutig ergeben. Dies ist kein Fonds, der in der Lage ist, die Aufgabe zu erfüllen. Die Trennbankensystem. Die Schwellenwerte sind viel zu Bankenabgabe, die Sie beschlossen haben, war doch viel hoch. In der Anhörung wurde klar: Weniger als 1 Pro- zu gering. Da ist doch überhaupt nichts, was national zent der Bankaktivitäten sind von der Trennungsvor- eingebracht werden kann. schrift betroffen. Herr Vickers hat das in der Anhörung (Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans als „befremdlich“ bezeichnet. Die Süddeutsche Zeitung Michelbach [CDU/CSU]: Wer zahlt denn formulierte: „… die Banken-Lobby hat ganze Arbeit ge- das?) leistet.“ Man will dem Wähler signalisieren: Nie mehr musst du für riskante Geschäfte der Banken zahlen. – Die Banken selber zahlen das. Doch erfüllt der Gesetzentwurf diese Hoffnung? Wohl (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Der kaum. Nein, das ist der Entwurf eines weiteren Placebo- (B) Kunde!) gesetzes dieser Bundesregierung. (D) Sie wollen die Banken doch immer schonen. Wir sagen: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben gemein- Die Banken müssen das selber bezahlen und nicht die sam mit Bündnis 90/Die Grünen Vorschläge zur Ban- Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. kentrennung in Form eines Holdingmodells vorgelegt. (Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Wir werden dafür sorgen, dass das Zockergeschäft vom Michelbach [CDU/CSU]: Bei den Banken normalen Kundengeschäft getrennt wird und diese toxi- kommt das Geld doch nicht vom Himmel! Das schen Geschäfte nicht mehr durch Kundeneinlagen muss doch jemand zahlen!) finanziert werden können. Mit seinem Vorstoß versucht der Minister, eine Ban- Vielen Dank. kenunion auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschie- ben. Damit würde automatisch die Zusage von Frau Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Merkel wieder gelten, dass sich Krisenbanken zukünftig aus dem ESM rekapitalisieren können. Das würde be- Das Wort hat nun Volker Wissing für die FDP-Frak- deuten: Nun ist dank dieser Bundesregierung wieder der tion. Steuerzahler in der Haftung. Die nächste Pleitebank wird (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) vom Steuerzahler bezahlt. Sie darf sich bei dieser Bun- desregierung bedanken. Dr. Volker Wissing (FDP): (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kollegin- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo bleibt eigentlich nen und Kollegen! Zunächst will ich bezogen auf die die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung, die Glaub- Rede von Herrn Kollegen Zöllmer festhalten: Als Peer würdigkeit von Frau Merkel und Herrn Schäuble, wenn Steinbrück Finanzminister war, haben die Steuerzahle- derartig getrickst und getäuscht wird, wenn einem Juris- rinnen und Steuerzahler für die Restrukturierung von ten auf einmal einfällt, die Bankenaufsicht kann gemäß Banken bezahlen müssen. Das zu ändern, ist unser Ziel. Art. 127 Abs. 6 AEUV problemlos eingerichtet werden, Das werden wir mit diesem Gesetzentwurf auf den Weg aber die Abwicklung nicht? Dann entsteht die Situation, bringen. Das ist der Unterschied zwischen Ihrer und un- dass die „lähmende Herrschaft der Zombie-Banken“, so serer Politik. hat es Herr Münchau auf Spiegel Online formuliert, fort- gesetzt wird. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30539

Dr. Volker Wissing (A) Wenn man in dieser schwierigen Krise Vertrauen zu- (Dr. [DIE LINKE]: Das stimmt! (C) rückgewinnen will, muss man den Menschen die Wahr- Das ist richtig!) heit sagen. Wir haben die Eckpunkte gesetzt, die wir für richtig und (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Da haben Sie ja für wichtig halten. Wir haben das frühzeitig vor den an- schon mal ganz schlecht angefangen!) deren getan, um der Bundesregierung, auch auf europäi- scher Ebene, ein klares Verh Man muss sich bei der Regulierung auch an der Wahr- andlungsmandat mitzuge- heit orientieren. Die Wahrheit ist: Nicht Universalban- ben. ken haben diese Krise ausgelöst, sondern Spezialbanken. Wenn man die Geschichte seit 2009 verfolgt, stellt In Amerika waren es Investmentbanken. Die Banken, man fest: Der Deutsche Bundestag war federführend. die in Deutschland als Erste umgefallen sind, waren Wir haben vieles parallel mit der Assemblée Nationale ebenfalls keine Universalbanken. Es waren Banken mit in Frankreich auf den Weg gebracht – in vielen Fällen ist einem eindimensionalen spezifischen Bankengeschäft, das gelungen – und dann mit klaren Vorgaben, mit einem beispielsweise Landesbanken oder auch die Hypo Real klaren Mandat die Bundesregierung gebeten, das zum Estate. europäischen Standard zu machen. Das ist Schritt für (Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Schritt gelungen. So sieht seriöse und gute Finanzmarkt- NEN]: Die Sachsen LB ist keine Universal- regulierungspolitik aus. bank?) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – La- Diese Banken waren keine Universalbanken. Deshalb ist chen des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE die Botschaft, die Sie den Menschen wahrheitswidrig LINKE]) verkaufen, nämlich dass Universalbanken das Problem und Trennbanken die Lösung seien, falsch. Deswegen Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: befinden Sie sich bei der Finanzmarktregulierung auch Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des nicht auf dem richtigen Weg. Kollegen Schick? (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Volker Wissing (FDP): Ja. Bitte. Gleichwohl kann die Komplexität einer Bank zu ei- nem Problem werden. Sie darf nicht dazu führen, dass (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: die Restrukturierung im Krisenfall am Ende unhandelbar Der hat doch nachher noch Redezeit!) ist, man die Bank dann nur noch im Ganzen retten kann (B) (D) und dafür so viel Geld braucht, dass nur der Staat ein- Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- springen kann. Deswegen ist es richtig, dass man Vor- NEN): kehrungen in Form von Bankentestamenten trifft. Es ist auch richtig, dass man die Geschäftsbereiche abtrennt, Herr Kollege, Sie haben gerade gesagt, dass das Pro- die von der Bank nicht verantwortet und auch nicht besi- blem in Deutschland eigentlich überhaupt nicht die Uni- chert werden können. Das bringen wir mit diesem Ge- versalbanken gewesen seien. Das hat mich gewundert. setzentwurf auf den Weg. Das ist an der Wahrheit orien- Denn die Sachsen LB hat sowohl Investmentbanking als tierte Finanzmarktregulierung spezifisch für unseren auch Kreditgeschäft betrieben. Die WestLB war im nationalen Finanzplatz, der eine wichtige Funktion zur Investmentbanking und im Kreditgeschäft tätig. Die Finanzierung der deutschen Wirtschaft hat. Commerzbank ist im Investmentbanking und im Kredit- geschäft aktiv. Das zeigt, dass schon einmal drei wesent- Das, was Sie so lapidar und auch wahrheitswidrig als liche Problemfälle in Deutschland Universalbanken ge- überflüssig toxisches Geschäft bezeichnen, dient in wesen sind. Die Frage ist, wie man das im Hinblick auf Wahrheit der Industriefinanzierung in Deutschland und jede einzelne Bank bewertet. Ich möchte dennoch ein- sichert unzählig viele Arbeitsplätze. mal nachfragen, ob Ihre Aussage, dass in Deutschland nur Spezialbanken von den Rettungen betroffen waren, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) generell richtig ist. Auch das muss irgendjemand in Deutschland einmal klar aussprechen, weil die Sozialdemokratie offensichtlich Bitte nehmen Sie außerdem zur Kenntnis, dass das nicht mehr ansteht, Finanzmarktpolitik für die Arbeit- Hauptargument ein anderes ist, nämlich dass es eine nehmerinnen und Arbeitnehmer zu machen. Quersubventionierung gibt. Dieses Argument wurde auch von BaFin und Bundesbank in der Anhörung bestä- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – tigt. Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Blödsinn!) Wie auch die Französische Republik streben wir eine Dr. Volker Wissing (FDP): Lösung des Problems der Komplexität der Banken an Herr Kollege Schick, meine Aussage war und ist rich- und haben parallel mit Frankreich einen Entwurf ver- tig. Sie haben sie nur bewusst falsch verstanden und fasst. Deutschland geht zwar etwas weiter als Herr eben bewusst falsch wiedergegeben. Ich habe gesagt: Es Hollande, aber im Wesentlichen haben wir den gleichen waren im Wesentlichen nicht Universalbanken, die diese Weg eingeschlagen. Wir machen das, was wir in dieser Krise verursacht haben, sondern es waren überwiegend Krise von Anfang an gemacht haben: Spezialbanken. Diese Aussage ist richtig, und sie steht 30540 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Dr. Volker Wissing (A) auch nicht im Widerspruch zu dem, was Sie gesagt ha- Dr. Volker Wissing (FDP): (C) ben. Das ist der richtige Weg. Wir können auf das, was auf den Weg gebracht worden ist, stolz sein. Wir vervoll- ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ständigen Schritt für Schritt unser Werk einer guten Fi- gibt nur eine Universalbank in Deutschland! nanzmarktregulierung in Europa. Die heißt Deutsche Bank!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Deswegen müssen wir hier gar keinen Popanz errichten, sondern können bei dem bleiben, was ich hier gesagt Vizepräsident : habe; denn es ist die Wahrheit. Es ist in der Tat notwen- dig, dass man reguliert; sonst würden wir dieses Gesetz Vielen Dank, Kollege Dr. Volker Wissing. – Nächster Redner für die Fraktion Die Linke: unser Kollege nicht machen. So einfach ist das. Man muss eben nur Dr. Axel Troost. Bitte schön, Kollege Dr. Axel Troost. sinnvoll regulieren und sich an der Wahrheit orientieren, und das tut die christlich-liberale Koalition. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist auch Teil der Kollegen! Mit der Verabschiedung des heute vorgelegten Wahrheit, dass wir eine europäische Aufsicht brauchen. Gesetzentwurfs, dem nächsten Meilenstein – wir hören Der Deutsche Bundestag hat sich, wenn ich mich recht das jetzt in jeder Debatte –, erinnere, schon im Jahr 2005 in einem Entschließungs- antrag dafür ausgesprochen, ein europäisches Aufsichts- (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Es ist ja so! Es ist die Wahrheit!) regime zu schaffen. Wir waren damals in diesen Fragen sehr weit voraus, übrigens fraktionsübergreifend. Natür- soll der Bundestag der Bundesregierung die Erlaubnis lich war es die Krise, die am Ende den Druck erhöht hat, geben, im Europäischen Rat die Einrichtung einer euro- aber es war auch die Erkenntnis, dass wir unbewusst be- päischen Bankenaufsicht bei der EZB zu beschließen. reits Risiken in den Bilanzen von Banken tragen, die ih- Ich kann Ihnen diese Erlaubnis namens unserer Fraktion ren Sitz in anderen Ländern unseres Währungsgebietes nicht erteilen. haben. Das ist eine bittere Erfahrung auch der letzten (Beifall bei der LINKEN – Dr. h. c. Hans Monate, und die Antwort darauf muss sein, dass man Michelbach [CDU/CSU]: Das ist ja schade!) jetzt so schnell wie möglich eine europäische Banken- aufsicht auf den Weg bringt, weil es nicht verantwortbar Als Linke lehnen wir natürlich nicht die Idee ab, dass (B) ist, dass deutsche Bürgerinnen und Bürger Risiken tra- bei immer größer werdenden Banken eine Europäisie- (D) gen, aber keinen Einfluss auf die Behörden haben, die rung der Aufsicht notwendig ist. Eine Europäisierung ist die Banken kontrollieren und beaufsichtigen, bei denen aber kein Selbstzweck. Die übergeordnete Leitfrage sich diese Risiken aufbauen. Deswegen: Danke schön an muss vielmehr lauten: Wie wird die Bankenaufsicht ins- die Bundesregierung, dass sie zügig vorangeht, aber das gesamt schärfer und handlungsfähiger und verhindert Kind nicht mit dem Bade ausschüttet, sondern dies alles damit Bankenkrisen besser als bisher? Eine verbesserte mit der notwendigen Sorgfalt und Präzision ausarbeitet. Zusammenarbeit über die nationalen Grenzen hinweg muss hier natürlich ein wichtiger Aspekt sein. Sie muss Nachdem die Bundeskanzlerin auf europäischer Ebene aber mit dem politischen Bekenntnis verbunden sein, die die Eckwerte verhandelt hatte, hat der Deutsche Bundes- Banken nicht länger mit Samthandschuhen anzufassen. tag schnell einen Entschließungsantrag angenommen und Genau dieses Bekenntnis vermissen wir aber. klargemacht: Für uns ist die Unabhängigkeit der EZB, aber auch die Trennung zwischen Geldpolitik und Auf- (Beifall bei der LINKEN – Dr. h. c. Hans sichtspolitik wichtig. Jetzt haben wir eine sehr präzise, Michelbach [CDU/CSU]: Was heißt denn das: maßgenaue Regelung. Das Maximum dessen, was auf eu- „mit Samthandschuhen“?) ropäischer Ebene verhandelbar war, wurde ausgehandelt; Bei dieser Europäisierung droht insbesondere der das Maximum dessen wurde in der SSM-Verordnung nie- Verlust der in Deutschland sehr erfolgreichen Allfinanz- dergeschrieben. Wir können das voll und ganz unterstüt- aufsicht. Wir haben mit der BaFin bewusst eine Einrich- zen. tung geschaffen, in der alle drei Säulen – Kreditinstitute, Versicherungswirtschaft und Börsen – in einzelnen Ab- Herr Kollege Zöllmer, natürlich ist es wichtig, dass teilungen beobachtet werden, aber auch die Vernetzung sich die Unabhängigkeit und die strikte Trennung zwi- zwischen diesen Institutionen unter die Lupe genommen schen geldpolitischer Verantwortung und Aufsichtsver- wird. Der Verwaltungsrat der BaFin ist gerade dabei, antwortung in der Praxis beweisen. Darauf werden wir diese Vernetzung weiter zu verstärken. Mit dem, was Sie ein strenges Auge haben müssen. Aber Sie sehen schon, hier jetzt vorschlagen, läuft es auf das Gegenteil hinaus: wie gut die SSM-Verordnung gelungen ist. Niemand, der Gerade die besonders riskanten systemrelevanten Ban- bei der EZB geldpolitische Verantwortung trägt, darf ken werden sozusagen aus der deutschen Bankenaufsicht dem Aufsichtsgremium angehören. herausgenommen und der Aufsicht durch die EZB unter- stellt. Das ist aus unserer Sicht kontraproduktiv und wird Vizepräsident Eduard Oswald: die Aufsicht eher verschlechtern statt verbessern. Haben Sie bitte auch ein Auge auf die Zeit. (Beifall bei der LINKEN) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30541

Dr. Axel Troost (A) Der zweite Grund für meine Befürchtung ist, dass die das sehr plastisch – das mache ich in meinen Vorträgen (C) Rechtsgrundlage – das ist angesprochen worden – völlig sonst auch immer – am Beispiel der Deutschen Bank unklar ist. In allen Fraktionen im Finanzausschuss ist die deutlich machen, deren Zentrale in Frankfurt zwei große Erkenntnis gewachsen, dass die juristische Konstruktion Türme hat. einer einheitlichen europäischen Bankenaufsicht durch die EZB über Art. 127 AEUV bestenfalls ein Behelf ist. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Vor- Alle haben gesagt: Wenn wir eine schlagkräftige Auf- träge dort macht Herr Steinbrück!) sicht haben wollen, müssen die EU-Verträge verändert Im Prinzip gibt es drei verschiedene Modelle. Ihr Mo- werden. Das gehen Sie aber nicht an. dell lautet: Wir sortieren ein bisschen um, lassen aber letztlich alles zusammen, auch alle Verbindungen, und Ein dritter Grund für meine Skepsis ist, dass die Ban- dann läuft alles so weiter. Das Modell von SPD und Grü- kenaufsicht nicht besser sein kann als die Ausstattung nen sieht vor: Wir führen eine wirkliche Trennung her- und die Spielregeln, die sie zu überwachen hat. Die euro- bei, der eine Turm bleibt eine Bank und der andere Turm päische Bankenaufsicht braucht Respekt. Die Großban- wird als Spielbank umfirmiert; aber beide bleiben voll ken müssen wirklich Bammel haben, wenn wirklich eine am Markt. Das Modell der Linken lautet: Wir sortieren Veränderung im Finanzsektor durchgesetzt werden soll. um. Von den beiden Türmen schließen wir den einen Auch heute, sechs Jahre nach Beginn der Finanzkrise, Turm vollständig. Die Zockerei hört auf. Das gefährliche gibt es eine Menge Investmentbanker, die mit verächtli- Geschäft wird vom Markt genommen. Von einem Fi- cher Arroganz auf die Beamten der Finanzaufsicht her- nanz-TÜV wird nur noch das genehmigt, was für die Ge- unterschauen und sagen: Was will der oder die denn sellschaft zur Finanzierung der Realwirtschaft sinnvoll schon? Die verdienen im Jahr so viel, wie ich für einen ist. Alles andere muss unterbunden werden. Satz Reifen ausgebe. – Die jüngsten Schritte auf dem Weg zur Finanzmarktregulierung – Ihre Meilensteine Danke schön. von gestern, das beschlossene Paket zu Basel III – rei- chen bei weitem nicht aus, um einer europäischen Ban- (Beifall bei der LINKEN) kenaufsicht den nötigen Respekt zu verschaffen. Ohne eine entsprechende Regulierung wird es aber keine Ver- Vizepräsident Eduard Oswald: änderung geben. Vielen Dank, Kollege Dr. Axel Troost. – Nächster Redner in unserer Aussprache für die Fraktion Bünd- Damit komme ich zu dem zweiten Gesetzentwurf, nis 90/Die Grünen: unser Kollege Dr. Gerhard Schick. dem Trennbankengesetz der Koalition. Dazu ist schon Bitte schön, Kollege Dr. Gerhard Schick. eine Menge vom Kollegen Zöllmer gesagt worden. Das, (B) was eigentlich gemacht werden soll – das riskante Wert- (D) papier- und Investmentgeschäft vom Rest des Bankge- Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schäftes zu isolieren –, nehmen Sie in einem viel zu ge- NEN): ringen Umfang in Angriff. Die Zocker-Banking-Teile Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! bleiben in einer gemeinsamen Bankenholding. Warum ist es denn so wichtig, diese Trennung durchzu- führen, über die wir heute sprechen? Nun, es ist so: Die Das, was Sie ausgliedern wollen, ist in der Tat viel zu Einlagen der Kundinnen und Kunden sind ja über die gering. Denn Ihr Gesetz gilt nur für Banken, deren Ei- Einlagensicherung gesichert. Wenn das riskante Invest- genhandel mehr als 20 Prozent ihrer Bilanzsumme oder mentbanking mit diesem Einlagengeschäft untrennbar mehr als 100 Milliarden Euro ausmacht. Diese Regulie- verbunden ist, dann weitet sich der Schutz des Staates, rung ist viel zu gering. Eine Bank wie die pleitegegan- der eigentlich nur für die Sparerinnen und Sparer gelten gene IKB wäre davon kaum betroffen gewesen. soll, auch noch auf die riskanten Aktivitäten aus. Das ist Auch die weiteren Definitionen laufen weitestgehend der Grundgedanke, und der ist wichtig. ins Leere, weil die Verbindung zwischen den Bankteilen Natürlich ist es im Interesse großer Banken, dass sie bestehen bleibt. Wenn dann eine Banksäule zusammen- diesen Schutz ausweiten können; denn dann können sie bricht, wird das gemeinsame Dach auf Dauer nicht hal- im Investmentbanking viel mehr Risiken eingehen, viel ten, weil es auch auf die andere Banksäule einen Run ge- mehr Gewinne machen, weil ja im Zweifelsfall die staat- ben wird. Wir werden schon sehen, welche Probleme liche Sicherheit, die für die Einlagen gilt, auch für diese sich daraus ergeben. Aktivitäten gilt. Deswegen fordern wir seit langem, dass Aus unserer Sicht müssen die Banken wesentlich hier eine Trennung vorgenommen wird. kleiner, ihre Geschäfte müssen wesentlich einfacher (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) werden. Nur dann hat demokratische Politik überhaupt eine Chance, den Bankensektor zu kontrollieren, Schief- Allerdings ist der Grundgedanke, dass man diese Sub- lagen frühzeitig zu erkennen und die Gesellschaft vor ventionierung eines riskanten Bankgeschäfts abschaffen Schaden zu bewahren. sollte, im Finanzministerium lange nicht angekommen. Am 17. Oktober 2011 berichteten die Medien dann von (Beifall bei der LINKEN) einer überraschenden Kehrtwende des Bundesfinanz- ministers auf Druck der Opposition beim Thema Trenn- Ich fasse zusammen: Ihr Trennbanken-Light-Gesetz bankensystem. ist nicht nur theoretisch recht mutlos, sondern geht auch an den praktischen Problemen vorbei. Lassen Sie mich (Manfred Zöllmer [SPD]: So ist es!) 30542 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Dr. Gerhard Schick (A) Ich zitiere: Genau deswegen müssen wir dieses Gesetz ablehnen. Es (C) bringt nicht nur nichts; es ist auch schädlich, weil es auf Darüber sollte auf internationaler Ebene intensiv europäischer Ebene falsche Impulse setzt. diskutiert werden. Zum zweiten Thema des heutigen Vormittags, zur eu- Also erst einmal international. ropäischen Bankenaufsicht. Auch hier werfe ich einen Blick zurück: „Bankenaufsicht: Ohne uns!“ Dies ist ein Ein Jahr später, weil der Druck aus Opposition und Artikel in der Zeit vom Juli 2010, wo sehr detailliert Öffentlichkeit stärker geworden ist, macht sich dann im nachgewiesen wird, wie die Bundesregierung bei der Herbst 2012 die Bundesregierung daran, ein nationales Gründung der drei europäischen Aufsichtsinstitute alles Gesetz schnell auf den Weg zu bringen, um im Wahl- darangesetzt hat, dass die europäische Bankenaufsicht kampf zu zeigen, man tue doch etwas – völlig getrieben keinen wirklichen Durchgriff auf die nationalen Institute und außerdem erst nach drei Jahren verlorener Zeit, bei hat und ihrer Kontrollaufgabe nicht gerecht wird. Ich der Bankenregulierung wirklich etwas zu machen. Das empfehle Ihnen den Artikel zur Lektüre, in dem noch ist die Antwort auf Ihre selbstgefällige Äußerung gestern einmal genau dargelegt wird, wie die Beamten dieser zu angeblich vier tollen Jahren Bankenregulierung. Bundesregierung auf Brüsseler Ebene alles getan haben, um eine effektive Bankenaufsicht auszubremsen. (Dr. [CDU/CSU]: Die elf Jahre vorher, die der SPD-Führung, spielen Jetzt, drei Jahre später, wird dieser Fehler endlich kor- keine Rolle?) rigiert. Aber was ist in der Zwischenzeit passiert? Wenn wir schon vor drei Jahren bei der Gründung der EBA Sie haben entscheidende drei Jahre verloren. eine wirklich knackige europäische Bankenaufsicht auf den Weg gebracht hätten, dann hätte man bereits bei den (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, spanischen Cajas und den zypriotischen Banken von eu- bei der SPD und der LINKEN – Dr. h. c. Hans ropäischer Ebene aus durchgreifen können, ebenso jetzt Michelbach [CDU/CSU]: Unter Rot-Grün bei den slowenischen Banken. nichts! Gar nichts!) (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Der weiß Das könnte man ja noch in Kauf nehmen, wenn dann alles!) ein anständiges Gesetz auf dem Tisch läge. Aber es ist schon gesagt und in der Anhörung sehr deutlich gewor- Daran sieht man: Das ist keine leichte Verzögerung, son- den: Es kommt nicht zu einer wirklichen Trennung der dern diese Verzögerung hat einen Milliardenschaden für Aktivitäten. Sie fallen hinter das zurück, was auf euro- die europäischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler an- (B) päischer Ebene im Liikanen-Report vorgeschlagen wor- gerichtet. (D) den ist, und sind daher auf europäischer Ebene nicht (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vorreiter, sondern Bremser; denn Sie werden dazu bei- und bei der SPD) tragen, dass auch auf dieser Ebene kein handfestes Trennbankensystem durchkommt. Das sollten wir im Leider geht die Geschichte des Verzögerns und Aus- Bundestag nicht durchgehen lassen. bremsens weiter. Nicht nur beim Trennbankensystem, nicht nur bei der Bankenaufsicht, sondern auch bei der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Abwicklungsbehörde steht die Bundesregierung auf der und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Bremse. Da gibt es ein paar fachliche Fragen, die zu klä- LINKEN) ren sind. Das muss man in aller Gründlichkeit tun – dazu sind wir auch sehr gerne bereit –; der Punkt ist aber, dass Warum ist das Gesetz schlecht? Zum einen wird die Sie diese Idee in den letzten Jahren stets abgelehnt haben Trennung nicht sinnvoll vollzogen. Man kann, so wie es und Sie den Prozess, das auf den Weg zu bringen, damit dort vorgesehen ist, nicht das Market Making und das verhindert haben. Das Europäische Parlament und die Eigenhandeln der Banken voneinander trennen, sondern Europäische Kommission haben schon 2009 und 2010 man muss insgesamt zwischen dem einlagengesicherten ein europäisches Abwicklungsregime gefordert. Der Geschäft und dem marktnahen Investmentgeschäft tren- Bundesfinanzminister unterstützt diese Grundidee erst nen. Das tun Sie nicht. Die Schwellen sind wesentlich zu seit den letzten Tagen, gleichzeitig hat er aber so hohe hoch. Hürden formuliert, dass klar ist, dass wir das nicht un- Es bestehen zum einen einige handwerkliche Fehler: mittelbar umsetzen können. so die Tatsache, dass die steuerlichen Regelungen noch (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Wir sind nicht vorhanden sind und viele Experten sagen, da sei Vorreiter in Europa bei dem ganzen Thema! noch einiges, was man nachbessern müsse. Zum anderen Erzählen Sie doch nicht so einen Blödsinn!) muss man feststellen: Mit diesem Gesetz sind vor allem zwei zufrieden, auf der einen Seite die Großbanken, weil Warum ist das so wichtig? Weil die Tatsache, dass wir sich nichts ändern wird, und auf der anderen Seite die kein europäisches Abwicklungsregime haben, dazu ge- Bundesregierung, weil sie so tun kann, als würde sie führt hat, dass bei grenzüberschreitend tätigen Banken handeln, obwohl sie in Wirklichkeit nichts tut. immer wieder der Steuerzahler einspringen musste, weil keine Mechanismen vorhanden waren, um die Gläubiger (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heranzuziehen und die Banken abzuwickeln, zu schlie- und bei der SPD) ßen oder zu restrukturieren. Während in den USA seit Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30543

Dr. Gerhard Schick (A) Ausbruch dieser Krise über 400 Banken abgewickelt sind. Wir, die Partei der sozialen Marktwirtschaft, hel- (C) wurden, ohne dass Kosten für den Steuerzahler angefal- fen, diese Daseinsvorsorge zu sichern. len sind, sind Banken gleicher Größe in Europa zulasten der Steuerzahler gerettet worden. Das müssen wir end- (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Aber doch lich korrigieren. nicht Zockerbanden! Es geht um Daseinsvor- sorge!) Wir fordern Sie auf: Gehen Sie von der Bremse, und seien Sie auf europäischer Ebene endlich diejenigen, die – Lieber Herr Dr. Troost, als wenn das immer so einfach den Steuerzahler effektiv schützen. Das ist notwendig. wäre. Der Begriff „Zockerbuden“ trifft, glaube ich, auf Sparkassen und Raiffeisenbanken nicht zu. Danke schön. (Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: So ist (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN es!) sowie bei Abgeordneten der SPD) Man kann nicht alle in einen Topf schmeißen, wie Sie das tun. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Gerhard Schick. – Nächster (Beifall bei der CDU/CSU) Redner für die Fraktion von CDU und CSU ist der Kol- Man muss bei diesem Thema differenzieren. Wir ma- lege Peter Aumer. Bitte schön, Kollege Peter Aumer. chen das. Man kann nicht alles in einen Topf werfen, wie (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) die Opposition das macht. Wir sind Vorreiter – der Herr Staatssekretär hat das Peter Aumer (CDU/CSU): vorhin schon gesagt –: Bei den ungedeckten Leerverkäu- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! fen, beim Restrukturierungsgesetz, beim Hochfrequenz- Liebe Kollegen! Ich bewundere die hellseherischen Fä- handel und vielen anderen Dingen haben wir Maßstäbe higkeiten des Herrn Dr. Schick. Ich glaube aber, verant- in Europa gesetzt. wortungsvolle Politik ist etwas anderes, als alle Dinge (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) schlechtzureden, die wir in den letzten vier Jahren, die gerade in der Finanzpolitik gut für Deutschland waren, Das machen wir auch bei der Bankenaufsicht. Sehr erarbeitet haben. geehrter Herr Kollege Zöllmer, wir legen Wert darauf – Herr Wissing hat das vorhin schon angesprochen –, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) dass es eine klare Trennung zwischen Geldpolitik und (B) Die Opposition liefert heute beim Thema Finanzen ein Aufsicht der EZB gibt. (D) trauriges Bild ab – und ich glaube, nicht nur in diesem (Manfred Zöllmer [SPD Bereich. ]: Aber wo gibt es die denn?) Herr Dr. Troost, Sie sprachen von Meilensteinen. Ja, die heutigen Beschlüsse sind ein weiterer Meilenstein in Was Sie erzählen, ist einfach nicht wahr. Herr Zöllmer, der Finanzpolitik. Wir sind in Europa Vorreiter in der das ist das, was wir als christlich-liberale Koalition in Finanzpolitik. Wir bringen Dinge auf den Weg, die in Europa verhandelt haben. Verdrehen Sie die Wahrheiten Europa nach und nach zum Vorbild genommen werden doch nicht. Ich denke, das ist der SPD nicht würdig. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Aber ein falsches Vorbild, Herr Aumer!) der FDP) und manchmal noch strikter in Angriff genommen wer- Wir wollen, dass die nationale Aufsicht gestärkt wird den. Die deutsche Politik ist verantwortungsvoll; dies ist und dass die Arbeit der EZB mit der der nationalen Auf- die Politik der christlich-liberalen Koalition. sicht verknüpft wird; sie sollen einheitliche, gemeinsame Aufsichtsmechanismen bekommen. Das ist verantwor- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und tungsvolle Politik. Die großen Banken unterstehen der der FDP) Aufsicht der EZB und die anderen der nationalen Auf- sicht, wobei einheitliche Standards gelten. Das ist, denke Wir wollen funktionierende und stabile Finanzmärkte. ich, ein gutes Vorgehen. Es ist Aufgabe der Gesetzgebung, sicherzustellen, dass die Finanzmärkte ihre zentrale Funktion, der Realwirt- Zum Trennbankengesetz. Herr Zöllmer, Sie haben ge- schaft zu dienen, wahrnehmen. Dieses Ziel haben wir in sagt, dass das Trennbankengesetz nicht trennt. den vier Jahren, in denen wir die Regierung stellen, ver- folgt. Sie haben sehr wenig dazu beigetragen, dass wir (Manfred Zöllmer [SPD]: Richtig!) dieses Ziel erreichen. Wir bringen diesen Gesetzentwurf zeit- und inhalts- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- gleich mit den französischen Kollegen ein. Das ist wie des Abg. Dr. Volker Wissing [FDP]) zwischen Deutschland und Frankreich abgestimmt. Sie sollten einmal mit Ihren sozialistischen Kollegen reden, Unser Finanzminister Wolfgang Schäuble hat vor kur- wenn Sie der Meinung sind, dass keine Trennung er- zem in einer seiner Reden gesagt, dass funktionierende folgt. Wir versuchen gemeinsam, etwas auf den Weg zu Finanzmärkte Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge bringen, was es so bisher in Europa nicht gibt. 30544 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Peter Aumer (A) Das sollten Sie bitte zur Kenntnis nehmen und nicht Wir geben den Finanzmärkten in Deutschland den Regu- (C) mit Ihren Parolen durch die Gegend laufen und Dinge lierungsrahmen, den sie brauchen. Wir kämpfen auch verkünden, die nicht der Wahrheit entsprechen. dafür, dass das in Europa umgesetzt wird. (Zuruf der Abg. [DIE LINKE]) (Zuruf des Abg. Joachim Poß [SPD]) Wir wollen, meine sehr geehrten Damen und Herren und – Sehr geehrter Herr Poß, das ist verantwortungsvolle auch meine sehr geehrte Kollegin der Linken – wenn Politik. Das müssen Sie noch lernen. man im Finanzbereich nicht so fit ist, sollte man nicht Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. dazwischen schreien –, verbesserte Abschirmungen von Risiken aus spekulativen Geschäften vom Kundenge- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) schäft. Das ist unsere Aufgabe. Das bringen wir mit dem Trennbankengesetz auf den Weg. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Peter Aumer. – Nächster ( [Heidelberg] [SPD]: Wie geht Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten: unser das denn? Wie machen Sie das?) Kollege Dr. Carsten Sieling. Bitte schön, Kollege – Hätten Sie den Gesetzentwurf gelesen, lieber Herr Dr. Sieling. Kollege Binding, dann wüssten Sie, wie es funktioniert. (Beifall bei der SPD) (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das habe ich! Deshalb weiß ich, dass es nicht stimmt, Dr. Carsten Sieling (SPD): was Sie sagen!) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Kolleginnen und Kolle- Wir bringen dies verantwortungsvoll für unser Land gen der Koalition aus CDU/CSU und FDP können hier auf den Weg. Verantwortungsvolle Finanzmarktregulie- so oft, wie sie wollen, mit einem freundlichen Augenauf- rung ist etwas, das Sie noch lernen müssen. schlag die Märchengeschichte erzählen, was sie alles er- Vorhin wurde angesprochen – ich glaube, von Herrn bracht und geschafft hätten. Zöllmer –, dass der Minister nicht da ist. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wo (Manfred Zöllmer [SPD]: Ja!) leben Sie denn?) Er hat sicherlich in diesem Kabinett die Aufgabe, we- Die Wahrheit ist: Sie haben in dieser Legislaturperiode sentliche Entscheidungen zu treffen. Ich frage mich, wo verzögert und gezaudert. Das hat dazu geführt, dass wir hier im Bundestag erst jetzt zu diesen Fragen kommen. (B) Ihr Kanzlerkandidat ist, (D) (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ihre (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Finanzminister haben nichts getan! Gar nichts! – der CDU/CSU – Klaus-Peter Flosbach [CDU/ Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Wir sind CSU]: Der kommt nie!) wieder die Ersten in Europa! Erzählen Sie kei- der sich die Finanzmärkte als großes Thema auf die Ta- nen Unsinn!) gesordnung geschrieben hat. Er ist bei dieser wesentli- Sie sind dafür verantwortlich, dass wichtige Maßnahmen chen Debatte nicht da. der Finanzmarktregulierung nicht stattgefunden haben. (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Der hat Das zeigt das Scheitern Ihrer Politik. Angst vor uns! Der kommt nie zu Finanzde- (Beifall bei der SPD) batten!) Ich will das einmal im Zusammenhang darstellen. – Bei einer so entscheidenden Debatte zum Finanzmarkt Uns wird jetzt hier vorgeworfen – das sagt doch alles –, hat er Angst vor uns? dass wir beklagen, dass der verantwortliche Bundes- finanzminister nicht anwesend ist. (Zurufe von der CDU/CSU: Ja! – Genau!) (Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär: Er hat Das könnte durchaus sein. – Wir bringen etwas auf den andere Termine!) Weg, das er nur in seinen Programmen beschreibt, aber nicht in konkrete Politik für Deutschland umsetzen kann. Dass der Bundesfinanzminister zu dieser Zeit andere Termine hat, wird jetzt als Argument vorgetragen. Ich hoffe, dass die Regierung, die wir heute haben, die christlich-liberale Koalition, in die Zukunft geht. (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Warum Denn wir machen nicht Wahlkampf, kommt Steinbrück nie zu Finanzdebatten, Herr Sieling? Der kommt nie!) (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Nein! Gar nicht!) An diesem Punkt wird es richtig lächerlich. wie Sie es in der letzten halben Stunde getan haben. Wir (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Der machen verantwortungsvolle Politik für die Finanz- Wahlkämpfer zu dem Thema kommt nie! – märkte. Gegenruf des Abg. Manfred Zöllmer [SPD]: Das stimmt nicht! – Dr. Mathias Middelberg (Beifall des Abg. [CDU/CSU]) [CDU/CSU]: Weil er Schiss in der Büx hat!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30545

(A) Vizepräsident Eduard Oswald: deutschen Großbanken, die Privatbanken lassen Sie in (C) Trotzdem würde ich sagen: Der Kollege Dr. Carsten Ruhe. Da machen Sie es anders. Denn da wollen Sie ver- Sieling hat das Wort. zögern. Diese Banken wollen Sie verschonen. Nichts an- deres haben Sie im Sinn. Dr. Carsten Sieling (SPD): (Beifall bei der SPD) Vielen Dank, Herr Präsident. Unser Vorschlag, auch der Vorschlag von Peer Vizepräsident Eduard Oswald: Steinbrück, Es sollte nicht so sein, dass der Redner stört. – Bitte (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ist der schön, Herr Dr. Sieling. Sprechen Sie weiter. denn mit Sigmar Gabriel abgesprochen, oder streiten die sich wieder?) Dr. Carsten Sieling (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Diese Aufregung ist nahezu identisch mit dem, was die Kommission unter zeigt, dass die Betreffenden genau wissen, dass sie dane- Vorsitz von Herrn Liikanen vorgeschlagen hat. Das ist benliegen. Es war Peer Steinbrück, der zu den Themen, der entscheidende Punkt: Wir sagen, dass von dieser Re- über die wir heute diskutieren, im Herbst 2012 ein Pa- gelung alle Aktivitäten erfasst werden müssen, auch sol- pier vorgelegt hat, über das wir hier gemeinsam disku- che, die im Kundenauftrag stattfinden, wenn sie zu tiert haben. Das hat Sie erst geweckt. Eigenhandel werden. Das schlägt auch Liikanen vor. In den hier schon zitierten Kommentaren ist zu Recht ge- (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Er hat sagt worden, dass Ihre Trennungsvorschläge sozusagen 90 Prozent abgeschrieben!) eine moralische Entscheidung der Banken verlangen. Das war der Weckruf für Sie. Erst seitdem werden Sie Würden wir unsere Vorschläge umsetzen, würden wir aktiv. Reden Sie hier nicht so ein Zeug. wirklich in ihr Geschäftsgebaren eingreifen. (Beifall bei der SPD) Sehr gut gefallen hat mir das Bild des Kollegen Axel Troost, der von den zwei Türmen der Deutschen Bank Es geht darum, dass wir in diesem Land etwas verändern gesprochen hat. Das ist nämlich genau der Punkt, der wollen und dies auch angehen. Ihre Politik und den Vorschlag von SPD und Grünen (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: charakterisiert. Wir wollen die problematischen Ge- Großsprecher! Ohne Handlung!) schäfte in einem der Türme bündeln. In der Denkweise der Linkspartei hingegen gibt es einen Fehler: Ich will noch etwas anderes sagen. Man kann Ihre (B) (D) Politik in dieser Legislaturperiode in drei Phasen eintei- (Björn Sänger [FDP]: In deren Denkweise gibt len. Von 2009 bis 2010 haben Sie leider zu denen gehört, es mehrere Fehler, nicht nur einen!) die auf der europäischen Ebene blockiert haben; wir ha- ben im Finanzausschuss ganz oft erlebt, dass Sie ge- Sie glauben, man müsse die Spielbank schließen. Das ist meinsam mit den Briten dafür gesorgt haben, dass nichts aber ein Fehlgedanke. Unser Vorschlag würde dazu füh- passiert. Dann sind Sie aufgewacht und haben gemerkt, ren, dass sich die Geschäfte, um die es dort geht, gar dass man etwas verändern muss; dazu kam es im Zusam- nicht mehr lohnen und dass sie keinen Sinn mehr ma- menhang mit der europäischen Krise und den ersten Ret- chen würden. tungsmaßnahmen für Griechenland und andere Länder. Im letzten Jahr haben Sie gemerkt, dass Sie noch nichts Ich will Ihnen sagen: Natürlich muss man gewisse richtig hinbekommen haben. Es folgten Wenden und Geschäfte verbieten. Wir waren immer dafür, eine ent- Halsen. sprechende Regelung zu Rohstoffspekulationen und Ähnlichem zu treffen. Wir sind aber vor allem dafür, Kollege Schick hat das schöne Datum genannt, an diese Dinge zu verteuern. Deshalb sind wir auch drin- dem der Bundesfinanzminister plötzlich vom Saulus gend für die Einführung einer Finanztransaktionsteuer. zum Paulus wurde, weil er gemerkt hat, dass man beim Nach unseren Trennungsvorschlägen werden die Haf- Thema Trennbanken nicht mehr blockieren und Nein sa- tungsvorschriften für Geschäfte, die in dem einen Turm gen kann. Nachdem das alles vorher die Hölle war, sagte abgewickelt werden, so stark ausgeweitet und das Risiko man plötzlich, jetzt sei das der richtige Weg. Das ist auch wird so groß, dass daraus eine Verteuerung resultiert, so- gut und eine vernünftige Einsicht; das will ich deutlich dass der Spielbankturm abgetragen werden muss, weil sagen. Trotzdem sind die Vorschläge, die Sie uns hier gar nicht mehr so viele hineingehen. Diejenigen, die dort vorlegen, völlig harmlos; sie werden nichts ändern. Mit trotzdem aktiv sind, werden, falls es zu krisenhaften Ent- Ihren Vorschlägen zum Trennbankensystem wird nur wicklungen kommt, selbst die Verantwortung dafür tra- 1 Prozent des Geschäftsvolumens der Banken erfasst. gen müssen. Der Steuerzahler, die Einlagen der Sparkas- Das ist eine Trennung light. sen und Banken und die kleinen und größeren Einleger werden dafür nicht mehr in Anspruch genommen. Die- (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das sen marktgesteuerten Mechanismus streben wir an. Ich ist doch bei jeder Bank anders!) halte diesen Weg für richtiger, als schlicht und einfach – Das ist bei jeder Bank anders, richtig. Aber im Hin- zu sagen: Wir mauern die Tür dieses Turmes zu. – Das blick auf die Banken, für die wir wirklich eine Lösung ist nicht nötig. SPD und Grüne machen einen Vorschlag, finden müssen, ist das die geballte Harmlosigkeit. Die der funktionieren wird, meine Damen und Herren. 30546 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Dr. Carsten Sieling (A) (Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Uns liegt heute ein Gesetz vor, das im Gegensatz zu (C) Michelbach [CDU/CSU]: Bei Ihnen hat doch dem gestern beratenen vollkommen ohne Abkürzungen noch nie etwas funktioniert!) auskommt. Man hätte es auch nennen können: Gesetz zur Stärkung der sozialen Marktwirtschaft. Die Grund- Zum Schluss möchte ich gerne die Vorschläge auf der prinzipien unseres überlegenen Wirtschaftssystems brin- europäischen Ebene und die Debatte, die der Bundes- gen wir in den Finanzsektor zurück, in Ergänzung zum finanzminister ausgelöst hat, ansprechen. Ich will nur Bankenrestrukturierungsgesetz, das wir im Übrigen be- ganz kurz die Frage nach der Motivation aufgreifen. Die reits 2010 hier auf die Schiene gesetzt haben. Bundeskanzlerin hat erklärt, dass man Banken, wenn die Bankenunion steht, auch über den ESM rekapitalisieren Meines Erachtens ist der wichtigste Teil in diesem kann und soll. Jetzt ist man auf diesem Weg und kann re- Gesetz der Bereich Abwicklung und Sanierung. Das lativ schnell zu einem Ergebnis kommen. Mein Eindruck heißt: Banken müssen sich für den Ernstfall rüsten, wenn ist: Dieser Zweistufenvorschlag ist nichts anderes als sie in ein schwieriges Fahrwasser geraten und mögli- Taktik. Da in Deutschland bald ein Entscheidungstermin cherweise eine Insolvenz bevorsteht. Sie müssen einen, ansteht, ist dieser Vorschlag von der Absicht getrieben, wie man so schön sagt, Living Will ausarbeiten. Sie die jetzt notwendige Entscheidung über diesen Termin müssen sich überlegen, welche Teile der Bank in wel- hinaus zu verzögern, meine Damen und Herren. chem Bereich liegen und wie man sie im Ernstfall daraus herauslösen kann. Darauf kommt es doch an: Wenn eine (Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD]) Bank in Schwierigkeiten gerät, dann muss man sie abwi- Das ist sachlich nicht geboten. Es geht nämlich da- ckeln können, ohne dass es zu Schäden für die Volks- rum, dass wir jetzt ein Abwicklungsregime schaffen, das wirtschaft kommt. Genau das würde die Verabschiedung den Steuerzahler nicht belastet und so ausgestaltet ist, dieses Gesetzentwurfs in Kombination mit dem Banken- dass der Finanzsektor selber in die Verantwortung ge- restrukturierungsgesetz leisten. nommen wird. Die Umsetzung des Vorschlags von (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Herrn Schäuble wird dazu führen, dass der Steuerzahler der CDU/CSU) weiterhin zuständig ist. Er macht ihn nur, damit man vor der Bundestagswahl keine Entscheidungen mehr treffen Wir verabschieden ihn, um für den gesamten Finanz- muss, die einem nicht gefallen. Das halte ich für eine un- sektor etwas zu tun. Davon ist keine Bank ausgenom- redliche Politik. Auch deshalb brauchen wir am 22. Sep- men; schließlich kann es jede Bank an irgendeiner Stelle tember einen Wechsel. treffen. Wir haben wieder mit Augenmaß gehandelt und daher im Gesetzentwurf ein Proportionalitätsprinzip ver- Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ankert. (B) (D) (Beifall bei der SPD) Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Zusammen- hang sind die Strafbarkeitsvorschriften. Natürlich gibt es Vizepräsident Eduard Oswald: in der Bevölkerung keine große Akzeptanz hinsichtlich Vielen Dank, Kollege Dr. Carsten Sieling. – Nächster dessen, was in der Krise passiert ist: Unternehmensfüh- Redner für die Fraktion der FDP ist unser Kollege Björn rer haben großen volkswirtschaftlichen Schaden ange- Sänger. Bitte schön, Kollege Björn Sänger. richtet; allerdings hat eine aus Sicht der Bevölkerung verständlicherweise notwendige strafrechtliche Verfol- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten gung bislang noch nicht im erforderlichen Umfang statt- der CDU/CSU) gefunden.

Björn Sänger (FDP): Die Tatsache, dass jemand unternehmerisch falsch ge- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- handelt hat und in die Insolvenz geht, ist allein noch kein ren! Geschätzter Kollege Sieling, Sie haben eben erneut Strafgrund. Entscheidend ist doch: Hat er entsprechende gesagt – das kommt ja in jeder Ihrer Reden vor –, Regeln missachtet, hat er sich also rechtlich falsch ver- halten oder nicht? Insofern haben wir auch hier eine (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Weil es die Wahr- rechtlich gute Lösung gefunden: Wenn eine Bank in die heit ist!) Insolvenz geht und eine Anordnung der BaFin missach- es gehe alles viel zu langsam; man zögere und zaudere tet hat, dann muss man damit rechnen, strafrechtlich ver- zu viel. Wenn ich jetzt etwas mehr Redezeit hätte, würde folgt zu werden. Das ist der richtige Weg. Denn nur dann ich Ihnen die entsprechenden 32 Gesetzesvorhaben noch ist auch das Scheitern einer Bank möglich. Zumindest einmal herunterleiern. wir wollen schon, dass eine Bank von Persönlichkeiten mit unternehmerischen Fähigkeiten, von Bankiers gelei- (Joachim Poß [SPD]: Das macht der Herr tet wird, die natürlich auch scheitern können müssen, Brinkhaus gleich!) und nicht von Regulierungsjuristen, die jede einzelne Entscheidung am Gesetz ausrichten. Aber ich bin ziemlich sicher: Das wird mein Nachredner Ihnen noch einmal erklären. Er wird es so lange machen, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten bis Sie es verstanden haben. Insofern wird das meines der CDU/CSU) Erachtens noch ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen. Die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs wird der (Manfred Zöllmer [SPD]: Wenn wir nachzäh- BaFin mehr Verantwortung geben, aber auch die Quali- len, werden es keine 30!) tät des Aufsichtsdialogs verbessern. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30547

Björn Sänger (A) Insofern trifft es die Charakterisierung als Gesetz zur Zweitens. Ganz wichtig ist, wie es eigentlich mit der (C) Stärkung der sozialen Marktwirtschaft ganz gut. Das ist demokratischen Kontrolle der Europäischen Zentralbank ein weiterer Baustein in dem großen Konzert. Es waren aussieht. Bekommen unsere Kollegen im Europäischen vier gute Jahre für Deutschland. Parlament, so wie es angedacht worden ist, das hin? Was haben die nationalen Parlamente in diesem Prozess ei- Vielen Dank. gentlich noch für eine Funktion? Ich denke, damit müs- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) sen wir uns sehr intensiv beschäftigen. Drittens. Die Europäische Zentralbank hat sich viel Vizepräsident Eduard Oswald: vorgenommen. Sie will innerhalb eines Jahres Struktu- Vielen Dank, Kollege Björn Sänger. – Der letzte Red- ren errichten, mittels derer solche Tanker wie die Deut- ner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der CDU/ sche Bank, die Bank Santander und ähnliche Banken CSU unser Kollege Ralph Brinkhaus. Bitte schön, Kol- überwacht werden können. Auch da werden wir genau lege Ralph Brinkhaus. hinschauen, ob das gelingen kann oder ob von der Ver- längerungsoption Gebrauch gemacht werden muss. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Eine weitere Frage, die sich nicht unmittelbar auf die- sen Gesetzentwurf bezieht, die aber auch ganz wichtig ist, Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): betrifft den anschließenden europäischen Restrukturie- Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Kolleginnen rungsmechanismus. Dabei geht es knallhart auch um und Kollegen! Es war wieder einmal etwas pflichtschul- Geld. Es geht darum, wer wie viel einzahlt. Lieber Kol- dig, was die Opposition hier geboten hat: Wir sitzen hier, lege Zöllmer, es wird nicht reichen, wenn nur die Banken wir müssen etwas kritisieren. – Es kam das übliche Ver- einzahlen. Am Ende des Tages wird immer der Steuerzah- sprechen: höher, schneller, weiter. Wir haben es eher ge- ler bluten. Wir müssen sicherstellen, dass der deutsche wusst, wir hätten schneller gehandelt, wir hätten weiter- Steuerzahler nicht für eine verfehlte Politik – zum Bei- gehende Entscheidungen getroffen. – Aber im Prinzip spiel Frankreichs – blutet, die dafür sorgt, dass in solchen sind Sie doch eigentlich einverstanden mit dem, was wir Ländern Banken unter Umständen gegen die Wand lau- machen. Das muss man an dieser Stelle einmal feststel- fen. Das ist eine ganz wichtige Frage. len. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – neten der FDP) Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die müssen über ihren Schatten springen!) Eine weitere Frage, die in diesem Zusammenhang aufgeworfen wird, ist folgende: Es gibt Menschen in (B) (D) Kommen wir zu den zwei Gesetzen, die wir heute Brüssel, die der Idee verhaftet sind, wir brauchten ein – das erste schließen wir heute noch nicht ab – beraten. gemeinsames europäisches Einlagensicherungssystem. Es geht um die gemeinsame europäische Bankenauf- sicht. Herr Staatssekretär Koschyk hat das gerade aus- (Manfred Zöllmer [SPD]: Genau!) führlich vorgestellt. Wir als Union – ich glaube, ich spre- Diese Leute schielen mit sehr gierigen Augen auf die che auch für die Liberalen – finden es richtig, dass deutschen Einlagensicherungstöpfe. Da sollten wir sehr bedeutende Banken europäisch beaufsichtigt werden. vorsichtig sein. Ich halte es für eine Zumutung – es wird (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das finden auch schwierig sein, das den Menschen hier in Deutsch- alle hier richtig!) land zu erklären –, dass die Einlagensicherung der Spar- kassen, Volksbanken und Privatbanken dafür benutzt Entscheidend ist, dass es sich um bedeutende Banken werden soll, gegebenenfalls Banken in Griechenland handelt. Dafür hat sich diese Bundesregierung einge- und Spanien zu sanieren. Wir sollten darauf achten, dass setzt. Es soll nicht sein, dass bei der Sparkasse Versmold das nicht passiert. oder der Volksbank in Kaunitz auf einmal ein europäi- scher Aufseher auftaucht. Wir wollen diese Trennung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wir sind aber der Meinung, dass bedeutende Banken eu- Manfred Zöllmer [SPD]: Es gibt doch einen ropäisch beaufsichtigt werden müssen. Die Bundesregie- Richtlinienentwurf, dessen Verabschiedung rung hat einen guten Verhandlungserfolg in diesem Pro- bisher verzögert worden ist! Warum eigent- zess erzielt. lich?) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Der zweite Gesetzentwurf beschäftigt sich nicht nur mit Trennbanken, sondern auch – das ist ganz wichtig – Wir werden im weiteren parlamentarischen Verfahren mit Sanierungs- und Abwicklungsplänen und mit straf- – wir haben am 3. Juni eine Anhörung; wir werden uns rechtlichen Vorschriften für Banker. Darauf hat Herr im Ausschuss und auch im Plenum damit noch einmal Kollege Sänger gerade hingewiesen. An diesem Gesetz beschäftigen – auf drei Dinge ganz besonders achten. zeigt sich, wie Finanzmarktpolitik hier in den letzten Jahren abgelaufen ist. Erstens. Wie bekommt es die Europäische Zentral- bank hin – das hat Kollege Zöllmer schon angesprochen –, Während wir uns damit beschäftigt haben, wie es zu er- gleichzeitig Notenbank und Aufseher zu sein? Das ist reichen ist, dass Banken weniger Fehler machen – durch eine spannende Frage. Wir müssen genau hinschauen, bessere Verbriefungsvorschriften, durch bessere Vergü- wie das gelingen kann. tungsvorschriften, durch einen besseren Umgang mit Ra- 30548 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Ralph Brinkhaus (A) tingagenturen und viele andere Dinge –, während wir uns der sagen: Investmentbanking findet sogar in Sparkassen (C) damit beschäftigt haben, wie es zu erreichen ist, dass die statt. Fehlertragfähigkeit von Banken größer wird – beispiels- weise durch Eigenkapital- und Liquiditätsregeln, dadurch (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Jetzt dass wir bestimmte Geschäfte wie Leerverkäufe aus dem bringen Sie alles durcheinander!) Rennen genommen und sichere Derivatemärkte herge- Sie müssen einmal erklären, was es bedeutet, das kom- stellt haben –, während wir uns damit beschäftigt haben, plett zu trennen! Erklären Sie einmal einem Mittelständ- die Aufsichtsstrukturen zu verbessern – dadurch dass die ler, der bei seiner Bank einen Firmenkundenkredit bean- Aufsicht überhaupt bessere Informationen erhält, durch tragt, dass er dann bei derselben Bank leider keine eine bessere deutsche Aufsicht und eine bessere europäi- Unternehmensanleihe auflegen kann, dass er dann bei sche Aufsicht –, während wir uns damit beschäftigt ha- derselben Bank leider keine Sicherungsgeschäfte ma- ben, hier in Deutschland den Restrukturierungsmechanis- chen kann, dass er dann bei derselben Bank seine mus aufzubauen, der auf europäischer Ebene seit drei nächste Unternehmensfusion nicht organisieren kann! Jahren nicht gelingt, Das ist die Wahrheit. (Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Manfred Zöllmer [SPD]: Blödsinn!) NEN]: Weil die Bundesregierung auf der Bremse stand!) Genau deswegen haben wir Schwellenwerte eingeführt und eine vernünftige Abgrenzung vorgenommen. und während wir den finanziellen Verbraucherschutz hier gestärkt haben, hat sich die Opposition intellektuell (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – genau mit zwei Ideen beschäftigt: In der ersten Hälfte Dr. Carsten Sieling [SPD]: Schutzwälle für der Legislaturperiode war das die Finanztransaktion- große Banken!) steuer, und in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode Die zweite Frage, die Sie auch nie beantwortet haben: waren es die Trennbanken. Was sind denn jetzt überhaupt diese schädlichen Ge- Das war mit einem Heilsversprechen verbunden, schäfte, wie grenzt man die ab? Sie wollen irgendwie al- nämlich dem Versprechen, dass dann, wenn wir die Fi- les da mit hineinbringen: Market Making, alles, was mit nanztransaktionsteuer oder Trennbanken haben, alles gut Eigenhandel zusammenhängt. Doch auch da liegt der wird, nichts mehr passieren kann und die Finanzmärkte Teufel im Detail, auch da muss man Regelungen treffen sicher sind. – die wir an dieser Stelle getroffen haben. (Manfred Zöllmer [SPD]: Blödsinn! – Weitere Vizepräsident Eduard Oswald: (B) Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (D) DIE GRÜNEN) Herr Kollege Ralph Brinkhaus, Sie haben gesehen, der Kollege Dr. Sieling möchte Ihnen eine Zwischen- Dann, meine Damen und Herren, kommt die Mühe frage stellen? der Ebene. Es reicht nicht, eine Idee zu haben, sondern man muss die Idee auch umsetzen. Genau das hat die Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Bundesregierung gemacht: Der Kollege Dr. Sieling will gleich mit mir noch zu (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ultra- einer Podiumsdiskussion. Deswegen machen wir mal leicht!) lieber weiter! Sie hat ein Trennbankengesetz auf den Weg gebracht. Da (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und stellen sich dann – oh Wunder! – Fragen, die Sie nie be- der FDP – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Also antwortet haben, so zum Beispiel die Frage: Welche darf ich oder darf ich nicht?) Banken beziehen wir denn überhaupt in dieses Trenn- bankensystem ein? Ihnen, lieber Axel Troost, wäre es – Nein. wahrscheinlich am liebsten, wenn wir folgendes Gesetz Der dritte Punkt: Wenn man Banken aufspaltet, muss machen würden: § 1: Die Deutsche Bank wird zerschla- man sich auch überlegen, wie man das organisiert. Das gen; § 2: In Zweifelsfällen gilt § 1. hat Folgen gesellschaftsrechtlicher Art: Der Gläubiger (Beifall des Abg. Richard Pitterle [DIE muss jetzt mit einem anderen Institut Geschäfte machen. LINKE]) Das hat auch steuerrechtlich unglaublich komplizierte Folgen: Es betrifft zum Beispiel Ertragsteuern, Grunder- Das reicht aber nicht, meine Damen und Herren. Man werbsteuern, Umwandlungssteuerrecht. Diese Fragen muss sich auch damit beschäftigen, wie man ein solches müssen beantwortet werden. Trennbankensystem organisiert. Ich sage Ihnen eines: Über all die Kritikpunkte, die Sie Im Wahlprogramm der SPD – das die SPD etwas am- hier momentan monieren, werden wir im europäischen bitioniert „Das Regierungsprogramm 2013–2017“ nennt, Prozess sehr intensiv diskutieren müssen. Das, was Herrn (Dr. Carsten Sieling [SPD]: So wird es wer- Liikanens Expertengruppe aufgeschrieben hat, waren den!) Ideen, aber keine Umsetzung. Wenn Sie sich hier hinstel- len und behaupten, wir würden Liikanens Maßnahmen steht: „Wir wollen … eine klare Trennung von Invest- nicht umsetzen, dann vergessen Sie, zu erwähnen, dass ment- und Geschäftsbanken.“ Dazu muss ich Ihnen lei- die vorgeschlagenen Maßnahmen im Detail überhaupt Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30549

Ralph Brinkhaus (A) nicht ausgearbeitet sind. Das, meine Damen und Herren, nen und die Fraktion Die Linke. Gegenprobe! – Das sind (C) ist Irreführung der Menschen in diesem Land. die Fraktionen der Sozialdemokraten und Bündnis 90/ Die Grünen. Enthaltungen? – Niemand. Die Beschluss- (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Waren Sie bei der empfehlung ist angenommen. Anhörung nicht dabei?) Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 54, den Ich möchte die ganze Sache zusammenfassen: Die ich damit auch aufrufe: Bankenunion mit einer Bankenaufsicht ist der richtige Weg. Trennbanken, Sanierungs- und Abwicklungspläne, Beratung des Antrags der Abgeordneten Anette strafrechtliche Vorschriften, das ist auch alles richtig. Ich Kramme, Angelika Krüger-Leißner, Hubertus kann mich dem Kollegen Sänger nur anschließen: Die Heil (Peine), weiterer Abgeordneter und der letzten vier Jahre waren vier gute Jahre für die Finanz- Fraktion der SPD marktregulierung in Deutschland, und wir werden weiter- machen. Moderne Mitbestimmung für das 21. Jahr- hundert (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Pfeifen im dunklen – Drucksache 17/13476 – Walde!) Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Ralph Brinkhaus. – Kollege Nach einer gemeinsamen Vereinbarung ist für die Brinkhaus war auch der letzte Redner in unserer Aus- Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Alle sprache, die ich nun damit schließe. sind damit einverstanden. Dann haben wir dies auch ge- meinsam so beschlossen. Wir sind bei Tagesordnungspunkt 53 a. Interfraktio- nell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksa- Ich eröffne die Aussprache. che 17/13470 an die in der Tagesordnung aufgeführten Sind alle bereit? – Die anschließenden Redner noch Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vor- nicht, wie ich gerade sehe. – Erste Rednerin in unserer schläge? – Das ist nicht der Fall. Dann haben wir dies Aussprache ist für die Fraktion der Sozialdemokraten gemeinsam so beschlossen. unsere Kollegin Frau Kerstin Tack. Bitte schön, Frau Tagesordnungspunkt 53 b. Wir kommen zur Abstim- Kollegin Tack. mung über den von der Bundesregierung eingebrachten (Beifall bei der SPD) Gesetzentwurf zur Abschirmung von Risiken und zur (B) (D) Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinsti- Kerstin Tack (SPD): tuten und Finanzgruppen. Der Finanzausschuss emp- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! fiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Arbeits- Drucksachen 17/13523 und 17/13539, den Gesetzent- welt verändert sich – in den letzten Jahren ganz beson- wurf der Bundesregierung auf Drucksachen 17/12601 ders schnell. Der demografische Wandel, die zuneh- und 17/13035 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich mende Digitalisierung, die Arbeitsverdichtung und auch bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus- die Finanz- und Wirtschaftskrise führen nicht zuletzt schussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. dazu, dass wir auf der einen Seite eine Fachkräftelücke – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dage- haben, auf der anderen Seite aber leider auch eine zuneh- gen? – Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Enthal- mende Prekarisierung im Arbeitsleben. Ein tief gespalte- tungen? – Niemand. Der Gesetzentwurf ist damit in ner Arbeitsmarkt ist heute Wirklichkeit – nicht zuletzt zweiter Beratung angenommen. auch mit der Folge neuer Herausforderungen insbeson- Dritte Beratung dere für die Gesundheit am Arbeitsplatz. und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Bei diesen Entwicklungen dürfen die Arbeitneh- Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – merinnen und Arbeitnehmer nicht auf der Strecke blei- Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? ben. Die betriebliche Mitbestimmung ist ein besonders – Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Nun auch wichtiges Instrument zum Schutz der Beschäftigten, aber wieder die Frage nach Enthaltungen. – Hier erhebt sich auch zur Mitgestaltung von Rahmenbedingungen und zur niemand. Der Gesetzentwurf ist somit angenommen. Kontrolle. Momentan hinken die Mitbestimmungsrechte inhaltlich der aktuellen Situation und Entwicklung deut- Zusatzpunkt 9. Wir setzen die Abstimmung zu der lich hinterher. Fakt ist: Die Arbeitnehmerinnen und Ar- Beschlussempfehlung des Finanzausschusses auf Druck- beitnehmer müssen vor Machtmissbrauch durch Unter- sachen 17/13523 und 17/13539 fort. Unter Buchstabe b nehmen geschützt werden. Um das sicherzustellen, seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss brauchen wir eine funktionierende Mitbestimmung in die Ablehnung des Antrags der Fraktionen der SPD und den Unternehmen, und Änderungen des Arbeitsmarktes Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/12687 mit müssen vom Mitbestimmungsrecht begleitet werden. dem Titel „Ein neuer Anlauf zur Bändigung der Finanz- märkte: Erpressungspotenzial verringern – Geschäfts- Physisch und psychisch sind mit den neuen Bedin- und Investmentbanking trennen“. Wer stimmt für diese gungen am Arbeitsmarkt Herausforderungen verbunden, Beschlussempfehlung? – Das sind die Koalitionsfraktio- die auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu- 30550 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Kerstin Tack (A) kommen. Der Arbeitsplatz muss so gestaltet sein – im formationspflichten des Arbeitgebers über die Personal- (C) Zweifel so gestaltet werden –, dass er physischen und planung müssen deshalb auch im Hinblick auf Fremd- psychischen Belastungen vorbeugt. Dabei müssen wir personal gelten. Der Betriebsrat muss schließlich über die Menschen einzeln in den Blick nehmen. die Beschäftigten insgesamt im Bilde sein, um seine Ar- beit allumfassend, ziel- und passgenau leisten zu kön- Heute nehmen viele Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nen. nehmer die Last ihrer Arbeit mit nach Hause und mit in die Freizeit. Das müssen wir dringend ändern. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Das Betriebsverfassungsgesetz wurde vor zwölf Jah- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ren zuletzt novelliert. Damals wurde es auf einen guten Stand gebracht. Damals hat Rot-Grün Vertrauen in mehr Auch das spezifische Leistungsvermögen älterer Be- Mitbestimmung gesetzt. Heute wissen wir: Das war rich- schäftigter muss berücksichtigt werden. Ein 60-jähriger tig. Nun ist Zeit für den nächsten Schritt hin zu mehr Arbeitnehmer hat häufig ein anderes Leistungsvermögen Mitbestimmung. Dafür steht die SPD. Übrigens, erin- als ein 25-jähriger. So etwas muss auch bei der Bereit- nern wir uns: In der Krise waren die Betriebsräte solide stellung des Arbeitsumfeldes stärker Berücksichtigung und unverzichtbare Partnerinnen und Partner. finden. So wichtig wie ein Arbeitsplatz ist, der gesundheitli- Betriebsräte brauchen daher auch in diesem Bereich chem Verschleiß vorbeugt, so wichtig Fort- und Weiter- ein echtes Mitbestimmungsrecht. Gerade wenn es um bildungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer präventive Maßnahmen geht, wenn es darum geht, ge- sind, so wichtig Mitbestimmungs- und Gestaltungsmög- sundheitlichen Risiken vorzubeugen, ist die Beteiligung lichkeiten bei Leiharbeit und Werkverträgen sind, ge- unverzichtbar. Dazu müssen die Betriebe auch finanziell nauso wichtig ist auch die Überarbeitung des Betriebs- stärker mit in die Verantwortung genommen werden. verfassungsgesetzes. Darum bitten wir heute um Ihre Gesundheitlichen Verschleiß können und wollen wir uns Zustimmung. Lassen Sie uns gemeinsam an der Weiter- am Arbeitsmarkt nicht leisten. Natürlich spielt auch der entwicklung arbeiten. Die Beschäftigten werden es uns Kostenfaktor eine Rolle. Aber entsprechende Maßnahmen danken. bringen den Unternehmen im Ganzen einen Mehrwert, nämlich gesunde Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Herzlichen Dank. und damit Stabilität für das Gesamtunternehmen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN) (B) (D) Dasselbe gilt auch für den Bereich der betrieblichen Vizepräsident Eduard Oswald: Weiterbildung. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Vielen Dank, Frau Kollegin Kerstin Tack. – Nächster wird heute einiges abverlangt. Wir erwarten, dass sie Redner für die Fraktion von CDU und CSU Kollege sich auch im fortgeschrittenen Berufsalter kontinuierlich Peter Weiß. fortbilden. Ein Informatiker, der seine Ausbildung vor (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 30 Jahren abgeschlossen hat, steht heute vor ganz ande- ren Problemen als damals. Wir wollen Kontinuität in der Fortbildung und in der Weiterbildung. Auch hierfür be- Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): nötigen wir starke Betriebsräte mit echten Mitbestim- Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! mungsrechten. Ein Antrag wie der hier vorliegende mit dem Titel „Mo- derne Mitbestimmung für das 21. Jahrhundert“ – man (Beifall bei der SPD) fragt sich, warum nicht gleich geschrieben wird „für das dritte Jahrtausend“ – weckt hohe Erwartungen. Bei den- Außerdem halten wir es für geboten, dass ein Be- jenigen, die die Mitbestimmungsdebatte in Deutschland triebsrat auch Mitspracherechte zum Umfang und zur vielleicht schon über Jahrzehnte verfolgt haben, weckt Qualität von Angeboten der Fort- und Weiterbildung er- das natürlich Erinnerungen an die Vorgeschichte des langen kann. Wir möchten dafür und auch für Freistel- Mitbestimmungsgesetzes 1976. lungs- und Rückkehrrechte ein Initiativrecht für den Be- triebsrat. Eine entscheidende Rolle spielte damals Kurt Bieden- kopf; denn dieser hatte als fortschrittlicher und kreativer (Beifall des Abg. Klaus Barthel [SPD]) Ökonom erkannt, dass Mitbestimmung nicht allein die Auf Beschäftigtenseite sind heute neben betriebszu- Rechte der Beschäftigten sichert, sondern auch den Be- gehörigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch trieben insgesamt gut bekommt. zunehmend Leiharbeiter oder Mitarbeiter mit Werkver- (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE trägen zu finden. Natürlich wollen wir ihren Anteil auf GRÜNEN]: Genau!) das Allernötigste begrenzen. Diese Herausforderung se- hen wir, denke ich, alle miteinander. Ein echtes Mitbe- Der Diskussionsprozess, der sich von 1968 bis 1976 stimmungsrecht brauchen die Betriebsräte aber gerade – das war ein langer Zeitraum – erstreckte, war sicher- auch hinsichtlich der Anzahl, der Dauer der Überlassung lich der gesellschaftlichen Bedeutung dieses Themas an- und des Einsatzbereichs von Leiharbeiterinnen und gemessen und führte am Ende dazu, dass das Mitbestim- Leiharbeitern. Die bestehenden Unterrichtungs- und In- mungsgesetz 1976 mit einer großen Mehrheit hier im Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30551

Peter Weiß (Emmendingen) (A) Deutschen Bundestag beschlossen worden ist. Jawohl, – Doch, so ist es, und zwar deswegen, weil in dieser Le- (C) das deutsche Parlament steht voll und ganz hinter der gislaturperiode die Mitbestimmung durchaus auf der Idee der betrieblichen Mitbestimmung. Das ist seit 1976 politischen Tagesordnung stand, nämlich mit diversen immer wieder deutlich geworden. Initiativen auf europäischer Ebene, vor allen Dingen im Gesellschaftsrecht Regelungen zu treffen, die geeignet (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- gewesen wären, die bewährte deutsche Mitbestimmung neten der FDP) teilweise auszuhebeln. Wir wissen auch, dass in der Folge nach 1976 nicht Es war diese Koalition und es war diese Bundesregie- jeder und jede das Thema Mitbestimmung in Deutsch- rung, die sich in Europa standhaft dagegen gewehrt ha- land mit Begeisterung verfolgt hat. ben, dass wir Regelungen bekommen, die die deutsche (Klaus Barthel [SPD]: Ja! In der Tat!) Mitbestimmung schwächen. Nein, wir haben in Europa eine starke Mitbestimmung mit allem, was uns zur Ver- Besonders bemerkenswert ist sicherlich die Äußerung fügung gestanden hat, verteidigt. des damaligen Präsidenten des BDI Michael Rogowski, der 2004 – in der Regierungszeit von Gerhard Schröder – (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – La- die Mitbestimmung als einen Irrtum der Geschichte be- chen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE zeichnete. Diese Auffassung ist, glaube ich, bei allen, die GRÜNEN) solche oder ähnliche Äußerungen tätigten, durch das, Deswegen hätte man von den Sozialdemokraten er- was sie in der Zeit der Finanz- und Wirtschaftskrise warten können, dass sie, wenn ihnen die Mitbestimmung 2008, 2009 und 2010 erlebt haben, nachdrücklich korri- am Herzen liegt, irgendwo in ihrem Antrag auf diese ak- giert worden. tuelle Auseinandersetzung eingegangen wären. Das ist Es ist schon erwähnt worden, dass Vorstände und aber nicht der Fall. Aufsichtsräte der Unternehmen durch die Mitbestim- Es ist ein Argument vorgetragen worden, nämlich mung handlungsfähige und kompetente Ansprechpartner dass wir in der Tat dringend einen qualitativen Sprung auf der Arbeitnehmerseite gefunden haben und finden beim betrieblichen Gesundheitsmanagement brauchen. und dass sie mit diesen kompetenten Vertretern der Ar- Wir haben – ich glaube, in der nächsten Sitzungswoche – beitnehmerinnen und Arbeitnehmer, vor allem den Be- noch eine Debatte vor uns, in der wir uns vor allen Din- triebsräten und den Vertretern der Arbeitnehmerseite in gen mit dem Thema der Zunahme psychischer Erkran- den Aufsichtsräten, kompetente Ansprechpartner haben, kungen im Arbeitsumfeld befassen. um wirtschaftliche Probleme ihrer Unternehmen einer Lösung zuzuführen und auch die Kurzarbeitermodelle zu (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE (B) realisieren. GRÜNEN]: Das geht zu Protokoll! Super!) (D) Spätestens diese Krise hat gezeigt und bewiesen, dass – Auch wenn die Debattenbeiträge zu Protokoll gehen, unser Modell der Sozialpartnerschaft und zugleich auch Frau Kollegin Müller-Gemmeke, kann trotzdem jeder unser Mitbestimmungsmodell ein echter Standortvorteil seine Argumente vortragen, und die Rede wird auch für Gesamtdeutschland ist. nachzulesen sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) In der Tat ist es so, dass wir im technischen Arbeits- Für uns ist Mitbestimmung ein Kernelement einer sozia- schutz – demzufolge man dort, wo es gefährlich ist, ei- len Marktwirtschaft. Deswegen darf ich auch erwähnen, nen Helm, Ohrstöpsel oder Sicherheitsschuhe tragen dass die wesentlichen Grundlagen dafür unter einer oder eine Maschine abstellen muss, bevor man mit der CDU/CSU-geführten Bundesregierung gelegt worden Hand hineingreift, damit sie nicht etwa abgehackt wird – sind, nämlich mit dem Montan-Mitbestimmungsgesetz gut vorangekommen sind. Aber was die seelische Ge- von 1951 und dem Betriebsverfassungsgesetz von 1952, sundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Be- und es waren Christdemokraten wie Kurt Biedenkopf, trieben und die Gefährdung durch eine psychische die am Mitbestimmungsgesetz von 1976 maßgeblich Erkrankung angehen, stehen wir eigentlich noch am An- mitbeteiligt waren. fang unserer Bemühungen. Deswegen ist es richtig: Wir brauchen ein betriebliches Gesundheitsmanagement, das Nun zu dem Antrag: Findet sich in dem Antrag etwas schon präventiv darauf abstellt, dass psychische Erkran- grundsätzlich Neues zum Thema Mitbestimmung? kungen nicht zum Alltag in unseren Betrieben gehören, Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind jetzt und vor allem dafür sorgt, dass der dramatische Anstieg fast am Ende der Legislaturperiode. Wir haben noch drei der Zahl der Krankheitstage und der Frühverrentungsan- Sitzungswochen des Parlaments vor uns. Jetzt, zum träge wegen psychischer Erkrankungen wieder einge- Schluss der Legislaturperiode, fällt den Sozialdemokra- dämmt wird. Wir haben im Rahmen der Gemeinsamen ten ein, man könnte auch noch einen Antrag zum Thema Deutschen Arbeitsschutzstrategie – das Bundesministe- Mitbestimmung einbringen. Sagenhaft, welch hohen rium für Arbeit und Soziales führt in diesem Jahr hier Stellenwert die Mitbestimmung bei den Sozialdemokra- den Vorsitz – zusammen mit den Sozialpartnern Rege- ten hat! lungen angestoßen, um das zu verstärken. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das wol- Wir haben die Bundesforschungsministerin gebeten, len wir nicht einmal kommentieren, so billig die Forschung hinsichtlich psychischer Erkrankungen ist das!) und ihrer Prävention zu verstärken. Sie hat einen großen 30552 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Peter Weiß (Emmendingen) (A) Etatanteil dafür zur Verfügung gestellt. Wir haben außer- eines solchen Titels, dass die aktuellen Probleme der be- (C) dem ein Präventionsgesetz vorgelegt, in dem wir den trieblichen Mitbestimmung aufgegriffen werden. Wei- Themen Gesundheitsmanagement und Prävention zu- tere aktuelle Entwicklungen des 21. Jahrhunderts wer- sätzliche Bedeutung geben. Es geht hier nicht um Mitbe- den allerdings im Antrag der SPD nicht aufgegriffen, stimmungsregelungen. Vielmehr ist entscheidend, ob beispielsweise die Notwendigkeit zur Stärkung von Be- alle Akteure einen gemeinsamen Weg einschlagen und triebsräten insgesamt. Ein Großteil der Betriebe hat ob die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung überhaupt keinen Betriebsrat, wie ich leider feststellen gestellt werden, um das Gesundheitsmanagement in muss. Dort, wo es welche gibt, herrscht nicht immer nur Richtung Prävention psychischer Erkrankungen auszu- Freude und Sonnenschein. Es gibt Betriebe, in denen Be- richten. Da haben wir gehandelt. Deshalb kommt der triebsräte regelrecht gemobbt und in ihrer Existenz be- Antrag der SPD, das Gesundheitsmanagement im Rah- droht werden. men der Mitbestimmung zu regeln, reichlich spät. Ich will Ihnen als Beispiel die Modekette H&M nen- (Beifall bei der CDU/CSU) nen, die in ganz Deutschland vertreten ist und landauf, landab bekannt ist. In Trier hat die dortige Geschäftslei- Ohnehin frage ich mich, was passieren würde, wenn tung dem Betriebsratsvorsitzenden bereits vor Weih- wir folgende Formulierung aus dem SPD-Antrag in das nachten 2012 zum ersten Mal gekündigt. Mittlerweile Betriebsverfassungsgesetz aufnehmen würden – das ist liegt die dritte fristlose Kündigung auf dem Tisch. Der sicherlich ein wichtiges Thema –: Kollege muss sich gegen die erneute Kündigung durch Den Betriebsratsgremien wird ein echtes Mitbe- seine Firma wieder vor dem Arbeitsgericht wehren. Wa- stimmungsrecht eingeräumt … hinsichtlich von Ar- rum? Er macht eine engagierte Arbeit. Im Grunde hat er beitsplätzen, die nicht ausreichend auf spezifisches nur die Möglichkeiten genutzt, die das Betriebsverfas- Leistungsvermögen von Älteren Rücksicht neh- sungsgesetz ihm bei den Punkten bietet, die er angepackt men … hat. Aber das war der Firma anscheinend zu viel. Zu engagiert, zu sehr im Interesse der Beschäftigten, zu Oder was sind angemessene Mittel zur betrieblichen konsequent – solche Leute will man nicht haben. Gesundheitsförderung? Das alles sind allgemeine For- mulierungen, die zuallererst einen tollen Juristenstreit Die Begründung für die Kündigung vonseiten des Ar- und dann Prozesse auslösen werden, die uns in der Sache beitgebers lautet jetzt auch: Der Betriebsrat hat als aber nicht voranbringen. Da ist es mir lieber, dass wir ein Beisitzer der Einigungsstelle nicht die wirtschaftlichen Präventionsgesetz machen, in dem wir klipp und klar sa- Interessen der Firma vertreten. – Das ist Realität in gen: Künftig müssen die Krankenkassen eine bestimmte Deutschland! (B) Summe für betriebliches Gesundheitsmanagement und (Beifall bei der LINKEN) (D) Prävention zur Verfügung stellen. – Genau das machen wir. Betriebsräte werden schikaniert. Es wird versucht, ih- nen – und ihrer Familie gleich mit – mit einer Kündi- (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gung praktisch die Existenzgrundlage zu entziehen. Wir NEN]: Hier geht es um Arbeitsschutz!) brauchen eine Betriebsverfassung, die so etwas unterbin- Mein Eindruck ist, dass die SPD den Antrag gestellt det hat nach dem Motto: Am Schluss der Legislaturperiode (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Das tut ist uns noch etwas eingefallen, was wir eigentlich ver- sie!) gessen hatten. – Im Übrigen folgt der Antrag dem für die Sozialdemokraten leider typischen allgemeinen Motto und die es Firmen unmöglich macht, so zu handeln. „Steine statt Brot“. Wir wollen Brot, Inhalte und Qualität (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – für die Mitbestimmung in Deutschland. Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Es gibt Vielen Dank. Kündigungsschutz für die Betriebsratsmitglie- der, Frau Krellmann!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Wir brauchen ein gesellschaftliches Klima, in dem sich Firmen wie H&M nicht trauen, sich so zu verhalten. Vizepräsident Eduard Oswald: (Beifall bei der LINKEN) Vielen Dank, Kollege Peter Weiß. – Nächste Rednerin Die SPD schreibt in ihrem Antrag, dass auch die Ar- in unserer Aussprache ist für die Fraktion Die Linke un- beitgeber ein Interesse an einer funktionierenden Mitbe- sere Kollegin Frau Jutta Krellmann. Bitte schön, Frau stimmung hätten. Ja, aber nur solange es nicht wehtut Kollegin Jutta Krellmann. und es nichts kostet. Das ist die eine Seite. (Beifall bei der LINKEN) Aber es gibt noch eine weitere Seite. Ein systemati- scher Umbau vieler Unternehmen hat die Mitbestim- Jutta Krellmann (DIE LINKE): mung schleichend ausgehöhlt. Viele Unternehmen haben Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der in den letzten Jahren ihre gesamte Unternehmensstruktur Antrag der SPD trägt den Titel „Moderne Mitbestim- neu organisiert. Sie haben einzelne Betriebsteile ausge- mung für das 21. Jahrhundert“. Wenn ich das lese, ergeht gliedert, und dadurch wurde die Mitbestimmung ge- es mir ähnlich wie Herrn Weiß: Ich erwarte angesichts schwächt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30553

Jutta Krellmann (A) Das zeigt das Beispiel Edeka. Gut 300 000 Beschäf- einig, dass ein Arbeitsplatz eine Chance ist und dass eine (C) tigte arbeiten in Märkten unter dem Edeka-Logo. Fast Arbeit besser ist als gar keine Arbeit. Sie, liebe Kollegin- die Hälfte davon ist in ausgegliederten Betrieben ange- nen und Kollegen von Rot-Grün, haben zu Ihrer Regie- stellt; aber diese sind wirtschaftlich weiterhin Teil des rungszeit die Hartz-IV-Reformen auf den Weg gebracht, Edeka-Verbunds. Die Ausgliederung ist ein Mittel zur Tarifflucht und zur Aushöhlung der Mitbestimmung. Die (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE ausgegliederten Beschäftigten werden nicht mehr vom GRÜNEN]: Sie haben die falsche Rede aus Konzernbetriebsrat vertreten bzw. müssen zum Teil Be- der Schublade geholt!) triebsräte neu gründen, und sie bekommen bis zu 30 Pro- um genau das zu erreichen, wovon wir heute sagen kön- zent weniger Geld als vorher im Edeka-Verbund. nen, dass es glücklicherweise gelungen ist, nämlich dass (Sabine Zimmermann [DIE LINKE]: Sauerei!) so viele Menschen in Arbeit sind wie noch nie in der Ge- schichte der Bundesrepublik Deutschland. Mitbestimmung bei wirtschaftlichen Angelegenheiten ausbauen, auch das ist in dem Antrag der SPD nicht ent- (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- halten. Wir brauchen ein VW-Gesetz für alle. Bei VW NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gar nicht haben Betriebsräte im Aufsichtsrat ein Vetorecht bei In- das Thema!) vestitionsentscheidungen und Produktionsverlagerun- Es ist auch festzuhalten, dass dieser Aufwuchs an Be- gen. Diese Regelungen sollten ausgebaut und auf alle schäftigung nicht zulasten sozialversicherungspflichtiger Bereiche übertragen werden. Beschäftigung gegangen ist. (Beifall bei der LINKEN) (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Die deutsche Wirtschaft befindet sich immer noch in NIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um Mitbe- einem unglaublichen Umbauprozess. Betriebsräte und stimmung!) Personalräte müssen in jedem Betrieb aktiven Einfluss Wir haben derzeit so viele sozialversicherungspflichtig auf diese Entscheidungen nehmen können; sonst können Beschäftigte in Deutschland wie seit der deutschen Ein- sie den Plänen des Managements nichts entgegensetzen. heit nicht mehr. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- GRÜNEN]: Das steht aber im Antrag!) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat doch alles Wir brauchen mehr Mitbestimmung und Demokratie. mit dem Thema nichts zu tun! – Klaus Barthel Genau das müssen wir wagen, und das geht nur mit ech- [SPD]: Lassen Sie sich einmal eine neue Rede ter wirtschaftlicher Mitbestimmung. geben! Die habe ich schon gehört!) (B) (D) (Beifall bei der LINKEN) Gleichzeitig ist die Zahl der Transferempfänger so weit zurückgegangen wie noch nie seit der Einführung des Vizepräsident Eduard Oswald: Hartz-IV-Systems. Wir können zum Glück sagen, dass Vielen Dank, Frau Kollegin Jutta Krellmann. – sich die Schere bei den Einkommen langsam wieder Nächster Redner in unserer Aussprache ist für die Frak- schließt. Das ist das Ergebnis von höheren Tarifab- tion der FDP unser Kollege Pascal Kober. Bitte schön, schlüssen, die möglich sind. Das verdanken wir der Tat- Kollege Pascal Kober. sache, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Rechte auch tatsächlich in die Verhandlungen ein- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten bringen und durchsetzen können. Das ist das Ergebnis der CDU/CSU) einer guten Politik, die die Grundlage dafür geschaffen hat, dass wirtschaftliches Wachstum möglich ist und Pascal Kober (FDP): dass Arbeitsplätze entstehen können. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- vergangenen vier Jahre waren vier gute Jahre für NIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit dem Deutschland, Thema und dem Antrag zu tun? Reden Sie (Beifall bei der FDP) doch einmal zum Antrag und zum Thema!) und die vergangenen vier Jahre waren vier gute Jahre für Das ist ganz wesentlich darauf zurückzuführen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutsch- diese Regierungskoalition mit Finanzpolitikern wie land. Volker Wissing und mit Wirtschaftspolitikern wie eine gute weitsichtige Finanz- und Wirt- (Beifall bei der FDP – Beate Müller-Gemmeke schaftspolitik gemacht hat, bei der Arbeitsplätze entstan- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mal eine den sind. neue Schallplatte!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Deutschland gab es so viele Beschäftigte wie zurzeit. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reden am Thema Nicht jede Beschäftigungsform ist genau die, die sich die vorbei!) Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer als ideale Beschäfti- gung wünscht; das ist richtig. Aber wir alle waren uns im Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie fordern in Ih- letzten Jahrzehnt in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik rem Antrag beispielsweise eine Rückführung der Zeitar- 30554 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Pascal Kober (A) beit in Deutschland. Sie verkennen an dieser Stelle, dass frontaler Angriff auf die Chancen der Menschen in unse- (C) Sie die Zeitarbeit bei der Reform des Arbeitsmarktes als rem Land. eine Chance eingeführt haben, damit Menschen in Ar- (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE beit kommen. Diese möchten Sie jetzt mit Ihrem Antrag GRÜNEN]: Jetzt kommt die Steuer! – zurückführen. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- DIE GRÜNEN]: Heute geht es um Mitbestim- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben die falsche mung!) Rede! Sie haben das falsche Manuskript! Gu- Die Grünen beschlossen auf ihrem Parteitag einen cken Sie doch einmal, ob ein anderes Manu- Frontalangriff auf die Chancen der Arbeitnehmerinnen skript auf dem Platz liegt!) und Arbeitnehmer in Deutschland. Sie fordern Steuer- – Herr Strengmann-Kuhn, was sind Sie denn so aufge- erhöhungen, die die Substanz der Unternehmen besteu- regt? Hören Sie doch einmal zu! ern. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bin etwas ver- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt alles wirrt! Es geht überhaupt nicht um den Arbeits- nicht, was Sie sagen! Das ist schlicht falsch!) markt!) Sie fordern Steuererhöhungen, obwohl die Arbeitgeber schon heute sagen, dass sie Hunderttausende von Ar- – Herr Strengmann-Kuhn, Sie müssen offensichtlich beitsplätzen kosten werden. Das wird am Ende die Mit- sehr nervös sein. Die gute Entwicklung auf dem Arbeits- bestimmung schwächen; denn derjenige, der keinen Ar- markt scheint Ihnen keine Ruhe zu lassen. beitsplatz hat, kann im Betrieb auch nicht mitbestimmen. (Beifall bei der FDP) Die Politik, die Sie machen, ist unverantwortlich. Wir sind jetzt bei der Zeitarbeit. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das Volumen der Zeitarbeit soll durch die Maßnah- men, die in Ihrem Antrag formuliert worden sind, zu- Glücklicherweise gibt es in Ihrer Partei noch Vernünftige rückgeführt werden. Das Ausmaß der Zeitarbeit gefällt wie Boris Palmer und Winfried Kretschmann, die dies Ihnen nicht und ist Gegenstand vieler Anträge, die Sie zumindest punktuell erkennen und kritisieren; zuletzt hier einbringen, so auch heute. war es auch Christine Scheel. Ihre Politik ist eine verant- wortungslose Politik für die Arbeitnehmerinnen und Ar- (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- beitnehmer. (B) (D) NEN]: Es geht um die Mitbestimmung!) Wir werden ab September diese Bundesregierung er- Deshalb komme ich, wie gesagt, zur Zeitarbeit. Sie ha- folgreich weiterführen im Sinne des Betriebsverfas- ben die Zeitarbeit flexibilisiert, damit mehr Menschen sungsgesetzes, das es schon seit 60 Jahren in Deutsch- durch sie einen Job bekommen. Das ist gelungen. Wir land gibt. Wir werden weiterhin dafür kämpfen, dass die haben in unserer Regierungszeit an den entsprechenden Menschen in unserem Land eine Chance auf Arbeits- Stellen eingegriffen und bei der Zeitarbeit etwas nach- plätze haben und dass sie gleichzeitig innerhalb des justiert und so den Missbrauch, der mitunter vorgekom- Arbeitsmarktes Aufstiegschancen haben, um sich vom men ist, weil Sie es nicht richtig gemacht haben, be- Einstieg in den Arbeitsmarkt in eine voll sozialversiche- kämpft und abgestellt. rungspflichtige Beschäftigung heraufzuarbeiten, wenn sie es mögen. Die Voraussetzung dafür ist eine gute und Am 19. Februar dieses Jahres haben Sie einen Antrag kluge Wirtschafts- und Finanzpolitik auf der Grundlage in den Bundestag einbringen können, in dem Sie schrei- einer guten Bildungspolitik. ben: „Bisher war unter anderem die Leiharbeit“ – Sie nennen es Leiharbeit, richtiger wäre Zeitarbeit – ein be- (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- liebtes Instrument zum Lohndumping.“ Sie haben also NIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt sagen Sie auch selber im Februar dieses Jahres erkannt, dass diese Bun- was zur Bildungspolitik!) desregierung klug interveniert hat. Sie hat die Sozial- Deshalb kürzen wir keine Lehrerstellen, so wie Sie es in partner in der Zeitarbeit darauf hingewiesen, dass sie ih- Baden-Württemberg unter Grün-Rot machen. rer Verantwortung nachkommen sollen. Wir haben also keine zusätzlichen gesetzliche Regelungen geschaffen, (Beifall bei der FDP) sondern angemahnt, dass dort etwas passieren muss. Da- Diese Regierung wird auch die nächsten vier Jahre durch ist es gelungen, dass über Branchentarifzuschläge eine gute Politik machen. Auch die nächsten vier Jahre in der Zeitarbeit das Lohnniveau steigt. werden gute vier Jahre für Deutschland sein. (Beifall bei der FDP) Vielen Dank. Das haben Sie in einem Ihrer Anträge selber doku- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten mentiert. Deshalb ist es eine kluge Politik, maßvoll an der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann- die Dinge heranzugehen und nicht das Kind mit dem Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Bade auszuschütten, wenn man Chancen für Menschen war die falsche Rede zum falschen Zeitpunkt! in Deutschland haben will. Insofern ist Ihre Politik ein Nicht zum Thema!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30555

(A) Vizepräsident Eduard Oswald: Das schwächt nicht nur die betriebliche Interessensver- (C) Vielen Dank, Kollege Pascal Kober. tretung, sondern auch die Tarifautonomie insgesamt. Diesen Wandel in der Arbeitswelt dürfen Sie nicht län- Als Nächste spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die ger ignorieren. Handeln ist angesagt. Grünen unsere Kollegin Frau Beate Müller-Gemmeke. – Bitte schön, Frau Kollegin Müller-Gemmeke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- LINKEN) NEN): Wir Grünen begrüßen die heutige Debatte und den Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin- Antrag der SPD. Das Thema ist wichtig. Die Richtung nen und Kollegen! Herr Kollege Kober, in sieben Minu- stimmt. Denn wir brauchen wieder eine Mitbestimmung, ten Redezeit nicht einmal das Wort „Mitbestimmung“ zu und zwar auf Augenhöhe. Notwendig ist ein fairer In- nennen, ist schon eine Leistung. teressensausgleich. Die Betriebsräte müssen bei Ver- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, änderungen im Unternehmen und beim Einsatz von bei der SPD und der LINKEN – Dr. Johann Leiharbeit und Werkverträgen mitreden können. Wadephul [CDU/CSU]: Das stimmt gar Zu Recht verweist die SPD noch auf andere Stich- nicht! – Pascal Kober [FDP]: Lesen Sie es mal worte; gerade am Montag haben wir darüber in der An- im Protokoll nach, Frau Müller-Gemmeke! Ich hörung diskutiert: Mit Blick auf den demografischen habe eindeutig gesagt, dass Sie den größten Wandel und den drohenden Fachkräftemangel sind al- Frontalangriff auf die Mitbestimmung ma- ters- und alternsgerechte Arbeitsbedingungen dringend chen!) notwendig. Dabei geht es um Strategien gegen Arbeits- Die Mitbestimmung ist ein hohes Gut. Zur sozialen verdichtung und entgrenzte Arbeitszeit. Es geht also um Marktwirtschaft gehört eine starke Mitbestimmung. Stress am Arbeitsplatz. Denn die Beschäftigten müssen Ebenso gehört die Mitbestimmung zu unserer demokra- bis zur Rente gesund arbeiten können. tischen Kultur. Die Betriebsräte achten darauf, dass es Das alles sind zentrale Themen und große Herausfor- im Betrieb und bei der Entlohnung gerecht zugeht. Sie derungen. Das schaffen die Unternehmen nur gemein- sind auch das Sprachrohr für die Beschäftigten. Die Be- sam mit engagierten Belegschaften. Eine funktionie- triebsräte verbinden also wirtschaftliche Ziele mit guten rende und starke Mitbestimmung ist dafür unerlässlich. Arbeitsbedingungen und relativieren so den Gegensatz Ich bin mir sicher: Wer zukünftig ausreichend Fach- zwischen den Interessen von Arbeitgebern und Arbeit- kräfte halten und auch gewinnen will, der muss auf Fair- nehmern. Diese Möglichkeit muss es auch in Zukunft ness und auf demokratische Strukturen setzen. (B) geben, und zwar ausreichend. (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – und bei der SPD) Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Richtig!) Wenn es um die Mitbestimmung geht, dann reagiert Auch die Unternehmen profitieren von der Mitbe- die Arbeitgeberseite immer gleich: die Mitbestimmung stimmung. würde verzögern, sie würde behindern und verhindern. (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Ja!) Die positiven Effekte werden nicht quantifiziert. Die Kosten aber werden kritisiert. Die Lehren aus der letzten Denn die Betriebsräte garantieren die interne Kom- Wirtschaftskrise sind jedoch eindeutig. Die Belegschaf- munikation. Damit werden Entscheidungen transparent ten, die Betriebsräte und die Gewerkschaften haben ge- und auch nachvollziehbar. So entstehen auch bei schwie- meinsam mit den Unternehmen nach tragfähigen Lösun- rigen Entscheidungen Vertrauen und Akzeptanz in der gen gesucht. Voreilige Entlassungen wurden verhindert. Belegschaft. Mitbestimmung ist also Konfliktmanage- Arbeitszeitverkürzungen, Arbeitszeitkonten und Kurz- ment. Wenn das funktioniert, entstehen Zufriedenheit arbeitergeld waren erfolgreiche Strategien, und nur so und Loyalität. Das ist wichtig; denn Unternehmen brau- konnte Deutschland besser und schneller als vergleich- chen engagierte und gute Belegschaften. bare Länder durch die Krise kommen. Deshalb verstehen Sehr geehrte Koalitionsfraktionen, wie sieht es mit wir Grünen die Mitbestimmung als Chance und Stand- der Mitbestimmung in der Realität aus? In Westdeutsch- ortvorteil. land profitieren von der Mitbestimmung 48 Prozent, in (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ostdeutschland gerade noch 38 Prozent der Beschäftig- und bei der SPD) ten. Wir haben also immer mehr betriebsratsfreie und so- mit demokratiefreie Zonen. Sozialpartnerschaft sieht an- Sehr geehrte Mitglieder der Koalitionsfraktionen, las- ders aus. sen Sie sich auf eine konstruktive Diskussion ein und verzichten Sie einfach mal auf alte Reflexe. Nur in ei- (Pascal Kober [FDP]: Was soll das mit der demo- nem fairen Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Beleg- kratiefreien Zone? Das ist völlig abwegig!) schaft entsteht wirtschaftliche Dynamik. Nicht nur die Die traditionell betrieblichen Strukturen lösen sich Kunden sind die Partner eines Unternehmens, sondern durch befristet Beschäftigte, durch Leiharbeit und insbe- auch die Beschäftigten. Vor allem ist die Mitbestimmung sondere durch Werkverträge in Stamm- und Randbeleg- eine besondere Errungenschaft unserer Demokratie, und schaft auf. In der Folge zersplittern die Belegschaften. damit müssen wir behutsam umgehen. Der Wandel in 30556 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Beate Müller-Gemmeke (A) der Arbeitswelt erfordert eine Konstante, und das ist eine scheidungen getroffen werden. Gerade Karstadt hat das (C) starke Mitbestimmung. Nur durch gleiche Augenhöhe erleben müssen. Das Unternehmen entwickelt sich jetzt und Partizipation entstehen soziale Wertschätzung und positiv, und zwar nur deshalb, weil Arbeitnehmerinnen Zusammenhalt und in der Folge wirtschaftlicher Erfolg. und Arbeitnehmer einen Teil dazu beigetragen haben, Schalten Sie endlich Ihren Ruhemodus aus! Tun Sie et- weil sie auf Gehalt verzichtet haben und es Gewerk- was! Noch haben Sie die Zeit dafür. schafter gegeben hat, die ihnen das erklärt haben und sie mitgenommen haben. Deswegen ist es aus meiner Sicht Vielen Dank. keine Petitesse, zu sagen: Es geht uns wieder etwas bes- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ser, jetzt brauchen wir Tarifverträge nicht mehr so sehr; und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der wir haben schwierige Zeiten hinter uns, und jetzt ver- LINKEN) zichten wir darauf. – (Klaus Barthel [SPD]: Ihr Wort in Gottes Ge- Vizepräsident Eduard Oswald: hörgang!) Vielen Dank, Frau Kollegin Beate Müller-Gemmeke. – Nein, Mitbestimmung braucht man in guten wie in Nächster Redner für die Fraktion von CDU/CSU ist Kol- schlechten Zeiten, und dazu gehören ein gutes Tarifver- lege Dr. Johann Wadephul. Bitte schön. tragssystem, aber auch funktionierende Betriebsräte in (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sicherlich aller Anstrengungen des Hohen Weil das unsere Auffassung ist, bin ich angesichts ei- Hauses wert, miteinander über die betriebliche Mitbe- ner gewissen Lieblosigkeit, mit der dieser Antrag zu- stimmung zu sprechen, darüber zu diskutieren und zu sammengeschrieben worden ist, in der Tat etwas ent- schauen, wo nachjustiert werden muss. Mitbestimmung täuscht; das sage ich jetzt nicht in einer Reflexreaktion, ist auf allen Ebenen, auf denen sie stattfindet, eine große die uns sozusagen schon vorher von der Opposition un- soziale Errungenschaft Deutschlands. Da kann ich nur terstellt wurde. Meine sehr verehrten Damen und Her- das unterstreichen, was zuletzt die Kollegin Müller- ren, es fängt natürlich schon damit an, dass Sie diesen Gemmeke gesagt hat; da sind wir alle einer Meinung. In Antrag in einer der letzten Sitzungswochen dieser Legis- der Tat: Betrieblicher Frieden ist wichtig. laturperiode stellen. Jetzt merken Sie, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Das ist nun wirklich sehr spät. (B) Peter Weiß hat auf die Ursprünge des aktuellen Be- Zudem beschreiben Sie diesen Handlungsbedarf in einer (D) triebsverfassungsgesetzes hingewiesen. Es hat Vorläufer Art und Weise, die man natürlich nicht ganz ernst neh- aus den 50er-Jahren und den 20er-Jahren. Schon in der men kann. Weimarer Republik wurde erkannt, dass Demokratie, Rechtsstaat und Mitbestimmung nur dann erfolgreich (Kerstin Tack [SPD]: Was?) gelingen können, wenn es auch auf betrieblicher Ebene – Sie als Opposition fordern die Bundesregierung auf, gelingt, einen Ausgleich zwischen den Eigentümerinte- einen Gesetzentwurf vorzulegen. Machen Sie es doch ressen des Unternehmers und den Interessen der Arbeit- bitte selber! Wir sind die gesetzgebende Körperschaft. nehmerinnen und Arbeitnehmer zu gewährleisten. Das Setzen Sie sich hin! Sie haben kluge Juristen in Ihren ei- gelang in Deutschland schon in Weimarer Zeiten, gelingt genen Reihen und in Ihrer Mitarbeiterschaft, fragen Sie aber auch in der bundesrepublikanischen Zeit in hervor- die Gewerkschaften. Machen Sie konkrete Vorschläge ragender Weise. Der betriebliche Frieden, den wir hier zum Betriebsverfassungsgesetz: haben, ist in der Tat ein hohes Gut, das wir alle schützen sollten, zu dem wir uns bekennen sollten. Es ist ein Teil (Klaus Barthel [SPD]: Wir haben ein Mindest- des Erfolgsmodells Deutschland. lohngesetz vorgelegt! Was ist daraus gewor- den?) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) – Herr Barthel, das werden wir wahrscheinlich gleich von Ihnen hören. – Was soll in § 80, § 92, § 87 und § 99 Deswegen muss man Verschiebungen immer mit konkret textlich geändert werden, damit Ihre vermeintli- Sorge sehen. Es fängt auf der Ebene der Tarifautonomie chen Anliegen durchgesetzt werden können? Sie bieten an. Ich will hier ausdrücklich sagen: Wir sind dafür, dass gar nichts! es starke Gewerkschaften, starke Tarifverträge und Flä- chentarifverträge gibt. Es ist nicht gut, wenn ein Unter- Der vorliegende Antrag ist eine Enttäuschung – das nehmen wie Karstadt meint, hier ausscheren zu müssen; muss ich Ihnen so sagen – und wird dem Anspruch mo- das will ich ausdrücklich sagen. Es ist eine freie unter- derner Mitbestimmung im 21. Jahrhundert nicht gerecht; nehmerische Entscheidung. Aber ich glaube, jeder trägt (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- eine Verantwortung für das Gemeinwohl; auch Unter- neten der FDP) nehmer haben hier eine Verantwortung. Ich finde, die Entscheidung ist insofern kein gutes Signal. Denn Unter- denn auf das Thema, das Sie angesprochen haben, näm- nehmer müssen erkennen, was in der Debatte schon ge- lich dass es zu wenig Betriebsräte gibt, wird überhaupt sagt worden ist: Manchmal müssen auch schwierige Ent- nicht eingegangen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30557

Dr. Johann Wadephul (A) Frau Krellmann, das hat im Übrigen nichts damit zu trieb. Die andere Seite ist: Der Betriebsangehörige kann (C) tun, dass einzelne Betriebsräte auf Druck der Arbeitge- nicht einfach streiken. Der Betriebsrat kann im Betrieb berseite immer wieder Kündigungen ausgesetzt sind. keinen Streik ausrufen. Das können nur Gewerkschaften Das will ich nicht rechtfertigen, das ist nicht in Ordnung, für die Tarifunterworfenen machen, und ob man tarifun- dagegen muss man sich wehren, und ich habe Betroffene terworfen sein will, kann man selbst entscheiden, indem schon arbeitsgerichtlich vertreten. Aber man darf nicht man einer Gewerkschaft beitritt oder es eben lässt. Die- vergessen, dass sie in Deutschland einen einmaligen ser wichtige Unterschied wird in Ihrem Antrag nicht Schutz genießen. Suchen Sie einen entsprechenden deutlich. Es gibt diesen wichtigen Unterschied zwischen Schutz im europäischen Ausland. dem Tarifvertragsbereich und dem Bereich, den wir im Betriebsverfassungsgesetz geregelt haben. Das Betriebs- Ich weiß nicht, was der Grund für die fristlose Kündi- verfassungsgesetz kann nur für den Betrieb gelten. gung bei H&M gewesen ist. Es ist auch nicht unsere Aufgabe, darüber zu richten, ob die richtig oder falsch Auf der Ebene des Betriebsverfassungsgesetzes kön- war. Das ist die Aufgabe der Arbeitsgerichte. Wir sorgen nen wir im Bereich der Leiharbeitnehmer nichts machen für einen Schutzrahmen. – man darf aber in der Tat nicht in einen Ruhemodus ver- fallen, sondern man sollte über Verbesserungen nach- Wir haben in Deutschland ein geltendes Betriebsver- denken –; denn sie gehören nicht zum Betrieb, sondern fassungsgesetz, zu dem wir stehen. Es sorgt dafür, dass zum Betrieb des Verleihers. Diesen Konflikt haben Sie Betriebsräte einen Schutz genießen, wie ihn Betriebsräte in Ihrem Antrag völlig verkannt. Das finde ich bedauer- in anderen Ländern Europas nicht haben. Das ist gut so. lich. Wir werden in der nächsten Legislaturperiode si- Dabei soll es bleiben. cherlich mit mehr Substanz an das Thema herangehen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und müssen. der FDP – Zuruf der Abg. Jutta Krellmann In wichtigen Punkten besteht Konsens. [DIE LINKE]) (Klaus Barthel [SPD]: Wo denn? – Kerstin – Frau Krellmann, das will ich Ihnen sagen: Wenn die Tack [SPD]: Wo?) Kündigung deshalb erfolgt sein sollte, weil der Betriebs- ratsvorsitzende sehr aktiv war, dann ist die Kündigung Die betriebliche Mitbestimmung ist ein Kernbestandteil mit hoher Wahrscheinlichkeit unwirksam. Genau das des sozialen Friedens in Deutschland, und Union und steht im Betriebsverfassungsgesetz. Vielleicht gibt es FDP werden auch in diesem Bereich weitere vier gute aber auch andere Gründe, darüber müssen die Arbeitsge- Jahre regieren. richte entscheiden. Sie sollten nicht generell die Arbeit- Vielen Dank. (B) geber, die sich zu solchen Schritten genötigt fühlen, ver- (D) urteilen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Da haben Ich will Sie abschließend auf einen zweiten Punkt viele Angst vor!) hinweisen, der für uns wichtig ist. Es gibt einen großen Unterschied zwischen den Tarifverträgen unterworfenen Arbeitnehmern und denjenigen, die dem Betriebsrat un- Vizepräsident Eduard Oswald: terworfen sind. Vielen Dank, Kollege Dr. Wadephul. – Letzter Redner in dieser Aussprache ist für die Fraktion der Sozialdemo- Im Übrigen gilt die Betriebsvereinbarung auch für be- kraten unser Kollege Klaus Barthel. Bitte schön, Kollege fristet Beschäftigte. Diese werfen Sie in Ihrem Antrag Klaus Barthel. mit Leiharbeitnehmern in einen Topf. Man kann darüber reden, dass es in diesem Bereich Probleme gibt, aber (Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP: Tatsache ist: Ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer ist Jetzt kommt der Ausputzer!) bei der Betriebsratswahl stimmberechtigt, und wenn eine Betriebsvereinbarung getroffen ist, dann ist er ihr unter- Klaus Barthel (SPD): worfen. Ich weiß deshalb nicht, was befristete Arbeits- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser An- verhältnisse in Ihrem Antrag zu suchen haben; denn die trag muss schon ganz gut sein, weil sich alle, die sich ir- spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle. Auch das gendwie kritisch dazu geäußert haben, zu allem Mögli- ist in Ihrer Begründung sehr unsubstanziell. chen gesprochen haben, nur nicht zu dem Antrag. Frau Müller-Gemmeke war dabei eine löbliche Ausnahme; Es gibt einen wichtigen Unterschied, zu dem wir ste- sie hat sich positiv darauf bezogen. Aber ansonsten ha- hen. Materielle Arbeitsbedingungen – Bezahlung, Dauer ben wir hier doch nur Nebelkerzen gesehen. Da hören der Arbeitszeit – sollen die Gewerkschaften regeln, in- wir irgendetwas von Kündigungen von Betriebsratsvor- dem sie Tarifverträge schließen. Das sollen nicht die Be- sitzenden, was jetzt schon verboten ist. Wir hören, dass triebsräte beschließen. Das steht im Betriebsverfas- Herr Wissing irgendetwas mit Mitbestimmung zu tun ha- sungsgesetz in § 77 Abs. 3. An diesem wichtigen ben soll. Unterschied sollten wir festhalten. (Lachen der Abg. Beate Müller-Gemmeke Es gibt zwei Seiten. Die eine Seite ist: Man kann sich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) einer Betriebsvereinbarung als Arbeitnehmer nicht ent- ziehen. Jeder, der in einem Betrieb arbeitet, ist ihr auto- Der Kollege Weiß erzählt uns hier etwas vom Präven- matisch unterworfen, sie wirkt wie ein Gesetz im Be- tionsgesetz. Da könnte man noch sagen – das hat er aber 30558 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Klaus Barthel (A) nicht erwähnt –, dass ein Präventionsgesetz auch nur bei (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Herr Kol- (C) betrieblicher Mitbestimmung sinnvoll umgesetzt werden lege Barthel, aber nur im freien Teil Deutsch- kann, weil man dafür Akteure und nicht einfach nur lands! Sagen Sie mal etwas zur DDR!) Geld braucht, das Krankenkassen zahlen. beispielsweise beim Mitbestimmungsgesetz 1972, 1976 (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ und zuletzt 2001. Auch die erleichterte Wahl von Be- DIE GRÜNEN) triebsräten war ein Fortschritt, der von der SPD zusam- men mit den Grünen durchgesetzt worden ist. Aber all das sei einmal dahingestellt. (Beifall bei der SPD – Jutta Krellmann [DIE Außerdem ging es um den Zeitpunkt, zu dem wir die- LINKE]: Das war kein Fortschritt!) sen Antrag einbringen. Wir wollen am Ende dieser Le- Das alles heißt aber nicht, dass wir uns zufrieden zu- gislaturperiode, nachdem die Sozialdemokratie ja die rücklehnen können. Wir können es nicht, weil sich die Partei der Mitb estimmung ist, dies schon seit Jahren dis- Arbeitswelt und betriebliche Strukturen und damit auch kutiert und es auch in ihrem Wahlprogramm stehen hat, die Anforderungen an Betriebsrätinnen und Betriebsräte einfach einmal von den anderen hören, wie sie sich zur verändern. Wir erleben, dass durch Leiharbeit, durch die Zukunft der Mitbestimmung stellen. Das ist doch legi- Praxis von Werkverträgen Menschen in den Betrieben tim. Wenn man die Antworten hört, dann muss man sa- beschäftigt sind, die aber letzten Endes nicht von Be- gen: Das ist doch erbärmlich. triebsrätinnen und Betriebsräten vertreten werden kön- (Beifall bei der SPD) nen, weil die rechtliche Situation in diesem Punkt nicht klar ist. Schon allein deswegen hat es sich gelohnt, diesen An- Es hat zwar jetzt hinsichtlich der Leiharbeit ein Bun- trag zu stellen. desarbeitsgerichtsurteil die Zuständigkeiten der Betriebs- Es wurde schon gesagt: Ohne Mitbestimmung wären räte verbessert. Aber wir brauchen hier klare gesetzliche wir nicht so gut durch die Krise gekommen. Interne Fle- Regelungen, damit auch Werkauftragsnehmerinnen und xibilität mit Arbeitszeitkonten und mit Kurzarbeiterrege- -nehmer oder Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter an dem lung geht nur mit Mitbestimmung. Auch der jetzt immer Ort, an dem sie arbeiten, geschützt werden können und es wieder gelobte hohe Industrieanteil in Deutschland hat für sie eine Kontrolle zum Beispiel bezüglich ihrer Ar- etwas mit Mitbestimmung zu tun und eben nicht mit den beitsbedingungen, Löhne, Arbeitszeiten usw. in dem Be- Rezepten von „hire and fire“, nicht mit Lohnsenkungen, trieb, in dem sie arbeiten, gibt und nicht irgendwo, von nicht mit dem Herr-im-Hause-Standpunkt. wo sie ausgeliehen werden. Wenn Sie das nicht hinbe- (B) kommen, dann können Sie hier noch so viele heilige Re- (D) Ein Zeitungsartikel vor einiger Zeit, übrigens nicht in den auf Mitbestimmung und Betriebsräte halten, aber in einem sozialistischen Blatt, enthielt die Aussage, dass Be- Wahrheit entziehen Sie den Betriebsräten dann die Wir- triebsräte, dass die Mitbestimmung – wörtliches Zitat – kungsmöglichkeiten. Auch dadurch, dass es keine Frei- Bollwerke gegen Betriebsschließungen sind. Man muss stellungen und zusätzlichen Mandate für Betriebsräte doch ganz klar sagen: Viele Betriebe, gerade in der Indus- gibt, entziehen Sie ihnen die Arbeitsmöglichkeiten. Was trie, gäbe es ohne Mitbestimmung, ohne Betriebsräte hier gemacht wird, ist ein bisschen eine Strategie des Zu- heute überhaupt nicht mehr. Deshalb ist die Frage – An- Tode-Lobens. Da muss man aufpassen. kündigungen oder Lobhudeleien sind ja billig –: Was folgt Wir brauchen – das ist der zweite Bereich, um den es daraus? hier geht – eine Zuständigkeitsausweitung für Betriebs- Den historischen Teil will ich mir schenken, weil Herr räte. Sie reden immer darüber, dass Sie die Rente mit 67 Dr. Wadephul dankenswerterweise darauf hingewiesen wollen. hat, dass es keine Idee von Union und FDP war, Be- (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Herr triebsräte einzuführen, sondern dass es sie seit 1918/19 Barthel! Das ist Gesetz!) gibt und dass die Nazis sie aus gutem Grund vor ziem- lich genau 80 Jahren aus den Ämtern gejagt und ver- Wir hingegen wollen erst einmal dafür sorgen, dass die drängt haben, weil das eben ein Bollwerk der Demokra- Leute mit 65 gesund arbeiten und gesund in Rente gehen tie ist. können. Wenn Sie die Rente mit 67 wollen, dann müssen Sie auch dafür sorgen, dass auf betrieblicher Ebene Stra- (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Die CDU hat tegien zur Qualifizierung entwickelt und umgesetzt wer- es damals noch gar nicht gegeben! Aber das den. Dafür brauchen die Betriebsräte Initiativrechte auch Zentrum hat sich darum gekümmert!) beim Arbeits- und Gesundheitsschutz. Diese Rechte ha- ben sie im Moment nicht. Das muss man betrieblich 1945 waren Betriebsräte die Ersten, die die Wirtschaft durchsetzen, da helfen sonst die besten Gesetze nichts. wieder ans Laufen gebracht haben, weil die Chefs teil- Also: Wer Mitbestimmung auch in Zukunft will, wer weise im Gefängnis saßen oder sich aus dem Staub ge- vernünftige Betriebsratsarbeit auch in Zukunft will, der macht hatten. Dann waren sie als Getriebene durch muss die Rechtsgrundlagen reformieren. Wir brauchen Streiks der Gewerkschaften gezwungen, betriebliche eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes. Mitbestimmung einzuführen, und so ging es weiter. Alle substanziellen Änderungen an der Mitbestimmung ha- Im Übrigen sage ich: Wenn Sie alle der Meinung sind, ben Sozialdemokraten eingeführt, dass die Mitbestimmung vorbildhaft und ein Export- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30559

Klaus Barthel (A) schlager ist, dann sollten Sie dafür sorgen, dass die Ar- noch einmal an die Familie Stadler. war ein (C) beitnehmerrechte im restlichen Europa gestärkt und sehr lieber Kollege, mit dem ich 13 Jahre lang sehr eng nicht durch die Austeritätspolitik von Frau Merkel ka- zusammengearbeitet habe. puttgemacht werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie wissen, Par- (Zurufe von der CDU: Oh!) teien haben nach dem Grundgesetz den Anspruch, aber auch den Auftrag, an der politischen Willensbildung des Denken Sie einmal darüber nach! Vielleicht können Sie Volkes mitzuwirken. Um dieser Aufgabe gerecht werden doch noch etwas Positives an unserem Antrag finden. zu können, haben sie einen berechtigten Finanzierungs- Wir werden das in der nächsten Legislaturperiode bedarf. In Deutschland haben wir uns bewusst gegen umsetzen. Sinn dieses Antrages ist ja auch, dass wir sa- eine rein staatliche Alimentierung entschieden und die gen, was wir ab September machen werden. gesellschaftliche Verankerung als Wesenselement politi- scher Parteien definiert. Im Wesentlichen wird dieser Fi- (Beifall bei der SPD) nanzierungsbedarf durch Mitgliedsbeiträge, staatliche Zuwendungen und durch Spenden gedeckt. Spenden Vizepräsident Eduard Oswald: sind zu Recht ein wichtiger Bestandteil der Finanzierung Vielen Dank, Kollege Klaus Barthel. – Der Kollege von Parteien und haben verfassungsrechtliche Bedeu- Klaus Barthel war der letzte Redner in dieser Ausspra- tung. Das Grundgesetz sieht die Staatsfreiheit von Par- che, die ich damit schließe. teien vor. Die staatliche Finanzierung darf deshalb nicht so weit gehen, dass sich Parteien nicht mehr um die fi- Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf nanzielle Unterstützung durch ihre Mitglieder und durch Drucksache 17/13476 an die in der Tagesordnung aufge- ihr nahestehende Bürger bemühen müssen. führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sie sind damit ein- verstanden? – Das ist der Fall. Dann haben wir gemein- Umgekehrt ist das Spendenrecht des Bürgers Aus- sam die Überweisung so beschlossen. druck seines Rechts auf Teilhabe an der politischen Wil- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 55 auf: lensbildung. Im Gegenzug ergibt sich die Verpflichtung, dass die Parteien über die Herkunft und die Verwendung Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechen- richts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu schaft ablegen müssen. Das ist im Parteiengesetz so gere- dem Antrag der Abgeordneten Raju Sharma, Jan gelt. Spenden über 10 000 Euro sind im Rechenschafts- Korte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und bericht anzugeben, und Spenden über 50 000 Euro sind der Fraktion DIE LINKE dem Bundestagspräsidenten zu melden, der diese binnen 24 Stunden im Internet zu veröffentlichen hat. Diese (B) Demokratie stärken, Lobbyismus verhindern (D) Transparenzvorschriften haben sich bei Parteispenden in und Parteienfinanzierung transparenter ge- Deutschland sehr gut bewährt. stalten – Drucksachen 17/9063, 17/13530 – Meine Damen und Herren von den Linken, Sie schla- gen jetzt in Ihrem Antrag fünf Maßnahmen vor, mit denen Berichterstattung: Sie das Parteiengesetz ändern wollen. Damit wollen Sie Abgeordnete Ingo Wellenreuther angeblich die Demokratie stärken, Lobbyismus verhin- Gabriele Fograscher dern und die Parteienfinanzierung transparenter gestalten. Dr. Stefan Ruppert Meines Erachtens betreiben Sie damit Etikettenschwin- Raju Sharma del. Denn was Sie in Wahrheit wollen, ist, in Deutschland Wolfgang Wieland die Parteienfinanzierung diskreditieren, Spender verunsi- chern und sich damit Vorteile im politischen Wettbewerb Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für verschaffen. diese Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Sind alle damit einverstanden? – Dann haben wir das gemein- (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN – sam so beschlossen. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Jetzt wird es richtig albern!) Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner in dieser Aussprache ist für die Fraktion von CDU und CSU unser Ich werde Ihnen jetzt im Einzelnen erläutern, warum Ihr Kollege Ingo Wellenreuther. Bitte schön, Kollege Ingo Antrag nicht taugt – wenn Sie zuhören, verstehen Sie es Wellenreuther. auch –, um die von Ihnen benannten Ziele zu erreichen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Ich werde auch zeigen, welche Auswirkungen Ihre beab- der FDP) sichtigten Gesetzesänderungen hätten. Sie wollen ein Spendenverbot für juristische Perso- Ingo Wellenreuther (CDU/CSU): nen. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) nen und Kollegen! Ich habe Verständnis, dass heute we- nige hier im Plenum sind, weil parallel die Trauerfeier Das heißt, Sie wollen, dass Unternehmen in der Rechts- für den Kollegen Stadler stattfindet, an der auch ich form einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft, aber gerne teilgenommen hätte; aber die Tagesordnung sieht auch eingetragene Vereine nicht mehr Spenden an politi- vor, dass dieser Punkt jetzt behandelt wird. Mein Beileid sche Parteien leisten dürfen. 30560 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Ingo Wellenreuther (A) (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Sie haben es teispenden damit in die Nähe des Anrüchigen. Ich halte (C) verstanden!) es – das muss ich ehrlich sagen – für unerträglich, dass Sie damit in der Öffentlichkeit wiederholt und bewusst Entgegen Ihrem im Antrag formulierten Ziel, die Demo- den Eindruck erwecken, man könne in Deutschland poli- kratie dadurch stärken zu wollen, wäre dies im Gegenteil tische Entscheidung kaufen. eine demokratiefeindliche Maßnahme, weil Sie dadurch Unternehmen eine Teilnahme an der politischen Willens- (Raju Sharma [DIE LINKE]: Und Zustim- bildung durch Unterstützung jener Partei, mung bekommen in der Öffentlichkeit!) (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) Ein weiterer Grund für Ihren Vorschlag eines Verbotes die ihre eigenen politischen Interessen am besten vertritt, von Spenden über 25 000 Euro ist, dass die Partei der Lin- behindern würden. ken einfach keine größeren Einzelspenden erhält. Sie handeln deshalb nach dem Motto: Eine Regelung, die uns (Zuruf der Abg. [DIE nicht nutzt, müssen wir abschaffen. Damit wollen Sie vor LINKE]) allem dem politischen Gegner schaden; denn andere Par- Hierin liegt wiederum ein Etikettenschwindel, weil damit teien verzeichnen höhere Spendeneingänge. Wenn es da- unsere Demokratie nicht gestärkt, sondern geschwächt rum ginge, anderen Parteien zu schaden, dann müsste die würde. Dies sieht auch das Verfassungsgericht so, das be- Union eigentlich fordern, dass Parteien keine Beteiligun- reits 1992 eindeutig erklärt hat, dass Spenden juristischer gen an Medienunternehmen halten dürfen. Personen an politische Parteien in beliebiger Höhe zuläs- (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sig sind. NEN]: Das haben Sie auch schon mal gefor- Die politische Teilhabe äußert sich nämlich nicht al- dert!) lein in der Teilnahme an Wahlen, sie manifestiert sich Die Stichworte Neues Deutschland und Deutsche Druck- auch dadurch, dass Organisationen, gesellschaftliche und Verlagsgesellschaft seien an dieser Stelle genannt. Gruppierungen, aber auch Unternehmen ihre Interessen wahrnehmen und sich an der politischen Willensbildung Das eigentliche Thema, das die Menschen in unserem beteiligen dürfen, auch mittels Spenden, die natürlich im Land beschäftigt, ist nicht die Höhe der Spende, sondern Einklang mit unserer Rechtslage transparent gewährt die Transparenz; das heißt, dass man ab einer bestimm- werden müssen. Berechtigterweise darf es auch juristi- ten Summe über die Herkunft und über die Spender Be- schen Personen darauf ankommen, die politischen Ziele scheid wissen möchte. Dies ist in unserem bestehenden von Parteien zu unterstützen. Genau dies ist nach dem Parteiengesetz ausreichend klar geregelt. Grundgesetz, dem Parteiengesetz und der Rechtspre- (B) chung des Bundesverfassungsgerichts auch vorgesehen. Ihr dritter Vorschlag, den ich aufgreifen möchte, ist, (D) dass Sie Parteiensponsoring verbieten wollen. Sponso- Jetzt zu Ihrem Hauptargument: Wer nicht wählen ring ist im Parteiengesetz nicht ausdrücklich geregelt. darf, darf auch keinen Einfluss auf politische Parteien Eine gesetzliche Definition fehlt. Nach dem Sponsoring- nehmen. Dies wird nicht nur von den Linken vertreten, erlass des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahre sondern auch von Ihnen, Herr Beck; das habe ich gele- 1998 handelt es sich um die Gewährung von Geld durch sen. Dieses Argument halte ich für entlarvend. Mit einer Unternehmen zur Förderung von Parteien, mit der unter- Sp ende erleichtern die Spender lediglich die politische nehmensbezogene Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit Arbeit der Partei, die im politischen Meinungskampf am verbunden sind. So damals das Bundesfinanzministe- besten ihre Interessen unterstützt. Sie nehmen dadurch rium. Der Unterschied zur Spende – das ist schon mehr- gerade nicht inhaltlich Einfluss auf eine Partei oder ein fach angesprochen worden – liegt darin, dass die Partei Parteiprogramm. eine Gegenleistung schuldet. Diese besteht – das möchte (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Wer es glaubt!) ich auch für die Zuschauer ausdrücklich betonen – natür- lich nicht in der Gewährung eines politischen Vorteils, Spenden zu leisten, ist im Übrigen die private Ent- sondern in der Zurverfügungstellung von Werbemög- scheidung der Bürger, aber auch der Unternehmen in un- lichkeiten. Das ist der gegenseitige Vertrag, um den es serem Land, die dies gegenüber ihrem Aufsichtsrat, ih- beim Sponsoring geht. rem Vorstand, ihren Aktionären, ihren Gesellschaftern, ihrer Belegschaft und gegenüber der Öffentlichkeit zu Als Beispiel nennt die Linke in ihrem Antrag die Ver- rechtfertigen haben, sicherlich aber nicht gegenüber dem mietung von Standflächen auf Parteitagen. Sie erwähnen politischen Gegner. in diesem Zusammenhang alle im Bundestag vertretenen Meine Damen und Herren von den Linken, wenn Ihre Parteien, außer übrigens sich selbst. Man weiß aber, Partei keine nennenswerten Spenden juristischer Perso- dass, ich glaube, der Apothekerverband regelmäßig auch nen erhält, muss deshalb nicht das Parteiengesetz geän- bei Ihnen gesichtet wird. Auch hier sage ich Ihnen: Blei- dert werden – darauf hat Kollege Schuster schon hinge- ben Sie bitte bei der Wahrheit. wiesen –, Sie sollten sich vielmehr über die Inhalte Ihres (Raju Sharma [DIE LINKE]: Das stimmt über- Parteiprogramms Gedanken machen. haupt nicht! Das ist einfach falsch! Bitte blei- (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) ben Sie bei der Wahrheit! – Gegenruf des Abg. [CDU/CSU]: Er meint den Auch Ihr zweiter Vorschlag, es zu verbieten, Spenden kubanischen Apothekerverband!) natürlicher Personen über 25 000 Euro anzunehmen, schadet dem Kern unserer Demokratie. Sie rücken Par- – Das werden wir nachprüfen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30561

Ingo Wellenreuther (A) Inhaltlich vertreten Sie mit der Forderung nach einem bericht vom Dezember 2012 werden drei davon als von (C) Verbot des Parteisponsorings eine absolute Mindermei- Deutschland zufriedenstellend umgesetzt bzw. zufrie- nung. Keiner der sieben Sachverständigen hat in der öf- denstellend behandelt deklariert, sechs Empfehlungen fentlichen Anhörung des Innenausschusses im Juni 2010 werden als teilweise und nur eine wird als nicht umge- ein Verbot des Parteisponsorings für gut befunden. Das setzt angesehen. überrascht auch nicht; denn Sponsoring ist eine zulässige Form der Finanzierung politischer Veranstaltungen. Im Ich möchte an zwei Beispielen erläutern, dass wir hier Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der keineswegs wichtige Empfehlungen ignorieren, sondern Staatsfreiheit sind solche finanziellen Unterstützungen dass wir in manchen Punkten inhaltlich anderer Auffas- auch wünschenswert. sung sind als GRECO. GRECO hatte beispielsweise empfohlen, die Grenze von 50 000 Euro für die unmit- Im Rechenschaftsbericht der Parteien sind Einnah- telbare Berichterstattung und Veröffentlichung von men aus Sponsoring als Einnahmen aus Veranstaltungen Spenden zu senken und anonyme Spenden zu verbieten. und sonstiger mit Einnahmen verbundener Tätigkeit Diese Empfehlung ist zum einen von den gemeinsamen anzuführen. Die Staatengruppe gegen Korruption, Regeln des Europarates gegen Korruption aus dem Jahre GRECO, der Deutschland gleich nach der Gründung 2003 nicht gedeckt, und sie verkennt zum anderen, dass 1999 beigetreten ist, hat dazu Stellung genommen. Spenden nach dem deutschen Parteiengesetz nicht erst GRECO hatte in dem Evaluierungsbericht vom Dezem- ab 50 000 Euro, sondern schon ab 10 000 Euro mit ber 2009 zu Deutschland empfohlen, zu klären, unter Spendernamen im Rechenschaftsbericht veröffentlicht welchen Bedingungen Parteisponsoring erlaubt ist und werden. Eine weitere Herabsetzung erscheint uns von welches Rechnungslegungs- und Finanzsystem gelten der Union willkürlich. Eine zu niedrige Grenze würde soll. Dieser Aufforderung sind wir nachgekommen. außerdem zu einer Überfülle an Daten führen, was wie- GRECO hat dementsprechend in seinem Umsetzungsbe- derum der Transparenz und der Übersichtlichkeit abträg- richt vom November 2012 diesen Punkt als umgesetzt lich wäre. Die Empfehlung, anonyme Spenden zu ver- deklariert. Ich sage ganz offen: Ich hätte nichts dagegen, bieten, widerspricht außerdem den gemeinsamen Regeln wenn in Zukunft Sponsoringvorgänge in einem Erläute- des Europarates, die nur heimliche Spenden vermeiden rungsteil im Rechenschaftsbericht zusammengefasst dar- wollen und sogar anonyme Kleinspenden akzeptieren. gestellt würden und damit für noch mehr Transparent ge- Spenden unter 500 Euro erfolgen schon jetzt ohne Iden- sorgt wäre. tifizierung, sind aber öffentlich. Lassen Sie mich noch einige Ausführungen zu den Weitere Empfehlungen von GRECO gehen dahin, Berichten von GRECO über die Transparenz der Partei- (B) Spenden an Abgeordnete zumindest Rechenschafts- und (D) enfinanzierung machen. Die Linke erwähnt diese Be- Offenlegungspflichten aufzuerlegen, die denen der Par- richte in ihrem Antrag und erweckt den Eindruck, als teien vergleichbar sind, und wirksame Sanktionen bei hätten wir hier in Deutschland große Defizite. Ich Verstößen festzulegen. möchte zunächst einmal klarstellen, dass der Bericht von GRECO aus dem Jahr 2009 die deutschen Rechtsvor- Auch hier wird die deutsche Rechtslage verkannt, schriften zur politischen Finanzierung unmissverständ- nach der die Pflichten der Abgeordneten zum Umgang lich gewürdigt hat. Wörtlich führt der Bericht aus, dass mit Spenden und etwaige Verstöße ganz klar geregelt das deutsche Parteiengesetz mindestens fünf unbestreit- sind. Erhalten nämlich Abgeordnete Spenden für ihre bare Qualitäten besitzt: Partei, sind diese unverzüglich an das zuständige Partei- organ weiterzuleiten. Sie unterliegen dann den weiteren Erstens. Es ist eine der ältesten Rechtsgrundlagen in Regelungen des Parteiengesetzes. Verstöße gegen diese diesem Bereich auf dem europäischen Kontinent. Zwei- Weiterleitungspflicht sind strafbewehrt. Bei den so- tens. Es ist dank der Rechtsprechung des Bundesverfas- genannten Direktspenden für den Abgeordneten selbst sungsgerichts verfassungsrechtlich tief verwurzelt. Drit- bestehen nach dem Abgeordnetengesetz und den Ver- tens. Es legt großen Wert auf die Transparenz der haltensregeln des Bundestages laut Geschäftsordnung Finanzquellen der Parteien. Viertens. Es trägt zu einem Pflichten zur gesonderten Rechnungsführung und zur intelligenten Gleichgewicht zwischen privater und staat- Anzeige gegenüber dem Bundestagspräsidenten sowie licher Finanzierung von Parteien bei, sodass diese nicht eindeutige Annahmeverbote. Wenn dagegen verstoßen ausschließlich auf staatliche Unterstützung angewiesen wird, gibt es ebenfalls wirksame Sanktionen. Insofern sind. Fünftens. Es führt zu einer Konsolidierung der Par- sind die genannten Empfehlungen von GRECO in teifinanzen. Deutschland bereits vollkommen ausreichend geregelt. Im Grundsatz bescheinigt GRECO also, dass Deutsch- Zurück zum Antrag der Linken. Dazu möchte ich als land hoch anerkannte, verfassungsfeste, vorbildliche und Fazit sagen: Er ist insgesamt scheinheilig. Er nimmt es transparente Regelungen zur Parteienfinanzierung be- mit der Wahrheit nicht immer so ganz genau. Und vor al- sitzt. Das ist zunächst einmal eine ganz wichtige Bot- lem: Er schwächt unsere Demokratie. Aus diesen Grün- schaft, die Sie von den Linken eigentlich nicht hätten den lehnen wir von der Union diesen Antrag ab. verschweigen sollen. Danke schön. Es ist zutreffend, dass GRECO aber auch zehn Ände- rungsempfehlungen abgegeben hat. In dem Umsetzungs- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 30562 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

(A) Vizepräsident Eduard Oswald: dend sei dabei die Transparenz. Es muss durchschaubar (C) Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin in sein, welche Unternehmen oder Personen die Parteien unserer Aussprache ist für die Fraktion der Sozialdemo- unterstützen und gegebenenfalls Einfluss nehmen wol- kraten unsere Kollegin Frau Gabriele Fograscher. Bitte len. Mir ist es lieber, dass spendende Unternehmen in schön, Frau Kollegin Gabriele Fograscher. den Rechenschaftsberichten genannt werden und diese Zuwendungen nicht über Privatpersonen oder gar Stroh- (Beifall bei der SPD) männer erfolgen. (Kirsten Lühmann [SPD]: Richtig!) Gabriele Fograscher (SPD): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das würde nämlich zu weniger Transparenz führen. Zum wiederholten Mal diskutieren wir in dieser Legisla- (Beifall bei der SPD) turperiode Änderungen des Parteiengesetzes, und das nicht nur hier im Plenum; wir haben darüber bereits Professor Heinig erklärte in der Anhörung des Innen- mehrfach auch im Innenausschuss diskutiert. Grundlage ausschusses 2010: waren verschiedene Anträge und immer wieder die Eva- In einem freiheitlichen Parteienwesen bedürfen luierungsberichte der zum Europarat gehörenden Staa- Einschränkungen der Finanzierungsfreiheit politi- tengruppe gegen Korruption, GRECO. scher Parteien einer besonderen Rechtfertigung. Nach all den Diskussionen lässt sich feststellen: Die Kontrolle durch Öffentlichkeit hat Vorrang vor Ver- Linksfraktion hat übertriebene Forderungen, und die Re- boten. Ein generelles parteiengesetzliches Verbot, gierungskoalition will gar nichts ändern. Dabei würde es Spenden juristischer Personen anzunehmen, sähe Ihnen von den Regierungsfraktionen gut zu Gesicht ste- sich beachtlichen verfassungsrechtlichen Anfragen hen, sich einmal intensiv mit den Empfehlungen von ausgesetzt. Es ist nicht zu empfehlen. GRECO auseinanderzusetzen. Es ist einfach nur pein- Bei Spenden von Unternehmensverbänden allerdings lich, regelmäßig von GRECO aufgefordert zu werden, ist die Transparenz nicht gegeben. Hier erfolgen Spen- die Empfehlungen umzusetzen. Sie von der Koalition den indirekt von Unternehmen über die Verbände, ohne wollen sich nicht festlegen und schieben zum Beispiel dass die Unternehmen genannt werden. Oftmals wissen das Thema der Strafbarkeit von Abgeordnetenbeste- die einzelnen Mitglieder solcher Verbände gar nicht, chung von Woche zu Woche und hoffen, sich so über die dass sie an eine bestimmte Partei über ihre Mitgliedsbei- Legislaturperiode retten zu können. Wir sehen durchaus träge spenden. Deshalb fordern wir ein Verbot von Spen- Handlungsbedarf und würden die Empfehlungen von den von Unternehmensverbänden. GRECO aufgreifen. (B) (Beifall bei der SPD) (D) Ich will trotzdem auch darauf hinweisen, dass Deutschland ein gutes Parteiengesetz hat, das die meis- Statt die Spendenobergrenze so restriktiv festzulegen, ten Fragen der Parteienfinanzierung angemessen regelt. wie Sie es fordern, sollte die Grenze für die sofortige Ich zitiere aus dem GRECO-Bericht: Veröffentlichung von Spenden durch den Bundestags- präsidenten auf 25 000 Euro gesenkt werden. Zudem Viele Bestimmungen des Parteiengesetzes zur Par- würde eine Nennung von Spendern mit Namen und teienfinanzierung sind lobenswert: Es verlangt eine Adresse ab einer Jahresgesamtsumme von 5 000 Euro konsolidierte Rechnungslegung, welche alle territo- im Rechenschaftsbericht zu mehr Transparenz führen. rialen und sonstigen Strukturen der Parteien bis zur (Beifall der Abg. Petra Ernstberger [SPD]) untersten Ebene sowie alle wirtschaftlichen Struk- turen erfasst, es nimmt eine klare Unterscheidung Sponsoring wollen Sie ganz verbieten, doch Sponso- zwischen Parteien einerseits sowie Fraktionen und ring von Parteiveranstaltungen ist parteienrechtlich er- politischen Stiftungen andererseits vor, und es re- laubt, ja sogar erwünscht. Auch dazu möchte ich noch gelt Themen wie Sachspenden, freiwillige Arbeit einmal Professor Heinig zitieren: und Sponsoring. Die Vermietung von Werbeflächen und andere For- Sie von der Linksfraktion vermitteln schon allein mit men des Sponsorings von Parteiveranstaltungen dem Titel Ihres Antrags ein völlig anderes Bild. Vor al- sind von der Parteienfreiheit nach Art. 21 Abs. 1 GG lem verspricht der Titel, was der Inhalt nicht hält. Mehr geschützte und parteiengesetzlich zulässige Formen Demokratie schaffen Sie mit Ihren Forderungen nicht, der Parteienfinanzierung. Das Grundgesetz fordert mehr Transparenz auch nicht. Mit der Verhinderung von von den Parteien, dass sie eigene Einnahmen gene- Lobbyismus hat Ihr Antrag nichts zu tun. Um Lobbyis- rieren, und verbietet eine staatliche Vollfinanzie- mus einzudämmen, brauchen wir unter anderem ein rung …. Die Aktivitäten von Parteien zielen auf Öf- Lobbyregister und klare Informationen und Regeln für fentlichkeit. Sie erzeugen aber auch Öffentlichkeit. externe Berater, vor allem in den Bundesministerien. Wenn Parteien daraus Einnahmen erzielen …, ist Dazu sagt Ihr Antrag aber nichts. das im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vor- gaben zur Parteienfinanzierung zunächst einmal Sie fordern das Verbot von Unternehmensspenden. nicht problematisch, sondern im Gegenteil er- Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch die wünscht. Denn wie Spenden bilden auch andere Kommission des Bundespräsidenten zur Reform der Par- Formen der Förderung von Parteien einen gewissen teienfinanzierung haben Spenden von juristischen und Indikator für ihre Verwurzelung und gesellschaftli- natürlichen Personen als zulässig angesehen. Entschei- che Akzeptanz … Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30563

Gabriele Fograscher (A) Allerdings unterstützen wir auch die Forderung, dass Dr. Stefan Ruppert (FDP): (C) Sponsoring in Zukunft als gesonderte Einnahme in den Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- Rechenschaftsberichten ausgewiesen wird. ren! Wir kennen diesen Antrag aus der Vergangenheit – er ist sozusagen ein Wiedergänger –; leider ist er im Warum es Demokratie stärken oder mehr Transparenz Laufe seiner parlamentarischen Karriere nicht besser ge- herstellen soll, wenn Parteimitglieder, die für geleistete worden. Es hat auch schon ein leichtes Geschmäckle, Arbeit eine Aufwandsentschädigung erhalten, diese wenn im unmittelbaren Vorfeld einer Bundestagswahl nicht an die Partei spenden dürfen – das fordern Sie –, eine Fraktion einen Antrag ins Schaufenster stellt, in erschließt sich mir nicht. In der SPD ist die ehrenamtli- dem es insbesondere darum geht, Spenden von juristi- che Mitarbeit grundsätzlich unentgeltlich. Ein Kosten- schen Personen gänzlich zu verbieten. ersatz ist jedoch möglich. Voraussetzung für die steuer- liche Anerkennung ist ein Vorstandsbeschluss, bevor die Wenn man sich die Parteienfinanzierung in Deutsch- zum Aufwand führende Tätigkeit beginnt. Der Be- land anschaut, stellt man fest, dass die Parteien in schluss darf nicht unter der Bedingung der Spende ge- Deutschland höchst unterschiedlich finanziert sind. Die fasst werden, der Aufwand muss im Einzelnen aufge- einen haben größeres Vermögen aus Beteiligungen an führt werden, und die Gliederung muss wirtschaftlich Unternehmen, wie etwa die SPD, andere ziehen ihre leistungsfähig sein, das heißt, sie muss diese Aufwands- Mitglieder und Mandatsträger stark heran, wieder andere entschädigung zahlen können. bekommen Spenden von kleinen und mittleren Unter- nehmen aus gewissen Branchen, wie etwa die Grünen. Im Innenausschuss haben Sie einen Änderungsantrag eingebracht und damit einen völlig falschen Eindruck er- Unsere Parteienfinanzierung ist sehr gut austariert. weckt. Sie werfen § 31 d Abs. 1 Satz 2 Parteiengesetz, Sie beruht sowohl auf Beiträgen als auch auf Spenden den Sie streichen wollten, mit dem Begriff der Selbstan- von juristischen und natürlichen Personen und auf einer zeige in der Abgabenordnung in einen Topf. § 31 d staatlichen Parteienfinanzierung. Das Bundesverfas- Abs. 1 regelt unter anderem, dass eine Partei straffrei sungsgericht hat dieses Dreisäulenmodell immer wieder bleibt, wenn sie gegenüber dem Bundestagspräsidenten bestätigt. Dieses Modell ist gerade deswegen positiv, eine Fehlmeldung im Rechenschaftsbericht anzeigt und weil es die Parteien nicht abhängig macht vom Staate, korrigiert, bevor diese öffentlich wird. die Parteien nicht zu reinen Staatsparteien werden, die darauf angewiesen sind, dass der Staat sie alimentiert. Die Rechenschaftsberichte werden bei uns von circa Die Parteien müssen vielmehr dafür sorgen, dass sie 10 000 ehrenamtlichen Kassiererinnen und Kassierern auch aus anderen Quellen Einnahmen erzielen. mit hoher Verantwortung und gewissenhaft erstellt. Trotz aller Sorgfalt kann es zu Buchungsfehlern kom- (Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE (B) men. Dass dies für die Partei dann nach Meldung und GRÜNEN]: Am besten durch viele Mitglie- (D) Berichtigung eine Strafe nach sich ziehen soll, ist nicht der!) einzusehen. Ein anderer Fall wäre es, wenn ein Kassierer vorsätzlich Spenden verschleiern oder unterschlagen Eine dieser drei Säulen, nämlich die Spenden von ju- würde. Wenn dies dann die Partei aber richtigstellt, wird ristischen Personen, will die Linke nun beseitigen. Die- sie nicht bestraft. Der Kassierer aber muss mit Konse- ser Vorschlag erstaunt nicht; denn die Linke selbst erhält quenzen seitens der Partei rechnen. Das ist die geltende keine Spenden von juristischen Personen. Insofern ist es Rechtslage. Die derzeit viel diskutierte Straffreiheit bei nicht ganz uneigennützig, wenn die Linke einen Tatbe- Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung ist somit et- stand beseitigen will, der sie persönlich nicht betrifft. Al- was völlig anderes als die Regelung des § 31 d Abs. 1 lerdings würde allen anderen Parteien, die Spenden von Parteiengesetz. juristischen Personen erhalten, ein Nachteil zugefügt. Das ist durchsichtig und findet nicht unsere Zustim- Sie fordern in Ihrem Antrag die Bundesregierung auf, mung. Änderungen vorzunehmen. Bisher war das die Angele- genheit des Parlaments, der Fraktionen, und so soll das Wir sind im Einzelfall durchaus gesprächsbereit, zum unserer Meinung nach auch bleiben. Wir sind jederzeit Beispiel was die Ausweisung von Sponsoring angeht. bereit, zum Beispiel über die Umsetzung der Empfeh- Auch wir sind dafür, dass in den Rechenschaftsberichten lungen von GRECO zu sprechen, und ich fordere von der Parteien ein Höchstmaß an Transparenz hergestellt dieser Stelle die Koalitionsfraktionen nochmals auf, die wird. Es wäre denkbar, Sponsoringeinnahmen im Re- Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung noch in dieser chenschaftsbericht durch eine eigene Kategorie schärfer Wahlperiode zu regeln. Dem Antrag der Linken können abzusetzen und so deutlicher zu dokumentieren, woher wir nicht folgen. die Einnahmen stammen. An Widerstand von uns soll das nicht scheitern. Unsere Partei ist in der Lage, auf Danke schön. Euro und Cent genau auszuweisen, woher die Einnah- men stammen, auch wenn die Abgrenzung nicht immer (Beifall bei der SPD) ganz einfach ist. Die FDP wäre durchaus bereit, Sponso- ringeinnahmen und Spendeneinnahmen getrennt darzu- Vizepräsident Dr. : stellen. Darüber würden wir mit Ihnen und anderen gern Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Dr. Stefan ins Gespräch kommen. Ruppert das Wort. Wir wollen nicht, dass Spenden von juristischen Per- (Beifall bei der FDP) sonen pauschal untersagt werden. Ich finde es gerade 30564 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Dr. Stefan Ruppert (A) richtig, wenn Menschen und Firmen bzw. juristische zeitig müssen die Parteien in der Bevölkerung um Unter- (C) Personen der Auffassung sind, dass die Demokratie ih- stützung werben – und das nicht nur am Wahltag –, weil nen eine Spende wert ist. Es wird ja häufig beklagt, dass sie freiwillige Spenden und Beiträge brauchen. Unternehmen und andere sich nicht ausreichend für das Für uns ist nur Bedingung, dass die Parteienfinanzie- Gemeinwohl einsetzen. Eine Spende für die Politik, für die Demokratie ist nicht unehrenhaft oder in irgendeiner rung transparent, demokratisch und fair ist. Form eine Spende zweiter Klasse und hat auch kein Ge- (Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Genau!) schmäckle. Sie ist vielmehr eine Beteiligung an der Par- teienfinanzierung und damit an der Demokratie. Deswe- Das System muss sicherstellen, dass sich niemand eine gen sollten wir solche Spenden nicht pauschal verbieten. Partei oder einen Politiker und damit Einfluss im Parla- ment kaufen kann. Ein Letztes. Die Linken verweisen immer wieder auf den GRECO-Bericht. Dazu ist zu sagen: Deutschland (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. hat die allermeisten Anforderungen aus dem GRECO- Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Bericht sicherlich besser und stringenter erfüllt als viele NEN]) Länder, die den GRECO-Bericht ebenfalls erhalten. Ich Es muss sicherstellen, dass die Parteienfinanzierung glaube, Deutschland hat ein Höchstmaß an Transparenz transparent ist, dass also stets erkennbar ist, wer wen wo- in der Parteienfinanzierung, was nicht heißt, dass das für bezahlt hat. Außerdem muss die Parteienfinanzie- eine oder andere nicht noch weiter verbessert werden rung einen fairen demokratischen Wettbewerb der Par- könnte. Die FDP will daran mitwirken. Den Antrag der teien gewährleisten und fördern. Linken lehnen wir allerdings ab. Das hört sich gut an, vielleicht zu gut, um wahr zu Vielen Dank. sein. Stimmt; denn in der Tat gibt es einige Schwachstel- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) len, die behoben werden müssen. Das sehen nicht nur wir so; auch die Staatengruppe gegen Korruption, GRECO, und der Bundestagspräsident haben Vorschläge Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: dazu unterbreitet. Diese sind allerdings sämtlich an der Das Wort hat jetzt der Kollege Raju Sharma für die Koalition abgeprallt, wie auch heute, was wohl nicht an- Fraktion Die Linke. ders zu erwarten war. (Beifall bei der LINKEN) (Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Nein, Ihr Antrag ist abgeprallt!) Raju Sharma (DIE LINKE): Doch zum Glück gibt es die Linke. (B) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nun, da (D) Sie alle fleißig Ihre Vorurteile gepflegt haben, wollen (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Was für wir einmal zu den Fakten kommen. ein Glück!) (Lachen des Abg. Ingo Wellenreuther [CDU/ Wir haben diese und ähnliche Forderungen in einem An- CSU]) trag zusammengefasst: Wir wollen keine Unternehmens- spenden an die Parteien. Wir wollen eine Spenden- Gerade wurde bekannt, dass Parteien mehr Geld aus höchstgrenze für natürliche Personen in Höhe von der staatlichen Teilfinanzierung bekommen werden. Als 25 000 Euro pro Jahr. Schatzmeister meiner Partei freut mich das natürlich. Andererseits löst eine solche Meldung immer gewisse (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Es ist ja schon Reflexe und Diskussionen aus, ähnlich wie bei Partei- mal gut, dass das nicht 25 000 Rubel sind! – spendenskandalen. Manche fordern, dass die Parteien Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Ausgenom- zukünftig gar keine staatlichen Mittel mehr bekommen men Goldbarren!) und sich ausschließlich durch Spenden und Beiträge fi- Wir wollen Parteiensponsoring verbieten, und wir wol- nanzieren. Wieder andere fordern ein totales Verbot von len keine Barspenden über 1 000 Euro. Spenden und wollen eine Parteienfinanzierung aus- schließlich aus Steuermitteln. (Beifall bei der LINKEN) Wie bei vielen anderen Themen ist die Linke auch Das sind ein paar ganz einfache, verständliche und prak- hier die Partei des Ausgleichs und der Vernunft. tikable Vorschläge von uns, von der Linken, von GRECO und vom Bundestagspräsidenten. Eigentlich (Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der sollte man meinen, niemandem würde ein Zacken aus FDP: Oh! – Dr. Hermann E. Ott [BÜND- der Krone brechen, wenn er dem zustimmt. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt er, ohne zu lächeln!) (Beifall bei der LINKEN – Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Das, was Sie sagen, ist nicht GRECO!) Wir stehen zu dem gemischten System der Parteienfi- nanzierung, und das aus guten Gründen – sie sind hier Zu unserem Antrag haben wir nun noch einen Ände- auch schon genannt worden –: Die teilweise Steuerfinan- rungsantrag vorgelegt; denn im Zusammenhang mit der zierung hat das Parteienspektrum demokratisiert, weil es Debatte um die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuer- nicht nur eine Frage des Geldbeutels ist und sein darf, ob recht sind wir darauf aufmerksam gemacht worden, dass sich Interessen in Parteien organisieren können. Gleich- es auch im Parteiengesetz eine solche Regelung gibt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30565

Raju Sharma (A) Kaum zu glauben, aber wahr! Nach § 31 d des Parteien- Raju Sharma (DIE LINKE): (C) gesetzes kommt nämlich auch derjenige ohne Strafe da- Sie können einfach auf eine Plakatspende der Linken von, der wissentlich und willentlich die Herkunft oder zugreifen. Gehen Sie auf www.die-linke.de, geben Sie Verwendung von Parteigeldern verschleiert hat, um die dort die Adresse Ihres Lieblingsgegners ein, und lassen Öffentlichkeit zu täuschen. Es gibt also Straffreiheit für Sie dann zum Beispiel Herrn Ramsauer oder Frau Roth absichtlich falsche Rechenschaftslegung, Straffreiheit pünktlich vor der Bundestagswahl ein rotes Großflä- für schweren Betrug. chenplakat vor die Tür stellen. Was glauben Sie, wie die sich freuen! Frau Fograscher, ich empfehle Ihnen wirklich, das im Parteiengesetz einfach noch einmal nachzulesen. Es geht Schöne Pfingsten. eben nicht nur um die versehentlich falsche Darstellung. (Beifall bei der LINKEN) Wir kennen das auch. Es gibt genug ehrenamtliche Schatzmeisterinnen und Schatzmeister, denen ein sol- cher Fehler einmal unterlaufen kann. Es ist richtig, dass Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: man dies, sobald man es erkennt, berichtigen kann und Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt die Partei ohne Strafe davonkommt. Diese Regelung erteile ich das Wort dem Kollegen Volker Beck von aber besagt, dass man auch dann ohne Strafe davon- Bündnis 90/Die Grünen. kommt, wenn man das wissentlich, absichtlich macht. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtig absurd ist Folgendes: Überlegen Sie sich ein- mal, wann diese Regelung ins Parteiengesetz aufgenom- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde men wurde! Das war just nach dem Spendenskandal um es gut, dass wir diese Debatte führen, und möchte, Herr Leisler Kiep, Wolfgang Schäuble, Helmut Kohl und Ruppert, Ihr Angebot, über das Sponsoring und die . Alle Parteien in diesem Haus – mit Aus- Transparenz in diesem Bereich zu reden, gerne aufgrei- nahme der PDS natürlich – haben für die Einfügung die- fen. Unsere Fraktion hat keinen Antrag, sondern einen ser Regelung ins Gesetz gestimmt, um die absichtliche Gesetzentwurf zur Parteienfinanzierung, das Transpa- Verschleierung der Herkunft und Verwendung von Par- renzgesetz, eingebracht – er liegt beim Innenausschuss –, teispenden zu ermöglichen. Das geht aus unserer Sicht in dem diese Dinge geregelt werden. Der Gesetzentwurf überhaupt nicht. enthält auch Punkte, von denen ich erfahren habe, dass Sie sie nicht mittragen wollen. (Beifall bei der LINKEN) Ich finde es grundsätzlich richtig, zu sagen, dass wir Wir fordern daher, genau diesen Passus zu streichen. eine Obergrenze für Spenden brauchen. Sie selber haben Vorsätzliche Straftaten gehören geahndet und nicht mit es in Ihrer Partei gesehen: Wenn jemand Millionen spen- (B) (D) Straffreiheit belohnt. Das gehört unserer Meinung nach det, dann bekommen die politischen Entscheider das im Parteienrecht nicht anders geregelt als im Steuer- nicht mehr aus dem Kopf, selbst wenn es gar keine Un- recht. rechtsvereinbarung gegeben hat. Es nimmt auf eine be- stimmte Art und Weise auf die Integrität parlamentari- Diese Vorschläge verfolgen gemeinsame Ziele: die scher Entscheidungen der Parteien Einfluss und schadet Vermeidung unerwünschter Verquickungen zwischen der Legitimität unseres gemeinsamen Handelns. Wir ha- Wirtschaft und Politik und die Sicherstellung, dass die ben das im Zusammenhang mit der Mövenpick-Affäre Wählerinnen und Wähler mit ihrer Stimme entscheiden ausführlich diskutiert. Dieses Problem sollten wir durch und nicht Unternehmen und Lobbyisten mit dicken eine Spendenobergrenze angehen. Scheckbüchern. Union und FDP hätten hier ja einmal darlegen können, warum sie das so engagiert blockieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – (Ingo Wellenreuther [CDU/CSU]: Da hätten Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Bei Ihnen sind es Sie zuhören müssen! – Dr. Stefan Ruppert die Erneuerbaren!) [FDP]: Das haben wir gerade gemacht!) – Das gilt für alle. Aber diese sind von ihrer Spendentä- Wir finden das falsch. tigkeit her für uns nicht so relevant. Die Linke ist übrigens – das wurde schon gesagt – Ich finde den Vorschlag der Linken richtig – wir längst vorgeprescht und nimmt freiwillig und bewusst haben das ebenfalls in unserem Gesetzentwurf aufgegrif- keine Spenden von Unternehmen an. fen –, die Möglichkeit der Spende auf natürliche Perso- (Beifall bei der LINKEN) nen zu beschränken; dann kann trotzdem jeder spenden. Ich finde das vernünftig. Schließlich dürfen Unterneh- Das kann übrigens auch Spaß machen. Vertreter von men auch nicht an Wahlen teilnehmen, obwohl sie legi- Grünen und CSU zelebrieren im Moment wechselseitig time Interessen haben. ihre persönliche Abneigung. Das kann man machen, muss man aber nicht machen. Wenn Sie es machen, dann (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kann ich Ihnen etwas empfehlen, was richtig lustig ist, und bei der LINKEN) um dem anderen eins mitzugeben. Wir wissen doch, dass inzwischen über juristische Perso- nen Geldflüsse verschleiert werden: Es wird an Vereine Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: und an Berufsverbände gespendet, die dann an die Par- Denken Sie bitte an Ihre Redezeit! teien weiterspenden. Am Ende ist der Rechenschaftsbe- 30566 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Volker Beck (Köln) (A) richt nicht mehr wirklich transparent; denn man weiß (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (C) nicht, wer hier eigentlich wem Geld gegeben hat. Mit ei- ner solchen Regelung wäre klar: Jeder kann spenden. Da es hier immer wieder Nachfragen gibt – manche zu Recht, manche zu Unrecht –, sollten wir uns als politi- Auch der Unternehmer kann aus seinem versteuerten sche Parteien darum bemühen, hier einen Schritt voran- Einkommen an die Parteien spenden. Die ersten paar Tausend Euro kann er von der Steuer absetzen, den Rest zukommen. Wir sollten nicht auf den nächsten Skandal warten, sondern aus eigener Initiative handeln. Wir ha- eben nicht. Damit wäre allen Genüge getan. ben bis Ende Juni noch ein paar Wochen Zeit. Unser Ge- Wenn die Spenden in ihrer Höhe gedeckelt sind, sor- setzentwurf liegt vor. Ich biete ihn als Träger für eine gen wir auch dafür, dass das Werben um Spenden für die solche Regelung an, Herr Ruppert. Wenn wir dazu ins Parteien wichtig bleibt. Ich würde die Grenze nicht bei Gespräch kommen, würde ich mich freuen. 25 000 Euro sehen; das wäre ein bisschen sehr niedrig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aber man kann darüber reden, wo der Höchstbetrag lie- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) gen muss. Bei einem vernünftigen Betrag wäre jeden- falls sichergestellt, dass eine Einzelspende nicht dazu führt, dass sich die politische Willensbildung einer Partei Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: an ihren Spendeneinnahmen orientiert. Ich schließe die Aussprache. (Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär: Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- 50 000 oder 100 000?) empfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Demokratie stärken, – Ich wusste gar nicht, dass man von der Regierungs- Lobbyismus verhindern und Parteienfinanzierung trans- bank aus Zwischenrufe machen darf. parenter gestalten“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13530, den (Ingo Wellenreuther [CDU/CSU]: Nur, wenn Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/9063 es nötig ist!) abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wenn wir hier jetzt nicht weiterkommen – wir sind ja Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Be- am Ende der Wahlperiode –, wäre ich bereit, mit Ihnen schlussempfehlung ist bei Gegenstimmen der Fraktion zunächst einmal eine Regelung auf Grundlage unseres Die Linke angenommen mit den Stimmen aller übrigen Gesetzentwurfs zu treffen, damit wir wenigstens bei der Fraktionen. Transparenz des Parteiensponsorings weiterkommen. Ich rufe den Zusatzpunkt 10 auf: Gegenwärtig ist es so, dass der Bürger, die Öffentlichkeit Aktuelle Stunde (B) insgesamt und auch die politische Konkurrenz gar nichts (D) darüber erfährt, außer es gibt einen Skandal. Im allge- auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE meinen Geschäftsbetrieb der Pa rteien wird das als Ein- Haltung der Bundesregierung beim Verkauf nahme im Gesamtvolumen verbucht, ohne dass wir wis- der TLG sen, woher das Geld kommt. Übrigens kann auch der Bundestagspräsident, wenn er keinen Hinweis bekommt, Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red- nicht feststellen, ob in einem Sponsoringvertrag Spen- nerin das Wort der Kollegin Heidrun Bluhm von der den versteckt sind. Stichwort „marktübliche Preise“: Fraktion Die Linke. Wenn 1 Million Euro für einen kleinen Infostand von (Beifall bei der LINKEN) 2 Quadratmetern auf einem Parteitag bezahlt wird, dann ist das kein marktgerechter Preis. Heidrun Bluhm (DIE LINKE): (Ingo Wellenreuther [CDU/CSU]: Bei uns Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! schon!) Nicht alles, was rechtlich möglich ist, ist auch politisch Dennoch muss meines Erachtens das Buchen von korrekt oder moralisch vertretbar. Dabei hat vor allem Ständen auf Parteitagen gegen Gebühr als Sponsoring der Bund eine entsprechende Vorbildwirkung. Im Zu- grundsätzlich zulässig sein. Deshalb halte ich Ihr Spon- sammenhang mit dem Verkauf der TLG Wohnen GmbH soringverbot auch nicht für sachgerecht. Parteien müs- und auch der TLG Gewerbe GmbH haben wir über sen die Möglichkeit haben, zu sagen: Wir eröffnen ein Kleine Anfragen Dinge herausgefunden, die hier öffent- Forum. Wer dabei sein will, muss den Standpreis bezah- lich vorgetragen werden müssen. len. – Der Preis muss sich aber an den üblichen Messe- Meine Kritik geht im Wesentlichen in drei Richtun- preisen orientieren und darf davon nicht exorbitant ab- gen. Der erste und für die Mieterinnen und Mieter si- weichen; ansonsten wäre es eine verdeckte Spende. cherlich wichtigste Punkt ist: Die vielgerühmte Sozial- charta, die mit der TAG Immobilien AG vereinbart (Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Das kann er nach worden ist, ist keinen Pfifferling wert. geltendem Recht schon jetzt! – Ingo Wellenreuther [CDU/CSU]: Das gilt bereits!) (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Das alles sehen wir gegenwärtig noch nicht. Das soll- Sie schützt vor allem nicht vor Mieterhöhungen. Wir se- ten wir dringend regeln. Je mehr Transparenz wir ge- hen schon jetzt an ganz konkreten Beispielen wie in meinsam erreichen, desto mehr wird das Ansehen von Dresden, dass eine Wohnung nach der Weitervermietung Parlament und Parteiendemokratie gestärkt. 25 Prozent teurer ist, obwohl sich an der Wohnung sel- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30567

Heidrun Bluhm (A) ber nichts verändert hat. Genau das wollten wir verhin- Da die Bundesregierung sich in dem ganzen Verfah- (C) dern, als es um die Privatisierung ging; aber es ist nun so ren und in ihren Antworten auf unsere Kleinen Anfragen eingetreten. Das muss sich die Regierung vorwerfen las- so gern auf das europäische Beihilferecht beruft, ist jetzt sen. nicht nur zu fragen, ob dieser Verkauf nach der Bundes- haushaltsordnung zulässig war, sondern auch, ob ein (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem Verstoß gegen das europäische Beihilferecht vorliegt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das verbietet nämlich den Verkauf öffentlichen Eigen- tums unterhalb des Verkehrswertes. Der zweite Punkt ist der Skandal um die Grunder- werbsteuer und die Verkaufserlöse. Der Bund hat offen- (Iris Gleicke [SPD]: Sehr richtig!) bar ganz bewusst Auch in der Bundeshaushaltsordnung heißt es in § 63 (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Auf Steu- Abs. 3 Satz 1, dass Beteiligungen des Bundes nur zu ih- ereinnahmen verzichtet! Ganz bewusst!) rem vollen Verkehrswert veräußert werden dürfen. – so jedenfalls muss man das aus den Antworten der Der dritte Punkt – das ist der Punkt, den wir haupt- Bundesregierung auf unsere Anfragen herauslesen – bei sächlich ankreiden – ist die offensichtliche Kungelei beiden Verkäufen Share Deals gewählt, um möglichst zwischen dem Finanzministerium, der Barclays Bank viel Geld zum Löcherstopfen für den Haushalt herauszu- und der TAG. Die Bundesregierung heuerte die Barclays schlagen, und zwar auf Kosten der ostdeutschen Bundes- Capital Bank als Transaktionsberaterin für die Privatisie- länder, die um insgesamt 80 Millionen Euro Grunder- rung der TLG-Unternehmen an und honorierte sie dafür. werbsteuer gebracht worden sind. Barclays versicherte dafür hoch und heilig, dass sie aus- schließlich für die Verkäuferseite handele und für nie- (Zuruf von der LINKEN: Skandal!) manden sonst. Das tat sie aber nicht. Die Barclays Bank verschaffte der TAG innerhalb des Bieterverfahrens die Die ostdeutschen Bundesländer werden also ein zwei- finanziellen Mittel, damit sie sich überhaupt beteiligen tes Mal über den Tisch gezogen. Denn nachdem sich die konnte. Eine Bank tut so etwas nicht umsonst, sondern Bundesrepublik zum ersten Mal die Immobilien einver- lässt sich dafür ebenfalls honorieren. Aus einer Antwort leibt hat, ohne selber einen roten Heller dafür zu zahlen, der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage geht wird sie jetzt ein zweites Mal ein Geschäft damit ma- Folgendes hervor: chen, indem sie diese Verkaufsform gewählt, sich selbst die Kassen gefüllt und die Bundesländer, die diese Woh- Nur durch eine Beteiligung der Barclays Bank PLC nungen als öffentliche Wohnungen verloren haben, um an dem Bankenkonsortium war es den Erwerberge- (B) 80 Millionen Euro geprellt hat. sellschaften aus dem Konzern der TAG Immobilien (D) möglich, sich … gegenüber dem Bund zur Zahlung (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – des Kaufpreises zu verpflichten. Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das ist ja unglaublich! Das war Land, das die SED ent- Mit anderen Worten: Ohne diese Beteiligung der Bar- eignet hat!) clays Bank hätte die TAG keine Transaktionssicherheit nachweisen können und hätte am Bieterverfahren nicht Ob die Bundesregierung damit durchkommt, wird sich weiter teilnehmen dürfen. Die Bundesregierung hat von noch zeigen. diesem doppelten Spiel nicht nur gewusst. Sie hat es auch aktiv befördert. Der andere Teil dieses Skandals ist der Verkaufserlös. Die Bundesregierung hat die gewählte Art des Verkaufs Zur Krönung des Ganzen will uns die Bundesregie- auch damit begründet, dass man bei einem Unterneh- rung auch noch weismachen, dass dieses Geschäftsgeba- mensverkauf mehr erzielen könne als bei einer Immobi- ren keine Verletzung der Prinzipien eines strukturierten lienveräußerung im Einzelnen. Was aber hat sie zuwege Bieterverfahrens bedeutete, weil zwischen den Teams gebracht? Ein bewusstes Verschleudern von öffentli- innerhalb der Barclays Bank eine sogenannte Chinese chem Eigentum weit unterhalb des Verkehrswertes. Die Wall bestanden habe. Für wie dumm wollen Sie uns ei- Bundesregierung hat den Verkehrswert bei der TLG Un- gentlich verkaufen? Chinesische Mauern waren viel- ternehmen mit insgesamt 1,858 Milliarden Euro angege- leicht beeindruckend, als die Menschen noch mit Pfeil ben, bevor der Verkaufsvorgang in Angriff genommen und Bogen aufeinander losgegangen sind und die Kom- wurde. Offenbar hat sie dabei mit dem Zwölffachen der munikation über Brieftauben und Rauchzeichen verlief. jeweiligen Jahresmiete gerechnet. Verscherbelt hat sie Aber heute? Kennen Sie eine Bank, die bei einem drei- das ganze Paket aber für 1,571 Milliarden Euro, also stelligen Millionenengagement nicht ganz genau wissen 287 Millionen Euro unter dem Verkehrswert. Es waren will, welche Farbe die Blümchen auf den Socken des Er- aber keine Schrottimmobilien, die verkauft worden sind, werbers haben? sondern Wohn- und Gewerbeimmobilien zum großen Dieser Verkaufsvorgang der TLG Immobilien mag Teil in besten Lagen, in gutem Zustand, mit einem hohen vielleicht rechtlich möglich gewesen sein. Aber ganz si- Vermietungsstand und vor allem durchsaniert. Es be- cher war er politisch nicht zu verantworten und gegen- stand also angesichts der Nachfragesituation auf dem über den mit verkauften Mieterinnen und Mietern mora- deutschen Immobilienmarkt überhaupt keine Notwen- lisch nicht vertretbar. digkeit, private Investoren auf diese Weise zu beschen- ken. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) 30568 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das mögen Sie und andere beklagen, aber das ist ein (C) Kommen Sie bitte zum Schluss. ganz anderer Fall. Es handelt sich nicht um einen Fall von Mieterhöhung, in dem der Mieterschutz mit Füßen Heidrun Bluhm (DIE LINKE): getreten wurde, wie Sie das suggerieren. Das Gegenteil Mein letzter Satz. – Jeder Privatperson hätten Sie die ist der Fall. Steuerfahndung auf den Hals gehetzt, wenn diese Glei- Sie werden kaum einen anderen Verkaufsvertrag fin- ches getan hätte. den, der eine so komfortable Sozialcharta beinhaltet wie Danke schön. der hier infrage stehende. (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie (Zuruf von der LINKEN) bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE – Was heißt „nichts wert“? – Es gibt bislang – auch das GRÜNEN) habe ich gestern erfragt – keine einzige Klage eines Mie- ters, die dem Ombudsmann vorgetragen wurde. Wir als Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Verkäufer finanzieren eine Ombudsstelle, die durchaus Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt das Wort der in der Lage ist, den Mietern zu helfen, wenn diese es Kollege Norbert Brackmann. selbst nicht können. Ich frage Sie: Wo sonst gibt es eine solch soziale Verkaufspolitik, bei der man diesen Mieter- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) schutz auch noch nachträglich über mehrere Jahre anbie- tet? Dafür gibt es kein zweites Beispiel, meine sehr ver- Norbert Brackmann (CDU/CSU): ehrten Damen und Herren. Eine Bundespolitik, die Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und darauf gerichtet ist, den Mietern einen guten Mieter- Kollegen! Die heutige Aktuelle Stunde mit dem Vorwurf schutz zu geben, sich selbst von Aufgaben zu trennen, irgendeiner Kungelei einzuleiten, finde ich sehr vermes- die man nicht mehr braucht, im Nachhinein so sehr in sen. Misskredit zu ziehen, das ist durch nichts zu rechtferti- (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Bei der gen. Wahrheit muss man bleiben!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) – Ja, bei der Wahrheit muss man bleiben. Liebe Kollegin- Last, but not least finde ich es auch etwas vermessen, nen und Kollegen von der Linken, 28 Mitglieder Ihrer davon zu sprechen, hier seien die neuen Länder bei der Fraktion haben die FAIRWOHNEN gegründet und woll- Grunderwerbsteuerklausel über den Tisch gezogen wor- ten sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen – unter (B) den. Es sind bei der Vorbereitung 20 Millionen Euro an (D) anderem haben sie behauptet, sie hätten ein Finanzie- Grundsteuer fällig geworden. Weil Sie, Frau Kollegin rungsmodell – am Verfahren zum Erwerb der TLG Immo- Bluhm, darauf verweisen, dass wir hier europäisches bilien beteiligen. Sie sind nicht zum Zuge gekommen, Wettbewerbsrecht zu beachten haben, muss Ihnen ei- weil sich herausgestellt hat, dass die Finanzierung nicht gentlich auch klar sein, dass der Bund als Verkäufer auf sichergestellt ist. Sie haben uns im Haushaltsausschuss die unternehmensrechtliche Gestaltung der Käufer – hier jedes Mal über den aktuellen Stand ausfragen wollen, ob- hat der Käufer die geltenden Rechtsvorschriften, wie sie wohl sie selbst einer der Bewerber waren. Wenn das nicht nun einmal sind, in der Weise ausgenutzt – überhaupt moralisch anrüchig ist, dann weiß ich nicht, was Sie mit keinen Einfluss nehmen darf. Man kann die Vorschriften Kungelei meinen. beklagen, aber man kann nicht beklagen, dass ein Käufer (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) das so gestaltet. Jedenfalls wir als Verkäufer hatten rechtlich überhaupt keine Chance, auf den Käufer einzu- So geht es weiter. Sie haben die heutige Aktuelle wirken, Stunde beantragt. Ich weiß nicht, was für Sie aktuell ist. Ist es für Sie noch aktuell, wenn es sich um einen Vor- (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Das ist nicht gang aus diesem Jahr handelt? Sie weisen jedenfalls auf wahr! – Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Das eine große Mieterhöhung hin. Ich habe noch gestern bei stimmt auch nicht!) TAG Immobilien nachgefragt, ob es einen solchen Fall gibt. Unter den rund 11 500 Mietverträgen gibt es keinen mit ihm zu kungeln – um Ihr Wort aufzugreifen –, um einzigen Fall einer derartigen Mieterhöhung. das in der Form zu gestalten, wie Sie das hier heute an- sprechen. Das geht schon ein Stück in die falsche Rich- (Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Das stimmt tung. nicht!) Mit solch falschen Vorwürfen den Bund zu behelli- – Es gibt keinen einzigen Fall. – Sie spielen offenbar gen, ist nicht nur unmoralisch; es dient auch den Mietern – deswegen übe ich Kritik an dieser Aktuellen Stunde – nicht. Das hier ist offenkundig die Fortsetzung dessen, auf einen Fall vom 5. März in Report an. Damals ging es womit Sie diese Diskussion begonnen haben. Es ist der darum, dass einem Neumieter ein Vertrag angeboten Versuch, als Linke einmal jemanden zu finden, der die wurde, der eine Miete vorsah, die um 20 Prozent höher eigene Politik unterstützt. war als die nach dem alten Vertrag. Vielen Dank. (Iris Gleicke [SPD]: Das ist schon nach dem Wucherparagrafen im Mietrecht verboten!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30569

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: kommt jetzt das Problem hinzu, dass Grunderwerbsteuer (C) Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Joachim Hacker verloren gegangen ist. Das bringt die Diskussion heute von der SPD-Fraktion. auf den Punkt. (Beifall bei der SPD) (Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär: Wer hat denn das im Bundesrat blockiert?) Hans-Joachim Hacker (SPD): – Im Bundesrat, Herr Staatssekretär, war in Verbindung Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen mit dem Jahressteuergesetz eine von mehreren Forde- und Kollegen! Kollege Brackmann, es geht hier nicht rungen, dass genau dieses Steuerschlupfloch geschlossen darum, die Position der Linken oder die Politik der Lin- wird. Jetzt kommt der Bundesrat zum dritten Mal mit ei- ken im Allgemeinen zu unterstützen. Wir befassen uns nem Gesetzgebungsverfahren, bei dem es wieder gefor- mit einem gravierenden Vorgang. Ich finde, wir befassen dert wird. Wer hat das in diesem Haus blockiert? Das uns hier heute mit einem Skandal. Das ist der Punkt. waren die Kolleginnen und Kollegen auf der rechten (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Seite des Hauses. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD – Eckhardt Rehberg Wir führen in diesem Hause seit einem halben Jahr [CDU/CSU]: Stimmt nicht!) eine Diskussion zum beabsichtigten und jetzt vollzoge- Wir hätten den Kompromiss des Vermittlungsausschus- nen Verkauf der TLG-Wohnungen. TLG Wohnen und ses beschließen können. Dann wäre das Steuerschlupf- TLG Immobilien, zwei Firmen, die abgespalten worden loch geschlossen. Es wäre allerdings für den Verkauf im sind, beschäftigen uns seit über einem halben Jahr. Die vorigen Jahr zu spät gewesen. Das muss ich dazusagen. Position der Sozialdemokratie war immer, beim Verkauf Wir hätten den Verkauf aber anders abwickeln können. des Wohnungsbestandes auch lenkende Elemente, struk- turpolitische Elemente mit ins Spiel zu bringen, Deswegen sage ich an dieser Stelle: Sowohl struk- turpolitisch als auch steuerrechtlich ist es ein schwerer (Iris Gleicke [SPD]: So ist es!) Fehler, Herr Staatssekretär. Das müssen Sie sich ins nämlich zu überlegen: Was können wir in einer Situation Stammbuch schreiben lassen. Ins Stammbuch schreiben tun, in der der Wohnungsmarkt in vielen Regionen ange- lassen muss sich das auch das Bundesministerium für spannt ist? Suchen Sie in Berlin mal eine Wohnung! Ge- Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Herr Bundesminis- hen Sie mal am Wochenende los! Dann sehen Sie, wie ter Dr. Ramsauer ist heute nicht anwesend. Herr viele Leute da jeweils stehen. Das ist in Hamburg, in Ferlemann, Sie müssen immer das ausbaden, was Ihr Stuttgart, in München und auch in anderen Städten so. Minister öffentlich verkündet und nicht einhält. Sie müs- (B) sen immer Ihren Kopf hinhalten. Ich erinnere daran, dass (D) ( [CDU/CSU]: SPD-re- der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwick- giert!) lung, Dr. Ramsauer, Chef einer Taskforce ist, die BImA- In einer solchen Situation die begrenzten Chancen einer Liegenschaften vermarkten soll. Steuerung nicht zu nutzen, das ist wohnungspolitisch (Iris Gleicke [SPD]: Das nennt man den Bock nicht zu verantworten. zum Gärtner machen!) (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Ich erinnere daran, dass Herr Dr. Ramsauer am Sonn- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tagabend in seinem Wahlkreis anscheinend immer An- wandlungen bekommt, was man in Berlin machen Sie wissen, dass Mieten und Nebenkosten steigen. Hier könnte. Von Dr. Ramsauer ist die Errichtung eines Kon- hätte ein Akzent gesetzt werden können, auch wenn es versionsfonds vorgeschlagen worden. Das war sicherlich sich nur um 11 500 Wohnungen handelt. keine schlechte Idee. Hier hätte man strukturpolitisch et- Die SPD hat aus gutem Grund gesagt: Wir wollen die- was machen können, man hätte nicht generell Bundes- sen Verkauf am Wohnungsmarkt nicht. Wir wollen, dass vermögen verschenken müssen, aber mit Einnahmen aus den Kommunen, den kommunalen Wohnungsgesell- dem Konversionsprogramm gestalten können. Der schaften und den Wohnungsgenossenschaften Angebote Minister hat vorgeschlagen, aus Bundeswehrkasernen gemacht werden. Im vorigen Jahr war das Jahr der Ge- Studentenwohnungen zu machen. Was ist aus dem Kon- nossenschaften. Ihre Bundeskanzlerin war beim Genos- versionsfonds geworden? Ich habe die Bundesregierung senschaftstag und hat die Bedeutung der Genossenschaf- dazu befragt. Die Bundesregierung hat gesagt: Das wird ten in Deutschland über den grünen Klee gelobt. Als ich nicht verfolgt. Von Studentenwohnungen in Bundes- das gelesen habe, habe ich mich gefragt: Warum setzt sie wehrkasernen tief im Walde – im Odenwald oder der Lü- das eigentlich nicht beim Verkauf der TLG-Wohnungen neburger Heide – ist mir bisher noch nichts bekannt ge- um? Da hätten wir einen schönen Akzent setzen können. worden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der NEN]: Nicht einmal in der Großstadt!) LINKEN) Deswegen frage ich: Wozu haben wir einen Bundes- Zu dem gravierenden Fehler, dass die Steuerungs- minister Ramsauer, der hierfür zuständig ist, wenn er möglichkeit durch den Verkauf an kommunale Unter- sich dieser Thematik hier nicht stellt und keine konkre- nehmen und Genossenschaften aufgegeben worden ist, ten Vorschläge vorlegt und diese dann umsetzt? In einer 30570 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Hans-Joachim Hacker (A) Zeit, in der wir über Steuersünder-CDs, über Fälle von meinem ersten Punkt –, dass der Wohnungsmangel und (C) bekannten Managern in Fußballklubs sprechen, sage ich die starke Wohnungsnachfrage, zum Beispiel in Berlin, auch, dass es eine schreiende Ungleichbehandlung zwi- begrenzt werden könnten, indem man staatlichen Woh- schen großen Konzernen, die gewinnorientiert arbeiten, nungsbau oder staatliches Wohneigentum forciert. Ge- und kommunalen Wohnungsbaugesellschaften und -ge- rade hier in Berlin – das wissen Sie – sind es doch die nossenschaften gibt. Es ist noch viel mehr eine Un- staatlich Verantwortlichen, die Nachbau, Umbau, Aus- gleichbehandlung gegenüber dem kleinen Häuslebauer, bau und Neubau verhindern, die bremsen und dadurch der in den Ländern natürlich fleißig seine 4 oder 5 oder diesen Mangel herbeiführen. 5,5 Prozent Grunderwerbsteuer bezahlen muss und sich (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das ist doch in kein Schlupfloch zurückziehen kann. billig! Das ist zu billig!) Jetzt geht es darum – ich will die Forderungen zusam- Wenn Sie dann auch noch im Zusammenhang mit menfassen –, dieses Steuerschlupfloch zu schließen. Das dem Thema, über das wir hier reden, von Stuttgart, Mün- liegt auch in der Verantwortung dieses Hauses. Nutzen chen und Hamburg sprechen, dann finde ich das ein Sie die Chance, den Schaden, den Sie für die Länder an- Stück weit putzig. Ich sage Ihnen: Neben den genannten gerichtet haben, bei den Beratungen über die gesetzliche Großstädten gibt es eine ganze Menge kleinerer Regio- Regelung zu den Ausgleichsmaßnahmen für den Woh- nen, Orte und Städte, die ebenfalls betroffen sind, nungsbau in den neuen Ländern einzustellen. Machen Sie endlich eine Politik, die zu mehr Wohnungsbau (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Allerdings!) führt. Setzen Sie endlich eine Politik fort, die Steuerhin- terziehung, die Steuerschlupflöcher ausschließt. in denen es diesen Mangel nicht gibt. Wem sage ich das? Meine ostdeutschen Kollegen kennen den Sachverhalt. Denn gerade bei uns bestehen diese Probleme doch. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Kommen Sie bitte zum Schluss. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das stimmt nicht! Gucken Sie doch mal nach Hans-Joachim Hacker (SPD): Dresden!) Das ist meine Botschaft aus dieser Diskussion. Zweiter Punkt. Die entgangene Grunderwerbsteuer Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Vielen kann man durchaus kritisch betrachten; das ist richtig. Es Dank. ist doch aber ein rot-grünes Gesetz gewesen, in das diese (Beifall bei der SPD) Klausel hineingeschrieben wurde. Dieses Gesetz wurde im Jahr 2001 verabschiedet. Wir haben jetzt eine Bun- (B) (D) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: desregierung, die dieses Land seit vier Jahren gut regiert. Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Patrick Diese Bundesregierung will diese Rechtslage im Jahres- Kurth das Wort. steuergesetz 2013 ändern. An wem scheitert es aber? An Rot-Grün im Bundesrat. So funktioniert es nun auch (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) nicht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): der CDU/CSU – Hans-Joachim Hacker [SPD]: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ak- Das ist doch Unsinn! Lesen Sie doch die Pro- tuelle Stunde bietet sich an, noch einmal darzustellen, tokolle durch!) wer in diesem Land „Privat vor Staat“ repräsentiert und wer es anders sieht. Linke und Privatisierung – Teufel – Werfen Sie uns nicht den Unsinn vor, den Sie selber und Weihwasser. Jetzt muss auch die TLG dafür herhal- verzapfen. ten, die weltanschauliche Lehre darzustellen. Sie arbei- (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Lesen Sie die ten sich seit Monaten mit Kleinen Anfragen und Anträ- Protokolle!) gen ab. Wenn es aber konkret wird, wenn Sie wirklich entscheiden könnten, dann tun Sie nichts. Sie glänzen Dritter Punkt. Sie fordern gewissermaßen, den Ge- durch Abwesenheit. winner des Bieterverfahrens vorher auszusuchen. Das ist in einem Bieterverfahren schwierig. Wie soll man es in Das Bundesfinanzierungsgremium tagte am 26. April. rechtsstaatlicher und vertraglicher Hinsicht machen, sich Ein Punkt auf der Tagesordnung war die Privatisierung vorher vorzustellen, wer denn der Gewinner sein kann? der TLG. Abwesend: Die Linke. Kein ordentliches Mit- Bitte werfen Sie der Bundesregierung, die vier Jahre gut glied, kein stellvertretendes Mitglied. Schönes Wahl- regiert hat, nicht vor, dass sie sich an Recht und Gesetz kampffeuerwerk mit zum Teil aberwitzigen Vorwürfen, hält. Das ist eine Grundvoraussetzung dafür, ein Land zu das Sie hier abfackeln. regieren. (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Es geht doch Vierter Punkt. Es heißt, die Bundesregierung hätte nicht um die Linke! Es geht um den TLG-Ver- Volksvermögen unter Wert verschleudert. Erst einmal kauf!) muss man fragen: Was ist denn ein Verkehrswert? Selbst – Herr Hacker, ich habe Sie gerade angesprochen. Gut, die, die diesen Verkehrswert ermitteln, sind manchmal dass Sie hereinrufen, dann können wir das diskutieren. sehr unterschiedlicher Auffassung. Meistens gibt es eben Gerade Sie haben eben behauptet – damit komme ich zu keinen festen Marktpreis. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30571

Patrick Kurth (Kyffhäuser) (A) (Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Den haben Sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C) aber angegeben!) und bei der SPD) – Ich will es ja nur sagen. – Den Endverbrauchspreis hat- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir befas- ten wir lange. Er hat sich aber eben nicht bewährt. Die sen uns schon seit Monaten mit dem Vorgang der Pri- Bundesregierung versucht, darauf zu verzichten. Sie darf vatisierung der bundeseigenen TLG Wohnen GmbH. einen staatlich festgelegten Verkaufspreis in einem Bie- Obwohl wir im Parlament versucht haben, den Verkaufs- terwettbewerb auch gar nicht in irgendeiner Weise einfü- prozess so intensiv wie möglich zu begleiten, kommen gen. Wie soll das funktionieren? Es ist quasi unmöglich, immer wieder neue Informationen ans Licht. Sie haben im Bieterwettbewerb einen Preis festzulegen. uns Parlamentarier nicht ausreichend informiert und tun das bis heute nicht wirklich. Die Fraktion Die Linke und Folgendes muss gesagt werden: Der Preis, der erzielt wir haben mittlerweile jeweils zwei Kleine Anfragen ge- wurde, ist nicht niedrig. Es handelt sich nicht um eine stellt, die SPD eine, und aus den Antworten ergeben sich kleine Summe. Es wurde ein ordentlicher Preis gezahlt. immer wieder nur neue Fragen. Das ist eine Salami- Ich weiß nicht, was Sie persönlich in Ihrer Preisbewer- taktik, und dieses Verhalten ist nicht nur in Bezug auf die tung vorgesehen oder was Sie sich erhofft haben. Ich Abgeordneten des Deutschen Bundestages äußerst be- kann nur sagen: Der Preis ist in Ordnung. denklich, sondern auch und gerade in Bezug auf die Fünfter Punkt. Sie sagen, die Mieter seien Opfer. Sie Mieterinnen und Mieter der Wohnungen aus dem bun- schüren Ängste und sprechen zum Teil von Heuschre- deseigenen Bestand der TLG Wohnen. cken und Ähnlichem. Die Bundesregierung hat vier (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Jahre lang Verantwortung getragen. Das hat sie gut ge- bei der SPD und der LINKEN) macht. Sie wissen nämlich eigentlich gar nicht mehr, welche (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Nicht zu viel Selbst- Firma eigentlich ihr Vermieter ist und wer oder was sich lob! Es geht um die TLG-Wohnungen!) eigentlich hinter all diesen verschachtelten Konstrukten In die Verkaufsverträge wurde die sogenannte Sozial- verbirgt: Wem gegenüber können sie ihre Rechte einkla- charta aufgenommen, auch mit Blick auf die Mieterhö- gen und die Regelung der Sozialcharta gegebenenfalls hungen. Es wurde außerdem eine vom Bund finanzierte geltend machen? Wer genau ist eigentlich bei einem der- Ombudstelle eingerichtet. Wie viele Mieter haben denn art verschachtelten Konstrukt der Ansprechpartner, der jetzt Verstöße gemeldet? Wissen Sie das? – Keiner. den Mietern gegenüber Rechenschaft schuldig ist? (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Es geht doch Auch Sie scheinen den Überblick längst verloren zu haben. Immerhin geben Sie zu, dass Ihnen nicht bewusst (B) nur um den Verkauf und die Steuerproblema- (D) tik!) war, dass die Barclays Capital Bank zumindest zeitweise 9,3 Prozent der Stimmanteile an der TAG Immobilien Ich kann Ihnen sagen: Das ist ein weiterer guter AG gehalten hat. Was wussten Sie denn bei dem Vor- Grund, warum diese Bundesregierung dieses Land of- gang noch alles nicht? fensichtlich vier Jahre sehr gut regiert hat. Zudem verfolgen Sie eine Doppelstrategie: Zum ei- Unterm Strich: Die Vorwürfe sind haltlos. Die Erfah- nen sah der Entwurf des Jahressteuergesetzes noch 2012 rung zeigt – das sehen Sie an Dresden; Dresden ist durch vor, die sogenannten Share Deals und die entsprechen- eben einen solchen Verkauf schuldenfrei geworden –: Es den Regelungen abzuschaffen. Auf der anderen Seite funktioniert. entschieden Sie sich für einen Anbieter, der die RETT- Blocker-Struktur, also eine Strategie zur Vermeidung der (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das ist ja das Zahlung der Grunderwerbsteuer, gewählt hat. Damit verkehrte Beispiel! Gerade Dresden!) sind den Ländern Grunderwerbsteuern in Millionenhöhe Manchmal ist Privat vor Staat besser. Dieser Teil des entgangen; hier ist von 20 Millionen Euro oder von Hauses, die Bundesregierung und die Koalition, wird es 80 Millionen Euro die Rede. Sie wollen uns gar nicht so weitere vier Jahre für Deutschland gut machen. genaue Angaben machen. Angesichts der Schulden- bremse und der absolut notwendigen Haushaltskonsoli- Herzlichen Dank. dierung können wir uns diese Strategie keineswegs leis- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – ten. Hans-Joachim Hacker [SPD]: Gerade Dres- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den ist der Skandal, Herr Kurth, gerade Dres- bei der SPD und der LINKEN) den!) Geht man davon aus, dass der Staat bei einer Privati- sierung wie ein privater Unternehmensveräußerer han- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: delt, dann muss er das höchste Gebot wählen. Aber der Für das Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort die Staat ist eben nicht ein gewinnmaximierender Akteur, Kollegin Daniela Wagner. sondern übernimmt in seinem Regierungshandeln Ver- antwortung, vor allem für die Folgen seines Handelns. Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das muss er umso mehr tun, wenn es sich bei der Herr Kurth, ob Dresden hier ein leuchtendes Beispiel „Ware“ um vermietete Wohnungen handelt. Damit Mie- ist, sei dahingestellt. terinnen und Mieter nicht verunsichert werden, muss 30572 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Daniela Wagner (A) größtmögliche Transparenz gewährleistet sein. Doch weg erstritten werden musste. Das kann es ja wohl nicht (C) was hier bleibt, ist ein ziemlich fader Beigeschmack, ins- sein. besondere was die Rolle der Barclays Bank betrifft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei der SPD und der LINKEN – Patrick Kurth und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der [Kyffhäuser] [FDP]: Es ist manchmal im LINKEN) Rechtsstaat so, dass das gerichtlich gemacht wird! Das ist nichts Schlimmes!) Die Barclays Bank sollte für die TAG Immobilien AG 30 Millionen Aktien verkaufen, damit genügend Kapital für den Kauf der bundeseigenen TLG Wohnen GmbH Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: zur Verfügung steht. Wenn das nicht ausreichte, ermög- Für die Bundesregierung hat jetzt das Wort der Parla- lichte die Barclays Bank der TAG eine Brückenfinanzie- mentarische Staatssekretär Dr. Christoph Bergner. rung über einen Kredit in Höhe von 200 Millionen Euro. Zwischenzeitlich übernahm sie sogar 9,3 Prozent der (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Stimmanteile der TAG. Auch auf der Verkäuferseite spielt die Barclays Bank mit: Sie wird zum Transak- Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim tionsberater für das Bundesfinanzministerium. Bundesminister des Innern: Sogenannte Chinese Walls sollten den Informations- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau austausch verhindern. Dass das keineswegs funktioniert, Wagner, Herr Hacker, ich möchte zu Beginn die Frage wissen Sie so gut wie ich. Es stellt sich also die Frage: stellen, ob wir einen Vorgang wie diesen tatsächlich auf Wer kontrolliert das überhaupt? Vor allem im Hinblick der Basis sachfremder Mutmaßungen und irreführender auf den Prozess der Erstellung der Sozialcharta ist frag- Vorwürfe diskutieren wollen. lich, welche Rolle die Barclays Bank da gespielt hat. Hat (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Ja! Mal eine sie tatsächlich nur als Transaktionsberater fungiert? Wa- Antwort! – Hans-Joachim Hacker [SPD]: rum konnte sie als Dritte an der Erstellung der Sozial- Steuerverlust! Ihre Klarstellung!) charta beteiligt sein, nicht aber der Mieterbund? Die Barclays Bank war in ihrer Rolle als Käufer und Trans- Diese Diskussion dient aus meiner Sicht nicht der Sache. aktionsberater beteiligt, aber andere Berater, zum Bei- Ich weiß auch nicht, welches Anliegen Sie – bei der Lin- spiel der Mieterbund, nicht. – All das sind Fragen, die ken ist es mir eher klar – damit verfolgen. völlig ungeklärt sind. Das ist nicht hinzunehmen. Vielleicht hilft es dem Verständnis, wenn ich noch (B) In Ihrer Antwort auf die Frage 21 unserer Kleinen einmal in Erinnerung rufe, dass die TLG Immobilien sei- (D) Anfrage schreiben Sie: nerseits aus der Treuhandgesellschaft hervorgegangen ist und damit die Aufgabe hatte, die gewerblichen Liegen- Stattdessen ist die letztendlich vereinbarte „Sozial- schaften und Wohnobjekte bzw. ihre Beteiligungsunter- charta“ das Ergebnis von bilateralen Verhandlungen nehmen aus dem ehemaligen Volksvermögen der DDR mit dem Erwerber (und den anderen Bietern). nach den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft zu ver- In einer vorhergehenden Antwort schreiben Sie aber, werten, zu verwalten und zu entwickeln. dass die Barclays Bank auch als Transaktionsberater be- (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das ist unstrit- teiligt war. Das, meine sehr verehrten Damen und Her- tig!) ren, kann so nicht sein. Angesichts dieser Konstruktion wird mir immer kla- Diese Aufgabe – hier scheint möglicherweise ein Miss- rer – ich verstehe es immer besser –, weswegen die Bun- verständnis vorzuliegen – ist seit dem Jahr 2000 im We- desregierung nie ein ernsthaftes Interesse daran gehabt sentlichen abgeschlossen. hat, die Wohnungen direkt an kleine kommunale Woh- Seit diesem Jahr ist die TLG Immobilien GmbH in nungsunternehmen oder an Genossenschaften zu verkau- Ostdeutschland auf der Basis geltenden Rechts ein ge- fen, obwohl dies wohnungspolitisch in dieser Situation winnorientiertes Immobilienunternehmen. Es hat sich im das einzig Vernünftige gewesen wäre: Markt entwickelt, übrigens mit jährlichen Gewinnmar- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, gen im zweistelligen Bereich und einem ansehnlichen bei der SPD und bei der LINKEN) Bestand sowohl an Gewerbeimmobilien als auch an ver- walteten Wohneinheiten. Daraus hat sich ein attraktives Die Barclays Bank war für Sie der perfekte Dienstleister, Portfolio gebildet. sowohl für die Käufer- als auch für die Verkäuferseite. Die Frage bleibt nur – sie wird auch heute wieder nicht (Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Aber warum beantwortet werden –: Ist das tatsächlich auch die per- verkaufen Sie es? – Sören Bartol [SPD]: Wa- fekte Situation für die Mieterinnen und Mieter? – Ich rum verkaufen Sie es, wenn es so erfolgreich kann ihnen heute schon sagen: Das wird sie nicht sein. ist, Herr Bergner?) Wir werden feststellen, dass sich dort genau die Prozesse – Das Betreiben eines Immobilienunternehmens ist nicht abspielen werden, die sich bei Privatisierungen anderer die Aufgabe der Bundesrepublik Deutschland. Art, übrigens auch in Dresden, abgespielt haben, als zum Schluss die Einhaltung der Sozialcharta auf dem Rechts- (Sören Bartol [SPD]: Doch!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30573

Parl. Staatssekretär Dr. Christoph Bergner (A) Die Bundeshaushaltsordnung – ich verweise auf § 63 der nicht eine einzige Klage aus der Mieterperspektive ein- (C) Bundeshaushaltsordnung – verpflichtet die Bundesregie- gegangen ist. rung seit 2000 zur Privatisierung dieses Unternehmens. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ich war mir in meiner Funktion als Beauftragter für Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das kommt ja die neuen Länder immer bewusst, dass das eine sehr sen- alles noch!) sible Entscheidung ist, gerade auch, weil es vorher eine Phase gab, in der es einen klaren Entwicklungsauftrag Ich rede jetzt im Moment noch gar nicht von den Zuge- gegeben hat. Ich habe mich deshalb mehrmals darum ge- ständnissen an die TLG-Beschäftigten, die in diesem Zu- kümmert, zu erfahren, wie es mit den Entscheidungen sammenhang ebenfalls gemacht wurden. steht. Insbesondere mit dem Finanzministerium habe ich Was nun den Kaufpreis betrifft, so kann ich an dieser intensiven Kontakt gesucht. Stelle nur mit einer gewissen Verwunderung feststellen, Weil das so gewesen ist und weil ich mich als Beauf- dass Sie auf der einen Seite Anlass dafür sehen, zu sa- tragter für die neuen Länder wiederholt damit auseinan- gen, hier sei Volksvermögen an irgendeinen Investor dergesetzt habe, möchte ich heute ausdrücklich aus mei- verschleudert worden, aber auf der anderen Seite doch ner Funktion heraus den beteiligten Häusern attestieren, die große Sorge haben, die öffentliche Hand habe hier- dass sie die Privatisierungsentscheidungen verantwor- mit im Grunde genommen unter dem Gesichtspunkt der tungsbewusst im Rahmen des geltenden Rechts vorge- Gewinnmaximierung etwas aus der Hand gegeben, für nommen haben und dadurch die Interessen der Mieterin- das sie eigentlich eine soziale Vorsorge hätte treffen sol- nen und Mieter im Blick gehabt haben. len. Beides passt nicht zusammen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Sie haben den neten der FDP – Widerspruch bei Abgeordne- Ländern Steuern entzogen, ganz einfach!) ten der SPD und der LINKEN – Iris Gleicke – Auf die Steuerrechtsfrage muss ich jetzt nach dem, [SPD]: Meine Güte! Hans-Joachim Hacker was gesagt wurde, wahrscheinlich überhaupt nicht mehr [SPD]: Sie sind doch nicht der Bundesrech- eingehen. nungshof!) (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Herr Bergner, – Sie mögen ein politisches Interesse haben, die Dinge das ist der Kern der Sache!) ganz anders darzustellen, Im Interesse der Menschen in den neuen Bundeslän- (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Herr Bergner, dern kann ich Sie nur auffordern, an diesem Punkte nicht Sie sind nicht der Bundesrechnungshof!) mit Unterstellungen und mit diffamierenden Mutmaßun- (B) (D) aber lassen Sie mir bitte, als demjenigen, der versucht gen zu arbeiten. Wir haben allen Grund, dies als eine hat, die Interessenlage der Betroffenen im Blick zu be- verantwortbare Entscheidung darzustellen. halten, die Möglichkeit, mein Ergebnis der bisherigen (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Was ist mit der Überprüfung hier öffentlich mitzuteilen. Steuerproblematik?) (Iris Gleicke [SPD]: Das ist die Geschichte mit Dazu fordere ich Sie herzlich auf. der einen und der anderen Krähe! – Hans- Joachim Hacker [SPD]: Gehen Sie auf das Herzlichen Dank. Steueraufkommen ein!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zu- Meine Damen und Herren, dafür sprechen nun Ent- ruf von der SPD: Neun Minuten heiße Luft! – scheidungen wie die Entscheidung der Sozialcharta für Hans-Joachim Hacker [SPD]: Sie waren doch den Mieterschutz. Ich muss wahrscheinlich, da Sie die mal Ministerpräsident!) Dinge alle aus dem Fachausschuss kennen, hier nicht noch einmal die einzelnen Punkte zitieren; aber viel- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: leicht ist es ja auch für andere Zuhörer wichtig. Dies sind Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort die Kollegin der Schutz vor Kündigung wegen Eigenbedarfs und we- Andrea Wicklein. gen einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung für die Dauer von fünf Jahren, der Schutz vor Mieterhöhung (Beifall bei Abgeordneten der SPD) wegen Luxussanierung für die Dauer von zehn Jahren sowie der Schutz vor Kündigung für ältere Bestandsmie- Andrea Wicklein (SPD): ter. Den Mietern und deren Angehörigen wird im Falle Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin- des Verkaufs einzelner Wohnungen ein weitreichendes nen und Kollegen! Sie von der Bundesregierung, Herr Vorkaufsrecht eingeräumt. Staatssekretär Bergner, müssen sich den Vorwurf gefal- (Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Wovon denn?) len lassen: Sie haben 11 500 ostdeutsche Wohnungen verscherbelt und verjubelt. Bereits erwähnt wurde die vom Verkäufer finanzierte Einrichtung eines Ombudsmanns, bei dem bis heute – (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem dieser Umstand müsste Ihnen doch zu denken geben – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Es geht doch Dabei machen wir einen ganz klaren Unterschied zwi- um die Steuerproblematik!) schen Gewerbeimmobilien und Wohnungen. 30574 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Andrea Wicklein (A) Sie haben dafür gesorgt, dass der TLG-Wohnungsbe- ben! – Heiterkeit bei der SPD – Dr. Axel (C) stand an die Börse geht, dass am Ende Aktionärsinteres- Troost [DIE LINKE]: Die Handynummer!) sen über die Interessen der Mieterinnen und Mieter ge- Sie hinterlassen am Ende einen Wohnungsbestand, stellt werden und dass sich die Mietenspirale weiter der nur noch den Marktinteressen folgt. Das ist ein fata- ungebremst dreht. Wir als SPD haben Sie davor immer les Signal nicht nur an die Mieterinnen und Mieter, gewarnt. Wir haben Ihnen vorgeschlagen, die TLG- Wohnungen an die Kommunen zu übertragen, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Iris Gleicke [SPD]: Das wäre sehr klug!) sondern es diskreditiert Politik insgesamt. Während die weil wir wussten, dass dort die Mieterinteressen am Mieterinnen und Mieter vor massiven Problemen stehen, ehesten geschützt werden und gut aufgehoben sind. haben Sie nichts Besseres zu tun, als auch noch die Mie- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ terrechte per Gesetz abzubauen. Auch diesen Punkt DIE GRÜNEN) muss man an dieser Stelle nennen. Auch diesbezüglich haben Sie unsere Vorschläge außer Acht gelassen und Dieser Vorschlag wurde von Ihnen, von der Regierungs- auch die des Deutschen Mieterbundes ignoriert. koalition, zurückgewiesen. Sie haben die Bedenken ein- fach in den Wind geschlagen. Wir haben in Potsdam gezeigt, dass es anders geht. Dort vermieten die Kommunen ihre eigenen Wohnungen Ich frage Sie: Erinnern Sie sich noch daran, dass es in vernünftiger Weise. Die SPD hat dort die Mieterrechte auf der anderen Seite möglich war, die bundeseigenen für den kommunalen Wohnungsbestand gestärkt: Wir Seen an die Länder zu übertragen? haben bei Neuvermietung eine sogenannte Mieten- (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Genau so! Das bremse von 10 Prozent eingezogen, wir haben die Miet- war die gleiche Terz mit dieser Koalition!) steigerung auf 15 Prozent in vier Jahren begrenzt, und wir haben die Umlage der Kosten sämtlicher Moderni- Dafür haben wir doch gemeinsam ein sehr gutes Modell sierungsmaßnahmen auf die Miete auf 9 Prozent be- gefunden. schränkt. (Beifall bei der SPD) Ich sage Ihnen: Ihre unsoziale Mietenpolitik werden Warum war es nach EU-Recht bei den Seen möglich, wir nach der Bundestagswahl wieder rückgängig ma- und warum musste es bei den TLG-Wohnungen ein bör- chen. Wir werden dafür sorgen, dass die Mieterinnen sennotiertes Unternehmen sein? Das kann ich nicht be- und Mieter wieder bezahlbaren Wohnraum finden kön- greifen, nen. Wir Sozialdemokraten werden gegen Wuchermie- (B) ten und gegen Wohnungsmangel vorgehen. Mit uns gibt (D) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ es eine klare Alternative zu Ihrer unsozialen Mietenpoli- DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der tik. Wir werden gemeinsam mit den Ländern und Kom- LINKEN) munen, den Mieter- und Sozialverbänden, der Bau- und das kann ich nicht nachvollziehen. Hier fallen die Mieter Wohnungswirtschaft und den Gewerkschaften ein Ak- und die Mieterinnen hinten herunter. tionsprogramm für eine solidarische Stadt und für bezahlbares Wohnen initiieren. Wir werden auch dafür Über den Deal mit Barclays will ich jetzt nichts mehr sorgen, dass der Bund wieder mehr Geld für Wohnungs- sagen. Dazu wurde heute schon genug gesagt. neubau und für Modernisierungen zur Verfügung stellt. Sie haben mit der sogenannten Sozialcharta und einer (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Ombudsstelle im Bundesfinanzministerium den Miete- DIE GRÜNEN) rinnen und Mietern eine Beruhigungspille verabreicht. Hier sagen Sie, es sei ja alles in Ordnung, dort seien Damit werden wir den Wohnungsmarkt entlasten und noch gar keine Beschwerden angekommen. Haben Sie auch denjenigen die Möglichkeit geben, eine vernünftige einmal auf Ihrer Homepage geguckt, ob Sie da eine Tele- Wohnung zu finden, die kein dickes Portemonnaie ha- fonnummer finden? Ich habe das gemacht und gar keine ben. Es muss Schluss damit sein, dass Wohnen zur Lu- solche Nummer gefunden. Vielleicht wissen die Miete- xussache wird. Wir werden dafür sorgen. rinnen und Mieter einfach gar nicht, wie sie diese Ganz herzlichen Dank. Ombudsstelle erreichen können, (Beifall bei der SPD) (Iris Gleicke [SPD]: Hört! Hört! Das ist nicht sehr sinnvoll!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: und vielleicht liegen deshalb keine Beschwerden vor. Jetzt hat das Wort der Kollege Steffen Bockhahn von der Fraktion Die Linke. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Sehr transpa- rent! So hat man sich das vorgestellt!) (Beifall bei der LINKEN) Das ist nicht das, was wir uns unter einer Politik vorstel- Steffen Bockhahn (DIE LINKE): len, die den Mieterinteressen zugute kommt. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin- (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Da müsste man nen und Kollegen! Ich finde, dass diese Aktuelle Stunde einmal die Nummer von Herrn Bergner ange- bisher wunderbar gezeigt hat, dass die Regierung keine Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30575

Steffen Bockhahn (A) einzige Antwort auf die offenen Fragen hat, die im Zu- Insofern hätten solche Gemeinschaften gar nicht gebildet (C) sammenhang mit diesem Transaktionsverfahren auf dem werden können. Ich helfe Ihnen aber immer wieder Tisch liegen. gerne nach im Bereich Kommunalpolitik. Immer wieder gerne! (Beifall bei der LINKEN und der SPD) (Beifall bei der LINKEN) Sie drücken sich die ganze Zeit davor, auf die konkreten Fragen zu antworten. Sie kommen hier mit irgendwel- Das heißt, Sie haben ein Angebot unterbreitet, das so chen scheinheiligen Argumenten, Behauptungen oder gar nicht angenommen werden konnte, weil Sie nur das Klassenkampftheorien der FDP, aber Sie antworten auf Paket verkaufen wollten. Sie haben nie darüber nachge- keine einzige der gestellten Fragen. dacht, die Wohnungsbestände in den Kommunen zu be- lassen und an die Kommunen zu übergeben. Das haben Ich möchte noch einmal ganz deutlich sagen, was ei- Sie auch deswegen nicht gemacht, weil Sie sich der Ge- ner der größten Skandale in diesem Geschäft ist: Die sellschaft in Gänze entledigen wollten, weil Sie sich Bundesregierung beauftragt eine Bank, Barclays, sie ob- auch des Personals entledigen wollten. Wenn dann vor- jektiv in einem Verkaufsverfahren mit großer Sensibilität hin von den Zugeständnissen an die Beschäftigten ge- zu begleiten. Dafür zahlt sie an Barclays. Dieses Unter- sprochen wurde, frage ich mich natürlich ganz interes- nehmen betreut das Unternehmen, das kaufen will. Ein siert, was das für Zugeständnisse sein sollen. Etwa, dass und dasselbe Unternehmen kassiert also als Verkaufsbe- weiterhin der Tarif der Wohnungswirtschaft gezahlt wird rater und als Käuferfinanzierer. Es hat am gleichen Ge- oder dass nicht sofort alle entlassen werden, obwohl man schäft zweimal verdient, und die Bundesregierung findet sie sowieso braucht? Was für Zugeständnisse sind das? das in Ordnung. Ich nicht. Hier tauchen schon wieder die nächsten Fragen auf. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem Zu sagen, es habe bisher keine einzige Änderung ge- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) geben, ist nur die halbe Wahrheit. Wir haben nie behaup- tet, dass es im Bestand Mieterhöhungen gegeben hätte. Und dann werden wir damit vertröstet, dass man Bar- Aber richtig ist, dass bei Neuvermietungen, ohne dass clays mitgeteilt habe, es hätte eine Chinese Wall geben auch nur eine Sache an der gesamten Wohnung geändert müssen. Uns wird auch mitgeteilt, dass das aber nicht wurde, 20 bis 25 Prozent aufgeschlagen werden. kontrolliert worden ist, weil man sich darauf verlassen habe. Wissen Sie, meine Damen und Herren, ich bin im (Iris Gleicke [SPD]: So ist es!) Verwaltungsrat einer größeren Sparkasse. Ich habe mal Das ist auch nicht verboten. Wir kritisieren jedoch, dass nachgefragt, wie man das dort sieht, ob sie daran glau- Sie einen solchen Verkauf machen, sich aber überhaupt (B) ben würden, dass man sich an so eine Chinese Wall hält. (D) keine Gedanken über Gentrifizierungsprozesse in ange- Alle haben mir gesagt: Na ja, das Gegenteil ist schlecht spannten Wohnungsmärkten machen. Sie laden Käufer zu beweisen; aber: nein. noch regelrecht dazu ein, solche Prozesse zu befördern. (Heiterkeit bei der LINKEN) Somit machen Sie ganze Quartiere kaputt. Das ist Ihr Versagen. Ich kann nur feststellen: Diese Sparkasse funktioniert sehr gut. Deswegen habe ich Vertrauen zu dieser Spar- (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie kasse. Zur Barclays-Bank und zur Bundesregierung habe bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE ich es an dieser Stelle nicht, und das aus gutem Grunde. GRÜNEN – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Nein! Nein! Das kann man so nicht sa- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- gen!) neten der SPD) Sie zerstören damit auch das soziale Gefilde in solchen Die Frage: „Warum haben Sie die Wohnungen nicht Gebieten. den kommunalen Genossenschaften oder den Kommu- Ich sage Ihnen noch etwas. Die Ombudsstelle ist noch nen angeboten?“, ist natürlich ganz interessant. Die Bun- sehr neu. Dass noch nicht alle Mieterinnen und Mieter desregierung antwortet tatsächlich immer wieder, dass darüber Bescheid wissen, muss man verstehen. Viele sie sie angeboten hätte. Die Nummer geht so weit, dass werden sich auch fragen: Warum soll ich mir diesen man sagt, es hätten sich ja kommunale Wohnungsgesell- Stress jetzt antun, ich verliere doch sowieso? Denn man schaften zusammenschließen und ein gemeinsames An- erlebt es immer wieder, dass man nicht gewinnt. gebot unterbreiten können. Ich nenne Ihnen ganz konkret ein Beispiel. Obwohl in (Iris Gleicke [SPD]: Das durften die gar der Sozialcharta nichts dazu steht, obwohl Sie den Miete- nicht !) rinnen und Mietern versprochen haben, dass sich für sie Dazu muss man allerdings wissen, Herr Kollege nichts ändern werde, gibt es Änderungen. Diese sind Kampeter, dass die meisten Kommunalverfassungen und zwar laut BGB zulässig, aber sie waren nicht eingeplant. die meisten landesrechtlichen Regelungen es verbieten, Kleinstreparaturen werden inzwischen offenkundig dass ein kommunales Wohnungsunternehmen außerhalb durch die Mieterinnen und Mieter der TAG selbst be- der eigenen Kommune tätig wird. zahlt. Das ist zulässig. Es war aber vorher anders, und Sie hatten versprochen, dass sich für die Mieterinnen und (Iris Gleicke [SPD]: So ist das!) Mieter nichts ändert. Dieses Versprechen ist gebrochen. 30576 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Steffen Bockhahn (A) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- der Eisenbahner privatisiert, unter Steinbrück 86 000 (C) neten der SPD – Patrick Kurth [Kyffhäuser] Wohnungen der BfA. Grün-Rot in Baden-Württemberg [FDP]: Nein!) privatisiert aktuell 22 000 Wohnungen, die der Landes- bank Baden-Württemberg gehört haben. Die 11 300 Ich will Ihnen noch einen Satz zu unserem Finanzie- Wohnungen sind im Vergleich dazu strukturpolitisch für rungsmodell sagen, das Sie immer wieder angesprochen ganz Deutschland gesehen Peanuts. haben. Sie können sich gerne weiter das Maul darüber zerreißen, ob wir ein seriöses Angebot unterbreitet hat- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ten oder nicht. Das hat übrigens mit den Fragen, über die wir hier diskutieren, gar nichts zu tun. Ich kann Ihnen Wenn Ihre Forderung, es zuerst Kommunen anzubie- nur sagen: Die Wohnungsgenossenschaft, die mitgebo- ten, umgesetzt worden wäre, dann wäre bestimmt eine ten hat, hatte ein sehr seriös finanziertes Angebot. Sie wahnsinnige Rosinenpickerei vonstattengegangen. Das alle kennen denjenigen – ich nenne den Namen jetzt heißt, die Kommunen hätten sich die Rosinen herausge- nicht –, der uns da unterstützt hat. Dem sollten Sie Li- pickt und die Preise ohne Ende gedrückt, quidität nicht absprechen. (Iris Gleicke [SPD]: Quatsch! – Steffen (Beifall bei der LINKEN – Andrea Wicklein Bockhahn [DIE LINKE]: Also haben Sie die [SPD]: Das war mir jetzt zu kryptisch!) doch nicht angeboten, oder was?) und die TLG, das heißt wir, der Bund – wir sind Bundes- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: politiker und haben Verantwortung für das Bundesvermö- Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt das Wort der gen –, wären auf dem Rest sitzen geblieben. Dann hätten Kollege Eckhardt Rehberg. Sie sich hier hingestellt, Frau Kollegin Bluhm, und unter Hinweis darauf, dass der Verkehrswert 1,8 Milliarden Euro (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) beträgt, während wir vielleicht nur 500 oder 600 Millionen Euro Erlös erzielt hätten, hätten Sie uns vorgeworfen, Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): dass wir mehr als 1 Milliarde Euro verschwendet hätten. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Das wäre nach der Bundeshaushaltsordnung und nach Herren! Wenn SPD, Linke und Grüne hier davon reden, meinem Verständnis als Haushaltspolitiker politisch ver- dass mit den 11 300 Wohnungen in den neuen Bundes- antwortungslos gewesen. ländern Strukturpolitik, Stadtentwicklungspolitik hätte (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – gemacht werden können, Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Man darf also nur an Private verschenken! – (B) NEN]: Hat keiner gesagt! – Zuruf der Abg. Iris Gleicke [SPD]: 1 Milliarde geschenkt an (D) Andrea Wicklein [SPD]) private Aktiengesellschaft!) muss man erst einmal die Frage stellen, ob Sie sich hier Wenn Sie, Kollege Hacker, sagen, man hätte andere im Deutschen Bundestag überhaupt anmaßen sollten, Akzente setzen sollen, uns auf solche Dinge hinzuweisen und diese anzuspre- (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Ja, hätte man! chen. Ganz konkret den Ländern anbieten! Wie bei (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das müssen den Seen!) wir! – Weitere Zurufe von der SPD und der man hätte das Ganze anders abwickeln sollen, dann ist LINKEN) doch wirklich die Frage zu stellen, ob Sie sich einmal Sie haben im letzten Jahrzehnt Zehntausende, Hun- damit auseinandergesetzt haben, wie ein rechtssicheres, derttausende Wohnungen in Berlin, in Dresden, in ganz diskriminierungsfreies Bieterverfahren abläuft. Deutschland unter Rot-Grün – Steinmeier und Steinbrück Frau Kollegin Bluhm, über Verkehrswerte im Immo- waren in der Verantwortung – privatisiert. bilienbereich kann man sich trefflich streiten. Dort, wo (Iris Gleicke [SPD]: Da hatten wir Wohnungs- ich wohne, fallen die Immobilienpreise gerade massiv, überschüsse! – Weitere Zurufe von der SPD weil es in der Nähe drei Windparks gibt. und der LINKEN) (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sie haben Hunderttausende Wohnungen an private In- NEN]: Ha!) vestoren verkauft. Deswegen können Sie hier heute nicht Das haben wir gemerkt, da mehrere ältere Leute ihre mit dem Finger auf uns zeigen. Häuser an junge Leute verkauft haben, weil sie sie nicht (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Iris mehr bewirtschaften konnten. Da guckt man sich um, Gleicke [SPD]: Aber selbstverständlich! Wir wie fix der Daumen bei den Käufern um eine Etage ge- haben saubere Geschäfte gemacht! – Zuruf des senkt wird. Abg. Stephan Kühn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wenn Sie sich das Portfolio der 11 300 Wohnungen NEN]) ansehen, stellen Sie fest: In manchen Gegenden Meck- Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Berlin lenburg-Vorpommerns, zum Beispiel in Rostock, beträgt unter Rot-Rot wurde die GSW privatisiert. Unter die Leerstandsquote bei den Wohnungen 3 Prozent. Aber Steinmeiers Verantwortung wurden 200 000 Wohnungen im Rest des Landes beträgt sie 6 Prozent. Ich behaupte, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30577

Eckhardt Rehberg (A) dass der Verkehrswert der Wohnungen in Rostock auf- Iris Gleicke (SPD): (C) grund einer Leerstandsquote von 3 Prozent höher ist als Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! der Verkehrswert von Wohnungen in Gegenden mit einer Man konnte aus den Reden der Koalitionsabgeordneten Leerstandsquote von 6 Prozent. Insoweit: Nur vom Ver- und des Vertreters der Bundesregierung sehr deutlich das kehrswert auszugehen, halte ich an dieser Stelle für völ- Herumgeeiere heraushören. lig daneben. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Was? Vor- (Beifall des Abg. Patrick Kurth [Kyffhäuser] sicht!) [FDP] – Hans-Joachim Hacker [SPD]: Wir brauchen einen soliden Eigentümer!) Natürlich hat es Privatisierungen gegeben, Herr Rehberg; ganz klar. Durchgeführt wurden sie in einer Si- Jetzt komme ich zu der Aktion FAIRWOHNEN. Wis- tuation, in der es Wohnungsüberschüsse gab, in der wir sen Sie: Sie haben mit den 51 Euro pro Quadratmeter, Stadtumbau betrieben und Wohnungen abgerissen ha- die Sie in Genossenschaftsanteile umwandeln wollten, ben. Heute gibt es in diesen Orten drängende Wohnungs- nicht einmal ansatzweise die Chance gehabt, eine ver- probleme. nünftige und sinnvolle Eigenkapitalquote aufzubringen. (Lachen bei der CDU/CSU – Eckhardt Rehberg (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Und das le- [CDU/CSU]: Ja, weil Sie die Wohnungen ver- gen Sie fest, oder was? Kennen Sie unser An- kauft haben! Deswegen!) gebot?) Es geht um die Abläufe, Herr Rehberg. Diese Woh- – Lieber Kollege Bockhahn, warum sind Sie, wenn es nungsprivatisierung hat nicht nur ein Geschmäckle, son- diesen ominösen Finanzier denn wirklich gegeben hat, dern sie stinkt zum Himmel. schon in der ersten Runde herausgeflogen, weil Sie (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- keine Finanzierung aufbieten konnten? neten der SPD) (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Stimmt 500 Millionen Euro für knapp 12 000 Wohnungen, nicht! Wir sind in der zweiten herausgeflo- das bedeutet, dass pro Wohnung im Durchschnitt gen!) 42 000 Euro geflossen sind. Wenn Sie die Kriterien doch erfüllt haben, meine sehr (Sören Bartol [SPD]: Das ist eine Frechheit!) verehrten Damen und Herren, frage ich Sie – trotz all des Theaters und des politischen Klamauks, den Sie hier an Wo in Dresden, im Berliner Umland, in Potsdam, in einem Freitagnachmittag veranstalten –: Halle/Leipzig bekommt man denn eine 70-Quadratme- (B) ter-Wohnung für unter 100 000 Euro? Das ist doch wirk- (D) (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Alles Be- lich abenteuerlich! Alle Branchenkenner, die sagen, dass hauptungen!) die 500 Millionen Euro für die TAG ein echter Schnäpp- chenpreis waren, haben recht. Warum beschreiten Sie nicht den Rechtsweg? Warum klagen Sie nicht? Wenn Sie meinen, dass gekungelt wor- (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- den ist, dass das nicht rechtsstaatlich sauber und rechts- NEN]: Genau! – Weitere Zurufe des Abg. sicher abgelaufen ist, dann haben Sie in einem Rechts- Tankred Schipanski [CDU/CSU]) staat die Chance, dagegen zu klagen. Zu den anderen Fakten. Das Umgehen der Grunder- (Zurufe von der LINKEN) werbsteuer beim Verkauf halte ich für genauso skandalös wie den Kaufpreis an sich. Diese Umgehung der Steuer- Solange Sie den Rechtsweg nicht beschreiten, sind Sie pflicht hat etwas mit der – na ja, sagen wir es freundlich aus meiner Sicht den Beweis schuldig, dass hier irgend- – kreativen Gestaltung der Unternehmenskonstruktion etwas nicht sauber abgelaufen ist und dass gekungelt zu tun. worden ist. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Ich denke, das ist ein gutes Ergebnis für den Bund, für Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- die Sozialpartner und für die Mieter. NEN]: Natürlich! Nur damit!) Herzlichen Dank. Warum hat die TAG den Kauf denn über ihre beiden Tochterfirmen, die kurz vorher gegründet worden sind, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – abgewickelt? Doch nur, um genau diese Möglichkeit Hans-Joachim Hacker [SPD]: Was ist mit den auszunutzen. Steuern der Länder, Rehberg? – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Gysis Goldbarren, das ist Herr Kurth, es ist einfach nicht richtig, was Sie hier die Finanzierung der Linken!) gesagt haben. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Doch, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: doch!) Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort die Kollegin Iris Gleicke. Wir haben damals tatsächlich für kleine Immobilienfir- men die Möglichkeit geschaffen, Wohnraum zu erwer- (Beifall bei der SPD) ben. Wir haben das aber gemacht, um gerade Kommunen 30578 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Iris Gleicke (A) zu helfen. Damals gründeten sich zahlreiche Mieterge- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Frau Gleicke, (C) nossenschaften. das ist doch unter Ihrem Niveau, was Sie hier vortragen!) (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Altschulden- hilfe!) Es ist auch ökonomisch absurd und deshalb Verschleu- derung von Volksvermögen. Die Treuhand Liegen- Um dieses Schlupfloch zu stopfen, hat der Bundesrat schaftsgesellschaft hat nämlich in den Jahren 2009 und den Vermittlungsausschuss angerufen, und es hat ein Ver- 2010 jährlich 30 Millionen Euro an den Bundeshaushalt mittlungsausschussverfahren gegeben. In diesem Verfah- abgeführt. Das heißt, wir, der Bund, haben dort Einnah- ren ist eine Einigung erzielt worden. men erzielt. Hätten Sie dieses Geld in den sozialen Woh- nungsbau investiert, hätten Sie es in Kindergärten oder (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wer hat ei- in Ganztagsschulen investiert, dann wäre es sinnvoll an- gentlich dieses Schlupfloch gemacht, Frau gelegt gewesen. Kollegin?) (Beifall bei der SPD und der LINKEN – Diese Einigung haben Sie als Koalitionsfraktionen mit Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Entschul- Ihrer Mehrheit hier abgelehnt. Das ist die Wahrheit. det!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Sie haben für die Wohnungsknappheit in Dresden und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – in anderen Städten in Ostdeutschland gesorgt. Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wer hat ei- gentlich dieses Steuerschlupfloch eingeführt? (Lachen bei der CDU/CSU) Rot-grüne Steuerpolitik war das!) Sie haben den Stadtumbau Ost geschleift. Sie haben das Programm „Die soziale Stadt“ geschleift. Sie haben in Zur Barclays Capital ist schon etwas gesagt worden. die soziale Wohnraumförderung eingegriffen. Diese Vorgänge sind genau so anrüchig, wie hier darge- stellt worden ist. Hinzu kommt, dass diese Bank nicht (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Unglaublich! – nur die Bundesregierung als Verkäufer vertreten hat, Weiterer Zuruf des Abg. Tankred Schipanski sondern auch für die Käufer tätig geworden ist. Wenn [CDU/CSU]) man dann noch weiß, dass diese Bank die Sozialcharta mit ausgehandelt hat, während der Mieterbund daran Sie haben bei dieser Privatisierung die Chance vertan, nicht beteiligt war, dann bleibt einem doch – Entschuldi- den Kommunen tatsächlich zu helfen. Ihre Kürzungspro- gung! – echt die Spucke weg. gramme sind mit eine Ursache für die Wohnraumver- knappung. Daher sage ich ganz klar: Es ist nichts los mit (B) (Beifall bei der SPD und der LINKEN – der sozialen Verantwortung dieser Bundesregierung. (D) Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Frau Gleicke, (Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Das ist schon Sie haben dieses Steuerschlupfloch selber ge- unerträglich! – Daniela Wagner [BÜND- macht!) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne Moos nix los!) Die Liste der Ungereimtheiten zieht sich wie Kau- Ich will Ihnen noch etwas sagen; das geht insbeson- gummi durch das gesamte Verkaufs- bzw. – das sollte dere an die Adresse von Herrn Staatssekretär Bergner. ich vielleicht besser sagen – Schenkungsverfahren. Wir Ostdeutschen gehen mit dem Thema Privatisierung nach all den Erfahrungen mit der Treuhand sehr sensibel (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Unglaublich!) um. Vieles haben wir gehört, und genauso vieles deutet da- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wofür Ihre rauf hin. Rede kein Beleg ist!) Was mich aber besonders wurmt, ist, dass hier gegen Die Betrugsfälle bzw. die Verkäufe an dubiose Geschäf- den Willen der Kommunalpolitik, gegen den Willen der temacher oder sogenannte Entflechtungen von Unter- Länder und der Mieterinnen und Mieter skrupellos vor- nehmen haben sich bei vielen von uns Ostdeutschen bis gegangen worden ist. heute tief ins Bewusstsein gegraben. Ich will Ihnen aus dieser Zeit – auch damals haben Sie, Schwarz-Gelb, re- (Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Rot-grüne giert – zwei Beispiele in Erinnerung rufen: Privatisierungen in hunderttausendfacher Form sind richtig! Aber wenn Zehntausende Woh- Da war die Leuna-Raffinerie, bei deren Verkauf zu- nungen verkauft werden, ist das falsch! Es ist sammen mit der sehr profitablen Minol Schmiergeldzah- unglaublich!) lungen geflossen sind. Zum Angebotstext des Bundes hieß es – das muss (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie sprechen man sich wirklich einmal anschauen –: doch gerade von Sensibilität!) Es kommen keine Erwerber zum Zug, die nur einen Außerdem war da das Kombinat Schiffbau, bei des- schnellen Euro machen wollen. sen Privatisierung 900 Millionen D-Mark EU-Förder- mittel für die Sanierung der ostdeutschen Werften be- Klar ist nur: Diese Bundesregierung wollte hier einen stimmt waren. Diese Mittel sind in die Sanierung der schnellen Euro machen. Stammbetriebe der Bremer Vulkan umgelenkt worden. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30579

Iris Gleicke (A) (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Was hat Das Thema der Aktuellen Stunde ist der Verkauf der (C) das jetzt mit 11 000 Wohnungen zu tun? Was TLG-Immobilien. „Aktuelle Stunde“ springt einem als hat das hier zu suchen? – Eckhardt Rehberg erstes Wort ins Auge. Ich habe mir die Frage gestellt, um [CDU/CSU]: Der Vorstandschef hat Ihr Partei- was es eigentlich geht. Es geht um einen Verkauf aus buch, SPD! Das ist ein schlechtes Beispiel, dem Jahre 2012. was Sie da erzählen! Verantwortlich dafür war (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sehr ein Sozialdemokrat!) aktuell!) Das sind Vorgänge, die in Ihrer Regierungszeit stattge- Ich weiß nicht, warum das so besonders aktuell ist. funden haben. (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Ja, die Steuer- Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Nach all dem, was problematik, Herr Kollege! – Stefan Müller wir zum Verkauf der TLG-Wohnungen und -Immobilien [Erlangen] [CDU/CSU]: Die Linke ist von bisher gelesen haben, könnte es sein, dass damit ein wei- gestern!) teres Kapitel zu all den dubiosen Geschichten hinzu- kommt. Deshalb sage ich Ihnen: Mir reicht kein Testat Ich habe mir also die Frage gestellt, warum wir darüber eines Mitglieds der Bundesregierung gegenüber einem heute diskutieren. Ich habe das Gefühl, dass wir deshalb anderen Mitglied der Bundesregierung, das sei alles sau- heute darüber diskutieren, weil die Mieter kurz vor dem ber gelaufen. Wahlkampf verrückt gemacht werden sollen und die Linken gerne glauben machen möchten, dass sie die Ein- (Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Stimmt!) zigen sind, die überhaupt noch Mieterinteressen in Ich will hier eine ordentliche Aufklärung. Denn wir wis- Deutschland vertreten. Ich glaube, das entlarvt zum Teil, sen: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. warum die Aktuelle Stunde heute stattfindet. Schönen Dank. Noch bemerkenswerter finde ich den Umstand, dass die Aktuelle Stunde durch unsere Kollegin Frau Heidrun (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie Bluhm eröffnet worden ist, die Aufsichtsratsvorsitzende bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE von FAIRWOHNEN ist, einer Genossenschaft, die sich GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: am Bieterverfahren beteiligt hat. Ein völlig unsachlicher Beitrag! Unter Ihrem Niveau, Frau Gleicke!) (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ist ja unglaublich! Die ist befangen!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Klar geht das. Sie dürfen das natürlich machen. Sie dür- (B) Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege fen auch die Funktion ausüben. (D) Dr. Michael Luther das Wort. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie hätte bei (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) der Lobbyismusdebatte vorhin zuhören sol- len!) Dr. Michael Luther (CDU/CSU): – Genau. In der vorhergehenden Debatte ging es genau Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und um dieses Thema. Kollegen! Ich hätte nicht geglaubt, dass heute, so kurz (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) vor Pfingsten, noch so viel Emotionalität aufkommen kann. Hier wird nämlich eine Macht ausgenutzt, die man als Parlamentarier hat, um auf den Umstand hinzuweisen, (Iris Gleicke [SPD]: Herr Luther, Sie kennen dass man in einem Bieterverfahren, das Sie im Nachhi- mich doch schon lange!) nein nicht kritisiert haben, der zweite Gewinner war. Das Ich will an dieser Stelle Folgendes festhalten, meine Verfahren fand 2012 statt. Sie haben versucht, daran teil- liebe Frau Kollegin Gleicke: Wenn Sie schon den Vor- zunehmen, waren aber nicht erfolgreich. Wenn Sie da- wurf erheben, dass geltende Steuergesetze von jeman- mals der Meinung gewesen wären, dass das alles recht- dem angewendet werden, und sich darüber beschweren, lich nicht in Ordnung ist, hätten Sie damals auf die dass das zu einem bestimmten Ergebnis führt, also die Instrumente des Rechtsstaats zurückgreifen können, die Grundsteuer jetzt nicht fließt, dann sollten Sie wenigs- es heute gibt. Vielleicht haben Sie das schon vergessen. tens auch sagen, woran das liegt. Wer hat diese Steuerge- (Heiterkeit des Abg. Eckhardt Rehberg [CDU/ setzgebung eingeführt? Ich denke, das war Rot-Grün. CSU] – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Hier (Iris Gleicke [SPD]: Wenn Sie mir zugehört wird der Parlamentarismus von der Linken hätten, hätten Sie genau das gehört!) für eigene wirtschaftliche Interessen miss- braucht!) Sie waren in der Regierungsverantwortung. Wenn Sie Sie haben das nicht gemacht. Ich glaube, das entlarvt, sich über das beschweren, was Sie selber gemacht ha- was Sie wollen. ben, dann ist das nicht besonders glaubwürdig. (Zurufe von der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Ich habe das gesagt! Netter Auch Ihre Sorge, dass die Wohnungen jetzt mögli- Versuch!) cherweise in die Hand böser Privateigentümer gelangen, 30580 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Dr. Michael Luther (A) könnte ein Grund für diese Aktuelle Stunde gewesen Wenn es Ungerechtigkeiten gegeben hätte, dann hätten (C) sein. Sie schon längst auf den Ombudsmann hingewiesen. Dann wären schon längst Klagen erfolgt. Aber das ist (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nicht der Fall. NEN]: Nein! Privateigentümer müssen nicht böse sein!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das Ich will einmal feststellen: Es gibt Zehntausende von ist eine Aktuelle Stunde über das Scheitern lin- privaten Vermietern in Deutschland und natürlich ent- ker Wirtschaftspolitik!) sprechend viele Mietverhältnisse. Am Anfang habe ich mich gefragt, ob diese Aktuelle (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stunde wirklich sein muss. Jetzt, am Ende, sage ich: Es Von denen reden wir doch gar nicht!) ist gut, dass sie stattgefunden hat, weil sie sehr deutlich Es gibt eine rechtliche Grundlage in diesem Land. gemacht hat, mit welcher Motivation Sie in diesem Land agieren und für wen oder was Sie eintreten. Das sind auf (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- jeden Fall nicht die Mieterinteressen. NEN]: Wir reden von Firmen und nicht von Kleinvermietern!) Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich glaube, dieses Land hat sich mit dieser rechtlichen Konstruktion gut entwickelt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Als letzte Rednerin des heutigen Tages hat das Wort Hans-Joachim Hacker [SPD]: Aber nicht mit die Kollegin Stefanie Vogelsang für die CDU/CSU- Heuschrecken!) Fraktion. Ich habe keine Angst vor Privateigentum, und ich (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. habe auch keine Angst davor, dass sich ein Wohnungs- Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]) markt entwickelt und dass sich auch Mietpreise ent- wickeln. Das muss so sein. Das, wovor ich Angst habe, Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): ist Volkseigentum. Das habe ich erlebt. Herr Präsident, vielen Dank. – Meine Damen und (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Herren! Wenn man als letzte Rednerin in einer Aktuellen Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die haben die Stunde ans Rednerpult treten darf, kann man sich vor- Verhältnisse umgedreht! – Heidrun Bluhm nehmen, die Ergebnisse der Debatte zusammenzufassen (B) [DIE LINKE]: Sie brauchen aber keine Angst und zu würdigen, dass man eine Stunde miteinander dis- (D) vor Genossenschaften haben!) kutiert hat. Voraussetzung ist allerdings, dass man ir- gendwelche Erkenntnisse gewonnen hat. Damals gab es nämlich eine Mietpreisbindung, die ein bestimmtes Ergebnis hatte, das in der DDR mit dem ge- (Iris Gleicke [SPD]: Geht es Ihnen also auch flügelten Wort umschrieben wurde: Ruinen schaffen wie uns? Haben Sie auch keine Erkenntnisse ohne Waffen. gewonnen?) (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr gut!) Das gilt gerade für Ihren Beitrag, Frau Gleicke! Was meinen Sie eigentlich, für wen Sie geredet haben? Für Es wurde nicht mehr saniert, die Gebäude sind verfallen. die Kollegen hier im Raum? Diese haben gemerkt, dass Wir können uns noch gut daran erinnern, auch Sie viel- Sie in jedem zweiten Satz Dinge durcheinandergebracht leicht noch. Aus diesem Grunde sollte man das Privat- haben, eigentum nicht verteufeln; denn das ist eine der wesent- lichen Grundlagen unseres Landes. (Lachen der Abg. Iris Gleicke [SPD] – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Nette Zusam- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – menfassung!) Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dass Sie viele Dinge, die Sie selber beschlossen haben, NEN]: Von Heuschrecken wird doch gar nicht Beschlüsse, für die Sie Ihre eigene Stimme abgegeben investiert!) haben, Müssen Mieter Angst haben? Auch das ist hier schon (Iris Gleicke [SPD]: Wenn Sie mir zugehört hätten, mehrfach deutlich angesprochen worden. Das, was die wüssten Sie, worum es geht! Schade!) Bundesrepublik tun konnte – Sozialcharta, Ombuds- mann –, hat sie getan. All das sind Instrumente, um letzt- jetzt als große Schande verkaufen wollen. Die Bürgerin- endlich zu helfen, dass der Übergang gelingt. Man kann nen und Bürger draußen verstehen diesen großen Zu- sich an öffentliche Stellen wenden und erfährt Unterstüt- sammenhang aber gar nicht; für die hätten Sie in etwas zung. Wenn das bislang nicht der Fall gewesen ist, sollte einfacheren Worten, in etwas verständlicherer Form he- man das überprüfen. Vielleicht gibt es Ursachen dafür, rüberbringen müssen, was Ihr Anliegen ist. dass es nicht in jedem Fall dazu gekommen ist. Aber es gibt diese Möglichkeit. (Iris Gleicke [SPD]: Die Bürgerinnen und Bür- ger sind nicht so dumm, wie Sie meinen! Ich Sie haben ja mit vielen Mietern Kontakt gehabt. Sie glaube, dass die Menschen mich sehr richtig haben versucht, sie in die FAIRWOHNEN zu bringen. verstanden haben!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30581

Stefanie Vogelsang (A) Ich habe die ganze Zeit überlegt: Was will uns die SPD (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Ein biss- (C) damit sagen? Ich glaube, es ging einfach nur darum, in chen!) dieser Aktuellen Stunde auf Verlangen der Linken einen Ich nehme das zurück. Beitrag zu leisten. – Wo sind übrigens Ihre Kolleginnen und Kollegen? (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Auf jeden Fall war es keine Revolution!) (Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Sie sind hier! – Iris Gleicke [SPD]: Bei Ihnen fehlen auch ein Wenn ich an die Regierungsübernahme in Berlin durch paar!) SPD und Linke im Jahre 2001 denke, muss ich feststel- len: Sie haben die Politik sofort verändert. Sie haben die Warum ist in dieser Aktuellen Stunde, die auf Antrag der Strukturen in Berlin auf schrumpfende Stadt gesetzt, ha- Fraktion Die Linke auf die Tagesordnung gesetzt wurde, ben Wohnungsbauförderung gestrichen, kaum jemand anwesend? (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Wer hat denn (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die hat Frau den Haushalt geplündert?) Gleicke alle aus dem Saal geredet!) haben die städtischen Wohnungsbaugesellschaften ge- Frau Gleicke, es wäre positiv gewesen, wenn Sie etwas molken, dazu gesagt hätten. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wer hat denn die Schule in Neukölln dichtgemacht?) (Iris Gleicke [SPD]: Bei Ihnen fehlen auch ein paar! – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU], an die sind zu nichts anderem gekommen, als die GSW zu ver- LINKE gewandt: Ihr habt diese Aktuelle kaufen, und haben zum Beispiel in Neukölln – einem so- Stunde beantragt, nicht wir! – Gegenruf des zialen Ballungsraum – 5 000 Wohneinheiten an einen Abg. [DIE LINKE]: Die Vertre- Hedgefonds verkauft, ohne auf einer Sozialcharta zu be- ter der Regierung müssen sich bei Ihnen mit stehen. dazusetzen, damit überhaupt jemand da ist!) (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Lieber Kollege Bockhahn und liebe Kollegin Bluhm, Hört! Hört! – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: spätestens Anfang 2012 war auch für Sie klar, dass für Das sind die Linken!) die Fraktion Die Linke die große Gefahr besteht, dem Es hat Sie nicht interessiert, wie es den Mieterinnen und nächsten Deutschen Bundestag nicht wieder anzugehö- Mietern ergeht. Sie haben sich nicht eingesetzt für die ren. Einrichtung einer Ombudsstelle, in der die Mieterinnen und Mieter einen Ansprechpartner und Unterstützung (B) (Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN) gefunden hätten. Das ist das Ergebnis Ihres Regierungs- (D) Daraufhin haben Sie sich dann überlegt: Wie können wir handelns. große Aktionen machen? Wie gewinnen wir ein großes (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Potenzial an Zustimmung? der FDP – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Das ist sozialistische Wohnungspolitik! – (Iris Gleicke [SPD]: Hochmut kommt vor dem Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Das wart ihr Fall, Frau Kollegin!) doch! Ihr habt diesen Haushalt ruiniert!) Dann haben Sie sich dickegetan und gesagt: Wir gehen Wir sind beim letzten Tagesordnungspunkt, und wir in den Wohnungsmarkt, wir werden selber zur Genos- haben das Pfingstfest vor uns. Manchmal denke ich mir, senschaft, wir übernehmen. – Das hat dann nicht ge- der Heilige Geist müsste ein bisschen öfter klappt: Ihre Träume sind alle geplatzt, Sie sind wieder auf dem Boden angekommen. (Iris Gleicke [SPD]: Oh ja!) (Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN – zu Ihnen kommen, damit auch Sie ein bisschen erleuch- Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Genau, wir tet werden. haben nur unser Ernährermodell vorbereitet! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe Absurd!) des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE]) Ich glaube, an der aktiven Politik, die die Partei Die Linke betrieben hat, wenn sie wie zum Beispiel hier in Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Berlin – der Kollege Rehberg hat das vorhin umfang- Die Aktuelle Stunde ist beendet. reich dargestellt – an der Regierung beteiligt war, kön- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Leider, Herr nen die Leute ganz genau sehen, wie Sie agieren, wenn Präsident!) Sie denn die Möglichkeit des Handelns haben. Wenn ich an die Machtübernahme hier in der Hauptstadt denke – – Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages- ordnung. (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: „Macht- übernahme“, das war aber eine Wortwahl! Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- „Regierungswechsel“ ist üblich!) destages auf Mittwoch, den 5. Juni 2013, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ein schönes Pfingstfest! – Entschuldigung! „Machtübernahme“ ist vielleicht ein etwas unglücklicher Ausdruck. (Schluss: 14.24 Uhr) 30582 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Berichtigung (C) 240. Sitzung, Seite 30158 D, vierter Absatz, der Zwi- schenruf des Abgeordneten (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ist wie folgt zu lesen:„ Unter Kohl lag der Spitzensteuersatz bei 53 Prozent!“

(B) (D) Anlagen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30583

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Aigner, Ilse CDU/CSU 17.05.2013 Pieper, Cornelia FDP 17.05.2013

Beck (Reutlingen), CDU/CSU 17.05.2013 Roth (Augsburg), BÜNDNIS 90/ 17.05.2013 Ernst-Reinhard Claudia DIE GRÜNEN

Bellmann, Veronika CDU/CSU 17.05.2013 Roth (Esslingen), Karin SPD 17.05.2013

Bleser, Peter CDU/CSU 17.05.2013 Roth (Heringen), SPD 17.05.2013 Michael Dr. Braun, Helge CDU/CSU 17.05.2013 Schlecht, Michael DIE LINKE 17.05.2013 Dr. Bunge, Martina DIE LINKE 17.05.2013 Schmidt (Eisleben), SPD 17.05.2013 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 17.05.2013 Silvia

Dr. Gambke, Thomas BÜNDNIS 90/ 17.05.2013 Schmidt (Aachen), Ulla SPD 17.05.2013* DIE GRÜNEN Schulte-Drüggelte, CDU/CSU 17.05.2013 Glos, Michael CDU/CSU 17.05.2013 Bernhard

Golze, Diana DIE LINKE 17.05.2013 Schwanitz, Rolf SPD 17.05.2013

(B) Groneberg, Gabriele SPD 17.05.2013 Schwarzelühr-Sutter, SPD 17.05.2013 (D) Rita Dr. Hein, Rosemarie DIE LINKE 17.05.2013 Spatz, Joachim FDP 17.05.2013* Heinen-Esser, Ursula CDU/CSU 17.05.2013 Dr. Steffel, Frank CDU/CSU 17.05.2013 Hiller-Ohm, Gabriele SPD 17.05.2013 Dr. Westerwelle, Guido FDP 17.05.2013 Hintze, Peter CDU/CSU 17.05.2013 Zylajew, Willi CDU/CSU 17.05.2013 Dr. Höll, Barbara DIE LINKE 17.05.2013

Humme, Christel SPD 17.05.2013 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO Koch, Harald DIE LINKE 17.05.2013

Dr. Lamers (Heidelberg), CDU/CSU 17.05.2013* Anlage 2 Karl A. Amtliche Mitteilungen Laurischk, Sibylle FDP 17.05.2013 Der Bundesrat hat in seiner 909. Sitzung am 3. Mai 2013 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- Leutert, Michael DIE LINKE 17.05.2013 stimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: Möller, Kornelia DIE LINKE 17.05.2013 – Gesetz zur Abschaffung des Branntweinmonopols Mücke, Jan FDP 17.05.2013 (Branntweinmonopolabschaffungsgesetz) – Gesetz zur Änderung des Finanz- und Personal- Neumann (Bremen), CDU/CSU 17.05.2013 statistikgesetzes Bernd – Gesetz zur Änderung des Telekommunikations- Pflug, Johannes SPD 17.05.2013* gesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdaten- auskunft 30584 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

(A) – Gesetz zur Neuregelung der Professorenbesol- ches Beschaffungswesen und Investitionen sowie (C) dung und zur Änderung weiterer dienstrecht- die Förderung der wirtschaftlichen Integration licher Vorschriften (Professorenbesoldungsneu- zwischen den Parteien zu erreichen, welche die regelungsgesetz) wirtschaftliche Entwicklung voranbringen und auf diese Weise auch den Menschen in den be- – … Strafrechtsänderungsgesetz – Beschränkung troffenen Ländern zugutekommen soll. der Möglichkeit zur Strafmilderung bei Aufklä- rungs- und Präventionshilfe (… StrÄndG) 4. Der Bundesrat kritisiert jedoch, dass das Freihan- delsabkommen zwar verbindliche Verpflich- – Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG) tungen zur Marktöffnung im industriellen und agrarischen Bereich, zur Liberalisierung vieler – Gesetz zur Schlichtung im Luftverkehr Bereiche der Daseinsvorsorge und Infrastruktu- ren, des öffentlichen Beschaffungswesens um- – Gesetz zur Änderung seeverkehrsrechtlicher und fasst und einen Eingriff in das Alltagsleben und sonstiger Vorschriften mit Bezug zum Seerecht die sozialen und politischen Verhältnisse der – Gesetz über Intelligente Verkehrssysteme im Stra- Menschen darstellt, dass aber diesen Verpflich- ßenverkehr und deren Schnittstellen zu anderen tungen keine flankierenden arbeits-, sozial-, um- Verkehrsträgern (Intelligente Verkehrssysteme welt-, rechts- und verbraucherpolitischen Rege- Gesetz – IVSG) lungen mit entsprechender Verbindlichkeit und Kontroll- und Eingriffsmechanismen innerhalb – Gesetz zu dem Internationalen Übereinkommen des eigentlichen Abkommens an die Seite gestellt von Nairobi von 2007 über die Beseitigung von sind. Wracks 5. Der Bundesrat kritisiert zudem, dass die im Han- – Gesetz zu dem Abkommen vom 3. Mai 2012 zwi- delsabkommen vereinbarten Liberalisierungen schen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch- der Finanzmärkte die Bemühungen zur Regulie- land und der Regierung der Republik Korea über rung des internationalen Finanzsektors erschwe- die Seeschifffahrt ren und Geldwäsche und Steuerhinterziehung – Gesetz zu dem Handelsübereinkommen vom erleichtern können. So könnten Finanzakteure 26. Juni 2012 zwischen der Europäischen Union riskante Geschäfte machen, ohne ausreichend und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie Ko- von einer der Vertragsparteien kontrolliert zu lumbien und Peru andererseits sein. Das Abkommen schützt nur unzureichend (B) das Recht der Vertragsparteien, Kapitalflüsse zu (D) Ferner hat der Bundesrat die folgende Entschließung kontrollieren. gefasst: 6. Der Bundesrat erkennt an, dass der erste Artikel 1. Der Bundesrat stellt fest, dass mit dem Stillstand des Handelsübereinkommens auch umfassende der WTO-Verhandlungen die Tendenz zu bilate- Bestimmungen enthält, die den Schutz der Men- ralen Freihandelsabkommen zunimmt. Er hält schenrechte einfordern. Es ist zu begrüßen, dass grundsätzlich weltweite, multilaterale, an klare sich die Achtung der demokratischen Grundsätze Standards und kontrollierbare Regeln gebundene und der grundlegenden Menschenrechte sowie Abkommen für sinnvoller als ein Geflecht bilate- des Grundsatzes der Rechtstaatlichkeit in den in- raler Vereinbarungen. Weltweiter Handel schließt nenpolitischen Maßnahmen und der internationa- immer eine arbeits-, sozial-, umwelt-, rechts- und len Politik der Vertragsparteien spiegeln muss verbraucherpolitische Dimension ein, die beim und dass die Missachtung dieses wesentlichen Abschluss von Freihandelsabkommen vollum- Bestandteils des Übereinkommens zur Ergreifung fänglich berücksichtigt werden muss. Dies muss angemessener Maßnahmen führen kann, unter auch für EU-Handelsabkommen und sogenannte anderem zur möglichen Beendigung bzw. zur Gemischte Abkommen mit Drittstaaten gelten. Aussetzung eines Teils oder des gesamten Über- 2. Der Bundesrat bedauert, dass das Freihandelsab- einkommens. kommen mit Kolumbien und Peru nicht dem re- 7. Der Bundesrat betont aber, dass es im Falle Ko- gionalen Integrationsansatz der EU folgt und lumbiens und Perus wichtig gewesen wäre, den neue Schranken zwischen den Staaten der Region allgemeinen Streitbeilegungsmechanismus auch errichtet. Es steht somit auch im Widerspruch zur bei Verstößen gegen die Regelungen zum Schutz Lateinamerika-Strategie der Bundesregierung, von Arbeitnehmer-, Menschen- und Umweltrech- die regionale Integration zu fördern. ten anzuwenden, damit auch solche Verstöße in 3. Der Bundesrat begrüßt das grundsätzliche Bemü- dafür vorgesehenen Verfahren im Rahmen des hen, mit dem Handelsübereinkommen zwischen Abkommens sanktioniert werden können. Dabei der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaa- hätte sichergestellt werden müssen, dass insbe- ten einerseits sowie Kolumbien und Peru anderer- sondere auch Beschwerden von Seiten der Zivil- seits an historische und kulturelle Verbindungen gesellschaft direkt zu entsprechenden Verfahren anzuknüpfen und eine Öffnung der Märkte unter hätten führen können. Im Abkommen stellt Arti- anderem für Waren, Dienstleistungen, Öffentli- kel 285 Absatz 5 explizit klar, dass der Streitbei- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30585

(A) legungsmechanismus für das Nachhaltigkeitska- 11. Der Bundesrat betont, dass der erfolgten Verein- (C) pitel nicht zur Anwendung kommt. barung neuer innerstaatlicher Mechanismen und eines Dialogs mit der Zivilgesellschaft, auch 8. Der Bundesrat begrüßt in diesem Zusammenhang schon bei nur vorläufiger Anwendung des Ab- ausdrücklich, dass das Europäische Parlament kommens, nun eine entschlossene Umsetzung erstmalig ein Handelsabkommen mit einer Reso- folgen muss, welche getroffene Verabredungen lution zu Menschen- und Arbeitnehmerrechten zügig mit Leben erfüllt. Er ermutigt in diesem sowie zu den Umweltstandards ergänzt und von Zusammenhang die zivilgesellschaftlichen Orga- den souveränen Regierungen Kolumbiens und nisationen in den Andenstaaten und in der Euro- Perus einen konkreten Fahrplan zur Verbesserung päischen Union, die neue Möglichkeiten der Ein- der Situation von Gewerkschaftern sowie zur flussnahme zu nutzen, und fordert die beteiligten Verbesserung von Sozial- und Umweltstandards Regierungen auf, die Umsetzung der arbeits-, eingefordert hat. Beide Länder sind auf die For- sozial-, umwelt-, rechts- und verbraucherpoliti- derung des Europäischen Parlaments eingegan- schen Verpflichtungen entschlossen anzugehen gen und haben im Oktober 2012 entsprechende und dabei auch eine umfangreiche Informations- Fahrpläne vorgelegt. Damit verpflichtet sich etwa und Werbekampagne vorzusehen, um möglichst die kolumbianische Regierung öffentlich unter viele der interessierten Gruppen oder Personen anderem dazu, die Zivilgesellschaft in die Umset- für eine Beteiligung an dem Kontrollrahmen des zung des Abkommens einzubeziehen, eine neue zivilgesellschaftlichen Mechanismus zu gewin- „Fachgruppe für Handelsabkommen und Men- nen. Alle diese Schritte sind auch schon bei nur schenrechte“ einzurichten, das Budget für das vorläufiger Anwendung des Abkommens mög- Schutzprogramm für Gewerkschafter aufzusto- lich. cken und die Anzahl der Arbeitsinspektionen deutlich zu erhöhen. Ebenso soll in Zusammen- 12. Der Bundesrat begrüßt, dass der Handelsaus- arbeit mit der Zivilgesellschaft ein neues System schuss des Europäischen Parlaments erstmalig zur strafrechtlichen Ermittlung aufgebaut wer- eine Monitoring-Gruppe eingesetzt hat, die die den, um das Problem der hohen Straflosigkeit an- Umsetzung arbeits-, sozial-, umwelt-, rechts- und zugehen. Der Bundesrat begrüßt, dass durch die verbraucherpolitischer Verpflichtungen und des entschlossene Haltung des Europäischen Parla- in dem Abkommen enthaltenen Nachhaltigkeits- ments erreicht werden konnte, dass die Umset- kapitels bereits seit dem Zeitpunkt der vorläufi- zung vereinbarter Nachhaltigkeitsstandards in gen Anwendung des Abkommens überwachen Kolumbien und Peru von der Kommission und wird. (B) dem Europäischen Parlament überprüft wird. (D) 13. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, 9. Der Bundesrat erkennt an, dass mit dem ausge- die Implementation der von Kolumbien und Peru handelten Nachhaltigkeitskapitel, der Menschen- eingegangenen arbeits-, sozial-, umwelt-, rechts- rechtsklausel sowie den eingegangenen arbeits-, und verbraucherpolitischen Verpflichtungen auch sozial-, umwelt-, rechts- und verbraucherpoliti- schon im Rahmen der vorläufigen Anwendung des schen Verpflichtungen die Europäische Union Abkommens eng zu begleiten und auch auf natio- Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Situa- naler und europäischer Ebene auf Strukturen hin- tion der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, zuwirken, die eine Implementation sicherstellen der Umwelt und der Menschenrechte in Kolum- und ein wirkungsvolles Monitoring garantieren. bien und Peru erhalten soll. 14. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung zu- 10. Der Bundesrat sieht gleichwohl, dass trotz der er- dem dazu auf, bei der Erteilung eines Verhand- heblichen Anstrengungen, die sowohl Kolumbien lungsmandats für EU-Handelsabkommen an die als auch Peru in den letzten Jahren zur Verbesse- Kommission die Einbeziehung von Nachhaltig- rung der allgemeinen Lebensbedingungen ihrer keitsaspekten sowie die Wahrung von Sozial-, Bürgerinnen und Bürger einschließlich der Men- Menschenrechts-, Umwelt- und Verbraucher- schen- und Arbeitnehmerrechte unternommen schutzstandards und Belangen des Klimaschutzes haben, zur vollständigen Verwirklichung der fest- im jeweiligen Abkommen und unter dem allge- gelegten und von einzelnen Bürgern, zivilgesell- meinen Streitbeilegungsmechanismus einzufor- schaftlichen Organisationen, den Oppositionspar- dern. Die vereinbarten arbeits-, sozial-, umwelt-, teien und der Regierung geforderten hohen rechts- und verbraucherpolitischen Verpflichtun- Standards sowohl in Kolumbien als auch in Peru gen mit Kolumbien und Peru, die die Entschlie- noch weitere erhebliche Anstrengungen unter- ßung des Europäischen Parlaments veranlasst hat, nommen werden müssen. Dies gilt insbesondere weisen in die richtige Richtung und stellen unmit- für die seit langem bestehenden Probleme wie telbare Verbesserungen gegenüber dem Status Armut, Gewalt und Korruption, einen internen quo dar. Zur wirksamen und dauerhaften Absi- bewaffneten Konflikt (im Falle Kolumbiens mehr cherung dieser Standards ist aber die Einführung als 50 Jahre), illegale bewaffnete Gruppen, Dro- umfangreicher, verbindlicher und durch entspre- genhandel, Straflosigkeit, Vertreibung, Landent- chende Streitbeilegungsmechanismen durchsetz- eignung und Missachtung der Rechte indigener barer Regelungen innerhalb zukünftiger Abkom- Bevölkerungsgruppen. men nötig. 30586 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013

(A) – Elftes Gesetz zur Änderung des Bundes-Immis- Ausschuss für Bildung, Forschung und (C) sionsschutzgesetzes Technikfolgenabschätzung – Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den – Unterrichtung durch die Bundesregierung Städten und Gemeinden und weiteren Fortent- Gutachten zu Forschung, Innovation und technologi- wicklung des Städtebaurechts scher Leistungsfähigkeit Deutschlands 2011 und Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie- Stellungnahme der Bundesregierung ßung gefasst: – Drucksachen 17/8226 –

Zu Artikel 1 Nummer 16 Buchstabe b (§ 35 Absatz 4 – Unterrichtung durch die Bundesregierung BauGB) Gutachten zu Forschung, Innovation und technologi- Der Bundesrat bedauert, dass das vom Deutschen scher Leistungsfähigkeit 2012 Bundestag beschlossene Gesetz einen neuen Begüns- – Drucksachen 17/8872 – tigungstatbestand in § 35 Absatz 4 BauGB enthält. Wie der Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme – Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 21. September 2012, vergleiche BR-Drucksache Bundesbericht Forschung und Innovation 2012 474/12 (Beschluss), zu dem Gesetzentwurf der Bun- – Drucksachen 17/9680 – desregierung verdeutlicht hat, führt dieser neue Tatbe- stand zu einer Intensivierung und Verfestigung der – Unterrichtung durch die Bundesregierung Nutzung des Außenbereichs und widerspricht damit Gutachten zu Forschung, Innovation und technologi- dem erklärten Ziel des Gesetzes, die Innenentwick- scher Leistungsfähigkeit Deutschlands 2013 lung zu stärken und die Neuinanspruchnahme von – Drucksachen 17/12611 – Flächen zu vermeiden. – Unterrichtung durch die Bundesregierung Nach Auffassung des Bundesrates bietet die bereits Hightech-Strategie 2020 für Deutschland – Bilanz und derzeit gültige Fassung des § 35 Absatz 4 BauGB Perspektiven ausreichende Möglichkeiten, nicht mehr für die Land- hier: Stellungnahme der Bundesregierung zum Gutach- wirtschaft genutzte Bestandsbauten einer anderen ten zu Forschung, Innovation und technologischer Leis- zweckmäßigen Nutzung zuzuführen. Gegebenenfalls tungsfähigkeit Deutschlands 2013 käme – sofern öffentliche Belange von einer Neu- – Drucksachen 17/13075 – errichtung nicht beeinträchtigt werden – auch die Zu- lassung eines Vorhabens über § 35 Absatz 2 BauGB (B) Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben (D) in Betracht. mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher ent- Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- sprechend seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf ner Beratung abgesehen hat. vom 21. September 2012 erneut auf, umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die Erweiterung des § 35 Absatz 4 BauGB wieder gestrichen wird. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 17/13183 Nr. A.1 EuB-BReg 21/2013 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Drucksache 17/13183 Nr. A.2

mi EuB-BReg 22/2013 tgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Drucksache 17/13183 Nr. A.3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung Ratsdokument 5128/13 zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 17/13340 Nr. A.2 EuB-BReg 23/2013 Drucksache 17/13340 Nr. A.3 Innenausschuss EuB-BReg 24/2013

– Unterrichtung durch die Bundesregierung Innenausschuss Bericht über die Evaluierung des Nachweises einfacher

Deutschkenntnisse beim Ehegattennachzug nach dem Drucksache 17/11242 Nr. A.3

Aufenthaltsgesetz – Sprachlern- und Sprachtestange- Ratsdokument 14230/12

bote, Visumverfahren Drucksache 17/12126 Nr. A.13 Ratsdokument 17680/12 – Drucksachen 17/3090, 17/4118 Nr. 1.1 –

Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 17/4927 Nr. A.12 Ratsdokument SEK-Nr.(2011)173 endg. – Unterrichtung durch die Bundesregierung Dritter Bericht der Bundesregierung über die Entwick- lung und Zukunftsperspektiven der maritimen Wirt- Ausschuss für Wirtschaft und Technologie schaft in Deutschland Drucksache 17/2994 Nr. A.34 – Drucksachen 17/12567 – EuB-BReg 115/2010 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2013 30587

(A) Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 17/12449 Nr. A.10 (C) Ratsdokument 5600/13 Drucksache 17/12911 Nr. A.4 Drucksache 17/12587 Nr. A.16 Ratsdokument 6380/13 Ratsdokument 5864/13 Drucksache 17/12911 Nr. A.5 Drucksache 17/12783 Nr. A.10 Ratsdokument 6671/13 Ratsdokument 6186/13

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Bildung, Forschung und Drucksache 17/3135 Nr. A.6 Technikfolgenabschätzung Ratsdokument 13216/10 Drucksache 17/11439 Nr. A.17 Drucksache 17/4338 Nr. A.16 Ratsdokument 14869/12 EuB-EP 2087 Drucksache 17/7423 Nr. A.34 Ratsdokument 14556/11 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Drucksache 17/11108 Nr. A.17 Union Ratsdokument 13707/12 Drucksache 17/9797 Nr. A.11 Ratsdokument 9170/12 Drucksache 17/11439 Nr. A.21 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Ratsdokument 14854/12 Reaktorsicherheit Drucksache 17/11617 Nr. A.13 Ratsdokument 15627/12 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 17/11919 Nr. A.17 Drucksache 17/10710 Nr. A.86 Ratsdokument 15984/12 Ratsdokument 12558/12

(B) (D) Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-7980