17 CD LESUNG der hörverlag

Drei Ringe den Elbenkönigen hoch im Licht, Sieben den Zwergenherrschern in ihren Hallen aus Stein, Den Sterblichen, ewig dem Tode verfallen, neun, Einer dem Dunklen Herrn auf dem dunklen Thron Im Lande , wo die Schatten drohn. Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn.

Gelesen von Achim Höppner J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 3 InhalT

Vorwort ...... S. 4 Kapitelaufteilung ...... S. 10 J. R. R. Tolkien – ein Leben für die Fantasie ...... S. 14 Achim Höppner – Aus dem Englischen von Wolfgang Krege die deutsche Stimme Gandalfs ...... S. 18 Gedichte übersetzt von E.M.-M. von Freymann ANHANG A Gelesen von Achim Höppner Annalen der Könige und Herrscher ...... S. 22 I Die númenórischen Könige ...... S. 22 1. Númenor ...... S. 22 2. Die Reiche im Exil ...... S. 30 3. Eriador, Arnor und Isildurs Erben...... S. 32 4. und Anárions Erben...... S. 41

ANHANG F I Die Sprachen und Völker des Dritten Zeitalters . . . . . S. 67 Von den Elben ...... S. 68 Von den Menschen ...... S. 69 Von den ...... S. 73 Von den anderen Arten ...... S. 74 Technik: Christoph Panizza, Giesing Team München II Zur Übersetzung ...... S. 78 Produktion: Der Hörverlag 2006 Anmerkung zu drei Namen: , Gamdschie und Brandywein ...... S. 88

der hörverlag Zur neuen Übersetzung von Wolfgang Krege ...... S. 90 4 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 5

Vorwort

Diese Geschichte wuchs sich, während ich sie schrieb, zu einer Chronik des Als ich herausfand, was dies alles zu bedeuten und was es mit den früheren Großen Ringkrieges aus, mitsamt vielerlei Ausblicken auf Ereignisse in noch Geschehnissen zu tun hatte, ergab sich ein Bild des Dritten Zeitalters mit seinem älteren Zeiten. Sie wurde begonnen, bald nachdem Der Hobbit geschrieben und Gipfel im Ringkrieg. noch bevor er 1937 erschienen war; dann aber ließ ich diese Fortsetzung liegen, denn ich wollte zunächst die Sammlung von Mythen und Sagen der Ältesten Die Leser, die mehr über Hobbits hatten erfahren wollen, bekamen schließ- Tage vervollständigen und zu Papier bringen, die damals schon seit Jahren Gestalt lich, was sie wollten, mussten aber lange warten; denn die Arbeit am Herrn der angenommen hatte. Das sollte zum eigenen Vergnügen geschehen, denn es Ringe zog sich mit Unterbrechungen über die Jahre von 1936 bis 1949 hin, eine bestand wenig Hoffnung, dass auch andere sich für ein solches Werk interessieren Zeit, in der ich viele andere Verpflichtungen zu erfüllen hatte und als Lehrender würden, das ja vor allem linguistisch inspiriert war und anfangs nur den Zweck und Lernender vielerlei Interessen nachging, die mich oft ganz in Anspruch hatte, den nötigen »historischen« Hintergrund für die Elbensprachen zu nahmen. Natürlich trug auch der Ausbruch des Krieges 1939 zur Verzögerung schaffen. bei, und am Ende dieses Jahres war noch nicht einmal das Buch I fertig. Trotz der dunklen fünf Jahre, die nun folgten, mochte ich die Sache nicht ganz aufgeben Als diejenigen, deren Rat und Urteil ich einholte, mich berichtigten, dass und schleppte mich voran, meistens nachts, bis ich an Balins Grab in nicht wenig, sondern keine Hoffnung bestehe, nahm ich diese Fortsetzung wieder stand. Dort gab es einen langen Aufenthalt. Erst nach fast einem Jahr ging es auf, ermutigt durch Anfragen von Lesern nach weiteren Auskünften über die weiter, und Ende 1941 kam ich bis nach Lothlórien und zum Großen Strom. Im Hobbits und ihre Abenteuer. Aber unwiderstehlich zog es die Erzählung zu der nächsten Jahr schrieb ich die ersten Fassungen der Teile, die jetzt das Buch III älteren Welt hin, und so wurde sie gewissermaßen zu einem Bericht von deren ausmachen, und die Anfänge der Kapitel 1 und 3 von Buch V; und dort, während Ende und Vergehen, bevor noch der Anfang und die Zwischenzeit bekannt waren. in Anórien die Leuchtfeuer brannten und Théoden ins Hargtal geritten kam, blieb Diese Entwicklung hatte begonnen, als ich den Hobbit schrieb, wo die älteren ich stecken. Ich wusste nicht weiter, und zum Nachdenken war keine Zeit. Stoffe auch schon einige Male erwähnt wurden: , Gondolin, die Hoch- elben und die Orks, und wo ganz plötzlich Dinge ins Blickfeld kamen, mit 1944 dann rang ich mich dazu durch, den Krieg, den ich noch zu führen oder denen es eine höhere, tiefere oder dunklere Bewandtnis hatte, als auf den ersten wenigstens zu beschreiben hatte, mit all seinen Verwicklungen und losen Fäden Blick zu erkennen war: Durin, Moria, , der Nekromant, der Ring. zunächst auf sich beruhen zu lassen und erst einmal Frodo auf seinem Weg nach 6 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 7

Mordor voranzubringen. Diese Kapitel, aus denen schließlich Buch IV wurde, langen Geschichte nicht möglich, es jedermann an allen Stellen recht zu machen schickte ich in Teillieferungen meinem Sohn Christopher, der damals bei der oder jedermann an den gleichen Stellen zu missfallen; denn wie ich aus den Royal Air Force in Südafrika diente. Dennoch vergingen weitere fünf Jahre, bis Zuschriften der Leser ersehe, werden dieselben Passagen oder Kapitel, die für die Erzählung zu ihrem jetzigen Schluss gekommen war. In dieser Zeit zog ich manche ein Ärgernis sind, von anderen besonders beifällig aufgenommen. Als in ein anderes Haus um, wechselte den Lehrstuhl und das College; und die Tage kritischster von allen Lesern finde ich selbst darin nun vielerlei Mängel, größere waren zwar nicht mehr so dunkel, aber nicht weniger arbeitsreich. Dann, als zu und kleinere, doch weil ich zum Glück nicht verpflichtet bin, das Buch sei es zu guter Letzt das »Ende« erreicht war, musste die ganze Geschichte neu durchge- rezensieren, sei es neu zu schreiben, will ich sie mit Stillschweigen übergehen – sehen und zu großen Teilen sogar von hinten nach vorn umgeschrieben werden. alle bis auf einen, den auch andere bemerkt haben: Das Buch ist zu kurz. Und getippt werden musste sie auch noch, und zwar mehrfach: von mir selbst, denn die Kosten für eine professionelle zehnfingrige Schreibkraft gingen über Was die tiefere Bedeutung oder »Botschaft« des Buches angeht, so hat es meine Verhältnisse. nach Absicht des Autors keine. Es ist weder allegorisch, noch hat es irgendeinen aktuellen Bezug. Als die Geschichte wuchs, schlug sie Wurzeln (in die Vergangen- Seit Der Herr der Ringe nun gedruckt vorliegt, haben ihn viele gelesen; und ich heit) und verzweigte sich in unerwartete Richtungen, aber ihr Hauptthema möchte etwas zu den mancherlei Meinungen oder Vermutungen über die Motive stand von Anfang an fest, weil der Ring nun einmal das Bindeglied zum Hobbit und den Sinn der Geschichte sagen, die ich gehört oder gelesen habe. Das sein musste. Das zentrale Kapitel »Der Schatten der Vergangenheit« ist eines wichtigste Motiv war der Wunsch des Erzählers, sich an einer wirklich langen der ältesten Stücke der Erzählung. Es wurde geschrieben, als aus den Vorzeichen Geschichte zu versuchen, die die Aufmerksamkeit des Lesers wach halten, ihn für 1939 noch längst nicht die Gefahr einer unabwendbaren Katastrophe zu belustigen und erfreuen und ihn vielleicht auch manchmal erregen oder tiefer erkennen war; und von diesem Punkt aus hätte die Geschichte im Wesentlichen berühren könnte. Leiten konnte mich nur das eigene Gefühl dafür, was reizvoll den gleichen Fortgang genommen, auch wenn das Unglück abgewendet worden oder bewegend ist, und nach Ansicht vieler Beurteiler hat es mich unvermeidlich wäre. Ihre Quellen sind Dinge, die mich seit langem beschäftigten und zum oft fehlgeleitet. Manche, die das Buch gelesen oder jedenfalls rezensiert haben, Teil auch schon niedergeschrieben waren, und der Krieg, der 1939 begann, fanden es langweilig, abstrus oder verachtenswert, und ich habe keinen Grund, und seine Folgen änderten an ihr wenig oder nichts. mich zu beklagen, denn ich denke ähnlich über ihre Werke oder über die Art Bücher, die sie offenbar vorziehen. Aber auch aus der Sicht vieler Leser, denen Der wirkliche Krieg hat weder in seinem Verlauf noch in seinem Ausgang eine die Geschichte gefallen hat, gibt es etliches zu bemängeln. Es ist wohl in einer Ähnlichkeit mit dem Krieg der Sage. Hätte er als Vorbild oder Leitfaden gedient, 8 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 9

so hätte sich des Rings sicherlich bemächtigt und ihn gegen verwendet; schneiden, müssten die Ereignisse und geistigen Bewegungen ihrer Zeit auf beide und Sauron wäre nicht vernichtet worden, sondern unterworfen, und Barad-dûr den stärksten Einfluss ausgeübt haben. Gewiss, wie bedrückend ein Krieg ist, nicht zerstört, sondern besetzt. , wenn er schon nicht in den Besitz des kann nur der ganz empfinden, auf den dieser Schatten einmal gefallen ist; doch Ringes gelangen konnte, hätte in den Wirren und Verrätereien jener Zeit Gelegen- im Laufe der Jahre scheint man nun oft zu vergessen, dass es ebenso schrecklich heit gefunden, sich in Mordor die fehlenden Zwischenglieder seiner eigenen war, als junger Mensch 1914 da hineinzugeraten wie 1939 und in den folgenden Ringforschung zu verschaffen; und bald hätte er sich selbst einen großen Ring Jahren. 1918 waren alle meine guten Freunde tot, bis auf einen. Oder, um ein geschmiedet, um den selbsternannten Beherrscher von Mittelerde damit heraus- weniger trauriges Thema anzuschneiden: manche haben angenommen, das zufordern. Den Hobbits wäre in einem solchen Konflikt von beiden Seiten nur Kapitel über die »Säuberung des Auenlandes« spiegle die Situation in England Hass und Verachtung begegnet; und nicht mal als Sklaven hätten sie lange überlebt. zu der Zeit wider, als ich die Erzählung beendete. Das stimmt nicht. Das Kapitel war ein von Anfang an vorgesehener wesentlicher Teil des Handlungsplans. Aller- Denkbar wären auch Deutungen gemäß den Vorlieben oder Ansichten der- dings veränderte es sich mit Rücksicht auf die Figur Sarumans, so wie sie sich im jenigen, die auf allegorische oder aktuelle Bezüge Wert legen. Doch die Allegorie Fortgang der Geschichte entwickelte, ohne dass – muss ich es eigens sagen? – in allen ihren Formen verabscheue ich von Herzen, und zwar schon immer, seit irgendeine allegorische Bedeutung oder ein aktueller politischer Bezug hinzukam. ich alt und argwöhnisch genug bin, ihr Vorhandensein zu bemerken. Geschichte, Dennoch ist es in gewissen Erfahrungen begründet, wenn auch nur entfernt ob wahr oder erfunden, mit ihrer vielfältigen Anwendbarkeit im Denken und ähnlichen (denn die wirtschaftliche Lage war eine ganz andere) und viel weiter Erleben des Lesers ist mir viel lieber. Ich glaube, dass »Anwendbarkeit« mit zurückliegenden. Die Gegend, in der ich meine Kindheit verbracht hatte, wurde »Allegorie« oft verwechselt wird; doch liegt die eine im freien Ermessen des verwüstet, bevor ich zehn war, zu einer Zeit, als Automobile eine Seltenheit waren Lesers, während die andere von der Absicht des Autors beherrscht wird. (ich hatte nie eines gesehen) und als man noch Vorortbahnen baute. Vor kurzem sah ich in einer Zeitung ein Bild, das die alte, einst florierende Mühle des Ortes Der Autor kann natürlich von der eigenen Erfahrung nicht völlig unberührt im letzten Stadium der Baufälligkeit zeigte, neben dem Mühlteich, der mir vor bleiben, aber der Vorgang, in dem der Keim einer Geschichte aus dem Boden langer Zeit so viel bedeutet hatte. Den jungen Müller hatte ich nie gemocht, der Erfahrung seine Nahrung zieht, ist äußerst verwickelt, und Versuche, ihn zu aber sein Vater, der alte Müller, hatte einen schwarzen Bart, und er hieß nicht beschreiben, beruhen bestenfalls auf Mutmaßungen anhand unzureichender Sandigmann. und mehrdeutiger Befunde. Falsch, obgleich naturgemäß verlockend, ist auch die Annahme, wenn das Leben eines Autors und das eines Kritikers sich über- 10 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 11

CD 1 LaufzeiT ca. XX MinuTen CD 4 LaufzeiT ca. XX MinuTen 1 Ansage 1–X Sechstes Kapitel: Der Alte Wald XX Prolog XX Siebentes Kapitel: In Tom Bombadils Haus XX Über Hobbits XX Über Pfeifenkraut XX Von der Ordnung im Auenland XX Vom Ringfund CD 5 LaufzeiT ca. XX MinuTen XX Anmerkung zu den auenländischen Geschichtsbüchern 1–X Achtes Kapitel: Nebel auf den Hügelgräberhöhen XX Neuntes Kapitel: Im Gasthaus Zum tänzelnden Pony

CD 2 LaufzeiT ca. XX MinuTen ERSTES BUCH CD 6 LaufzeiT ca. XX MinuTen 1–X Erstes Kapitel: Ein langerwartetes Fest 1–X Zehntes Kapitel: Streicher XX Zweites Kapitel: Der Schatten der Vergangenheit XX Elftes Kapitel: Ein Messer im Dunkeln XX Drittes Kaptitel: Wanderung zu dritt XX Zwölftes Kapitel: Flucht zur Furt

CD 3 LaufzeiT ca. XX MinuTen CD 7 LaufzeiT ca. XX MinuTen 1–X Viertes Kapitel: Querfeldein zu den Pilzen XX Fünftes Kapitel: Eine aufgedeckte Verschwörung ZWEITES BUCH 1–X Erstes Kapitel: Viele Begegnungen XX Zweites Kapitel: Elronds Rat 12 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 13

CD 8 LaufzeiT ca. XX MinuTen CD 12 LaufzeiT ca. XX MinuTen 1–X Drittes Kapitel: Der Ring geht nach Süden XX Viertes Kapitel: Auf dunklen Straßen CD 13 LaufzeiT ca. XX MinuTen

CD 14 Laufzeit ca. XX Minuten CD 9 Laufzeit ca. XX Minuten 1–X Fünftes Kapitel: Die Brücke von Khazad-dûm XX Sechstes Kapitel: Lothlórien CD 15 LaufzeiT ca. XX MinuTen

CD 10 LaufzeiT ca. XX MinuTen CD 16 LaufzeiT ca. XX MinuTen 1–X Siebentes Kapitel: Galadriels Spiegel XX Achtes Kapitel: Abschied von Lórien CD 17 LaufzeiT ca. XX MinuTen CD 11 LaufzeiT ca. XX MinuTen 1–X Neuntes Kapitel: Der große Strom XX Zehntes Kapitel: Die Wege trennen sich 14 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 15

J.R.R. Tolkien – ein Leben für die Fantasie

John Ronald Reuel Tolkien wurde am 3. Januar 1892 in Bloemfontein in Süd- am 22. März 1916 heiratet, bevor er in den Krieg zieht. Tolkiens akademische afrika geboren. Sein Vater Arthur starb, als er gerade vier Jahre jung war, und Laufbahn wird nur vom Ersten Weltkrieg unterbrochen. Er wird den Lancashire so musste seine Mutter ihn und seinen jüngeren Bruder Hilary in bescheidenen Fusiliers, einer Fernmeldeeinheit, zugeordnet und verliert im Laufe der Schlacht Verhältnissen in England aufziehen. Die Umgebung, in die die Familie Tolkien an der Somme binnen eines Tages alle seine Freunde, bis auf einen. Diese zieht, prägte den jungen John und während der vier Jahre Aufenthalt im kleinen Erfahrung prägt ihn in jungen Jahren für den Rest seines Lebens und wird als Dorf nahe Birmingham lernt er das ländliche England lieben. Tolkiens wiederkehrender Topos - der Auseinandersetzung mit dem Tod - Einfluss auf Mutter, eine gläubige, konvertierte Katholikin, musste ihre beiden Jungs gegen sein Werk nehmen. den Widerstand ihrer protestantischen Verwandten in der nur wenige Kilometer Tolkien durchläuft eine vorbildliche akademische Karriere. Nach Arbeiten entfernten Großstadt erziehen lassen. Auch sie starb früh und hinterließ John am Oxford English Dictionary wird er zwei Jahre später Professor für Englisch und Hilary in der Obhut von Francis Xavier Morgan, einem Priester am Birming- an der Universität Leeds. Weitere vier Jahre später wird ihm der Ruf als Rawlinson ham Oratory. Der frühe Tod seiner Mutter bestärkte Tolkien für den Rest seines und Bosworth Professor für Angelsächsisch am Pembroke College erteilt. Seine Lebens in seinem Glauben: Er sah seine Mutter als Märtyrerin, die aufgrund letzte Professur erhält er als Merton Professor für englische Sprache und Lite- der bitteren Umstände ihres Lebens ihre Gesundheit für das Wohl ihrer Kinder ratur 1945 in seinem geliebten Oxford. Bekannt sind seine Übersetzung von opferte. Sir Gawain und der grüne Ritter, sein Vortrag Beowulf: Monster und ihre Kritiker und seine Früh schon zeigte sich die Begabung, die später zu Tolkiens Weltruhm führen Vortragsreihe On Fairy-Stories, die sich mit Mythologie, Fantasie und der Kreation sollte: Seine Liebe zu Sprachen, seine Fähigkeit, sich mit Begeisterung mit einem sekundärer Welten beschäftigen. Thema lange Zeit, wenn nicht lebenslang, zu beschäftigen; der Wunsch, einen John Ronald Reuel und Edith Tolkien hatten vier Kinder: 1917 wurde John neuen Mythos für England zu schaffen. Er erhält ein Stipendium für das Exeter geboren, der später Geistlicher in der anglikanischen Kirche werden sollte; College in Oxford, wo er 1915 seinen Abschluss mit Bravour besteht. In dieser 1920 kam Michael zur Welt. Der Verwalter seines Erbes und Herausgeber der Zeit lernte er die Frau seines Lebens kennen, Edith Bratt. Während der junge kritischen Edition des Werks seines Vaters, Christopher, kommt 1924 zur Welt Autor in Birmingham logierte, wohnte im selben Haus dieses bezaubernde junge und das Nesthäkchen Priscilla wird 1929 geboren. Tolkien geht 1959 in Ruhe- Mädchen, das auch bald seine Ehefrau werden sollte, seine „Luthien“, die er stand und ist überrascht, welchen Erfolg seine Neuschöpfung einer mythischen 16 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 17

Welt hat, die im Silmarillion, dem Herrn der Ringe und dem Hobbit Ausdruck finden sollte. Gerade in den Vereinigten Staaten wird der Brite in den 60ern zum Kultautor einer Gesellschaft in Bewegung, die sich anscheinend in Zeiten des sozialen Umbruchs fantastische Welten zu Fluchtburgen ihrer Fantasie aufbaut. Dies hatte Tolkien nie bezweckt, aber seine Vorstellung von Fantasie und Mytho- logie stand oft im Widerspruch zum allgemeinen Verständnis seines Werks. Tolkien verbringt den Rest seines Lebens mit seiner geliebten Ehefrau Edith, die 1971 stirbt. 1972 wird er von der Queen mit dem Orden „CBE“ für seine herausragende literarische Bedeutung geadelt. Am Morgen des 2. September 1973 stirbt der Schöpfer von Mittelerde nach kurzer Krankheit in einem Kranken- haus in Bournemouth, England.

Marcel Bülles

© Interfoto 18 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 19

Achim Höppner – die deutsche Stimme Gandalfs

Nach seiner Schauspielausbildung und dem Studium der Germanistik, Kunst- und Theatergeschichte arbeitete Achim Höppner als Schauspieler und Regisseur. Seit Jahren ist er erfolgreich für Film, Kino und Fernsehen tätig, vor allem in den Bereichen Synchronisation, Hörspiel, Lesung und Radiofeature. Seine Stimme ist einem breiten Publikum bekannt. So synchronisierte er Gandalf im Kinofilm „Der Herr der Ringe”, sowie Clint Eastwood, Paul Newman, Donald Sutherland u. v. a. und las für den Hörverlag bereits das Silmarillion. Darüber hinaus sucht Achim Höppner so oft wie möglich den direkten Kontakt zum Publikum in szenischen und literarischen Lesungen.

[Foto Höppner] © privat >> 20 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 21

Anhänge

Angaben zu den Quellen für die meisten der in diesem und den folgenden Die angegebenen Jahreszahlen beziehen sich auf das Dritte Zeitalter, soweit Anhängen (besonders A bis D) zu behandelnden Stoffe finden sich in der sie nicht mit Z. Z. (Zweites Zeitalter) oder V. Z. (Viertes Zeitalter) gekenn- Anmerkung über die auenländischen Geschichtsbücher am Ende des Prologs. zeichnet sind. Das Dritte Zeitalter galt mit dem Scheiden der Drei Ringe im September 3021 als beendet; doch für die amtlichen Aufzeichnungen in Gondor Die in den Quellen enthaltenen Sagen, Erzählungen und Berichte sind sehr begann das erste Jahr des Vierten Zeitalters mit dem 25. März 3021. In den umfangreich. Nur Auszüge aus ihnen, zumeist stark verkürzt, werden hier wieder- Listen der Könige und Herrscher bezeichnen die Zahlen nach den Namen, gegeben. Unser Zweck dabei ist vor allem, den Ringkrieg und seine Ursprünge sofern nur eine angegeben wird, das Todesjahr. Das Zeichen † bedeutet vor- zu verdeutlichen und manche Lücken in der Haupterzählung zu schließen. Die zeitiger Tod, in der Schlacht oder auf andere Weise, auch wenn keine Jahreszahl alten Sagen aus dem Ersten Zeitalter, denen Bilbos besondere Aufmerksamkeit bekannt ist. galt, werden nur sehr kurz behandelt, da sie von den Vorfahren Elronds und der númenórischen Könige und Stammesfürsten berichten. Wörtliche Auszüge aus längeren Geschichtswerken und Erzählungen erscheinen in Anführungs- zeichen, Hinzufügungen von späterer Hand in eckigen Klammern. Auch Zitate in den Fußnoten, soweit in Anführungszeichen, stammen aus den Quellen. Andere Fußnoten sind vom Herausgeber. 22 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 23

Anhang A Durch die letzte wurden die lange getrennten Zweige der Halbelben wieder vereinigt und ihre Erblinie wiederhergestellt. Lúthien Tinúviel war die Tochter König Thingol Graumantels, der im Ersten Annalen der Könige und Herrscher Zeitalter das Elbenreich von Doriath beherrschte; ihre Mutter aber war Melian vom Volk der Valar. Beren war der Sohn Barahirs vom Ersten Haus der Edain. I Die númenórischen Könige Gemeinsam errangen sie einen der Silmaril aus Morgoths Eisenkrone. Lúthien wurde sterblich und war für das Elbengeschlecht verloren. Ihr Sohn war Dior, 1. Númenor und dessen Tochter Elwing hatte den Silmaril in Verwahrung. Idril Celebrindal war die Tochter Turgons, des Königs der verborgenen Stadt Feanor war unter den Eldar der größte Künstler und Gelehrte, aber zugleich Gondolin. Tuor war der Sohn Huors aus dem Haus Hador, dem Dritten Volk auch der Stolzeste und Eigenmächtigste. Er schuf die drei Edelsteine, die silma- der Edain, das in den Kriegen mit Morgoth den höchsten Ruhm erlangte. rilli, und gab ihnen das Licht der Zwei Bäume ein, Telperions und Laurelins1, Earendil, der Seefahrer, war Idrils und Tuors Sohn. die das Land der Valar erhellten. Die Edelsteine begehrte Morgoth, der Feind, Earendil heiratete Elwing, und mit der Macht des Silmarils durchfuhr er das der sie, nachdem er die Bäume vernichtet hatte, stahl und nach Mittelerde brachte, Schattenmeer und erreichte den äußersten Westen. Als Botschafter der Elben und wo er sie in seiner großen Festung Thangorodrim verwahrte. Gegen den Willen Menschen erlangte er dort Hilfe, mit der Morgoth niedergeworfen wurde. Ihm der Valar verließ Feanor das Segensreich und zog mit einem großen Teil seines wurde nicht erlaubt, in die Lande der Sterblichen zurückzukehren, und sein Volkes nach Mittelerde ins Exil; denn in seinem Stolz glaubte er, Morgoth die Schiff mit dem Silmaril wurde als Stern an den Himmel versetzt, zum Zeichen Silmaril mit Gewalt wieder abringen zu können. So kam es zu dem aussichtslosen der Hoffnung für alle vom großen Feind oder seinen Dienern bedrückten Krieg der Eldar und der Edain gegen Thangorodrim, in dem sie am Ende ver- Bewohner von Mittelerde. Allein die Silmaril bewahrten noch das alte Licht der nichtend besiegt wurden. Die Edain (Atani) waren die drei Menschenvölker, die Zwei Bäume von Valinor aus der Zeit, bevor Morgoth sie vergiftete; die anderen zuerst in den Westen von Mittelerde und an die Küsten des Großen Meeres beiden jedoch gingen am Ende des Ersten Zeitalters verloren. Von alledem und kamen und zu Verbündeten der Eldar gegen den Feind wurden. vielem andern, das Elben und Menschen betrifft, wird ausführlich im Silmarillion Zwischen den Eldar und den Edain kam es in drei Fällen zu ehelichen Vereini- berichtet. gungen: zwischen Lúthien und Beren, Idril und Tuor, und .

1 Von Laurelin, dem goldenen Baum, war in Mittelerde kein Abbild oder Nachkomme mehr geblieben. 24 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 25

Earendils Söhne waren Elros und Elrond, die Peredhil oder Halbelben. In In der Mitte des Landes stand ein hoher Berg, der Meneltarma, und wer gute ihnen allein war die Erblinie der heldenhaften Edain-Stammesfürsten aus dem Augen hatte, konnte von seinem Gipfel aus den weißen Turm am Hafen der Ersten Zeitalter erhalten; und nach Gil-galads Tod war auch die Linie der Hoch- Eldar in Eressea sehen. Von dort kamen die Eldar zu den Edain herübergefahren elbenkönige in Mittelerde nur noch durch die Nachkommen der Halbelben und machten sie um viele Kenntnisse und Geschenke reicher. Den Edain aber vertreten. war ein Verbot auferlegt worden, der »Bann der Valar«: Sie durften nicht außer Am Ende des Ersten Zeitalters erwirkten die Valar von den Halbelben eine Sichtweite der eigenen Küsten nach Westen segeln oder versuchen, den Fuß auf unwiderrufliche Entscheidung, welchem der beiden Geschlechter sie angehören die Lande der Unsterblichen zu setzen. Denn obwohl ihnen ein langes Leben wollten. Elrond entschied sich für die Elben und wurde ein Weiser. Ihm wurde gewährt war, anfangs dreimal so lange wie das Leben gewöhnlicher Menschen, daher dieselbe Gunst gewährt wie denjenigen Hochelben, die noch immer in mussten sie doch sterblich bleiben, denn den Valar war nicht erlaubt, ihnen die Mittelerde verweilten: dass er, wenn er schließlich der Sterblichenlande müde »Gabe der Menschen« zu nehmen (oder das Menschenlos, wie man es später würde, bei den Grauen Anfurten zu Schiff gehen und in den Äußersten Westen nannte). fahren könne; und dies galt auch nach der Verwandlung der Welt. Elronds Kinder Elros wurde der erste König von Númenor und trug später den hochelbischen wurden ebenfalls vor eine Wahl gestellt: entweder mit ihm aus den Kreisen der Namen Tar-Minyatur. Seine Nachkommen waren langlebig, aber sterblich. Welt zu scheiden oder aber, wenn sie blieben, sterblich zu werden und in Mittel- Später, als sie viel Macht errangen, reute sie die Entscheidung ihres Ahnherrn; erde den Tod zu erwarten. Für Elrond war daher jeder mögliche Ausgang des sie wünschten sich die Unsterblichkeit in dieser Welt, die das Schicksal der Eldar Ringkriegs schmerzlich. war, und murrten gegen den Bann. So kam es, dass sie sich empörten und Sau- Elros entschied sich für das Menschengeschlecht und blieb unter den Edain; rons tückische Lehren annahmen, was zum Untergang von Númenor und zur doch wurde ihm ein langes Leben gewährt, viele Male länger als das gewöhnlicher Zertrümmerung der alten Welt führte, wie in der Akallabêth berichtet wird. Menschen. Dies sind die Namen der Könige und Königinnen von Númenor: Zum Lohn für ihre Leiden im Kampf gegen Morgoth wurde den Edain von Elros Tar-Minyatur, Vardamir, Tar-Amandil, Tar-Elendil, Tar-Meneldur, den Welthütern, den Valar, ein Land gegeben, wo sie sich fern von allen Gefahren Tar-Aldarion, Tar-Ancalime (die erste regierende Königin), Tar-Anárion, Mittelerdes niederlassen konnten. Die meisten von ihnen schifften sich daher Tar-Súrion, Tar-Telperien (die zweite Königin), Tar-Minastir, Tar-Ciryatan, ein und fuhren, von Earendils Stern geleitet, übers Meer bis zu der großen Insel Tar-Atanamir der Große, Tar-Ancalimon, Tar-Telemmaite, Tar-Vanimelde Elenna, dem westlichsten aller Sterblichenlande. Dort gründeten sie das Reich (die dritte Königin), Tar-Alcarin, Tar-Calmacil. von Númenor. 26 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 27

Nach Calmacil übernahmen die Könige das Zepter unter Namen aus der Überdies wurden die Könige nach Minastir hab- und machtgierig. Zuerst númenórischen (oder adûnaischen) Sprache: Ar-Adûnakhôr, Ar-Zimrathôn, waren die Númenórer in Mittelerde nur als Lehrer und Freunde der geringeren Ar-Sakalthôr, Ar-Gimilzôr, Ar-Inziladûn. Inziladûn bedauerte das Gebaren Menschenvölker aufgetreten, die unter Sauron zu leiden hatten; doch nun seiner Vorgänger und nahm wieder einen hochelbischen Namen an: Tar-Palantir, wurden ihre Häfen zu Festungen, von denen aus sie weite Küstengebiete in »der Weitblickende«. Seine Tochter hätte die vierte Königin, Tar-Míriël, Knechtschaft hielten. Atanamir und seine Nachfolger erhoben schwere Tribute, werden müssen, doch sein Neffe riss das Zepter an sich: Ar-Pharazôn der und ihre Schiffe kehrten beutebeladen nach Númenor zurück. Goldene, der letzte König von Númenor. Tar-Atanamir war es, der sich zuerst offen gegen den Bann aussprach und In den Tagen Tar-Elendils fuhren zum ersten Mal wieder Schiffe der Núme- erklärte, dass das Leben der Eldar von Rechts wegen auch ihm gebühre. So ver- nórer nach Mittelerde. Tar-Elendils ältestes Kind war eine Tochter, Silmariën. dichtete sich der Schatten, und der Gedanke an den Tod verdunkelte die Herzen Ihr Sohn war Valandil, der erste der Fürsten von Andunië, die für ihre Freund- der Menschen. Nun bildeten sich Parteien: einerseits die Könige und ihre schaft mit den Eldar bekannt waren. Von ihm stammten Amandil ab, der letzte Gefolgsleute, die den Eldar und den Valar fremd geworden waren; andererseits Fürst des Hauses, und dessen Sohn Elendil der Lange. die wenigen, die sich selbst die Getreuen nannten. Von diesen wohnten die Der sechste König hinterließ nur ein Kind, eine Tochter. Sie wurde die erste meisten im Westen des Landes. Königin, und damals wurde es zum Gesetz für das Königshaus, dass jeweils das Die Könige und ihre Anhänger gingen nach und nach vom Gebrauch der älteste Kind, ob Mann oder Frau, das Zepter übernehmen solle. Elbensprachen ab, und schließlich nahm der zwanzigste König einen Herrscher- namen in der númenórischen Form an: Er nannte sich Ar-Adûnakhôr, »Herr Das Reich von Númenor bestand bis zum Ende des Zweiten Zeitalters, bei des Westens«. Dies schien den Getreuen nichts Gutes zu verheißen, denn bisher fortwährendem Zuwachs an Macht und Glanz; und während der ersten Hälfte hatten sie diesen Titel nur einem oder dem Ältesten König selbst beigelegt. des Zeitalters wurden die Númenórer auch immer klüger und glücklicher. Das Und tatsächlich begann Ar-Adûnakhôr die Getreuen zu verfolgen und alle, die erste Anzeichen des Schattens, der später auf sie fallen sollte, trat in den Tagen sich öffentlich der Elbensprachen bedienten, zu bestrafen; und die Eldar Tar-Minastirs auf, des elften Königs. Er war es, der Gil-galad ein großes Heer besuchten Númenor nicht länger. zu Hilfe schickte. Er schätzte die Eldar, aber er beneidete sie. Die Númenórer Macht und Reichtum der Númenórer wuchsen indessen weiter; doch ihre waren nun große Seefahrer geworden; und nachdem sie alle Meere im Osten Lebenszeit wurde kürzer, während zugleich ihre Todesfurcht zunahm und ihr erkundet hatten, dachten sie immer sehnsüchtiger an die verbotenen Gewässer Dasein freudlos wurde. Tar-Palantir versuchte, das Unheil abzuwenden, aber im Westen. Je glücklicher ihr Leben war, desto mehr verlangte es sie nach der es war zu spät, und in Númenor kam es zum Zwist und Aufstand. Als er starb, Unsterblichkeit der Eldar. ergriff sein Neffe das Zepter, der Anführer des Aufstands, und machte sich zum 28 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 29

König. Ar-Pharazôn der Goldene war der stolzeste und mächtigste aller Könige, Die letzten Führer der Getreuen, Elendil und seine Söhne, entkamen dem und sein Bestreben zielte auf nichts Geringeres als die Weltherrschaft. Untergang mit neun Schiffen, auf denen sie einen Sämling von Nimloth und Er beschloss, Sauron dem Großen die Vorherrschaft in Mittelerde streitig zu die Sieben Sichtsteine (ein Geschenk der Eldar für ihr Haus) mitführten, und machen. Mit einer gewaltigen Flotte stach er in See und landete in Umbar. So ein gewaltiger Sturm trug sie davon und warf sie an die Küsten von Mittelerde. stark und prächtig war das Heer der Númenórer, dass Sauron, von den eigenen Dort, im Nordwesten, gründeten sie die númenórischen Exilreiche von Arnor Dienern im Stich gelassen, sich demütigte und unterwarf und um Verzeihung und Gondor. Elendil wurde ihr Hoher König und nahm seinen Sitz im Norden, bat. Da nahm ihn Ar-Pharazôn, vom Hochmut verblendet, als Gefangenen mit in Annúminas; die Herrschaft im Süden übertrug er seinen Söhnen Isildur nach Númenor. Es dauerte nicht lange, und Sauron hatte den König behext und Anárion. Dort gründeten sie die Stadt Osgiliath, zwischen Minas Ithil und und verstand alle seine Entschlüsse zu lenken; und bald hatte er bis auf einen Minas Anor gelegen, unweit der Grenzen von Mordor. Denn sie glaubten, kleinen Rest der Getreuen alle Númenórer für die Sache des Dunkels einge- wenigstens dies eine Gute habe das Unglück bewirkt, dass auch Sauron mit nommen. umgekommen sei. Sauron machte dem König weis, das ewige Leben werde dem zuteil, der die Doch so war es nicht. Zwar hatte Sauron beim Untergang von Númenor Schaden Lande der Unsterblichen besitze, und der Bann sei nur verhängt worden, damit genommen, sodass die leibliche Gestalt, in der er lange aufgetreten war, zugrunde die Könige der Menschen nicht mächtiger würden als die Valar. »Doch große ging; aber er rettete sich nach Mittelerde, ein Geist des Hasses, getragen von Könige«, sagte er, »nehmen sich, was ihnen zukommt.« einem dunklen Wind. Hernach konnte er nie wieder eine für Menschen erträg- Schließlich hörte Ar-Pharazôn auf diesen Rat, denn er spürte, dass seine Tage liche äußere Erscheinung annehmen; er wurde schwarz und abscheulich und gezählt waren, und die Todesfurcht trübte seinen Verstand. Er rüstete die größte herrschte nur noch durch Schrecken. Er kehrte zurück nach Mordor und hielt Streitmacht, die die Welt je gesehen hatte, und als alles bereit war, ließ er die sich dort eine Zeit lang in aller Stille verborgen. Doch es erboste ihn gewaltig zu Trompeten blasen und die Segel setzen. Den Bann der Valar brechend, zog er erfahren, dass Elendil, den er am innigsten hasste, davongekommen war und gegen die Herren des Westens in den Krieg, um ihnen das ewige Leben abzu- nun an seinen Grenzen ein Reich errichtete. ringen. Doch als er den Fuß ans Ufer des gesegneten Landes Aman setzte, legten die Valar ihr Hüteramt nieder und riefen den Einen an, und der Bau der Welt Daher überzog er die Exilreiche nach einiger Zeit mit Krieg, um sie nicht erst wurde geändert. Númenor wurde zertrümmert und vom Meer verschlungen, Wurzel fassen zu lassen. Von neuem brach der Orodruin in Flammen aus, und und die Lande der Unsterblichen wurden für immer aus den Kreisen der Welt in Gondor erhielt er einen neuen Namen: Amon Amarth, der Schicksalsberg. Aber entrückt. So endete Númenors Herrlichkeit. Sauron führte seinen Schlag zu früh, bevor er die eigene Macht wieder gefestigt 30 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 31

hatte, während Gil-galad in seiner Abwesenheit mächtiger geworden war; und Die südliche Linie: Anárions Erben als das Letzte Bündnis gegen ihn geschlossen wurde, konnte es Sauron nieder- Könige von Gondor: (Elendil, Isildur und) Anárion † Z. Z. 3440, Meneldil (Aná- werfen und ihm den Einen Ring abnehmen. So endete das Zweite Zeitalter. rions Sohn) 158, Cemendur 238, Earendil 324, Anardil 411, Ostoher 492, Rómendacil I. (Tarostar) † 541, Turambar 667, Atanatar I. 784, Siriondil 830. Es folgten die vier »Schiffskönige«: 2. Die Reiche im Exil Tarannon Falastur 913. Er war der erste kinderlose König, und der Sohn seines Bruders Tarciryan wurde sein Nachfolger. Earnil I. † 936, Ciryandil † 1015, Hyar- Die nördliche Linie: Isildurs Erben mendacil I. (Ciryaher) 1149. Gondor erreichte nun den Gipfel seiner Macht. Arnor: Elendil † Z. Z. 3441, Isildur † 2, Valandil2 249, Eldacar 339, Arantar Atanatar II. Alcarin, »der Prächtige« 1226, Narmacil I. 1294. Er war der 435, Tarcil 515, Tarondor 602, Valandur † 652, Elendur 777, Earendur 681. zweite kinderlose König, und sein jüngerer Bruder wurde sein Nachfolger. Arthedain: Amlaith von Fornost3 (Earendurs ältester Sohn) 946, Beleg 1029, Calmacil 1304, Minalcar (Regent 1240–1304), gekrönt 1304 als Rómendacil II., Mallor 1110, Celepharn 1191, Celebrindor 1272, Malvegil 13494, Argeleb I. starb 1366. Valacar 1432, zu seiner Zeit begann Gondors erste Krise, der † 1356, Arveleg I. 1409, Araphor 1589, Argeleb II. 1670, Arvegil 1743, Arveleg II. Sippenstreit. 1813, Araval 1891, Araphant 1964, Arvedui der Letzte † 1975. Ende des Nörd- Eldacar, Valacars Sohn (zuerst Vinitharya genannt), abgesetzt 1347. Castamir, lichen Königsreichs. der Thronräuber † 1447. Eldacar, wieder eingesetzt, starb 1490. Stammesoberhäupter: Aranarth (Arveduis ältester Sohn) 2106, Arahael 2177, Aldamir (zweiter Sohn Eldacars) † 1540, Hyarmendacil II. (Vinyarion) 1621, Aranuir 2247, Aravir 2319, Aragorn I. † 2327, Araglas 2455, Arahad I. 2523, Minardil † 1634, Telemnar † 1636. Telemnar und alle seine Kinder erlagen der Aragost 2588, Aravorn 2654, Arahad II. 2719, Arassuil 2784, Arathorn I. Pest; Nachfolger wurde sein Neffe (der Sohn Minastans, des zweiten Sohnes von † 2848, Argonui 2912, Arador † 2930, Arathorn II. † 2933, Aragorn II. Minardil) Tarondor 1798, Telumehtar Umbardacil 1850, Narmacil II. † 1856, V. Z. 120. Calimehtar 1936, Ondoher † 1944. Ondoher und seine zwei Söhne fielen in der Schlacht. Ein Jahr später, 1945, wurde die Krone dem siegreichen General Earnil verliehen, einem Nachkommen Telumehtar Umbardacils. Earnil II. 2043, Earnur † 2050. Hier endete die Linie der Könige, bis sie 3019 von Elessar 2 Isildurs vierter Sohn, geboren in Imladris. Seine Brüder fielen auf den Schwertelfeldern. Telcontar wieder aufgenommen wurde. In der Zwischenzeit regierten die 3 Nach Earendur trugen die Könige ihren Namen nicht mehr in der hochelbischen Form. 4 Nach Malvegil erhoben die Könige in Fornost wieder Anspruch auf die Herrschaft über ganz Arnor und stellten Statthalter das Reich. zum Zeichen dafür ihrem Namen die Silbe ar(a) voran. 32 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 33

Statthalter von Gondor: Das Haus Húrin; Pelendur 1998. Er regierte nach Ondo- stilles Elbenland, das Menschen nicht betraten; doch an den Osthängen der hers Tod ein Jahr lang und riet zur Ablehnung von Arveduis Anspruch auf die Blauen Berge lebten und leben noch immer Zwerge, besonders in der Gegend Krone. Vorondil der Jäger5 2029: Mardil Voronwe, »der Standhafte«, der erste südlich der Förde von Lhûn, wo sie seit alter Zeit Bergwerke betreiben. Daher Regierende Statthalter. Seine Nachfolger trugen keine hochelbischen Namen mehr. waren sie es gewohnt, auf ihren Wegen nach Osten die Große Straße entlangzu- Regierende Statthalter: Mardil 2080, Eradan 2116, Herion 2148, Belegorn 2204, ziehen, wie sie es schon seit vielen Jahren getan hatten, ehe wir ins Auenland Húrin I. 2244, Túrin I. 2278, Hador 2395, Barahir 2412, Dior 2435, Dene- kamen. Bei den Grauen Anfurten wohnte Círdan der Schiffbauer, und manche thor I. 2477, 2489, Cirion 2567. Zu seiner Zeit kamen die Rohirrim sagen, er wohne noch immer dort, bis das letzte Schiff nach Westen abfährt. Zur nach Calenardhon. Zeit der Könige wohnten die meisten der Hochelben, die noch in Mittelerde Hallas 2605, Húrin II. 2628, Belecthor I. 2655, Orodreth 2685, Ecthelion I. verweilten, bei Círdan oder in den küstennahen Gebieten von Lindon. Vielleicht 2698, Egalmoth 2743, Beren 2763, Beregond 2811, Belecthor II. 2872, Tho- sind einige heute noch dort, aber nur wenige.« rondir 2882, Túrin II. 2914, Turgon 2953, Ecthelion II. 2984, II. Er war der letzte Regierende Statthalter, und sein Nachfolger wurde sein zweiter Das Nördliche Königreich und die Dúnedain Sohn , Fürst von Emyn Arnen, König Elessars Statthalter, V. Z. 82. Auf Elendil und Isildur folgten acht Hohe Könige von Arnor. Nach Earendurs Tod zerstritten sich seine Söhne, und das Reich zerfiel in drei Teile: Arthedain, Rhudaur und Cardolan. Arthedain, im Nordwesten, umfasste das Gebiet zwischen 3. Eriador, Arnor und Isildurs Erben Brandywein und Lhûn, außerdem das Land nördlich der Großen Straße bis zu den Wetterbergen. Rhudaur lag im Nordosten zwischen den Ettenöden, den »Eriador war von alters her der Name aller Lande zwischen dem Nebelgebirge Wetterbergen und dem Nebelgebirge, doch auch der Winkel zwischen Weißquell und den Blauen Bergen; im Süden waren seine Grenzen die Grauflut und der und Lautwasser gehörte dazu. Cardolan lag südlich der Großen Straße zwischen Glanduin, der oberhalb von Tharbad in sie mündet. Brandywein und Grauflut. Zur Zeit seiner größten Ausdehnung umfasste Arnor ganz Eriador, ausge- In Arthedain setzte sich Isildurs Erblinie fort, doch in Cardolan und Rhudaur nommen die Gebiete nordwestlich des Lhûn und das Land östlich von Grauflut war sie bald erloschen. Es gab oft Streit zwischen den Königreichen, was den und Lautwasser, wo Bruchtal und Hulsten lagen. Jenseits des Lhûn war grünes, Niedergang beschleunigte. Meistens ging es dabei um den Besitz der Wetterberge und des westlich davon, nach hin gelegenen Landstrichs. Sowohl Rhudaur 5 Die wilden Rinder, die damals in der Gegend um das Meer von Rhûn zu finden waren, stammen der Sage nach von den Rindern Araws ab, des Jägers unter den Valar, der als Einziger von ihnen in den Ältesten Tagen oft nach Mittel- wie auch Cardolan waren bestrebt, den Amon Sûl (die Wetterspitze) an sich zu erde kam. Die hochelbische Form seines Namens ist Orome. bringen, der an der Grenze ihres Reiches stand; denn in dem Turm auf diesem 34 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 35

Berg befand sich der wichtigste Palantír des Nordens, während die beiden anderen doch der Palantír wurde beim Rückzug gerettet und nach Fornost gebracht. in Arthedain verwahrt wurden. Rhudaur wurde nun ganz von den üblen, Angmar ergebenen Menschen besetzt, und die dort noch verbliebenen Dúnedain wurden getötet, oder sie flohen nach »In Arthedain hatte eben Malvegil die Herrschaft angetreten, als sich das Westen. Cardolan wurde verwüstet. Arvelegs Sohn Araphor war noch nicht Unglück für Arnor anbahnte. Denn zu dieser Zeit erwuchs im Norden jenseits erwachsen, aber ein tapferer Fürst, und mit Círdans Hilfe konnte er die Feinde der Ettenöden das Reich von Angmar. Es erstreckte sich beiderseits des Nebel- von Fornost und den Nordhöhen zurückschlagen. Ein Rest der Getreuen unter gebirges, und dort sammelten sich allerlei menschliches Gelichter, Orks und den Dúnedain von Cardolan hielt sich außerdem noch in den Tyrn Gorthad andere Unwesen. [Den Herrscher über dieses Land nannte man den Hexenkönig, (den Hügelgräberhöhen) oder fand Zuflucht in dem Wald dahinter. und erst später wurde bekannt, dass er niemand anders als der oberste der Es heißt, eine Zeit lang sei Angmar von dem Elbenvolk aus Lindon in Schach Ringgeister und mit der Absicht in den Norden gekommen war, die Dúnedain gehalten worden; und auch Bruchtal leistete Hilfe, denn Elrond holte über zu vernichten, wozu ihre Uneinigkeit gute Aussichten bot, während Gondor die Berge Elben aus Lórien heran. Zu dieser Zeit war es, dass die Starren, die noch stark war.]« im Winkel zwischen Weißquell und Lautwasser gewohnt hatten, vor den Kriegen Zur Zeit von Malvegils Sohn Argeleb erhoben die Könige von Arthedain von und den Schrecknissen aus Angmar nach Westen und Süden flohen, auch des- neuem Anspruch auf die Herrschaft über ganz Arnor, da in den anderen Reichen halb, weil Land und Klima in Eriador, besonders im Osten, immer schlechter keine Nachkommen Isildurs mehr lebten. Rhudaur wies den Anspruch zurück. und unfreundlicher wurden. Manche kehrten nach Wilderland zurück, ließen Dort gab es nur noch wenige Dúnedain, und ein böser Fürst der Bergmenschen, sich am Schwertelfluss nieder und wurden ein Fischervolk. der insgeheim mit Angmar im Bunde stand, hatte die Macht an sich gerissen. Argeleb befestigte daher die Wetterberge; doch er fiel im Krieg gegen Rhudaur Zur Zeit Argelebs II. drang von Südosten her die Pest nach Eriador ein, und die und Angmar. meisten Menschen in Cardolan, besonders in Minhiriath, kamen um. Auch die Argelebs Sohn Arveleg konnte mit Hilfe aus Cardolan und Lindon die Feinde Hobbits und alle anderen Völker hatten schwer zu leiden, doch nach Norden zu von den Bergen vertreiben; und dann verteidigten Arthedain und Cardolan schwächte die Seuche sich ab, und die nördlichen Teile von Arthedain berührte viele Jahre lang eine Grenze längs der Wetterberge, der Großen Straße und des sie kaum. Zu dieser Zeit fanden die Dúnedain von Cardolan ihr Ende, und unteren Weißquells. Es heißt, in dieser Zeit sei Bruchtal belagert worden. üble Geister aus Angmar und Rhudaur drangen in die verlassenen Hügelgräber 1409 kam ein großes Heer aus Angmar, drang über den Fluss nach Cardolan ein und hausten dort. hinein und umzingelte die Wetterspitze. Die Dúnedain wurden besiegt, und Arveleg fiel. Der Turm auf dem Amon Sûl wurde niedergebrannt und geschleift; 36 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 37

»Es heißt, die Hügelgräber der Tyrn Gorthad, wie man die Hügelgräberhöhen (wie sie sagten) nach Belieben Frost oder Tauwetter machen konnte. Doch teils einst nannte, seien sehr alt; und viele hätten schon die Vorväter der Edain in aus Mitleid mit dem halb verhungerten König und seinen Männern, teils aus der alten Welt des Ersten Zeitalters angelegt, bevor sie über die Blauen Berge Furcht vor ihren Waffen gaben sie ihnen ein wenig zu essen und bauten ihnen nach Beleriand gingen, von dem heute allein Lindon noch übrig ist. Diese Hügel Schneehütten. Dort konnte Arvedui nur warten und auf Hilfe von Süden hoffen, wurden daher von den Dúnedain nach ihrer Rückkehr in Ehren gehalten, und denn seine Pferde waren umgekommen. viele ihrer Fürsten und Könige wurden dort begraben. [Einige sagen, der Hügel, Als Círdan von Arveduis Sohn Aranarth erfuhr, dass der König nach Norden in dem der Ringträger gefangen wurde, sei das Grab des letzten Fürsten von geflohen war, schickte er sogleich ein Schiff nach Forochel, um ihn zu suchen. Cardolan gewesen, der im Krieg von 1409 gefallen war.]« Wegen widriger Winde kam das Schiff erst nach vielen Tagen dort an, und die Seeleute sahen schon von weitem das kleine Treibholzfeuer, das die Verlassenen »1974 hatte Angmars Macht wieder zugenommen, und der Hexenkönig fiel notdürftig unterhielten. Aber der Winter wollte in diesem Jahr noch nicht weichen, über Arthedain her, ehe noch der Winter vorüber war. Er eroberte Fornost und und obwohl es schon März war, brach das Eis erst langsam auf und reichte noch vertrieb den größten Teil der überlebenden Dúnedain über den Lhûn, unter weit vor die Küste hinaus. ihnen die Söhne des Königs. König Arvedui selbst aber hielt auf den Nordhöhen Die Schneemenschen erblickten das Schiff mit Furcht und Erstaunen, denn bis zuletzt stand und floh dann mit einigen Leibwächtern nach Norden. Dank ein solches hatten sie noch nie gesehen, soweit ihre Erinnerungen zurückreichten; der Schnelligkeit ihrer Pferde entkamen sie. doch inzwischen waren sie hilfsbereiter, und sie zogen den König und seine Eine Zeit lang hielt sich Arvedui in den Stollen der alten Zwergenminen überlebenden Gefährten auf ihren Gleitkarren so weit aufs Eis hinaus, wie sie am Nordende des Gebirges verborgen, doch schließlich trieb ihn der Hunger, es wagten. Dort konnte ein Boot vom Schiff sie erreichen. die Lossoth6 um Hilfe zu bitten, die Schneemenschen von Forochel. Einige von Doch die Schneemenschen waren besorgt; denn, sagten sie, sie könnten Gefahr ihnen traf er in einem Lager am Meeresufer; aber sie halfen dem König nicht aus dem Wind wittern. Und der Häuptling der Lossoth sagte zu Arvedui: ›Steige gern, denn er hatte ihnen nichts zu bieten außer ein paar Edelsteinen, denen nicht auf dieses Seeungeheuer! Lass die Seeleute uns Nahrung bringen und sie keinen Wert beimaßen. Außerdem fürchteten sie den Hexenkönig, der anderes Brauchbare, das sie vielleicht haben, und dann bleibe hier, bis der Hexenkönig heimgeht. Denn im Sommer schwindet seine Macht; jetzt aber ist 6 Dies ist ein merkwürdiges, unfreundliches Volk, ein Überrest der Forodwaith, der Menschen aus ferner Zeit, die sich an die bittere Kälte in Morgoths Reich gewöhnt hatten. Noch immer ist es in dieser Gegend eiskalt, obwohl sein Hauch tödlich, und sein kalter Arm ist lang.‹ sie kaum mehr als hundert Wegstunden nördlich vom Auenland liegt. Die Lossoth wohnen im Schnee; es heißt, Doch Arvedui nahm den Rat nicht an. Er dankte ihm und gab ihm zum sie könnten mit Knochen an den Füßen übers Eis laufen und hätten Wagen ohne Räder. Zumeist leben sie, für ihre Feinde unerreichbar, auf dem großen Kap Forochel, das die gewaltige Meeresbucht gleichen Namens nach Nord- Abschied seinen Ring mit den Worten: ›Dies Ding ist von höherem Wert, als westen abschirmt; aber oft lagern sie auch an den Südufern der Bucht, am Fuß des Gebirges. du ermessen kannst, schon seines Alters wegen. Es besitzt keine Kraft außer der 38 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 39

Hochachtung derer, die meinem Haus verbunden sind. Es kann dir nicht helfen, noch lange auf die Wiederkehr des Königs. Doch schließlich war auch diese doch wenn du je in Not bist, wird meine Sippe es auslösen und dir viel von Hoffnung vergessen, und nur noch eine Redensart erinnerte an sie: Wenn der König allem dafür geben, was du dir nur wünschen kannst.‹7 wiederkommt, sagte man, um zu vertrösten, wenn etwas Gutes nun einmal nicht Doch, ob aus Zufall oder Voraussicht, der Rat der Lossoth war gut gewesen; denn möglich oder etwas Schlimmes nicht zu ändern war. Der erste Thain des Auen- bevor das Schiff aufs offene Meer hinausgelangt war, brach ein schwerer Sturm los landes war ein gewisser Bucca aus dem Bruch, von dem die Altbocks abzustammen und trug von Norden blendendes Schneegestöber heran; er trieb das Schiff ins Eis behaupten. Thain wurde er im Jahre 379 unserer Zeitrechnung (1979). zurück und keilte es ein. Selbst Círdans Seeleute waren da hilflos, und in der Nacht zerdrückte das Eis den Rumpf, und das Schiff sank. So endete der Letztkönig Mit Arvedui nahm das Nördliche Königreich ein Ende, denn die Dúnedain Arvedui, und mit ihm wurde die Palantíri im Meer begraben.8 Die Nachricht von waren nur noch wenige, und alle Völker von Eriador schrumpften zusammen. dem Schiffbruch erfuhr man erst viel später von den Schneemenschen.« Das Geschlecht der Könige aber pflanzte sich fort in den Stammesfürsten der Dúnedain, von denen Arveduis Sohn Aranarth der Erste war. Dessen Sohn Die Hobbits überstanden den Krieg, der über das Auenland hinwegfegte, obwohl Arahael wurde in Bruchtal aufgezogen wie auch alle Söhne der Stammesfürsten die meisten sich in Verstecke flüchten mussten. Dem König schickten sie ein nach ihm; und alle Erbstücke ihres Hauses wurden dort verwahrt: die Bruch- paar Bogenschützen zu Hilfe, die nie wiederkehrten; und andere zogen auch mit stücke von Narsil, Elendils Stern und das Zepter von Annúminas.9 in die Schlacht, in der Angmar dann niedergeworfen wurde (über die in den »Nach dem Ende ihres Königreichs traten die Dúnedain in den Schatten. Sie Annalen des Südens mehr gesagt wird). In der nun folgenden Friedenszeit wurden ein verborgen lebendes, umherwanderndes Volk, von dessen Mühen und regierte das Auenlandvolk sich selbst und gedieh gut dabei. Es wählte sich einen Taten kaum gesungen oder berichtet wurde. Wenig ist nun über sie in Erinnerung Thain als Stellvertreter des Königs und war zufrieden; allerdings hofften viele 9 Das Zepter, so sagt uns der König, war in Númenor das wichtigste Wahrzeichen der Königswürde, und ebenso in 7 Auf diese Weise wurde der Ring des Hauses Isildur gerettet, denn die Dúnedain lösten ihn später aus. Es heißt, Arnor, dessen Könige keine Krone trugen, sondern einen einzigen weißen Edelstein, den Elendilmir, Elendils Stern, dies sei derselbe Ring gewesen, den Felagund von Nargothrond einst Barahir gab und den Beren unter großer auf der Stirn durch einen Silberreif festgehalten. Wo Bilbo von einer Krone sprach, dachte er sicherlich an Gondor; Gefahr wiedergewann. er scheint über die Geschichte von Aragorns Geschlecht gut im Bilde gewesen zu sein. Das Zepter von Númenor 8 Dies waren die Steine von Annúminas und vom Amon Sûl. Im Norden verblieb nur noch der Stein im Turm auf den soll mit Ar-Pharazôn untergegangen sein. Das von Annúminas war der silberne Stab der Fürsten von Andúnië und Emyn Beraid, der auf die Förde von Lhûn hinausblickt. Dieser wurde von den Elben bewacht, und obwohl wir nie ist heute wohl das älteste in Mittelerde erhaltene Werk von menschlicher Hand. Es war schon über fünftausend etwas davon erfuhren, befand er sich immer dort, bis Círdan ihn auf Elronds Schiff brachte, bevor es nach Westen Jahre alt, als Elrond es Aragorn aushändigte. Die Krone von Gondor hatte die Form eines númenórischen Helms. auslief. Doch sagt man uns, er sei von den anderen ganz verschieden und nicht mit ihnen abgestimmt gewesen; Ursprünglich soll sie tatsächlich ein gewöhnlicher Helm gewesen sein, und zwar derjenige, den Isildur in der er habe nur aufs Meer hinausgeblickt. Elendil habe ihn dort aufgestellt, um »geraden Blicks« zurückschauen und Schlacht auf der Dagorlad trug (denn Anárions Helm war durch den vom Barad-dûr herabgeworfenen Stein Eressea im verschwundenen Westen sehen zu können; Númenor aber blieb für immer von Meeren der krummen zertrümmert worden, der ihn tötete). Doch zur Zeit Atanatar Alcarins wurde dieser durch den juwelenbesetzten Welt bedeckt. Helm ersetzt, mit dem Aragorn dann gekrönt wurde. 40 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 41

geblieben, seit Elrond fort ist. Obwohl schon vor dem Ende des Wachsamen Volk unsere Grenzen überschreiten darf. Doch oft kommt er mit vielen Edlen Friedens wieder manche Unwesen über Eriador herzufallen oder sich einzu- an die Große Brücke und begrüßt dort seine Freunde und alle andern, die ihn schleichen begannen, starben die meisten Stammesfürsten nach langem Leben sehen wollen; und manche reiten dann mit ihm und wohnen in seinem Haus, eines natürlichen Todes. Aragorn I., heißt es, fiel den Wölfen zum Opfer, die solange es ihnen beliebt. Thain Peregrin ist oft dort gewesen, und ebenso Meister seither bis auf den heutigen Tag in Eriador eine Gefahr geblieben sind. In den Samweis, der Bürgermeister. Seine Tochter, die schöne Elanor, ist eine von Tagen Arahads I. machten sich die Orks plötzlich wieder bemerkbar, die, wie Königin Abendsterns Ehrenjungfrauen.« später deutlich wurde, seit langem geheime Stützpunkte in den Nebelbergen Es war der Stolz und das Wunder der nördlichen Linie, dass sie trotz des angelegt hatten, von denen aus sie alle Pässe sperren konnten. 2509 lauerten sie Verlusts der Macht und dem Schwund ihres Volkes über viele Generationen hin am Rothornpass Elronds Gattin Celebrían auf, die nach Lórien unterwegs war. die Erbfolge vom Vater zum Sohn lückenlos aufrechterhalten konnte. Außerdem Nachdem ihre Eskorte durch den überraschenden Angriff der Orks zersprengt ging die Langlebigkeit der Dúnedain in Mittelerde zwar immer mehr zurück, war, wurde sie gefangen genommen und weggeschleppt. Elladan und Elrohir in Gondor aber besonders schnell, nachdem das Geschlecht der Könige dort konnten sie befreien, aber erst, nachdem man sie gefoltert und ihr eine vergiftete erloschen war; während im Norden viele der Stammesfürsten noch immer das Wunde beigebracht hatte. Sie wurde nach Imladris zurückgebracht, doch obwohl doppelte Menschenalter erreichten und weit älter wurden als selbst die Ältesten Elrond sie körperlich heilen konnte, war ihr Mittelerde verleidet. Im Jahr darauf unter uns. Aragorn lebte immerhin hundertundneunzig Jahre, länger als jeder ritt sie zu den Anfurten und fuhr übers Meer. Auch später, zur Zeit Arassuils, seiner Vorfahren seit dem König Arvegil; doch in Aragorn Elessar war die vermehrten die Orks sich wieder im Nebelgebirge und begannen das Land zu Würde der Könige von einst wiederhergestellt. verheeren; und die Dúnedain und Elronds Söhne bekämpften sie. Zu dieser Zeit war es, dass eine große Horde weit nach Westen bis ins Auenland vordrang, wo sie von Bandobras Tuk vertrieben wurde.« 4. Gondor und Anárions Erben

Fünfzehn Stammesfürsten folgten einander, bevor der sechzehnte und letzte Auf Anárion, der vor Barad-dûr gefallen war, folgten in Gondor einunddreißig geboren wurde, Aragorn II., der wieder König von Gondor und Arnor wurde. Könige. Obwohl die Kriege an den Grenzen nie aufhörten, vermehrten die »Unseren König nennen wir ihn; und wenn er nach Norden kommt, um für Dúnedain des Südens über tausend Jahre lang zu Wasser und zu Lande ihre Macht eine Weile sein Haus im wieder aufgebauten Annúminas am Abendrotsee zu und ihren Reichtum, bis zur Regierungszeit Atanatars II., der den Beinamen bewohnen, freut sich das ganze Auenland. Aber unser Land betritt er nicht, denn Alcarin, der Prächtige, erhielt. Doch die Vorzeichen ihres Niedergangs waren er hält sich an das Gesetz, das er selbst erlassen hat: dass keiner vom Großen da schon zu erkennen, denn die Edlen des Südens heirateten spät und hatten 42 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 43

wenige Kinder. Der erste kinderlose König war Falastur, der zweite Narmacil I., Viele Jahre lang blieb Umbar zu Lande eingeschlossen, konnte aber dank Atanatar Alcarins Sohn. Gondors Seemacht nicht erobert werden. Ciryandils Sohn Ciryaher wartete ab, Ostoher, der siebente König, ließ Minas Anor erneuern, dem die Könige dann bis er genug Streitkräfte gesammelt hatte, und rückte dann zugleich zur See als Sommersitz den Vorzug vor Osgiliath gaben. Zu dieser Zeit wurde Gondor und zu Lande von Norden heran. Sein Heer überschritt den Fluss Harnen und zum ersten Mal von wilden Menschenvölkern aus dem Osten angegriffen. Ostohers besiegte die Menschen von vollständig, sodass ihre Könige die Ober- Sohn Tarostar besiegte und vertrieb sie; er legte sich den Namen Rómendacil, hoheit Gondors anerkennen mussten (1050). Ciryaher legte sich den Namen »Ost-Sieger«, bei. Später jedoch fiel er im Kampf mit neu herandrängenden Hyarmendacil, »Südsieger«, bei. Scharen von Ostlingen. Sein Sohn Turambar rächte ihn und gewann im Osten große Gebiete. Während Hyarmendacils langer Regierungszeit wagte dann kein Feind mehr, Mit Tarannon, dem zwölften König, begann die Folge der Schiffskönige, seine Macht anzufechten. Hundertvierunddreißig Jahre war er König, länger die Flotten bauten und Gondors Macht an den Küsten westlich und südlich der als alle anderen Nachkommen Anárions, bis auf einen. Zu seiner Zeit erreichte Anduin-Mündungen ausweiteten. Um seiner Siege als Feldherr zu gedenken, nahm Gondor den Gipfel seiner Macht. Das Reich erstreckte sich nun nach Norden Tarannon bei seiner Krönung den Namen Falastur an, »Herr der Küsten«. bis zum Celebrant und zum Südrand des Düsterwalds, nach Westen bis zur Grau- Sein Neffe Earnil I., der ihm folgte, ließ den alten Hafen Pelargir ausbessern flut, nach Osten bis zum Binnenmeer von Rhûn, nach Süden bis zum Harnen und baute eine starke Flotte auf. Dann belagerte er Umbar von der See und und am Küstenstreifen weiter bis zur Halbinsel von Umbar und ihrem Hafen. vom Land aus und nahm es ein. Es wurde ein großer Hafen und eine Festung Die Menschen in den Anduin-Tälern erkannten seine Hoheit an; die Könige im Dienste Gondors.10 Earnil aber konnte sich seines Sieges nicht lange freuen. von Harad leisteten Gondor Gefolgschaft, und ihre Söhne lebten als Geiseln am Mit vielen Schiffen und Menschen ging er unter in einem großen Sturm vor Hof des Königs. Mordor war verödet, wurde aber überwacht von den starken Umbar. Sein Sohn Ciryandil setzte den Flottenbau fort; doch die Menschen von Festungen an den Pässen. Harad, angeführt von den aus Umbar vertriebenen Fürsten, rückten mit einem Damit endete die Zeit der Schiffskönige. Hyarmendacils Sohn Atanatar Alcarin großen Heer gegen die Festung an, und Ciryandil fiel in einer Schlacht in entfaltete viel Prunk, und man sagte, in Gondor lägen die Edelsteine als Spiel- Haradwaith. zeug für die Kinder herum. Doch Atanatar machte es sich zu bequem und tat 10 Das große Kap und die Gegend um die Förde von Umbar waren seit alten Zeiten in númenórischem Besitz; doch nichts, um die ererbte Macht zu wahren; und seine beiden Söhne hielten es waren sie ein Stützpunkt der Königspartei, derjenigen Menschen, die man später die schwarzen Númenórer ebenso. Gondors Niedergang hatte schon begonnen, bevor er starb, was ohne nannte: Sie waren von Sauron bestochen und unversöhnliche Feinde von Elendils Anhängern. Nach Saurons Sturz schrumpfte ihr Volk rasch oder vermischte sich mit den Menschen von Mittelerde, doch ihre Feindschaft Zweifel auch den Feinden nicht entgangen war. Die Überwachung Mordors mit Gondor vererbte sich unvermindert weiter. Umbar war daher nur unter hohen Verlusten zu erobern. wurde vernachlässigt. Dennoch brach das erste große Unheil nicht vor der Zeit 44 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 45

Valacars über Gondor herein: der Bürgerkrieg im Sippenstreit, der schwere zu fahren. Er war es, der an der Einfahrt in den Nen Hithoel die Standbilder Schäden und Verluste brachte, die nie ganz wieder gutgemacht wurden. der Argonath errichten ließ. Da er aber Menschen brauchte und das Band zwi- schen Gondor und den Nordvölkern festigen wollte, nahm er viele Nordmän- Minalcar, Calmacils Sohn, war ein Mann von großer Energie, und 1240 setzte ner in seinen Dienst, und manchen übertrug er hohe Ränge in seinen Heeren. ihn Narmacil, um sich selbst aller Sorgen zu entledigen, als Regenten ein. Besonders hoch in seiner Gunst stand Vidugavia, der ihn im Krieg unterstützt Schon von da an regierte er Gondor im Namen der Könige, bis er seinem Vater hatte. Vidugavia nannte sich König von Rhovanion und war tatsächlich der Calmacil auf den Thron folgte. Ihn beschäftigte vor allem das Verhältnis zu den mächtigste unter den Fürsten des Nordens, obwohl sein eigenes Reich nur Nordmenschen. den Landstreifen zwischen dem Grünwald und dem Celduin (Eilend) umfasste. Diese hatten sich während des durch Gondors Macht erhaltenen Frieden kräftig 1250 schickte Rómendacil seinen Sohn Valacar als Botschafter zu Vidugavia, um vermehrt. Die Könige erwiesen ihnen viel Gunst, weil sie von den geringeren ihn eine Weile dort bleiben und mit Sprache, Sitten und Stammespolitik der Menschenvölkern den Dúnedain am nächsten verwandt waren (denn sie stammten Nordmenschen vertraut werden zu lassen. Doch Valacar tat weit mehr, als sein zumeist von denselben Völkern ab wie die Edain der alten Zeiten), und überließen Vater beabsichtigt hatte. Er gewann Land und Leute lieb und heiratete Vidugavias ihnen weite Gebiete jenseits des Anduin und südlich des Großen Grünwalds, Tochter Vidumavi. Erst einige Jahre darauf kehrte er zurück. Wegen dieser Ehe als Bollwerk gegen die Menschen des Ostens. Denn die Angreifer von dort waren kam es später zum Sippenstreit und zum Krieg. in der Vergangenheit meistens über die Ebene zwischen dem Binnenmeer und »Denn die Edlen von Gondor waren schon vorher auf die Nordmenschen unter dem Aschengebirge gekommen. ihnen nicht gut zu sprechen, und dass nun der Erbe der Krone oder überhaupt Zur Zeit Narmacils I. fielen die Ostlinge von neuem ein, wenn auch zuerst ein Sohn des Königs eine Frau von minderer und fremder Rasse heiraten sollte, nur mit schwachen Streitkräften. Der Regent erfuhr jedoch, dass die Nordmen- war unerhört. Schon als König Valacar alt wurde, kam es in den südlichen Pro- schen nicht immer Gondor die Treue hielten und dass manche auch mit den vinzen zum Aufruhr. Zwar war seine Königin eine schöne und edle Frau gewesen, Ostlingen gemeinsame Sache machten, sei es aus Beutegier oder infolge von aber sie war kurzlebig, und die Dúnedain befürchteten für ihre Nachkommen Streitigkeiten unter ihren Fürsten. Daher führte Minalcar 1248 ein großes Heer das gleiche Schicksal und damit einen Verfall der königlichen Majestät. Auch ins Feld, und zwischen Rhovanion und dem Binnenmeer besiegte er eine starke sträubte man sich dagegen, ihren Sohn als König anzuerkennen, denn er nannte Streitmacht der Ostlinge und zerstörte alle ihre Siedlungen und Lager östlich sich nun zwar Eldacar, war aber in einem fremden Land geboren und hatte als des Meeres. Dann nahm er den Beinamen Rómendacil an. Kind Vinitharya geheißen, wie ihn das Volk seiner Mutter genannt hatte. Nach der Rückkehr befestigte er das Westufer des Anduin bis zur Mündung des Limklar und verbot allen Fremden, über die Emyn Muil hinaus flussabwärts 46 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 47

Daher brach in Gondor Krieg aus, als Eldacar die Nachfolge seines Vaters noch weniger begeistert war man dort, als deutlich wurde, dass er nur an die antrat. Doch Eldacar ließ sich sein Erbe nicht einfach nehmen. Denn zu der Flotten und wenig an das Land dachte und dass er vorhatte, den Sitz des Königs Abkunft aus Gondor kam bei ihm das furchtlose Herz der Nordmenschen hinzu. nach Pelargir zu verlegen. Er war stattlich und tapfer, und kein Anzeichen sprach dafür, dass er schneller So war er erst seit zehn Jahren König, als Eldacar seine Stunde gekommen altern werde als sein Vater. Als die Verbündeten, angeführt von den Nachkommen sah und mit einem großen Heer von Norden heranzog; und aus Calenardhon, der Könige, sich gegen ihn erhoben, wehrte er sich, solange seine Kräfte reich- Anórien und Ithilien lief ihm das Volk zu. In Lebennin, an den Übergängen ten. Schließlich wurde er in Osgiliath belagert und hielt sich, bis der Hunger über den Erui, kam es zur Entscheidungsschlacht, in der viel von Gondors bestem und die Übermacht der Rebellen ihn aus der brennenden Stadt vertrieben. Blut vergossen wurde. Eldacar selbst erschlug Castamir im Zweikampf, und Bei dieser Belagerung und dem Brand wurde der Turm der Sternenkuppel von Ornendil war gerächt; Castamirs Söhne aber entkamen, und mit anderen von Osgiliath zerstört, und der Palantír verschwand in den Fluten des Anduin. ihrer Sippe und vielen Gefolgsleuten von der Flotte hielten sie sich lange in Eldacar aber entkam seinen Feinden und gelangte in den Norden, zu seinen Pelargir. Verwandten in Rhovanion. Viele scharten sich dort um ihn, sowohl Nordmen- Als sie dort alle verfügbaren Kräfte um sich gesammelt hatten (denn Eldacar schen im Dienste Gondors als auch Dúnedain aus den nördlichen Gegenden hatte keine Schiffe, mit denen er ihnen die Seewege hätte abschneiden können), des Reiches. Denn von den Letzteren hatten viele ihn schätzen gelernt, und viele fuhren sie davon und ließen sich in Umbar nieder. Dort schufen sie eine Zuflucht andere kamen hinzu, weil sich der Thronräuber bald unbeliebt machte. Dies für alle Feinde des Königs und gründeten ein von Gondor unabhängiges Reich. war Castamir, ein Enkel Calimehtars, des jüngeren Bruders von Rómendacil II. Über viele Menschenleben hin lag Umbar nun im Krieg mit Gondor, bedrohte Er war nicht nur einer der nächsten Blutsverwandten des Königshauses, sondern Gondors Küstengebiete und seine Seewege. Bis zur Zeit Elessars wurde es nie hatte auch unter den Rebellen die meisten Anhänger, denn er war Oberbefehls- wieder völlig unterworfen; und der Süden von Gondor, zwischen den Korsaren haber der Flotte, und ihn unterstützte das Volk der Küstengebiete und der und den Königen, wurde ein umstrittenes Gebiet.« großen Hafenstädte Pelargir und Umbar. Castamir saß noch nicht lange auf dem Thron, als er sich auch schon als hoch- »Der Verlust von Umbar war bitter für Gondor, nicht nur, weil das Reich im fahrend und unedelmütig erwies. Seine Grausamkeit zeigte sich zuerst bei der Süden an Boden und an Macht über die Völker von Harad verlor, sondern auch, Einnahme von Osgiliath. Eldacars Sohn Ornendil, der in Gefangenschaft geriet, weil an diesem Ort Ar-Pharazôn der Goldene gelandet war, Númenors letzter ließ er umbringen; und das Gemetzel und die Zerstörungen, die auf seinen König, der Sauron gedemütigt hatte. Trotz allen Unheils, das später daraus Befehl in der Stadt angerichtet wurden, gingen weit über das hinaus, was der erwachsen war, gedachten auch Elendils Anhänger voll Stolz der großen Flotte, Krieg erforderte. In Minas Anor und Ithilien wurde dies nicht vergessen; und mit der Ar-Pharazôn aus den Weiten des Meeres gekommen war; und auf der 48 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 49

höchsten Erhebung des Vorgebirges über dem Hafen hatten sie eine hohe weiße von Osten eine tödliche Seuche heran. Der König und alle seine Kinder erlagen Säule als Denkmal aufgestellt. Zuoberst trug sie eine Kristallkugel, die Sonnen- ihr, und ebenso viele Menschen in ganz Gondor, besonders in Osgiliath. Das und Mondstrahlen auffing und wie ein heller Stern leuchtete, sodass sie bei erschöpfte und entvölkerte Reich gab die Wachen an den Grenzen nach Mordor klarem Wetter bis an die Küsten von Gondor oder von weit draußen auf dem auf, und die Festungen an den Pässen waren nicht mehr bemannt. Westmeer zu sehen war. Dort stand sie, bis Umbar nach Saurons zweiter Erhebung, Später bemerkte man, dass dies alles geschah, während zugleich der Schatten die nun näher rückte, unter die Macht seiner Diener fiel und das Andenken auf dem Grünwald dichter wurde und vielerlei Unwesen wieder auftraten, Zeichen seiner Erniedrigung umgestürzt wurde.« für Saurons neues Erstarken. Zwar hatten auch Gondors Feinde zu leiden, sonst hätten sie es in seiner Schwäche gleich überwältigt; doch Sauron konnte warten, Nach Eldacars Rückkehr vermischte sich das Blut der Könige und der anderen und vielleicht ging es ihm vorerst auch nur darum, die Wege nach Mordor wieder Dúnedain-Sippen mehr und mehr mit dem geringerer Menschen. Denn viele zu öffnen. der Großen waren während des Sippenstreits umgekommen; und zugleich för- derte Eldacar die Zuwanderung der Nordmenschen, die ihm geholfen hatten, Als König Telemnar starb, verdorrten und starben auch die Weißen Bäume die Krone wiederzugewinnen, und das Volk von Gondor vermehrte sich um in Minas Anor. Aber sein Neffe Tarondor, der sein Nachfolger wurde, pflanzte die vielen, die aus Rhovanion kamen. wieder einen Sämling in der Zitadelle ein. Er war es auch, der den Sitz des Königs Diese Vermischung beschleunigte zunächst nicht, wie man befürchtet hatte, für immer nach Minas Anor verlegte, denn Osgiliath war nun teilweise verlassen den Niedergang der Dúnedain; und dennoch setzte sich die Verkürzung der und begann in Trümmer zu fallen. Nur wenige der Bewohner, die vor der Pest Lebensdauer, die schon zuvor begonnen hatte, nach und nach fort. Ohne Zweifel nach Ithilien oder in die westlichen Täler geflohen waren, mochten in die Stadt lag dies vor allem daran, dass sie sich nun in Mittelerde aufhielten und dass zurückkehren. ihnen die Gaben der Númenórer nach dem Untergang der Sterninsel langsam Tarondor, der noch jung war, als er den Thron bestieg, hatte von allen Königen entzogen wurden. Eldacar wurde zweihundertfünfunddreißig Jahre alt und war Gondors die längste Regierungszeit; aber er konnte wenig mehr erreichen als achtundfünfzig Jahre König, davon zehn im Exil. eine innere Neuordnung und die langsame Erholung des Reiches. Sein Sohn Telumehtar jedoch, der den Tod Minardils nicht vergessen hatte und den die Das zweite und größte Unglück befiel Gondor während der Herrschaft Telemnars, frechen Raubzüge der Korsaren an seinen Küsten bis zum Anfalas empörten, des sechsundzwanzigsten Königs, dessen Vater Minardil, Eldacars Sohn, bei sammelte ein Heer und nahm Umbar 1810 im Sturm. In diesem Krieg fielen Pelargir im Kampf mit den Korsaren von Umbar fiel. (Ihre Führer waren Anga- Castamirs letzte Nachkommen, und Umbar blieb für eine Weile wieder im maite und Sangahyando, Castamirs Urenkel.) Bald darauf trugen dunkle Winde Besitz der Könige. Telumehtar fügte seinem Namen den Titel Umbardacil 50 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 51

hinzu. Doch bei den neuen Sorgen, die Gondor bald bekommen sollte, ging Viele der Wagenfahrer zogen jetzt südlich an Mordor vorüber und verbündeten Umbar wieder verloren und fiel den Menschen von Harad in die Hände. sich mit Menschen aus Khand und Nah-Harad; und dieser mächtige Ansturm im Norden und Süden zugleich brachte Gondor an den Rand der Vernichtung. Das dritte Unglück war das Vordringen der Wagenfahrer, die in fast hundert 1944 fielen König Ondoher und seine beiden Söhne Artamir und Faramir in Jahre währenden Kriegen an Gondors schwindenden Kräften zehrten. Sie waren einer Schlacht nördlich des Morannon, und die Feinde fluteten nach Ithilien ein Volk oder ein Bund von Völkern aus dem Osten, doch stärker und besser hinein. Doch Earnil, der Feldherr des Südheeres, errang einen großen Sieg in bewaffnet als alle, die früher von dort gekommen waren. Sie kamen in großen Süd-Ithilien und vernichtete das Heer aus Harad, das den Poros überschritten Wagenkolonnen, und ihre Häuptlinge kämpften in Streitwagen. Von Saurons hatte. Dann eilte er nach Norden, sammelte die Reste des zurückweichenden Sendboten aufgewiegelt, wie man später erfuhr, fielen sie plötzlich über Gondor Nordheeres um sich und griff die Wagenfahrer in ihrem Hauptlager an, als sie her, und König Narmacil II., der ihnen jenseits des Anduin entgegentrat, fiel am Zechen und Feiern waren, denn sie glaubten Gondor schon besiegt und 1856 in einer Schlacht. Das Volk im östlichen und südlichen Rhovanion wurde meinten nur noch die Beute abholen zu müssen. Beim Sturm auf das Lager ließ versklavt, und Gondor musste seine Grenzen einstweilen bis zum Anduin und Earnil die Wagen in Brand stecken und verjagte die ungeordnet Flüchtenden aus den Emyn Muil zurückziehen. [Zu dieser Zeit, so wird angenommen, kehrten Ithilien. Viele von denen, die entkamen, gingen in den Totensümpfen zugrunde. die Ringgeister nach Mordor zurück.] Calimehtar, der Sohn Narmacils II., dem ein Aufstand in Rhovanion zu Hilfe »Nach dem Tod Ondohers und seiner Söhne erhob Arvedui aus dem Nördlichen kam, rächte seinen Vater 1899 auf der Dagorlad mit einem großen Sieg über die Königreich Anspruch auf die Krone von Gondor: Er war ein Nachkomme Ostlinge, und für eine Weile war die Gefahr abgewendet. Dann, als im Norden Isildurs und der Gatte Fíriels, die Ondohers einziges noch lebendes Kind war. Araphant und im Süden Calimehtars Sohn Ondoher regierte, hielten die beiden Er wurde abgewiesen. Dabei spielte Pelendur die Hauptrolle, König Ondohers Königreiche nach langer stillschweigender Entfremdung endlich wieder gemein- Statthalter. sam Rat. Sie erkannten nun, dass hinter den Angriffen von mehreren Seiten, So lautete die Antwort des Rats von Gondor: ›Krone und Königswürde von deren sich die Nachkommen der Númenórer zu erwehren hatten, ein einheit- Gondor gehören allein den Erben Meneldils. Ihm, als Anárions Sohn, hatte licher, lenkender Machtwille stand. Zu dieser Zeit heiratete Arvedui, Araphants Isildur dieses Reich abgetreten. In Gondor gelten zu diesem Erbe nur die Söhne Sohn, König Ondohers Tochter Fíriel (1940). Doch keines der beiden König- als berechtigt; und wir haben nicht gehört, dass das Recht in Arnor ein anderes reiche konnte dem anderen zu Hilfe kommen; denn zur gleichen Zeit, als Angmar ist.‹ von neuem Arthedain angriff, traten die Wagenfahrer in großer Heeresstärke Darauf erwiderte Arvedui: ›Elendil hatte zwei Söhne, von denen Isildur der auf den Plan. ältere und daher der Erbe seines Vaters war. Wir haben gehört, dass Elendils 52 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 53

Name bis heute auf der Ahnentafel der Könige von Gondor zuoberst steht, Arvedui war in der Tat, wie sein Name besagt, der letzte König. Es heißt, dieser denn er galt als Hoher König aller Lande der Dúnedain. Zu seinen Lebzeiten Name sei ihm bei der Geburt von dem Seher Malbeth gegeben worden, der zu hatte Elendil die Regierung im Süden seinen Söhnen gemeinsam übertragen; seinem Vater sagte: ›Arvedui sollst du ihn nennen, denn der Letzte in Arthedain doch als Elendil gefallen war und Isildur fortzog, um das Hohe Königtum seines wird er sein. Doch werden die Dúnedain eine Wahl treffen müssen, und wenn Vaters anzutreten, übertrug er auf gleiche Weise die Regierung im Süden dem sie sich für das scheinbar weniger Aussichtsreiche entscheiden, dann wird dein Sohn seines Bruders. Er hat die Königswürde für Gondor nicht abgetreten und Sohn seinen Namen ändern und König über ein großes Reich werden. Wenn nicht gewollt, dass Elendils Reich für immer geteilt bleiben sollte. nicht, dann steht viel Leid bevor, und viele Menschenleben werden hingehen, Überdies fiel in Númenor einst das Zepter an das älteste Kind des Königs, ehe die Dúnedain wieder groß und vereint werden.‹ ob es nun Mann oder Frau war. Zwar wurde dieses Gesetz in den stets kriegs- Auch in Gondor folgte auf Earnil nur noch ein König. Vielleicht wäre das bedrohten Exilreichen nicht befolgt, doch so war einmal in unserem Volk das Königtum gewahrt worden, hätte man Krone und Zepter damals vereinigt, und Gesetz, auf das wir uns nun, da Ondohers Söhne kinderlos gestorben sind, viel Unheil hätte sich abwenden lassen. Doch Earnil war ein kluger Mann und berufen.‹11 nicht anmaßend; nur hielt er wie zu seiner Zeit in Gondor die meisten Menschen Darauf gab Gondor keine Antwort. Auf die Krone erhob Earnil Anspruch, das Reich von Arthedain, ungeachtet der edlen Abkunft seiner Herrscher, für der siegreiche Feldherr; und mit Billigung aller Dúnedain von Gondor wurde allzu unbedeutend. sie ihm zugesprochen, denn auch er stammte aus dem königlichen Hause. Sein Er sandte Botschaften an Arvedui, die ihm mitteilten, er habe gemäß den Vater war Siriondil, sein Großvater Calimmacil und sein Urgroßvater Arciryas, Gesetzen und Erfordernissen des Südreichs die Krone empfangen; ›doch ich ein Bruder Narmacils II. Arvedui beharrte nicht auf seinem Anspruch, denn er vergesse Arnor seine Treue nicht, noch leugne ich unsere Verwandtschaft oder hatte weder die Macht noch die Absicht, die Wahl der Dúnedain von Gondor wünsche, dass die Reiche Elendils einander fremd werden. Ich werde dir Hilfe anzufechten; doch der Anspruch blieb unter seinen Nachkommen unvergessen, senden, wenn du ihrer bedarfst, soweit ich es vermag.‹ auch dann noch, als sie die Königswürde verloren hatten. Denn das Ende des Es dauerte jedoch lange, bis Earnil selbst sich hinreichend sicher fühlte, um Nordkönigreichs rückte nun nahe. sein Versprechen einlösen zu können. König Araphant wehrte noch immer mit schwindender Kraft Angmars Vorstöße ab und ebenso Arvedui, sein Nachfolger; doch im Herbst 1973 kamen schließlich Nachrichten nach Gondor, dass Arthedain 11 Dieses Gesetz wurde in Númenor erlassen (wie wir vom König erfuhren), als Tar-Aldarion, der sechste König, nur ein Kind, eine Tochter, hinterließ. Sie wurde die erste regierende Königin, Tar-Ancalime. Doch vor ihrer Zeit war das in höchster Not sei und dass der Hexenkönig zum letzten vernichtenden Schlag Recht anders. Auf Tar-Elendil, den vierten König, folgte sein Sohn Tar-Meneldur, obwohl seine Schwester Silmarien rüste. Da schickte Earnil seinen Sohn Earnur auf schnellstem Wege mit einer die ältere war. Von Silmarien aber stammte Elendil ab. Flotte nach Norden, mit so vielen Kriegern, wie er nur entbehren konnte. 54 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 55

Aber zu spät. Bevor Earnur die Anfurten von Lindon erreichte, hatte der aus Bruchtal unter dem Elbenfürsten heran. Nun wurde Angmar so Hexenkönig Arthedain erobert, und Arvedui war umgekommen. vernichtend geschlagen, dass westlich des Gebirges nicht ein Mensch oder Ork Doch als Earnur bei den Grauen Anfurten eintraf, staunten Elben und Men- aus diesem Reich am Leben blieb. schen und freuten sich. So viele Schiffe hatte er und von solchem Tiefgang, dass Doch heißt es, dass der Hexenkönig, als für ihn alles verloren war, plötzlich die Ankerplätze kaum ausreichten, obgleich sowohl der Harlond wie der Forlond selbst auf den Plan ritt, in schwarzem Gewand und schwarzer Maske und auf belegt wurden; und ihnen entstieg ein starkes Heer mit Vorräten und Rüstungs- einem schwarzen Pferd. Furcht ergriff alle, die ihn sahen; er aber hatte es nur gütern für einen Krieg großer Könige. So jedenfalls erschien es den Völkern auf den Feldherrn von Gondor abgesehen, an dem er seine ganze Wut auslassen des Nordens; doch war dies nur ein kleines Expeditionsheer aus den gesamten wollte; und mit einem entsetzlichen Schrei ritt er gegen ihn an. Earnur hätte Streitkräften von Gondor. Am meisten Bewunderung zollte man den Pferden, ihm standgehalten, aber sein Pferd war dem Schrecken nicht gewachsen; es ging von denen viele aus den Anduin-Tälern kamen, unter großen, stattlichen Reitern durch und trug ihn weit davon, ehe er es zügeln konnte. und den stolzen Fürsten von Rhovanion. Da lachte der Hexenkönig laut auf, und niemand, der es hörte, konnte dies Nun rief Círdan alle, die kommen wollten, aus Lindon und Arnor zusammen, grauenvolle Lachen je wieder vergessen. Nun aber ritt Glorfindel auf seinem und als alles bereit war, überschritt das Heer den Lhûn und marschierte nord- weißen Pferd heran, und immer noch lachend wandte der Hexenkönig sich zur wärts, um den Hexenkönig zum Kampf zu stellen. Er hatte, so heißt es, seinen Flucht und verschwand in der Dämmerung. Denn die Nacht senkte sich auf das Sitz in Fornost genommen, wo er viel übles Volk versammelt und sich im Haus Schlachtfeld, und er war fort, und niemand sah, wohin er ritt. und der Herrschaft der Könige eingerichtet hatte. Sein Stolz erlaubte ihm nicht, Nun kam Earnur zurück, doch Glorfindel blickte in die zunehmende Dunkel- die Feinde in seiner Festung zu erwarten, sondern er zog ihnen entgegen, in der heit hinaus und sagte: ›Verfolge ihn nicht! In weiter Ferne liegt noch sein Ende, Meinung, er könne sie wie schon andere zuvor in den Lhûn jagen. und von keines Mannes Hand wird er fallen.‹ Vielen blieben diese Worte in Erin- Aber das Heer des Westens stieß von den Abendrotbergen auf ihn hinab, und nerung; Earnur aber war wütend und dachte nur noch an Rache für seine Schande. es kam zu einer großen Schlacht in der Ebene zwischen dem Nenuial und den So endete das üble Reich von Angmar; und so war Gondors Feldherr Earnur Nordhöhen. Angmars Streiter wichen schon und zogen sich in Richtung Fornost zum Erzfeind des Hexenkönigs geworden; doch viele Jahre sollten noch vergehen, zurück, als das Hauptheer der Reiter, das die Berge umrundet hatte, von Norden bis dies sich herausstellte.« kam und sie zersprengte. Da floh der Hexenkönig mit allen, die er aus dem Gemetzel noch um sich sammeln konnte, nach Norden, um sich in Angmar in So geschah es, dass zu Earnils Zeit, wie später bekannt wurde, der Hexenkönig Sicherheit zu bringen; doch bevor er Carn Dûm erreicht hatte, holte ihn die aus dem Norden floh und nach Mordor kam, wo er die anderen Ringgeister um Reiterei von Gondor ein, mit Earnur an der Spitze. Gleichzeitig kam ein Trupp sich sammelte, deren oberster er war. Doch erst im Jahr 2000 wagten sie sich 56 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 57

hervor, überschritten den Pass von Cirith Ungol und belagerten Minas Ithil. Sie Minas Morgul gestorben; doch da es für seinen Tod keine Zeugen gab, regierte eroberten es 2002, und der Palantír des Turmes fiel ihnen in die Hände. Wäh- der gute Statthalter Mardil das Reich viele Jahre lang in seinem Namen. rend des ganzen Dritten Zeitalters konnten sie von dort nicht wieder vertrieben Es gab nun nicht mehr viele Nachkommen des Königshauses. Ihre Zahl hatte werden. Minas Ithil wurde ein Schreckensort und in Minas Morgul umbenannt. sich im Sippenstreit stark vermindert; und obendrein waren die Könige seither Ithilien wurde von einem großen Teil seiner Bewohner verlassen. eifersüchtig und misstrauisch gegen die nahen Verwandten. Oft waren die in Verdacht Geratenen nach Umbar geflohen und hatten sich dort den Rebellen »Earnur kam seinem Vater an Tapferkeit gleich, aber nicht an Verstand. Er angeschlossen; während andere auf die Rechte ihrer Abkunft verzichtet und Frauen war stark und hitzköpfig; eine Frau mochte er nicht nehmen, denn seine einzige von nichtnúmenórischem Blut geheiratet hatten. Freude waren Kampf und Waffenübung. Niemand in Gondor konnte es in den So kam es, dass sich kein reinblütiger oder allseits anerkannter Bewerber fand, Wettkämpfen, die er bevorzugte, mit ihm aufnehmen. Er wirkte eher wie ein der auf die Krone Anspruch erheben konnte; und alle dachten mit Grauen an Fechtmeister als wie ein Feldherr oder König; und seine Kraft und Geschicklich- den Sippenstreit zurück und wussten, dass Gondor eine Wiederholung solcher keit behielt er bis in ein ungewöhnlich hohes Alter.« Zwistigkeiten nicht überstehen würde. Daher regierte nun Jahr um Jahr der Als Earnur 2043 die Krone empfing, forderte ihn der Morgulfürst zum Statthalter das Land, und Elendils Krone ruhte in König Earnils Schoß in den Zweikampf heraus, unter höhnischen Anspielungen auf jene Schlacht im Norden, Totenhäusern, wo Earnur sie zurückgelassen hatte. wo Earnur nicht gewagt habe, sich ihm zu stellen. Einstweilen konnte der Statthalter Mardil den Zorn des Königs im Zaum halten. Minas Anor, das Die Statthalter seit Telemnars Tagen Hauptstadt des Reiches und Sitz der Könige war, wurde Die Sippe der Statthalter nannte man das Haus Húrin, denn sie waren Nach- damals in Minas Tirith umbenannt: ein ständiger Wachtposten gegen die Übel kommen Húrins von den Emyn Arnen, eines Mannes von hoher númenórischer aus Minas Morgul. Abkunft, der unter König Minardil (1621–34) Statthalter gewesen war. Seither Earnur trug die Krone erst seit sieben Jahren, als der Morgulfürst seine Heraus- hatten die Könige ihren Statthalter immer unter seinen Nachkommen gewählt; forderung wiederholte, mit der Bemerkung, zu der Hasenherzigkeit, die Earnur und nach Pelendurs Zeit wurde das Amt des Statthalters erblich wie die Königs- in seiner Jugend bewiesen habe, komme nun wohl noch die Altersschwäche hinzu. würde und ging vom Vater auf den Sohn oder den nächsten Verwandten über. Da konnte auch Mardil den König nicht länger zurückhalten, und nur mit Jeder neue Statthalter legte bei Antritt seines Amtes den Eid ab, »Stab und einem kleinen Gefolge von Rittern ritt er vors Tor von Minas Morgul. Nie wieder Regierung bis zur Wiederkehr des Königs zu führen«. Doch diese Worte wurden hörte man etwas von ihm oder seinen Begleitern. In Gondor glaubte man, der bald zur leeren Formel, denn tatsächlich nahmen die Statthalter alle königlichen König sei dem tückischen Feind in die Falle gegangen und unter Qualen in Machtbefugnisse wahr. Dennoch glaubten viele in Gondor noch immer, 58 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 59

irgendwann werde wahrhaftig ein König wiederkehren; und manche erinnerten jenem Krieg empfing er eine Morgul-Wunde, die seine Tage verkürzte. Der sich auch der alten Linie im Norden, die den Gerüchten nach im Verborgenen Schmerz zehrte ihn auf, und er starb zwölf Jahre nach seinem Vater. noch fortbestehen sollte. Doch von solchen Ideen wollten die Statthalter nichts Nach ihm begann die lange Regierungszeit Cirions. Er war umsichtig und wissen. wachsam, aber Gondors Arm reichte nicht sehr weit, und er konnte nicht viel Immerhin ließen sich die Statthalter niemals auf dem alten Thron nieder, mehr tun, als seine Grenzen zu schützen, während seine Feinde (oder die Macht, sie trugen keine Krone und hielten kein Zepter in der Hand. Nur einen weißen die sie lenkte) Schläge gegen ihn vorbereiteten, die er nicht abzufangen vermochte. Stab trugen sie als Zeichen ihres Amtes; und ihr Banner war weiß ohne Wahr- An den Küsten plünderten die Korsaren, doch die größte Gefahr ging vom zeichen, während das königliche Banner schwarz gewesen war, mit einem blühen- Norden aus. In den weiten Gebieten von Rhovanion, zwischen Düsterwald und den weißen Baum unter sieben Sternen darauf. Eilend, lebte nun ein wüstes Volk, das ganz unter dem Einfluss von stand. Oft unternahm es Überfälle durch den Wald hindurch, bis das Anduintal Auf Mardil Voronwe, der als Erster ihrer Linie galt, folgten noch vierundzwanzig südlich des Schwertelflusses weitgehend entvölkert war. Dies waren die Balchoth, regierende Statthalter von Gondor, bis zur Zeit Denethors II., des sechsund- und sie erhielten stetig Zustrom von anderen ihresgleichen aus dem Osten, zwanzigsten und letzten. Zuerst hatten sie Ruhe, denn dies waren die Jahre des während das Volk von Calenardhon zusammengeschrumpft war. Cirion hatte Wachsamen Friedens, in denen Sauron vor der Macht des Weißen Rats zurück- große Mühe, die Anduin-Grenze zu halten. wich und die Ringgeister sich im Morgultal zurückhielten. Aber seit der Zeit Den Sturm voraussehend, schickte Cirion eine Botschaft mit Hilferufen nach Denethors I. gab es keinen ungestörten Frieden mehr, und selbst wenn gerade Norden, doch allzu spät; denn in diesem Jahr (2510), nachdem die Balchoth kein offener Krieg mit größeren Gefechten stattfand, wurden Gondors Grenzen auf dem Ostufer des Anduin viele große Boote und Flöße gebaut hatten, ständig bedroht. schwärmten sie über den Strom und fegten die Verteidiger hinweg. Ein von In den letzten Jahren Denethors I. kam aus Mordor zum ersten Mal die Rasse Süden gegen sie heranmarschierendes Heer wurde abgeschnitten und über den der Uruks, schwarzer, muskelstrotzender Orks; und im Jahr 2475 überrannten Limklar nach Norden gedrängt, wo plötzlich eine Schar Orks aus dem Gebirge sie Ithilien und nahmen Osgiliath ein. Denethors Sohn Boromir (nach dem es angriff und zum Anduin hindrängte. Da kam unverhofft die Hilfe aus dem der Boromir unter den Neun Gefährten benannt war) besiegte sie und gewann Norden, und zum ersten Mal hörte man in Gondor die Hörner der Rohirrim. Ithilien zurück; doch Osgiliath lag nun ein für alle Mal in Trümmern, und seine Eorl der Junge kam mit seinen Reitern, fegte die Feinde hinweg und hetzte sie große Steinbrücke war zerbrochen. Seitdem wohnte dort niemand mehr. Boro- auf den Feldern von Calenardhon zu Tode. Cirion gab Eorl dieses Land zur mir war ein großer Feldhauptmann, vor dem selbst der Hexenkönig Respekt Besiedlung frei, und Eorl schwor Cirion einen Freundschaftseid und gelobte hatte, edel und mit schönen Gesichtszügen, stark an Leib und Seele; doch in den Herren von Gondor Beistand in der Not oder auf Verlangen. 60 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 61

In noch größere Gefahr kam Gondor zur Zeit Berens, des neunzehnten Zur Zeit Túrins II. begannen Gondors Feinde sich von neuem zu regen, Statthalters. Drei starke Flotten, lange zuvor gerüstet, segelten von Umbar heran denn Sauron war wieder erstarkt, und der Tag, an dem er sich offenbaren würde, und überfielen Gondors Küsten. Sie landeten an vielen Stellen, sogar weit im rückte näher. Alle bis auf die Verwegensten verließen Ithilien und zogen über Norden an der Isenmündung. Die Rohirrim wurden von Westen und Osten den Anduin nach Westen, denn die Orks aus Mordor machten das Land unsicher. zugleich angegriffen; ihr Land wurde überrannt, und sie mussten sich in die Túrin war es, der die geheimen Stützpunkte für seine Truppen in Ithilien anlegen Täler des Weißen Gebirges flüchten. In diesem Jahr (2758) begann der Lange ließ, von denen Henneth Annûn am längsten bewacht und bemannt blieb. Zum Winter, der Schnee und eisige Kälte von Norden und Osten brachte und fast Schutz Anóriens ließ er auch die Insel Cair Andros12 wieder befestigen. Aber die fünf Monate lang anhielt. Helm von und seine beiden Söhne kamen um, Gefahr für ihn kam vor allem von Süden, wo die Haradrim Süd-Gondor besetzt und in Eriador und Rohan wüteten Elend und Tod. Doch in Gondor, südlich hatten und wo am Poros heftig gekämpft wurde. Als starke Streitkräfte nach des Gebirges, stand es nicht so schlimm, und bevor es noch Frühling wurde, Ithilien eindrangen, erfüllte König Folcwine von Rohan Eorls Eid und schickte hatte Berens Sohn Beregond die Eindringlinge überwunden. Sofort schickte er viele Reiter nach Gondor; zugleich vergalt er damit die Hilfe, die Beregond Hilfe nach Rohan. Er war Gondors größter Feldherr seit Boromir; und als er einst Rohan geleistet hatte. Unterstützt von den Rohirrim, errang Túrin einen seinem Vater auf dem Thron folgte (2763), begann das Reich wieder zu Kräften Sieg am Poros-Übergang; doch Folcwines Söhne fielen in der Schlacht. Die zu kommen. Rohan aber erholte sich nicht so schnell. Dies war der Grund, Reiter begruben sie nach der Sitte ihres Volkes, und zwar beide in einem Grab- warum Beren zur Aufnahme Sarumans bereit war und ihm die Schlüssel des hügel, denn sie waren Zwillingsbrüder. Haudh in Gwanur nannte man den Hügel, Orthanc übergab; und seitdem (2759) wohnte Saruman in . und lange stand er dort, hoch über dem Flussufer, und Gondors Feinde gingen ungern an ihm vorüber. Zur Zeit Beregonds wurde im Nebelgebirge der Krieg zwischen den Zwergen Túrins Nachfolger wurde Turgon, und aus seiner Zeit ist vor allem eins zu und den Orks (2793–99) ausgefochten, von dem nur Gerüchte nach Süden berichten: Zwei Jahre vor seinem Tod trat Sauron wieder hervor und zeigte sich drangen, bis die aus dem Nanduhirion flüchtenden Orks Rohan zu durchqueren offen; und er hielt Einzug in Mordor, wo alles für ihn vorbereitet war. Dann und sich im Weißen Gebirge einzunisten versuchten. Viele Jahre wurde in den wurde Barad-dûr wieder aufgebaut, der Schicksalsberg brach in Flammen aus, Gebirgstälern gekämpft, bis die Gefahr beseitigt war. und die letzten Bewohner Ithiliens suchten das Weite. Als Turgon starb, nahm Beim Tod Belecthors II., des einundzwanzigsten Statthalters, starb in Minas Saruman sich Isengard zu eigen und befestigte es. Tirith zugleich auch der Weiße Baum ab; aber er wurde »bis zur Wiederkehr des Königs« stehen gelassen, weil kein Sämling zu finden war. 12 Der Name bedeutet »lang schäumendes Schiff«, denn die Insel hatte die Form eines großen Schiffs mit hohem, nach Norden zeigendem Bug, an dessen scharfen Felsen der Anduin weiß schäumend vorüberrauschte. 62 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 63

»Ecthelion II., Turgons Sohn, war ein Mann von Verstand. Mit allem, was Gondor komme.‹ Zwar konnte sich niemand denken, was dies für Aufgaben ihm an Macht geblieben war, begann er, die Grenzen seines Reichs gegen sein mochten und welcher Ruf dazu an ihn gelangt war; doch wohin er ging, Mordors Angriffe zu sichern. Er zog tüchtige Männer von nah und fern in seinen wusste man. Denn er nahm sich ein Boot und setzte über den Anduin, und dort Dienst und gab denen Rang und Lohn, die sich seines Vertrauens als würdig nahm er Abschied von seinen Gefährten und ging allein weiter; und als man erwiesen. Bei vielen seiner Maßnahmen erhielt er Rat und Hilfe von einem ihn zuletzt sah, hatte er sich dem Schattengebirge zugewandt. großen Feldhauptmann, den er vor allen anderen schätzte. Thorongil nannten In der Stadt war man sehr bestürzt wegen seines Fortgangs, der allen als ein ihn die Menschen in Gondor, ›Sternadler‹, denn er war schnell und scharf- schwerer Verlust erschien, Ecthelions Sohn Denethor vielleicht ausgenommen, sichtig, und an seinem Mantel trug er einen silbernen Stern; wie er aber wirk- ein Mann, der nun schon reif war für das Amt des Statthalters, das er vier Jahre lich hieß und in welchem Land er geboren war, wusste niemand. Zu Ecthelion darauf nach dem Tod seines Vaters antrat. kam er aus Rohan, wo er dem König Thengel gedient hatte, doch war er nicht Denethor II. war stolz, groß und mutig, eine königliche Erscheinung, wie vom Volk der Rohirrim. Er war ein großer Heerführer zu Wasser wie zu Lande, man sie in Gondor seit vielen Menschenaltern nicht mehr gesehen hatte, oben- aber bevor Ecthelions Tage zu Ende gingen, trat er zurück in den Schatten, aus drein klug, weitblickend und bewandert in der Überlieferung. Eigentlich war dem er gekommen war. er Thorongil so ähnlich, als wären sie nah verwandt; und doch nahm er in den Thorongil gab Ecthelion oft zu bedenken, dass die Macht der Rebellen in Herzen der Menschen und in der Achtung seines Vaters hinter dem Fremden Umbar eine große Gefahr für Gondor und eine Bedrohung seiner südlichen immer nur den zweiten Platz ein. Zu der Zeit glaubten viele, Thorongil habe Lehen sei, die sich als tödlich erweisen könne, wenn Sauron zum offenen Krieg seinen Abschied genommen, weil sonst sein Rivale bald sein Gebieter geworden überginge. Schließlich erwirkte er die Erlaubnis des Statthalters, eine kleine wäre; doch hatte Thorongil eigentlich nie mit Denethor rivalisiert oder einen Flotte zu rüsten. Überraschend lief er eines Nachts in Umbar ein und ver- Anspruch erkennen lassen, mehr zu sein als ein Diener des Statthalters. Nur in brannte einen großen Teil der Korsarenschiffe. Er selbst besiegte im Kampf auf einem Punkt waren sie verschiedener Meinung: Thorongil gab Ecthelion oft den Kaien den Hafenkommandanten; dann zog er sich unter geringen Verlusten den Rat, Saruman dem Weißen in Isengard nicht zu trauen, sondern lieber Gandalf mit seiner Flotte zurück. Doch als sie wieder nach Pelargir kamen, wollte er zum den Grauen anzuhören. Denethor aber war kein Freund von Gandalf; und nach Kummer und Erstaunen der Menschen nicht nach Minas Tirith zurückkehren, Ecthelions Tagen war der graue Wanderer in Minas Tirith nicht mehr so gern wo ihn hohe Ehren erwarteten. gesehen. Später, als alles sich aufgeklärt hatte, glaubten daher viele, Denethor, Er schickte Ecthelion eine Abschiedsbotschaft, die lautete: ›Andere Aufgaben scharfsinnig, wie er war, weiter und tiefer blickend als andere Menschen seiner rufen mich nun, Gebieter, und ich werde viel Zeit und viele Gefahren hinter Zeit, habe herausgefunden, wer dieser Fremde war, der sich Thorongil nannte, mich bringen müssen, bis ich, wenn es mein Schicksal so will, wieder nach und Argwohn geschöpft, dass er und Mithrandir vorhätten, ihn zu verdrängen. 64 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 65

Als Denethor Statthalter wurde (2984), erwies er sich als ein strenger Gebieter, Geschehen dieser Zeit nur noch den Zweikampf zwischen dem Herrn des Weißen der in allen Dingen seinen Willen behauptete. Er redete wenig, hörte Ratschläge Turms und dem Herrn von Barad-dûr sah und allen anderen misstraute, die an und tat dann, was er für richtig hielt. Erst spät hatte er geheiratet (2976), Sauron widerstanden, wenn sie nicht ausschließlich ihm selbst dienten. nämlich Finduilas, die Tochter Adrahils von Dol Amroth. Sie war eine schöne, sanftmütige Frau, doch als sie noch keine zwölf Jahre verheiratet waren, starb So rückte die Zeit des Ringkriegs näher, und Denethors Söhne wurden sie. Denethor liebte sie auf seine Weise mehr als jeden anderen Menschen, aus- erwachsen. Boromir, fünf Jahre älter als sein Bruder und der Liebling seines genommen vielleicht den älteren der beiden Söhne, die sie ihm schenkte. Doch Vaters, war ihm äußerlich und in seinem Stolz ähnlich, doch in wenig anderem. dem Volk schien es, als welke sie in der bewachten Stadt wie eine Blume aus den Eher war er vom Schlage des alten Königs Earnur, einer der keine Frau nahm Tälern am Meer, die man auf einen kahlen Felsen verpflanzte. Ihr graute vor und an Waffenübungen die größte Freude hatte, furchtlos und stark, aber mit dem Schatten im Osten, und stets hielt sie die Augen südwärts gewandt, zum wenig Interesse für die Überlieferung, soweit sie nicht die Waffentaten der alten Meer hin, nach dem sie sich sehnte. Helden betraf. Faramir, der jüngere, sah ihm ähnlich, war aber anderen Nach ihrem Tod wurde Denethor noch finsterer und schweigsamer als zuvor, Gemüts. Ebenso scharfsinnig wie sein Vater, wusste er in den Herzen der Men- und oft saß er lange allein in seinem Turm, tief in Gedanken, denn er sah schen zu lesen, doch was er dort las, erregte eher sein Mitgefühl als seine Ver- voraus, dass der Angriff aus Mordor zu seinen Lebzeiten kommen werde. Später achtung. Er war von freundlichem Wesen, ein Liebhaber der Überlieferung und glaubte man, dass er in Ermangelung mancher Kenntnisse, doch aus Stolz und der Musik; und daher trauten viele ihm damals weniger Mut zu als seinem Bruder. im Vertrauen auf die eigene Willensstärke, es gewagt hatte, in den Palantír des Doch daran war nur so viel richtig, dass er sich nicht leichtfertig und nur dem Weißen Turms zu blicken. Keiner der Statthalter hatte dies je gewagt, nicht ein- Ruhm zuliebe in Gefahr begab. Gandalf war ihm willkommen, wann immer er mal die Könige Earnil und Earnur, nachdem Minas Ithil verloren und Isildurs in die Stadt kam, und er lernte von ihm, so viel er irgend konnte; und damit, Palantír dem Feind in die Hände gefallen war; denn der Stein von Minas Tirith wie mit vielem anderen, erregte er das Missfallen seines Vaters. war Anárions Palantír und aufs Engste abgestimmt mit dem, den nun Sauron Zwischen den Brüdern aber herrschte ungetrübte Freundschaft, schon seit ihrer besaß. Kindheit, als Boromir den jüngeren in allem leitete und beschützte. Seither war keine Eifersucht oder Rivalität um die Gunst des Vaters oder das Lob ande- Auf diese Weise erlangte Denethor viele von den Menschen bestaunte Kenntnisse rer Menschen zwischen sie getreten. Faramir hielt es gar nicht für möglich, dass von Ereignissen in seinem Reich und auch weit außerhalb seiner Grenzen; irgendwer in Gondor Boromir gleichkommen könnte, Denethors Erben, dem aber sie waren teuer erkauft, denn im Ringen mit Saurons Willen alterte er vor Feldhauptmann des Weißen Turms; und so dachte auch Boromir selbst. Doch der Zeit. So wuchs sein Stolz zugleich mit seiner Verzweiflung, bis er in allem die Prüfung ging anders aus. Von allem aber, was aus diesen dreien im Ringkrieg 66 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 67

wurde, wird anderswo ausführlich berichtet. Und nach dem Krieg gingen die Anhang F Tage der Regierenden Statthalter zu Ende, denn Isildurs und Anárions Erbe kehrte wieder, das Königtum wurde erneuert, und auf Ecthelions Turm wehte das Banner des Weißen Baums.« I Die Sprachen und Völker des Dritten Zeitalters

Die in diesem Buch durch Deutsch wiedergegebene Sprache war das Westron oder die »Gemeinsame Sprache« der Westlande von Mittelerde im Dritten Zeitalter. Im Laufe dieses Zeitalters war es zur Sprache fast aller überhaupt einer Sprache fähigen Völker geworden (mit Ausnahme der Elben), die in den Grenzen der ehemaligen Königreiche von Arnor und Gondor lebten, das heißt an allen Küsten von Umbar bis zur Bucht von Forochel im Norden und im Binnenland bis zum Nebelgebirge und dem Ephel Dúath. Den Anduin aufwärts hatte es sich auch nach Norden ausgebreitet in das Land westlich des Stroms und östlich des Gebirges bis zu den Schwertelfeldern. Zur Zeit des Ringkrieges am Ende des Zeitalters waren dies noch immer die Grenzen seiner Verbreitung; allerdings waren weite Gebiete von Eriador nun entvölkert, und am Anduin zwischen Rauros und den Schwertelfeldern wohnten nur noch wenige Menschen. Einige Nachkommen der wilden Menschen von einst blieben noch im Drúadan- Wald in Anórien; und auch in den Hügeln von Dúnland lebten Reste eines alten Volkes, das früher ein Großteil von Gondor bewohnt hatte. Diese hielten an ihren Stammessprachen fest; und auch in der Ebene von Rohan wohnte nun ein Volk aus dem Norden, die Rohirrim, die vor etwa fünfhundert Jahren in dieses Land gezogen waren. Aber als zweite Sprache, für den Verkehr zwischen den Völkern, wurde Westron auch von all denen gebraucht, die noch eine eigene 68 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 69

Sprache beibehielten, sogar von den Elben, nicht nur in Arnor und Gondor, Das Grauelbische war dem vom Ursprung her verwandt. Es war die sondern überall in den Anduintälern und weiter ostwärts bis jenseits des Düster- Sprache derjenigen Eldar, die an die Küsten von Mittelerde gelangt, doch nicht walds. Selbst unter den wilden Menschen und den Dunländern, die den ande- übers Meer gefahren, sondern im Lande Beleriand geblieben waren. Thingol ren Völkern aus dem Weg gingen, gab es manche, die Westron sprachen, wenn Graumantel von Doriath war dort ihr König, und so wie in den Sterblichenlanden auch gebrochen. alles sich verändert, so hatte auch ihre Sprache sich in der langen Dämmerzeit verändert und sich weit entfernt von der Sprache der Eldar, die von jenseits des Von den Elben Meeres kamen. Die Hochelben, die unter den zahlreicheren Grauelben lebten, hatten für Vor langer Zeit, in den Ältesten Tagen, hatten sich die Elben in zwei Haupt- den täglichen Gebrauch das angenommen, und dieses war daher die gruppen gespalten: die Westelben (Eldar) und die Ostelben. Zu den Letzteren Sprache aller Elben und Elbenfürsten, die in dieser Geschichte auftreten. Denn gehörten die meisten Elben im Düsterwald und in Lórien; doch ihre Sprachen sie alle waren vom Geschlecht der Eldar, auch wo das Volk, das sie regierten, kommen nicht vor in dieser Geschichte, in der alle elbischen Namen und Wörter von geringerer Art war. Die Edelste von allen war Frau aus dem in einer Eldarin-Form erscheinen.1 Königshause Finarfin, die Schwester Finrod Felagunds, des Königs von Nargo- Von den Sprachen der Eldar finden sich in diesem Buch zwei vertreten: das thrond. Die Herzen der Ausgewanderten quälte die unstillbare Sehnsucht nach Hochelbische oder Quenya und das Grauelbische oder Sindarin. Das Hochelbi- dem Meere; in den Herzen der Grauelben schlummerte sie, ließ sich aber, sche war eine uralte Sprache, die Sprache von Eldamar jenseits des Meeres und wenn sie einmal geweckt war, nicht mehr lindern. die erste, die schriftlich festgehalten wurde. Es war keine lebende Sprache mehr, sondern war gewissermaßen zu einem »Elbenlatein« geworden und wurde von Von den Menschen den Hochelben, die am Ende des Ersten Zeitalters ins Exil nach Mittelerde zurückgekehrt waren, bei Zeremonien und in der Beschäftigung mit den erha- Westron war eine Menschensprache, obgleich unter elbischem Einfluss reicher benen Gegenständen der Überlieferung und der Dichtung gebraucht. und geschmeidiger geworden. Ursprünglich war es die Sprache derer, die von den Eldar Atani oder Edain genannt wurden, »Väter der Menschen«, insbesondere der Menschen aus den Drei Häusern der Elbenfreunde, die im Ersten Zeitalter 1 In Lórien sprach man zu dieser Zeit Sindarin, allerdings mit einem ausgeprägten Akzent, denn die meisten seiner Bewohner waren waldelbischer Herkunft. Von diesem »Akzent« und der eigenen beschränkten Kenntnis des Sindarin von Osten nach Beleriand kamen und den Eldar im Großen Juwelenkrieg gegen ließ Frodo sich täuschen (wie ein Kommentator aus Gondor im Buch des Thains angemerkt hat). Alle elbischen die dunkle Macht im Norden beistanden. Wörter sind in der Tat Sindarin, und ebenso auch die meisten Orts- und Personennamen. Doch Lórien, Caras Galad- Nach der Niederwerfung des Dunklen Herrschers, bei der Beleriand zum hon, Amroth und Nimrodel sind vermutlich waldelbischen Ursprungs und dem Sindarin nachträglich angepasst. 70 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 71

größten Teil zertrümmert oder überflutet wurde, erhielten die Elbenfreunde zum unterhalten; und einer der wichtigsten war Pelargir an den Anduin-Mündungen. Lohn die Erlaubnis, ebenso wie die Eldar übers Meer in den Westen zu fahren. Dort sprach man ein Adûnaisch, das viele Wörter aus den Dialekten der gerin- Da ihnen aber das Reich der Unsterblichen verwehrt war, wurde ihnen eine große geren Menschenvölker aufnahm und zu der Gemeinsprache wurde und sich an Insel zugewiesen, das westlichste aller Sterblichenlande. Der Name der Insel war den Küsten entlang unter allen ausbreitete, die mit Westernis verkehrten. Númenor (Westernis). Die meisten Elbenfreunde fuhren also dorthin, ließen sich Nach dem Untergang von Númenor führte Elendil die überlebenden Elben- auf der Insel nieder und wurden groß und mächtig, berühmte Seefahrer und freunde zurück zu den Nordwestküsten von Mittelerde. Dort lebten schon viele, Herren über viele Schiffe. Sie wurden schöne Menschen von hohem Wuchs und die von reinem oder vermischtem númenórischem Geblüt waren; doch nur lebten dreimal so lange wie die Menschen von Mittelerde. Dies waren die Núme- noch wenige von ihnen verstanden die Elbensprachen. Insgesamt waren die nórer, die Könige unter den Menschen, die die Elben die Dúnedain nannten. Dúnedain also von Anfang an weit in der Minderzahl gegenüber den geringeren Von allen Menschenvölkern verstanden und sprachen allein die Dúnedain Menschen, unter denen sie nun lebten und deren Herren sie wurden, weil sie eine Elbensprache, denn ihre Vorfahren hatten Sindarin gelernt und es an ihre langlebig, mächtig und kenntnisreich waren. Im Umgang mit anderen und bei Kinder weitergegeben als einen Wissensschatz, an dem der Lauf der Jahre nur der Regierung ihrer weiten Reiche gebrauchten sie daher die Gemeinsprache, wenig änderte. Und ihre Gelehrten machten sich auch mit der Hochelbensprache erweiterten und bereicherten sie aber mit vielen Wörtern aus den Elbensprachen. Quenya vertraut und schätzten es höher als alle anderen Sprachen; und darin Zu Zeiten der númenórischen Könige in Mittelerde breitete dieses veredelte fanden sie die Namen für viele ehr- und denkwürdige Orte und für Menschen Westron sich weithin aus, selbst unter den Feinden der Dúnedain; und mehr von königlicher Abkunft und hohem Ruhm.2 und mehr gebrauchten es die Dúnedain selbst, sodass zur Zeit des Ringkriegs die Doch die Muttersprache der Númenórer blieb zumeist die Menschensprache Elbensprache nur noch einem kleinen Teil der Menschen von Gondor bekannt ihrer Vorfahren, das Adûnaische, und darauf kamen ihre Könige und Fürsten war und von noch wenigeren im alltäglichen Umgang gesprochen wurde. Diese im Hochmut ihrer letzten Jahre zurück. Abgesehen von den wenigen, die an der wohnten zumeist in Minas Tirith und Umgebung und im Land der tribut- alten Freundschaft mit den Eldar festhielten, gebrauchten sie die Elbensprachen pflichtigen Fürsten von Dol Amroth. Fast alle Orts- und Personennamen aber nicht mehr. Auf dem Gipfel ihrer Macht hatten die Númenórer an den West- im Reiche Gondor waren von elbischer Form und Bedeutung. Manche, deren küsten von Mittelerde viele Festungen und Häfen als Stützpunkte für ihre Schiffe Ursprung vergessen war, stammten sicherlich aus der Zeit, bevor die Schiffe der Númenórer nach Mittelerde kamen; zu diesen gehören Umbar, Arnach, Erech und 2 Quenya-Namen sind zum Beispiel Númenor (vollständig Númenóre), Elendil, Isildur, Anárion sowie alle Namen der die Namen der Berge Eilenach und Rimmon. Auch Forlong war ein solcher Name. Könige von Gondor, auch Elessar, »Elbenstein«. Die meisten anderen Dúnedain-Namen wie Aragorn, Denethor oder Gilraen haben eine Sindarin-Form und sind oftmals Namen von Elben oder Menschen, deren in den Liedern und Er- Die meisten Menschen in den nördlichen Regionen der Westlande stammten zählungen aus dem Ersten Zeitalter gedacht wurde (z. B. Beren, Húrin). Manche, wie z. B. Boromir, sind Mischformen. von den Edain des Ersten Zeitalters oder von deren nahen Verwandten ab. Auch 72 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 73

ihre Sprachen waren daher dem Adûnaischen verwandt, und manche hatten hatten, weil sie dunkelhäutig und dunkelhaarig waren; es besteht also kein noch Ähnlichkeit mit der Gemeinsprache. Von dieser Art waren die Völker in Zusammenhang zwischen dem Wort dunn in diesem Namen und dem grauelbi- den Tälern am Oberlauf des Anduin: die Beorninger, die Wäldler aus dem schen Wort dûn, Westen. westlichen Düsterwald und, weiter nordöstlich, die Menschen vom Langen See und von Thal. Aus dem Gebiet zwischen Schwertel und Carrock kam das Volk, Von den Hobbits das man in Gondor die Rohirrim nannte, die Pferdeherren. Sie behielten die Die Hobbits im Auenland und in Bree hatten zu dieser Zeit seit etwa tausend Sprache ihrer Vorfahren bei und gaben in ihr allen Orten ihres neuen Landes Jahren die Gemeinsprache angenommen. Sie gebrauchten sie auf ihre lose, neue Namen, und sich selbst nannten sie die Eorlingas oder die Menschen der unbekümmerte Art; doch den Gebildeteren stand, wenn es der Anlass erforderte, Riddermark. Ihren Edlen aber war das Westron geläufig, und sie sprachen es auf auch eine förmlichere Sprache zu Gebote. die würdige Art ihrer Verbündeten in Gondor; denn in Gondor, wo es herkam, Auf eine eigene Sprache der Hobbits gibt es keinen Hinweis. In früherer Zeit bewahrte das Westron etwas mehr an Wohllaut und Altertümlichkeit. scheinen sie immer die Sprache der Menschen gebraucht zu haben, mit denen Ganz und gar fremdartig war die Sprache der Wilden im Drúadan-Wald. sie zusammen oder in Nachbarschaft lebten. So nahmen sie rasch die Gemein- Ebenfalls fremd oder nur entfernt mit dem Westron verwandt war das Dunlän- sprache an, als sie nach Eriador gezogen waren, und zur Zeit ihrer Niederlassung dische. Dies waren Reste der Völker, die in früheren Zeitaltern die Täler des in Bree geriet ihre frühere Sprache schon ein wenig in Vergessenheit. Dies war Weißen Gebirges bewohnt hatten. Zu ihnen gehörten auch die Toten von Dun- offenbar eine Mundart der Menschen vom oberen Anduin gewesen, verwandt harg. Andere jedoch waren in den Dunklen Jahren in die südlichen Täler des mit der Sprache der Rohirrim; nur die südlichen Starren hatten anscheinend Nebelgebirges gezogen, und von dort waren manche weitergewandert in die einen dunländischen Dialekt angenommen, bevor sie nach Norden ins Auenland unbewohnten Gebiete im Norden, bis hinauf zu den Hügelgräberhöhen. Von wanderten.3 ihnen stammten die Menschen von Bree ab, die allerdings schon vor langer Zeit Aus dieser Vergangenheit waren zu Frodos Zeit noch manche Spuren erhalten: Untertanen des nördlichen Königreichs von Arnor geworden waren und das ortsübliche Wörter und Namen, die vielfach denen in Thal oder Rohan sehr Westron angenommen hatten. Nur in Dunland hielten Menschen dieser Rasse ähnlich waren. Am auffälligsten waren die Namen für die Tage, Monate und noch an ihrer alten Sprache und ihren Bräuchen fest: ein Volk im Verborgenen, Jahreszeiten, und mehrere andere Wörter von derselben Art (wie z. B. mathom misstrauisch gegen die Dúnedain und voller Hass auf die Rohirrim. und smial) waren noch allgemein gebräuchlich, und eine größere Anzahl war in Wörter aus ihrer Sprache kommen in diesem Buch nicht vor, bis auf den Namen Forgoil, den sie den Rohirrim gaben (was »Strohköpfe« bedeutet haben 3 Die Starren aus dem Winkel, die nach Wilderland zurückkehrten, hatten die Gemeinsprache schon übernommen; soll). Dunland und Dunländer waren Namen, die sie von den Rohirrim bekommen aber Déagol und Sméagol sind Namen aus der Sprache der Menschen in der Gegend um den Schwertelfluss. 74 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 75

den bree- und auenländischen Ortsnamen erhalten. Auch die Personennamen die Elbensprachen, besonders das alte Hochelbisch. Die seltsamen Wörter und der Hobbits waren eigentümlich und in vielen Fällen sehr alt. Namen, die nach dem Bericht der Hobbits von Baumbart und anderen Hobbit war die Bezeichnung, die die Auenländer gewöhnlich auf alle ihres- gebraucht wurden, sind also elbisch oder nach entischer Manier verknüpfte gleichen anwandten. Von den Menschen wurden sie Halblinge, von den Elben elbische Ausdrücke.4 Manche sind Quenya, so Taurelilómea-tumbalemorna Tumbaletaurea Periannath genannt. Woher das Wort Hobbit kam, wussten die meisten nicht mehr. Lómeanor, was man wörtlich mit »waldvielschichtig-tieftalschwarzes tieftalbewaldetes Es scheint jedoch ursprünglich ein Name gewesen zu sein, den die Fahlhäute Düsterland« wiedergeben könnte, und womit Baumbart wohl ungefähr sagen und die Starren den Harfüßen beilegten, die verstümmelte Form eines Wortes, wollte: »Ein schwarzer Schatten liegt auf den tiefen Tälern des Waldes.« Manche das sich in Rohan vollständiger erhalten hatte: holbytla, Höhlenbauer. sind Sindarin, so Fangorn, »Bart-(des)-Baums«, und Fimbrethil, »Schlankbirke«.

Von den anderen Arten Orks und die Schwarze Sprache. Ork ist, in der Namensform der Sprache von Rohan, die Bezeichnung der anderen Völker für einen Angehörigen dieser üblen Ents. Das älteste der im Dritten Zeitalter noch lebenden Völker waren die Onodrim Gattung; im Sindarin lautete sie orch. Damit verwandt war sicherlich das Wort oder Enyd. Ents hießen sie in der Sprache von Rohan. Den Eldar waren sie schon uruk aus der Schwarzen Sprache, obwohl es in der Regel nur für die großen aus alten Zeiten bekannt; und auf die Anregung durch die Eldar führten die Kampforks gebraucht wurde, die zu dieser Zeit aus Isengard und Mordor her- Ents zwar nicht ihre eigene Sprache zurück, wohl aber das Bedürfnis, überhaupt vorströmten. Die niederen Arten wurden snaga, Sklave, genannt, besonders von zu sprechen. Die Sprache, die sie selbst entwickelt hatten, war von allen anderen den Uruk-hai. grundverschieden: langsam, klangvoll, worthäufend und wortwiederholend, von Die Orks wurden zuerst von der Dunklen Macht des Nordens in den Ältesten wahrhaft »langem Atem«, bestand sie aus einer Vielfalt von Vokalabstufungen Tagen gezüchtet. Es heißt, sie hätten keine eigene Sprache gehabt, sondern und Nuancen der Betonung und Stimmführung, die selbst die Gelehrten unter nur von anderen Sprachen aufgeschnappt, was sie brauchen konnten, und es den Eldar nicht schriftlich darzustellen versucht hatten. Diese Sprache gebrauchten dann nach Lust und Laune verballhornt; doch so brachten sie nur ein Rotwelsch die Ents nur unter sich; aber sie geheim zu halten, hatten sie nicht nötig, denn zustande, das außer beim Fluchen und Schimpfen selbst ihren eigenen Ansprü- niemand anders konnte sie erlernen. chen nicht ganz genügte. Und weil diese Kreaturen so bösartig waren, dass sie Ihrerseits waren die Ents jedoch gewandt im Gebrauch anderer Sprachen, sogar ihre Artgenossen hassten, sprachen sie bald ebenso viele barbarische Dialekte, die sie schnell erlernten und niemals vergaßen. Aber vor allem schätzten sie wie es Gruppen oder Siedlungen ihrer Rasse gab, sodass ihnen die Orksprache 4 Außer in den Fällen, wo die Hobbits offenbar versucht haben, in Kürze wiederzugeben, wie sich das Gemurmel und die Ausrufe der Ents anhörten; auch a-lalla-lalla-rumba-kamanda-lindor-burúme ist nicht elbisch: der einzige im Verkehr zwischen den verschiedenen Stämmen nicht viel nützte. bekannte (wahrscheinlich sehr ungenaue) Versuch, ein echtes entisches Sprachfragment festzuhalten. 76 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 77

So kam es, dass sich im Dritten Zeitalter auch die Orks für die Verständigung Am Ende des Dritten Zeitalters aber trat im südlichen Düsterwald und in den von Gezücht zu Gezücht des Westrons bedienten; und viele ihrer älteren Stämme Grenzgebirgen von Mordor eine bis dahin unbekannte Trollrasse auf. Olog-hai wie die noch immer im Norden und im Nebelgebirge hausenden gebrauchten hießen sie in der Schwarzen Sprache. Dass Sauron sie gezüchtet hatte, bezweifelte es sogar seit langem als eine Art Muttersprache, allerdings auf eine Weise, in der niemand, doch aus welchem Zuchtstamm, wusste man nicht. Manche meinten, es kaum weniger unfreundlich klang als das Orkische. In diesem Jargon bedeutete es seien gar keine Trolle, sondern Riesenorks; aber sie hatten in Wuchs und tark »Mensch aus Gondor«, eine verstümmelte Form von tarkil, einem Quenya- Geistesart auch mit den größten Orkrassen keine Ähnlichkeit, sondern waren Wort, das im Westron einen von númenórischer Abstammung bezeichnete. ihnen an Größe und Verstand weit überlegen. Trolle waren sie, doch erfüllt Es heißt, die Schwarze Sprache sei von Sauron in den Dunklen Jahren erfunden vom bösen Willen ihres Herrn, wüste Gesellen, stark und gewandt, wild und worden, als Sprache für alle, die ihm dienten; aber dieses Vorhaben sei ihm schlau, härter als Stein. Im Unterschied zu der alten Dämmerlichtrasse konnten fehlgeschlagen. Aus der Schwarzen Sprache leiteten sich jedoch viele Wörter her, sie die Sonne ertragen, solange Saurons Wille sie im Bann hielt. Sie redeten die im Dritten Zeitalter unter den Orks weithin geläufig waren wie etwa ghâsh wenig, und die einzige Sprache, die sie kannten, war die Schwarze Sprache von (châsch), Feuer; doch nach Saurons erster großer Niederlage war die Sprache in Barad-dûr. ihrer alten Form bei allen außer den Nazgûl in Vergessenheit geraten. Als Sauron wieder erstarkte, wurde sie von neuem die Sprache Barad-dûrs und seiner Zwerge. Die Zwerge sind eine Rasse für sich. Von ihrem seltsamen Ursprung und Würdenträger. Die Inschrift auf dem Ring war in der altertümlichen Schwarzen warum sie den Elben und Menschen ähnlich und auch wieder nicht ähnlich Sprache gehalten, während die Flüche des Mordor-Orks die korruptere Form sind, berichtet das Silmarillion; doch von dieser Geschichte hatten die minderen haben, wie sie die von Grischnâch angeführten Soldaten des Dunklen Turms Elben von Mittelerde keine Kenntnis, während die Sagen der späteren Menschen gebrauchten. Scharku bedeutete in diesem Idiom so viel wie »alter Mann«. mit Überlieferungen anderer Rassen vermischt sind. Sie sind ein zähes, oft etwas eigensinniges Volk, geheimniskrämerisch, fleißig, Trolle. dient hier zur Übersetzung von Sindarin Torog. Zu Anfang, in der fernen mit einem guten Gedächtnis für Kränkungen (und Wohltaten), Liebhaber Dämmerzeit der Ältesten Tage, waren sie plumpe, stumpfsinnige Kreaturen und des Steins und der Juwelen, der Kunstwerke, die unter der Hand des Meisters hatten ebenso wenig eine Sprache wie die Tiere. Doch Sauron hatte sie für seine Gestalt annehmen, und nicht der Dinge von eigenem Leben. Aber von Natur Zwecke abgerichtet, ihnen beigebracht, was in ihre Köpfe hineinging, und ihren aus bösartig sind sie nicht, und nur wenige haben je freiwillig dem Feind gedient, Verstand mit Tücke verstärkt. Daher nahmen die Trolle von den Orks an Sprache was auch immer die Geschichten der Menschen ihnen nachsagen mögen. Denn auf, was ihnen nicht zu kompliziert war; und in den Westlanden sprachen die seit alters waren die Menschen begehrlich nach ihrem Reichtum und den Werken Steintrolle eine Art heruntergekommenes Westron. ihrer Hände, und es gab Streit zwischen den Rassen. 78 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 79

Im Dritten Zeitalter aber herrschte an vielen Orten zwischen Menschen und II Zur übersetzung Zwergen noch Freundschaft; und für die Zwerge, die nach der Zerstörung ihrer alten Wohnstätten als Händler und Handwerker durch die Lande zogen, Um den Stoff des Roten Buchs in einer Geschichte zu erzählen, die Menschen verstand es sich von selbst, dass sie die Sprachen der Menschen gebrauchten, von heute lesen können, wurde der gesamte sprachliche Bestand so weit wie unter denen sie lebten. Insgeheim aber (und dies war ein Geheimnis, das sie, möglich in die Ausdrucksweise unserer Zeiten übersetzt. Nur die dem Westron anders als die Elben, selbst vor ihren Freunden nicht gern lüfteten) gebrauch- fremden Sprachen wurden in ihrer ursprünglichen Form belassen; aber sie ten sie ihre eigene, fremdartige Sprache, die sich im Lauf der Jahre kaum ver- kommen zumeist nur in den Orts- und Personennamen zur Geltung. änderte. Sie war keine Wiegensprache mehr, sondern war eine Sprache der Unvermeidlich musste die Gemeinsprache, die Sprache der Hobbits und ihrer Überlieferung geworden, und die Zwerge pflegten und hüteten sie wie einen Erzählungen, in modernem Englisch (und dieses dann in Deutsch) wieder- Schatz ihrer Vergangenheit. Wenigen aus anderen Völkern ist es je gelungen, sie gegeben werden. Dabei wurden die im Gebrauch des Westron erkennbaren zu erlernen. In dieser Geschichte taucht sie nur in einigen Ortsnamen auf, die Unterschiede abgeschwächt. Es wurde zwar versucht, diese Unterschiede durch seinen Gefährten verriet, und in seinem Schlachtruf bei der Belagerung Wechsel der deutschen Ausdrucksweise anzudeuten; doch der Abstand zwischen der Hornburg. Der zumindest war kein Geheimnis, denn auf vielen Schlacht- der mundartlichen Aussprache im Auenland und dem Westron, so wie es von feldern, seit die Welt jung war, hatte man ihn gehört: Baruk Khazâd! Khazâd aimênu! Elben oder Würdenträgern in Gondor gesprochen wurde, war größer, als in »Äxte der Zwerge! Zwerge auf euch!« diesem Buch gezeigt wurde. Die Hobbits sprachen zumeist einen ländlichen Gimlis Name jedoch und die Namen aller anderen aus seinem Volk sind Dialekt, während man in Gondor und Rohan eine altertümlichere, förmlichere nordischer (menschlicher) Herkunft. Ihre geheimen, »inneren« oder wahren und knappere Sprache pflegte. Namen haben die Zwerge niemals einem von fremder Rasse verraten. Sie Auf einen dieser Unterschiede ist hier hinzuweisen, weil er, obwohl oft schreiben ihn nicht einmal auf ihre Gräber. bedeutsam, kaum wiederzugeben ist. Das Westron kannte für die Pronomen der zweiten Person (und oft auch der dritten), unabhängig vom Numerus, eine »vertrauliche« und eine »respektvolle« Form. In der eigentümlichen Sprach- entwicklung des Auenlands waren jedoch die respektvollen Formen ungebräuch- lich geworden. Sie hielten sich noch unter den Bewohnern der Dörfer besonders im Westviertel, die sie jedoch eher wie Kosenamen gebrauchten. Dies war eine der Eigenheiten, die den Menschen von Gondor auffiel, wenn sie sich über die Redeweise der Hobbits wunderten. Peregrin Tuk zum Beispiel gebrauchte an den 80 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 81

ersten Tagen in Minas Tirith die vertraulichen Anredeformen gegen Leute jeden und Trolle dagegen redeten drauflos, ohne Rücksicht auf Wörter oder Dinge; Standes, auch gegen den Statthalter Denethor selbst. Den alten Herrn wird es und ihre Sprache war tatsächlich noch verkommener und unflätiger, als ich belustigt haben, aber seine Diener fanden es sicher befremdlich. Gewiss half wiedergeben mochte. Ich glaube nicht, dass jemand hier auf eine genauere Über- dieser ungehemmte Gebrauch der familiären Anredeformen das Gerücht erzeu- setzung Wert legt; denn nach Vergleichbarem braucht man ja nicht lange zu gen, Peregrin sei in seinem Heimatland eine sehr hochrangige Persönlichkeit.5 suchen. Ähnliches hört man aus Orkmündern noch immer: ein trübsinniges Man wird bemerken, dass manche Hobbits wie Frodo und andere Personen Einerlei, gehässig und verachtungsvoll, zu lange vom Guten entfernt, als dass wie Gandalf und Aragorn nicht immer im gleichen Stil reden. Das ist beabsichtigt. dem Wort wenigstens die Kraft geblieben wäre, ins Ohr zu dringen – außer in Die gebildeteren und gescheiteren Hobbits hatten eine gewisse Kenntnis der die Ohren derer, die nur dem Misston offen sind. »Buchsprache«, wie man im Auenland dazu sagte; und sie erfassten rasch die Diese Art zu übersetzen, ist natürlich nichts Neues; sie ist unvermeidlich bei Redeweise derer, mit denen sie zu tun hatten, und passten sich ihr an. Für den jeder Erzählung, die von Vergangenem handelt. Selten geht man weiter. Ich Weitgereisten ist es ohnehin selbstverständlich, mehr oder weniger so zu sprechen aber konnte es dabei nicht bewenden lassen. Ich habe auch alle Westron-Namen wie die Leute, unter denen man sich bewegt; und dies galt umso mehr für sinngemäß übersetzt. Wo in diesem Buch deutsche Namen oder Titel auftreten, einen Mann wie Aragorn, der meistens bemüht war, zu verbergen, wer er war ist dies ein Hinweis darauf, dass Namen in der Gemeinsprache zu jener Zeit und was er vorhatte. Doch hielten zu jener Zeit alle Feinde des Feindes das geläufig waren, neben oder statt denen in den fremden (meist elbischen) Sprachen. Altertümliche hoch in Ehren, in der Sprache nicht minder als in anderen Dingen; Die Westron-Namen waren in der Regel Übersetzungen älterer Namen, so und sie hatten ihre Freude an dem, was sie davon kannten. Den Eldar, den etwa Bruchtal, Weißquell, Silberlauf, Langstrand, der Feind und der Dunkle sprachmächtigsten von allen, standen vielerlei Redeweisen zu Gebote, doch am Turm. Bei manchen war die Bedeutung eine andere: Schicksalsberg für Orodruin natürlichsten war ihnen, was ihrer eigenen Sprache am nächsten kam, die noch (»brennender Berg«) oder Düsterwald für Taur e-Ndaedelos (»Wald des großen älter war als die von Gondor. Auch die Zwerge waren nicht auf den Mund Schreckens«). Manche waren verballhornte elbische Namen, wie Luhn und gefallen und redeten geflissentlich so wie die Leute in ihrer Umgebung, wobei Brandywein, entstanden aus Lhûn und Baranduin. allerdings ihre Aussprache manchen etwas kratzig und kehlig vorkam. Orks Dieses Vorgehen bedarf vielleicht einer Rechtfertigung. Alle Namen in der Originalform zu belassen, hätte, wie mir schien, einen wesentlichen Zug jener 5 Dies musste in der Übersetzung gegenüber dem Englischen noch einmal umgemodelt werden, mit Rücksicht auf die im Deutschen üblichen Anredeformen. Die Hobbits haben zwar ländliche, aber nicht bäurische oder flegelhafte Zeiten, so wie die Hobbits sie erlebten, verdunkelt (und die Sichtweise der Manieren; deshalb reden sie Fremde in der Regel mit Sie an. Die Anrede in der zweiten Person Plural (Ihr) wurde Hobbits wollte ich doch vor allem beibehalten): den Kontrast zwischen einer vermieden: Die Hobbits reden nicht wie Figuren in Märchen oder historischen Romanen. Eine Ausnahme wurde aber bei den Respektspersonen gemacht: Théoden und Denethor kann man nicht ohne weiteres duzen, und auch weit verbreiteten Sprache, die ihnen so geläufig war wie uns das Deutsche, und das bürgerliche Sie wäre hier ungehörig. (Anmerkung des Übersetzers) 82 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 83

den lebenden Resten einer viel älteren und ehrwürdigeren Sprache. Alle Namen, gaben sie meistens Namen ohne umgangssprachliche Bedeutung, und manche hätte ich sie bloß transkribiert, wären dem heutigen Leser gleichermaßen fremd Mädchennamen waren ähnlich. Von dieser Art sind Bilbo, Bungo, Polo, Lotho, vorgekommen: zum Beispiel, wenn der elbische Name Imladris und die Westron- Tanta, Nina und so weiter. Ähnlichkeiten mit heute geläufigen Vornamen sind Übersetzung Karningul beide in der Originalform belassen worden wären. Aber unvermeidlich häufig, aber zufällig: zum Beispiel Otho, Odo, Drogo, Dora, Cora Bruchtal als Imladris zu bezeichnen, war so, als würde man zu dem heutigen und dergleichen. Diese Namen haben wir beibehalten, allerdings ihre Endun- Winchester Camelot sagen, abgesehen davon, dass die Identität gewiss war, da in gen für uns plausibler gemacht, denn in den Hobbitnamen war a eine maskuline Bruchtal noch ein ruhmreicher Fürst saß, weit älter, als es Artus wäre, wenn er Endung, und o und e waren feminin. heute noch als König in Winchester herrschte. In manchen alten Familien, besonders solchen von fahlhäutischer Abkunft Der Name des Auenlandes (Sûza) und aller dort befindlichen Ortschaften wie den Tuks und den Bolgers, war es jedoch Sitte, den Kindern hochtönende wurde also eingedeutscht. Das war nicht weiter schwierig, weil sie sich meistens Vornamen zu geben. Da dies zumeist Namen von Sagengestalten, von Menschen aus ähnlichen Bestandteilen zusammensetzen wie manche unserer Ortsnamen, wie von Hobbits, waren und viele, obgleich für die Hobbits inzwischen bedeu- teils aus noch geläufigen wie -berg, -stadt und -feld, teils aus etwas ungebräuchli- tungslos, den Namen der Menschen im Anduintal, in der Stadt Thal oder in cheren wie -weiler oder -bühl. Manche aber, wie schon erwähnt, leiten sich von der Mark sehr ähnlich waren, habe ich sie durch alte Namen meist fränkischer alten, nicht mehr gebräuchlichen Hobbitwörtern her, und diese wurden durch oder gotischer Herkunft ersetzt, die auch bei uns noch gelegentlich vorkommen ähnlich alte deutsche Entsprechungen wiedergegeben. oder in den Geschichtsbüchern zu finden sind. Jedenfalls konnte ich so den Was aber die Personen angeht, so hatten die Hobbits im Auenland und in Bree oft komischen Kontrast zwischen Vor- und Nachnamen wiedergeben, der auch für jene Zeit ungewöhnliche Namen, da es bei ihnen schon einige Jahrhunderte den Hobbits deutlich bewusst war. Namen klassischer Herkunft wurden dagegen vor dieser Zeit Sitte geworden war, einen Namen in der Familie weiterzuvererben. selten verwendet, denn die nächsten Entsprechungen im Wissen der Hobbits zu Zumeist hatten diese Zunamen in der damaligen Umgangssprache eine nahe Latein und Griechisch wären die Elbensprachen gewesen, und die gebrauchten liegende Bedeutung, abgeleitet von Spitznamen, Ortschaften oder (vor allem in sie bei der Namensgebung nur selten. Zu allen Zeiten kannten nur wenige von Bree) vom Baum- und Pflanzennamen. Diese waren unschwer zu übersetzen; ihnen die »Sprachen der Könige«, wie sie sie nannten. Doch bei zwei älteren Namen, deren Bedeutung nicht mehr bekannt ist, haben Die Namen der Bockländer waren von denen der anderen im Auenland ver- wir uns damit begnügt, die Schreibweise etwas zu verdeutschen: Tuk für Tûk und schieden. Wie schon erwähnt, waren die Leute im Bruch und ihre Kolonie auf Boffin für Bophin. dem anderen Brandywein-Ufer in vieler Hinsicht eigenartig. Viele ihrer sehr Die Vornamen der Hobbits habe ich, soweit möglich, ebenso behandelt. Ihren ausgefallenen Namen stammten sicherlich aus einer früheren Sprache der süd- Töchtern gaben die Hobbits gern Blumen- oder Edelsteinnamen. Den Söhnen lichen Starren. Diese habe ich zumeist unverändert belassen, denn wenn sie 84 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 85

heute merkwürdig klingen, klangen sie so auch schon zu ihrer Zeit. Sie hatten Rohan dem Altenglischen angenähert, denn sie war sowohl mit der Gemein- ein Gepräge, das uns von fern vielleicht ans Keltische erinnert. sprache (entfernt) als auch mit der früheren Sprache der nördlichen Hobbits Da die erhaltenen Spuren einer älteren Sprache der Starren mit dem Fort- (sehr nah) verwandt und im Vergleich zum Westron archaisch. Im Roten Buch bestand keltischer Elemente in England vergleichbar sind, habe ich die Letzteren wird an mehreren Stellen bemerkt, dass die Hobbits, wenn sie die Sprache manchmal in meiner Übersetzung imitiert. So wurden Bree, Archet und Chet- von Rohan hörten, viele Wörter darin wieder erkannten und die Sprache als der wald nach dem Muster britischer Namensaltertümer gebildet, mit der Bedeutung eigenen ähnlich empfanden; darum wäre es absurd gewesen, die aufgezeichneten bree, Berg, und chet, Wald. Aber von den Personennamen wurde nur einer auf Namen und Wörter der Rohirrim in völlig fremdartiger Form zu belassen. diese Weise verändert. Meriadoc wurde mit Rücksicht auf den Umstand gewählt, In mehreren Fällen habe ich die Form und Schreibung der Ortsnamen aus dass die Kurzform seines Namens, Kali, im Westron »munter, lustig« bedeutete, Rohan modernisiert, so bei Dunharg oder Schneeborn; doch darin bin ich nicht obwohl es eigentlich ein Kürzel für den inzwischen bedeutungslosen bockländi- einheitlich verfahren, denn ich richtete mich nach den Hobbits. Sie änderten schen Namen Kalimac war. die Namen, die sie hörten, auf dieselbe Weise ab, wenn sie aus ihnen bekannten Namen hebräischer oder ähnlicher Herkunft habe ich bei diesen Umwand- Elementen bestanden oder auenländischen Ortsnamen ähnelten; aber viele ließen lungen nicht verwendet. Nichts in den Hobbitnamen entspricht diesem Element sie auch, wie sie waren, und ebenso habe ich es zum Beispiel bei Edoras, »die unserer Namen. Kurzformen wie Sam, Tom, Tim, Mat waren auch für echte Wohnhöfe«, gehalten. Aus denselben Gründen wurden auch einige wenige Hobbitnamen üblich, zum Beispiel Tomba, Tolma, Matta und so weiter. Doch Personennamen wie Schattenfell und Schlangenzunge modernisiert.6 Sam und sein Vater Ham wurden eigentlich mit Ban und Ran angeredet, Kürzeln Auf dem Wege einer solchen Angleichung ließen sich zugleich die eigentüm- für Banazîr und Ranugad, die ursprünglich Spitznamen mit der Bedeutung »Ein- lichen Hobbitwörter sinnvoll wiedergeben, die ebenfalls aus dem Norden faltspinsel« und »Kleingärtner« gewesen waren, dann aber die umgangssprach- stammten. Ihnen wurden die Formen gegeben, die verloren gegangene englische liche Bedeutung verloren hatten. Ich habe daher versucht, diese Eigenheiten Wörter haben könnten, wenn sie bis in unsere Zeit erhalten geblieben wären. durch Verwendung von Samweis und Hamfast zu bewahren, Modernisierungen So soll mathom an das altenglische máthm erinnern und damit die Verwandtschaft von altenglisch samwís und hamfoest, die den genannten Bedeutungen entsprechen. des eigentlichen Hobbitworts kast, rohirrisch kastu, wiedergeben. Ähnlich ist Nachdem ich in dem Bestreben, die Sprache und die Namen der Hobbits smial (oder smile), Erdhöhle, eine wahrscheinliche Form für einen Abkömmling modern und vertraut klingen zu lassen, einmal so weit gegangen war, sah ich mich zu weiteren Schritten in dieselbe Richtung genötigt. Die Menschensprachen, die 6 Dieses sprachliche Verfahren setzt nicht voraus, dass die Rohirrim den alten Engländern auch in anderer Hinsicht ähnlich gewesen sein müssten, in Kultur oder Kunst, Waffen oder Art der Kriegführung, abgesehen von einer all- mit dem Westron verwandt waren, mussten, so schien mir, in eine mit unseren gemeinen Ähnlichkeit der Lebensumstände: ein schlichteres, primitiveres Volk, das im Kontakt mit einer höheren Sprachen verwandte Form gebracht werden. Daher habe ich die Sprache von und ehrwürdigeren Kultur lebt, auf einem Gebiet, das einst zu deren Machtbereich gehörte. 86 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 87

von smygel und geeignet, das Verhältnis des Hobbitworts trân zu rohirr, trahan nur in dem Namen Dwarrowdelf (Zwergengrube), als Übersetzung für den Namen nachzubilden. Auf die gleiche Weise wurden Sméagol und Déagol gebildet, als Morias in der Gemeinsprache: Phurunargian. Dies, mit der Bedeutung »Zwerg- Entsprechungen zu den nordsprachlichen Namen Trahald (»wühlend, unterkrie- grabend«, war schon damals ein Wort von altertümlicher Form. Moria aber ist chend«) und Nahald (»heimlich«). ein elbischer Name, und so wurde die Stadt nicht von ihren Freunden benannt. Die noch weiter nördliche Sprache von Thal erscheint in diesem Buch nur in Denn die Eldar, auch wenn sie selbst in ihren erbitterten Kriegen mit dem den Namen der Zwerge, die aus jener Region kamen und daher die Sprache der Dunklen Herrscher und seinen Dienern in der Not manchmal unterirdische dortigen Menschen gebrauchten, in der sie sich auch ihre »Außennamen« Festungen anlegten, wohnten an solchen Stätten nicht freiwillig. Sie liebten das gaben. Wer die englische Ausgabe dieses Buches liest, wird bemerken, dass hier grüne Land und die Himmelslichter; und Moria hieß in ihrer Sprache »die wie auch im Hobbit die Pluralform dwarves gebraucht wird, obwohl uns die Wörter- schwarze Kluft«. Die Zwerge selbst aber, und wenigstens diesen Namen hielten bücher versichern, dass der Plural von dwarfs lautet. Er würde aber dwarrows sie nie geheim, nannten den Ort Khazad-dûm, das Heim der Khazad; denn dies (oder dwerrows) lauten, wenn Singular und Plural auf getrennten Wegen durch ist der Name für die eigene Rasse und ist es immer geblieben, seit er ihnen bei die Zeiten marschiert wären, wie im Falle von man und men oder goose und geese. ihrer Erschaffung in den Tiefen der Zeit von Aule verliehen wurde. Aber wir sprechen heute nicht mehr so oft von einem Zwerg wie von einem Elben wurde als Übersetzung sowohl für Quendi, »die Sprechenden«, gebraucht, Menschen oder selbst von einer Gans; und die Erinnerungen sind unter den wie der hochelbische Name für alle von ihrer Art lautet, als auch für Eldar, wie Menschen nicht frisch genug geblieben, um an einem ungewöhnlichen Plural die Drei Geschlechter heißen, die sich zum Reich der Unsterblichen aufmachten für eine Rasse festzuhalten, die nun ins Reich der Märchen verbannt ist, wo und (mit Ausnahme der Sindar) zu Anbeginn der Zeit dort hingelangten. Dieses wenigstens noch ein Schatten der Wahrheit fortbesteht, oder schließlich in alte Wort7 war überhaupt das einzig brauchbare und galt einst als treffende Nonsens-Geschichten, in denen sie zu bloßen Witzfiguren verkommen sind. Bezeichnung für solche Wesen, soweit sie den Menschen in Erinnerung geblieben Aber im Dritten Zeitalter ist noch etwas von ihrer alten Kraft und Wesensart zu waren, oder für Menschen, deren Geistesart von der elbischen nicht völlig ver- erkennen, wenn auch schon ein wenig getrübt. Dies sind die Nachfahren der schieden war. Aber nun ist es zu »Elfen« heruntergekommen, teils niedlichen, Naugrim aus den Ältesten Tagen, in deren Herzen das alte Feuer des Schmiedes teils albernen Fantasiewesen, die mit den Quendi von einst so wenig Ähnlichkeit Aule noch glimmt und der alte Groll gegen die Elben schwelt; und in ihren haben wie der Schmetterling mit dem Falken – was nicht heißen soll, dass die Händen lebt noch die unübertroffene Kunst der alten Steinwerker. Quendi jemals Flügel am Leib gehabt hätten; dies lag ihrer Natur ebenso fern Um dies zu unterstreichen, habe ich also in der Mehrzahl von dwarves gesprochen, wie der menschlichen. Sie waren ein edles und schönes Volk, die erstgeborenen um sie so vielleicht ein Stück weit von den ärgsten Albernheiten dieser neuen Zeit abzurücken. Dwarrows wäre noch besser gewesen, doch diese Form habe ich 7 Englisch , elves. Vgl. dazu „Zur neuen Übersetzung“ von Wolfgang Krege. 88 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 89

Kinder der Welt, und wie Könige unter ihnen waren die Eldar, die nun fort wich (»Dorf, Flecken«) entspricht. Gamwich (Aussprache: Gämmitsch) erschien sind: das Volk der Großen Wanderung, das Volk der Sterne. Sie waren groß, daher als angemessene Wiedergabe. Dass daraus in der Verkürzung, anstelle von hellhäutig und grauäugig, doch mit dunkellockigem Haar, außer in Finarfins Galpsi, Gamgee wurde [ein Dialektwort für Verbandsmull], sollte keine Anspielung goldblonder Sippe; und ihre Stimmen klangen melodischer als jede sterbliche auf Samweis’ Verbindung mit der Familie Kattun sein, obwohl ein solcher Stimme, die wir heute kennen. Sie waren tapfere Krieger, doch die Geschichte Scherz den Hobbits durchaus zuzutrauen wäre, hätte es in ihrer Sprache dafür derer, die nach Mittelerde ins Exil zurückkamen, war traurig; und ihr Schicksal, eine Grundlage gegeben. obwohl es sich in fernen Tagen mit dem unserer Vorväter kreuzte, ist nicht das Kattun (Cotton) steht für Hlothran, ein ziemlich häufiger Dorfname im Auen- Schicksal der Menschen. Vor langer Zeit ist ihr Reich vergangen, und nun wohnen land, bestehend aus hloth, »Zweizimmer-Höhle«, und ran(u), eine kleine Gruppe sie jenseits der Kreise dieser Welt und kehren nicht wieder. solcher Behausungen an einem Berghang. Als Nachname könnte es eine Abwandlung von hlothram(a), »cottager« oder »Kätner«, sein. Hlothram, wieder- Anmerkung zu drei Namen: Hobbit, Gamdschie und Brandywein gegeben mit engl. Cotman, dt. Katner, war der echte Name von Bauer Kattuns Großvater. Hobbit ist ein erfundenes Wort. Im Westron lautete es, wenn dieses Volk über- haupt erwähnt wurde, banakil, »Halbling«. Doch zu jener Zeit gebrauchte man Brandywein. Die Hobbitnamen für diesen Fluss waren Abwandlungen von elbisch im Auenland und in Bree das Wort kuduk, das es anderswo nicht gab. Meriadoc Baranduin (mit dem Ton auf and), das sich aus baran, »goldbraun«, und duin, berichtet allerdings, dass der König von Rohan den Ausdruck kûd-dûkan, »Höhlen- »großer Fluss«, zusammensetzt. Für Baranduin wäre in unserer Zeit Brandywein bewohner«, gebrauchte. Da, wie schon gesagt, die frühere Sprache der Hobbits eine nahe liegende Verballhornung. Tatsächlich lautete der ältere Hobbitname mit der von Rohan nah verwandt war, scheint die Annahme plausibel, dass kuduk Branda-nîn, »Grenzgewässer«, was besser mit »Markborn« wiedergegeben eine verschliffene Form von kûd-dûkan war. Letzteres habe ich aus den genannten worden wäre; aber durch einen Witz, der zur stehenden Redensart geworden Gründen mit holbytla übersetzt, und hobbit wäre dann ein Wort, das eine verschlif- war, wurde daraus, wiederum in Anspielung auf die bräunliche Farbe, der zu fene Form von holbytla sein könnte, wenn es diesen Namen in unserer eigenen dieser Zeit gebräuchliche Name Bralda-hîm, »berauschendes Bier«. alten Sprache je gegeben hätte. Zu beachten ist jedoch, dass die Familie Altbock (Zaragamba), als sie ihren Namen in Brandybock (Brandagamba) abänderte, von der Bedeutung »Grenz- Gamdschie (Gamgee). Nach der im Roten Buch erklärten Familienüberlieferung land« für das erste Element ausging, und »Markbock« wäre der Bedeutung kam der Nachname Galbasi, verkürzt Galpsi, von dem Dorf Galabas, dessen Name näher gekommen. Nur ein sehr frecher Hobbit hätte wohl gewagt, den Herrn sich, wie gemeinhin angenommen wurde, aus galab- (engl. game, »Wild«) und von Bockland in seiner Anwesenheit Braldagamba zu nennen. einem älteren Element bas- zusammensetzt, das ungefähr dem engl. wick oder 90 J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 91

Zur neuen übersetzung Die erste deutsche Fassung des Lord of the Rings, vor dreißig Jahren erschienen, hat dem den Hobbits ihre englischen Namen zu belassen, die ja ihrerseits nur Übersetzungen Buch viele Leser und Immerwieder-Leser gewonnen. Einer davon bin ich. Ich verdanke der echten Hobbitnamen sein sollen. Tolkien selbst hat sich an Namensfindungen für ihr vieles, und als ich mich an die Neufassung machte, merkte ich, dass ich sie stellen- das Deutsche beteiligt, und manchmal bot ihm unsere Sprache eine Gelegenheit, die weise auswendig kannte, immer ein Zeichen dafür, dass etwas nicht ganz schlecht sein er im Englischen vermisste. Zu dem Wort Elben zum Beispiel – das sich heute so kann. Die Übersetzerin Margaret Carroux hat also an etlichen Stellen die auch aus natürlich anhört, als hätte man es schon immer gekannt – hat er der Übersetzerin den meiner Sicht richtigen Worte schon gefunden. Dies waren die schwierigsten Momente etymologischen Hinweis gegeben. Im Englischen musste er mit den peinlichen elves, in meiner Arbeit. Abschreiben müssen tut weh. »Elfen«, auskommen. Dennoch wird der Leser auch ohne peniblen Textvergleich Unterschiede bemerken. Auch den Namen für Sûza, das Land der Hobbits, Auenland, finde ich besser als Die alte Fassung ist eine getreue Nacherzählung einer fremden Geschichte. Sie gibt das dürre englische Shire; und trotzdem wurde er gelegentlich bemängelt. »Zu zahnlos«, den englischen Text im Allgemeinen zuverlässig wieder; doch der Ton klingt neutral meinte ein Kritiker – aber wer will denn hier beißen oder die Zähne fletschen? Das und gedämpft, als käme er über Mikrofon aus der gläsernen Kabine eines Dolmetschers. Auenland ist ein Idyll und hat einen ironischen Kosenamen verdient. Die neue Fassung maßt sich einen Versuch an, die Geschichte so vorzutragen, wie Eine Inkonsequenz in den Namensverdeutschungen sei eingestanden. Parallel zu den Tolkien es tun würde, wenn er heute, 1999, schriebe und wenn er sie aus dem Westron neuenglischen Namen der Hobbits hätten eigentlich auch die altertümlichen Namen gleich ins Deutsche brächte, ohne den Umweg über das Englische. der mit ihnen sprachverwandten Rohirrim eine deutsche Form erhalten müssen, und Einen wichtigen Teil der Arbeit hatte mir die alte Übersetzung schon abgenommen: zwar eine altdeutsche, ähnlich den Namen aus dem Nibelungen- oder dem Älteren die Verdeutschung der Namen. Darin verbergen sich einige Vorentscheidungen über Hildebrandlied. Davor bin ich zurückgeschreckt. Beim unbefangenen Inhalieren dieser den Stil. Und an den Namen gab es nicht viel zu ändern. Die meisten sind gut gewählt weltentrückten Geschichte würde die Erinnerung an allzu Einheimisches nur stören. und haften im Gedächtnis (obwohl nicht wenige Figuren zwei oder mehr Namen Aus der alten Ausgabe habe ich viele Lieder und Gedichte in Frau von Freymanns haben); und auch an manche vielleicht anfechtbare hatte ich mich gewöhnt. Nur bei vortrefflicher deutscher Fassung übernommen, weil ich sie durch nichts Ebenbürtiges Nebenfiguren und selten erwähnten Orten waren kleine Umbenennungen ohne ersetzen könnte. Der veränderte Prosa-Kontext erforderte einige geringfügige Abwand- Gewaltsamkeit möglich. lungen; und andere Stücke wurden ganz neu übersetzt. Namensübersetzungen sind anderswo in der Literatur heute nicht mehr üblich, und Mancher Leser wird in dieser Ausgabe die Anhänge vermissen, die der Erzählung manche Leute scheinen sie auch hier für eine Marotte deutschtümelnder Übersetzer zu erst ihre ganze Hintergrundtiefe geben. Auch sie wurden neu übersetzt; doch hat der halten. Darum sei einmal daran erinnert, dass Margaret Carroux sie auf Tolkiens Wunsch Verlag beschlossen, sie in einem gesonderten Band herauszubringen. und nach seinen Anleitungen vorgenommen hat. Es gibt keinen vernünftigen Grund, Wolfgang Krege, September 1999

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Aus platztechnischen Gründen haben wir die Anhänge gedrittelt und werden sie Ausserdem von J.R.R. Tolkien im Hörverlag erschienen: in Teil 2 und 3 fortsetzen. Herzlichen Dank der deutschen Tolkiengesellschaft und besonders Marcel Bülles, der uns bei der Auswahl der Anhänge unterstützt Bauer Giles von Ham Der Hobbit und für alle Fragen ein offenes Ohr hatte, und Gernot Katzer, der uns die 1 CD, ISBN 3-89940-656-7 4 CD, ISBN 3-89584-918-9 richtige Aussprache verraten hat. 1 MC, ISBN 3-89584-722-0 ab 11 Jahren ab 7 Jahren Hörspiel Vollständige Lesung Informationen zu J.R.R. Tolkien, Mittelerde und mehr Deutsche Tolkien Gesellschaft e.V. Das Silmarillion Die Briefe vom http://www.tolkiengesellschaft.de 13 CD, ISBN 3-89940-682-6 Weihnachtsmann Vollständige Lesung 1 CD, ISBN 3-89940-006-2 ab 6 Jahren gekürzte Lesung

Der Elbenstern Roverandom 1 CD, ISBN 3-89940-204-9 3 CD, ISBN 3-89940-098-4 Die Buchausgabe Der Herr der Ringe von J.R.R. Tolkien ist bei Klett-Cotta ab 7 Jahren Lesung erschienen und im Handel erhältlich. Vollständige Lesung

Der Hörverlag Die Originalausgabe erschien 1954 und 1955 unter dem Titel im Verlag Allen & Unwin Ltd., London Der Herr der Ringe © 1966 by George Allen & Unwin Ltd., London. Published by arrangement with HarperCollins Publishers Ltd., London® 10 CD, ISBN 3-89940-265-0 © 1990 Frank Richard Williamson and Christopher Reuel Tolkien, executors of the estate of the late John Ronald Reuel Tolkien. Gedichte wurden von E.-M. von Freymann übertragen • Für die deutsche Ausgabe Klett-Cotta © 2000 J.G. ab 12 Jahren Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, • © + P Der Hörverlag GmbH, München 2006 Hörspiel Alle Urheber- und Leistungsschutzrechte vorbehalten. Kein Verleih! Keine unerlaubte Vervielfältigung, Vermietung, Aufführung, Sendung! 17 CD • MONO • Laufzeit ca. XXX Minuten • Der Hörverlag 2006 ISBN-13 978-3-89940-886-7 • ISBN-10 3-89940-886-1 • Illustration: