Tüften oder Knollen – die beiden deutschen Übersetzungen von J.R.R. Tolkiens Roman Der Herr der Ringe und ihre Rezeption in der Fangemeinde

Masterarbeit zur Erlangungen des akademischen Grades Master of Arts (MA)

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von: Birgit SPALT, BA

am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft

Begutachter: Univ.-Prof. Dr. Pekka Kujamäki

Graz, Oktober 2017

„So do I,“ said Gandalf, „and so do all who live to see such times. But that is not for them to decide. All we have to decide is what to do with the time that is given us.“

J.R.R. Tolkien

- II - Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit an Eides statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Alle Stellen, die wörtlich oder inhaltlich den angegebenen Quellen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht.

Graz, am ______

Birgit Spalt

- III - Danksagung

Es gibt sehr viele Menschen, bei denen ich mich an dieser Stelle von ganzem Herzen bedanken möchte. Viele von euch haben mich nicht nur im Laufe des Masterstudiums begleitet, sondern auch schon vorher, in den drei Jahren des Bachelors. Ohne euch wäre all das nicht möglich gewesen und ich freue mich, von euch allen so tatkräftig unterstützt worden zu sein. Zuerst möchte ich aber nun meinem Betreuer Univ.-Prof. Dr. Pekka Kujamäki danken. Sie waren nicht nur offen für mein Thema, sondern haben mir auch immer geholfen, wenn ich nicht mehr weiterwusste. Ihr Input hat mich davor bewahrt, zu sehr in meinen eigenen Enthusiasmus für das Thema abzugleiten und dank Ihnen habe ich den roten Faden der Masterarbeit nicht aus den Augen verloren. Nicht nur waren Sie immer leicht zu erreichen und mit Rat und Tat zur Stelle, Sie antworteten auch immer rasch und detailliert auf alle Fragen. Vielen herzlichen Dank für die angenehme Zusammenarbeit und Ihre wertvollen Hilfestellungen. Ganz besonders möchte ich auch meinen Eltern danken. Es war nicht nur ihre finanzielle Hilfe, die mich durch das Studium gebracht hat, sondern vor allem auch der seelische und mentale Beistand. Egal in welcher Lebenslage ich mich gerade befand, ich konnte (und kann) mich immer darauf verlassen, dass ihr mich unterstützt und für mich da seid. Ich bin über die Maßen froh, dass ich die Tochter von so wundervollen, liebenden Eltern sein darf, und dass ich in eine so tolle Familie hineingeboren bin. An dieser Stelle möchte ich auch meinen Geschwistern Gudrun, Rainer, Ingrid und Gerhard meinen Dank aussprechen. Mit euch Teil dieser einzigartigen Familie zu sein gibt mir immer wieder die Kraft, weiterzumachen. Die Wochenenden zu Hause mit euch allen waren immer wieder wie ein kleiner, oft bitter benötigter Urlaub. Hervorzuheben sind an dieser Stelle auch Rainer und Ingrid, die mich, als sie selbst noch in Graz studiert haben, besonders intensiv begleitet und unterstützt haben. Die Geschwisterabende mit euch waren immer wieder ein willkommener Lichtblick an trüben Tagen. Auch meinem Partner Manuel gilt besonderer Dank. In den letzten Jahren warst du immer für mich da und du bist und bleibst mein Fels in der Brandung. Die vielen Umarmungen und guten Worte haben mir immer wieder Kraft gegeben, wenn ich kurz vorm Aufgeben war, und die vielen gemeinsamen Abende und (Kurz)Urlaube haben oft alles wieder in die richtige Perspektive gerückt, wenn die Welt manchmal wieder ganz fürchterlich gewirkt hat. Ohne deine treue und selbstlose Unterstützung wäre ich nicht so weit gekommen.

- IV - Last but not least gebührt natürlich auch meinen Freundinnen und Freunden besonderer Dank. Ich kann die vielen Gespräche und Unternehmungen gar nicht nennen, die mit so viel Spaß und Gelächter gefüllt waren. Mit alle meinen Problemen konnte ich immer zu euch kommen und mich absolut darauf verlassen, dass ihr mir nicht nur ein offenes Ohr leiht, sondern auch mit mir gemeinsam Frust ablasst und sich dann am Ende alles doch irgendwie wieder zu Spaß umwandelt. Danke für eure immer positive Unterstützung. Vor allem auch dir, liebe Laura, danke ich von ganzem Herzen für deine Arbeit als Korrekturleserin dieser Masterarbeit. Dein geschultes Auge hat mir viele (peinliche) Fehler erspart. Vielen Dank, dass ihr alle immer an mich geglaubt habt und für mich da wart, ich bin unendlich froh, euch alle in meinem Leben zu haben.

- V - Inhalt

EINLEITUNG ...... 8

1. DER UNTERSUCHUNGSGEGENSTAND ...... 10

1.1. J.R.R. TOLKIEN ...... 10

1.2. MARGARET CARROUX ...... 11

1.3. WOLFGANG KREGE ...... 12

1.4. DER HERR DER RINGE ...... 14

1.4.1. DIE GEFÄHRTEN ...... 15

1.4.2. DIE ZWEI TÜRME ...... 16

1.4.3. DIE RÜCKKEHR DES KÖNIGS ...... 17

2. DAS FANTASYGENRE UND DER HERR DER RINGE ...... 19

2.1. DIE KONVENTIONEN DER FANTASYLITERATUR UND DIE ERWARTUNGEN DER LESERINNEN ...... 20

2.2. DIE VERFILMUNG VON DER HERR DER RINGE ...... 25

2.3. TOLKIENS FANS ...... 27

3. DIE LITERARISCHE ÜBERSETZUNG ...... 30

3.1. VERSUCH DER BEGRIFFSDEFINITION „LITERARISCHE ÜBERSETZUNG“ ...... 30

3.2. LITERARISCHE ÜBERSETZERINNEN ...... 32

3.3. NEUÜBERSETZUNGEN ...... 34

3.3.1. GRÜNDE FÜR NEUÜBERSETZUNGEN ...... 37

3.3.2. DIE BEZIEHUNG ZWISCHEN ERSTÜBERSETZERIN UND NEUÜBERSETZERIN ...... 39

4. HERAUSFORDERUNGEN BEI DER TOLKIEN-ÜBERSETZUNG ...... 41

4.1. DIE SPRACHSITUATION IN MITTELERDE ...... 42

4.2. TOLKIENS STIL – ARCHAISMEN ...... 44

4.3. NAMENSÜBERTRAGUNG ...... 47

4.4. GEDICHTE UND LIEDER ...... 51

4.5. DAS RISIKO NACH DER ÜBERSETZUNG – DIE REZEPTION IN DER FANGEMEINDE ...... 53

5. DIE QUALITATIVE INHALTSANALYSE ...... 57

5.1. MERKMALE DER QUALITATIVEN INHALTSANALYSE ...... 58

5.2. ABLAUF NACH MAYRING ...... 60

- VI - 6. ANALYSE DER UMFRAGE ...... 63

6.1. RAHMENBEDINGUNGEN DER UMFRAGE ...... 63

6.2. DARSTELLUNG DES ANALYSERASTERS ...... 66

6.3. VORSTELLUNG DER ERGEBNISSE ...... 70

6.4. ANALYSE UND DISKUSSION DER ANTWORTEN ...... 72

6.4.1. ABSTIMMUNG MIT TOLKIEN ...... 72

6.4.2. GEWOHNHEIT ...... 74

6.4.3. LESBARKEIT ...... 76

6.4.4. WERK- UND STILTREUE ...... 77

6.4.5. GESAMTSTIMMUNG ...... 81

6.4.6. GENREKONVENTIONEN ...... 82

6.4.7. SPRACHGEBRAUCH ...... 85

6.4.8. AUSREIßER ...... 88

6.4.9. SONSTIGE ...... 90

6.4.10. OHNE BEGRÜNDUNG ...... 97

6.5. FAZIT ...... 97

7. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK ...... 101

BIBLIOGRAPHIE ...... 104

PRIMÄRLITERATUR ...... 104

SEKUNDÄRLITERATUR ...... 104

WEITERE QUELLEN ...... 110

ANHÄNGE ...... 111

KARTE VON MITTELERDE ...... 111

UMFRAGEERGEBNISSE ...... 112

VERZEICHNISSE ...... 127

- VII - Einleitung

Diese Masterarbeit befasst sich mit J.R.R. Tolkiens Fantasywerk Der Herr der Ringe und dessen Rezeption in der Fangemeinde. Das englische Original wurde erstmals 1954 in England publiziert und trägt den Titel . Die erste deutsche Übersetzung, erstellt von Margaret Carroux, erschien 1969 beim Verlag Klett-Cotta und entstand in Zusammenarbeit mit Tolkien selbst (Klett-Cotta o.J.). 31 Jahre später, im Jahr 2000, veröffentlichte derselbe Verlag eine Neuübersetzung des Herrn der Ringe von Wolfgang Krege. Nur ein Jahr darauf, also 2001, erschien der erste Teil der Romanverfilmung durch Regisseur Peter Jackson. Die Forschungsfrage, der in dieser Arbeit nachgegangen wird, ist, welche der beiden deutschen Übersetzungen in der Fangemeinde bevorzugt wird und weshalb. Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine qualitative Umfrage durchgeführt. Der Herr der Ringe und die Welt, die J.R.R. Tolkien mit diesem Werk geschaffen hat, faszinieren seit Generationen LiebhaberInnen der Fantasyliteratur auf der ganzen Welt. Dafür gibt es wohl eine große Anzahl von Gründen, nicht zuletzt Tolkiens besonderen Schreibstil und das Universum, welches der Autor nicht nur geschaffen, sondern auch über unzählige weitere Werke und Notizen ausgebaut und mit einer unglaublichen Liebe zum Detail beschrieben hat. In dem von Bassham und Bronson herausgegebenen Sammelband Der Herr der Ringe und die Philosophie (2009) wird im Vorwort auch das philosophische Interesse Tolkiens genannt. Themen wie Gut vs. Böse, der freie Wille vs. das Schicksal, das Leben nach dem Tod und einige andere kommen bei Tolkien vor (Bassham/Bronson 2009:11), was ebenfalls eine mögliche Erklärung für die Beliebtheit des Werks sein könnte. Neben Conventions und Vereinen für Fans gibt es auch eine eigene Forschung zum Thema J.R.R. Tolkien und der von ihm erdachten Welt. Dieser besondere Platz, den der Autor, seine Werke im Allgemeinen und Der Herr der Ringe im Besonderen einnehmen, hat mich dazu bewogen, meine Masterarbeit zu diesem Thema zu verfassen. Begonnen wird mit einer Vorstellung des Untersuchungsgegenstands: Die Handlung von Der Herr der Ringe wird kurz zusammengefasst und es wird ein Überblick über den Autor J.R.R. Tolkien sowie die beiden ÜbersetzerInnen Margaret Carroux und Wolfgang Krege gegeben. Hier wird auch kurz erklärt, wie die beiden ÜbersetzerInnen an ihre Arbeit am Herrn der Ringe herangegangen sind und ihr Skopos wird kurz besprochen. Da Tolkien als einer der Gründerväter des Fantasygenres gesehen wird und Der Herr der Ringe ein wegweisendes Werk für dessen Entstehung war, wird im Anschluss dieses Genre mit seinen Normen und

- 8 - Konventionen skizziert. Wegen der wichtigen Rolle, die die Verfilmung des Werks in Hinblick auf die Popularität und den Bekanntheitsgrad von Tolkiens Geschichte hat, gibt es auch einen Überblick über die Filmtrilogie, gefolgt von einer kurzen Vorstellung der Fangemeinde. Im Weiteren soll die literarischen Übersetzung definiert werden. Neben einem Versuch der Begriffsdefinition wird hier auch die Arbeit der ÜbersetzerInnen vorgestellt und welchen besonderen Herausforderungen sie sich bei der Literaturübersetzung gegenübersehen. Besonderes Augenmerk liegt in diesem Kapitel auch auf der Thematik der Neuübersetzung von literarischen Werken und wie es überhaupt zu dieser kommt. Kapitel 4 widmet sich den Herausforderungen, denen ÜberetzerInnen sich stellen müssen, wenn sie Tolkien übersetzen. Hierfür werden auch einige Fallbeispiele herangezogen und es finden auch andere Werke Tolkiens Erwähnung. Das folgende Kapitel widmet sich der Darstellung der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring, die die Basis für die Analyse der Antworten der ProbandInnen darstellt. Nach dieser Besprechung der wissenschaftlichen Hintergründe für die vorliegende Arbeit folgt im Anschluss die Ausarbeitung eines Analyseschemas für die Umfrage. Die Antworten werden vorgestellt sowie diskutiert und gemeinsame Punkte und Meinungen zusammengefasst. Abschließend werden die Ergebnisse der Analyse resümiert und es folgt ein Ausblick auf mögliche weitere interessante Forschungsfragen zu dieser Thematik.

- 9 - 1. Der Untersuchungsgegenstand

Zu Beginn werden nun der Autor selbst sowie die beiden ÜbersetzerInnen Margaret Carroux und Wolfgang Krege vorgestellt. Die Eckdaten zum Leben dieser beiden werden aus nicht- wissenschaftlichen Internetquellen entnommen; doch der Fokus liegt ohnehin auf der jeweiligen Übersetzung des Herrn der Ringe. Hier wird mit Referenz auf die Masterarbeit Tolkiens Mythen – Der Kampf zwischen Gut und Böse (2003) von Michaela Landschützer auch beschrieben, gemäß welcher Grundsätze die beiden ÜbersetzerInnen ihre Übersetzung angefertigt haben. Im Anschluss daran folgt eine kurze Inhaltsangabe zum Herrn der Ringe. Diese ist nötig, damit auch jene LeserInnen, die das Werk nicht kennen, verstehen, worum es überhaupt geht, Referenzen in dieser Arbeit nachvollziehen können und einen Eindruck davon bekommen, was Tolkien geschaffen hat. Dies ist insbesondere deshalb relevant, weil dadurch leichter verständlich wird, was für einen Platz Der Herr der Ringe und Tolkien in den Herzen ihrer Fans einnehmen.

1.1. J.R.R. Tolkien Der englische Autor und Philologe John Ronald Reuel Tolkien lebte von 1892 bis 1973. Sein besonderes Interesse galt nicht nur den Sprachen; auch die altnordische und keltische Dichtung und Mythologie inspirierten ihn zur Erschaffung seiner eigenen Fantasywelt: Mittelerde (siehe „Karte von Mittelerde“ im Anhang) (Lexikonredaktion des Verlags F.A. Brockhaus 2007:848f.). Er wurde in Südafrika als Sohn englischer Eltern geboren, doch als sein Vater starb, zog die Familie wieder nach England. Schon in jungen Jahren zeigte Tolkien eine außergewöhnliche Vorliebe und Begabung für Sprachen und erfand auch seine eigenen. Er beherrschte einige Sprachen, darunter Latein, Griechisch und Finnisch. Im Jahre 1911 ging er schließlich zur Uni und widmete sich ganz dem Studium der Sprachen und der Philologie. In dieser Zeit versuchte Tolkien sich auch schon an eigenen literarischen Werken und ab 1914 verfasste er erste Texte, die Teil seines Lebenswerks rund um Mittelerde wurden. Diesen fehlte allerdings noch Struktur und erst nach seiner Heirat und seinem Dienst im Ersten Weltkrieg ordnete Tolkien seine bisherigen Arbeiten und begann strukturierter an der Welt von Mittelerde zu arbeiten (Doughan o.J.). 1918 kehrte Tolkien an die Universität Oxford zurück und arbeitete dort am Oxford English Dictionary mit. Damit begann er seine Universitätskarriere und in den folgenden Jahren arbeitete er kontinuierlich an Geschichten und Gedichten rund um Mittelerde. Um 1930 soll er damit begonnen haben, am Hobbit zu

- 10 - arbeiten, welcher 1937 publiziert wurde. Aufgrund des großen Erfolgs des Kinderbuchs wurde er dazu gedrängt, eine Fortsetzung zu schreiben, was wohl der Anstoß für Der Herr der Ringe war. 1954 wurden The Fellowship of the Ring sowie The Two Towers veröffentlicht und 1955 schließlich The Return of the King (Flowers o.J.). Anzumerken ist jedoch, dass Tolkien den Herrn der Ringe eigentlich nicht als Trilogie verfasst hat, sondern als Einzelwerk. Es waren wohl wirtschaftliche Gründe und die Tatsache, dass unklar war, wie die Geschichte von den LeserInnen aufgenommen werden würde, die den Verlag dazu veranlassten, das lange Werk in drei Teilen zu publizieren. Doch das Projekt war von großem Erfolg gekrönt und die posthum von Tolkiens Sohn Christopher Tolkien veröffentlichten Werke wie etwa Das Silmarillion zeigen (Drabble 2006:1018), welche Fülle an Notizen, Schriften und Geschichten der englische Autor zu Mittelerde und dessen BewohnerInnen verfasst, aber nie geordnet und veröffentlicht hat. Wichtig zu erwähnen ist an dieser Stelle auch noch, dass J.R.R. Tolkien den Herrn der Ringe nicht geschrieben hat, weil er eine Geschichte erzählen wollte, sondern vielmehr, weil er eine Welt erschaffen wollte, in der die von ihm erdachten Sprachen natürlich bestehen können. Er selbst spricht von einem linguistischen Werk und erklärt, dass seine Faszination auch im realen Leben immer schon den Sprachen galt und die Geschichte für ihn lediglich einen Rahmen dafür bildet (Nagel 2011a:21). Angesichts der Tatsache, dass Tolkien mit den Übersetzungen seines Werks ins Niederländische und ins Schwedische so unzufrieden war, dass er daraufhin seinen Leitfaden zur Übersetzung veröffentlichte, wird noch klarer, wie wichtig ihm dieser Aspekt seiner Arbeit war. Nagel argumentiert daher, dass die Übersetzungen des Herrn der Ringe deshalb danach beurteilt werden sollten, wie sie mit der Art und Weise umgehen, auf die Tolkien Sprache verwendet (ibid.:22).

1.2. Margaret Carroux Die erste deutsche Übersetzung zu Tolkiens The Lord of the Rings erschien 1969 beim Verlag Klett-Cotta. Sie wurde von Margaret Carroux angefertigt, wobei allerdings die vielen Gedichte und Lieder von der Poetin Ebba-Margareta von Freymann übersetzt wurden. Margaret Carroux lebte von 1912 bis 1991 und verbrachte ihr Leben in Deutschland. Nach einem abgebrochenen Studium der Nationalökonomie und der Sprachen Englisch und Französisch begann sie in der Nachkriegszeit amerikanische Zeitungsartikel zu übersetzen und gründete später die Internationale Nachrichtenagentur in Frankfurt am Main. Erst nach ihrer

- 11 - Ehe, die zwei Kinder hervorbrachte, begann sie Sachbücher und Literatur zu übersetzen. Bei der Übersetzung vom Herrn der Ringe war es ihr wichtig, Tolkiens Meinung einzuholen und die beiden korrespondierten. Besonders bei der Namensübersetzung hatte der Autor seine Finger im Spiel, standen Carroux doch von ihm verfasste Anmerkungen zu den im Buch vorkommenden Namen zur Verfügung. Doch auch das Hinzuziehen von Ebba-Margareta von Freymann geschah auf Anraten von Tolkien selbst, der die Lieder und Gedichte als fundamentalen Teil der Geschichte empfand und der Meinung war, dass ein/e PoetIn besser dazu im Stande wäre, ihre lyrischen Besonderheiten zu übertragen (Ardapedia o.J.a). In ihrer Diplomarbeit hat Michaela Landschützer (2003) einen Übersetzungsvergleich der beiden Übersetzungen von Der Herr der Ringe angestellt (wohlgemerkt wurde nur „Die Gefährten“ untersucht). Die Ergebnisse ihrer Analyse zeigen, dass Margaret Carroux sich bei der Übersetzung klar an der Ausgangssprache und -kultur orientiert und die Genrekonventionen der Fantasy respektiert. Im Allgemeinen hält sie sich, was Stil und Satzbau betrifft, sehr genau an das Original und weicht nur dann von dieser Vorgehensweise ab, wenn dies durch die sprachlichen Rahmenbedingungen nötig ist. Es kommt kaum zu Bedeutungsverschiebungen, da sich Carroux bestmöglich an das englische Original mit seinen Betonungen, Stilfiguren und Archaismen hält (Landschützer 2003:120). Auch Rainer Nagel kommt zu demselben Ergebnis, wenn er sagt, dass Carroux, „remained […] true to the stipulations given by Tolkien […], thus […] remaining as ‚loyal‘ to the text as was possible without sacrificing the need to create a readable German text” (2011a:22f.).

1.3. Wolfgang Krege Die Neuübersetzung von Der Herr der Ringe, die 2000 beim Verlag Klett-Cotta erschien, wurde von Wolfgang Krege angefertigt. Er übernahm zumeist ebenfalls die Gedicht- und Liedübersetzungen von Ebba-Margareta von Freymann, doch unterzog er diese in manchen Fällen leichten Änderungen. Wolfgang Krege lebte zwischen 1939 und 2005 in Deutschland und war Übersetzer, Lektor, Redakteur sowie Schriftsteller. Seine Karriere ist eng mit Tolkiens Lebenswerk verbunden, hat er doch seine Bekanntheit als Übersetzer in erster Linie seiner Herr der Ringe-Übersetzung zu verdanken. Doch auch davor schon setzte Krege sich intensiv mit Tolkien auseinander und übersetzte viele Werke, die sich mit dem Autor und Mittelerde beschäftigen. Vor allem seine wohlbekannte Neuübersetzung von Tolkiens Hobbit soll den Ausschlag dafür gegeben haben,

- 12 - dass der Verlag Klett-Cotta ihn mit der Neuübersetzung vom Herrn der Ringe betraute (Ardapedia o.J.b). Eigenen Angaben zufolge war es Kreges Wunsch, eine neue und moderne Übersetzung anzufertigen: Die alte Fassung ist eine getreue Nacherzählung einer fremden Geschichte. Sie gibt den englischen Text im Allgemeinen zuverlässig wieder; doch der Ton klingt neutral und gedämpft, als käme er über Mikrofon aus der gläsernen Kabine eines Dolmetschers. Die neue Fassung maßt sich einen Versuch an, die Geschichte so vorzutragen, wie Tolkien es tun würde, wenn er heute, 1999, schriebe und wenn er sie aus dem Westron1 gleich ins Deutsche brächte, ohne den Umweg über das Englische. (Krege 1999:379)

Hier wird auch deutlich, dass Krege selbst seine Übersetzung klar von jener von Margaret Carroux abgrenzt. In einer Mail an den publizierenden Verlag bezeichnet er Carroux’ Übersetzung als durchschnittlich und blass und sagt, dass seine Übersetzung mehr Tempo und Farbe beinhalten soll (Nagel 2011a:23). Doch war es genau diese Vorgehensweise, die dazu führte, dass Krege in vielen Fällen eine gar zu saloppe Sprache gebrauchte, die mit den Genrekonventionen der Fantasy bricht. Dies ist einer der Gründe, warum seine Übersetzung von den LeserInnen, insbesondere von eingefleischten Fans, nicht mit sehr viel Wohlwollen aufgenommen wurde (Ardapedia o.J.b). Dies ist auch ein Punkt, der in den Antworten der UmfrageteilnehmerInnen immer wieder angesprochen wird. Nagel sagt zur Krege- Übersetzung, dass sie weniger als richtige Übersetzung zu verstehen ist, sondern vielmehr als eine Modernisierung, als eine Aufbereitung des Textmaterials für eine neue Generation von LeserInnen (Nagel 2011a:25). Interessant ist jedoch, dass Krege, der auch die Briefe Tolkiens übersetzt hat, wissen musste, dass der Autor in solch einer Modernisierung keinen Sinn sieht (ibid.:29). An diesem Punkt stellt sich auch die Frage, inwiefern Krege dem Autor Tolkien hier loyal war. Stolze fasst Christiane Nords Einstellungen zur Loyalität der ÜbersetzerInenn nicht nur gegenüber dem Zielpublikum, sondern auch gegenüber dem/der AutorIn folgendermaßen zusammen: ÜbersetzerInnen sind beiden Seiten verpflichtet und müssen sich darum bemühen, die Intentionen und Einstellungen des/der AutorIn so wiederzugeben, wie sie im Original sind und nicht zu verfälschen oder abzuändern (Stolze 2001:209f.). Wenn Krege sagt, dass er Tolkiens Original aufpolieren und an die heutige Zeit (in diesem Fall 1999) anpassen

1 Die Gemeinsprache im Herrn der Ringe. Auch wenn die meisten Völker bis auf die Menschen und die Hobbits eine eigene Sprache haben, spricht jeder Westron, da es zur Kommunikation zwischen den Völkern verwendet wird (Foster 2012:734f.). - 13 - möchte, bricht er dann nicht diesen Loyalitätsanspruch? Stellt er sich damit nicht über Tolkien? Verändert er nicht den Text und dessen Wirkung? In ihrer Analyse hat Michaela Landschützer herausgefunden, dass sich Krege im Gegensatz zu Carroux vorwiegend an der Zielsprache orientiert und modernen Formulierungen den Vorzug gibt, was sich durchaus mit dem deckt, was er seinen eigenen Angaben zufolge machen wollte. Durch seine zielsprachlich orientierten Formulierungen ist Krege dazu gezwungen, Stilfiguren und andere sprachliche Mittel einzufügen, die im Original nicht vorkommen, wodurch er generell mehr Stilfiguren verwendet als Tolkien es tut. Ein zu kritisierender Punkt ist, dass es bei Krege durch vom Ausgangstext abweichende Betonungen oder Satzkonstruktionen in einigen Fällen zu Bedeutungsverschiebungen kommt, die unglücklicherweise die Perspektive der LeserInnen verändern und sie in manchen Fällen sogar in die Irre führen (Landschützer 2003:120). Auch hierbei handelt es sich um einen Punkt, der von den LeserInnen, die an der Umfrage teilgenommen haben, angesprochen wurde und der daher auch in der Analyse in Kapitel 6 auftaucht. Anzumerken ist an dieser Stelle noch, dass 2012 aufgrund der starken Kritik von vielen Seiten eine überarbeitete Fassung der Krege-Übersetzung publiziert wurde, in der die am stärksten bemängelten Aspekte dieser Übersetzung abgeändert wurden. Ich persönlich kenne diese Version nicht und auch die ProbandInnen der Umfrage scheinen, soweit dies aus den Antworten ersichtlich ist, vorwiegend die nicht überarbeitete Version zu kennen und sich auf diese zu beziehen.

1.4. Der Herr der Ringe Die Vorgeschichte zum Herrn der Ringe wird in Tolkiens Kinderbuch Der Hobbit beschrieben, in Zuge dessen der Hobbit2 Bilbo Beutlin einen Ring findet, der unsichtbar macht. Der Ringfund ist im Hobbit zwar nur ein unbedeutender Handlungsstrang, schafft jedoch die Grundlage für den Herrn der Ringe. Der beschriebene Ring ist nämlich der von Sauron geschmiedete Ring der Macht, in den dieser einen Gutteil seiner Macht einfließen hat lassen und mit dessen Hilfe Sauron Mittelerde unterwerfen möchte. Nachdem in einem Krieg der Ring und sein Besitzer

2 Hobbits (oder auch Halblinge) zählen zum sogenannten „Kleinen Volk“ und werden nur etwa halb so groß wie Menschen. Sie lieben das Essen und die Ruhe und Pflanzen und bleiben im Allgemeinen für sich. Sie leben fast ausschließlich im Auenland und in Bree (für diese und die folgenden Ortsangaben siehe „Karte von Mittelerde“ im Anhang) und sind ein lustiges Volk. Droht jedoch Gefahr können sie eine bemerkenswerte Widerstandskraft und viel Mut an den Tag legen. (Foster 2012:354f.) - 14 - (oder Meister) getrennt wurden, konnte Sauron (vorübergehend) besiegt werden und einige Zeit später ging der Ring verloren. In dieser friedvollen Zeit lebt nun der Hobbit Bilbo Beutlin und bringt von einer Abenteuerreise den Einen Ring zurück in seine beschauliche Heimat, das Auenland3, ohne um die Macht des Rings zu wissen. Die Jahre vergehen und der Ring verleiht dem Hobbit ein unnatürlich langes Leben. Zu seinem 111. Geburtstag beginnt die Erzählung von Der Herr der Ringe.

1.4.1. Die Gefährten Die Geschichte fängt mit der Geburtstagsfeier von Bilbo an, in Zuge derer er sich vom Einen Ring trennt, das Auenland verlässt und alles seinem Neffen Frodo hinterlässt. Der Zauberer Gandalf, ein Freund von Bilbo, vermutet, dass der einfache Goldring Saurons Ring der Macht sein könnte und bittet daher Frodo, gut auf ihn Acht zu geben und ihn nicht zu verwenden, bevor er sich auf den Weg durch Mittelerde macht, um Nachforschungen anzustellen. Es dauert beinahe 17 Jahre bis er Gewissheit hat und ins Auenland zurückkehrt und er rät Frodo den Ring nach Bruchtal zu bringen, zum Elbenfürsten4 Elrond. Hierbei wird er unterstützt von seinem Gärtner und Freund Samweis Gamdschie (Sam) und seinen beiden Vettern Meriadoc Brandybock (Merry) und Peregrin Tuk (Pippin). Während Gandalf Rat beim Ältesten seines Ordens, Saruman dem Weißen, sucht, machen sich die vier Hobbits zu Fuß auf den Weg nach Bree, wo sich ihnen der Waldläufer Streicher anschließt. Dieser sieht zwar verwahrlost aus, ist aber eigentlich Aragorn, der Thronerbe Gondors. Mit seiner Hilfe entkommen sie knapp den Ringgeistern5 Saurons, Nazgûl genannt. Diese wurden von Sauron ausgeschickt, um einen Herrn Beutlin im Auenland zu finden, da er vom Geschöpf Gollum6 erfahren hat, dass dieser ihm den Ring vor langer Zeit gestohlen hat. Bei dem Angriff der Ringgeister wird Frodo verletzt und die giftige Wunde kostet ihn beinahe das Leben.

3 Im Anhang befindet sich ein Scan der Karte von Mittelerde, auf der diese und die folgenden Ortsangaben zu finden sind. 4 Die Elben sind die ältesten und weisesten Wesen in Mittelerde. Sie sind sehr groß, anmutig und schön, sind jedoch auch sehr stark und widerstandsfähig. Sie lieben das Wissen und die Natur, besonders die Sterne, und gelten als unsterblich sofern sie nicht durch Gewalt getötet werden (Foster 2012:193ff.). 5 Die Ringgeister waren neun Menschen, die durch Zauberringe und ihre Gier nach Macht zu Saurons Dienern wurden. Sie sind sehr mächtig und fungieren unter anderem als Kundschafter und Heerführer. Sie selbst sind unsichtbar, tragen aber schwarze Umhänge und können nur von besonderen, verzauberten Klingen verletzt werden (Foster 2012: 496f.). 6 Gollum (oder auch Sméagol) war einst ein Hobbit der den Einen Ring viele Jahre besaß. Durch seinen Einfluss wurde er hinterhältig und zog sich in die Nebelberge zurück, wo er im Dunkeln lebte bis er den Ring verlor, kurz bevor Bilbo ihn fand. Seine Erscheinung veränderte sich, sodass er einem Hobbit kaum mehr gleicht und er hasst die Sonne und alles Elbische (Foster 2012:295f.). - 15 - Als die fünf Bruchtal erreichen, treffen sie Gandalf wieder, der erzählt, dass der Anführer seines Ordens, Saruman, nun auf der Seite des Feindes steht. Auch Abgesandte der Menschen, Zwerge und anderer Elbenvölker erreichen Bruchtal und es wird ein Rat abgehalten. Es wird die Entscheidung getroffen, dass neun Gefährten losziehen sollen, um den Ring nach Mordor zu bringen und in die Feuer des Schicksalsberges im Herzen Mordors zu werfen, da er nur so vernichtet werden kann. Neben den vier Hobbits Frodo, Sam, Merry und Pippin gehören auch Gandalf und Aragorn zu diesen Gefährten, ebenso wie der Mensch Boromir, Sohn des Truchsess von Gondor, der Zwerg Gimli und der Elb Legolas. Sie alle ziehen los, um den Ring zu vernichten und somit Saurons Macht zu brechen. Doch ihre Reise ist voller Gefahren: In den Minen von Moria finden sie nichts außer den Leichen der Zwerge, die einst dort lebten, und eine Horde Orks7, die die neun Gefährten angreift. Bevor sie die Minen durchquert haben, greift auch noch ein schreckliches Feuermonster, ein Balrog, an, der sie alle vernichten könnte, doch Gandalf stellt sich ihm in den Weg und die beiden stürzen in die Tiefe. Dies ermöglicht den verbliebenen Gefährten die Flucht und sie erreichen Lothlórien, das Waldreich der Elben, das von der weisen und schönen Galadriel regiert wird. Dort erholen die verbliebenen Gefährten sich, werden mit besonderen Geschenken von der Elbenfürstin geehrt und neu ausgerüstet, bevor sie weiterziehen. Bei den Raurosfällen erkennt Frodo, dass er den Weg nach Mordor alleine gehen muss und macht sich heimlich auf den Weg. Nur Sam durchschaut seinen Plan und begleitet ihn.

1.4.2. Die Zwei Türme Als der Rest der Gefährten von Sarumans Orks angegriffen wird, werden Merry und Pippin entführt und Boromir wird getötet. Nach seiner Bestattung beschließen Aragorn, Gimli und Legolas, die Hobbits zu befreien anstatt Frodo und Sam zu folgen und sie jagen die Orks bis nach Rohan. Merry und Pippin können sich unterdessen befreien und fliehen in den Fangornwald, wo sie den Ent8 Baumbart treffen und einige Zeit später mit ihm und der Hilfe seines Volks Isengart angreifen. Aragorn, Gimli und Legolas folgen ihren Spuren in den

7 Die Orks wurden aus Elben gezüchtet und sind ein kleines, zähes Volk, welches das Sonnenlicht und alles Schöne hasst und den Kampf und das Töten liebt. Sie sind Saurons Diener und werden vor allem im Kampf verwendet (Foster 2012:529ff.). Eine stärkere und größere Unterart sind die sogenannten Uruk-hai, denen das Sonnenlicht weniger ausmacht und die zumeist als Anführer eingesetzt werden (ibid.:699f.). 8 Ents sind Bäume, die von Geistern belebt wurden und gehen und sprechen können, auch wenn sie sehr langsam sind. Sie sind Baumhirten und beschützen die Wälder, doch sind sie ein sterbendes Volk da die Entfrauen irgendwann verschwanden. Sie sehen aus wie eine Kreuzung aus einem Menschen und einem Baum, sind etwa vier Meter groß und besitzen die komprimierte Macht von Bäumen (Foster 2012:215f.). - 16 - Fangornwald, wo sie auf Gandalf treffen. Dieser hat seinen Sieg über den Balrog nicht überlebt, wurde aber zurückgeschickt, um Sauron zu besiegen. Gemeinsam reiten sie nach Edoras, der Hauptstadt von Rohan. Dort heilt Gandalf den König Théoden, der sich daraufhin gegen den Angriff von Sarumans Armee aus Uruk-hai wappnet und mit seinem Volk in die sichere Burg Helms Klamm flieht. In einem blutigen und langen Kampf werden Sarumans Uruk- hai besiegt. Nach diesem Sieg ziehen König Théoden, Aragorn, Legolas, Gimli und Gandalf weiter nach Isengart, wo sie auf Baumbart und Merry und Pippin treffen, die den besiegten Saruman bewachen. Gandalf ist nun stärker als Saruman und zerbricht dessen Zauberstab, wodurch der seine Macht verliert. Frodo und Sam treffen inzwischen auf das Geschöpf Gollum, das den Einen Ring so lange getragen hatte, dass es völlig von ihm vereinnahmt, zerstört und besessen ist. Gollum wird zum Führer der beiden, da er einen geheimen Weg nach Mordor kennt. Er führt sie zu den Treppen von Cirith Ungol, wo er sie der Riesenspinne Kankra ausliefert. Diese vergiftet Frodo und Sam nimmt den Ring an sich, weil er denkt, dass Frodo tot ist und er die Aufgabe zu Ende führen möchte. Doch dann findet er heraus, dass Frodo nur betäubt ist und er folgt den Orks, die ihn mitnehmen, um seinen Freund zu befreien.

1.4.3. Die Rückkehr des Königs Auf unterschiedlichen Wegen gelangen Aragorn, Gimli, Legolas, Merry, Pippin und Gandalf nach Gondor, das von Sauron angegriffen wird. In der Schlacht um Minas Tirith wird der Anführer der Nazgûl getötet und das Bündnis aus den Kriegern von Rohan und Gondor sowie einer Armee aus Toten kann die Schlacht schließlich für sich entscheiden. Als Nachricht eintrifft, dass Frodo und Sam die Grenze nach Mordor überschritten haben, wird beschlossen, Sauron am Schwarzen Tor herauszufordern, um ihn dazu zu bringen, seine Streitkräfte hier zusammenzuziehen und so Frodo und Sam den Weg durch Mordor bis zum Schicksalsberg zu erleichtern. Dieser Plan funktioniert, doch als Frodo den Ring in die Schicksalskluft werfen soll, um ihn endgültig zu vernichten, kann er es nicht. Der Ring hat zu sehr an ihm gezehrt und er bringt es nicht über sich, ihn zu zerstören. Gerade in diesem Moment taucht Gollum wieder auf, getrieben von seiner Obsession für den Ring greift er Frodo an und nimmt ihm den Ring ab. Doch dann stürzt Gollum mit dem Ring in die Feuer des Schicksalsberges, wodurch der Ring sowie auch Sauron endgültig vernichtet werden und der Krieg endlich ein Ende findet. Mit riesigen Adlern holt Gandalf Frodo und Sam vom Schicksalsberg und rettet ihnen so das

- 17 - Leben. Zurück in Gondor wird Aragorn als rechtmäßiger Nachfolger der alten Könige von Gondor gekrönt und bleibt dort. Die verbliebenen Gefährten treten ihre Heimreise an und die Gemeinschaft löst sich nach und nach auf. Jahre später führen alle ein zufriedenes Leben, nur Frodo hat sich nie richtig von seiner Verletzung durch die Nazgûl und der Bürde des Ringes erholt und darf daher gemeinsam mit Bilbo und den Elben nach Valinor segeln, um dort in der Gesellschaft der Elben seinen Lebensabend zu verbringen.

Nachdem nun sowohl der Autor als auch die beiden ÜbersetzerInnen vorgestellt wurden sowie ein Überblick über die komplexen Handlungsstränge im Herrn der Ringe gegeben wurde, folgt nun der nächste Teil dieser Masterarbeit. Hier wird auf das literarische Genre eingegangen, in das der Roman fällt, nämlich das Fantasygenre. Es wird versucht, einen Überblick über die wichtigsten Merkmale des Genres zu geben, wobei hierbei nicht nur die Literatur Erwähnung findet, sondern auch die Filmwelt. Das liegt daran, dass sich die Konventionen des Fantasygenres in beiden Feldern – abgesehen von den unterschiedlichen Medien – sehr stark ähneln. Im Weiteren wird dann auch die Verfilmung des Herrn der Ringe vorgestellt und diskutiert, da diese sehr wichtig für den Bekanntheitsgrad und die Popularität des Werks war. Durch sie wurde ein viel breiteres Publikum für Tolkiens Welt gewonnen und es hat sich auch in der Fankultur viel verändert. Die Fans des Autors sowie des Werks werden dann im letzten Unterkapitel genauer skizziert. Es soll nicht nur ein Eindruck dessen entstehen, wie groß die Fangemeinschaft ist, sondern auch davon, wie weit der Enthusiasmus Einzelner geht. Diese Darstellungen sollen dabei helfen, ein Bild der Fangemeinschaft zu vermitteln, die durch die Umfrage zu einem elementaren Bestandteil der vorliegenden Masterarbeit wird.

- 18 - 2. Das Fantasygenre und Der Herr der Ringe

Im 20. Jahrhundert entwickelte sich das Genre Fantasy als Variante der fantastischen Literatur, die sich vor allem durch Übernatürliches auszeichnet. Die behandelten Themen werden vorwiegend aus den keltischen, skandinavischen und orientalischen Sagen und Mythen bezogen. Zumeist kreist die Handlung um den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse und findet in einem idealisierten und mit romantischen Augen betrachteten Mittelalter, in einer exotischen oder fiktiven Welt oder auch in einer postapokalyptischen Zukunft statt. Werke wie Tolkiens Der Herr der Ringe werden heute allgemein High Fantasy genannt und zeichnen sich unter anderem durch ihre literarische Qualität aus (Lexikonredaktion des Verlags F.A. Brockhaus 2007:235f.). Mit Der Herr der Ringe hat Tolkien maßgeblich zur Entwicklung der Fantasyliteratur beigetragen, da dieses Buch im Gegensatz zu seinem Vorgänger (Der kleine Hobbit) nicht mehr für Kinder bestimmt war, sondern stattdessen eine große Zahl an erwachsenen LeserInnen begeisterte (Drabble 2006:350f.). Timmerman (1983) beschreibt, dass der Erfolg der Fantasy sich unter anderem darauf begründet, dass die Menschen sich hin und wieder gerne eine Auszeit von den Wirren unserer Welt gönnen, sich einer anderen Welt zuwenden, um so in der realen wieder eine neue Perspektive zu bekommen (1983:1). Das ist keineswegs ein neuer Wunsch, sondern vielmehr eine alte Tradition in der Menschheit. Früher wurde dieses Bedürfnis mit Märchen befriedigt, mit Fabeln und anderen Geschichten, die fantastische Elemente enthalten (ibid.:2). Die Frage, was genau als Fantasy zu bezeichnen ist, ist wohl bis heute nicht ganz geklärt. Das Genre beschränkt sich nicht mehr nur auf die Literatur, wie es früher vielleicht gewesen sein mag, es erstreckt sich mittlerweile auch auf die Welt der Filme, der Videospiele, der Gesellschaftsspiele und so weiter. In den Bereich der Fantasy fällt alles, was sich aus irgendeinem Grund nicht mit der Realität unserer Welt vereinbaren lässt: Es geht um Zauberer und Hexen, um mythische Wesen aller Art, um intelligente, sprachbegabte Rassen und um Kulturen und Sprachen, die in unserer Welt nicht existieren und noch vieles mehr (Schmid 2014:125). Für alle, die sich auf die ein oder andere Weise am Fantasygenre beteiligen – seien das AutorInnen, FilmemacherInnen, vor allem aber auch die RezipientInnen – gilt, dass sie sich auf die besonderen Regeln einlassen, die in diesem Genre herrschen. Schmid bezeichnet dieses Einlassen als einen Vertrag, der von allen Beteiligten eingehalten und respektiert wird. In dem Moment, in dem beispielsweise die RezipientInnen die fantastischen, größtenteils unerklärbaren Elemente des Genres nicht mehr akzeptieren, sondern beginnen, sie zu

- 19 - hinterfragen, können sie das Angebot der Fantasy nicht mehr genießen und dementsprechend auch nicht mehr gewinnbringend für sich nutzen (Schmid 2015:129). Gleichermaßen müssen auch all jene, die Fantasywerke produzieren, diesen „Vertrag“ respektieren. In anderen Worten müssen sie sich also an gewisse Konventionen halten und den Erwartungen der RezipientInnen entsprechen, um Erfolg zu haben. Wichtig ist hierbei jedoch, dass AutorInnen und FilmemacherInnen nicht einfach irgendwelche Elemente der Fantasy in einen Topf werfen und daraus irgendein Produkt zusammenschustern. Das fiktive Realitätssystem, das für ein bestimmtes Werk etabliert wird, muss in sich gesehen logisch sein und darf seine Regeln nicht einfach beliebig ändern (Schmid 2015:140f.). Um tatsächlich als Fantasywerk zu gelten, muss ein Buch laut Timmerman sechs Merkmale aufweisen. In welchem Ausmaß sie vorkommen, variiert, aber sie alle müssen enthalten sein. Das Buch braucht eine packende Geschichte, die glaubhafte Darstellung von Charakteren und HeldInnen, magische oder übernatürliche Elemente, den Kampf zwischen Gut und Böse und die Quest, also den Weg, den der/die HeldIn zurücklegen muss, um das Böse zu besiegen (Timmerman 1983:4). Woraus genau sich diese Elemente zusammensetzen und wie sie definiert sind wird nun im folgenden Kapitel dargelegt.

2.1. Die Konventionen der Fantasyliteratur und die Erwartungen der LeserInnen Die Konventionen der Fantasy zu umreißen, ist ein schwieriges Unterfangen. Dies trifft umso mehr zu, als dass das Fantasygenre in unzählige Subgenres unterteilt ist, die jeweils ihre eigenen Regeln und ihre eigene Leserschaft haben. Dennoch lassen sich diese verschiedenen Untergruppen oft nicht klar voneinander unterscheiden, da die definierenden Elemente sich oft ähneln und es ja auch ein Kriterium für Fantasy ist, dass sie immer wieder Neues miteinander vermischt. Hier ein Überblick über eine mögliche Einteilung der verschiedenen Subgenres mit einer kurzen Definition und einigen illustrierenden Beispielen, wie sie auf Ardapedia [o.J.c] gegeben werden: • High Fantasy: Werke, die sich ganz im Stile Tolkiens durch ihre epische Erzählung auszeichnen. Die Handlung findet meist in einer erfundenen Welt, die einem idealisierten Mittelalter gleicht, statt und magische Elemente spielen eine Rolle. o J.R.R Tolkien Der Herr der Ringe o George R.R.R Martin Das Lied von Eis und Feuer (Serie mit fünf publizierten Teilen, weitere in Arbeit)

- 20 - • Fantastik und Urban Fantasy: Geschichten, die klar in unsere Realität einzuordnen sind, aber mit fantastischen Elementen. o Joanne K. Rowling Harry Potter (Serie mit sieben Teilen) • Kunstmärchen und Märchenromane: Märchen, die modernisiert wurden, und poetische Geschichten mit märchenhaftem Charakter. o Michael Ende Die unendliche Geschichte • Science Fantasy: Elemente der Science-Fiction vermischt mit jenen der Fantasy. Ein Beispiel wäre Steampunk, wo statt moderner Technologie Dampfmaschinen und dergleichen vorherrschen. o China Mieville Perdido Street Station o Anne McCaffrey Die Drachenreiter von Pern (zwei Trilogien, neun Zusatzbände sowie weitere, nach dem Tod der Autorin von ihren Kindern verfasste Werke) • Humoristische Fantasy: Werke, die mit den Motiven der Fantasy humoristisch umgehen und sie parodieren. o Terry Pratchett Scheibenwelt-Zyklus (41 Romane) Hinzu kommen noch viele weitere Subgenres wie etwa Low Fantasy, auch Sword and Sorcery genannt, Animal Fantasy, Dark Fantasy, Pseudodokumentation, Pseudohistorische Fantasy und Social Fantasy, die gesellschaftspolitische Themen im Fantasygenre verarbeitet (Ardapedia o.J.b). Diese Liste ist keineswegs vollständig, sondern soll lediglich einen Eindruck davon vermitteln, wie mannigfaltig das Fantasygenre ist. Dementsprechend sind auch die spezifischen Normen je nach Subgenre unterschiedlich. Doch allgemein lassen sich in allen Subgenrese die von Timmerman genannten Elemente finden, denen wir uns nun im Detail zuwenden. Erstens die Geschichte. Der Handlungsverlauf eines Fantasywerks muss ansprechend sein, interessant, und packend. Traditionell bedarf eine gute Geschichte folgender Elemente: [A] narrative plot line, the unfolding of events, the development of characters into living beings who think about actions, who do act, and whose actions have effects. A story moves from a beginning, through a middle, to an end, and in the process emotionally or psychologically move the reader. Story, considered within these boundaries, is a structure with a purpose and end. (Timmerman 1983:5)

Jede Geschichte hat auch immer eine Bedeutung; diese ist aber in der Fantasy, im Gegensatz zur Allegorie, nicht klar definiert und gegeben. Vielmehr obliegt es jeder/m einzelnen LeserIn, welche Bedeutung er/sie welchen Elementen zuspricht (ibid.:6f.). Hinzu kommt die Tatsache,

- 21 - dass der klassische Handlungsverlauf einer Geschichte in der Fantasy kein abgeschlossenes Ende hat. Auch wenn die Geschichte natürlich beendet wird, lässt das Ende des Werks Raum für mehr, für Interpretationen und Fortsetzungen (Timmerman 1983:8). Das zweite wichtige Merkmal sind die Charaktere der Geschichte, die HeldInnen und AntiheldInnen, die das Zielpublikum kennen und lieben oder hassen lernt. In der Fantasy wird keine Lektion oder Moral einfach hingeworfen, stattdessen liegt es an den LeserInnen selbst, die Quintessenz oder die Kernaussage aus den Erfahrungen herauszufiltern, die die Charaktere machen. Um dies zu erleichtern, ist der/die HauptprotagonistIn der Fantasy fast immer jemand vollkommen normales und gewöhnliches, mit dem sich ein Großteil der LeserInnen identifizieren kann (ibid.:29). Bis zu einem gewissen Grad müssen sie sich in dem Charakter wiedererkennen, müssen ihm helfen und beistehen wollen und seine persönliche Entwicklung mit Spannung verfolgen. Der/die ProtagonistIn ist in der Regel naiv und unschuldig, besitzt viel Einfühlungsvermögen, ist nicht zynisch und hat mit der Oberschicht wenig zu tun und interessiert sich nicht für sie. Dennoch ist er/sie vielschichtig und die Facetten seiner/ihrer Persönlichkeit werden detailliert ausgearbeitet. Dies ist wichtig, um sicherzustellen, dass sich die Leserschaft selbst in den ProtagonistInnen erkennt und so dessen „growth by experience“ (Timmerman 1983:31) mitverfolgt und für realistisch hält (ibid.:30f.). Hinzu kommt der Heroismus des/der ProtagonistIn. Dank wie auch immer gearteter, oft übernatürlicher Fähigkeiten kann er/sie für andere (oft das gemeine Volk) kämpfen. Oft weiß er/sie nicht, woher er/sie kommt, kennt seine Eltern oder einen Elternteil nicht, und zumeist ist er/sie sehr einsam (Timmerman 1983:44f.). Zumeist sieht der Charakter sich einer schier unschaffbaren Aufgabe gegenüber, seine Stärke wird immer wieder auf die Probe gestellt und er läuft ständig Gefahr zu scheitern (ibid.:45f.). Eine weitere Norm wäre die Tatsache, dass sehr viele Fantasywerke in einer erfundenen Welt spielen. Diese sogenannten Sekundärwelten machen es für die LeserInnen leichter, die bereits genannten fantastischen Elemente einer Geschichte zu akzeptieren, da sie sich meist klar von unserer Welt abheben. Die Sekundärwelten können nur grob skizziert sein und das meiste der Vorstellung der LeserInnen überlassen (Schmid 2014:142). Sie können aber auch, wie es beim Herrn der Ringe der Fall ist, sehr komplex, detailliert beschrieben und hoch entwickelt sein. Ein anderes Beispiel für solche Sekundärwelten wäre etwa Christopher Paolinis Alagaësia, welches der Schauplatz für die Eragon-Tetralogie ist. Auch Trudi Canavans Kyralia, in dem die Trilogie Die Gilde der schwarzen Magier spielt, ist eine Sekundärwelt, genauso wie Terry

- 22 - Pratchetts Scheibenwelt. Wichtig ist jedoch laut Timmerman, dass in all diesen Welten die Charaktere sich zumeist denselben oder zumindest ähnlichen Problemen, Ängsten, Dilemmas und Entscheidungen gegenübersehen, wie wir Menschen auf der Erde. Es ist an den LeserInnen, diese Welt zu betreten, und das kann nur in ihren Köpfen passieren (Timmerman 1983:50). In jeder Sekundärwelt gelten andere Regeln, es gibt andere Völker, andere Kulturen, andere Sprachen und andere Landschaften. Es gibt meist Elben und Orks, wie im Herrn der Ringe oder andere intelligente und sprachbegabte Völker und Rassen. Diese werden oft aus Märchen, Sagen und Legenden direkt entnommen und in die Sekundärwelt eingebunden oder es entstehen völlig neue Wesen (Schmid 2014:145), wie die Urgals, die bei der Eragon- Tetralogie die Stelle der Orks als das kriegslustige Volk einnehmen, welches dem Feind dient. Das vierte Merkmal, das in jedem Fantasywerk vertreten ist, ist das Übernatürliche beziehungsweise die Magie. Sie muss in jedem Werk, das dem Fantasygenre angehört, auf die eine oder andere Art vorhanden sein. Sie stellt einen integralen Teil der Sekundärwelt dar; im Gegensatz zu unserer Welt, die ausschließlich auf physikalischen Gesetzen beruht, funktioniert und wirkt die Magie dort als ein normaler Bestandteil der Sekundärwelt (Pesch 1982:39). Im Allgemeinen gibt es in der Fantasywelt Personen, Dinge, Lebewesen oder Orte, denen eine gewisse Magie innewohnt. Diese wirkt entweder selbstständig oder wird beispielsweise von MagierInnen durch Zaubersprüche oder Rituale manipuliert und für ihre Zwecke genutzt. Sie kann in der Regel sowohl für das Gute, als auch für das Böse eingesetzt werden (Timmerman 1983:73). Die Gestalten der Magie sind variabel und können alles von einer Naturgewalt bis hin zu einer erlernbaren Kunst sein. Immer jedoch unterliegt sie klaren Regeln, die zumindest innerhalb der Sekundärwelt nachvollziehbar und logisch sind (Pesch 1982:40). Wichtig ist jedoch anzumerken, dass ebendiese Regeln der Magie auch Grenzen setzen. So wird die Magie nicht zu etwas Übermachtigem, das willkürlich arbeitet und nicht gebraucht werden kann (ibid.:195ff.). Eine weitere Norm, die sich in jedem Fantasyroman findet, sind die Questen. Manche Menschen mögen sie als ein Abenteuer beschreiben, doch gibt es einige essentielle Punkte, in denen sich eine Quest von einem Abenteuer unterscheidet. Während ein Abenteuer meist aus Langeweile oder Abenteuerlust begonnen, wird liegt der Quest eine Notwendigkeit zugrunde, eine Suche nach etwas Bestimmtem. Die HeldInnen von Questen werden oft von höheren Mächten ausgewählt und sind dazu bestimmt, ihren Auftrag zu erfüllen; das Schicksal spielt also eine nicht zu unterschätzende Rolle. Hinzu kommt die Tatsache, dass Abenteuer zumeist

- 23 - unterhaltsame, lustige Unternehmungen sind, wohingegen eine Quest ein gefährliches und ernstes Unterfangen ist, dem eine tiefere philosophische oder religiöse Bedeutung zugrunde liegt (Timmerman 1983:91). Die definierenden Faktoren einer Quest sind zuerst eine herannahende Gefahr, die den Status Quo und viele Leben bedroht. Um diese zu vermeiden, gilt es oft ein wertvolles Objekt oder eine wertvolle Person zu finden, weshalb eine lange und gefährliche Reise unternommen wird. Diese muss vom bereits beschriebenen Hauptcharakter unternommen werden, der als einziger die richtigen Fähigkeiten besitzt, um alles zu einem guten Ende zu bringen. Auf dieser Reise warten eine Vielzahl von gefährlichen Prüfungen auf den Hauptcharakter und am Ende sieht er sich wie auch immer gearteten HüterInnen gegenüber, die sich ihm noch einmal entgegenstellen, bevor er das gesuchte Objekt oder die gesuchte Person für sich gewinnen kann. Natürlich stehen dem/der HeldIn auch HelferInnen und FreundInnen bei, ohne die er/sie seine/ihre Aufgabe nicht bewältigen hätte können (Timmerman 1983:93). In anderen Worten gibt es also in der Fantasy immer den Hauptcharakter, der einen Auftrag zu erfüllen hat. In der Regel ist der/die HeldIn dazu gezwungen, ein mehr oder weniger komfortables Heim zu verlassen, um sich seiner Aufgabe zu stellen. Dabei geht es im Normalfall darum, das Böse in Form eines/r übermächtigen WidersacherIn zu besiegen. Im Laufe der Geschichte wird der/die HauptprotagonistIn eine/n MentorIn treffen und FreundInnen gewinnen, die ihm/ihr durch viele Gefahren helfen. Natürlich wird hierbei eine tiefgreifende, persönliche Entwicklung durchlaufen und der/die ProtagonistIn wächst sozusagen mit seinen/ihren Aufgaben, bis er/sie schließlich in einem finalen Kampf das Böse besiegen muss. In der Regel endet die Geschichte mit der Heimkehr des/der HeldIn (Schmid 2014:149f.). Hier zeigt sich wieder die Komplexität des Herrn der Ringe: Am Ende von „Die Gefährten“, wenn die Gemeinschaft des Ringes zerbricht, zersplittert auch die Quest in viele kleine Handlungsstränge. Natürlich liegt es nach wie vor an Frodo, den Ring zu vernichten und so Sauron zu besiegen, doch auch Aragorn bekommt seinen eigenen Auftrag und er entwickelt sich vom Waldläufer zum König von Gondor. Merry und Pippin werden von einfachen, bequemen Hobbits zu Akteuren, die eine elementare Rolle im Handlungsverlauf des Herrn der Ringe spielen und viele wichtige Steine ins Rollen bringen und sogar Gandalf wird nach seinem Tod zurückgeschickt, um seine Aufgabe, Sauron zu besiegen, zu Ende zu bringen. Die letzte sehr wichtige Norm der Fantasy, die es hier zu nennen gilt, sind die klaren Regeln, nach denen alles verläuft. Zumeist herrscht ein Schwarz/Weiß-Denken vor und die Welt ist

- 24 - klar in Gut und Böse eingeteilt und folgt auch sonst festen Strukturen (Mikos et al. 2007:91). So werden bei Tolkien den Völkern ganz klare Attribute zugewiesen und es ist bei fast allen ProtagonistInnen eindeutig, welcher Seite sie zugehören und wofür sie kämpfen. Auch die magischen Elemente werden laut Timmerman zumeist klar geteilt in Gut und Böse beziehungsweise in Schwarz und Weiß. Es gibt ein Gleichgewicht zwischen diesen beiden Kräften, das aber durchaus durch Taten und Personen gestört werden kann (Timmerman 1983:73). All diese Elemente sind im Herrn der Ringe vorhanden. Dementsprechend sind sie auch in der Verfilmung des Buchs zu finden, der wir uns nun zuwenden. Nach einer Darstellung des Einflusses der Filmtrilogie und einiger wirtschaftlicher Aspekte wird überblicksmäßig auf die Darstellung der Elemente der Fantasy im Film eingegangen.

2.2. Die Verfilmung von Der Herr der Ringe Vor Peter Jacksons Verfilmung von Der Herr der Ringe wurde das Fantasygenre von FilmemacherInnen kaum als gewinnbringend angesehen und beanspruchte nur eine vergleichsweise kleine Nische für sich. Doch gemeinsam mit der Verfilmung des ersten Teils der Harry-Potter-Reihe, die ebenfalls Ende 2001 in die Kinos kam, änderte Peter Jacksons Der Herr der Ringe dies: Ein regelrechter Fantasy-Boom wurde losgetreten, der über die Kinowelt weit hinausging. Es wurden nicht nur alle möglichen Begleitartikel für die eingefleischten Fans hergestellt, sondern auch in der Literatur, bei Videospielen und in Fernsehserien wurde Fantasymaterial immer beliebter (Mikos et al. 2007:89f.). Von einer Nische kann unter Betrachtung des Gewinns, den die Verfilmung des Herrn der Ringe eingebracht hat, nicht mehr die Rede sein: Laut der International Business Times hat die Trilogie 2,92 Milliarden $ eingespielt und insgesamt wurde ihr Wert im Jahr 2015 mit 6 Milliarden $ beziffert (Alberto 2016:7). Auch wenn sich die Geister der Fans des Herrn der Ringe scheiden, wenn die Sprache auf Peter Jacksons Verfilmung kommt (ibid.:3f.), sprechen diese Zahlen für sich. Jackson selbst ist ein großer Fan von Tolkien; doch erforderte die Verwandlung des Buches in einen Film gewisse Modifikationen und dem Regisseur war klar, dass die Abweichungen in seiner Verfilmung nicht jedem Fan gefallen würden (ibid.:4). Dennoch wird bei genauerer Betrachtung klar, dass diese Änderungen nicht leichtfertig oder willkürlich passiert sind, sondern dass sich Jackson durchaus viele Gedanken darüber gemacht hat, wie er was veränderte. Er war bemüht, das große Ganze von Tolkiens Welt einzufangen und so

- 25 - aufzubereiten, dass die Abenteuer um Frodo und die Gemeinschaft des Ringes nicht nur den Fans zugänglich sind, die Tolkien gelesen haben, sondern auch allen anderen, die vielleicht Interesse an solch einer Filmtrilogie haben könnten. Zweifellos hat Peter Jackson es mit seiner Verfilmung des Klassikers verstanden, ihn gleichzeitig zu modernisieren, beispielsweise indem er die Rolle der Frauen (z. B. Arwen und Éowyn9) in der Erzählung aufgewertet hat (Mikos et al. 2007:93). Eine Betrachtung der Genrekonventionen im Film zeigt, dass diese mit jenen in der Literatur größtenteils übereinstimmen und dass Jackson in seiner Trilogie (beziehungsweise Tolkien in der Romanvorlage) zwar manchmal mit den Konventionen spielt, sie aber im Großen und Ganzen einhält. Die vielleicht wichtigste Konvention des Fantasygenres sind die festen Strukturen, die in den erdachten Welten vorherrschen und klar erkennbar sind. Dies bezieht sich sowohl auf die meist sehr klare Einteilung zwischen Gut und Böse, als auch auf die Geschlechter- oder sozialen Rollen, die die ProtagonistInnen einnehmen und viele weitere. So werden im Herrn der Ringe gleich zu Beginn die verschiedenen, in Mittelerde heimischen Völker vorgestellt und klar eingeteilt. Einzig Gollum bildet hier eine Ausnahme, da er zwischen Gut und Böse hin- und hergerissen ist und daher seine Position oft verändert. Daran ist klar erkennbar, dass die Genrekonventionen nicht einfach starr befolgt werden (Mikos et al. 2007:91f). Hinzu kommt die Aufgabe, die die handelnden Figuren zu bewältigen haben. Bei Tolkien und Jackson sind hierfür sowohl die Hobbits Merry und Pippin ein gutes Beispiel, als auch Aragorn, der am Ende seine rechtmäßige Position als König einnimmt. Frodo hingegen, der als der Hauptprotagonist anzusehen ist, wird von dieser Weiterentwicklung großteils ausgeschlossen (ibid.:92). Als dritte Norm im Fantasygenre sind hier noch die phantastischen Elemente zu nennen. Die ZuseherInnen erwarten das Übernatürliche und sind nicht überrascht, wenn beispielsweise Menschen besondere Fähigkeiten haben. Bei Tolkien ist ein solches Element etwa der Ring der Macht, der schier unfassbare Kräfte zu haben scheint und die ganze Welt vernichten kann. Dieser wird bei Jacksons Verfilmung bereits im Prolog vorgestellt, wodurch den ZuschauerInnen sofort klargemacht wird, dass sie sich nun in einer Welt befinden, in der alles möglich ist (Mikos et al. 2007: 92f.). Dies ist nur ein kleiner Überblick über die Filme, doch für alle Interessierten bieten Mikos et al. (2007:138-142) eine detaillierte Beschreibung, vor allem auch der Unterschiede zwischen dem Buch und den Filmen.

9 Arwen ist die Tochter des Elbenfürsten Elrond. Sie liebt Aragorn und die beiden heiraten. Éowyn ist die Nichte von König Théoden von Rohan. - 26 - 2.3. Tolkiens Fans Bei einer Arbeit wie der vorliegenden, in der es nicht nur um ein literarisches Werk, sondern eben auch dessen Rezeption geht, darf eine Darstellung der Rezipierenden natürlich nicht fehlen. Dies gilt umso mehr bei einem einflussreichen Werk wie Der Herr der Ringe. Da jedoch Herr der Ringe-Fans in den meisten Fällen auch Tolkien-Fans sind, wird für diese Arbeit nicht spezifisch zwischen dem einen und dem anderen unterschieden. Seit der Veröffentlichung des Herrn der Ringe wurden weltweit über 50 Millionen Ausgaben des Romans in verschiedenen Sprachen verkauft und es gilt laut einiger LeserInnenbefragungen als das beste Buch des 20. Jahrhunderts. Die Fangemeinschaft ist durch Peter Jacksons Verfilmung noch weiter angewachsen, die Industrie rund um Mittelerde und die Geschichte der neun Gefährten ist explodiert und auch in unzähligen Internetforen wurde und wird das Fantasywerk heiß diskutiert (Bassham/Bronson 2009:9f.). Ein Blick in das Internet gibt heutzutage vielleicht am zuverlässigsten Auskunft darüber, wie die Fangemeinschaft tatsächlich aussieht. In der nachstehenden Tabelle sind die Mitgliederzahlen sowie die Anzahl der „Gefällt mir“-Angaben der englischen Tolkien Society und der deutschen und der österreichischen Tolkien Gesellschaften auf Facebook angegeben (Stand 17.10.2017):

Tabelle 1: Überblick Facebook-Gruppen

Offizielle Gruppe Offizielle Fanseite https://www.facebook.com/gro https://www.facebook.com/The ups/TheTolkienSociety.Educatio TolkienSociety/?ref=br_rs The Tolkien Society nalCharity/ è 26.822 „Gefällt mir“- è 25.514 Mitglieder und 6 Angaben AdministratorInnen https://www.facebook.com/gro https://www.facebook.com/Ger Deutsche Tolkien ups/142580909149945/ manTolkSoc/?ref=br_rs Gesellschaft è 1.658 Mitglieder und 6 è 6.672 „Gefällt mir“- AdministratorInnen Angaben https://www.facebook.com/gro https://www.facebook.com/Aus Österreichische ups/AustrianTolkienSociety/ trianTolkienSociety/ Tolkiengesellschaft è 151 Mitglieder und 4 è 895 „Gefällt mir“- AdministratorInnen Angaben

- 27 - Zusätzlich zu diesen Zahlen sind jedoch auch die tatsächlichen Mitglieder dieser Gesellschaften zu beachten: Bei ihnen handelt es sich um all jene eingefleischten Fans, die sogar bereit sind, einen Mitgliedsbeitrag zu entrichten, um ihrem Hobby zu frönen. Es handelt sich um Personen, die sich regelmäßig mit Gleichgesinnten treffen wollen, um ihr Lieblingsthema zu diskutieren, die Zeitschriften zum Thema Tolkien und seinem Lebenswerk erhalten und lesen wollen und die an Newslettern interessiert sind. So hat die in England registrierte Tolkien Society (https://www.tolkiensociety.org/) über 1.000 Mitglieder in mehr als 30 Ländern; die Deutsche Tolkien Gesellschaft e. V. (https://www.tolkiengesellschaft.de/) hat über 700 Mitglieder; und sogar der Verein der Österreichischen Tolkiengesellschaft (http://www.tolkiengesellschaft.at/) zählt laut eigenen Angaben derzeit immerhin 54 Mitglieder (Stand Mai 2017)10. Jeder dieser drei Vereine gibt ein bis zwei Zeitschriften heraus, organisiert Stammtische und Treffen und bietet den Fans noch viele weitere Möglichkeiten, ihre Liebe zu Tolkien und seinen Werken auszuleben. Sie bieten also all jenen, die sich diesem Thema mit besonderer Leidenschaft widmen, den idealen Rahmen, sich auszutauschen und immer weiter zu informieren. Mit Hinblick auf die Popularität der Facebookseiten, von denen es natürlich noch unzählige mehr gibt, lässt sich also ableiten, dass die Dunkelziffer der Fans weit höher ist, als es die Mitgliedszahlen der oben genannten Gesellschaften vermuten lassen. Egal, ob ein Fan nun eines oder viele von Tolkiens Werken liest, sei es im Original oder in einer Übersetzung; ob er/sie die Gesellschaftsspiele oder auch die Spiele für den Computer oder andere Spielkonsolen liebt, die auf Mittelerde basieren; ob er/sie einfach nur die Kinofilme gut findet; er/sie ist immer auf die eine oder andere Weise ein Fan von Tolkien und/oder seinem Lebenswerk. Allein die Industrie, die hinter der Vermarktung von Tolkiens Werken steht, ist Beweis genug dafür, dass es wohl Millionen Fans gibt, die hinter Tolkien stehen. Ein Indikator, der diese Annahme unterstützt, ist, dass die offizielle Facebook-Seite von J.R.R. Tolkien (https://www.facebook.com/officialtolkien/), die vom Verlag Harper Collins betrieben wird, 1.907.414 Mal mit „Gefällt mir“ markiert wurde (Stand 17.10.2017). Abgesehen von der beeindruckenden Anzahl von Fans ist die Betrachtung der Hingabe, mit der sie sich ihrem Enthusiasmus widmen, ebenfalls sehr interessant. Noch zu Tolkiens Lebzeiten haben Fans aktiv am Geschehen rund um den Herrn der Ringe teilgenommen, etwa

10 Die Angabe über die Mitglieder der Österreichischen Tolkiengesellschaft entstammt meinem E-Mailverkehr mit Cornelia Veigel vom 24. Juli 2017. - 28 - durch Briefe an den Autor selbst, in denen sie ihre Bewunderung ausdrückten oder ihn dazu ermutigten, weitere Werke zu Mittelerde wie beispielsweise Das Silmarillion zu veröffentlichen. Darüber hinaus arbeiteten Fans intensiv daran, dass der Herr der Ringe auch in den U.S.A. offiziell verlegt wurde (Alberto 2016:6). Am Beispiel der von Fans produzierten Filme rund um Mittelerde ist die bereits erwähnte Begeisterung sehr schön erkennbar. Voranzustellen sei den nun folgenden Ausführungen noch, dass sich Fanfilme vor allem in einem Punkt von kommerziellen Filmen unterscheiden und das ist der finanzielle Aspekt. Ist ein Blockbuster wie die Trilogie von Peter Jackson eindeutig darauf ausgelegt, finanziellen Gewinn abzuwerfen, so stellt Alberto doch gleich zu Beginn ihres Beitrags klar, dass Fanfilme vorwiegend auf „community enrichment and involvement“ abzielen (2016:2) und dass Profit oft rechtlich gar nicht möglich ist (ibid.:8). Ein mittlerweile sehr bekanntes Beispiel für solch einen Fanfilm ist Born of Hope von der Regisseurin Kate Madison. Dieser Film wurde 2009 veröffentlicht und dauert 70 Minuten, viel interessanter ist jedoch, dass seine Verwirklichung sich über sechs Jahre hinzog. In der Crew und bei den SchauspielerInnen, die an diesem Film mitgewirkt haben, findet sich niemand, der für seine Arbeit bezahlt wurde und das Budget des Films (25.000 £) stammte von den Mitwirkenden persönlich beziehungsweise aus Spenden (ibid.:11f.). Auch wenn dieses Werk eine Ausnahme ist, sowohl was seine Länge als auch seine qualitativ hochwertige Machart betrifft, zeigt es doch, dass Fanfilme wie dieser aus Liebe zu Tolkiens Welt produziert werden und weil die Menschen ihre Visionen und Visualisierungen mit anderen Fans teilen wollen (Alberto 2016:37f.).

Im nun folgenden Kapitel wollen wir uns, da es sich beim Herrn der Ringe um ein literarisches Werk handelt, dieser widmen. Es wird auf die literarische Übersetzung im Allgemeinen eingegangen sowie auf die Arbeit der LiteraturübersetzerInnen und die Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind. Da es sich bei der Übersetzung des Herrn der Ringe von Wolfgang Krege um eine Neuübersetzung handelt, folgt daraufhin ein Überblick darüber, was eine Neuübersetzung überhaupt ist, wie es dazu kommt, dass ein bereits übersetztes Werk noch einmal in dieselbe Sprache übersetzt wird, und in welcher Beziehung die Erst- und die Neuübersetzung zueinander stehen. Diese Darstellungen sind als Teil des theoretischen Rahmens für diese Masterarbeit insofern nötig, dass sie relevante Informationen enthalten, die für das Verständnis der noch folgenden Kapitel und auch der Analyse wichtig sind.

- 29 - 3. Die literarische Übersetzung

Das Übersetzen an sich ist ein sehr weitläufiges Feld, das wiederum in viele kleinere Teilbereiche zersplittert. Generell ist die Übersetzungsarbeit als die Überwindung sprachlicher beziehungsweise kultureller Grenzen zu betrachten. Die ÜbersetzerInnen stellen in diesem Konzept die MittlerInnen dar, die diese Überwindung ermöglichen (Frank 1988:201). In den nun folgenden Unterkapiteln wird versucht, das Feld der literarischen Übersetzung zu umreißen und zumindest einen groben Überblick über seine Grenzen, Inhalte und Rolle zu geben. Zuvor jedoch soll die Frage beantwortet werden, weshalb Übersetzung in der Literatur überhaupt nötig ist. Ein wichtiger Punkt ist laut Chantal Wright, dass durch Übersetzung Weltliteratur erst möglich wird. Früher war der Wirkungskreis von literarischen Werken sehr begrenzt, doch durch Übersetzung kann die Literatur eines Landes überall gelesen werden. Dadurch werden Brücken zwischen den Kulturen gebildet und die Menschen eines Landes haben die Möglichkeit, fremde Kulturen kennenzulernen (Wright 2016:20). Dieser Kontakt hilft nicht nur, sich selbst und die eigene Kultur einzuordnen, sondern führt auch dazu, dass die LeserInnen sich mit Dingen auseinandersetzen, die ihnen fremd sind (ibid.:21f.). Dies gilt natürlich vor allem für Werke, die sich mit der Ausgangskultur beschäftigen. Doch auch fiktive Werke, wie Der Herr der Ringe, können aufgrund ihrer literarischen Qualität zur Weltliteratur werden. In Fällen wie diesem ist es nicht mehr der Bezug zur Wirklichkeit der Ausgangskultur, der den Ausschlag gibt, sondern das Können des/der Autors/Autorin, welches ein Werk lesenswert macht.

3.1. Versuch der Begriffsdefinition „literarische Übersetzung“ Der Literatur- und Kulturwissenschaftler Joachimsthaler definiert Übersetzungen als Überschneidungen, durch die Kulturen über alle sprachlichen Barrieren hinweg in andere Kulturen hineinwirken (Joachimsthaler 2014:69). Er fügt hinzu, dass Übersetzung ungeachtet ihres Inhalts „immer auch ein Medium sprachkünstlerischer und oft auch weltanschaulicher Tendenzen“ (ibid.:74) ist und er argumentiert, dass die Qualität einer Übersetzung auch davon abhängt, wie sie sich in der Zielsprache auswirkt und entwickelt (ibid.:74). Dies bezieht sich klarerweise ausschließlich auf die literarische Übersetzung, die sich von der Fachübersetzung stark unterscheidet. Erstere wurde mittlerweile von vielen WissenschaftlerInnen definiert. So argumentiert Kuepper, dass es sich bei der literarischen Übersetzung um all jene Texte handelt, die in erster Linie ästhetischer Natur sind und zumindest bis zu einem gewissen Grad

- 30 - als Kunst verstanden werden (Kuepper 1977:243). Diese Definition deckt sich im Allgemeinen mit jener, die Frank gibt, wenn er das Feld der literarischen Übersetzung klar von jenem der Fach- und Bibelübersetzungen trennt. Er nennt als definierenden Faktor die Tatsache, dass bei literarischen Texten die Exaktheit des Zieltexts vergleichsweise unwichtig ist. Bei der Bibelübersetzung hingegen können schon kleine Ungenauigkeiten den Unterschied zwischen Himmel und Hölle machen und auch beim Fachübersetzen ist Exaktheit und Korrektheit maßgeblich, damit die Geschäfte reibungslos funktionieren (Frank 2004:351). Diese nötige Korrektheit, so Frank, ist vor allem auch deshalb überhaupt erst möglich, weil sie sozusagen kontrolliert werden kann: Erstere von Geistlichen, die über die Aussagen der Bibel genau Bescheid wissen, zweitere beispielsweise durch die Überprüfbarkeit der dargelegten Fakten (ibid.:352). Wichtig ist jedoch anzumerken, dass literarische Texte in sehr vielen Fällen auch Fachsprache beinhalten: In Moby Dick etwa findet sich eine Fülle an zoologischen, technischen und nautischen Informationen zum Walfang und unzählige französische und englische Werke befassen sich eingehend mit Gerichtsverfahren und stellen diese authentisch und realitätsgetreu dar (Frank 1988:192f.). Hinzu kommt, dass jeder literarische Text ein Unikat ist. Der Text folgt nicht notwendigerweise vorgegebenen Regeln, wie es etwa ein Vertrag tut beziehungsweise tun muss, sondern ist individuell und oft fiktiv (ibid.:194). Diese Tatsache weist klar auf die zusätzlichen Herausforderungen hin, denen sich literarische ÜbersetzerInnen gegenübersehen. Ein weiterer wichtiger Punkt wird von Kuepper beschrieben, der erklärt, dass ein literarischer Text seine Bedeutung jedes Mal, wenn er gelesen wird, verändern kann (1977:244). Dem stimmt auch Frank zu, wenn er sagt, dass „jedes literarische Werk für seinen Leser neu und fremd“ ist (Frank:1988:204). Dieses Phänomen kann – abgesehen von dem Einfluss, den der Zustand der LeserInnen auf die Interpretation eines Buchs hat – bis zu einem gewissen Grad auch durch die von Frank beschriebenen Stimmen erklärt werden, die jede literarische Übersetzung durchhallen. Die Stimme des/r Originalautors/-autorin ist jene, die am dominantesten sein sollte, doch sie wird immer auch begleitet von jener des/der ÜbersetzerIn und den prägenden Einflüssen, denen diese/r ausgesetzt ist (Frank 2004:352f.). Stolze fasst zusammen, dass bei Levy literarische Texte durch ihre besonderen Merkmale bezüglich Rhythmus, Klang, Kreativität und Normabweichungen definiert werden. All das sollte laut Levy in einer Übersetzung ebenso zur Geltung kommen, wie im Original. Inwieweit dies aber tatsächlich möglich ist, hängt von der Wahl des/der ÜbersetzerIn ab und „vom literarischen Einfühlungsvermögen des Übersetzers,

- 31 - von seinen Fähigkeiten zum Aufspüren und zur Wiedergabe der literarischen Qualität eines Textes“ (Stolze 2001:152). Ein Werk, sei es nun ein Original oder eine Übersetzung, besteht nie in einem Vakuum, es wird immer beeinflusst von der bereits bestehenden nationalen und internationalen Literatur und steht mit ebendiesen in Zusammenhang. Dasselbe gilt für die AutorInnen und auch die ÜbersetzerInnen.

3.2. Literarische ÜbersetzerInnen Die unter 3.1 beschriebenen Faktoren haben erheblichen Einfluss auf die ÜbersetzerInnen. Stolze fasst Kollers Gedanken zur Abgrenzung der literarischen von der Fachübersetzung folgendermaßen zusammen: Die für die ÜbersetzerInnen relevanten Punkte sind erstens, dass in der Literatur eine durch ÜbersetzerInnen durchgeführte Textveränderung zwar bedauerlich ist, aber für die LeserInnen keine weitreichenden Folgen hat, wohingegen dies bei Fachtexten wie etwa Bedienungsanleitungen durchaus der Fall sein kann (Stolze 2001:128f.). Hier findet sich also wieder das Argument von Frank wieder, das im vorherigen Kapitel besprochen wurde. Der zweite wichtige Punkt ist die Tatsache, dass Sach- und Fachtexte ihren Sinn erst durch die realen Dinge erhalten, auf die sie sich beziehen. Treffen die ÜbersetzerInnen hier auf Ungereimtheiten, versuchen sie diese auszumerzen und zu korrigieren, um unliebsame Folgen zu verhindern. In der Literatur jedoch werden derartige Diskrepanzen als gewollt betrachtet und da es nicht die Aufgabe der ÜbersetzerInnen ist, das Original zu verbessern, werden sie nicht verändert (ibid.:129f.). Dasselbe gilt für sprachliche Abweichungen, die in der Literatur als Stilmittel gesehen werden, in Fachtexten aber als unpassend und vielleicht sogar peinlich wahrgenommen werden. Sie werden bei literarischen Texten bestmöglich in die Zielsprache übertragen, in Fachtexten aber nach Möglichkeit korrigiert (ibid.:130). Abgesehen von diesen Aussagen, die fast schon an Verhaltensrichtlinien oder zumindest –vorschläge erinnern, fokussiert Sánchez sich auf die Herausforderungen für die literarischen ÜbersetzerInnen. Sie sagt zum Feld der literarischen Übersetzung beziehungsweise der Literatur im Allgemeinen, dass es sich dabei um ein „enormous semantic field and stylistic field whose dimensions are practically impossible to measure in any precise form“ handelt (Sánchez 2009:123). Die Ausmaße dieses ungeheuer weitläufigen Felds sind nicht oder nur schwer zu erfassen. Worüber allerdings Einigkeit herrscht, ist die Tatsache, dass die Werke, mit denen sich die literarische Übersetzung befasst, einerseits originell und persönlich sind, andererseits nicht in einem Vakuum entstehen, sondern vielmehr in einem Kraftfeld zwischen

- 32 - der sozialen und kulturellen Umgebung der AutorInnen (Sánchez 2009:125). Die generellen Probleme beim Fachübersetzen liegen zumeist auf lexikalischer Ebene. Prinzipiell kann aber davon ausgegangen werden, dass die Terminologie, sofern es sich nicht um Wortneuschöpfungen handelt, klar definiert ist. Wird dies auf die mathematische Ebene übertragen, so bedeutet es, dass bei der Fachübersetzung x immer gleich y ist oder Ausgangstextsinn immer gleich Zieltextsinn. Bei der Literaturübersetzung kommt aber die Frage auf, ob x wirklich immer y ist. Zuallererst ist es wichtig, dass die ÜbersetzerInnen sicherstellen, dass sie den Ausgangstext tatsächlich verstanden haben. Doch zu dieser Anforderung nach Verständnis gesellt sich auch die Anforderung nach einem Gefühl dafür, WIE etwas im Ausgangstext ausgedrückt wird. Beim literarischen Übersetzen geht der Auftrag an die ÜbersetzerInnen über eine bloße Sinnübertragung hinaus; sie müssen sich auch mit der Form auseinandersetzen, in der die Informationen dargestellt sind (ibid.:126). Ein gutes Beispiel hierfür sind etwa Metaphern, die zwar gemäß ihrem Sinn nüchtern und sachlich übertragen werden können, diese Herangehensweise aber fraglich ist, da die Metapher wohl nicht grundlos eingesetzt wurde. An diesem Punkt taucht auch wieder die Frage nach dem Verstehen auf. Besonders bei jenen Werken, die beispielsweise in einer fiktiven Welt spielen, die frei erfunden ist, wird das Verstehen für die ÜbersetzerInnen deutlich erschwert. Derartige Fantasiewelten, wie auch Tolkiens Mittelerde, stellen besondere Herausforderungen an die ÜbersetzerInnen, da sie in diesem Fall sozusagen erst in eine fremde Welt eintreten und sie kennenlernen müssen, bevor ihnen dann die schwierige Aufgabe zufällt, diese fiktive Welt den LeserInnen der Zielkultur so zu vermitteln, wie der/die OriginalautorIn es tun würde (ibid.:129). Doch da im Lese- und Verstehensprozess der Text auch schon interpretiert wird, stellt sich die Frage, ob dies überhaupt zu 100 Prozent möglich ist. Die ÜbersetzerInnen können sich nicht aus ihren eigenen Köpfen und Gedanken entfernen; daher bleibt hier nur die Hoffnung, dass sie ihr Bestes tun, den Text zu verstehen und möglichst originalgetreu wiederzugeben. Denn nur so ermöglichen sie es den LeserInnen der Zielkultur, den/die fremdsprachigen AutorIn kennenzulernen, wie er/sie ist. Wie unterschiedlich zwei ÜbersetzerInnen ein und denselben Ausgangstext übertragen können, ist nicht nur am Beispiel der beiden deutschen Übersetzungen von Tolkiens Werk gut erkennbar, sondern auch an jenem der beiden Übersetzungen ins Hebräische, die später vorgestellt werden.

- 33 - Dies führt nun auch zur nächsten Thematik, die hier besprochen werden soll: Da es sich bei der von Wolfgang Krege durchgeführten Übersetzung des Herrn der Ringe um eine Neuübersetzung handelt, ist dieser Begriff für die vorliegende Arbeit von besonderer Relevanz. Eine Neuübersetzung ist, wie der Name bereits verrät, die erneute Übersetzung eines bereits übersetzten Werks in dieselbe Sprache. Auf dieses Phänomen wird nun im Detail eingegangen.

3.3. Neuübersetzungen Dem Konzept der Neuübersetzung wird in der Translationswissenschaft insbesondere seit der Sonderausgabe der französischen Zeitschrift Palimpsestes in den 1990ern immer mehr Beachtung geschenkt. Darin widmet sich beispielsweise Antoine Berman mit seinem Beitrag „La retraduction comme espace de la traduction“ (1990) der Frage, was eine Neuübersetzung nötig macht und entwickelt die sogenannte Retranslation Hypothesis. Zu Beginn erklärt Berman, dass Übersetzungen altern, auch wenn die dazugehörigen Originaltexte dies nicht tun. Aufgrund der Veränderungen, beispielsweise in den sprachlichen oder literarischen Gegebenheiten einer Kultur, braucht es eine Neuübersetzung, die an die neuen Bedingungen angepasst ist. Daraus wiederum erschließt sich, dass keine Übersetzung jemals DIE Übersetzung eines Werks ist und es keine zeitlose Übersetzung gibt. Dennoch gibt es Übersetzungen, die die Zeit überdauern, sogenannte grandes traductions, die nicht oder nur wenig zu altern scheinen (Berman 1990:1f.). Für die Entstehung einer grande traduction sind zwei Faktoren nötig. Zum einen müssen ihre Schwächen (jede Übersetzung hat Schwächen) durch viele positive Aspekte ausgeglichen werden; zum anderen muss sie genau zum richtigen Zeitpunkt entstehen, damit das Werk (hier also die Übersetzung) auf Grund der soziokulturellen Gegebenheiten der Zielkultur die Möglichkeit hat, sich richtig und vollständig zu entfalten und zu wirken (Berman 1990:5f.). Ein Beispiel hierfür wäre etwa die Lutherbibel, die zwar immer wieder modernisiert wird, aber nach wie vor eine der Lieblingsbibeln im deutschsprachigen Raum ist. Anhand einiger weiterer Beispiele für grande traductions illustriert Berman, dass zwar nicht jede Neuübersetzung eine grande traduction ist, es aber keine grande traduction gibt, die keine Neuübersetzung ist (ibid.:2f.). Dieses Phänomen erklärt sich seiner Meinung nach dadurch, dass jede menschliche Handlung sich wiederholen muss, um wahrlich vollbracht und vollendet zu werden und nicht nur ein Versuch bleibt. Berman bezieht sich auf Goethe, wenn er die drei Übersetzungsmodi einer jeden Kultur beschreibt:

- 34 - Zuerst wird Wort für Wort übersetzt, danach wird einbürgernd übersetzt und erst in der darauffolgenden Epoche werden literarische Werke so übersetzt, wie sie tatsächlich sind (Berman 1990:4). Aus Bermans Ausführungen resultiert also die Retranslation Hypothesis, die besagt, dass seiner Meinung nach Neuübersetzungen näher am Original sind und daher besser in der Zielkultur akzeptiert werden. In ihrer Untersuchung zu dieser These erklären Outi Paloposki und Kaisa Koskinen (2004), dass dies vor allem der zutrifft, wenn ein Text schon für den/die ÜbersetzerIn selbst besonders fremd wirkt, und er/sie der Auffassung ist, dass diese Fremdheit für das Publikum zu ausgeprägt ist. In solchen Fällen wird zumeist einbürgernd übersetzt. Neuübersetzungen hingegen profitieren von diesen vorangegangen Übersetzungen und der Tatsache, dass durch sie das Publikum schon eine gewisse Vertrautheit mit dem Werk hat und so eine verfremdende Übersetzung durchaus in Ordnung ist (Paloposki/Koskinen 2004:28). Doch merken sie an, dass eine Betrachtung der Gegebenheiten in der Übersetzungstradition von Literatur ins Finnische noch etwas Anderes zeigt. Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass die domestizierende oder verfremdende Übersetzung weniger damit zu tun hat, ob es sich bei einem Werk um eine Erst- oder eine Neuübersetzung handelt, sondern vielmehr von der Entwicklungsphase abhängt, in der sich die nationale Literatur befindet. So liegt die Vermutung nahe, dass vor allem in den frühen Phasen, in denen die Literatur erst wächst, einbürgernde Übersetzungen überwiegen und oft auch nicht als Übersetzungen kenntlich gemacht werden (ibid.:29). Sie argumentieren also, dass die einbürgernde Übersetzung nicht eindeutig und ausschließlich der Erstübersetzung zugeordnet werden kann, sondern ein Indikator für die Entwicklungsstufe ist, in der sich das jeweilige Literatursystem befindet (ibid.:31): Apart from exploring the causes behind the different profiles of translations, the analysis of early Finnish translations helps to understand why RH [Retranslation Hypothesis, B.S.] has arisen: there certainly are domesticating first translations in Finnish texts as well. It is however argued, with the help of the Finnish data, that a domesticating first stage can be more easily associated with certain phases in the development of a literature rather than with individual translations. (Paloposki/Koskinen 2004:32)

Diesem Argument fügen sie hinzu, dass es sehr viel mehr Faktoren gibt, die die Vorgehensweise der ÜbersetzerInnen beeinflussen. Beispiele hierfür sind der Skopos, der/die ÜbersetzerIn selbst, der Verlag, Zusatzmaterialen und das Zielpublikum. Außerdem verändert sich auch die Antwort auf die Frage, was eine treue Übersetzung ist je nach Interpretation dieses Begriffs ständig (ibid.:33f.).

- 35 - Mittlerweile findet immer mehr Forschung zum Thema der Neuübersetzung statt. 2015 gab es ein Sonderheft von Target zu dieser Thematik und es wird immer häufiger vom 21. Jahrhundert als „The Age of Retranslation“ gesprochen. Zumeist wird der Begriff Neuübersetzung nicht nur für die Tätigkeit der erneuten Übersetzung eines bereits in dieselbe Sprache übersetzten Werks verwendet, sondern auch für den daraus entstehenden Text (Van Poucke 2017:91f.). Für die vorliegende Arbeit wird unter Neuübersetzung aber lediglich das aus der erneuten Übersetzung entstandene Produkt verstanden, also der Text selbst. Diese Eingrenzung des Begriffs wird insbesondere deshalb vorgenommen, weil der Fokus nicht auf dem Prozess der Neuübersetzung liegt, sondern tatsächlich auf dem Text selbst und darauf, wie dieser auf seine LeserInnen wirkt und von ihnen aufgenommen wird. Unter Einbezug der ÜbersetzerInnen in die Thematik der Neuübersetzung werden aber Aspekte sichtbar, die andernfalls verborgen blieben. Deshalb wird hier noch einmal ein kurzer Exkurs durchgeführt, der diese Aspekte sichtbar machen soll. Die Neuübersetzung heute ist durchaus etwas Anderes, als sie es früher war. So beschreibt Höbel, dass jene Person, die sich heute an eine Neuübersetzung wagt, nicht mehr irgendjemand ist. Zumeist handelt es sich um professionelle ÜbersetzerInnen, die sich für diese Herausforderung qualifiziert haben und sorgfältig ausgewählt werden (Höbel 2015:93). Sie haben gewisse Ansprüche an sich selbst und ihre Arbeit: Erstens wollen sie vollständig übersetzen und nichts auslassen, was im Original vorkommt, ungeachtet dessen, wie es in der Zielkultur ankommt. Zweitens wollen sie das Original korrekt wiederspiegeln, mehr als die vorherigen Übersetzungen. „Das Werk soll besser durchdrungen, die Strukturen des Originals sollen erkannt und mitübersetzt werden“ (Höbel 2015:94), also die Intentionen und der Stil des/der Autors/Autorin noch besser erkennbar werden. Durch das Internet etwa sind diese Vorhaben heute oft sehr viel einfacher durchführbar als früher, weil Informationen sehr viel leichter zugänglich und auffindbar sind und die professionellen ÜbersetzerInnen ein fundiertes Wissen nicht nur über die fremde Sprache, sondern auch über die fremde Kultur mitbringen (ibid.:95). Drittens wollen sie sich bis zu einem gewissen Grad selbst verwirklichen. Der Übersetzung wird sozusagen ein „persönlicher Stempel“ (Höbel 2015:96) aufgedrückt – unter anderem deshalb, weil die erneute Übersetzung des Werks gerechtfertigt werden muss, durch einen gewissen Mehrwert, den sie mit sich bringt (Höbel 2015:95f.). Außerdem sind ÜbersetzerInnen heute vernetzt, haben eine Ausbildung und der Beruf wird immer stärker professionalisiert. Es gibt Studiengänge, Berufsverbände, Weiterbildungen, Konferenzen und Tagungen, nicht nur für

- 36 - FachübersetzerInnen sondern auch für literarische ÜbersetzerInnen (ibid.:93). Das Image und das Berufsbild von literarischen ÜbersetzerInnen haben sich verändert und das hat auf die produzierten Übersetzungen, vor allem auch auf Neuübersetzungen, einen nicht zu unterschätzenden Einfluss. In einer Vielzahl von zur Neuübersetzung durchgeführten Forschungen wird vom Altern der Übersetzungen gesprochen. So erklären Cecilia Alvstad und Alexandra Assis Rosa in ihrem Artikel „Voice in Retranslation“ (2015:15), dass das Altern von Texten eher toleriert wird, wenn es sich um Originale handelt, Übersetzungen dagegen schneller altern – insbesondere, wenn es sich um solche handelt, die an der Zielkultur orientiert sind. Auch Wolfgang Pöckl erkennt dieses Phänomen und sagt dazu: „Meistens provozieren nämlich gerade die sprachlich gewollt aktuellen, dem Zeitgeist huldigenden Fassungen die ablehnendsten Reaktionen“ (Pöckl 2010:317). Wie auch bei Bermans Aussage wird sich in der Analyse zeigen, ob und, wenn ja, inwiefern diese Aussage beim Herrn der Ringe zutrifft. Werden in die Betrachtung aber nicht nur die LeserInnen einbezogen, sondern auch die wirtschaftlichen AkteurInnen, so merkt Pöckl dazu an, dass auf dem Buchmarkt automatisch angenommen wird, dass eine Übersetzung veraltet ist, wenn eine Neuübersetzung publiziert wird. Doch wie genau sich dieses Altern von Übersetzungen manifestiert, bleibt der eigenen Fantasie überlassen (Pöckl 2010:317). Im Weiteren wird nun ein Überblick über vorhandene Literatur zum Thema Neuübersetzung gegeben, in dem die verschiedenen Beweggründe für die Erstellung von Neuübersetzungen untersucht werden.

3.3.1. Gründe für Neuübersetzungen Berman nennt zwei Gründe für die Neuübersetzung von literarischen Werken. Einerseits die Retranslation Hypothesis, laut der spätere Übersetzungen näher am Original sind sowie das angebliche Altern von Übersetzungen. Während die Retranslation Hypothesis vielzitiert und oft diskutiert ist, wurde Bermans zweitem Beweggrund für Neuübersetzungen bisher weit weniger Beachtung geschenkt und er tritt eher als Nebeneffekt in vielen Studien auf. Die Translationswissenschaft hat mittlerweile aber, wie bereits bei im vorherigen Kapitel angedeutet, noch eine Vielzahl von weiteren möglichen Erklärungen für die Erstellung einer Neuübersetzung identifiziert: Neben mangelhaften Übersetzungen gehören dazu auch Veränderungen im Skopos der Zieltexte, neue Auslegungen der Ausgangstexte oder sich verändernde Normen, die die ursprüngliche Übersetzung schwer lesbar machen (Van Poucke

- 37 - 2017:94). Diesen Gründen fügt Van Poucke aber auch noch die handelnden AkteurInnen hinzu, deren Einfluss auf die Entscheidung, ob eine Neuübersetzung angefertigt werden soll, nicht zu unterschätzen ist (2017:95). In diesem letzten Punkt stimmt er mit Alvstad und Assis Rosa (2015:15) überein, die neben anderen Argumenten auch die folgenden nennen: [S]tatus and power struggles of agents (such as translators, editors, publishers, patrons); editorial and economic factors (market demand, copyright expiration) or the marketing potential of new versions; the canonized status of a source text offering good possibilities for publishers profit; intercultural politics and/or monocultural source or target influences, also including ideological or political reasons; the publication of a ‘definitive’ edition of the source text. (2015:15)

Auch sie schreiben also den handelnden Akteuren und wirtschaftlichen Argumenten einen maßgeblichen Einfluss zu und zumeist ist eine Neuübersetzung wohl das Resultat aus dem Zusammenspiel von vielen unterschiedlichen Faktoren. Auch Pöckl stimmt mit dieser Auffassung überein und definiert fünf mögliche Gründe für Neuübersetzungen: Erstens die Überzeugung verschiedener AkteurInnen, dass die vorhandenen Übersetzungen bestimmter Werke nicht ihre heute relevanten Aspekte hervorheben und daher eine Neuübersetzung nötig ist, um das gesamte Potential eines Werks auszuschöpfen. Zweitens besteht im deutschsprachigen Raum offenbar der Anspruch, dass wichtige Texte der Weltliteratur immer in einer „brauchbaren“ deutschen Übersetzung vorhanden sein müssen. Drittens spielen Jubiläen eine große Rolle und bieten eine gute Legitimation für eine Neuübersetzung, auch wenn der Markt nicht danach verlangt. Hinzu kommen Rechtsstreitigkeiten, die in manchen Fällen zu Neu- oder Parallelübersetzungen führen und zu guter Letzt nennt Pöckl Zufallskonstellationen, die von nicht vorhersehbaren Faktoren abhängen und manchmal zu Neuübersetzungen führen (Pöckl 2010:318). Ein wichtiger Punkt bei der Diskussion von Neuübersetzungen, insbesondere in Zusammenhang mit der Retranslation Hypothesis, ist das betroffene Genre. So beschreibt Isabelle Desmidt in ihrem Beitrag „(Re)translation Revisited“ (2009) am Beispiel des schwedischen Klassikers Nils Holgersson, dass in der Kinderliteratur die Retranslation Hypothesis nicht zutrifft. Den Grund dafür sieht sie unter anderem in der Tatsache, dass sich Übersetzungen von Kinderliteratur zumeist an den Normen der Zielkultur zu orientieren scheinen. Neben der Kinderliteratur nennt Van Poucke auch weitere Beispiele wie etwa Theatertexte, die tendenziell öfter übersetzt werden oder Poesie, die im Gegensatz dazu meist nur im Falle von neuen Interpretationen des Ausgangstexts neu übersetzt wird. Auch heilige

- 38 - Texte werden in der Regel häufiger übersetzt, da Fehlinterpretationen hier zu ungewollter Blasphemie führen können (Van Poucke 2017:97).

3.3.2. Die Beziehung zwischen ErstübersetzerIn und NeuübersetzerIn Bei näherer Betrachtung der Thematik der Neuübersetzung wird unweigerlich der Punkt erreicht, an dem die Frage auftaucht, in welcher Beziehung der/die ErstübersetzerIn und der/die NeuübersetzerIn zueinander stehen. Dass es eine geben muss, steht außer Frage, doch welcher Natur sie ist und wie sie sich äußert, kann sehr unterschiedlich sein. In ihrem Beitrag „Anxieties of Influence: The Voice of the First Translator in Retranslation“ (2015) widmen sich Kaisa Koskinen und Outi Paloposki diesem Thema. Sie beschreiben, dass auch wenn die beiden Übersetzungen eines Originaltexts in der Regel als eigenständige Werke betrachtet werden, die einzig und allein durch den Ausgangstext miteinander verbunden sind, bei einer genaueren Untersuchung der beiden Zieltexte durchaus eine größere Anzahl von Verbindung gefunden werden kann (Koskinen/Paloposki 2015:1). Es ist eine Tatsache, dass die bloße Existenz einer vorangegangenen Übersetzung beziehungsweise eines/einer ÜbersetzerIn einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den/die NeuübersetzerIn hat. Dieser kann verschiedene Formen annehmen, etwa die bewusste Vermeidung von jeglicher Ähnlichkeit zur Erstübersetzung oder aber auch das andere Extrem, nämlich eine Abhängigkeit gegenüber der Erstübersetzung (ibid.:1f.). Zu dem Zeitpunkt, an dem die Neuübersetzung geplant, durchgeführt und publiziert wird, ist die Rolle des/der ErstübersetzerIn zumeist eher undankbar: Seine/Ihre Übersetzung wird als Rohmaterial betrachtet, als Text, den es zu überarbeiten und zu verbessern gilt. Die Erstübersetzung gilt also auf irgendeine Art und Weise als fehlerhaft und „too old, too outdated, too free, too domesticated, too foreignised and so on“ (Koskinen/Paloposki 2015:3). Die beiden Übersetzungen werden einander dann vor allem in Reviews oft gegenübergestellt und die negativen beziehungsweise als negativ wahrgenommenen Aspekte der älteren Übersetzung werden direkt neben den als sehr viel besser empfundenen Lösungen der Neuübersetzung betrachtet. Zumeist werden der alten Übersetzungen Adjektive wie veraltet oder verstaubt zugeschrieben, wohingegen die neue Übersetzung hochgelobt und als flüssiger und dem Original treuer beschrieben wird. Im Gegensatz dazu gibt es unter der Leserschaft, sozusagen den LaiInnen, oft viele, die die alte Übersetzung bevorzugen. Dies wird vor allem im Internet sichtbar, und ihre Meinung kann in Diskussionsforen und Blogs

- 39 - nachgelesen werden (Koskinen/Paloposki 2015:2f.). In der Analyse wird sich zeigen, ob dies auch beim Herrn der Ringe der Fall ist. Hier ist besonders auf die Kategorie „Lesbarkeit“ zu achten, in der sich einige Aussagen auf die Flüssigkeit und leichtere Lesbarkeit der beiden Übersetzungen beziehen. Koskinen und Paloposki beschreiben, dass die Erstübersetzungen von den NeuübersetzerInnen in vielen Fällen als netter Versuch abgestempelt werden und sie selbst werden als HeldInnen dargestellt, „the modern, well-read, balanced and cultured translator, who ‚finally’ gives the readers the unbiased, faultless, faithful rendering of the original“ (Koskinen/Paloposki 2015:4). Dieses Image behält er/sie auch bei, zumindest solange, bis genug Zeit verstrichen ist und auch die Neuübersetzung als veraltet gilt und der Ruf nach einer weiteren Neuübersetzung laut wird (ibid.:4).

Das folgende Kapitel beschäftigt sich nun mit den Herausforderungen, denen sich literarische ÜbersetzerInnen gegenübersehen, wenn sie den Herrn der Ringe in eine andere Sprache übertragen wollen. Als besondere Problempunkte bei der Tolkien-Übersetzung werden die Sprachsituation in Mittelerde sowie der besondere Schreibstil des Autors mit der häufigen Verwendung von Archaismen diskutiert und wie damit in der norwegischen Übersetzung des Silmarillion umgegangen wird. Im Weiteren wird auf die Namensübertragung eingegangen sowie auf die vielen Gedichte und Lieder im Herrn der Ringe. Als letzter Punkt wird die Rezeption Tolkiens in anderen Ländern angesprochen, wobei die Fallbeispiele der französischen Übersetzung und ihrer Wirkung in Frankreich sowie die beiden hebräischen Übersetzungen herangezogen werden. Vor allem die Diskussion der beiden hebräischen Versionen und ihre Aufnahme durch die Leserschaft ist besonders interessant, weil die Situation hier jener im deutschsprachigen Raum ähnelt. Dies sind allerdings nur einige ausgewählte Aspekte, anhand derer veranschaulicht werden soll, wieso die Übersetzung des Herrn der Ringe eine besondere Herausforderung darstellt. Diese Diskussion scheint vor allem in Hinblick auf die spätere Analyse der Umfrage wichtig, da einige der nun besprochenen Aspekte auch in den Antworten der ProbandInnen vorkommen.

- 40 - 4. Herausforderungen bei der Tolkien-Übersetzung

Die Übersetzung von Tolkiens Werken ist aus vielerlei Gründen keine einfache Aufgabe. Neben den prinzipiell vorhandenen Schwierigkeiten, die bei jeder Übersetzung auftreten, und die bereits im vorangegangen Kapitel besprochen wurden, kommen hier noch viele weitere Aspekte hinzu. Beispiele hierfür wären die Komplexität der von ihm erschaffenen Welt und der darin lebenden Charaktere sowie die teilweise sehr versteckten Beziehungen zwischen den verschiedenen Werken. So beschrieben Ferré, Lauzon und Riggs, dass Der Herr der Ringe aus den folgenden Gründen besonders schwierig zu übersetzen ist: The Lord of the Rings presents some specific difficulties, such as the extreme need for consistency and coherence, the complexity of the invented world, the full use of the English language in its historical richness and wide vocabulary, as well as the abundance of allusions to older works of literature. The combination and sheer amount of these things make The Lord of the Rings uniquely difficult to translate. (Ferré/Lauzon/Riggs 2011:52f.)

Damit sprechen die drei Autoren elementare Punkte an, die nicht nur für den Herrn der Ringe gelten, sondern auch für alle anderen Werke Tolkiens. Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle auch die Textsammlung Das Silmarillion, da Tolkien selbst diese als sein wichtigstes Werk sah und sie die Hintergründe und Erklärungen für viele Punkte in seinen anderen Werken, insbesondere dem Herrn der Ringe, liefert (Agøy 2011:31). So schreibt der norwegische Übersetzer Agøy über seine Übersetzung des Silmarillion: I am profoundly glad that I accepted the task only after having worked with Tolkien’s writing for many years, and in a situation where I was able to do the translation as a labour of love. In the Middle-earth books, the interconnections are so frequent and complex, and the pitfalls for the translator who does not know the larger structure so numerous and well hidden, that ‘ordinary’ competence and conscientiousness are simply not enough. (Agøy 2011:42)

Dieser Ausführung fügt er hinzu, dass ÜbersetzerInnen es bei Tolkiens Werken insbesondere auch deshalb schwer haben, weil „there are numerous and often well-informed readers, who can be counted on to find and point out the smallest of mistakes and debatable points“ (Agøy 2010:31). Jede Übersetzung wird von der Fangemeinde hinterfragt und genau untersucht und nicht einfach mit Freude aufgenommen, wie es bei vielen anderen Übersetzungen der Fall ist. Ganz zu schweigen von dem Autor selbst, der sich eingehend mit der Übersetzung befasst hat und dementsprechend viele Anmerkungen und Richtlinien hinterlassen hat, die es bei der Übertragung seines Lebenswerks in andere Sprachen zu berücksichtigen gilt. So erklärt Nagel bezüglich der Namensübertragung beim Herrn der Ringe, dass die Liebe Tolkiens zu der von

- 41 - ihm erschaffenen Welt dazu geführt hat, dass der Autor ausführliche Notizen dazu hinterlassen hat, wie die darin vorkommenden Namen übersetzt werden sollen. Diese Richtlinien sind auch insofern nicht zu ignorieren, dass Tolkien „the linguistic competence to make sensible suggestions regarding most European languages“ hatte (Nagel 2011b:106). Dem fügt Turner hinzu, dass auch Tolkiens eigenes Interesse an der Übersetzung eine wichtige Rolle spielt. Nicht nur verfasste er zwei Beiträge zur Übersetzung11, er selbst übersetzte einige altenglische Gedichte in modernes Englisch und wusste daher sicher über Gefahren und Schwierigkeiten der Übersetzungsarbeit Bescheid. Hinzu kommen die in den Briefen (2003) posthum veröffentlichten Kommentare und Anmerkungen Tolkiens zu diesem Thema sowie Kritikpunkte an bereits durchgeführten Übersetzungen. Nicht zu unterschätzen ist auch das Kapitel zur Übersetzung in den Anhängen des Herrn der Ringe, auch wenn das wohl wichtigste Schriftstück zur Übersetzung die bereits erwähnten Richtlinien zur Namensübersetzung sind (Turner 2005:45). Tatsächlich teilte Tolkien seinem Verlag George Allen and Unwin mit, dass er erwarte, bei den Übersetzungen konsultiert zu werden, um sicherzustellen, dass die Zieltexte seinen Erwartungen beispielsweise bezüglich der Philologie und der Nomenklatur entsprächen. Daraus geht klar hervor, was der Autor auch selbst bestätigte: Er betrachtete die Übersetzung seines Lebenswerks mit großer Sorge und es war ihm ein besonderes Anliegen, dass sich die ÜbersetzerInnen keine Freiheiten herausnahmen, sondern das Werk genauso übersetzten, wie er es verfasst hatte. Selbst kleinste Änderungen, Auslassungen oder Umstellungen, die nicht von ihm abgesegnet wurden, waren für ihn inakzeptabel (ibid.:47).

4.1. Die Sprachsituation in Mittelerde Generell hat sich der Autor, wie soeben bereits erwähnt, viel Mühe damit gegeben, die sprachlichen Gegebenheiten in Mittelerde auszuarbeiten; dies trifft ganz besonders auf das Elbische zu. Auch wenn sich ForscherInnen bei der genauen Zahl nicht ganz einig sind, so kommen im Herrn der Ringe nicht weniger als 12 Sprachen und Sprachvariationen vor und manche behaupten sogar, es seien 14 (Honegger 2011:2). Die wichtigste und auch die, die am weitesten ausgearbeitet ist und über die am meisten Hintergrundinformationen zugänglich sind, ist das Elbische. Interessant ist, dass Tolkien selbst in den Anhängen zum Herrn der Ringe sagt, dass es sich bei diesem Werk um eine Übersetzung des Roten Buchs handelt, welches in

11 Diese sind heute unter anderem in der posthum von Christopher Tolkien veröffentlichten Essaysammlung The Monster and the Critics, and Other Essays (1983) erhältlich. - 42 - der Gemeinsprache Mittelerdes, nämlich dem Westron, verfasst ist. Sein eigenes Werk beschreibt er somit als Pseudoübersetzung. Tolkiens Herangehensweise an seine Aufgabe als „Übersetzer“ war die Aufteilung der Sprachen Mittelerdes in jene, die der Gemeinsprache nicht ähneln und daher unübersetzt bleiben und jene, die dem Westron ähneln und übersetzt werden. Diese Herangehensweise empfiehlt sich auch für die ÜbersetzerInnen, die vom Englischen in eine andere Sprache arbeiten. Dennoch kann dieser Ansatz auch tückisch sein, da er möglicherweise zur Folge hat, dass die unübersetzten Sprachen, etwa das Orkische, für die LeserInnen mancher Sprachfamilien angenehmer oder natürlicher klingen, als etwa das Elbische, obwohl Tolkiens Intention genau umgekehrt war (Honegger 2011:2ff.). Was das Westron betrifft, so hat Tolkien ausgearbeitet, dass im englischen Original im Auenland modernes Englisch in einem rustikalen Dialekt gesprochen wird und in Rohan und Gondor Altenglisch verwendet wird. Allgemein entspricht das Westron dem modernen Englisch, wohingegen die Sprache der Zwerge eher auf den nordischen Sprachen basiert (ibid.:4, 13). Diese Beziehung der Sprachen in der englischen Entsprechung repräsentieren die Beziehungen der Sprachen in Mittelerde zueinander, auch wenn sich die Sprachen Mittelerdes und die germanischen Sprachen unterschiedlich entwickelt haben (Honegger 2011:11f.). Bei Betrachtung von Tolkiens Entsprechungen wird schnell klar, dass ÜbersetzerInnen, wenn sie Tolkien und seiner Arbeit gerecht werden wollen, nicht einfach eine dieser Komponenten austauschen können ohne das ganze System zum Einsturz zu bringen (Honegger 2011:14). Es wird also auch klar, dass die Übersetzung von Tolkiens Werken vor allem bei jenen Sprachen besonders komplex ist, die nicht den gleichen linguistischen Hintergrund besitzen wie das Englische (Ferré/Lauzon/Riggs 2011:46). Doch die soeben als schwierig beschriebene unterschiedliche linguistische Situation in den meisten Sprachräumen bietet auch Chancen: In einem der Appendixe zum Herrn der Ringe geht Tolkien näher auf die verschiedenen Sprachebenen ein, die die jeweiligen Charaktere verwenden. So sollen die Hobbits einen sehr informellen Sprachstil haben, der sich unter anderem darin zeigt, dass dort jeder geduzt wird. Auch wenn es sprachlich im Westron möglich wäre, Personen mit dem respektvollen, formellen „Sie“ anzusprechen, tun Hobbits dies nicht. Diese Feinheit jedoch wird lediglich von Tolkien beschrieben, zeigt sich im Englischen aber nicht, weil es keine Höflichkeitsform zu „you“ im Englischen gibt. Sprachen wie das Deutsche oder auch das Französische und das Spanische sowie viele weitere würden diese Möglichkeit aber durchaus bieten (Ferré/Lauzon/Riggs 2011:53). Es gilt hierbei jedoch

- 43 - zu bedenken, dass aus dem englischen Original nicht klar hervorgeht, in welchen Fällen die informelle und in welchen Fällen die formelle Anrede verwendet wird, wodurch eine Differenzierung in anderen Sprachen risikoreich ist und möglicherweise nicht den Intentionen Tolkiens in den einzelnen Fällen entspricht (Ferré/Lauzon/Riggs 2011:53).

4.2. Tolkiens Stil – Archaismen Eine besondere Herausforderung, die zweifellos alle Sprachen betrifft, in die Tolkiens Werke jemals übersetzt wurden, stellt der besondere Stil des Autors dar. Nathan schreibt, dass es die Aufgabe aller ÜbersetzerInnen ist „to create for the reader in the target language the opportunity to experience the original work in all its dimensions“ (2005:29). Diese Aussage deckt sich mit dem, was bereits in Kapitel 3.2 zur literarischen Übersetzung angesprochen wurde. Wie die vorangegangenen Darstellungen und insbesondere auch die noch folgende Diskussion der Namensübertragung unter Kapitel 4.3 beweisen, ist dies bei Tolkien aber nur bedingt möglich. Dafür beruht die Arbeit Tolkiens zu sehr auf den Spezifika der englischen Sprache, was aber eben auch Teil der Besonderheit von Tolkiens Stil ist. Dieser spezifische Stil eines/r jeden Autors/Autorin basiert jedoch noch auf vielen weiteren Aspekten. Nathan nennt hier etwa die Erzählstruktur, das Hervorheben oder Zurückstellen spezifischer Elemente einer Erzählung, aber eben auch sprachliche Phänomene wie die Wortwahl, den Satzbau und den Aufbau ganzer Passagen oder Kapitel in einem einzigen oder auch allen Werken eines/r Autors/Autorin (2005:30). Nun mögen viele LeserInnen Tolkiens Werke als langatmig beschreiben, doch ist das nun einmal der Stil von J.R.R Tolkien und der ist es auch, wie sich in der Analyse zeigen wird, den die Fangemeinschaft (zumindest im deutschsprachigen Raum) erkennen können will. Und auch wenn die LeserInnen von übersetzter Literatur in der Regel erwarten, dass sich ein Text flüssig liest, so stimme ich doch mit Nathan (2005:33) überein, wenn er sagt, dass ÜbersetzerInnen mutig alles daransetzen müssen, die Stimme des/r Autors/Autorin so zu übersetzen, wie sie tatsächlich ist – auch wenn dies LeserInnen und KritikerInnen der Zielkultur missfallen mag und der Text unter Umständen holprig oder repetitiv klingt. Ein Merkmal von J.R.R. Tolkiens Stil ist die häufige Verwendung von Archaismen. Durch sie hat er die Entwicklung der Fantasyliteratur maßgeblich geprägt und heute sind die bei ihm vorkommenden mittelalterlichen Bedingungen in der Fantasy zur Konvention geworden. Wodurch sich Tolkien hier aber definitiv von anderen AutorInnen des Genres unterscheidet,

- 44 - ist, wie Turner beschreibt, sein detailliertes Wissen über die sprachliche Situation nicht nur des Englischen, sondern auch anderer germanischer Sprachen. Hinzu kommen seine umfassenden Kenntnisse der europäischen Mythologie. All dies hat der Autor in die Geschichte des Herrn der Ringe einfließen lassen (Turner 2005:129f.). Interessant ist, dass sich die Translationswissenschaft bisher kaum mit Archaismen als literarisches Stilmittel auseinandergesetzt hat. Wenn das Thema in der Forschung vorkommt, dann zumeist in Zusammenhang mit historischen Ausgangstexten. Dementsprechend gibt es auch keine oder kaum Untersuchungen oder Forschung dazu, und ÜbersetzerInnen finden nur wenige Anhaltspunkte, die ihnen verraten würden, wie damit am besten umzugehen ist (Turner 2005:133). Generell jedoch scheinen sich ÜbersetzerInnen wohl damit zu fühlen, Archaismen zu verwenden und akzeptieren sie als Stilmittel, das es zu übersetzen gilt, da Auslassungen oder Abänderungen (vor allem in zu großem Maße) zu einer Veränderung des Werks führen würden (ibid.:131f.). Besonders bei Tolkien trifft das zu, da er Archaismen nicht nur verwendet, um eine mythische und heroische Stimmung zu erzeugen; für ihn sind sie ein Werkzeug, durch das er unterschiedliche Personen charakterisieren kann. So ist ein Dokument, das 3.000 Jahre vor der Zeit des Ringkriegs verfasst wurde, voll von Archaismen. Elrond aus Bruchtal, der zu den unsterblichen Elben gehört und bereits viele Jahrtausende miterlebt hat, verwendet viele Archaismen. Théoden von Rohan ist zwar verglichen dazu noch jung, gehört aber den Rohirrim an, die eine archaische Kultur darstellen, was sich ebenfalls in seinem Sprachstil abzeichnet. Hobbits dagegen haben einen vergleichsweise niedrigen Sprachregister und unterscheiden sich durch einen geringen Gebrauch von Archaismen von den bereits genannten (Turner 2005:135). Auch argumentiert Tolkien selbst, dass die im Herrn der Ringe vorkommenden Waffen und Kleidungsstücke, aber auch Ideale und Weltanschauungen einer anderen Zeit entspringen, als der heutigen. Sie daher also mit modernen sprachlichen Mitteln zu beschreiben, würde einen heftigen Bruch in der Logik des Werks darstellen (ibid.:133). Die soeben thematisierten Aspekte zur Verwendung von Archaismen und Tolkiens Stil finden sich später in der Analyse unter der Kategorie „Werk- und Stiltreue“ wieder. Doch auch die Kategorien der Gesamtstimmung und des Sprachgebrauchs beschäftigen sich damit, wie Tolkien Dinge gesagt hat, und welche Wirkung er damit erzeugte. Das Beispiel des Silmarillion auf Norwegisch zeigt eine Möglichkeit, wie mit Tolkiens Archaismen umgegangen werden kann. In seinem Beitrag „A Question of Style. On Translating

- 45 - into Norwegian“ (2011) beschreibt Agøy einige der Probleme, die ihm selbst bei der Übersetzung des Silmarillion untergekommen sind und erklärt, wie er versucht hat, sie zu lösen. Viele der von Tolkien verwendeten Ausdrücke sind heute nicht mehr geläufig oder haben ihre Bedeutung verändert und der Autor hat sie sehr bewusst verwendet. Auch der ungewöhnliche Erzählstil, der oft trocken und langatmig wirken kann, macht das Buch für viele Menschen schwer lesbar. Dennoch war es Agøy ein Bedürfnis, diese Aspekte so originalgetreu wie möglich ins Norwegische zu übertragen, da es ihm wie Illoyalität gegenüber Tolkien und Respektlosigkeit gegenüber den LeserInnen vorgekommen wäre, das Buch einfach ins moderne Norwegisch zu übersetzen (Agøy 2011:33f.). Die im Vergleich zu Großbritanniens grundlegend andere linguistische Ausgangslage in Norwegen hat es nötig gemacht, sozusagen eine „neue“ Sprache für das Silmarillion zusammenzustellen. Die bei Tolkien verwendeten Ausdrücke des 18. und 19. Jahrhunderts stellen im Norwegischen keine zufriedenstellende Lösung dar, da sie für LaiInnen kaum verständlich sind und in vielen Dingen dem Dänischen zu sehr ähneln. Dies würde zu einer Assoziation mit der bei NorwegerInnen sehr negativ behafteten Dänisch-Norwegischen Personalunion führen. Dementsprechend hätte diese Lösung denkbar schlechte Auswirkungen auf die Rezeption der norwegischen Übersetzung des Silmarillion gehabt und war Agøys Meinung nach nicht erstrebenswert (ibid.:36f.). Hinzu kommt die Tatsache, dass das Englische schon seit geraumer Zeit viele Lehnwörter aus dem Französischen, Griechischen und Latein hat. Im Gegensatz dazu haben derartige Ausdrücke den Einzug ins Norwegische erst vor relativ kurzer Zeit gehalten: Die Verwendung von Ausdrücken wie „lieutnant“, „captain“, „demon“, „myriad“ oder „phalanx“ hätte das Buch daher sehr modern wirken lassen (ibid.:37). Aus diesen Überlegungen hat sich für Agøy eine Vorgehensweise nach den folgenden Punkten ergeben: Erstens wurden Ausdrücke, die als modern interpretiert werden, konsequent vermieden, auch wenn sie die dem ersten Gefühl nach „richtige“ Übersetzung darstellen würden (Agøy 2011:37). Zweitens wurden Ausdrücke, die als altmodisch und vielleicht sogar überholt gelten, vermehrt eingesetzt; insbesondere, wenn sie häufig in Märchen und nordischen Sagen vorkommen. Hier wurde jedoch darauf geachtet, dass Ausdrücke, die eindeutig der nordischen Kultur zugeschrieben werden, vermieden werden (Agøy 2011:38). Drittens wurde für die direkte Rede eine Form der Ansprache verwendet, die heute zwar in der gesprochenen Sprache nicht mehr vorkommt, aber dennoch bekannt ist und in historischen Romanen oft verwendet wird. Auch wurde in jenen Fällen, in denen der Kontext die Bedeutung des Wortes eindeutig macht, oft ein

- 46 - Ausdruck verwendet, der mittlerweile eine andere Bedeutung bekommen hat. Als letzter wichtiger Punkt ist zu nennen, dass Agøy den Anhang zur Aussprache stark verändert hat. Er versuchte das Elbische als das Original anzusehen und nicht das Englische. Dadurch ergab sich, dass in seiner Übersetzung für die Beispiele zur Aussprache nicht englische Beispiele herangezogen werden, sondern norwegische. Dies wiederum führte dazu, dass einige Pluralformen nicht mehr jenen Tolkiens entsprechen, sondern gemäß der norwegischen Grammatikregeln gebildet wurden (ibid.:39). Auch wenn dies die richtige Aussprache und Betonung der Namen für das norwegische Publikum mit Sicherheit erleichtert, stellt sich doch die Frage, ob das auch Tolkiens Intentionen entspricht, der doch der Nomenklatur in seinen Werken ganz besondere Aufmerksamkeit schenkte. Alles in allem entstand aus der Arbeit des Übersetzers eine Übersetzung, die nur wenig kritisiert wurde. Agøy räumt natürlich ein, dass er selbst nicht beurteilen kann, ob seine Strategien als erfolgreich anzusehen sind, „but the translation has been well received“ (ibid.:40)

4.3. Namensübertragung Auch die Namen in Tolkiens Werken stellen, wie bereits mehrmals angedeutet, eine besondere Herausforderung dar; hat der Autor doch viel Mühe darin investiert und sich der Nomenklatur der Orte und Bewohner von Mittelerde mit besondere Sorgfalt gewidmet. Diese Sorgfalt geht jedoch über die bloße Schöpfung der Namen im englischen Original hinaus, wie sich in einigen von Tolkiens Schriften zeigt. So beschreibt Nagel, dass „Tolkien himself gives ample hints on how to view the imaginary world he has created, and how to interpret its lexical components“ (Nagel 2011b:92). Damit unterscheiden sich Tolkiens Werke bereits grundlegend von den meisten anderen literarischen Werken, was auch einen anderen Umgang der ÜbersetzerInnen mit den Namen nötig macht. Christiane Nord (2003) beschreibt verschieden Arten, auf die mit den Namen umgegangen werden, und welche Vor- und Nachteile sie haben können. Als Techniken der ÜbersetzerInnen nennt sie folgende: non-translation (en. Ada > de., es., fr., it. Ada), non-translation that leads to a different pronunciation in the target language (en. Alice > de., fr. Alice [A’li:s], it. Alice [a’litche]), transcription or transliteration from non-Latin alphabets (es. Chaikovski vs. de. Tschaikowsky or Čaikowskij), morphological adaptation to the target language (en. Alice > es. Alicia), cultural adaptation (en. Alice > fi. Liisa), substitution (en. Ada > br. Marina, en. Bill > de. Egon) and so on. (Nord 2003:182)

- 47 - Die meisten Namen werden bei der Übertragung eines literarischen Werks in eine andere Sprache durchaus übersetzt, vor allem wenn als Übersetzung der Prozess des linguistischen oder kulturellen Transfers betrachtet wird, beispielsweise Transliteration. Interessant ist aber zu sehen, dass sich ÜbersetzerInnen zumeist nicht auf eine der genannten Techniken beschränken, sondern durchaus mehrere anwenden. Je nach Name entscheiden sie, welche Technik angemessen ist und in der Zielsprache das beste Ergebnis erzielt (Nord 2003:183). Hier ist anzumerken, dass auch je nach Zielsprache unterschiedliche Konventionen herrschen und so etwa im Hebräischen Bandnamen wie The Rolling Stones oder The Beatles übersetzt werden, was in vielen anderen Kulturen undenkbar wäre (Vaxelaire 2006:726). Die Gründe, die zu einer Entscheidung für oder gegen eine Namensübertragung führen beziehungsweise ihre Art bestimmen können politischer Natur sein, sie können aber auch kulturell, kommerziell, stilistisch oder anders motiviert sein (ibid.:734). Insbesondere bei fiktiven Werken können AutorInnen sich ihre Inspiration für die Namen nicht nur aus ihrem eigenen oder anderen Kulturkreisen holen, sondern haben die Möglichkeit, Menschen, Tiere, Dinge und Orte vollkommen willkürlich zu benennen. Hier ist auffallend, dass in vielen Fällen die Namen oft eine deskriptive Bedeutung haben. Dies kann einerseits ein Wortspiel im Namen eines Charakters sein, andererseits aber auch ein Titel oder die Beschreibung eines Ortes durch Nomen wie Wald, See, Berg oder ähnliche. In manchen Sprachen, wie etwa dem Deutschen, sind reale, internationale Namen eine besondere Herausforderung, weil sie als kulturelle Marker gelten. So ist eine Frau, die Joséphine heißt, für das deutschsprachige Publikum immer automatisch Französin. Dies ist aber im Spanischen beispielsweise keineswegs der Fall und es muss immer explizit angegeben werden, welcher Nationalität ein Charakter ist, wenn diese Information von Relevanz ist (Nord 2003:183f.). Allgemein gibt es verschieden Formen von Eigennamen. Nord beschreibt am Beispiel von Alice im Wunderland die folgenden: Namen, die sich direkt auf das Umfeld des/der Autors/Autorin oder der RezipientInnen beziehen und somit zumindest für sie einen Realitätsbezug haben (hierbei kann es sich um NachbarInnen der genannten AkteurInnen, historische Personen, reale Orte und ähnliches handeln); Namen, die sich implizit auf das Umfeld des/der Autors/Autorin oder der RezipientInnen beziehen, etwa durch Wortspiele; und Namen, die rein fiktiv sind und sich ausschließlich auf fiktive Orte und Charaktere beziehen. Es liegt an den ÜbersetzerInnen, die Form des jeweiligen Namen zu ermitteln und ihn dementsprechend in die Zielsprache zu übertragen (Nord 2003:186).

- 48 - Interessant ist beim Herrn der Ringe, dass J.R.R. Tolkien seine Ansicht darüber, wie mit den Namen in der Übersetzung umzugehen ist, mit der Zeit änderte. Zu Beginn vertrat er noch vehement die Auffassung, dass er die Übertragung der Namen in eine andere Sprache prinzipiell ablehne und diese Herangehensweise anmaßend finde. Dazu argumentierte Tolkien, dass die ÜbersetzerInnen derartige Änderungen nur deshalb akzeptabel fanden, weil es sich bei Mittelerde um eine erfundene Welt handelt, sie so etwas aber niemals wagen würden, wenn die Geschichte in England spielen würde (Turner 2005:48). Doch eigenen Angaben zufolge repräsentiert die Geschichte (oder zumindest Aspekte davon) das ländliche England, was allerdings der in den Anhängen beschriebenen Tatsache widerspricht, dass die englische Version des Herrn der Ringe selbst eine Übersetzung aus dem Westron ist. Offenbar ist Tolkien dieser Widerspruch irgendwann aufgefallen und „he decided that it would make more sense to translate the names if that translation could be guided into a consistent direction“ (Turner 2005:48). Das Resultat dieser Meinungsänderung war wohl der Leitfaden zur Nomenklatur. Es ist aber nicht klar, wann genau Tolkien diesen verfasst hat, da er erst nach seinem Tod von Christopher Tolkien veröffentlicht wurde und bei genauerer Untersuchung fallen einige Ungereimtheiten auf, wie die Auslassung einiger Auenland-Namen und die Nennung einiger Namen, die erst in späteren Auflagen des Originals vorkamen. Dennoch sind die Anweisungen relativ klar, wenn auch sehr knapp gehalten (Turner 2005:48ff.). Allgemein gilt, dass die Namen im Herrn der Ringe nicht nur gut durchdacht, sondern auch sehr, sehr zahlreich sind. Abgesehen von den vielen Charakteren, die den LeserInnen im Zuge der Geschichte begegnen, liegt dies auch daran, dass einige Charaktere, Orte und sogar Gegenstände mehr als nur einen Namen tragen. Ein besonders beeindruckendes Beispiel für dieses Phänomen ist Aragorn: der Name Aragorn ist Sindarin12, doch ist er auch unter dem Westronnamen Streicher bekannt; den Thron Gondors besteigt er unter dem Quenyanamen13 Elessar, was im Westron wiederum Elbenstein bedeutet; hinzu kommt die Quenyaübersetzung für Streicher, nämlich Telcontar (Turner 2005:77) und Envinyatar, was der Erneurer bedeutet, um nur fünf der unzähligen Beinamen des Charakters zu nennen (Foster 2012:56ff.). Smith beschreibt, dass die ÜbersetzerInnen bei der Frage, ob und inwiefern ein Name verändert werden soll, die Qual der Wahl habe. Er beschreibt drei Möglichkeiten, wie mit Namen im Herrn der Ringe und allgemein umgegangen werden kann:

12 Sindarin bedeutet Grauelbisch und steht für eine Variation des Elbischen (Foster 2012:623). 13 bedeutet Sprache und steht für die Ursprache, die im Herrn der Ringe eine selten gesprochene Hochsprache vor allem für Gelehrte und Elben ist (Foster 2012:558). - 49 - 1. Eine Übertragung der Bedeutung der Namen in die Zielsprache, 2. Deren Anpassung an die Orthographie, Morphologie und Phonologie der Zielsprache und 3. Die unveränderte Übernahme der originalen Namen (Smith 2011:93). Diese drei Möglichkeiten und wie sie bei der Übersetzung des Herrn der Ringe sowie des Hobbits in Esperanto eingesetzt wurden, untersucht Smith eingehend in seinem Artikel „The Treatment of Names in Esperanto Translations of Tolkiens Works“ (2011). Anhand von unzähligen Beispielen wird gezeigt, wie Namen an die Regeln des Esperanto angepasst wurden und es zeigen sich einige Unstimmigkeiten. So wurde beispielsweise bei der Bildung der Pluralformen sehr unstrategisch vorgegangen (Smith 2011:95f.) und auch die Schreibweise der Namen erscheint in einigen Fällen problematisch. Oft wurde die Orthographie der Namen verändert, um im Esperanto die gleiche Aussprache zu erzielen wie im Englischen, doch wurde auch hier ohne klare Struktur vorgegangen und der Übersetzer scheint sich nicht an Tolkiens Anmerkungen zur Namensübersetzung orientiert zu haben (ibid.: 94,106ff.). Doch auch abgesehen von all diesen Unstimmigkeiten, die durch die Schwierigkeiten bei der Namensübertragung in eine Plansprache wie dem Esperanto erklärt werden können, gibt es noch einige Probleme, die leicht vermieden hätten können. Dazu gehören Änderungen und Anpassungen von Namen, die nicht nötig gewesen wären, weil sie das Verständnis nicht trüben. Doch weit problematischer ist die unterschiedliche Form von Namen für ein und denselben Ort oder Charakter an unterschiedlichen Textstellen (ibid.:109ff.). Für letzteres Phänomen gibt es nicht weniger als 52 Beispiele (ibid.: 111ff.), was besonders bei einem Werk wie Der Herr der Ringe eine inakzeptable Zahl darstellt. Auch wenn Smith zu Beginn seines Artikels einräumt, dass die Übersetzung des Herrn der Ringe in den meisten Aspekten eine gute Übersetzung ist (Smith 2011:92), schließt er seinen Beitrag mit der Aussage, dass es erschreckend ist, mit wie wenig Sorgfalt die Namen behandelt wurden. Seiner Meinung nach ist es mehr als schade, dass die erste Übersetzung vom Herrn der Ringe in eine künstliche Sprache wie das Esperanto „was not done with the care and attention to detail that such a project requires and deserves“ (ibid.:116). Auf eine besondere Art und Weise haben die russischen Übersetzer Murav’ev und Kistyakovskij die Namen im Herrn der Ringe behandelt. Die meisten Vornamen wurden einfach transliteriert, einige der Nachnamen wurden jedoch nach ihrer Bedeutung übertragen (Hooker 2011:131). Ein grober Schnitzer in einer literarisch schönen Übersetzung ist aber, dass Murav’ev entgegen Tolkiens eigenen Aussagen das Wort Hobbit vom lateinischen Wort für

- 50 - Mann, homo, in Verbindung mit dem englischen Wort für Kaninchen, rabbit, hergeleitet hat. Auf dieser Grundlage hat Kistyakovskij eine Vielzahl der Hobbitnamen und Auenlandbezeichnung erfunden, die auf die eine oder andere Weise auf den russischen Worten für Kaninchen- und Hasenarten basieren (Hooker 2011:131f.). Dies widerspricht klar Tolkiens Intentionen für die betroffenen Namen und ruft zweifelhafte Assoziationen hervor. An diesen Beispielen ist nur unschwer zu erkennen, vor wie viele Herausforderungen ÜbersetzerInnen bei der Namensübertragung im Herrn der Ringe gestellt werden. Dieser Aspekt des Werks erfordert viel Einfühlungsvermögen und Aufmerksamkeit.

4.4. Gedichte und Lieder Ein wichtiger Bestandteil von J.R.R. Tolkiens Werk, der in dieser Arbeit bisher nur gestreift wurde, sind die Gedichte und Lieder, die in sehr großer Zahl vorkommen. Viele davon sind in elbischer Sprache verfasst und bedürfen daher keiner Übersetzung. Sie werden in ihrer Originalform übernommen. Die vielen poetischen Elemente des Werks, die im Original auf Englisch verfasst sind, müssen dagegen durchaus übersetzt werden. Gedichte und Lieder scheinen in Mittelerde eine wichtige Rolle zu spielen und finden in allen vorkommenden Kulturen des Herrn der Ringe oft Erwähnung (Turner 2005:155f.). Auch in der Umfrageanalyse finden sich unter der Kategorie „Sonstiges“ Referenzen auf diesen Aspekt von Tolkiens Werk. Sie sind zwar nicht so zahlreich, dass sie eine eigene Kategorie bilden, doch wurde dieser Teil des Herrn der Ringe von einigen ProbandInnen genannt, wodurch sich zeigt, dass sie zumindest für manche LeserInnen einen wichtigen Teil des Buchs darstellen. Die translationswissenschaftliche Sichtweise auf die Übersetzung von Poesie zeigt auf, weshalb genau sie eine Herausforderung für die zuständigen ÜbersetzerInnen ist. Bei einem Gedicht wird Bedeutung nicht nur durch reine Worte ausgedrückt wird, sondern vor allem auch durch ihre Beziehung zueinander, etwa durch Reime, Wortspiele, Alliterationen und ähnliches. Hinzu kommen in vielen Fällen noch Aspekte wie das Versmaß oder die äußere Form. Auch wenn Gedichte in der Regel in geschriebener Form vorliegen, so ist doch vor allem auch die mündliche Wiedergabe und der Klang von besonderem Interesse (Jones 2010:117). In der Translationswissenschaft werden drei Arten der Poesieübersetzung definiert: Zum einen die „prose renderings“, die zwar die Worte des Gedichts in der Zielsprache wiedergeben, aber die poetischen Merkmale weglassen. Sie werden oft als Lesehilfe verwendet. Zum anderen gibt es die „adaptations“ oder „imitations“. In diesem Fall liegt der

- 51 - Fokus auf der Übertragung der poetischen Aspekte des Ausgangswerks und weniger auf dem eigentlichen Sinn der Worte. Dann gibt es noch die sogenannte „recreative translation“, bei der die ÜbersetzerInnen versuchen, sowohl die semantischen, als auch die poetischen Merkmale eines Ausgangsgedichts zu übertragen. Diese Form der Gedichtübersetzung verlangt wohl am meisten Kreativität und fordert den/die ÜbersetzerIn am meisten heraus (Jones 2010:118). ÜbersetzerInnen von Poesie müssen einen hohen Grad an Expertise aufweisen, nicht nur was die Lektüre von Ausgangsgedichten, sondern auch was die Produktion von Zielgedichten betrifft. Jones beschreibt dies mit den folgenden Worten: They also need cross-language expertise, to find appropriate counterparts for complexes of source-poem features – and when this proves impossible, the literary judgement to decide what to reproduce, what to recreate more loosely and what to abandon. (Jones 2010:119)

Mithilfe von Thinking-aloud Protokollen wurde die Vorgehensweise von PoesieübersetzerInnen untersucht und es konnte festgestellt werden, dass sie in der Regel folgendermaßen vorgehen: Nach einer gründlichen Lektüre und Analyse des Ausgangstexts wird eine erste Zieltextversion erstellt. Diese wird meist schon während ihrer Produktion umgeschrieben und umformuliert, ist aber dennoch meist sehr wörtlich. Zwischen Phasen, in denen das Gedicht „ruht“ und nicht bearbeitet wird, folgen dann mehrere Überarbeitungsschritte, in denen die poetischen Merkmale eingebaut werden (Jones 2010:120). Jede/r ÜbersetzerIn hat aber eine eigene Methode, eine eigene Herangehensweise und auch eine eigene Hierarchie, nach der entschieden wird, ob es bei einer Passage wichtiger ist, den Wortlaut exakt wiederzugeben oder den Klang und das Versmaß. Diese kurze Beschreibung des Arbeitsprozesses einer Poesieübersetzung gibt bereits klare Hinweise darauf, dass sie in der Regel sehr zeitintensiv ist (ibid.:120f.). Es wird also schnell klar, dass das hohe Vorkommen von Poesie bei Tolkien eine weitere Herausforderung bei der Übersetzung seiner Werke darstellt, vor allem weil die meisten ÜbersetzerInnen sich entweder auf Prosa- oder Gedichtübersetzung spezialisieren. Die beiden Textformen stellen unterschiedliche Anforderungen an die ÜbersetzerInnen und es bedarf unterschiedlicher Herangehensweisen. Die Tatsache, dass die Gedichtübersetzung sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, ist insbesondere deshalb eine Herausforderung, weil sie vergleichsweise sehr wenig Platz in einem größeren Werk wie etwa dem Herrn der Ringe einnimmt (Turner 2005:156). Steht bei der Prosaübersetzung zumeist der Inhalt im Vordergrund, ist bei der Gedichtübersetzung die Form in vielen Fällen wichtiger. Wie bereits in Kapitel 1.2 erwähnt, wurde für die deutsche Übersetzung neben Margaret Carroux auch die Poetin Ebba-Margareta von Freymann - 52 - hinzugezogen. Diese Herangehensweise war von Erfolg gekrönt und die deutschen Versionen der Gedichte weisen ein besonderes Maß an Liebe zum Detail auf. Die verschiedenen Rhythmen und Versmaße, die bei Tolkien wiederum unterschiedlichen Kulturen und Personen zugeschrieben werden, kommen für aufmerksame LeserInnen schön zur Geltung. Doch nicht in allen Sprachen wurde dieses Vorgehen gewählt und oft fiel die Aufgabe, die Gedichte zu übersetzen, derselben Person zu, die auch die Geschichte übertrug, was durchaus problematisch sein kann (Turner 2005:156f.). Aufgrund derselben germanischen Wurzeln ähneln die deutschen, niederländischen und schwedischen Übersetzungen der Gedichte ihren englischen Ausgangstexten in vielen Aspekten. Für die ÜbersetzerInnen für Französisch, Italienisch oder Spanisch hingegen ist diese Aufgabe sehr viel schwieriger: Diese Sprachen haben andere Wurzeln als das Englische und auch die klassischen Versmaße unterscheiden sich in diesen Sprachen von den bereits genannten (Turner 2005:156f.). Wie also genau mit den Liedern und Gedichten umgegangen werden sollte, vor allem in den Sprachen, die dem Englischen nicht ähneln, ist eine besonders schwierige Frage. Dies trifft umso mehr zu, wenn dabei die Wünsche des/der Autors/Autorin im Auge behalten werden sollen und die Übersetzung weitestgehend in seinem/ihrem Sinne sein soll.

4.5. Das Risiko nach der Übersetzung – die Rezeption in der Fangemeinde Bereits in der Einleitung zu diesem Kapitel sowie unter Kapitel 2.3 wurde die Leserschaft Tolkiens erwähnt, die wohl durchaus als eine Klasse für sich beschrieben werden kann. Insbesondere die eingefleischten Fans identifizieren sich sehr stark mit Tolkien und dem, was er geschrieben hat. Das wirkt sich natürlich auch in nicht zu unterschätzendem Maße auf die Rezeption der publizierten Werke, insbesondere in den übersetzten Versionen, aus. Hannelore Link definiert ein Buch beziehungsweise das Schreiben sowie Lesen eines Buches als eine besondere Kommunikationssituation. Sie ist zwar etwas abstrakter, als jene, die uns im täglichen Leben, etwa in Gesprächen, begegnen, doch schreiben AutorInnen für LeserInnen, und die LeserInnen nehmen das Geschriebene auf. Sie beide denken sich ihre KommunikationspartnerInnen (1980:12). Wichtig ist aber, dass die LeserInnen immer ein gewisses Interesse an dem von den AutorInnen Gesagten haben müssen; damit dies der Fall ist, müssen sich die VerfasserInnen bis zu einem gewissen Grad nach den Bedürfnissen der RezipientInnen richten. So entsteht der gemeinsame Nenner zwischen den beiden

- 53 - KommunikationspartnerInnen (ibid.:13). Aus diesen Erklärungen ergibt sich für Link die folgende Definition: „Rezeption als Handlung des ‚Empfangens’ von literarischen Äußerungen, die ein Autor-Ich einem Leser-Du ‚sendet’, ist Teil jenes zwischenmenschlichen, sozialen Handelns, das wir Kommunikation nennen“ (Link 1980:15). Genauer kann die Rezeption also beschrieben werden, als alle Teilaspekte der Begegnung zwischen einem Werk und dessen Leserschaft. Diese umfassen unter anderem die Bedingungen, unter denen diese Begegnung stattfindet, aber auch die Ergebnisse dieses Aufeinandertreffens. Es geht also um „Wirkung und Aufnahme eines Kunstwerks“ durch die Adressaten (Warning 1993:9). Wie Der Herr der Ringe im deutschsprachigen Raum aufgenommen wurde und wird, ist in Kapitel 6 im Detail dargelegt. Allgemein kann aber unter Betrachtung der bereits durchgeführten Darstellung der Fangemeinde gesagt werden, dass sie relativ groß ist und sich sehr für J.R.R. Tolkien und sein Werk interessiert. Daraus kann die Vermutung abgeleitet, dass sie wohl auch nicht allzu unzufrieden mit den vorhandenen Übersetzungen sein kann. Dass diese positive Rezeption des Herrn der Ringe und Tolkiens aber global gesehen nicht unbedingt die Regel ist, zeigt eine Betrachtung der Situation in Frankreich. Die französische Version des Herrn der Ringe ist ein gutes Beispiel für eine Übersetzung, in die sich trotz großer Sorgfalt vonseiten des Übersetzers einige Schnitzer eingeschlichen haben. Diese werden von Ferré, Lauzon und Riggs in ihrem Beitrag „Traduire Tolkien en Français: On the Translation of J.R.R. Tolkien’s Work into French and their Reception in France“ (2011) beschrieben. Einer der stark kritisierten Punkte ist beispielsweise, dass im Prolog vom Tod der ElbInnen Elrond und Galadriel gesprochen wird, obwohl diese lediglich Mittelerde verlassen haben (Ferré/Lauzon/Riggs 2011:54). Hinzu kommen die Einführung von Präpositionen für Orte, die nicht den Regeln der französischen Grammatik entsprechen; klare Referenzen auf Gott und den Teufel, die so im englischen Original nicht vorkommen und möglicherweise bewusst vermieden wurden (ibid.:55f.); einige kleinere und größere Fehler der Textkohärenz und -konsistenz (ibid.:56f.) und einige weitere Punkte wie etwa die Tatsache, dass die Besonderheiten an Gollums Sprache in der französischen Übersetzung verloren gehen (ibid.:60). Die Autoren bemerken, dass die Rezeption Tolkiens in Frankreich weniger positiv ist, als in anderen Ländern, was sie neben den bereits genannten Punkten auch der Tatsache zuschreiben, dass viele seiner Werke erst relativ spät ins Französische übersetzt wurden oder es bis heute nicht sind (Ferré/Lauzon/Riggs 2011:46ff.). Auch argumentieren sie, dass der Ruf von Tolkien darunter leidet, dass seine akademischen Texte in Frankreich nicht übersetzt und

- 54 - daher gänzlich unbekannt sind. Frankreich ist aber eine Nation, die derartige doppelte Aktivitäten, also das Verfassen literarischer Werke in Verbindung mit akademischer Arbeit, sehr schätzt (Ferré/Lauzon/Riggs 2011:48). Hinzu kommt eine Vielzahl von schlecht recherchierten Artikeln in renommierten Zeitungen wie Le Figaro oder Le Monde, die Tolkien in Verruf brachten, etwa indem sie ihm starken Rassismus vorwarfen (ibid.:49ff.). Einen weiteren sehr interessanten Fall stellt die Situation der Übersetzung des Herrn der Ringe im Hebräischen dar. Da es auch dort, wie im Deutschen, zwei Übersetzungen gibt, erscheint eine genauere Betrachtung der Gegebenheiten dort besonders interessant. Bei der folgenden Betrachtung der beiden Versionen des Herrn der Ringe im Hebräischen wird die fast schon philosophische Frage aufgeworfen, ob die Ästhetik des Texts wichtiger ist oder seine Korrektheit (Orbach 2011:62). Wenn beide Aspekte als gleich wichtig betrachtet werden, würde das wohl bedeuten, dass das Hebräische noch auf der Suche nach „seiner“ Übersetzung des Herrn der Ringe ist. Die ältere der beiden Versionen im Hebräischen wurde von Ruth Livnit verfasst und in den 1970ern veröffentlicht. Etwa 20 Jahre später fertigte Emanuel Lottem eine neue Übersetzung an, wobei eine vollständige Neuübersetzung dem Verlag zu teuer gewesen wäre, weshalb es sich lediglich um eine überarbeitete Version handelt (Orbach 2011:49f.). Hier gibt es Unterschiede zum Deutschen, da die Krege-Übersetzung tatsächlich eine eigenständige Übersetzung darstellt. Auch sind im deutschsprachigen Raum beide Versionen nach wie vor verfügbar, wohingegen seit der Veröffentlichung der neuen hebräischen Übersetzung die Alte nicht mehr in den Buchläden zu finden ist. Das führt zu viel Unmut, vor allem bei jenen Fans, die mit der Livnit-Übersetzung aufgewachsen sind. Interessanterweise jedoch geben vor allem vielen junge LeserInnen, die Tolkien gerade erst entdecken, der Lottem-Übersetzung den Vorzug (Orbach 2011:51). Die Übersetzerin Ruth Livnit war der Meinung, dass die Übersetzung eines solch epischen Werkes den Gebrauch von biblischen und jüdischen Termini und Ausdrücken verlangt, damit im Hebräischen dieselbe mythische Atmosphäre entsteht, die auch Tolkien hervorbringt. Auch Uriel Ofek, der hebräische Übersetzer der Lieder und Gedichte im Herrn der Ringe, ging auf diese Weise vor. Gemeinsam kreierten sie einen wunderschönen Text mit unzähligen Termini, die eine starke religiöse Konnotation haben. Diese Vorgehensweise führte allerdings dazu, dass die Übersetzung sehr frei ist und oft nicht genau den Worten und Intentionen Tolkiens folgt. Aus diesem Grund wurde der Ruf nach einer neuen Übersetzung lauter, die von Emanuel Lottem angefertigt wurde (ibid.:49f.). Der Schreibstil Lottems ist sehr technisch und da er sehr viele Änderungen

- 55 - einfügte, ist das Ergebnis etwas seltsam, denn sein moderner Stil vermischt sich mit dem literarisch-archaischen von Livnit (ibid.:51). KritikerInnen der Übersetzung von Livnit sind der Meinung, dass die meisten LeserInnen, die die ältere Version bevorzugen, dies vorwiegend aus Nostalgie tun. Das ist die Version, mit der sie aufgewachsen sind und für sie ist Livnit die hebräische Stimme Tolkiens (Orbach 2011:52f.). Dies ist auch ein Aspekt, der für einige der ProbandInnen der Umfrage genannt wird. In der Umfrageanalyse zeigt sich, dass sie einräumen, dass sie möglicherweise eine Übersetzung bevorzugen, weil sie sie gewöhnt sind. Yuval Kfir sagt zur ersten hebräischen Übersetzung, dass er „would be surprised if there is anyone who has read Tolkien in English and Livnit’s translation and would be willing to speak in favour of the translation“ (ibid.:52). Für diese Aussage nennt Kfir eine Vielzahl von Gründen: Manche Namen wurden unterschiedlich transkribiert, die Karten von Mittelerde hatten eine sehr schlechte Qualität und, die Anhänge fehlten vollständig. Tatsächlich soll Livnit selbst in einem Brief geschrieben haben, dass sie der Auffassung war, dass die Anhänge der Lektüre nicht wert wären, geschweige denn einer Übersetzung (Orbach 2011:53). Dies lässt vermuten, dass sie selbst sie vielleicht nicht gelesen hat, wodurch sich viele ihrer Übersetzungsfehler und Fehlinterpretationen erklären lassen. Sie behandelte den Herrn der Ringe wie jeden anderen Roman und ignorierte die Verbindungen zu Tolkiens anderen Werken. Doch auch wenn über all jene Fehler hinweggesehen wird, die durch die Lektüre der Anhänge oder des Silmarillion vermieden hätten werden können, so bleiben dennoch zu viele schwerwiegende Fehler übrig: Neben mehreren inhaltlichen Fehlern, etwa, dass sie Aragorn in einer Passage zu einem Elbenprinzen machte (ibid.:54f.), kommen auch noch einige sprachliche Probleme, wie etwa die Tatsache, dass Livnit Gollums Sprache korrigiert hat. Darüber hinaus hat sie ihm eine stilistisch sehr hohe Sprache in den Mund gelegt, die Gollum schlicht nicht hat. Für die Elben hat sie den Ausdruck „Bnei-Lilith“ verwendet, der so viel wie Söhne Liliths bedeutet. Lilith jedoch wird in der jüdischen Mythologie stark mit dem Teufel in Verbindung gebracht, was eine Konnotation mit sich bringt, die definitiv nicht mit den Intentionen Tolkiens übereinstimmt (ibid.:56f.). „Tolkien was a master of style and storytelling, but also a master of detail. Livnit paid no attention to detail“ (ibid.:57), kritisiert Kfir am Ende seiner Ausführungen. Doch auch all jene, die Livnits Übersetzung bevorzugen, finden an der Übersetzung von Lottem ebenso Fehler. Diese sind jedoch anderer Natur, wie die Ausführungen von Yuval Welis zu diesem Thema aufzeigen. Er erklärt, dass auch wenn die Lottem-Übersetzung Fehler ausbessert, sie nicht das vermittelt, was Tolkien kreiert hat, sie

- 56 - sozusagen den Geist und die Essenz des Buches nicht einzufangen vermag. Es wird kritisiert, dass Lottem sich lediglich auf die Korrektheit der Übersetzung konzentrierte, darüber aber auf die Atmosphäre vergaß und der Text stilistisch nicht schön ist (Orbach 2011:60f.). Bei einem Vergleich dieser beiden Übersetzungen und den hervorgebrachten Argumenten finden sich viele Aspekte, die auch von den TeilnehmerInnen der vorliegenden Umfrage angesprochen wurden. Für Missinterpretationen hat auch das deutschsprachige Publikum kein Verständnis, und die Stimmung des Buchs ist für sie von besonderer Wichtigkeit.

Nachdem nun verschiedene Aspekte der Übersetzung von J.R.R. Tolkiens Lebenswerk eingehend diskutiert wurden, folgt eine Darstellung der theoretischen Grundlage, auf deren Basis die Analyse in Kapitel 6 durchgeführt, und die Analysekategorien erstellt wurden. Es handelt sich um die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring, die herangezogen wurde um die ein wissenschaftliches Analyseinstrument für die Diskussion und Interpretation der freien Antworten der ProbandInnen zu entwickeln. Nachdem zu Beginn die qualitative Inhaltsanalyse an sich definiert und beschrieben wird, gibt es danach eine detaillierte Darstellung des Ablaufs nach Mayring.

5. Die qualitative Inhaltsanalyse

In diesem Kapitel wenden wir uns der qualitativen Inhaltsanalyse zu. Da es sich bei der im weiteren folgenden Untersuchung nicht um eine Analyse des übersetzten Texts handelt, wie es sonst in der Translationswissenschaft oft der Fall ist, sondern vielmehr um eine Analyse der Antworten der RezipientInnen des übersetzten Texts, fallen viele der „klassischen“ Analysesysteme weg. Es geht nicht um den Herrn der Ringe beziehungsweise seine Übersetzungen per se, weshalb auch der Wortlaut des Buches oder die Strategie der ÜbersetzerInnen hier nicht von Relevanz sind. Selbstverständlich haben all diese Dinge einen Einfluss auf die Ergebnisse der Umfrage und die Meinungen der befragten LeserInnen, doch sind sie nicht Gegenstand der hier durchgeführten Forschung. Es handelt sich also um eine qualitative Inhaltsanalyse der von den RezipientInnen produzierten Texte. Schon seit den 1960ern rücken die RezipientInnen auch in der Translationswissenschaft immer mehr in den Fokus der Forschung. (Brems/Pinto 2013:142). Das liegt unter anderem an der Erkenntnis, dass ein Text ohne eine/n LeserIn keine Bedeutung hat, sondern diese erst durch die Interpretation einer Person gewinnt. Diese Interpretation oder Rezeption wird von vielen

- 57 - Faktoren beeinflusst, darunter kulturelle Normen, Erwartungen, Bildung, persönliche Faktoren sowie die Geschichte und viele weitere (ibid.:142). Ein Weg, über den die Rezeption der LeserInnen untersucht werden kann, ist indem von ihnen produzierte Texte zum Thema analysiert werden. Es handelt sich also um eine Inhaltsanalyse, die nach Früh „eine empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen“ (Früh 2015:29) ist. Solch eine Analyse kann sowohl qualitativ als auch quantitativ sein, wobei sich diese beiden Termini allgemein folgendermaßen unterscheiden lassen: Während es bei der quantitativen Forschung darum geht, empirische Sachverhalte in Zahlen darzustellen (Mittelwerte, Wahrscheinlichkeiten, Verteilungen) und vor allem auch die Statistik eine große Rolle spielt, will die qualitative Forschung die Individualität der ProbandInnen bewahren und es sollen Weltanschauungen und Lebensweisen erforscht werden (Hug/Poscheschnik 2010:87ff.). In Hinblick auf die Inhaltsanalyse geht es bei der qualitativen Vorgehensweise meist darum, große Textmengen zu bearbeiten und dennoch die Individualität der ProbandInnen zu erhalten. Bei der quantitativen Analyse steht nicht im Vordergrund, was gesagt wurde, sondern lediglich, ob bestimmte Merkmale oder Schlagworte in den Texten vorkommen (ibid.:69). Hug und Poscheschnik (2010) definieren die qualitative Inhaltsanalyse als eine Analysemethode, bei der Textmaterial in Sinneinheiten zergliedert wird, welche dann übergeordneten Analysekategorien zugeordnet werden (2010:150). Sie erlaubt es so, mithilfe der Analyse sprachlicher Materialien Rückschlüsse auf nicht-sprachliche Phänomene zu ziehen (Lamnek 2010:434).

5.1. Merkmale der qualitativen Inhaltsanalyse Ein besonders wichtiges Merkmal der Inhaltsanalyse ist, dass die Aussagen, die den jeweiligen Kategorien zugeordnet werden, nicht in einem Vakuum betrachtet werden. Es wird immer auch der Kontext miteinbezogen, wodurch die Aussagen eindeutiger zugeordnet werden können und auch nachvollziehbarer wird, weshalb sie in eine bestimmte Kategorie fallen (Mayring 2010:48). Es gibt drei verschiedene Arten, auf die das sprachliche Material, mit dem gearbeitet wird, bearbeitet werden können: Zusammenfassung, Explikation und Strukturierung (ibid.:50). Je nachdem, was genau untersucht werden soll, wird die passende Aufbereitungsart ausgewählt. Bei der Zusammenfassung wird das Textmaterial auf seine wesentlichen Kernaussagen reduziert. Diese spiegeln das Textmaterial immer noch wieder,

- 58 - sind jedoch stark gekürzt und nennen nur die für die Analyse wesentlichen Aussagen. Bei der Explikation werden unklare oder fragliche Textpassagen durch Zusatzmaterial erklärt und erläutert. Bei der Strukturierung werden aus dem Textmaterial bestimmte Aspekte herausgearbeitet beziehungsweise werden die Aussagen nach verschiedenen Kategorien gefiltert und so zusammengefasst (Mayring 2010:65). Angesichts der Tatsache, dass immer wieder eine andere Aufbereitungsart verwendet wird, wird bereits hier ersichtlich, dass die Inhaltsanalyse ein Instrument ist, das jedes Mal anders aussieht. Es wird auf die jeweilige Forschung angepasst und ist daher individuell. Um sicherzustellen, dass die Analyse trotzdem systematisch und regelgeleitet und nicht willkürlich ist, ist es unerlässlich, dass einem Ablaufmodell gefolgt wird. In diesem müssen die einzelnen Schritte der gesamten Analyse vom Anfang bis zum Ende genau dargestellt, und so nachvollziehbar gemacht werden. Dadurch soll gewährleistet werden, dass theoretisch auch ein/e andere/r ForscherIn die Analyse durchführen kann und zum selben Ergebnis gelangt (Mayring 2010:48f.). Insbesondere wenn es um die Darstellung der Ergebnisse geht kommen aber auch bei der qualitativen Inhaltsanalyse quantitative Methoden zum Einsatz. So ist beispielsweise die Häufigkeit einer Kategorie ein guter Hinweis auf einen Sachverhalt, der bei verschiedenen Personen in ähnlicher Art und Weise vorkommt. Derartige Erkenntnisse sind besonders wichtig, wenn es darum geht, am Ende allgemeine Aussagen aus der Analyse abzuleiten (Mayring 2010:51). Ein weiteres wichtiges Merkmal der Inhaltsanalyse sind die Analysekategorien, nach denen die Aussagen der ProbandInnen gegliedert werden. Durch sie wird die intersubjektive Nachvollziehbarkeit gewährleistet und sie sind das zentrale Instrument der Analyse (ibid.:49f.). Es gibt zwei Arten, auf die die Analysekategorien etabliert werden können, deduktiv und induktiv. Wird die deduktive Methode verwendet, so werden die Analysekategorien schon vor der Durchsicht des Materials entwickelt. Wird induktiv vorgegangen, so wird genau umgekehrt verfahren und die verschiedenen Kategorien werden „Schritt für Schritt aus den konkreten Aussagen des Texts abgeleitet“ (Hug/Poscheschnik 2010:151). Selbstverständlich können sich die beiden Methoden auch ergänzen. Um ein angemessenes Kategoriensystem zu entwickeln ist es laut Früh (2015) nötig, alle relevanten Dimensionen des analysierten Texts zu erfassen. Das Kategoriensystem soll einerseits so einfach wie möglich sein, andererseits aber auch so komplex wie nötig, um für die Darstellung des untersuchten Sachverhalts angemessen zu sein (Früh 2015:82). Bei der Definition der

- 59 - einzelnen Kategorien ist auf die Trennschärfe zu achten. Diese beschreibt die eindeutige und klar abgegrenzte Definition der verschiedenen Bedeutungsinhalte. Wenn sich zwei Kategorien zu stark überschneiden, werden sie für eine klare Aussage unbrauchbar (ibid.:83). Es wird daher empfohlen, die verschiedenen Analysekategorien nicht nur verbal zu umschreiben, sondern auch sogenannte Ankerbeispiele zu geben, anhand derer ein Eindruck dessen entsteht, was in die vorliegende Kategorie fällt (ibid.:84).

5.2. Ablauf nach Mayring Neben anderen WissenschaftlerInnen hat auch Philipp Mayring ein Modell entwickelt, anhand dessen eine qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt werden kann. Hierbei werden die Kommunikationsinhalte, also die Aussagen der ProbandInnen untersucht (Lamnek 2010:466). Für die Analyse in der vorliegenden Masterarbeit wurde dieses Modell als Basis herangezogen, daher folgt nun eine Darstellung der neun Stufen, aus denen Mayrings Ablaufmodell besteht: 1. Festlegung des Materials Hier ist zu beachten, dass möglicherweise eine Auswahl getroffen werden muss. Haben die ForscherInnen es mit einer sehr großen Datenmenge zu tun, müssen sie vielleicht im Vorfeld Entscheidungen bezüglich der Eingrenzung des zu analysierenden Materials treffen (Mayring 2010:53). 2. Analyse der Entstehungssituation Es ist unerlässlich, dass die Situation detailliert beschrieben wird, in der das Textmaterial entstanden ist. Hier sind besonders Faktoren wie VerfasserInnen, soziokultureller Hintergrund sowie die räumlichen und zeitlichen Bedingungen der Entstehung zu beachten (Mayring 2010:53). 3. Formale Charakterisierung des Materials Die ForscherInnen müssen genau charakterisieren, in welcher Form das Textmaterial vorliegt. Oft handelt es sich um transkribierte Interviews, bei denen nicht nur die tatsächlichen Aussagend der ProbandInnen in die Analyse einfließen, sondern auch diverse Zusatzinformationen (ibid.:53). Nachdem das Ausgangsmaterial nun genau beschrieben wurde, geht es im Folgenden darum, zu definieren, was eigentlich herausgefunden werden soll. 4. Richtung der Analyse

- 60 - Hier muss genau festgelegt werden, was das Ziel der Analyse ist. Aus ein und demselben Textmaterial können in der Regel viele verschiedene Aussagen abgeleitet werden. Deshalb ist es wichtig, sich klar darüber zu werden, worum es in diesem speziellen Fall geht. So können beispielsweise Aussagen über einen Gegenstand oder einen Sachverhalt gesucht werden, der emotionale Zustand der Befragten ermittelt werden oder die Intentionen der TextproduzentInnen herausgefunden werden (Mayring 2010:56f.). 5. Theoriegeleitete Differenzierung der Fragestellung Hier wird auf Basis dessen, was bereits ausgearbeitet wurde, eine konkrete Fragestellung, also sozusagen die Forschungsfrage, entwickelt. Hierbei ist es wichtig, an bereits etablierte Theorien anzuknüpfen und so ein Mehr an Informationen zu einem bestimmten Thema zu bekommen (Mayring 2010:57f.). Im nächsten Schritt wird, erneut in Abstimmung mit den bereits erarbeiteten Aspekten, eine Analysetechnik festgelegt, ebenso wie der Ablauf der Analyse. 6. Bestimmung der Analysetechnik Hier muss die passende Analysetechnik ausgewählt werden; die ForscherInnen müssen sich für eine der drei bereits beschriebenen Vorgehensweisen entscheiden: die Zusammenfassung, die Explikation und die Strukturierung. (Mayring 2010:65). 7. Definition der Analyseeinheit In diesem siebten Schritt wird einerseits festgelegt, welche Einheiten für die Analyse herangezogen werden (Wort, Satz, Sinn, Aussage, etc.) und andererseits werden die Analysekategorien gebildet (Lamnek 2010:472). Bei der Bildung der Analysekategorien müssen nicht nur die Grenzen einer jeden Kategorie klar definiert sein, sondern auch Ankerbeispiele gefunden werden, die die Zuordnung der jeweiligen Einheiten vereinfachen (Mayring 2010:61). 8. Analyse des Materials Den jeweiligen Regeln der gewählten Analysetechnik folgend wird in diesem Schritt das Textmaterial analysiert und im Detail bearbeitet (Lamnek 2010:427). 9. Interpretation Der letzte Schritt ist jener der Interpretation. Hier werden die Ergebnisse der Kategorien so in Relation gesetzt, dass sich die Forschungsfrage beantworten lässt (Lamnek 2010:480).

- 61 - Auffallend ist bei dieser Darstellung des Ablaufs nach Mayring, dass sehr strukturiert vorgegangen wird. Dadurch soll die intersubjektive Nachvollziehbarkeit erhöht werden und es soll sichergestellt werden, dass es sich bei der Inhaltsanalyse nicht um eine reine Momentaufnahme handelt, die wenig wissenschaftlichen Aussagewert hat. Um dies auch für die vorliegende Masterarbeit zu gewährleisten, werden im nun folgenden Kapitel alle neun Stufen der Inhaltsanalyse nach Mayring beschrieben, so wie sie im Zuge der vorliegenden Forschungsarbeit durchlaufen wurden.

- 62 - 6. Analyse der Umfrage

In den bisherigen Kapiteln wurde eine Einleitung zu J.R.R. Tolkien und dem Herrn der Ringe gegeben und auch die beiden deutschen ÜbersetzerInnen und ihre Vorgehensweise bei der Übersetzung dieses Werks wurden berücksichtigt. Es folgten Ausführungen zum Fantasygenre mit seinen Konventionen, ebenso wie zu Peter Jacksons Verfilmung von Tolkiens Werk und der Fangemeinschaft. Im dritten Kapitel wurde die literarische Übersetzung besprochen, insbesondere mit Hinblick auf die handelnden ÜbersetzerInnen und vor allem auch auf das Konzept der Neuübersetzung. Im Anschluss daran wurden einige besondere Herausforderungen besprochen, denen sich ÜbersetzerInnen gegenübersehen, wenn sie Tolkiens Werke übersetzen wollen. Diese wurden von Beispielen aus verschiedenen Sprach- und Kulturkreisen illustriert. Mit dem Überblick über die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring wurde der theoretische Teil dieser Masterarbeit, der sich insbesondere mit vorhandener Literatur beschäftigt und einen Forschungsüberblick geben soll, abgerundet. Damit hoffe ich, meinen LeserInnen einen angemessenen Überblick über die Thematik und die wissenschaftlichen Hintergründe dieser Masterarbeit gegeben zu haben und es folgt nun die Vorstellung der durchgeführten Umfrage sowie die Ausarbeitung des Analyserasters.

6.1. Rahmenbedingungen der Umfrage Wenden wir uns zu Beginn nun den Rahmenbedingungen zu, unter denen die Umfrage durchgeführt wurde. In diesem Kapitel soll das Material der Analyse definiert werden, wie es entstanden ist und was genau verwendet wird. Auch wird hier die Richtung der Analyse und die genaue Fragestellung wiedergegeben. Wie bereits in der Einleitung beschrieben, ist die Forschungsfrage, der in dieser Arbeit nachgegangen werden soll, die Folgende: „Welche der beiden vorhandenen deutschen Übersetzungen von J.R.R. Tolkiens Fantasyroman Der Herr der Ringe wird in der Fangemeinde bevorzugt und weshalb?“. Durch diese Fragestellung wird auch die Zielgruppe schon klar eingegrenzt: Es muss sich um Personen handeln, die der deutschen Sprache auf eine Art und Weise mächtig sind, dass sie lange literarische Werke wie den Herrn der Ringe in der deutschen Übersetzung lesen. Vermutlich handelt es sich bei den befragten Personen ausschließlich um MuttersprachlerInnen, da anzunehmen ist, dass Menschen mit einer anderen Muttersprache das Werk eher in ihrer Muttersprache lesen würden und zudem auch nicht zwei verschiedene deutsche Übersetzungen lesen würden. Dies führt auch direkt zum

- 63 - zweiten eingrenzende Faktor der Zielgruppe, nämlich der Tatsache, dass die ProbandInnen sowohl die Carroux- als auch die Krege-Übersetzung gelesen haben müssen. Zum Zwecke der Beantwortung dieser Frage wurde eine Online-Umfrage durchgeführt. Ursprünglich war geplant, dass dieser Aspekt lediglich einen kleinen Teil der Masterarbeit ausmacht und sozusagen eine kleine Hintergrundinformation zum eigentlichen Thema bietet. Aufgrund der überraschenden regen Teilnahme an der Umfrage konnten jedoch die Antworten der Befragten in den Fokus der Arbeit genommen werden und stellen so nun das Hauptthema der Abhandlung dar. Diese Kursänderung macht sich nun aber in einigen Details der Umfrage bemerkbar: Da es für den ursprünglichen Zweck der Umfrage nicht nötig war, Informationen wie beispielsweise Alter oder Geschlecht der ProbandInnen zu erfragen, bestand die Umfrage lediglich aus zwei Fragen. Rückblickend betrachtet wären auch noch weitere Informationen, etwa bezüglich der Reihenfolge der Lektüre der beiden Übersetzungen, interessant gewesen. Doch da derartige Aspekte zum Zeitpunkt der Erstellung der Umfrage nicht von Relevanz zu sein schienen bestand sie am Ende lediglich aus den folgenden beiden Fragen:

1. Welche der beiden Übersetzungen von J.R.R. Tolkiens Werk „Der Herr der Ringe“ bevorzugen Sie? a. Ich bevorzuge die Übersetzung von Margaret Carroux. b. Ich bevorzuge die Übersetzung von Wolfgang Krege. 2. Weshalb bevorzugen Sie die Übersetzung von Carroux/Krege?

Während bei der ersten Frage lediglich eine Wahl möglich war konnten die Teilnehmenden bei der zweiten Frage frei antworten und ihre Entscheidung so detailliert begründen, wie sie wollten. Tatsächlich nutzten die meisten ProbandInnen diese Möglichkeit und von 81 TeilnehmerInnen haben immerhin 70 auch die zweite Frage beantwortet. Die meisten Antworten umfassen lediglich ein oder zwei Sätze, aber einige TeilnehmerInnen haben sehr ausschweifende und vor allem ausführliche Antworten gegeben. Mit etwaigen Hintergrundinformationen wäre es möglich gewesen, die ProbandInnen genauer zu charakterisieren und zusätzliche Thesen aufzustellen. Da diese aber fehlen, bleiben klarerweise einige Fragen offen und die Analyse hätte noch detaillierter und genauer durchgeführt werden können, als es nun der Fall ist. Spekulationen sind dadurch unweigerlich

- 64 - Teil dieser Umfrageanalyse, auch wenn sie aufgrund der teilweise detaillierten und konkreten Antworten zumindest bis zu einem gewissen Grad ausgemerzt werden konnten. Die Umfrage wurde auf der Webseite www.umfrageonline.com erstellt. Um ProbandInnen zu erreichen, wurde ausschließlich Facebook verwendet, da dies der einfachste Weg schien, Personen der richtigen Zielgruppe zu erreichen. Sollten sich dort nicht genug Teilnehmende finden, war geplant, die Umfrage auch in anderen Internetforen zu posten, doch schon nach wenigen Tagen hatten 81 Personen an der Umfrage teilgenommen, weshalb es nicht notwendig erschien, die Suche auszuweiten. Da es sich um eine Online-Umfrage handelt, kann über die Entstehungssituation der verschiedenen Antworten leider keine Aussage getroffen werden. Die Bedingungen, unter denen die Antworten entstanden sind, sind unglücklicherweise nicht bekannt, und da die Umfrage anonym war, können sie auch nicht mehr ermittelt werden. Die TeilnehmerInnen wurden dadurch erreicht, dass ich die Umfrage auf meiner persönlichen Facebookseite veröffentlichte und darum bat, dass auch meine FreundInnen sie teilen, um den Radius zu erweitern. Außerdem wurde der Umfragelink mit der Bitte um Teilnahme all jener, die die beiden deutschen Versionen des Herrn der Ringe gelesen haben, in der offiziellen Facebook-Gruppe der Österreichischen Tolkiengesellschaft (https://www.facebook.com/groups/AustrianTolkienSociety/) sowie jener der Deutschen Tolkien Gesellschaft e.V. (https://www.facebook.com/groups/142580909149945/) gepostet. Dies geschah am 17. Mai 2017 und der/die letzte ProbandIn nahm am 2. Juni 2017 an der Umfrage teil. Mittlerweile ist die Umfrage abgeschlossen, es kann also niemand mehr teilnehmen. Im Anhang der vorliegenden Arbeit (Umfrageergebnisse Seite 112) finden Sie in einer Tabelle die gesammelten Antworten der ProbandInnen. Zum Zwecke der besseren Übersicht und des leichteren Referenzierens wurden den Antworten die Nummern 1 bis 81 zugewiesen. Zudem sind alle Antworten farblich hinterlegt: Grün für alle jene, die die Übersetzung von Margaret Carroux bevorzugen, und orange, für jene, die die Übersetzung von Wolfgang Krege bevorzugen. In der folgenden Diskussion wird auf die jeweiligen vollständigen Antworten der Teilnehmenden mit der ihnen zugeteilten Nummer verwiesen.

- 65 - 6.2. Darstellung des Analyserasters Für die Darstellung des Analyserasters dieser Masterarbeit muss nun zum einen die Analysetechnik definiert werden, zum anderen die Analyseeinheit. Erst dann wenden wir uns der Bildung der Analysekategorien zu. Als Analysetechnik wurde die Strukturierung gewählt. Die Punkte, nach denen die Antworten der ProbandInnen gegliedert, geordnet und anschließend diskutiert werden, ergeben sich aus den Antworten, sie wurden also induktiv entwickelt. Das liegt vor allem daran, dass es ohne die offenen Antworten der ProbandInnen zu kennen, beinahe unmöglich ist, sinnvolle Analysekategorien zu finden. In Hinblick auf die Forschungsfrage ist die sinnvollste Art der Strukturierung dieser Umfrage die inhaltliche Strukturierung. Hier geht es laut Mayring darum, dass verschiedene Aspekte und Inhalte aus dem Textmaterial extrahiert werden und dann den verschiedenen Kategorien zugeordnet werden (Mayring 2010:98). Als Analyseeinheiten wurden Äußerungen gewählt. Es werden also all jene Aussagen der ProbandInnen berücksichtigt, die eine klare Aussage oder Argumentation für oder gegen eine der Übersetzungen des Herrn der Ringe beinhalten. Diese Aussagen werden der jeweiligen Analyseeinheit zugeordnet. Nach der ersten Durchsicht der Antworten kristallisierten sich für die Inhaltsanalyse der Umfrage zuerst sieben Kategorien heraus. Diesen wurden aber im Zuge der genaueren Lektüre der Antworten noch drei hinzugefügt, weil einige der gefundenen Argumente in keine der vorhandenen Kategorien passten. Interessant war zu sehen, wie die Befragten ihre Antworten begründen. Die Erklärungen reichen von einem lakonischen „Besser“ bis hin zu sehr detaillierten Beschreibungen dessen, wie die Bevorzugung entstanden ist. Bei der nun folgenden Benennung und Beschreibung der jeweiligen Kategorien fällt auf, dass es Überschneidungen gibt. Es wird versucht, die einzelnen Punkte klar zu definieren und so wenig Interpretationsspielraum wie möglich zu lassen. Dennoch sind sich gewisse Kategorien relativ ähnlich und die Antworten der ProbandInnen sind zu wenig ausführlich und eindeutig, als dass alle Aussagen konkret und definitiv nur einer Gruppe zuordenbar wären. Aus diesem Grund, ebenso wie aufgrund der Tatsache, dass viele Antworten mehr als ein Argument enthalten, werden die verschiedenen Aussagen, wenn nötig, mehreren Kategorien zugeordnet. Dieser Nachteil ist dem Modus der Befragung geschuldet. Bei einer Online-Umfrage ist es leider nicht möglich, nachzuhaken und so die ProbandInnen zu möglichst eindeutigen Aussagen zu bewegen. Um die Nachvollziehbarkeit dennoch zu erhöhen, sind die vollen Antworten im

- 66 - Anhang zu finden, ebenso wie eine Nennung der jeweiligen Kategorie, der sie zugeordnet werden. Da das Zitieren aller Antworten in allen Kategorien den Rahmen dieser Analyse sprengen würde, werden jeweils nur einige ausgewählte Argumente zur Illustration herangezogen. Die erste Kategorie der Analyse ist Abstimmung mit Tolkien. Hier werden all jene Antworten eingeordnet, die als Grund für ihre Bevorzugung die Tatsache nennen, dass Margaret Carroux sich in manchen Aspekten mit Tolkien abgestimmt hat. Diese Möglichkeit blieb Wolfgang Krege verwehrt, da der Autor zum Zeitpunkt der Neuübersetzung schon tot war. Dennoch scheint es für einige LeserInnen wichtig zu sein, dass Carroux diese Chance hatte und nutzte und daher diese Übersetzung zumindest bis zu einem gewissen Grad den Segen Tolkiens hat. Gerade in einer Fangemeinde, die so starken Anteil am fraglichen Werk nimmt, ist dieser Aspekt ein nicht zu unterschätzender Faktor. Beispiele und Stichworte: • „Die Abstimmung Carroux’ mit Tolkien ist für mich wichtig.“ • „Da Carroux sich mit Tolkien abgestimmt hat, hat ihre Übersetzung für mich Autorität.“ • Abstimmung/Beratung mit Tolkien, ... Für die zweite Kategorie wird der Aspekt der Gewohnheit herangezogen. Wie bereits erwähnt ist es oft der Fall, dass Menschen Bekanntem den Vorzug über Unbekanntes geben beziehungsweise neuen Interpretationen dessen, was sie kennen und lieben skeptisch gegenüberstehen. Dies ist hier besonders wichtig, da sich einprägsame Formulierungen in den Köpfen der LeserInnen festsetzen können und eine andere Wortwahl dann natürlich sehr befremdlich wirken kann. In die Gruppe der Gewohnheit fallen bei der Analyse nicht nur Antworten, die diese oder jene Übersetzung bevorzugen, WEIL sie sie zuerst gelesen haben, sondern auch jene, die eine Übersetzung favorisieren OBWOHL sie die andere zuerst gelesen haben. Beispiele und Stichworte: • „Ich habe diese Übersetzung zuerst gelesen und bin sie gewohnt.“ • „Meine erste Berührung war mit der Carroux-Übersetzung. Krege las ich erst Jahre später.“ • Erster Kontakt, Gewohnheit, zuerst gelesen, ungewohnt, ...

- 67 - Lesbarkeit ist eine weitere Kategorie. Sie wird oft in Verbindung mit Aspekten wie dem Sprachgebrauch verwendet. Dennoch stellt sie eine eigene Gruppe dar, weil sie tatsächlich einige Male explizit genannt wurde. In diese Gruppe fallen Antworten, die Aspekte wie flüssigeren Stil, leichtere Lesbarkeit oder bessere Verständlichkeit als Gründe für ihre Entscheidung angeben. Beispiele und Stichworte: • „Der Stil ist einfach flüssiger, dadurch wird das Lesen ein Vergnügen.“ • „Die Verwendung von modernen Wörtern macht das Buch leichter verständlich und lesbar.“ • Flüssiger, leichter lesbar, eingängiger, leichter verständlich, schöneres Deutsch, Leseweise, ... Die nächste Kategorie ist Werk- und Stiltreue. Wie der Name schon verrät geht es hier darum wie genau und korrekt die ÜbersetzerInnen das Original wiedergegeben haben. Auch wenn wohl nicht alle ProbandInnen Tolkiens Original gelesen haben, wird diese Kategorie oft genannt und die Begründung basiert in manchen Fällen auf Vermutungen beziehungsweise wie die LeserInnen annehmen, dass Tolkien etwas sagen würde. Es geht darum, wie genau die verschiedenen Facetten von Tolkiens Stil, aber auch von der Geschichte ins Deutsche übertragen wurden. Beispiele und Stichworte: • „Ich habe auch das Original gelesen und habe das Gefühl, dass diese Übersetzung mehr nach Tolkien klingt.“ • „Diese moderne Übersetzung passt nicht zu Tolkiens Stil.“ • Klingt falsch, Stil des Originals, passt besser in die Welt von Mittelerde, übertragt Tolkien besser ins Deutsche, originalgetreu, ... Die fünfte Kategorie ist eng mit der gerade genannten verbunden und heißt Gesamtstimmung. Hier geht es darum, wie die ÜbersetzerInnen die Stimmung und das Gefühl eingefangen haben, das Der Herr der Ringe vermitteln will. Auch hier räumen die meisten Antworten ein, dass sie das englische Original nicht gelesen haben, doch haben sie eine gewisse Erwartung an solch ein Buch, insbesondere wenn sie bereits eine Übersetzung gelesen und daher einen Eindruck davon haben, worum es geht und wie die Geschichte wirkt oder wirken soll. Beispiele und Stichworte:

- 68 - • „Die Stimmung, die hier hervorgerufen wird passt nicht zu Tolkiens Stil.“ • „Diese Formulierungen lassen das Buch authentischer wirken und lassen einen in die Geschichte eintauchen.“ • Stimmung, fühlt sich besser/passender an, Wirkung des Texts, ... Die Erwartungen sind auch der bestimmende Faktor für die nächste Kategorie, nämlich die Genrekonventionen. Viele der Teilnehmenden begründen ihre Antwort beziehungsweise ihre Entscheidung für diese oder jene Übersetzung auf einer gewissen Erwartungshaltung. LeserInnen von Büchern im Fantasygenre erwarten eine gewisse Sprache und eine gewisse Stimmung und in einigen Fällen hatten sie bei einer der beiden Übersetzungen den Eindruck, dass mit diesen Genrekonventionen gebrochen wurde. Beispiele und Stichworte: • „Das klingt zu salopp. Von einem Fantasybuch erwarte ich mir eine epischere Sprache.“ • „Das entspricht nicht den Konventionen der Fantasy. Ein archaischer Stil gehört hier einfach dazu.“ • Archaische Welt, archaischer Stil, Konventionen, Fantasy, Genre, mittelalterliche Welt, ... Die siebte Kategorie beinhaltet alle Argumente, die mit dem Sprachgebrauch der ÜbersetzerInnen in Verbindung stehen. Dies bezieht sich auf Wortwahl ebenso wie Sprachmelodie und spiegelt hier eher den Stil und die Intentionen von Carroux beziehungsweise Krege wieder, die zumindest überblicksmäßig bereits bei der Vorstellung dieser beiden besprochen wurden. Beispiele und Stichworte: • „Die komplexere Sprache macht das Werk ansprechender.“ • „Der gehobene Stil Carroux’ passt besser zu Tolkien und seiner Welt.“ • Sprachlich, Stil, Wortwahl, Sprache, Sprachgebrauch, Stil der Übersetzung, Formulierungen, Übertragung in die deutsche Sprache, ... Eine Gruppe wird auch einem besonderen Phänomen gewidmet, das sich nicht genau erklären lässt. Die Kategorie Ausreißer umfasst all jene Antworten, die nicht ins Bild passen, die sich nicht mit den anderen decken und die die Frage aufwerfen, ob vielleicht Verwechslungen oder sonstige Verwirrungen aufgetreten sind.

- 69 - Da alle Antworten einer Gruppe zugeordnet werden müssen, gibt es auch noch eine weitere Kategorie, die einfach Sonstige genannt wird. Hier werden alle Antworten genannt, die sich sonst nirgends einordnen lassen, die vielleicht Licht auf neue Aspekte werfen und deshalb nicht ignoriert werden dürfen. Manche der Argumente wurden von bis zu drei Personen angesprochen, haben aber dennoch keine eigene Kategorie erhalten, da der Übersicht wegen ein Argument mindestens fünf Mal vorkommen musste, um eine eigene Kategorie zu bilden. Beispiele: • „Ich mag beide Übersetzungen.“ • „Ich finde die Übersetzung der Lieder und Gedichte bei Carroux/Krege schöner.“ Eine weitere Kategorie nennt schlicht all jene Antworten, die ohne Begründung abgegeben wurden. Die Frage ob die ProbandInnen einfach keine Zeit oder Lust hatten, eine Antwort zu schreiben oder ob sie ihre Bevorzugung schlicht nicht in Worte fassen konnten oder wollten, bleibt bestehen. Insgesamt wurden in den 81 Antworten der Teilnehmenden 202 Elemente gefunden, die sich auf diese 10 Kategorien aufteilen.

6.3. Vorstellung der Ergebnisse Wie bereits erwähnt nahmen 81 Personen an der Umfrage dieser Masterarbeit teil. Von diesen 81 Personen gaben 73 an, dass sie die Übersetzung von Margaret Carroux bevorzugen und nur 8 der befragten Personen bevorzugen jene von Wolfgang Krege.

- 70 - Ergebnis Margaret Carroux 73 90%

Wolfgang Krege 8 10%

Abbildung 1: Umfrageergebnis Carroux vs. Krege

Dieses klare Ergebnis kann vielerlei Gründe haben. Ein nicht zu ignorierender Aspekt ist bestimmt die Tatsache, dass die Carroux-Übersetzung schon sehr viel länger in Umlauf ist als die Krege-Übersetzung. Daraus kann gefolgert werden, dass wohl ein Gutteil der befragten LeserInnen diese zuerst gelesen hat und dadurch der Krege-Übersetzung von vorneherein skeptisch gegenübergestanden ist. Vermutlich haben viele nicht verstanden, warum eine neue Übersetzung nötig ist, wenn es doch bereits eine zufriedenstellende gab. Möglicherweise wurde in der Neuübersetzung auch lediglich eine Marketingstrategie des Verlags gesehen, der wohl auch aus wirtschaftlichen Gründen zeitnahe an der Veröffentlichung des ersten Teils der Verfilmung die Krege-Übersetzung publizierte. Solch eine Betrachtungsweise kann zweifellos zu einer gewissen negativen Grundeinstellung gegenüber der neuen Übersetzung führen. Dies sind zwar lediglich Spekulationen, doch erscheinen sie plausibel und nicht allzu weit hergeholt, insbesondere unter Betrachtung der freien Antworten der UmfrageteilnehmerInnen. Hier wäre es tatsächlich sehr spannend, Daten zum Alter der ProbandInnen zu haben oder dazu, welche Übersetzung sie wann gelesen haben. Doch nun wenden wir uns der Betrachtung und Diskussion der Antworten der ProbandInnen zu. Sie geben mehr Aufschluss über die tatsächlichen Beweggründe für dieses eindeutige Ergebnis als die Spekulation.

- 71 - 6.4. Analyse und Diskussion der Antworten Zu Beginn der Untersuchung wird jede einzelne der 81 Antworten mindestens einer der vorgestellten Kategorien zugeordnet. Hierbei wird bereits kenntlich gemacht, ob es sich bei der Antwort, der das Argument entnommen wurde, um eine handelt, die Margaret Carroux’ Übersetzung bevorzugt oder um eine, die Wolfgang Kreges Neuübersetzung favorisiert. Manche Antworten werden unter anderem auch deshalb mehrfach genannt, weil viele ProbandInnen ihrer Begründung für die Bevorzugung einer der beiden Übersetzungen gegenübergestellt haben, was ihnen an der anderen nicht gefällt. Im nächsten Schritt werden einige repräsentative Zitate ausgesucht, die verdeutlichen sollen, weshalb eine Antwort beziehungsweise ein Argument in die vorliegende Kategorie fällt. Es werden jeweils zwischen drei und fünf Beispiele herausgenommen und zitiert14. In den Kategorien Werk- und Stiltreue, Genrekonventionen und Sprachgebrauch werden sowohl positive, als auch negative Nennungen zur Analyse herangezogen, da die Unterschiede dadurch noch stärker zur Geltung kommen. Hier werden für beide Seiten jeweils drei bis fünf Antworten genannt. Diese Zitate werden dann ausgearbeitet und diskutiert. Aus den zehn Analysepunkten wird dann am Ende das Fazit gezogen und damit die Forschungsfrage beantwortet.

6.4.1. Abstimmung mit Tolkien Die erste Analysekategorie, der wir uns nun zuwenden wollen, ist die Abstimmung der ÜbersetzerInnen mit Tolkien. Wie bereits erwähnt, hatte Carroux diese Möglichkeit, weil der Autor noch am Leben war, Krege aber nicht, da Tolkien zum Zeitpunkt der Neuübersetzung bereits verstorben war. In Anbetracht der kurzen Skizzierung der Fangemeinde, die bereits durchgeführt wurde, ist es nicht verwunderlich, dass dieser Aspekt etwas ist, das vielen LeserInnen wichtig ist. Die Liebe, die die meisten Fans nicht nur zum Werk, sondern auch zum Autor entwickelt haben, greift tief und es erscheint nur natürlich, dass eine Übersetzung bevorzugt wird, die in Zusammenarbeit mit Tolkien entstanden ist. Von den 81 ProbandInnen haben 6 Personen in ihren Antworten diese Thematik angesprochen. In 5 Fällen handelt es sich dabei um TeilnehmerInnen, die die Übersetzung von

14 Alle grammatikalischen Fehler in den Zitaten stammen von den VerfasserInnen der Antworten. Grobe Rechtschreibfehler wurden hier mit [sic] gekennzeichnet; Fehler, die etwa die Interpunktion oder die Groß- und Kleinschreibung betreffen, wurden nicht gekennzeichnet, da dies manche Zitate unlesbar gemacht hätte. - 72 - Margaret Carroux bevorzugen und nur eine/r bevorzugt Krege. Die Antworten, in denen die Abstimmung mit Tolkien vorkommt sind 8, 24, 25, 3215, 35 und 78.

Tabelle 2: Auswahl der Antworten zur Abstimmung mit Tolkien

8 [...] Was unterbewusst sicher auch eine Rolle spielt, ist das Wissen, dass Carroux mit Tolkien selbst im Austausch stand und seine Vorschläge (z.B. Elben statt Elfen) aufgenommen hat. 32 [...] Das ist allerdings ein rein geschmäcklerisches Urteil! Denn ohne Zweifel hat C.’s Übersetzung den Weg bereitet für alles was danach gekommen ist. Und da sie sich in vielen Dingen mit Tolkien persönlich abgestimmt hat, hat ihre Arbeit auch für mich eine gewisse „Autorität“. [...] 35 Ich bevorzuge Carroux, da sie sich als Übersetzerin persönlich mit Tolkien beraten hat und daher das Ergebnis so weit wie möglich im Sinne Tolkiens ist. Das ist mir wichtig. Ich bin da eher puristisch eingestellt. [...]

Diese Antworten decken sich mit der bereits beschriebenen Annahme, dass es in der Fangemeinde besonders wichtig ist, was der Originalautor von der Übersetzung hält beziehungsweise ob eine Übersetzung seinen Segen hat. Die letzte Instanz für eine Bewertung scheint immer Tolkien selbst beziehungsweise das Original zu sein. Übersetzungen und Original sind in den Köpfen fest miteinander verbunden und die Übersetzungen werden nicht, wie es sonst oft der Fall ist, als eigenständige Entitäten betrachtet, sondern werden daran gemessen, wie sie sich zum Original verhalten. Besonders spannend ist, dass ProbandIn 32, der/die eigentlich die Krege-Übersetzung bevorzugt, einräumt, dass diese Favorisierung definitiv subjektiv ist. Er/Sie bevorzugt zwar Kreges Sprachgebrauch und liest daher seine Übersetzung lieber, aber nichtsdestotrotz ist die Carroux-Übersetzung höhergestellt, schlicht aufgrund der Tatsache, dass Carroux nicht alleine gehandelt hat, sondern Tolkien selbst Einfluss auf diese Übersetzung genommen hat. Auch wenn lediglich sechs Personen diesen Aspekt angesprochen haben, stellt er meiner Meinung nach einen nicht zu unterschätzenden Faktor dar. Die meisten Menschen, die Tolkien auf Deutsch lesen, tun dies zum Spaß und zum Zwecke der Unterhaltung. Sie wissen

15 In der Diskussion und Nennung der Antworten in der Analyse sind jene Nummern, die einer Antwort mit Krege-Bevorzugung entsprechen, unterstrichen, damit sie auf einen Blick erkennbar sind. - 73 - vermutlich nicht einmal, dass es überhaupt zwei Übersetzungen gibt – mir selbst als begeisterter Herr der Ringe-Leserin war diese Tatsache lange nicht klar. Von den wenigen, die es wissen und die vom Stoff des Herrn der Ringe derart begeistert sind, dass sie auch beide Übersetzungen lesen, gibt es wohl nur eine Handvoll, die sich tatsächlich so sehr für die Thematik interessiert, dass sie derartige Nachforschungen anstellt und hinterfragt, wie die Übersetzungen entstanden sind.

6.4.2. Gewohnheit Die nächste Kategorie beschäftigt sich mit dem relativ banalen Aspekt der Gewohnheit. Sie deutet darauf hin, dass die Favorisierung einer Übersetzung nicht nur auf rational erklärbaren Gründen beruht, über die sich die LeserInnen bewusst Gedanken gemacht haben. Hier ist weder die Entstehungsgeschichte relevant, noch die Art und Weise, wie Sprache gebraucht wird oder sonstige nachvollziehbare Punkte. Es geht entweder darum, welche Übersetzung die ProbandInnen zuerst gelesen haben oder aber darum, welche sie öfter gelesen haben. Wenn sich gewisse Ausdrücke an gewissen Textstellen einmal im Kopf des/der LeserIn festgesetzt haben, erwartet er/sie, diese auch beim nächsten Mal wieder so vorzufinden. Wird dann eine Formulierung, die ihn/sie besonders angesprochen hat, durch eine andere ersetzt, stört das natürlich und fällt negativ auf. Doch auch wenn so etwas nicht bewusst ist, besteht die Möglichkeit, dass der/die LeserIn über eine Formulierung, einen Satz, ein Wort, eine Passage stolpert und merkt, dass für sein/ihr Gefühl hier eigentlich andere Worte hingehören oder passender wären. Dies ist wohl auch ein Aspekt, der bei den beiden hebräischen Übersetzungen zum Tragen kommt. Insgesamt wurde der Aspekt der Gewohnheit 14 Mal von den befragten ProbandInnen angesprochen. Interessant ist hierbei, dass 10 dieser Nennungen zu Carroux-Bevorzugungen gehören und nur zwei zu Krege-Bevorzugungen. Die Antworten 14, 17, 25/2516, 30, 54, 55, 57, 60, 63, 64, 69, 71 und 81 beinhalten eine Referenz auf die Gewohnheit.

Tabelle 3: Auswahl der Antworten zur Gewohnheit

30 [...] Ich habe erst krege gelesen da mir nicht bewußt war daß es 2 übersetzungen gibt. [...]

16 Wird eine Zahl in diesen Aufzählungen öfter genannt so entspricht die Anzahl der Nennungen der Anzahl der gekennzeichneten Textstellen, die sich auf den jeweiligen Aspekt beziehen. - 74 - 55 [...] Als ich den HdR das erste Mal las, in der Carroux-Übersetzung, war ich 12 und hatte vorher nur den Hobbit gelesen. Jahre später las ich den HdR erneut, diesmal in der Krege-Übersetzung, doch ich konnte damit nicht warm werden. [...] 57 Ich habe den Herr der Ringe im Alter von 13/14 Jahren das erste Mal gelesen, also Ende der 70er. Demnach also in der Übersetzung von Margarethe Carroux. Das prägt und wie so Vieles, was sich in der Kindheit als besonders intensives Erlebnis einbrennt, konnte ich mir nicht vorstellen, dass mir eine andere Übersetzung gefallen könnte. [...] 64 Die Übersetzung von Krege war die erste, die ich gelesen habe. Einige der Übersetzungen haben sich in meinem Gedächtnis festgesetzt, dass die andere dann einfach „falsch“ war.

81 [...] Meine erste Berührung war Carroux, daher fühlt sie sich immer richtiger an.

Die Antworten 55, 64 und 81 sprechen alle an, dass sich die Übersetzung, die sie zuerst gelesen haben, einfach richtiger anfühlt. Einen etwas anderen Aspekt spricht Antwort 57 an, wenn sie von dem besonderen Eindruck spricht, den Der Herr der Ringe bei dem/der LeserIn hinterlassen hat. Offenbar konnte er/sie sich mit der Geschichte und der Erzählweise identifizieren und es ist durchaus nachvollziehbar, dass er/sie einer neuen Version dieses geliebten Werks, das den/die LeserIn in seiner Jugend so stark geprägt hat, skeptisch gegenübersteht. Das Argument bei Antwort 30, dass die Krege-Übersetzung zuerst gelesen wurde, weil dem/der ProbandIn nicht einmal bewusst war, dass es eine andere Übersetzung gibt, ist besonders spannend und bestätigt die im vorherigen Kapitel geäußerte Vermutung, dass viele LeserInnen über diese Tatsache nicht Bescheid wissen. Da die Carroux-Übersetzung mittlerweile nur mehr in vergleichsweise sehr teuren Hardcover-Ausgaben erhältlich ist und es ein bisschen Recherche und Sucherei erfordert, solch eine Ausgabe überhaupt zu beschaffen, ist es nicht überraschend, dass insbesondere jüngere LeserInnen zuerst mit der Krege-Übersetzung in Berührung kommen. Umso erstaunlicher ist es, dass das Ergebnis der Umfrage trotzdem so eindeutig zu Gunsten der Übersetzung von Margaret Carroux ausgefallen ist. Ein wichtiger Faktor für dieses Ergebnis könnte dennoch die Tatsache sein, dass die Krege-Übersetzung schlicht und einfach sehr viel jünger ist. Jene von Carroux hatte

- 75 - sehr viel mehr Zeit zu wirken, gelesen und wieder gelesen zu werden und so hatten auch die LeserInnen sehr viel mehr Zeit, sich an ihre Formulierungen zu gewöhnen.

6.4.3. Lesbarkeit Wie bereits beschrieben ist die Lesbarkeit ein Aspekt, der vielen LeserInnen wichtig ist – nicht nur was den Herrn der Ringe betrifft, sondern eigentlich bei jedem literarischen Werk. Dieser Aspekt wurde auch bei der Diskussion der Neuübersetzung unter Kapitel 3.3.2 angesprochen. Oft gilt eine Neuübersetzung als leichter lesbar und flüssiger. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass es nicht besonders viele Menschen gibt, die wirklich gerne Bücher lesen, bei denen sie sich sehr stark konzentrieren müssen, um dem Inhalt folgen zu können oder bei denen sie sich langweilen oder die ihnen aus anderen Gründen nicht gefallen und deren Lektüre eher Arbeit als Spaß bedeutet. Literatur wird produziert, um Menschen zu unterhalten und Bücher werden im Allgemeinen auch zum Spaß gelesen. Natürlich gibt es Klassiker der Literatur, die aufgrund ihres Alters und der verwendeten Sprache heute schwieriger zu verstehen sind, aber trotzdem gelesen werden – eben weil es Klassiker sind. Hier herrscht oft die Meinung vor, dass jede/r einmal in seinem Leben einen Shakespeare gelesen haben sollte, einen Goethe oder sonst eine/n AutorIn prestigeträchtiger und seit Jahrhunderten bekannter Werke. In solch einem Fall erwarten sich die LeserInnen aber wohl auch eine literarische Herausforderung; Bücher wie Der Herr der Ringe fallen in die Kategorie der Unterhaltungsliteratur und daher bevorzugen die meisten wohl genau das: Unterhaltung. Die Lesbarkeit ist ein Punkt, der insgesamt 10 Mal von den ProbandInnen angesprochen wurde. Sie kommt in den Antworten 2, 6/6, 16, 18, 23/23, 38 und 46/46 vor. Hier fällt auf einen Blick auf, dass vergleichsweise viele Argumente den Antworten entstammen, die die Krege-Übersetzung bevorzugen. Dies liegt mit großer Wahrscheinlichkeit daran, dass er die Sprache modernisiert hat. Natürlich ist für viele LeserInnen heute das Deutsch um 2000 leichter verständlich als jenes der 1970er, einfach weil es unserer heutigen Sprache näher ist.

Tabelle 4: Auswahl der Antworten zur Lesbarkeit

6 [...] Carroux übersetzte sehr 'originalgerecht', si [sic] blieb sprachlich sehr nah an Tolkiens Text und dadurch wirkt er etwas schwer. Krege übersetzte sinngemäß wodurch der Text - für mich jedenfalls (habe beide Übersetzungen im Alter von 15- 17 Jahren gelesen und bin jetzt 29) - leichter zu lesen war, flüssiger.

- 76 - 16 In einem schöneren Deutsch geschrieben. Es lässt sich angenehmer und flüssiger lesen. 18 Wegen der schöneren Leseweise bevorzuge ich Carroux . 46 Bevorzuge Krege, weil sie flüssiger zu lesen ist. Carroux liest sich einfach zu sperrig.

Bei der Untersuchung der Antworten ist ersichtlich, dass in vielen Fällen die Lesbarkeit mit dem Sprachgebrauch in Verbindung gebracht wird. So spricht Antwort 18 von der „schöneren Leseweise“, die sich eindeutig auf den Sprachgebrauch bezieht, was sich auch mit Antwort 16 deckt, die das „schönere Deutsch“ explizit erwähnt. Die Ästhetik des Texts ist diesen ProbandInnen also sehr wichtig, vielleicht sogar wichtiger als die Lesbarkeit – oder aber es handelt sich bei den genannten ProbandInnen auch um ältere Personen, die noch mehr Bezug zur älteren Sprache Carroux’ haben und/oder ihre Übersetzung zuerst gelesen haben und sie daher gewöhnt sind. Bei Antwort 46 wird lediglich die Sperrigkeit bei Carroux genannt und dass der Lesefluss bei Krege nicht unterbrochen wird. Antwort 6 dagegen ist viel detaillierter. Hier wird nicht nur darauf verwiesen, wie die ÜbersetzerInnen an die Arbeit herangegangen sind und wie sich das auf das Endprodukt ausgewirkt hat, sondern auch auf das eigene Alter zur Zeit der Lektüre. Es erscheint nur natürlich, dass für einen Jungen/ein Mädchen von 15-17 Jahren eine moderne Übersetzung viel leichter lesbar ist, als eine, die lange vor seiner/ihrer Zeit verfasst wurde. Dies weist auch darauf hin, dass sich die befragten LeserInnen des Herrn der Ringe tatsächlich relativ viele Gedanken über das Werk und ihre Favorisierung machen, andernfalls wäre ein Aspekt wie das eigene Alter wohl niemals in die Begründung miteingeflossen. Tatsächlich war auch schon bei Kapitel 6.4.2 zur Gewohnheit auffallend, dass die TeilnehmerInnen ein vergleichsweise sehr hohes Maß an Selbstreflexion zeigen. Auch das ist wohl der Tatsache geschuldet, dass J.R.R. Tolkien und sein Lebenswerk in den Herzen seiner Bewunderer einen sehr hohen Stellenwert einnimmt, sie sich viele Gedanken zum Thema machen und sich eingehend damit auseinandersetzen. Diese Erkenntnis deckt sich mit dem, was bereits in Kapitel 2.3 zur Fangemeinschaft Tolkiens angesprochen wurde.

6.4.4. Werk- und Stiltreue Verständlicherweise ist es eingefleischten Tolkien-Fans sehr, sehr wichtig, dass das Werk, das sie in der Übersetzung lesen, dem englischen Original so weit wie möglich entspricht. Diese

- 77 - Entsprechung bezieht sich auf alle Aspekte der Übersetzung; sei es die spezielle Wortwahl Tolkiens im Herrn der Ringe, sein Satzbau, das Gefühl, welches der Roman vermittelt oder die verschiedenen Charaktere, die im Buch vorkommen und die der/die LeserIn im Zuge der Lektüre kennen und lieben (oder hassen) lernt. Nicht alle, die den Herrn der Ringe lesen möchten, beherrschen das Englische gut genug, um ihn im Original zu lesen beziehungsweise um alle Aspekte, die das Werk ausmachen, zu erkennen und zu genießen. Daher ist es ihnen eine gute Übersetzung schuldig, alle Besonderheiten des Originals bestmöglich zu übertragen und den LeserInnen so eine ähnliche Leseerfahrung zu verschaffen, wie es den LeserInnen der Ausgangskultur möglich ist. Auch in Kapitel 3.2 wurden diese Aspekte der Literaturübersetzung besprochen. Viele der Befragten wissen entweder, wie und was J.R.R. Tolkien schreibt, weil sie das Werk auf Englisch gelesen haben oder sie haben zumindest eine genaue Vorstellung davon in ihren Köpfen. Diese Vorstellung mag auf Vermutungen basieren, ebenso wie auf den genrebasierten Erwartungen und jenen Ideen, die sie aufgrund von Einflüssen wie Klappentexten und Beschreibungen, Empfehlungen, der Verfilmung und anderem Informationsangebot zum Herrn der Ringe haben. Wie auch immer die befragten LeserInnen zu ihrer Idee dessen kommen, was sie als originalspezifische Aspekte betrachten und die sie auch in den deutschen Übersetzungen erwarten – es ist ihnen sehr wichtig, dass diese erfüllt wird. Beweis dafür ist, dass insgesamt 41 Personen Aussagen getätigt haben, die in die Kategorie der Werk- und Stiltreue fallen. Diese Aussagen kommen in den Antworten 1, 3, 4/4, 5, 6, 7, 12, 13, 19, 20, 23/23/23/23/23/23, 24, 25, 33, 34, 35, 37/37, 39, 41, 44, 48/48, 49, 51, 55/55, 60, 61, 62, 65, 70, 75 und 80/80 vor. Die Tatsache, dass lediglich ein Argument einer Antwort entstammt, die die Übersetzung von Wolfgang Krege bevorzugt, war zu erwarten, wo der Übersetzer doch selbst gesagt hat, dass er das Werk modernisieren (und somit verändern) möchte.

Tabelle 5: Auswahl der Antworten zur Werk- und Stiltreue (pro Carroux)

4 Die Übersetzung von Carroux schafft es meiner Meinung nach recht gut die Stimmung der absichtlich ein wenig altertümelnd wirkenden Sprache, die Tolkien im englischen Orginal [sic] verwendet, zu übersetzen und ins Deutsche zu transportieren. Sie ist daher eine stilistisch für mich sehr gute Übersetzung, die dadurch auch relativ zeitlos ist. [...]

- 78 - 7 Carroux bleibt meiner Meinung nach enger am Original, ihre Übersetzung klingt weitaus mehr nach Tolkien als Kreges Übersetzung. [...] 19 Weil sie meiner Meinung nach dem Original von Tolkien viel näher kommt und darauf verzichtet Mittelerde einen pseuo-zeitgemäßen [sic] Anstrich zu verpassen. 41 Bringt die epische Erzählweise von Tolkien besser in die deutsche Sprache. Kreges Übersetzung wirkt plump im Gegensatz dazu. 80 Weil ich finde, dass sich die Übersetzung von Carroux sprachlich deutlich näher am englischen Original von Tolkien bewegt. Tolkien ist kein moderner Autor der moderne Worte oder Formulierungen verwendet, daher finde ich es befremdlich wenn die Übersetzung dies tut - es passt einfach nicht zu Tolkiens Stil.

Tatsächlich ist die soeben angesprochene Modernisierung Kreges ein wichtiger Kritikpunkt für die UmfrageteilnehmerInnen. Alle fünf der ausgewählten Antworten (ebenso wie ein Großteil der restlichen, hier nicht extra genannten) sagen, dass Margaret Carroux Tolkiens Stil und seine Stimme gut eingefangen und ins Deutsche übertragen hat. Bei der Betrachtung der ausgewählten Antworten wird offensichtlich, dass hier fast alle TeilnehmerInnen die beiden ÜbersetzerInnen direkt miteinander vergleichen. Deshalb hier einige der negativen Beschreibungen bezüglich der Werk- und Stiltreue:

Tabelle 6: Auswahl der Antworten zur Werk- und Stiltreue (contra Krege)

6 [...] Carroux übersetzte sehr 'originalgerecht', si [sic] blieb sprachlich sehr nah an Tolkiens Text und dadurch wirkt er etwas schwer. [...] 12 Ich bin zwar was Übersetzungen anbelangt sehr "kulant" und eher "modern" eingestellt, aber die "Krege"-Übersetzung versucht den Roman zusehr [sic] ins "Moderne" zu übertragen, z.B. wird traditionell in der Fantasy das Wort "Meister" und nicht wie in der Krege Übersetzung "Chef" verwendet. [...] 23 [...] Aber man gewinnt durch stärkeres Abnabeln von der Vorlage natürlich nicht nur Freiräume, es geht auch etwas verloren. [...] An manchen Stellen finde ich die Neuerungen auch ganz erfrischend, selbst wenn sie dem Original nicht genau entsprechen. [...] Ich ziehe die alte vor weil sie näher am Original ist. Die neue ist näher an unserer Zeit – und auch das ist größtenteils OK. [...] Die Modernisierungen wachsen sich aber dann zum Ärgernis aus, wenn es um die Interpretation wichtiger

- 79 - Vokabeln geht: Sam spricht Frodo immer mit „Master“ oder „Sir“an. [...] Carroux drückt das mit „Herr“ vollkommen korrekt aus. Kreges „Chef“ entspricht einer Beschreibung des Arbeitsverhältnisses, das ist, was das englische Wort „Boss“ meinen würde – das steht bei Tolkien aber nicht und das meint er auch nicht. Dieser Fehler ist schon gravierend, da er einen ganz zentralen Punkt, das Verhältnis der wichtigsten Aktuere des HdR, Sam und Frodo, falsch wiedergibt. Ich ziehe die alte Fassung aber auch vor, weil Krege bei aller Flüssigkeit dann auch hurtig richtige Sachfehler eingeflossen sind. [...] 33 [...] Krege hat doch einiges der, bewusst, antiquierten Sprache so modernisiert, dass es nicht gepasst hat. [...]

Interessant ist Antwort 6, die sich stark von den restlichen unterscheidet. Hier wird die Treue der Übersetzerin zum Original nicht als etwas Positives und Wünschenswertes gesehen, sondern vielmehr als negativer Aspekt, der dazu führt, dass Der Herr der Ringe in der Carroux- Übersetzung schwerer lesbar und verständlich ist. Diese/r ProbandIn bevorzugt die Krege- Übersetzung und legt offenbar nicht so viel Wert auf Werktreue, wenn dies bedeutet, dass der Zieltext durch diverse Änderungen und Anpassungen zu leichterer Lektüre wird. Die meisten ProbandInnen stören sich daran, dass Krege mit seiner Modernisierung die Stimme Tolkiens verändert hat: ProbandIn 19 spricht von einem „pseudo-zeitgemäßen“ Anstrich, ProbandIn 41 bezeichnet Kreges Übersetzung als „plump“ und ProbandIn 80 bekrittelt ebenso wie ProbandIn 12 den Stilbruch, den die Modernisierung eines/r nicht-modernen Autors/Autorin mit sich bringt. Von diesem allgemeinen Tenor hebt sich die Aussage von TeilnehmerIn 23 ab. Diese Antwort ist nicht nur eine besonders gründliche Ausführung, sie ist auch sehr offen für beide Übersetzungen und kann an beiden Versionen positive sowie negative Seiten sehen. Er/Sie erklärt, dass viele der Neuerungen durchaus in Ordnung sind und jede der beiden Übersetzungen ihre Zeit hat. Dieses Verständnis endet aber, wenn tatsächliche Übersetzungsfehler auftauchen und die Krege-Übersetzung den Herrn der Ringe verfälscht. Die Akzeptanz für die Neuübersetzung endet also, wenn durch sie die LeserInnen in die Irre geführt werden. Dass dies bei Krege manchmal der Fall ist, zeigt die Untersuchung von Michaela Landschützer, die bereits in Kapitel 1.3 angesprochen wurde.

- 80 - 6.4.5. Gesamtstimmung Die Kategorie der Gesamtstimmung ist ebenfalls sehr wichtig für viele der Befragten. In ihr manifestiert sich der Eindruck, den die jeweilige Übersetzung des Herrn der Ringe auf die TeilnehmerInnen gemacht haben und welches Gefühl die Geschichte bei ihnen hinterlassen hat. Hier finden sich erneut Parallelen zwischen der Situation im Deutschen und im Hebräischen. Wie unter Kapitel 4.5 im Detail beschrieben fokussiert sich die erste hebräische Übersetzung auf die Stimmung, und die zweite auf Werktreue. Es erscheint nur wenig überraschend, dass diese beiden gegensätzlichen Fokuspunkte zu einer gewissen Polarisierung in der Fangemeinschaft führen. Tatsächlich ist diese Kategorie aber relativ schwer zu Beschreiben und Definieren, da sie viele verschiedene Aspekte anderer Kategorien in sich vereint: Das Gefühl, das die LeserInnen bei der Lektüre des Buches überkommt, hängt sehr stark von der darin verwendeten Sprache ab; aber auch die Werk- und Stiltreue sowie die Abstimmung mit Tolkien selbst kann für Fans eine sehr große Rolle spielen, wenn sie über derartige Aspekte einer Übersetzung Bescheid wissen. Fest steht, dass den LeserInnen das Gefühl, welches Tolkien im Herrn der Ringe vermittelt, sehr wichtig ist, wodurch dieser Punkt zu einem nicht zu ignorierenden Faktor in der Entscheidung für oder gegen eine der beiden deutschen Übersetzungen wird. Alles in Allem wurden bei der Umfrage 24 Äußerungen gefunden, die sich auf die vermittelte Gesamtstimmung in den Übersetzungen beziehen: 5, 8, 14, 20, 22, 23, 26, 30, 31/31, 39, 42, 43, 48, 50, 53, 55, 57, 59, 60, 66, 69, 70 und 77. Alle Antworten stammen von TeilnehmerInnen, die die Übersetzung von Margaret Carroux favorisieren.

Tabelle 7: Auswahl der Antworten zur Gesamtstimmung

8 [...] Wenn ich mich persönlich entscheiden müsste, würde ich eher zu Carroux tendieren, da sie eine "ältere" Sprache vermittelt, die meiner Meinung nach etwas näher an die Atmosphäre im Original herankommt. [...] 20 Diese Übersetzung lässt einen mehr in Mittelerde eintauchen, da sie altertümlicher wirkt. [...] 23 [...] Sie bleibt eng an der Vorlage und es gelingt ihr, den Stil Tolkiens einzufangen und in die deutsche Sprache zu übertragen. Vor allem aber gelingt es ihr, die Stimmung zu übersetzen, die Tolkien erzeugt. Der Herr der Ringe lebt zu großen Teilen von der meisterhaft bildlichen Sprache, die das Beschriebene automatisch als

- 81 - Bilder vor dem geistigen Auge aufziehen lässt, wie es sonst in diesem Genre höchstens noch Mervyn Peake vermochte. [...] 48 Übersetzung mit mehr Gefühl und einem Bewusstsein für den Sinn des Textes. Sehr viel mehr Achtsamkeit für die Sprache Tolkiens und nicht überzogen modernisiert. 55 Ich bevorzuge die Carroux-Übersetzung, weil sie stimmiger klingt und mir mehr das Tolkien-Gefühl vermittelt, das ich erwarte, und weil in ein paar Details die Krege- Übersetzung für mein Empfinden einfach nicht werkgetreu ist. [...]

Die Antworten in dieser Kategorie unterscheiden sich vergleichsweise relativ stark voneinander. Während ProbandIn 8 von der Atmosphäre des Originals spricht, die Carroux besser eingefangen hat als Krege, nennt ProbandIn 20, dass Carroux sie mehr in Mittelerde eintauchen lässt. Ihm/Ihr ist es also wichtig, die fiktive Welt Tolkiens sozusagen hautnah mitzuerleben und nicht nur BeobachterIn zu sein. Die bildhafte Sprache Tolkiens mit ihren ausschweifenden Beschreibungen und ihrer Liebe zum Detail wird von ProbandIn 23 genannt, der/die der Meinung ist, dass es Carroux meisterhaft gelungen ist, die Stimmung einzufangen, die Tolkien erzeugt. Dieser Meinung ist auch ProbandIn 48, wenn er/sie von Carroux Fingerspitzengefühl und ihrem „Bewusstsein für den Sinn des Textes“ spricht. Bei ProbandIn 55 tritt ein anderer Aspekt in den Vordergrund. Hier gilt es weniger das Gefühl und die Stimmung des Texts an sich einzufangen, sondern vielmehr das, was den Autor ausmacht. Es kann davon ausgegangen werden, dass der/die TeilnehmerIn Tolkien auch auf Englisch gelesen hat und daher eine gewisse Erwartungshaltung an eine Übersetzung hat. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass eine Person, die weiß, wie ein/e AutorIn in seiner/ihrer Muttersprache klingt, auch erwartet, diese Stimme in einer Übersetzung wiederzufinden.

6.4.6. Genrekonventionen In der Fantasyliteratur – genau wie in jedem anderen literarischen Genre – gelten gewisse Regeln und Konventionen. Auf einige dieser Merkmale wurde in Kapitel 0 und den zugehörigen Unterkapiteln eingegangen. Tatsächlich sind sich viele LeserInnen dieser Genrekonventionen gar nicht so recht bewusst und bemerken ihre Erwartungshaltung erst, wenn sie von einem Roman nicht erfüllt wird. Wie die Umfrage aber gezeigt hat, gibt es auch einige LiebhaberInnen des Fantasygenres, denen durchaus klar ist, dass es Normen gibt und wie diese aussehen.

- 82 - Insgesamt nannten 14 Personen die Genrekonvention in ihren Erklärungen. Wie schon bei der Kategorie der Gesamtstimmung stammen auch hier alle Aussagen von den Antworten jener, die der Übersetzung von Margaret Carroux den Vorzug geben. Die Referenzen auf die Genrekonventionen kommen in den Antworten 5, 12, 33, 35, 45, 50, 56, 57, 62, 69, 71, 74, 77 und 78 vor.

Tabelle 8: Auswahl der Antworten zu den Genrekonventionen (pro Carroux)

35 [...] Ich bin da eher puristisch eingestellt. Bei der neuen Übersetzung (wozu? Das Original schreibt ja auch keiner neu) sind mir zu viele moderne Begriffe im Spiel (Logo, Chef usw.), die für eine erfundene historische Epoche Europas unpassend sind. HdR stellt ja vielmehr einen historisch-mythischen Roman dar als "reine" Fantasy. 56 [...] Solche Ausdrücke gehen gar nicht und passen meiner Meinung nach nicht in eine mittelalterliche Fantasy-Welt, auch wenn stellenweise die neue Übersetzung nicht schlecht ist. [...] 69 Hört sich für mich "altertümlicher" an, eher passend für ein "historisches Dokument" ... aber vielleicht liegt es einfach daran, das ich diese Version zuerst gelesen habe. 78 Die Sprache von Carroux passt besser in das Setting einer mittelalterlichen Fantasywelt und wenn ich ehrlich sein soll: da Tolkien an der Übersetzung selber mitgearbeiet [sic] hat, ist die Übersetzung von Krege so unnötig wie ein Kropf.

Die Aussagen von den ProbandInnen 56 und 78 decken sich im Großen und Ganzen. Beide sind der Auffassung, dass bei einer Geschichte, die in einer mittelalterlichen Fantasywelt spielt, auch die Sprache an dieses Setting angepasst werden muss. Wird dies nicht getan, kommt es zu einem Stilbruch. In diesem Fall allerdings ist es wichtig, dass nicht vergessen wird, dass J.R.R. Tolkien diesen Stilbruch nicht beabsichtigte. Er wird in den deutschen Fassungen des Herrn der Ringe durch die ÜbersetzerInnen beziehungsweise durch Wolfgang Krege herbeigeführt und entspricht nicht den Intentionen des Autors. Was die Intentionen des Autors diesbezüglich sind kann natürlich zu einem sehr großen Teil nur gemutmaßt werden und auch, ob er den Genrekonventionen folgen wollte, wissen wir nicht. J.R.R. Tolkien, als einer der Mitbegründer der Fantasy, wie wir sie heute kennen, hat einen nicht zu

- 83 - unterschätzenden Einfluss auf die Prägung der herrschenden Konventionen ausgeübt. Er hat zwar die Wirkung der im Roman verwendeten Sprache sehr viel ernster genommen, als viele AutorInnen im Genre dies heutzutage tun, doch möglicherweise ist genau das einer der Gründe, weshalb Der Herr der Ringe überhaupt einen solchen Einfluss gewinnen konnte. Tatsache ist aber, dass Tolkien sehr viel Zeit und Herzblut in das Verfassen des Romans gesteckt hat, nicht wissend, dass er damit Konventionen hervorbrachte, die noch Jahrzehnte später ein Genre bestimmen. Was er aber wusste und was auch wir heute wissen, ist, dass es Tolkien sehr wichtig war, dass sein Werk nicht verfälscht wird. Dies wird besonders klar in Kapitel 4 und den verschiedenen Unterkapiteln, in denen sich wiederholte Hinweise auf Aussagen Tolkiens zu diesem Thema finden. ProbandIn 69 spricht einen anderen Aspekt an, der sich in mehreren Antworten wiederfindet. Durch die Nennung der historischen Dokumente referenziert er/sie, wie einige andere ProbandInnen, die Nähe des Herrn der Ringe zur europäischen Kultur. Für viele scheint das Buch nicht nur reine Fiktion zu sein, sondern eher der europäischen Geschichte näher zu sein. So sagt ProbandIn 35, dass das Buch eher ein „historisch-mythischen Roman“ ist und spricht davon, dass es zwar sehr wohl in einer erfundenen Epoche spielt, diese aber historisch in Europa angesiedelt ist. Ungeachtet dessen, wie die ProbandInnen das Gefühl beschreiben, welches sie in Zusammenhang mit den Genrekonventionen beschleicht, sie alle sind sich einig, dass hier Margaret Carroux bessere Arbeit geleistet hat als Wolfgang Krege. Doch da zweiterer, schon bevor er mit der Übersetzung begonnen hat, klar gesagt hat, dass er eine moderne Übersetzung des Herrn der Ringe anfertigen möchte, ist dies nicht wirklich eine Überraschung. Moderne Sprache passt nun einmal nicht in ein romantisches Mittelalter. Dieser Meinung sind auch die ProbandInnen, wie an den folgenden Antworten unschwer erkennbar ist.

Tabelle 9: Auswahl der Antworten zu den Genrekonventionen (contra Krege)

12 Ich bin zwar was Übersetzungen anbelangt sehr "kulant" und eher "modern" eingestellt, aber die "Krege"-Übersetzung versucht den Roman zusehr [sic] ins "Moderne" zu übertragen, z.B. wird traditionell in der Fantasy das Wort "Meister" und nicht wie in der Krege Übersetzung "Chef" verwendet. [...] 74 Weil die sprachliche Aktualisierung, die Krege vorgenommen hat, nicht zur Fantasy- Genrekonvention der altertümlichen Sprache passt. Präziser: Meine

- 84 - Erwartungshaltung wurde gebrochen (was gut oder schlecht sein kann), aber ohne dass dieser aktualisierende Bruch mir einen erzählerischen Mehrwert eröffnet hätte, wie das z.B. 1996 bei der Romeo und Julia-Verfilmung der Fall war, die bildlich, aber nicht sprachlich aktualisiert wurde: Eine Aktualisierung der Sprache in Verbindung mit der Verschiebung des Settings/Genres wäre vielleicht spannend - eine reine Modernisierung der Sprache nicht (für mich). 77 Ich bevorzuge die Übersetzung von Carroux, da die Übersetzung von Krege teils zu moderne Ausdrücke und Phrasen enthält, welche für mich nicht zum Setting und zu der Atmosphäre der Geschichte passen. [...]

Antwort 12 und Antwort 77 sprechen Punkte an, die auch in den vorherigen Antworten schon genannt wurden. Die meisten ProbandInnen scheinen sich vorwiegend an den modernen Ausdrücken Kreges zu stören und bevorzugen die Übersetzung von Margaret Carroux, da ihre Sprache im Setting stimmiger klingt. Einen spannenden Punkt spricht aber TeilnehmerIn 74 an. Er/Sie beschreibt, dass ein Bruch der Erwartungen durchaus etwas Positives sein kann, wenn er mit genug Fingerspitzengefühl und an der richtigen Stelle durchgeführt wird. Eine rein sprachliche Aktualisierung ist seiner/ihrer Meinung nach nicht das Richtige für den Herrn der Ringe, wodurch die Krege-Übersetzung dieser Ansicht nach wohl von vorneherein redundant war. Hätte Krege aber weiter gegriffen und das Werk an sich nicht bloß übersetzt, sondern auch anderweitig verändert, hätte der Bruch der Erwartungshaltung gewinnbringend sein können. Das einzige Problem wäre dann aber, dass es sich wohl nicht mehr um eine Übersetzung, sondern eben um eine Umwandlung des Buches handeln würde und das war nicht Sinn und Zweck der Neuübersetzung.

6.4.7. Sprachgebrauch Der Sprachgebrauch ist ein ganz spezifischer Faktor. Jeder Mensch hat einen anderen Schreibstil und dementsprechend übersetzt auch jede/r ÜbersetzerIn anders. Die Sprache, die eine Person verwendet, wenn er/sie schreibt, entwickelt sich im Laufe des Lebens immer weiter und so hat jede/r eine andere Art und Weise, Dinge auszudrücken. In dieser Masterarbeit geht es natürlich allen voran um J.R.R. Tolkien, dessen Stil es bei einer Übersetzung einzufangen gilt. Doch wie Margaret Carroux und Wolfgang Krege dies gemacht haben, hängt sehr stark von zwei Faktoren ab: Einerseits vom persönlichen Schreibstil der

- 85 - ÜbersetzerInnen, den diese nie ganz ablegen können und andererseits vom Skopos der Übersetzung, der für beide ÜbersetzerInnen bereits in den Kapiteln 1.2 und 1.3 angesprochen wurde. Da dies wohl die offensichtlichste Kategorie ist und auch jene, die am leichtesten festzumachen ist, war es zu erwarten, dass sie in den Antworten der Teilnehmenden am häufigsten vorkommt. Nicht weniger als 59 Mal wurde diese Kategorie in 48 Antworten referenziert, was mehr als der Hälfte der Antworten entspricht. Auffallend ist aber, dass trotz der häufigen Nennung dieses Aspekts lediglich ein Argument einer Antwort entstammt, die die Krege-Übersetzung bevorzugt. Der Sprachgebrauch der ÜbersetzerInnen wurde in den folgenden Antworten angesprochen: 4, 7, 8, 13, 14, 15, 16, 19, 20, 21, 22, 23, 26, 28/28, 30, 31/31, 32, 34, 35, 37/37, 39/39, 41, 42/42/42, 43, 44, 48, 49, 50, 51, 53, 54, 55, 56, 59, 61/61/61, 62, 65, 66/66, 70, 71, 74, 75, 76, 77/77, 78, 79, 80/80 und 81. Naturgemäß wurden auch hier oft direkte Vergleiche zwischen Carroux und Krege angestellt, weshalb wieder Antworten beider Seiten diskutiert werden.

Tabelle 10: Auswahl der Antworten zum Sprachgebrauch (pro Carroux)

51 Interessanter Satzbau, etwas komplexere Sprache, die dem englischen Original näher ist. 53 Die Erzählweise ist weicher, flüssiger, rhythmischer, rund, märchenhafter. [...] 66 Ich bevorzuge den altmodischen Stil der Carroux-Übersetzung. Krege is [sic] mir einfach zu sehr umgangssprachlich. [...] 79 Carroux = Sprachlich viel gehobener und ein Vergnügen. 81 Ich finde Carroux sprachlich harmonischer. Ich stolpere bei Krege manchmal beim Lesen. [...]

Alle Antworten scheinen sich einig darin zu sein, dass Carroux eine sehr wortgewandte Übersetzerin ist, die schöne, stimmige Texte verfasst. Oft genannt wurde das Argument des altertümlichen oder altmodischen Stil Carroux’, das auch bei TeilnehmerIn 66 vorkommt. Für die meisten ProbandInnen passen Archaismen und eine historisch geprägte Erzählweise offenbar besser nach Mittelerde und entsprechen eher dem englischen Original und somit Tolkien und seinen Intentionen. Bei den Antworten 53 und 81 steht der Sprachrhythmus und die -harmonie im Vordergrund. Diesen LeserInnen ist es augenscheinlich wichtig, dass die

- 86 - Wortfolge stimmig ist und der Text ästhetisch ansprechend ist. Die Antworten der Befragten 51 und 79 hingegen weisen auf die komplexere und gehobenere Sprache bei Carroux hin, die das Lesevergnügen ihrer Meinung nach offenbar steigert. Diesen positiven Punkten, die Carroux’ Übersetzung zugesprochen werden, stehen unter anderem die in den folgenden Antworten genannten negativen Punkte bei der Krege-Übersetzung gegenüber.

Tabelle 11: Auswahl der Antworten zum Sprachgebrauch (contra Krege)

39 Carroux bedient sich weniger moderner und damit etwas altertümlicherer Sprache. Dies passt meiner Meinung nach besser zu Herr der Ringe. Krege ist in seiner Wortwahl oft etwas einfacher gestrickt (Saruman der Bunte, statt Saruman der Vielfarbige). 61 carroux versucht nicht erst tolkiens bücher mit einer moderneren sprache auszustatten. wo carroux noch von "wißbegier" schreibt, ändert sich das bei krege zu "neugier", "väterchen" wird zu "papa" und "herr" wird zu "chef". 80 [...] Tolkien ist kein moderner Autor der moderne Worte oder Formulierungen verwendet, daher finde ich es befremdlich wenn die Übersetzung dies tut - es passt einfach nicht zu Tolkiens Stil.

Die Antworten der ProbandInnen 39 sowie 61 geben konkrete Beispiele für sprachliche Unterschiede zwischen Carroux und Krege. Sie beide vertreten die Meinung, dass Krege nicht so sprachgewandt ist wie Carroux und dass seine Übersetzung dadurch sowie durch seine Modernisierungen an Farbe und Tiefe verloren hat. Dies ist insofern besonders spannend, da doch Krege selbst angab, dass er diesen Eindruck bei der von Carroux angefertigten Übersetzung hatte und dies bei seiner eigenen vermeiden wolle. Offenbar kam ihm hier sein Skopos in den Weg oder aber die Übersetzung wirkt(e) auf die LeserInnen anders als gedacht und/oder beabsichtigt. ProbandIn 80 etwa konnte sich ebenfalls nicht mit den modernen Formulierungen Kreges anfreunden, doch ob dies war, weil er/sie die Carroux-Übersetzung seht gut kennt oder weil er/sie das Original sehr gut kennt oder aus einem anderen Grund, ist aus der Antwort nicht ersichtlich. Für ihn/sie wurde aber durch Kreges Herangehensweise offenbar die Stimme Tolkiens verfälscht.

- 87 - 6.4.8. Ausreißer Der nun diskutierten Kategorie werden all jene Aussagen der ProbandInnen zugeordnet, die dem bisher gefundenen Konsens beziehungsweise der ermittelten Meinung der meisten TeilnehmerInnen in irgendeiner Art und Weise widersprechen. Alle Aussagen, die überraschend waren und sich nicht der großen Masse der anderen Antworten decken, werden hier eingeordnet. Insgesamt gibt es 5 Antworten, die in diese Gruppe fallen und es werden alle von ihnen zitiert und diskutiert, damit klar wird, weshalb sie in diese Kategorie eingeordnet wurden. Die Antworten sind 8, 26, 36, 37 und 42. Wie bereits in einigen der anderen Kategorien stammt hier eine Antwort von jemandem, der/die die Übersetzung von Wolfgang Krege bevorzugt und alle anderen von Personen, die jene von Margaret Carroux favorisieren.

Tabelle 12: Antworten der Kategorie Ausreißer

8 Ich mag tatsächlich beide Überstzungen. Jede hat ihre Zeit, ihre Zielgruppe und ihre Berechtigung und ich finde es gut, dass es zwei unterschiedliche Versionen gibt. [...] 26 [...] Zudem stößt bei Krege halt auf, dass seine Übersetzung nicht seinen Versprechungen entspricht. 36 Ist schon ewig her, daher weiß ich nicht, wie stichhaltig mein Argument noch ist... Ich hab damals ein paar Auszüge aus Carroux gelesen und fand es sehr schräg, wie "modern" und "salopp" sie manche Stellen wieder gibt. Krege klingt älter und mystischer, was vermutlich eher dem Original entspricht, da auch die englische Version (die ich auch gelesen habe) für heutige Leser (wie wohl auch für Zeitgenossen Tolkiens) sehr altertümlich wirkt. Ich habe vermutlich nicht das ganze Buch in der Version von Carroux gelesen, fand aber bei den paar Passagen die allgemeine "Atmosphäre" nicht so toll wie bei Krege. 37 Ich finde prinzipell [sic] beide Übersetzungen ziemlich schlecht. Carroux gaukelt eine komplizierte Sprache (verschachtelter Satzbau, Wortwahl) vor, die es im Original gar nicht gibt, während Krege genau das Gegenteil tut (also die Sprache auf ein Level vereinfacht, das nicht dem Original entspricht). [...] 42 [...] Krege klebt tw. extrem am Wort - Carroux transportiert mehr Gefühl und Stimmung.

- 88 -

TeilnehmerIn Nummer 8 spricht sich gleichermaßen für beide Übersetzungen aus. Natürlich hat auch er/sie eine Entscheidung getroffen, weil das für diese Umfrage nötig war. Dies ist eine der wenigen Antworten, die beiden Übersetzungen ihre Berechtigung einräumt, da die meisten ProbandInnen lediglich davon sprechen, wieso sie eine Übersetzung mögen und die andere nicht. Dies könnte allerdings der Formulierung der Frage geschuldet sein, da dezidiert nach Gründen für die Bevorzugung einer der beiden deutschen Versionen des Herrn der Ringe gefragt wird. ProbandIn 26 etwa nimmt die erwartete Position ein, wenn er/sie beide Übersetzungen direkt vergleicht und davon spricht, dass Krege die Versprechungen bezüglich seiner Übersetzung nicht erfüllt hat. Es wäre interessant zu wissen, von welchen Versprechungen hier die Rede ist, da doch so viele der Teilnehmenden die von Krege angekündigte und durchgeführte Modernisierung ansprechen, die der Übersetzer versprochen und erfüllt hat. Leider gibt auch der Rest dieser Antwort keine genaueren Auskünfte über diese nicht gehaltenen Versprechen Kreges, sodass die Antwort nur schwer einzuordnen ist. Die vielleicht verblüffendste Antwort stammt aber von ProbandIn Nummer 36. Diese Person nennt einige Punkte der Carroux-Übersetzung, die ihr nicht gefallen haben, darunter die moderne und saloppe Ausdrucksweise und die fehlende Atmosphäre. Die Krege-Übersetzung wird dagegen als „älter und mythischer“ beschrieben und mehr dem Original entsprechend. Werden diese Aussagen aber mit den der anderen UmfrageteilnehmerInnen verglichen, taucht die Frage auf, ob diese Person eventuell die beiden Übersetzungen miteinander vertauscht hat. All jene Aspekte, die er/sie Carroux zuschreibt, werden in den anderen Antworten Krege zugewiesen und umgekehrt (vergleichen Sie hierzu Kapitel 6.4.5 und6.4.7 der Analyse). Nun ist es natürlich möglich, dass auf diesen Menschen die Übersetzungen tatsächlich so anders gewirkt haben, wie auf den Rest der befragten Personen, doch die wahrscheinlichere Erklärung ist dennoch, dass schlicht und einfach eine Verwechslung der beiden Übersetzungen beziehungsweise der ÜbersetzerInnen stattgefunden hat. Eine weitere überraschende Antwort stammt von ProbandIn Nummer 37, die beide Übersetzungen als schlecht empfindet. Dieses Urteil basiert auf dem Sprachgebrauch der beiden ÜbersetzerInnen und der/die TeilnehmerIn folgert, dass beide Übersetzungen ihr Ziel verfehlt haben. Ebenfalls auf den Sprachgebrauch verweist die Antwort 42, die Krege unterstellt in hohem Maße am Wort zu kleben. Auch diese Antwort ist vor allem in Hinblick

- 89 - auf die bereits analysierten Antworten zum Sprachgebrauch und der Gesamtstimmung erstaunlich. Aufgrund der Tatsache, dass aber der Rest der Antwort und die Ausführungen des/der Befragten sich mit jenen Argumenten decken, die am häufigsten vorkommen, erscheint hier eine Verwechslung wie bei Antwort 36 eher unwahrscheinlich.

6.4.9. Sonstige Wie bereits bei der Darstellung des Analyserasters besprochen fallen in die vorletzte Kategorie all jene Antworten, die Aussagen enthielten, die in keines der bereits diskutierten Schemata fallen. Oft sind es Einfachnennungen, manchmal sprechen aber auch mehrere der Teilnehmenden einen Punkt an. Da es sich aber nie um mehr als 5 Personen handelt, sah ich keinen Sinn darin, jeder dieser Antworten eine eigene Kategorie zuzuordnen. Einerseits hätte dies wohl den Rahmen dieser Masterarbeit gesprengt, andererseits erscheint es für die Erstellung eines Überblicks über die Fangemeinde nicht besonders sinnvoll. Nichtsdestotrotz sind auch die in diesen Antworten angesprochenen Aspekte nicht zu ignorieren, weshalb jeder von ihnen nun kurz besprochen wird. In 14 der insgesamt 81 Antworten finden sich zusammengenommen 17 Referenzen, die eine Zuteilung in die Kategorie „Sonstiges“ rechtfertigen. Diese Antworten sind 8, 15, 22, 23/23, 25/25, 32, 35, 37, 45, 49, 53, 69, 72 und 77/77. Erneut stammen alle Aussagen bis auf eine einzige von Personen, die die Übersetzung von Margaret Carroux bevorzugen. Die Punkte, die angesprochen werden, sind die Folgenden: Herausarbeitung der Sprachstile bei Krege (22, 32 und 77), Berechtigung beider Übersetzungen (8 und 23), Übersetzung der Lieder (25, 53 und 77), die Historik des Herrn der Ringe (35, 45 und 69), die Werkpflege von Seiten des Verlags (23), die Sichtbarkeit des/der ÜbersetzerIn (25), die Bevorzugung des Originals (15 und 49), der Ruf nach einer neuen Übersetzung (37) und die Antwort „Besser“ (72).

Tabelle 13: Antwort zur Kategorie Sonstige, Thema 1

72 Besser

Abgesehen von den in Kapitel 6.4.10 genannten Antworten, die keine Begründung für ihre Favorisierung angeben, ist das Argument von ProbandIn Nummer 72 wohl das am wenigsten aufschlussreiche. Diese Aussage gibt keinerlei Hinweis darauf, aus welchem Grund diese Person die Übersetzung von Margaret Carroux besser findet. Aus diesem Grund und wegen

- 90 - der Tatsache, dass die rein subjektive Meinung, dass dies/e ProbandIn die Carroux- Übersetzung besser findet als die Neuübersetzung, bereits aus der Antwort auf die erste Frage der Umfrage hervorgeht, ist diese Begründung vergleichsweise wertlos. Die nun folgenden Antworten beziehen sich auf die verschiedenen Sprachstile, die Tolkien je nach Charakter in der direkten Rede verwendet und wie sie in der Übersetzung gehandhabt wurden.

Tabelle 14: Antworten zur Kategorie Sonstige, Thema 2

22 [...] Krege versucht sich in deutlich unterscheidbaren Sprachstilen, die aber weniger authentisch wirken. 32 [...]Denn aus meiner Sicht ist es Krege hoch anzurechnen, dass er versucht hat, verschiedene Sprachebenen herauszuarbeiten. Und genau aus diesem Grunde gefällt mir persönlich die Krege-Übersetzung besser. 77 [...] Zwar hat Krege im Gegensatz zu Carroux, die durchgängig eine archaische Ausdrucksweise nutzt, mit seiner Übersetzung versucht die stilistischen Unterschiede des englischen Originals, in dem Tolkien je nach Situation und Charakter modernere oder archaischere Formulierungen verwendet hat, in seiner Version zu übernehmen, doch seine Nutzung von Audrücken die zur Zeit der Übersetzung modern waren verhindern für mich eine vollständige Immersion in die Geschichte. [...]

ProbandIn 32 bevorzugt die Übersetzung von Wolfgang Krege, was zu einem großen Teil auf der Tatsache beruht, dass der Übersetzer versucht hat, die bereits genannten verschiedenen Sprachstile und -ebenen der Charaktere auch im Deutschen zu erhalten. Dies ist aufgrund der unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen Situation eine besondere Herausforderung, wie bereits in Kapitel 0 und den zugehörigen Unterkapiteln besprochen wurde. Für TeilnehmerIn 32 ist dieses schwierige Unterfangen gelungen, doch ProbandIn 22 ist der Meinung, dass Kreges Versuch nicht authentisch wirkt. Dem stimmt auch die Person zu, die Antwort 77 verfasst hat. Er/Sie scheint mit der Übertragung der verschiedenen Sprachebenen zwar zufrieden zu sein, doch die von Krege durchgeführten Modernisierungen verhindern, dass die Geschichte als Ganzes stimmig wirkt. Die Sprachstile der Charaktere im Herrn der Ringe spielen eine wichtige Rolle und auch in der Übersetzung sollten sie so gut wie möglich

- 91 - übertragen werden. Hier könnte also Carroux sich ein Beispiel an Krege nehmen, ebenso wie es in manch anderen Aspekten umgekehrt der Fall ist. Der nächste Punkt, der von zwei ProbandInnen angesprochen wird ist, dass beide Übersetzung gleichermaßen ihre Berechtigung haben.

Tabelle 15: Antworten zur Kategorie Sonstige, Thema 3

8 Ich mag tatsächlich beide Überstzungen. Jede hat ihre Zeit, ihre Zielgruppe und ihre Berechtigung und ich finde es gut, dass es zwei unterschiedliche Versionen gibt. [...] 23 [...] Ich denke es ist eine Geschmacksfrage. Beide Übersetzungen haben ihre Berechtigung. Ich ziehe die alte vor weil sie näher am Original ist. Die neue ist näher an unserer Zeit – und auch das ist größtenteils OK. [...]

Wie bereits im vorherigen Kapitel angedeutet sind diese Antworten eher überraschend, da die Formulierung in den Fragestellungen bei der Umfrage eigentlich eine Entscheidung verlangen. Bei ProbandIn 23 lässt sich dieser Umstand aber dadurch erklären, dass die Antwort ursprünglich für einen Eintrag auf der Webseite des/der Befragten gedacht war und lediglich kopiert wurde. Beim Verfassen des Texts zum Thema war natürlich die Fragestellung eine andere und es war wohl Zufall, dass die Antwort so gut zur durchgeführten Umfrage passt. Tatsache ist, dass die beiden ProbandInnen nicht nur positive Seiten an beiden Übersetzungen finden, sondern auch noch einräumen, dass beide Versionen ihre Daseinsberechtigung haben. Sie stellen die beiden somit nicht in einen Kampf zueinander, sondern verleihen den Übersetzungen sozusagen die Möglichkeit einer friedlichen Koexistenz. ProbandIn 37 verlangt nach einer neuen Übersetzung und die Antworten der TeilnehmerInnen 8 und 23 lassen den Rückschluss zu, dass auch sie eine dritte Übersetzung durchaus akzeptieren könnten, auch wenn sie sie vielleicht nicht brauchen, wie diese Person.

Tabelle 16: Antwort zur Kategorie Sonstige, Thema 4

37 Ich finde prinzipell [sic] beide Übersetzungen ziemlich schlecht. [...] Meiner Meinung nach, müsste sich an einer neuen Übersetzung versucht werden, die Tolkiens verschiedene Sprachlevel (je nach Charakter/Schreibphase), Kreativität (z. B. Wortneuschöpfungen) und Sprachliebe (z. B. Verwendung von Archaismen in

- 92 - einem sinnvollen Maße) besser abbildet. [...]

Hier handelt es sich offenbar um eine Person, die Tolkien auch auf Englisch gelesen hat, da die Ansprüche an die deutschen Übersetzungen sehr hoch sind. Die Frage ist allerdings, ob jemals eine Übersetzung der hier geäußerten Forderung gerecht werden könnte oder ob diese/r ProbandIn etwas Unmögliches fordert. Wenn die Liebe zum Originalautor und seinem Werk so groß ist und offenbar auch fundierte Kenntnisse zum Thema bestehen, liegt der Verdacht nahe, dass keine Übersetzung vor solch einem/einer starken KritikerIn bestehen könnte. Auch wenn die ProbandInnen 15 und 49 nicht explizit sagen, dass sie beide Übersetzungen schlecht finden, so heben sie doch hervor, dass sie den Herrn der Ringe am liebsten im Original lesen und die bevorzugte Übersetzung – hier in beiden Fällen von Carroux – nur wenn nötig hervorholen.

Tabelle 17: Antworten zur Kategorie Sonstige, Thema 5

15 Lese eigentlich ja am liebsten die englische Ausgabe, aber wenn es dann auf Deutsch sein soll bevorzuge ich die Carroux ?Übersetzung. [...] 49 Carroux Aufgrund von Wortwahl und der treue zu Tolkiens Stil, bevorzugt wird noch immer das Original gelesen ;)

Es war vorherzusehen, dass jene Fans, deren Englisch gut genug ist, um die verschiedenen Facetten von Tolkiens Herrn der Ringe zu erfassen, das Werk am liebsten auf Englisch lesen. Eine Übersetzung ist und bleibt eine Übersetzung und auch wenn sie noch so gut ist, gibt es trotzdem nur einen J.R.R. Tolkien und der hat nun einmal auf Englisch geschrieben. Es ist anzunehmen, dass die ProbandInnen die Geschichte um Frodo und den Einen Ring genauso erleben wollen, wie Tolkien sie geschrieben hat und in Kapitel 3.2 hat sich bereits gezeigt, dass eine Übersetzung das Werk immer bis zu einem gewissen Grad verändert und vielleicht sogar verfälscht. Diese Veränderungen betreffen bei Tolkien ganz elementare Aspekte der Geschichte, wie bereits in Kapitel 0 beschrieben wurde: die Namen der handelnden Charaktere, die Redeweise der verschiedenen Personen, Archaismen sowie die vielen Lieder und Gedichte sind hier nur die prominentesten Beispiele. Auch für ProbandIn 25 scheint es ebenso wichtig zu sein, wie für die beiden soeben vorgestellten, dass Tolkien so wenig wie möglich verfälscht wird.

- 93 -

Tabelle 18: Antwort zur Kategorie Sonstige, Thema 6

25 [...] Insgesamt ist dies eine ganz ordentliche Übersetzung, trotzdem gilt Rainer Nagels Feststellung*, Krege greife zu oft mit seinen »Kontrastierungen« über die in der englischen Ausgabe Tolkiens »enthaltenen Vorgaben hinaus und missachten sie stellenweise« und kommt mit Thomas Gramlich zum Schluss**, »dass Krege im Spannungsfeld des Übersetzers als Informationsüberträger einerseits und Ko-Autor andererseits das Pendel zu sehr in die letztere Richtung hat ausschlagen lassen […] Bezüglich der möglichen Rolle des Übersetzers als Co-Autor ist Margaret Carroux weitaus weniger stark ›sichtbar‹ als Wolfgang Krege…«; Nagel vermutet, Tolkien hätte »wohl den zwar schwerfälligeren (formäquivalenten) Ansatz von AÜ [Alte Übersetzung] dem zu übersetzertransparenten (aber funktionsäquivalenteren) Ansatz von NÜ [Neue Übersetzung] vorgezogen.« Mir geht es auf jeden Fall so, und wenn ich eine HdR-Ausgabe empfehle, dann immer die 2008 überarbeitete von Carroux. [...]

Bei dieser Antwort fällt auf, dass der/die ProbandIn seine eigene Aussage mit jener der Tolkienforscher Rainer Nagel und Thomas Gramlich unterstreicht. Für sie/ihn scheint es sehr wichtig zu sein, Tolkien so zu lesen, wie er schreibt. Der Unterschied zu den ProbandInnen, die den Herrn der Ringe am liebsten auf Englisch lesen, könnte hier sein, dass ProbandIn 25 das Englische vielleicht nicht gut genug beherrscht, um die Lektüre in dieser Sprache genießen zu können. Doch auch wenn dies nicht der Fall ist, so stellt der/die ProbandIn an eine Übersetzung den Anspruch, dass der/die OriginalautorIn und dessen Stil und Eigenheiten nicht verändert werden, sodass seine/ihre Handschrift auch in einer anderen Sprache noch klar erkennbar ist. Die nun folgenden Aussagen beziehen sich auf einen besonderen Teil von Tolkiens Werk, nämlich die bereits unter 4.4 angesprochenen poetischen Elemente des Herrn der Ringe.

Tabelle 19: Antworten zur Kategorie Sonstige, Thema 7

25 [...] Manche der Neuübersetzungen der Lieder und Gedichte sind viel weiter weg vom Original als es bei der alten Übersetzung der Fall war und weniger poetisch. [...]

- 94 - 53 [...] Ganz besonders die Gedichte und Verse sind stimmig und phantasievoll. 77 [...] Der einzige Aspekt in dem ich Kreges Übersetzung weit besser finde als die von Carroux ist in der Übersetzung der Gedichte.

Während die ProbandInnen 25 und 53 sich einig sind, dass ihnen die Lieder und Gedichte bei Carroux besser gefallen, gibt TeilnehmerIn 77 an, dass auch wenn er/sie die Carroux- Übersetzung an sich besser findet, die Lieder und Gedichte bei Krege schöner übersetzt sind. Da mir derzeit leider keine Informationen über die genauen Unterschiede der Lieder und Gedichte bei Krege und Carroux vorliegen, ist es schwierig, diese Information zu verwerten. Da jedoch für die meisten der Lieder und Gedichte auch bei Krege die Übersetzung von Ebba- Margareta von Freymann übernommen wurden, ist es doch unerwartet, dass immerhin drei Personen ansprechen, dass sie die eine oder die andere Übersetzung in diesem Punkt bevorzugen. Hier wäre eine Untersuchung der Unterschiede und der von Krege durchgeführten Änderungen sehr spannend. Ein weiterer Punkt, der sehr interessant ist und bereits bei der Diskussion der Genrekonventionen in Kapitel 6.4.6 der Genrekonventionen aufgefallen ist, betrifft den Umstand, dass einige der LeserInnen den Herrn der Ringe nicht als reine Fiktion wahrnehmen.

Tabelle 20: Antworten zur Kategorie Sonstige, Thema 8

35 [...] Bei der neuen Übersetzung (wozu? Das Original schreibt ja auch keiner neu) sind mir zu viele moderne Begriffe im Spiel (Logo, Chef usw.), die für eine erfundene historische Epoche Europas unpassend sind. HdR stellt ja vielmehr einen historisch-mythischen Roman dar als "reine" Fantasy. 45 Die Übersetzung von Carroux erscheint mir vor dem "historischen" Hintergrund der Geschichte etwas angemessener 69 Hört sich für mich "altertümlicher" an, eher passend für ein "historisches Dokument" ... aber vielleicht liegt es einfach daran, das [sic] ich diese Version zuerst gelesen habe.

Die in diesen drei Antworten hervorgebrachten Argumente beziehen sich eindeutig auf die an die historischen, europäischen Kulturen angelehnten Elemente im Herrn der Ringe. Diese sind ohne Zweifel vorhanden und es ist allgemein bekannt, dass Tolkien von seiner Arbeit als

- 95 - Philologe und seinen umfassenden Kenntnissen der europäischen Mythologie inspiriert wurde. Deshalb von einem „ ‚historischen’ Hintergrund“ zu sprechen, wie es ProbandIn 45 tut oder gar davon, dass das Buch ein historisch-mythischer Roman ist, erscheint etwas weit hergeholt. Auch wenn Tolkien ohne Zweifel Elemente aus der europäischen Geschichte, Kultur und Mythologie entnommen hat, so handelt es sich beim Herrn der Ringe doch um eine neue und eigenständige Geschichte. Besonders unter Einbezug des großen Ganzen, der Rassen, Kulturen und der Geschichte von Mittelerde, die Tolkien im Silmarillion und anderen Werken beschreibt, wird klar, dass die aus Europa entnommenen Teilaspekte lediglich einen kleinen Anteil an dem Universum haben, das der Autor geschaffen hat. Der letzte Punkt in dieser Kategorie spricht ein Thema an, das sonst von niemandem der Befragten erwähnt wurde: Die Rolle des Verlags bei der Entscheidung für die Neuübersetzung von Der Herr der Ringe.

Tabelle 21: Antworten zur Kategorie Sonstige, Thema 9

23 [...] Nun, ich denke, dass da Ende der Neunziger jemand bei Klett-Cotta mit leicht verschlafenem Blick auf die nahende Veröffentlichung der Verfilmung von Peter Jackson bemerkte, dass wenn man, denn nun Werkpflege tuen [sic] wollte, dies nun an der Zeit wäre. Also bekam Wolfgang Krege anscheinend einen Eilauftrag – Margaret Carroux war inzwischen verstorben – und musste nun mit heißer Nadel stricken. Dass da Fehler passieren ist klar. Dass man sich dies aber mit einem Werk erlaubt, das von seinen Freunden so akribisch gelesen wird wie der HdR ist unverständlich. Das konnte nicht gut gehen und dass dies so sein würde, hätte in eigentlich bekannt sein müssen. [...]

Diese Ausführung zum Thema werfen Licht auf einen Aspekt, der auf die Neuübersetzung einen nicht zu ignorierenden Effekt hatte. Die Übersetzung von Wolfgang Krege enthielt vor allem vor der Publikation der überarbeiteten Ausgabe 2012 viele Fehler. Dass dies insbesondere von jenen Fans, die den Herrn der Ringe schon über Jahre und Jahrzehnte hinweg kannten und liebten, stark bekrittelt werden würde, war zu erwarten. Die angesprochene Werkpflege durch den Verlag ist etwas sehr Wünschenswertes, doch möglicherweise wurde hier bei Klett-Cotta tatsächlich in erster Linie der wirtschaftliche Vorteil einer zeitnahen Veröffentlichung einer Neuübersetzung mit der Verfilmung gesehen. Ob und

- 96 - inwiefern die Krege-Übersetzung anders ausgesehen hätte, wenn er denn mehr Zeit gehabt hätte, ist eine Frage auf die es leider keine Antwort gibt. Die Vermutung, dass sich möglicherweise weniger Fehler eingeschlichen hätten, wenn der Übersetzer ausreichend Zeit gehabt hätte, liegt nahe; vor allem in Anbetracht der Masse an Tolkien-Übersetzungen, die er schon vorher getätigt hatte und die mit Wohlwollen aufgenommen wurden. Möglicherweise hätte der Übersetzer eine Übersetzung erstellen können, die auch die eingefleischten Fans überzeugt, doch da die Intention der Modernisierung wohl die gleiche geblieben wäre, ist auch das fraglich.

6.4.10. Ohne Begründung In dieser letzten Analysekategorie werden nun noch all jene Antworten genannt, die keine Begründung für die Favorisierung der einen oder der anderen Übersetzung enthalten. Wo die Gründe für diese Enthaltung der Meinung liegen kann nur gemutmaßt werden. Vermutlich hatten die ProbandInnen entweder nicht die Zeit oder die Lust, eine Antwort zu formulieren oder aber sie haben sich bisher nicht genug Gedanken darüber gemacht, weshalb sie eine der beiden Übersetzungen bevorzugen. Die TeilnehmerInnen 9, 10, 11, 27, 29, 40, 47, 52, 58, 67, 68 und 73 gaben keine Begründung an. Lediglich eine dieser 12 Antworten stammt von einer Person, die die Krege-Übersetzung bevorzugt. Die einzige Antwort, die sich hier von den anderen unterscheidet ist Nummer 73: Hier wurde statt überhaupt keinem Text der Buchstabe „C“ eingefügt. Dies liegt vermutlich daran, dass der/die ProbandIn die Umfrage abschließen wollte ohne eine tatsächliche Antwort zu geben.

6.5. Fazit Allein die Tatsache, dass für die Analyse zehn Kategorien nötig waren, um alle Antworten zuordnen zu können, weist auf eine sehr vielfältige Fangemeinschaft hin. Viele Menschen haben viele verschiedene Blickwinkel auf eine Sache und durch die durchgeführte Umfrage wurden zumindest einige dieser Ansichten aufgezeigt. Die Forschungsfrage konnte mit Hilfe der Umfrage aber trotz der so unterschiedlichen Ansichten eindeutig beantwortet werden: Die Fangemeinschaft bevorzugt die Übersetzung des Herrn der Ringe von Margaret Carroux.

- 97 - Bevor nun aber die jeweiligen Ergebnisse der zehn Analysekategorien noch einmal zusammengefasst werden, wird in einem Diagramm veranschaulicht, wie sich die insgesamt 202 markierten Aussagen der 81 ProbandInnnen auf die zehn Gruppen aufteilen.

Gefundene Argumente Sonstige; 17; 8% Sprachgebrauch; Genrekonventionen; 59; 29% 14; 7% Ausreißer; 5; 3%

Gewohnheit; Gesamtstimmung; 14; 7% 24; 12% Abstimung mit Tolkien; 6; 3% Werk- und Stiltreue; 41; 20% Ohne Begründung; Lesbarkeit; 12; 6% 10; 5%

Abbildung 2: Aufteilung der Elemente auf die verschiedenen Kategorien

Die am häufigsten genannte Kategorie ist mit 29 % jene des Sprachgebrauchs. Den LeserInnen ist es wichtig, dass die Sprache, die im Herrn der Ringe auch zur Stimmung des Buches, zu - 98 - Tolkiens Stil und zu den Genrekonventionen passt. Die verwendeten Ausdrücke müssen im Kontext stimmig sein und Wortgewandtheit ist ihnen bei der Übersetzung ebenso wichtig wie eine ästhetische Ausdrucksweise. 20 % der gefundenen Argumente beziehen sich auf die Werk- und Stiltreue. Die Fans wollen Tolkien lesen und sind nicht damit einverstanden, wenn sich der/die ÜbersetzerIn zu viele Freiheiten herausnimmt und den Text durch Anpassungen verändert. Auf dem dritten Platz findet sich mit 12 % der Nennungen die Kategorie der Gesamtstimmung. Diese ist mit den ersten beiden Kategorien eng verbunden und entspricht ebenfalls dem Wunsch der LeserInnen, die Atmosphäre im Herrn der Ringe zu spüren, in Mittelerde einzutauchen und ein stimmiges Gesamtbild von der Geschichte zu bekommen, das in sich logisch ist. Die Stimmung, die ein Buch beim Lesen erzeugt, ist für sie ein wichtiger Faktor und sie wollen genau die Stimmung erleben, die Tolkien vermitteln wollte. Die nächste Kategorie ist mit 8 % der Nennungen Sonstige. Hier wurden viele Aspekte angesprochen, die zumindest einigen wenigen ProbandInnen ein Anliegen waren: die Herausarbeitung der Sprachstile bei Krege, die Übersetzung der Lieder, die Historik des Herrn der Ringe, die Berechtigung beider Übersetzungen, die Bevorzugung des Originals, die Werkpflege von Seiten des Verlags, die Sichtbarkeit des/der ÜbersetzerIn, der Ruf nach einer neuen Übersetzung und die Antwort „Besser“. Diese Argumente sind alle sehr unterschiedlich und wenig offensichtlich. Sie sind teilweise sehr subjektiv und wurden wohl deshalb nur selten genannt. Jeweils 7 % der gefundenen Elemente beziehen sich auf die Genrekonventionen und die Gewohnheit. Den LeserInnen ist es ein Anliegen, dass die Genrekonventionen auch bei einer Übersetzung respektiert werden und dass der/die ÜbersetzerIn keine Normbrüche einführt, die im Original nicht vorhanden sind. Dass der Aspekt der Gewohnheit so oft genannt wurde, deutet auf ein hohes Maß an Selbstreflexion bei den LeserInnen hin. Bei immerhin 12 der Antworten wurde keine Begründung für die Wahl angegeben. Das entspricht immerhin 6 % der gefundenen Argumente. Auf die Kategorie der Lesbarkeit entfallen 5 % der Antworten, die vorwiegend von ProbandInnen stammen, die die Übersetzung von Wolfgang Krege bevorzugen. Wie bereits bei der Analyse besprochen ist dies keine Überraschung, da er die Sprache deutlich an unsere heutige angepasst hat. Vermutlich handelt es sich hier um eher jüngere LeserInnen, denen die altertümlichere Sprache Carroux’ fremder ist und für die Kreges Ausdruck leichter verständlich

- 99 - ist. Dies deckt sich auch mit der in Kapitel 3.3.2 diskutierten Aussage, dass Neuübersetzungen in der Regel leichter lesbar sind als ihre Vorgängerübersetzungen. Die letzten beiden Kategorien, nämlich die Abstimmung mit Tolkien und die Ausreißer, kommen jeweils bei 3 % der Aussagen vor. Für die ProbandInnen, die erstere angesprochen haben, ist es sehr wichtig, dass Tolkien an der von Carroux durchgeführten Übersetzung mitgearbeitet hat und sie hat somit eine besondere Stellung inne. Diese Autorität der älteren Übersetzung gegenüber der Neuübersetzung wurde auch von einem/r ProbandIn eingeräumt, der/die die Neuübersetzung eigentlich bevorzugt. In die letzte Gruppe, nämlich die Ausreißer, wurden die Antworten eingeordnet, die dem Grundtenor der anderen widersprechen: dass beide Übersetzungen schlecht sind; dass Krege am Wort klebt; dass Krege seine Versprechen bezüglich der Übersetzung nicht halten konnte; dass beide Übersetzungen ihre Zeit und ihre Berechtigung haben; sowie jene Antwort, bei der vermutlich die beiden Versionen verwechselt wurden. Werden all die vorgebrachten Argumente rekapituliert, so kristallisiert sich heraus, dass der deutschsprachigen Fangemeinschaft bei Tolkien vor allem eines wichtig ist: Sie wollen den Herrn der Ringe so lesen, wie Tolkien ihn geschrieben hat. Sie wollen nicht, dass sein Stil verändert wird, und sie wollen auch nicht, dass die Atmosphäre des Buches in einer Übersetzung eine andere ist als im Original. Sie wollen Tolkiens Handschrift auch in der Übersetzung erkennen und es ist ihnen wichtig, dass nicht nur die Sprache des Buches schön und stimmig ist, sondern auch, dass die Geschichte mit dem Setting und dem Genre harmoniert. All diese Punkte treffen bei der Übersetzung Margaret Carroux’ zu, was vor allem beim Vergleich mit der Neuübersetzung von Wolfgang Krege deutlich wird. Sie hat also die Anforderungen, die der Großteil der Fangemeinschaft an eine deutsche Version des Herrn der Ringe stellt, mit ihrer Übertragung erfüllt, weshalb ihre Übersetzung auch die bevorzugte ist. Interessant ist, dass dieses Ergebnis der in Kapitel 3.3 vorgestellten These Bermans widerspricht, die ja besagt, dass Neuübersetzungen immer besser und näher am Original sind und somit leichter von der Fangemeinde akzeptiert werden. Bestätigt wird dagegen die im selben Kapitel erwähnte Aussage Pöckls, laut der insbesondere moderne Übersetzungen oft starker Kritik ausgesetzt sind und schnell wieder aus der Mode kommen.

- 100 - 7. Zusammenfassung und Ausblick

Diese Masterarbeit hat untersucht, ob die Fangemeinschaft von J.R.R. Tolkien und insbesondere seinem Werk Der Herr der Ringe eine der beiden deutschen Übersetzungen des Buchs bevorzugt. Um dies herauszufinden und auch wo die Gründe für eine Favorisierung liegen, wurde online eine Umfrage durchgeführt. Diese Umfrage wurde mit reger Teilnahme belohnt, wodurch sich zeigt, dass die Fangemeinschaft nicht nur an der Lektüre von Tolkiens Werken interessiert ist, sondern sehr oft auch Interesse an der dazu durchgeführten Wissenschaft hat. Dies ist bereits ein wichtiger Aspekt in der Charakterisierung der Fangemeinde, die über das bloße „Ich mag die Geschichten dieses/dieser Autors/Autorin“ hinausgeht. Offensichtlich sind zumindest für einen Teil der Fans J.R.R. Tolkien und sein Lebenswerk sehr viel wichtiger, als dies in der Regel der Fall ist. Im Allgemeinen hat die Umfrage gezeigt, dass der Großteil der befragten Personen mit dem Angebot der Übersetzungen des Herrn der Ringe auf Deutsch zufrieden ist. Sie bevorzugen die Übersetzung von Margaret Carroux, vor allem weil sie ein höheres Maß an Werk- und Stiltreue aufweist und Tolkiens Buch weitgehend unverfälscht wiedergibt. Auch die Sprache, die Carroux verwendet, sagt den meisten LeserInnen mehr zu, weil sie archaischer ist und so besser in das Genre passt. Die Welt von Mittelerde wird somit authentischer dargestellt und wirkt realer als bei Krege. Hinzu kommen noch einige weitere Gründe, bei deren Betrachtung das eindeutige Ergebnis der Umfrage noch nachvollziehbarer wird, die aber nur von vergleichsweise wenigen der ProbandInnen angesprochen wurden. Die Untersuchung konnte Licht auf sehr viele Aspekte werfen, die der Fangemeinschaft wichtig sind, doch warf sie auch viele Fragen auf. Wird der Fokus auf die translationswissenschaftlichen Aspekte gelegt, so beziehen sich diese vor allem auf die Thematik der Neuübersetzungen: Die Gültigkeit von Bermans Retranslation Hypothesis wird durch die Ergebnisse noch weiter in Frage gestellt. Hängt dieser Widerspruch mit dem Genre zusammen, so wie es laut Isabelle Desmidt auch bei der Kinderliteratur ist (siehe Kapitel 3.3.1)? Welche Rolle spielt der Skopos der ÜbersetzerInnen bei dieser Frage? Nachweislich hatte Krege völlig andere Intentionen mit seiner Übersetzung als Carroux, wie korreliert diese Tatsache mit den Theorien zur Neuübersetzung? Haben vielleicht auch die verschiedenen Sprachen beziehungsweise die Kulturräume einen Einfluss? Sehr schnell tauchen hier viele Fragen auf, die sich in die verschiedensten Richtungen bewegen. Die Antworten auf diese müssen in erster Linie aus der Translationswissenschaft kommen.

- 101 - Doch auch wenn der Fokus in eine andere Richtung geht und die RezipientInnen wieder in den Vordergrund rücken, drängen sich unzählige Fragen auf. Dies liegt vor allem daran, dass leider wichtige Daten nicht erhoben wurden, weil die Umfrage ursprünglich zu einem anderen Zweck durchgeführt wurde. Informationen über das Alter der ProbandInnen sowie darüber, wann sie welche Übersetzung gelesen haben oder auch das Geschlecht hätten eine tiefgreifendere Analyse der Fangemeinschaft ermöglicht. Spannend wäre es auch zu erfahren, welchen Einfluss Peter Jacksons Verfilmung des Herrn der Ringe auf die Beliebtheit des Werks an sich sowie auf die Bevorzugung der Carroux-Übersetzung hat. Klar ist, dass sich durch die Filmtrilogie das Publikum stark vermehrt hat und dass der Stoff des Werks durch sie sehr viel mehr Menschen nähergebracht wurde, die die Bücher andernfalls niemals gelesen hätten. Da für die deutsche Synchronisierung der Filme die Übersetzung von Margaret Carroux zur Orientierung herangezogen wurde, hat dies vermutlich einen wichtigen Einfluss. Außerdem werfen einige der Antworten noch weitere Fragen auf, die durch eine weitere Umfrage mit gezielten Fragestellungen beantwortet werden könnten, um so die Fanlandschaft noch detaillierter darzustellen: So wäre es interessant herauszufinden, wie viele ProbandInnen über die Abstimmung Margaret Carroux’ mit Tolkien Bescheid wissen und ob es ihre Ansichten über die beiden Übersetzungen verändert, wenn sie davon erfahren. Eine andere spannende Frage wäre, was für die LeserInnen den Herrn der Ringe ausmacht, was für sie das Buch so besonders macht und wie wichtig es in ihrem Leben ist. Die Antworten implizieren, dass sich die meisten LeserInnen sehr intensiv mit der Thematik auseinandersetzen und sich auch viele der anderen Werke Tolkiens zu Mittelerde zu Gemüte führen. Auch liefern einige der Antworten der Kategorie „Sonstige“ Impulse, die einer weiteren Untersuchung wert wären: Jene Antworten etwa, die sich auf die verschiedenen Sprachstile der Charaktere bei Tolkien beziehen, werfen die Frage auf, ob den LeserInnen diese unterschiedlichen Sprachebenen auf Deutsch überhaupt bewusst sind und ob es ihnen im Sinne der Werktreue wichtig wäre, dass diese auch bei der Carroux-Übersetzung besser herausgearbeitet werden. Es zeigt sich also, dass die Forschungsfrage durch die Umfrage eindeutig beantwortet werden konnte, dass aber durchaus noch viele Fragen gestellt werden können, um die Fangemeinschaft noch detaillierter zu skizzieren und auch die Translationswissenschaft in ihrer Suche nach Thesen der allgemeinen Gültigkeit zu unterstützen. Aufgrund der starken Verbindung zur Soziologie wäre hier eine interdisziplinäre Zusammenarbeit wünschenswert,

- 102 - in der den soziologischen Aspekten dieser Forschung ebenso viel Aufmerksamkeit geschenkt wird wie jenen der Translationswissenschaft.

- 103 - Bibliographie

Primärliteratur Tolkien, John Ronald Reuel (122002) Der Herr der Ringe. Band 1. Die Gefährten. Übers. a. d. Englischen von Wolfgang Krege. Stuttgart: J.G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH.

Tolkien, John Ronald Reuel (122002) Der Herr der Ringe. Band 2. Die zwei Türme. Übers. a. d. Englischen von Wolfgang Krege. Stuttgart: J.G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH.

Tolkien, John Ronald Reuel (122002) Der Herr der Ringe. Band 3. Die Wiederkehr des Königs. Übers. a. d. Englischen von Wolfgang Krege. Stuttgart: J.G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH.

Tolkien, John Ronald Reuel (2004) The Lord of the Rings. London: HarperCollins Publishers.

Tolkien, John Ronald Reuel (72015) Der Herr der Ringe. Übers. a. d. Englischen von Margaret Carroux. Stuttgart: J.G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH.

Sekundärliteratur Agøy, Nils Ivar (22011) „A Question of Style. On Translation The Silmarillion into Norwegian“, in: Honegger, Thomas (ed.) Tolkien in Translation. Zürich/Jena: Walking Tree Publishers (Cormarë Series 4), 31-44.

Alberto, Maria (2016) „ ‚The effort to translate‘: Fan Film Culture and the Works of J.R.R. Tolkien“, in: Journal of Tolkien Research 3:3, in: http://scholar.valpo.edu/journaloftolkienresearch/vol3/iss3/2/ [17.10.3017].

Alvstad, Cecilia/Assis Rosa, Alexandra (2015) „Voice in Retranslation“, in: Target 27:1, 3-24.

Ardapedia [o.J.a] [letztes Update am 2.11.2014] „Margaret Carroux“, in: http://ardapedia.herr-der-ringe-film.de/index.php/Margaret_Carroux [17.10.2017].

Ardapedia [o.J.b] [letztes Update am 28.4.2017] „Wolfgang Krege“, in: http://ardapedia.herr- der-ringe-film.de/index.php/Krege [17.10.2017].

- 104 - Ardapedia [o.J.c] [letztes Update am 5.8.2015] „Fantasy“, in: http://ardapedia.herr-der-ringe- film.de/index.php/Fantasy [17.10.2017].

Bassham, Gregory/Bronson, Eric (2009) „Vorwort – Die Weisheit von Mittelerde“, in: Bassham, Gregory/Bronson, Eric (eds.) Der Herr der Ringe und die Philosophie. Klüger werden mit dem beliebtesten Buch der Welt. Übers. a. d. Amerikanischen von Susanne Held. Stuttgart: J.G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, 9-12.

Berman, Antoine (1990) „La retraduction comme espace de la traduction“, in: Palimpsestes 1990:4, 1-7.

Brems, Elke/Ramos Pinto, Sara „Reception and Translation“, in: Gambier, Yves/Van Dorslaer (eds.) Handbook of Translation Studies. Volume 4. Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins Publishing Co, 142-147.

Carpenter, Humphrey (ed.) (32003) Briefe. Übers. a. d. Englischen von Wolfgang Krege. Stuttgart: J.G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH.

Desmidt, Isabelle (2009) „(Re)translaiton revisited“, in: Meta 54:4, 669-683.

Doughan, David [o.J.] „J.R.R. Tolkien: A Biographical Sketch“, in: https://www.tolkiensociety.org/author/biography/ [17.10.2017].

Drabble, Margaret (ed.) (62006) The Oxford Companion to English Literature. Sixth Edition. Revised. New York: Oxford University Press.

Ferré, Vincent/Lauzon, Daniel/Riggs, David (22011) „Traduire Tolkien en Français: On the Translation of J.R.R. Tolkien’s Workinto French and their Reception in France“, in: Honegger, Thomas (ed.) Tolkien in Translation. Zürich/Jena: Walking Tree Publishers (Cormarë Series 4), 45-67.

Flowers, Michael [o.J.] „Timeline“, in: https://www.tolkiensociety.org/author/timeline/ [17.10.2017].

Foster, Robert (42012) Das große Mittelerde Lexikon. Ein alphabetischer Führer zur Fantasy- Welt von J.R.R. Tolkien. Übers. a. d. Amerikanischen von Helmut W. Pesch. Köln: Bastei Lübbe GmbH & Co. KG.

- 105 - Frank, Armin Paul (1988) „Rückblick und Ausblick“, in: Kittel, Harald (ed.) Die literarische Übersetzung. Stand und Perspektiven ihrer Erforschung. : Erich Schmidt Verlag GmbH & Co (Göttinger Beiträge zur internationalen Übersetzungsforschung Band 2), 180-206.

Frank, Armin Paul (2004) „Geisteswissenschaftliches Zusammenarbeiten – Internationalität nationaler Literatur“, in: Frank, Armin Paul/Turk, Horst (eds.) Die literarische Übersetzung in Deutschland. Studien zu ihrer Kulturgeschichte in der Neuzeit. Berlin: Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. (Göttinger Beiträge zur Internationalen Übersetzungsfroschung Band 18), 347-355.

Früh, Werner (82015) Inhaltsanalyse. Theorie und Praxis. Konstanz/München: UVK Verlagsgesellschaft mbH.

Höbel, Susanne (2015) „Neuübersetzung“, in: Harlaß, Katrin (ed.) Handbuch Literarisches Übersetzen. Berlin: BDÜ Weiterbildungs- und Fachverlagsgesellschaft mbH, 91-98.

Honegger, Thomas (22011) „The Westron Turned into Modern English: The Translator and Tolkien’s Web of Languages”, in: Honegger, Thomas (ed.) Translating Tolkien: Text and Film. Zürich/Jena: Walking Tree Publishers (Cormarë Series 6), 1-18.

Hooker, Mark T. (22011) „Nine Russian Translations of The Lord of the Rings“, in: Honegger, Thomas (ed.) Tolkien in Translation. Zürich/Jena: Walking Tree Publishers (Cormarë Series 4), 119-152.

Hug, Theo/Poscheschnik, Gerald (eds.) (2010) Empirisch Forschen. Die Planung und Umsetzung von Projekten im Studium. Wien: Verlag Huter & Roth KG.

Joachimsthaler, Jürgen (2014) „Wie übersetzt man sich aufeinander zu, wie voneinander hinweg? Zur Formung interkultureller Differenz durch den Vorgang des Übersetzens“, in: Pasewalck, Silke/Neidlinger, Dieter/Loogus, Terje (eds.) Interkulturalität und (literarisches) Übersetze. Tübingen: Stauffenburg Verlag Brigitte Narr GmbH (Stauffenburg Discussion – Studien zur Inter- und Multikultur/Studies in Inter- and Multiculture Band 32), 69-88.

- 106 - Jones, Francis R. (2010) „Poetry translation“, in: Gambier, Yves/Van Doorslaer, Luc (eds.) Handbook of Translation Studies. Volume 2. Amsterdam/Philalphia: John Benjamins Publishing Company, 117-122.

Klett-Cotta-Verlag [o.J.] „60-jähriges Jubiläum von J.R.R. Tolkiens ‚Der Herr der Ringe’“, in: https://www.klett-cotta.de/nachricht/60- jaehriges_Jubilaeum_von_J.R.R._Tolkiens_%C2%BBDer_Herr_der_Ringe%C2%AB/515 13 [17.10.2017].

Koskinen, Kaisa/Paloposki, Outi (2015) „Anxiety of Influence: The Voice of the First Translator in Retranslation“, in: Target 27:1, in: https://www.academia.edu/12825678/_2015_Koskinen_and_Paloposki_Anxieties_of _Influence_The_Voice_of_the_First_Translator_in_Retranslation_pre-print_ [17.10.2017].

Krege, Wolfgang (1999) „Zur neuen Übersetzung“, in: Tolkien, John Ronald Reuel (122002) Der Herr der Ringe. Band 3. Die Wiederkehr des Königs. Übers. a. d. Englischen von Wolfgang Krege. Stuttgart: J.G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, 379-380.

Kuepper, Karl J. (1977) „Literary Translation and the Problem of Equivalency“, in: Meta 22:4, 243-251.

Lamnek, Siegfried (52010) Qualitative Sozialforschung. Weinheim/Basel: Beltz Verlag.

Landschützer, Michaela (2003) Tolkiens Mythen – Der Kampf zwischen Gut und Böse. J.R.R. Tolkiens Fantasy-Roman „Der Herr der Ringe, Die Gefährten“, zwei deutsche Übersetzungen im Vergleich. Karl-Franzens-Universität Graz: Diplomarbeit.

Lexikonredaktion des Verlags F.A. Brockhaus (ed.) (32007) Der Brockhaus Literatur. Schrifsteller, Werke, Epochen, Sachbegriffe. Leipzig/Mannheim: F.A. Brockhaus GmbH.

Link, Hannelore (21980) Rezeptionsforschung. Eine Einführung in Methoden und Probleme. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz: Verlag W. Kohlhammer GmbH (Urban Taschenbücher Band 215, Reihe).

Mayring, Philipp (112010) Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim/Basel: Beltz Verlag.

- 107 - Mikos, Lothar/Eichner, Susanne/Prommer, Elisabeth/Wedel, Michael (2007) Die „Herr der Ringe“-Trilogie. Attraktion und Faszination eines populärkulturellen Phänomens. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH.

Nagel, Rainer (22011a) „ ‚The New Wants to Assimilate the Alien‘ – Different Interpretations of a Source Text as a Reason for Controversy: The ‚Old‘ and the ‚New‘ German Translation of The Lord of the Rings”, in: Honegger, Thomas (ed.) Translating Tolkien: Text and Film. Zürich/Jena: Walking Tree Publishers (Cormarë Series 6), 19-48.

Nagel, Rainer (22011b) „The Treatment of Proper Names in the German Edition(s) of The Lord of the Rings as an Example of Norms in Translation Practice“, in: Honegger, Thomas (ed.) Translating Tolkien: Text and Film. Zürich/Jena: Walking Tree Publishers (Cormarë Series 6), 89-108.

Nathan, John (2005) „Conveying the Author’s Voice: Translating Style“, in: Translation Studies Journal, 1:1, 29-38.

Nord, Christiane (2003) „Proper Names in Translation for Children: Alice in Wonderland as a Case in Point“, in: Meta, 48:1-2, in: https://www.erudit.org/fr/revues/meta/2003-v48- n1-2-meta550/006966ar.pdf [17.10.2017].

Orbach, Danny (22011) „The Israeli Translation Controversy – What About and Where To?“, in: Honegger, Thomas (ed.) Translating Tolkien: Text and Film. Zürich/Jena: Walking Tree Publishers (Cormarë Series 6), 49-63.

Paloposki, Outi/Koskinen, Kaisa (2004) „A Thousand and One Translations“, in: Hansen, Gyde/Malmkjær Kirsten/Gile, Daniel (eds.) Claims, Changes and Challenges in Translation Studies. Selected Contributions from the EST Congress, Copenhagen 2001. Amsterdam/Phildadelphia: John Benjamins Publishing Company (Benjamins Translation Library 50), 27-38.

Pesch, Helmut W. (1982) Fantasy. Theorie und Geschichte einer literarischen Gattung. Universität zu Köln: Inaugural-Dissertation.

Pöckl, Wolfgang (2010) „Neuübersetzung: Zwischen Zufall und Notwendigkeit“, in: Bachleitner, Norbert/Wolf, Michaela (eds.) Streifzüge im translatorischen Feld. Zur

- 108 - Soziologie der literarischen Übersetzung im deutschsprachigen Raum. Wien: Lit Verlag (Repräsentation – Transformation 5), 317-330.

Sánchez, María T. (2009) The Problems of Literary Translation. A Study of the Theory and Practice of Translation from English into Spanish. Bern: Peter Lang AG (Hispanic Studies: Culture and Ideas Band 18).

Schmid, Sonja (2014) Im Netz der Filmgenres. „The Lord of the Rings“ und die Geschichtsschreibung des Fantasygenres. Marburg: Tectum Verlag (Wissenschaftliche Beiträge aus dem Textum Verlag: Reihe Medienwissenschaften, Band 27).

Smith, Arden R. (22011) „The Treatment of Names in Esperanto Translation of Tolkien’s Works“, in: : Honegger, Thomas (ed.) Tolkien in Translation. Zürich/Jena: Walking Tree Publishers (Cormarë Series 4), 91-118.

Stolze, Radegundis (32001) Übersetzungstheorien. Eine Einführung. Tübingen: Gunter Narr Verlag (Narr Studienbücher).

Timmerman, John H. (1983) Other Worlds: The Fantasy Genre. Bowling Green: Bowling Green University Popular Press.

Turner, Allen (2005) Translating Tolkien. Philological Elements in The Lord of the Rings. Frankfurt am Main: Peter Lang GmbH (Duisburger Arbeiten zur Sprach- und Kulturwissenschaft/Duisburg Papers on Research in Language and Culture Band 59).

Van Poucke, Piet (2017) „Aging as a Motive for Literary Retranslation“, in: Translation and Interpreting Studies 12:1, 91-115.

Vaxelaire, Jean Louis (2006) „Pistes pour une nouvelle approche de la traduction automatique des noms propres“, in: Meta 51:4, 719-738.

Warning, Rainer (41994) „Rezeptionsästhetik als literaturwissenschaftliches Paradigma“, in: Warning, Rainer (ed.) Rezeptionsästhetik: Theorie und Praxis. München: Wilhelm Fink Verlag GmbH & Co. KG (UTB für Wissenschaft: Uni-Taschenbücher 303).

Wright, Chantal (2016) Literary Translation. New York/Oxon: Routledge (Routledge Translation Guides).

- 109 - Weitere Quellen Facebook Fanseite Deutsche Tolkien Gesellschaft: https://www.facebook.com/GermanTolkSoc/?ref=br_rs

Facebook Fanseite Österreichische Tolkiengesellschaft: https://www.facebook.com/AustrianTolkienSociety/

Facebook Fanseite The Tolkien Society: https://www.facebook.com/TheTolkienSociety/?ref=br_rs

Facebook-Gruppenseite Deutsche Tolkien Gesellschaft: https://www.facebook.com/groups/142580909149945/

Facebook-Gruppenseite Österreichische Tolkiengesellschaft: https://www.facebook.com/groups/AustrianTolkienSociety/

Facebook-Gruppenseite The Tolkien Society: https://www.facebook.com/groups/TheTolkienSociety.EducationalCharity/

Offizielle Facebook-Seite von J.R.R. Tolkien: https://www.facebook.com/officialtolkien/

Offizielle Webseite der Deutsche Tolkien Gesellschaft e. V.: https://www.tolkiengesellschaft.de/

Offizielle Webseite der Österreichischen Tolkiengesellschaft: http://www.tolkiengesellschaft.at/

Offizielle Webseite der Tolkien Society: https://www.tolkiensociety.org/

- 110 - Anhänge

Karte von Mittelerde

- 111 - Umfrageergebnisse Für die Analyse sind die Argumente der Antworten hervorgehoben. In Klammer wird nach jeder Markierung ein Buchstabe von a bis j eingefügt, wobei jeder für eine der 10 Analysekategorien steht. Bezieht sich eine Antwort auf beide Übersetzungen (etwa in einer Gegenüberstellung) wird jener Aussage, die negativ für eine der beiden Übersetzungen ist, mit einem vorangestellten - gekennzeichnet. Die Hervorhebung der Argumente durch Unterstreichen wurde von mir vorgenommen, in den originalen Antworten gibt es keine Hervorhebungen und etwaige Rechtschreib- oder Interpunktionsfehler stammen von den VerfasserInnen. Die Buchstaben zur Einteilung in die Kategorien sind zur besseren Übersicht fett gedruckt. a = Abstimmung mit Tolkien f = Genrekonventionen b = Gewohnheit g = Sprachgebrauch c = Lesbarkeit h = Ausreißer d = Werk- und Stiltreue i = Sonstige e = Gesamtstimmung j = Ohne Begründung

1. Welche der beiden Übersetzungen von 2. Weshalb bevorzugen Sie die Übersetzung von J.R.R. Tolkiens Werk Carroux/Krege? "Der Herr der Ringe" bevorzugen Sie? 1 Ich bevorzuge die Werktreue (d) Übersetzung von Margaret Carroux 2 Ich bevorzuge die Einfacher zu lesen (c) Übersetzung von Wolfgang Krege 3 Ich bevorzuge die Näher am Original ;) (d) Übersetzung von Margaret Carroux 4 Ich bevorzuge die Die Übersetzung von Carroux schafft es meiner Meinung Übersetzung von nach recht gut die Stimmung der absichtlich ein wenig Margaret Carroux altertümelnd wirkenden Sprache, die Tolkien im englischen Orginal verwendet, zu übersetzen und ins Deutsche zu transportieren. (d) Sie ist daher eine stilistisch für mich sehr gute Übersetzung, die dadurch auch relativ zeitlos ist. Die Übersetzung von Krege hat leider keinerlei Sinn für solche sprachlichen Nuancen und wirkt auf mich wie eine recht - 112 - plumpe Übersetzung, die mit einer scheinbar zu ihrer Zeit modern wirkenden sprachlichen, jedoch sehr vergänglichen, Variante versucht, irgendetwas zu erzeugen was vorhersehbar schon nach wenigen Jahren wieder überholt sein würde und somit weder modern wirkt, noch versucht den Stil des Originals einzufangen. (-d/-g) 5 Ich bevorzuge die Mehr Charme. Spiegelt Tolkiens Original und Intention. (d) Übersetzung von Die archaische Welt wird dadurch intensiver dargestellt. Margaret Carroux (e/f) 6 Ich bevorzuge die Krege: Carroux übersetzte sehr 'originalgerecht', si blieb Übersetzung von sprachlich sehr nah an Tolkiens Text und dadurch wirkt er Wolfgang Krege etwas schwer. (-d/-c) Krege übersetzte sinngemäß wodurch der Text - für mich jedenfalls (habe beide Übersetzungen im Alter von 15-17 Jahren gelesen und bin jetzt 29) - leichter zu lesen war, flüssiger. (c) 7 Ich bevorzuge die Carroux bleibt meiner Meinung nach enger am Original, ihre Übersetzung von Übersetzung klingt weitaus mehr nach Tolkien als Kreges Margaret Carroux Übersetzung. (d) Krege hat scheinbar versucht die Sprache moderner klingen zu lassen, was aber bei Herr der Ringe einfach nicht funktioniert und eher albern klingt. (-g) 8 Ich bevorzuge die Ich mag tatsächlich beide Überstzungen. Jede hat ihre Zeit, Übersetzung von ihre Zielgruppe und ihre Berechtigung und ich finde es gut, Margaret Carroux dass es zwei unterschiedliche Versionen gibt. (h/i) Wenn ich mich persönlich entscheiden müsste, würde ich eher zu Carroux tendieren, da sie eine "ältere" Sprache vermittelt, die meiner Meinung nach etwas näher an die Atmosphäre im Original herankommt. (e/g) Was unterbewusst sicher auch eine Rolle spielt, ist das Wissen, dass Carroux mit Tolkien selbst im Austausch stand und seine Vorschläge (z.B. Elben statt Elfen) aufgenommen hat. (a) 9 Ich bevorzuge die (j) Übersetzung von Margaret Carroux 10 Ich bevorzuge die (j) Übersetzung von Margaret Carroux 11 Ich bevorzuge die (j) Übersetzung von Margaret Carroux 12 Ich bevorzuge die Ich bin zwar was Übersetzungen anbelangt sehr "kulant" und Übersetzung von eher "modern" eingestellt, aber die "Krege"-Übersetzung Margaret Carroux versucht den Roman zusehr ins "Moderne" zu übertragen, z.B. wird traditionell in der Fantasy das Wort "Meister" und nicht wie in der Krege Übersetzung "Chef" verwendet. (-d/-f) Zwar ist eine reine "mittelalterliche" Sprache auch furchtbar, aber "Krege" hat hier auf der anderen Seite zu sehr "modernisiert"

- 113 - 13 Ich bevorzuge die Die Wortwahl ist stimmiger und passt mMn besser in die Übersetzung von Welt von Mittelerde. (d/g) Margaret Carroux 14 Ich bevorzuge die 1) Moderne/saloppe Ausdrücke der Krege-Übersetzung Übersetzung von schlagen sich teils mit dem Inhalt. (e/g) Margaret Carroux 2) Ich habe zuerst die Carroux-Übersetzung gelesen (b), was ehrlicher Weise sicher auch zu der Bevorzugung beiträgt. 15 Ich bevorzuge die Lese eigentlich ja am liebsten die englische Ausgabe (i), aber Übersetzung von wenn es dann auf Deutsch sein soll bevorzuge ich die Margaret Carroux Carroux ?Übersetzung. Mir gefällt der Stil der Übersetzung von Krege leider nicht sonderlich, zum Beispiel das ewige Chef von Sam. (-g) 16 Ich bevorzuge die In einem schöneren Deutsch (g) geschrieben. Es lässt sich Übersetzung von angenehmer und flüssiger lesen. (c) Margaret Carroux 17 Ich bevorzuge die Vertrautheit. (b) Den Hobbit kenne ich besser und da stören Übersetzung von einige Formulierungen mich sehr, die bei Walter Scherf Margaret Carroux eleganter sind. Beim HdR sind es dan die vertrauten Namen, zb der Hobbits, wo ich keine Änderung möchte. 18 Ich bevorzuge die Wegen der schöneren Leseweise (c) bevorzuge ich Carroux . Übersetzung von Margaret Carroux 19 Ich bevorzuge die Weil sie meiner Meinung nach dem Original von Tolkien viel Übersetzung von näher kommt (d) und darauf verzichtet Mittelerde einen Margaret Carroux pseuo-zeitgemäßen Anstrich zu verpassen. (-g) 20 Ich bevorzuge die Diese Übersetzung lässt einen mehr in Mittelerde Übersetzung von eintauchen, da sie altertümlicher wirkt. (e) Margaret Carroux Meiner Meinung nach ist die Sprache bildgewaltiger und mehr an das englische Original angelehnt (g/d), was ich befürworte. 21 Ich bevorzuge die wirkt sprachlich spassender (g) Übersetzung von Margaret Carroux 22 Ich bevorzuge die Es sind keine groben Tonschnitzer vorhanden (wie sie bei Übersetzung von Krege sattsam bekannt sind), die Lieder sind besser und die Margaret Carroux Wortstellung ganz allgemein eingängiger. (e/g) Krege versucht sich in deutlich unterscheidbaren Sprachstilen, die aber weniger authentisch wirken. (i) 23 Ich bevorzuge die Hier eine etwas ausführlichere Antwort von vor sechzehn Übersetzung von Jahren, die immer noch steht: Margaret Carroux ES GIBT MITTLERWEILE ZWEI ÜBERSETZUNGEN DES HDR – UND DIE WERDEN SEHR KONTROVERS GELESEN. HIER IST MEINE MEINUNG.

Dass ich ein begeisterter Freund des Herrn der Ringe bin, weiß, wer sich ein wenig auf meinen Seiten umgesehen hat.

- 114 - Meine Liebe begann Ende der siebziger Jahre mit der ersten Lektüre. Damals noch (und ca. 8-10mal danach immer wieder) in der deutschen Übersetzung von Margaret Carroux. Mittlerweile habe ich die Bücher natürlich auch im Original gelesen und finde, dass Frau Carroux einen sehr ordentlichen Job gemacht hat. J.R.R. Tolkien: Der Herr der Ringe. 3 Bände. Übersetzt von Margaret Carroux. Stutggart: Klett-Cotta 1986.

Sie bleibt eng an der Vorlage und es gelingt ihr, den Stil Tolkiens einzufangen und in die deutsche Sprache zu übertragen. (d/g) Vor allem aber gelingt es ihr, die Stimmung zu übersetzen, die Tolkien erzeugt. (e) Der Herr der Ringe lebt zu großen Teilen von der meisterhaft bildlichen Sprache, die das Beschriebene automatisch als Bilder vor dem geistigen Auge aufziehen lässt, wie es sonst in diesem Genre höchstens noch Mervyn Peake vermochte. Je höher aber die Qualität der Sprache, desto schwieriger ist die Übersetzung. Aus diesem Grund ist das Original der Translation ja auch immer vorzuziehen – nur wer spricht all die Sprachen, die man beherrschen müsste, um die ganze Fülle menschlicher Literatur erfassen zu können. Also müssen Übersetzungen sein – aber gute, bitte schön. Carroux hat diese Bitte erfüllt.

Dann brachte Klett-Cotta nach dreißig Jahren eine neue Übersetzung heraus. Übersetzer ist übrigens nicht irgend jemand Unbekanntes: Wolfgang Krege hat schon einiges zum Herrn der Ringe publiziert (bspw. das Handbuch der Weisen von Mittelerde) und er ist der Übersetzer des „Silmarillion“ – das er ähnlich textgetreu übertragen hat wie Margaret Carroux die Trilogie – und des „Hobbit“. Krege ist angetreten, um den Text „ein gewisses Eigenleben in den Spielräumen der deutschen Sprache gewinnen“ zu lassen hinsichtlich: „Farbe, Tempo, Kontrasten“ (Krege in der Tolkien Times vom August 2000).

J.R.R. Tolkien: Der Herr der Ringe. 3 Bände. Übersetzt von Wolfgang Krege. Stutggart: Klett-Cotta 2000.

Mir hat die alte Übersetzung ja gereicht – und wenn ich ab und zu Mails bekommen habe, in denen meine Meinung zu der neuen, „vielgescholtenen“ (so die Deutsche Tolkiengesellschaft) Fassung erfragt wurde, so musste ich gestehen, diese nicht zu kennen. Bis Anfang 2001 der Mentor-Verlag anrief und mich fragte, ob ich nicht ein Buch über den Herrn der Ringe schreiben wolle. Ich wollte! Darauf Mentor: Dann müssen sie aber auch die neue Übersetzung

- 115 - berücksichtigen. Traurig schaute mich meine alte, zerfledderte grüne Ausgabe vom Regal her an – aber was sollte ich machen? Also kam, sah und las ich – und war überrascht. Wer immer da gescholten haben mag – soviel gibt es nun inhaltlich doch nicht zu bemängeln. Und der Übersetzer hat ja klar gesagt, was er intendierte (s.o.). Das hat er von Ausrutschern abgesehen auch erreicht! Aber man gewinnt durch stärkeres Abnabeln von der Vorlage natürlich nicht nur Freiräume, es geht auch etwas verloren. (-d)

Ein vergleichendes Beispiel: Es ist bekannt, dass Tolkien ein Liebhaber der Natur und alles Lebendigen war. Einer der ergreifendsten Abschnitte der Trilogie beschreibt jedoch gerade die Schönheit des Unbelebten, des Steins und des unbearbeiteten Erzes: Beim Kampf um Helms Klamm wurde Gimli, der Zwerg in die Höhlen der Klamm abgedrängt und findet darin einen Platz unvergleichlicher Schönheit – unter anderem kleine Seen. Aus diesem Abschnitt ein Beispiel – ein Satz nur – aus einer der schönsten Passagen des Herrn der Ringe: „And plink! a silver drop falls, and the round wrinkles in the glass make all the towers bend and waver like weeds and corals in a grotto of the sea.“ Carroux übersetzt: „Und plink! ein silberner Tropfen fällt, und die runden Kringel auf dem Glas lassen alle Türme sich verbeugen, und wie Wasserpflanzen und Korallen in einer Meeresgrotte wogen sie.“ Krege übersetzt: „Und plink! fällt ein silberner Tropfen herab, und Kreise breiten sich über den Spiegel aus und lassen alle Türme sich verneigen und schwanken wie die Kräuter und Korallen in einer Meeresgrotte.“ Man sieht, dass Carroux sich eng an die Vorlage hält. Das ‚kostet‘ den Text ein wenig an Flüssigkeit (lassen alle Türme sich verbeugen; wogen sie). Aber im Original heißt es schließlich auch nicht „the towers are bend by the wrinkles“, sondern „make … bend“. Wolfgang Krege, der Übersetzer der neuen Ausgabe, schreibt in der Tolkien Times vom August 2000 dazu: „Die alte Fassung ist nachvollziehend, sie bildet den fremden Text in der eigenen Sprache getreu ab, wobei als unvermeidlich in Kauf genommen wird, dass der Ausdruck ein wenig blasser, das Tempo langsamer, der Stil gleichförmiger wird“. Der Text wird „Blasser“? – Unsinn! Aber sonst hat Krege recht. Die alte, ganz getreue Übersetzung mutet auch ältlich an und lässt sich nicht so ganz flüssig lesen (-c). Das gleiche Schicksal haben aber alle

- 116 - englischsprachigen Leserinnen und Leser auch – schließlich geht (hoffentlich) niemand hin und ‚tuned‘ das Original.

Und Krege? Ja, das liest sich flüssiger. (c) An manchen Stellen finde ich die Neuerungen auch ganz erfrischend, selbst wenn sie dem Original nicht genau entsprechen. (-d) So bezeichnet Bauer Maggot, den Nazgûl, der sich bei ihm nach Frodo erkundigt, im Original als „fellow“, was Carroux als „Bursche“ wiedergibt. Krege redet von „Kunde“ – das finde ich eigentlich besser, da die ambivalente Bedeutung des „fellow“ in einen moderneren Begriff gepackt wurde, der diese Ambivalenz trägt. Und in der Art gibt es einige schöne Kleinigkeiten. Ich denke es ist eine Geschmacksfrage. Beide Übersetzungen haben ihre Berechtigung. (i) Ich ziehe die alte vor weil sie näher am Original ist. (d) Die neue ist näher an unserer Zeit – und auch das ist größtenteils OK.

Die Modernisierungen wachsen sich aber dann zum Ärgernis aus, wenn es um die Interpretation wichtiger Vokabeln geht: Sam spricht Frodo immer mit „Master“ oder „Sir“an. Darin drückt sich sowohl das Verhältnis als Arbeitgeber aus (Sam ist ja Gehilfe des alten Ohm, der auf Beutelsend als Gärtner arbeitet) aber es drückt sich auch der Standesunterschied aus. Sam ist Arbeiterklasse und Frodo entspricht von seiner Stellung als relativ reicher und unabhängiger Privatier der Gentry (gentry laut Oxford Dictionary: „people of good social position next below the nobility“). Stärker als das Arbeitsverhältnis wird durch „Master“ und „Sir“ der Standesunterschied betont. Carroux drückt das mit „Herr“ vollkommen korrekt aus. Kreges „Chef“ entspricht einer Beschreibung des Arbeitsverhältnisses, das ist, was das englische Wort „Boss“ meinen würde – das steht bei Tolkien aber nicht und das meint er auch nicht. (-d) Dieser Fehler ist schon gravierend, da er einen ganz zentralen Punkt, das Verhältnis der wichtigsten Aktuere des HdR, Sam und Frodo, falsch wiedergibt.

Ich ziehe die alte Fassung aber auch vor, weil Krege bei aller Flüssigkeit dann auch hurtig richtige Sachfehler eingeflossen sind. (-d) Bei Carroux heißt es im Beispiel oben „Wasserpflanzen“, bei Krege „Kräuter“, Tolkien spricht von „weed“. „Weed“ als Vokabel für eine Pflanze steht für Unkraut – oder, als „sea-weed“ für Wasserpflanze. Und so ist die Kurzform bei Tolkien gemeint, denn die „Kräuter“ sollen sich ja in einer Meeresgrotte wiegen. Also ist es eine „Wasserpflanze“, und „Kräuter“ ist schlicht falsch, da „Kraut“ laut Brockhaus´ Lexikon Biologie, Band 1/A-Me auf Seite 477 als Landpflanze definiert ist. Das ist aber noch gar nichts

- 117 - gegen die Fehler, die ein Projektteam der Deutschen Tolkiengesellschaft entdeckte! Eine genaue Textanalyse zeigte hunderte kleinerer und größerer Fehler. Im Augenblick möchte ich darauf noch nicht näher eingehen, da die DTG zunächst fairerweise dem Verlag die Chance bieten möchte, die Fehler in der Übersetzung zu beheben. Solange echte Fehler allerdings zuhauf die neue Übersetzung bevölkern, kann man nicht zuraten, mit dieser Ausgabe zu arbeiten. Leider ist die Carroux-Fassung nur noch als Hardcover zu haben und die ist etwa dreimal so teuer wie die Taschenbuchausgabe:-(

Woher kommen die vielen Fehler?

Nun, ich denke, dass da Ende der Neunziger jemand bei Klett-Cotta mit leicht verschlafenem Blick auf die nahende Veröffentlichung der Verfilmung von Peter Jackson bemerkte, dass wenn man, denn nun Werkpflege tuen wollte, dies nun an der Zeit wäre. Also bekam Wolfgang Krege anscheinend einen Eilauftrag – Margaret Carroux war inzwischen verstorben – und musste nun mit heißer Nadel stricken. Dass da Fehler passieren ist klar. Dass man sich dies aber mit einem Werk erlaubt, das von seinen Freunden so akribisch gelesen wird wie der HdR ist unverständlich. Das konnte nicht gut gehen und dass dies so sein würde, hätte in Stuttgart eigentlich bekannt sein müssen. (i)

Frank Weinreich17, Bochum 2001 Falls Sie etwas zitieren möchten, hier die Quelle: http://polyoinos.de/deutsche-uebersetzung 24 Ich bevorzuge die Carroux ist meiner Meinung nach näher am Originaltext. (d) Übersetzung von Soweit ich weiß halt Tolkien ihr sogar bei der Übersetzung. Margaret Carroux (a) 25 Ich bevorzuge die Ich unterscheide ein wenig zwischen Kreges ursprünglicher Übersetzung von Übersetzung und der Ausgabe von 2012, durchgesehen von Margaret Carroux Lisa Kuppler und Stephan Askani.

Krege hat passende Formulierungen durch unpassende ersetzt. (b) Manche der Neuübersetzungen der Lieder und Gedichte sind viel weiter weg vom Original als es bei der alten Übersetzung der Fall war und weniger poetisch. (i) Das »Siezen« ist ebenso unsinnig wie Trendausdrücke wie »Dalli, dalli« und »futsch«. Und warum müssen aus den Truchsessen unbedingt Statthalter werden? (-b) Diese

17 Auch wenn hier die Identität des Probanden erkennbar ist, wird in der Arbeit davon abgesehen, diese zu nennen und hervorzuheben. Dies geschieht einerseits aus Gründen der Anonymität, andererseits um die Einheitlichkeit der gendergerechten Sprache in der Analyse und Diskussion der Antworten zu wahren und so etwaigen Verwirrungen vorzubeugen. - 118 - Modernisierung widerspricht Tolkiens eigenem Ansatz, der mehrfach, u. a. in seiner berühmten Vorlesung über Beowulf vor der Britischen Akademie 1936, begründete, warum eine altertümliche dichterische Vorgehensweisen sinnvoll und notwendig sei. (a)

In der Ausgabe von 2012 wurden manche Fehler beseitigt, »Master« wurde je nach Zusammenhang »Herr« oder »Meister« (statt Chef), Kattun wieder zu Hüttinger und das Clubzimmer zum Hinterstübchen, aber der Sprachduktus und das Siezen blieben. Insgesamt ist dies eine ganz ordentliche Übersetzung, trotzdem gilt Rainer Nagels Feststellung*, Krege greife zu oft mit seinen »Kontrastierungen« über die in der englischen Ausgabe Tolkiens »enthaltenen Vorgaben hinaus und missachten sie stellenweise« und kommt mit Thomas Gramlich zum Schluss**, »dass Krege im Spannungsfeld des Übersetzers als Informationsüberträger einerseits und Ko-Autor andererseits das Pendel zu sehr in die letztere Richtung hat ausschlagen lassen […] Bezüglich der möglichen Rolle des Übersetzers als Co-Autor ist Margaret Carroux weitaus weniger stark ›sichtbar‹ als Wolfgang Krege (d/i) …«; Nagel vermutet, Tolkien hätte »wohl den zwar schwerfälligeren (formäquivalenten) Ansatz von AÜ [Alte Übersetzung] dem zu übersetzertransparenten (aber funktionsäquivalenteren) Ansatz von NÜ [Neue Übersetzung] vorgezogen.« Mir geht es auf jeden Fall so, und wenn ich eine HdR-Ausgabe empfehle, dann immer die 2008 überarbeitete von Carroux.

*Rainer Nagel: »Verschiedene Interpretationen eines Textes als Grundlage von Übersetzungsstrategien«, in »Hither Shore« 1, »Tolkien und seine Deutungen«, 2005, S. 92 **Thomas Gramlich in »Magira. Jahrbuch zur Fantasy 2003« 26 Ich bevorzuge die Formulierungen sind oft altertümlicher und fühlen sich Übersetzung von damit passender an. (e/g) Margaret Carroux Zudem stößt bei Krege halt auf, dass seine Übersetzung nicht seinen Versprechungen entspricht. (h) 27 Ich bevorzuge die (j) Übersetzung von Margaret Carroux 28 Ich bevorzuge die Ich finde gerade das altertümliche der übersetzung besser Übersetzung von (g), frodo ist halt kein boss wie bei krege (-g) Margaret Carroux 29 Ich bevorzuge die (j) Übersetzung von Margaret Carroux 30 Ich bevorzuge die Hmmmm, ich finde carroux's "sprache" schöner, passender. Übersetzung von (g) - 119 - Margaret Carroux Ich habe erst krege gelesen da mir nicht bewußt war daß es 2 übersetzungen gibt. (b) Erst sls mein heutiger schwager, der alte netd, in die familie kam erfuhr ich von der anderen übersetzung. Viele bücherein abgeklappert bis ich sie enflich fand. Hat sich aber gelohnt. Ich fühlte mich mehr als teil der geschichte. (e) 31 Ich bevorzuge die Der gehobene Stil Carroux passt besser zur Stimmung des Übersetzung von Werkes. (e/g) Margaret Carroux Die teilweise neuzeitlich bis flapsigen Einlässe Kreges wirken im Kontext nicht stimmig. (-e/-g) 32 Ich bevorzuge die Mir persönlich ist die Carroux-Übersetzung zu altertümelnd- Übersetzung von schwerfällig. (-g) Das ist allerdings ein rein Wolfgang Krege geschmäcklerisches Urteil! Denn ohne Zweifel hat C.'s Übersetzung den Weg bereitet für alles, was danach gekommen ist. Und da sie sich in vielen Dingen mit Tolkien persönlich abgestimmt hat, hat ihre Arbeit auch für mich eine gewisse "Autorität". (a) Krege hatte das Pech, Tolkiens Meinung nicht mehr einholen zu können. Wir wissen also nicht, ob nicht auch die Neu-Interpretation seine Zustimmung gefunden hätte. Denn aus meiner Sicht ist es Krege hoch anzurechnen, dass er versucht hat, verschiedene Sprachebenen herauszuarbeiten. Und genau aus diesem Grunde gefällt mir persönlich die Krege-Übersetzung besser. (i) 33 Ich bevorzuge die Nun, ich habe mir damals als die Krege Übersetzung Übersetzung von erschienen ist, beide und das englische Original mit einigen Margaret Carroux anderen Menschen kapitelweise verglichen. Krege hat doch einiges der, bewusst, antiqierten Sprache so modernisiert, dass es nicht gepasst hat. (-d/-f) Ich erinnere mich an "Chef" irgendwo recht am Anfang und Namen die neu übersetzt worden sind (alles noch sehr am Anfang, hab mir selbst nur den genauer durchgelesen). 34 Ich bevorzuge die Sie ist näher am Original. (d) Außerdem gefallen mir einige Übersetzung von der Ausdrücke bei Krege nicht. (-g) Margaret Carroux 35 Ich bevorzuge die Ich bevorzuge Carroux, da sie sich als Übersetzerin Übersetzung von persönlich mit Tolkien beraten hat und daher das Ergebnis Margaret Carroux so weit wie möglich im Sinne Tolkiens ist. (a) Das ist mir wichtig. Ich bin da eher puristisch eingestellt. Bei der neuen Übersetzung (wozu? Das Original schreibt ja auch keiner neu) sind mir zu viele moderne Begriffe im Spiel (Logo, Chef usw.), die für eine erfundene historische Epoche Europas unpassend sind. (d/f/g) HdR stellt ja vielmehr einen historisch-mythischen Roman dar als "reine" Fantasy. (i) 36 Ich bevorzuge die Ist schon ewig her, daher weiß ich nicht, wie stichhaltig mein Übersetzung von Argument noch ist... Ich hab damals ein paar Auszüge aus

- 120 - Wolfgang Krege Carroux gelesen und fand es sehr schräg, wie "modern" und "salopp" sie manche Stellen wieder gibt. Krege klingt älter und mystischer, was vermutlich eher dem Original entspricht, da auch die englische Version (die ich auch gelesen habe) für heutige Leser (wie wohl auch für Zeitgenossen Tolkiens) sehr altertümlich wirkt. Ich habe vermutlich nicht das ganze Buch in der Version von Carroux gelesen, fand aber bei den paar Passagen die allgemeine "Atmosphäre" nicht so toll wie bei Krege. (h) 37 Ich bevorzuge die Ich finde prinzipell beide Übersetzungen ziemlich schlecht. Übersetzung von (h) Carroux gaukelt eine komplizierte Sprache Margaret Carroux (verschachtelter Satzbau, Wortwahl) vor, die es im Original gar nicht gibt, (-d/-g) während Krege genau das Gegenteil tut (also die Sprache auf ein Level vereinfacht, das nicht dem Original entspricht). (-d/-g) Meiner Meinung nach, müsste sich an einer neuen Übersetzung versucht werden, die Tolkiens verschiedene Sprachlevel (je nach Charakter/Schreibphase), Kreativität (z. B. Wortneuschöpfungen) und Sprachliebe (z. B. Verwendung von Archaismen in einem sinnvollen Maße) besser abbildet. (i) Sollte ich mal eine deutsche Übersetzung brauchen, ziehe ich Carroux vor, weil sie meistens besser klingt. 38 Ich bevorzuge die weil sie flüssiger zu lesen ist (c) Übersetzung von Margaret Carroux 39 Ich bevorzuge die Carroux bedient sich weniger moderner und damit etwas Übersetzung von altertümlicherer Sprache. Dies passt meiner Meinung nach Margaret Carroux besser zu Herr der Ringe. (d/e/g) Krege ist in seiner Wortwahl oft etwas einfacher gestrickt (Saruman der Bunte, statt Saruman der Vielfarbige). (-g) 40 Ich bevorzuge die (j) Übersetzung von Margaret Carroux 41 Ich bevorzuge die Bringt die epische Erzählweise von Tolkien besser in die Übersetzung von deutsche Sprache. (d) Kreges Übersetzung wirkt plump im Margaret Carroux Gegensatz dazu. (-g) 42 Ich bevorzuge die Carroux hat für mich eindeutig die schönere, passendere Übersetzung von Sprache. (g) Krege klebt tw. extrem am Wort (-g/h) - Carroux Margaret Carroux transportiert mehr Gefühl und Stimmung. (e/g) 43 Ich bevorzuge die Wortwahl und Sprachtempo passen zu meiner Vorstellung Übersetzung von von Tolkiens Welt (e/g) Margaret Carroux 44 Ich bevorzuge die Carroux ist für mich einfache näher am Stil Tolkiens dran. (d) Übersetzung von Die Übersetzung von Krege klingt manchmal irgendwie wie Margaret Carroux ein Opa, der versucht durch den Gebrauch von 'Jugendsprache' hip zu wirken, es aber ( *Sarkasmus an*) erstaunlicherweise nicht schafft. (-g)

- 121 -

Hier ein Beispiel Tolkien: "I hope Strider or someone will come and claim us." Carroux: "Ich hoffe, Streicher oder sonst wer wird kommen und uns abholen." Krege: "Hoffentlich kommt Streicher und holt mich im Fundbüro ab." 45 Ich bevorzuge die Die Übersetzung von Carroux erscheint mir vor dem Übersetzung von "historischen" Hintergrund der Geschichte etwas Margaret Carroux angemessener (f/i) 46 Ich bevorzuge die Bevorzuge Krege, weil sie flüssiger zu lesen ist. (c) Carroux Übersetzung von liest sich einfach zu sperrig. (-c) Wolfgang Krege 47 Ich bevorzuge die (j) Übersetzung von Wolfgang Krege 48 Ich bevorzuge die Übersetzung mit mehr Gefühl und einem Bewusstsein für Übersetzung von den Sinn des Textes. (e/d) Sehr viel mehr Achtsamkeit für Margaret Carroux die Sprache Tolkiens und nicht überzogen modernisiert. (d/g) 49 Ich bevorzuge die Carroux Aufgrund von Wortwahl und der treue zu Tolkiens Übersetzung von Stil (d/g), bevorzugt wird noch immer das Original gelesen ;) Margaret Carroux (i) 50 Ich bevorzuge die Stimungsvollere Beschreibungen. Der Stil passt besser zur Übersetzung von Thematik. (e/g) Die Wortwahl entspricht eher dem Fantasy Margaret Carroux Setting. (f) 51 Ich bevorzuge die Interessanter Satzbau, etwas komplexere Sprache (g), die Übersetzung von dem englischen Original näher ist. (d) Margaret Carroux 52 Ich bevorzuge die (j) Übersetzung von Margaret Carroux 53 Ich bevorzuge die Die Erzählweise ist weicher, flüssiger, rhythmischer, rund, Übersetzung von märchenhafter. (e/g) Ganz besonders die Gedichte und Margaret Carroux Verse sind stimmig und phantasievoll. (i) 54 Ich bevorzuge die Ich finde die Übersetzung sehr gelungen, mir gefällt der Übersetzung von Sprachfluss (g), ausserdem bin ich mit ihr " gross geworden". Margaret Carroux (b) Krege fand ich mit seiner gewollten Art einer " Modernisierung" unmöglich. 55 Ich bevorzuge die Ich bevorzuge die Carroux-Übersetzung, weil sie stimmiger Übersetzung von klingt und mir mehr das Tolkien-Gefühl vermittelt, das ich Margaret Carroux erwarte (d/e/g), und weil in ein paar Details die Krege- Übersetzung für mein Empfinden einfach nicht werkgetreu ist. (-d) Als ich den HdR das erste Mal las, in der Carroux- Übersetzung, war ich 12 und hatte vorher nur den Hobbit gelesen. Jahre später las ich den HdR erneut, diesmal in der - 122 - Krege-Übersetzung, doch ich konnte damit nicht warm werden. (b) Mittlerweile habe ich sämtliche auf Deutsch übersetzte Werke Tolkiens gelesen, den Hobbit, den Herr der Ringe und das Silmarillion dabei mehrfach (die Krege-Übersetzung des HdR dabei nur das eine, erste Mal), sowie den Hobbit, den HdR und das Silmarillion auf Englisch. Ich höre auch regelmäßig die Hörbücher dieser Werke sowie auch die Kinder Húrins, doch den HdR mag ich dabei nur auf Englisch hören, da es die deusche Fassung nicht in der Carroux- Übersetzung gibt und ich auch als Hörbuch mit der Krege-ÜS nicht warm werde. 56 Ich bevorzuge die In der Krege Übersetzung sind mir einige Wörter viel zu Übersetzung von modern übersetzt. (-g) Margaret Carroux Da zitiere ich mal den Spiegel

"Charaktere werden mit "Chef", einmal sogar mit "Chefchen", angeredet, als "Penner" beschimpft oder mit "Dalli Dalli" angefeuert. Der Verzicht auf die "Ihr"-Form in der Anrede hat die irritierende Wirkung, dass sich die Personen der tolkienschen Sagenwelt plötzlich siezen." (http://www.spiegel.de/kultur/literatur/neue-tolkien- uebersetzung-dalli-dalli-in-mittelerde-a-100975.html)

Solche Ausdrücke gehen gar nicht und passen meiner Meinung nach nicht in eine mittelalterliche Fantasy-Welt (f), auch wenn stellenweise die neue Übersetzung nicht schlecht ist.

Ich kenne allerdings nicht die Neuauflage der Neuübersetzung! Nochmal wollte ich kein Geld dafür ausgeben. 57 Ich bevorzuge die Ich habe den Herr der Ringe im Alter von 13/14 Jahren das Übersetzung von erste Mal gelesen, also Ende der 70er. Demnach also in der Margaret Carroux Übersetzung von Margarethe Carroux. Das prägt und wie so Vieles, was sich in der Kindheit als besonders intensives Erlebnis einbrennt, konnte ich mir nicht vorstellen, dass mir eine andere Übersetzung gefallen könnte. (b) Die antiquierte Sprache gab der Geschichte die Patina, die für mich einfach dazu gehört (e/f) wie orientalische Gewürze in den Lebkuchen. Mit der neuen Übersetzung, so heißt es, wurden Fehler ausgebessert, was ich völlig in Ordnung finde, aber angeblich auch die Sprache modernisiert. Es sei nie die Intention des Autors Tolkien gewesen etwas Anderes als zeitgenössische moderne Sprache zu benutzen. Doch die Frage, was Tolkien darunter verstanden hat und der Verlag, der die neue Übersetzung in Auftrag gab, lässt ich ganz

- 123 - anders beantworten. Tolkien lebte in einer Zeit, da die gepflegte Dame beim Ausgehen Handschuhe trug und Herren nahezu jeden Alters einen Hut oder eine Mütze aufsetzten. Das waren die zeitgenössischen Attribute, der Alltag Tolkiens während er den Herrn der Ringe schrieb. Unverheiratete Frauen nannten man bei uns Fräulein. Hätte man "modernes" Deutsch der 30er für Übersetzung wählen müssen, würde sich die überarbeitete Fassung anders lesen als die von Krege. 58 Ich bevorzuge die (j) Übersetzung von Margaret Carroux 59 Ich bevorzuge die Die Carroux Übersetzung wirkt epischer. (e) Krege ist so Übersetzung von schrecklich schnodderig (-g), ganz besonders wenn Sam Margaret Carroux Frodo nicht mit "Herr Frodo" sondern mit "Chef" anspricht. Schrecklich. 60 Ich bevorzuge die Das erste Buch, das ich mit etwa 12 Jahren gelesen habe, Übersetzung von war die Übersetzung von Krege. (b) Erst gut drei Jahre später Margaret Carroux las ich die Carroux-Übersetzung. Das Werk wirkt ohne "Penner", "Chefchen" und sonstiger Eigentümlichkeiten insgesamt viel archaischer (e) und im Vergleich zum englischen Original, das ich mittlerweile auch gelesen und für eine Hausarbeit analysiert habe, weniger verzerrt. (d) 61 Ich bevorzuge die carroux versucht nicht erst tolkiens bücher mit einer Übersetzung von moderneren sprache auszustatten. (d/g) wo carroux noch Margaret Carroux von "wißbegier" schreibt, ändert sich das bei krege zu "neugier", "väterchen" wird zu "papa" und "herr" wird zu "chef". (g/-g) 62 Ich bevorzuge die Wegen der "alten" Sprache (g), die für mich besser zur Übersetzung von Geschichte und das Tolkien-Univerum passt. (d/f) Margaret Carroux 63 Ich bevorzuge die Krege bin ich gewohnt (b) Übersetzung von Wolfgang Krege 64 Ich bevorzuge die Die Übersetzung von Krege war die erste, die ich gelesen Übersetzung von habe. Einige der Übersetzungen haben sich in meinem Wolfgang Krege Gedächtnis festgesetzt, dass die andere dann einfach "falsch" war. (b) 65 Ich bevorzuge die Näher am Original (d), und keine neumodischen Übersetzung von Formulierungen wie "Chef"... (g) Margaret Carroux 66 Ich bevorzuge die Ich bevorzuge den altmodischen Stil der Carroux- Übersetzung von Übersetzung. (e/g) Krege is mir einfach zu sehr Margaret Carroux umgangssprachlich. (-g) "Galadriel kichert" - geht gar nicht. Sprachlich den Zeiten anpassen, schön und gut, aber wann landen wir dann bei einer Emoji- Version des Buches? 67 Ich bevorzuge die (j)

- 124 - Übersetzung von Margaret Carroux 68 Ich bevorzuge die (j) Übersetzung von Margaret Carroux 69 Ich bevorzuge die Hört sich für mich "altertümlicher" an, eher passend für ein Übersetzung von "historisches Dokument" (e/f/i) ... aber vielleicht liegt es Margaret Carroux einfach daran, das ich diese Version zuerst gelesen habe. (b) 70 Ich bevorzuge die Schönere Sprache (g), "echter" im Setting (e), gefühlt näher Übersetzung von am englischen Original (d) Margaret Carroux 71 Ich bevorzuge die Gewohnte Übersetzung (b), Sprache ist weniger modern (g) Übersetzung von und damit passender zur Welt. (f) Margaret Carroux 72 Ich bevorzuge die Besser (i) Übersetzung von Margaret Carroux 73 Ich bevorzuge die C (j) Übersetzung von Margaret Carroux 74 Ich bevorzuge die Weil die sprachliche Aktualisierung (g), die Krege Übersetzung von vorgenommen hat, nicht zur Fantasy-Genrekonvention der Margaret Carroux altertümlichen Sprache passt. (-f) Präziser: Meine Erwartungshaltung wurde gebrochen (was gut oder schlecht sein kann), aber ohne dass dieser aktualisierende Bruch mir einen erzählerischen Mehrwert eröffnet hätte, wie das z.B. 1996 bei der Romeo und Julia-Verfilmung der Fall war, die bildlich, aber nicht sprachlich aktualisiert wurde: Eine Aktualisierung der Sprache in Verbindung mit der Verschiebung des Settings/Genres wäre vielleicht spannend - eine reine Modernisierung der Sprache nicht (für mich). 75 Ich bevorzuge die Die Sprache der Übersetzung ist näher am Original. (g/d) Übersetzung von Margaret Carroux 76 Ich bevorzuge die Am meisten misfällt mir bei der Krege-Übersetzung das Übersetzung von immer "Chef" gesagt wird. Sam war zwar bei Frode Margaret Carroux "angestellt" als Gärtner, aber er hat sich während der Reise zum Schicksalsberg doch als warer Freund erwiesen. (-g) 77 Ich bevorzuge die Ich bevorzuge die Übersetzung von Carroux, da die Übersetzung von Übersetzung von Krege teils zu moderne Ausdrücke und Margaret Carroux Phrasen enthält, welche für mich nicht zum Setting und zu der Atmosphäre der Geschichte passen. (-g/-f/-e) Zwar hat Krege im Gegensatz zu Carroux, die durchgängig eine archaische Ausdrucksweise nutzt, mit seiner Übersetzung versucht die stilistischen Unterschiede des englischen Originals, in dem Tolkien je nach Situation und Charakter modernere oder archaischere Formulierungen verwendet

- 125 - hat, in seiner Version zu übernehmen (i), doch seine Nutzung von Audrücken die zur Zeit der Übersetzung modern waren verhindern für mich eine vollständige Immersion in die Geschichte. (-g) Der einzige Aspekt in dem ich Kreges Übersetzung weit besser finde als die von Carroux ist in der Übersetzung der Gedichte. (i) 78 Ich bevorzuge die Die Sprache von Carroux passt besser in das Setting einer Übersetzung von mittelalterlichen Fantasywelt (g/f) und wenn ich ehrlich sein Margaret Carroux soll: da Tolkien an der Übersetzung selber mitgearbeiet hat, ist die Übersetzung von Krege so unnötig wie ein Kropf. (a) 79 Ich bevorzuge die Carroux = Sprachlich viel gehobener (g) und ein Vergnügen. Übersetzung von Margaret Carroux 80 Ich bevorzuge die Weil ich finde, dass sich die Übersetzung von Carroux Übersetzung von sprachlich deutlich näher am englischen Original von Tolkien Margaret Carroux bewegt. (d/g) Tolkien ist kein moderner Autor der moderne Worte oder Formulierungen verwendet, daher finde ich es befremdlich wenn die Übersetzung dies tut - es passt einfach nicht zu Tolkiens Stil. (-d/-g) 81 Ich bevorzuge die Ich finde Carroux sprachlich harmonischer. (g) Ich stolpere Übersetzung von bei Krege manchmal beim Lesen. Natürlich ist dies nur Margaret Carroux persönlicher Geschmack. Ich glaube, es spielt auch eine Rolle, mit welcher Übersetzung man anfing. Meine erste Berührung war Carroux, daher fühlt sie sich immer richtiger an. (b)

- 126 - Verzeichnisse

Abbildung 1: Umfrageergebnis Carroux vs. Krege ...... 71 Abbildung 2: Aufteilung der Elemente auf die verschiedenen Kategorien ...... 98

Tabelle 1: Überblick Facebook-Gruppen ...... 27 Tabelle 2: Auswahl der Antworten zur Abstimmung mit Tolkien ...... 73 Tabelle 3: Auswahl der Antworten zur Gewohnheit ...... 74 Tabelle 4: Auswahl der Antworten zur Lesbarkeit ...... 76 Tabelle 5: Auswahl der Antworten zur Werk- und Stiltreue (pro Carroux) ...... 78 Tabelle 6: Auswahl der Antworten zur Werk- und Stiltreue (contra Krege) ...... 79 Tabelle 7: Auswahl der Antworten zur Gesamtstimmung ...... 81 Tabelle 8: Auswahl der Antworten zu den Genrekonventionen (pro Carroux) ...... 83 Tabelle 9: Auswahl der Antworten zu den Genrekonventionen (contra Krege) ...... 84 Tabelle 10: Auswahl der Antworten zum Sprachgebrauch (pro Carroux) ...... 86 Tabelle 11: Auswahl der Antworten zum Sprachgebrauch (contra Krege) ...... 87 Tabelle 12: Antworten der Kategorie Ausreißer ...... 88 Tabelle 13: Antwort zur Kategorie Sonstige, Thema 1 ...... 90 Tabelle 14: Antworten zur Kategorie Sonstige, Thema 2 ...... 91 Tabelle 15: Antworten zur Kategorie Sonstige, Thema 3 ...... 92 Tabelle 16: Antwort zur Kategorie Sonstige, Thema 4 ...... 92 Tabelle 17: Antworten zur Kategorie Sonstige, Thema 5 ...... 93 Tabelle 18: Antwort zur Kategorie Sonstige, Thema 6 ...... 94 Tabelle 19: Antworten zur Kategorie Sonstige, Thema 7 ...... 94 Tabelle 20: Antworten zur Kategorie Sonstige, Thema 8 ...... 95 Tabelle 21: Antworten zur Kategorie Sonstige, Thema 9 ...... 96

- 127 -