Benediktinisches leben

25 Jahre danach Kloster Huysburg im Bistum von Athanasius Polag OSB

Bei einem Rückblick auf die Zeit seit der war, erwerben. Für das Pflegeheim errichtete Wende 1989 aus der Sicht eines Klosters die Caritas einen Neubau im benachbarten im Bistum Magdeburg muss auch die Vor- Dingelstedt. Der Plan des Bistums war, die geschichte des heutigen Priorates Huysburg Huysburg als kirchlichen Ort zu erhalten und etwas erwähnt werden. Die Huysburg in der ein Bildungshaus dort einzurichten. Nähe von war von 1084 bis 1804 Die Gemeinschaft musste eine Entschei- eine Benediktiner­abtei, die alle Kriege über- dung über ihren Fortbestand treffen. Schon in 428 standen hatte. Nach der Aufhebung durch die dem Jahrzehnt zuvor hatte der Abtpräses der preußische Regierung blieb sie mit der roma- Kongregation den Abt von St. Matthias / , nischen Kirche und dem Teil des Klosters, der Ansgar Schmidt, gebeten, ihn in der Betreuung der Pfarrgemeinde zugesprochen worden war, des Klosters Huysburg zu unterstützen. Als ein Zentrum für die katholischen Christen in Bischof Leo Nowak der Gemeinschaft anbot, der preußischen Provinz Sachsen, kirchlich ein- ihr die Huysburg zu verpachten und sie bei gebunden in den östlichen Teil des Erzbistums deren Neugestaltung einzubeziehen, bat der Paderborn. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Konvent die Gemeinschaft in St. Matthias um dort ein Priesterseminar für die Katholische Unterstützung. Kirche in der DDR im Zusammenhang mit dem Abt Ansgar übernahm 1991 zunächst als benediktinisches leben Theologiestudium in Erfurt eingerichtet. Zu- Administrator die Leitungsverantwortung. Da- gleich wurde die Huysburg ein Wallfahrtsort im bei ging es nicht nur um die Gestaltung des Bereich des Bischöflichen Amtes Magdeburg. Mönchslebens, sondern auch zugleich um eine Im Jahr 1972 konnte sozusagen im Schat- missionarische Wirkung des Ortes in Zusam- ten des Seminars eine benediktinische Cella menarbeit mit dem Bistum. Sehr bald wurde gegründet werden. Die Verantwortung für die deutlich, dass damit eine Herausforderung für Gründung trug die Abtei Tyniec bei Krakau, den ganzen Konvent in Trier verbunden war. die zur „Benediktinerkongregation von der Der Konvent entschloss sich 1993 zum Einsatz Verkündigung“ gehört. Durch die politischen für die Huysburg, auch in Form personeller Veränderungen in Polen wurde die Beziehung Verstärkung des Huysburger Konventes. In der zwischen Tyniec und der Huysburg durch die Folgezeit kam es zu einem Vertrag zwischen DDR behindert. Daher wurde das Kloster Hu- dem Bistum Magdeburg und dem Kloster zur ysburg schon 1984 ein selbständiges Priorat. „Gestaltung der Huysburg als kirchliches Zen- trum für das Bistum Magdeburg“. Von der Wende überrascht Aus der Vergangenheit übernahm der Konvent die Seelsorge in der zur Huysburg Nach der politischen Wende 1989 kamen gehörenden Pfarrei und die Betreuung der unerwartet tiefgreifende Veränderungen auf Wallfahrten. Hinzu kam die Neugestaltung des die Gemeinschaft zu. Das Seminar wurde bei ganzen Berings in mehreren Bauabschnitten. der Neuordnung der Priesterausbildung nach Es ging um die Möglichkeiten zum Empfang Erfurt verlegt. Das Bistum konnte 1992 den der Besucher und die Einrichtung eines Gä- Teil der Huysburg, der früher in Privatbesitz stehauses. Alle Bemühungen waren von dem und dann ein staatliches Pflegeheim gewesen Anliegen getragen, „dafür zu wirken, dass die Huysburg insgesamt ein Ort der Erinnerung der Administration brachte neben Vorteilen an Gott und ein Ort der Begegnung mit Gott auch Belastungen, die vorher nicht vorhan- und den Menschen sein kann“ (Leitbild der den waren. Huysburg). Bischof Leo Nowak stieß ein Nachdenken Es zeigte sich, dass ein Kloster im Be- darüber an, was Christsein heute in einer ge- reich der ehemaligen DDR nicht nach der wandelten gesellschaftlichen Situation bedeute. Art eines autonomen Benediktinerklosters Die Überzeugung, es komme wesentlich darauf leben und wirken kann. Die Minderheit der an, missionarisch Kirche zu sein, konkretisierte katholischen Christen beträgt fünf Prozent sich in der Gründung von drei Gymnasien in der Bevölkerung. Daher erfolgte 2004 der kirchlicher Trägerschaft und in der ökume- Zusammenschluss der beiden Klöster zu einer nischen Beteiligung an einem vierten. Unsere Gemeinschaft an zwei Standorten. Kirchen- Gemeinschaft beteiligte sich an der Einrichtung rechtlich wurde die Huysburg ein abhängiges von Religionsunterricht an den Schulen unseres Priorat der Benediktinerabtei St. Matthias. Nahbereichs. Wirtschaftlich blieb die Huysburg getrennt, Die Situation, dass drei Viertel der Bevöl- um den Anforderungen der unterschiedlichen kerung sich als atheistisch bezeichneten, wurde Orte besser gerecht werden zu können. von der Bistumsleitung als Herausforderung 429 Der Auftrag des Konventes ist - in der angenommen. Es wurde vordringlich die Frage kirchlichen Perspektive – nach innen und gestellt: Wie können die Gläubigen befähigt nach außen gerichtet. „Nach innen gerichtet“ werden, über ihren Glauben angemessen und meint hier lediglich die Zusammenarbeit mit verständlich mit Nichtchristen zu sprechen? Un- dem Bistum, die für die Gemeinschaft der sere Gemeinschaft beteiligte sich an Beratungen Huysburg seit eh und je zum Leben gehört. in Arbeitsgruppen, die vom Seelsorgeamt, vom „Nach außen gerichtet“ nimmt die Beziehung Priesterrat und Katholikenrat angestoßen wur- der Gemeinschaft zu den Nichtchristen in den den. Blick. Von beidem soll hier berichtet werden. Schließlich kam es dazu, dass am 2. Juli 2000 Bischof Leo Nowak die Einladung zu benediktinisches leben Von der Wende zu einem Aufbruch einem Pastoralen Zukunftsgespräch für das Bistum veröffentlichte. Im März 2001 begann Unmittelbar nach der Wende 1989 war man eine gut strukturierte Beratung, die im Februar in den katholischen Gemeinden von der Hoff- 2004 abgeschlossen wurde. Diese Bistumsver- nung erfüllt, dass es zu einem Aufschwung sammlung hatte in fünf Sitzungen wegweisende des Gemeindelebens komme. Durch die nun Texte für die Pastoral und das Leben der Ge- gegebene Freizügigkeit und die unterschied- meinden beschlossen. Diese Dokumente wurden lichen Belastungen und Veränderungen im unverzüglich veröffentlicht. Der Titel der Doku- beruflichen Bereich wurde jedoch die Betei- mentation zeigt das Programm: „Um Gottes und ligung an den Veranstaltungen der Pfarrei der Menschen willen – den Aufbruch wagen.“ gemindert. So kam es zu einer ersten Welle Die Texte sind von herausragender Qualität, von Enttäuschung bei den Seelsorgern. theologisch vom II. Vaticanum geprägt und in Doch die Leitung des Bischöflichen Amtes der Ausdrucksweise sehr verständlich. Magdeburg blieb bei guter Zuversicht. Das Unsere Gemeinschaft hat sich bemüht, zur führte 1994 zur Gründung des Bistums Rezeption der Anregungen beizutragen. Wir Magdeburg. Das neue Bistum umfasste die übernahmen die im Grundsatzdokument formu- Teile des Erzbistums Paderborn, die auf dem lierte Zielsetzung in unser Leitbild: „Wir wollen Gebiet der ehemaligen DDR lagen. Im Rah- eine Kirche sein, die sich nicht selbst genügt, men der Neuordnung der Bistumsstruktur sondern allen Menschen Anteil an der Hoffnung in den neuen Bundesländern erfolgte eine gibt, die uns in Jesus Christus geschenkt ist.“ Angleichung der diözesanen Verwaltung an Im Dekanat, bei der Gestaltung der Wallfahr- die der westlichen Bistümer. Die Ausweitung ten, in Vorträgen und Einkehrtagen setzten wir uns dafür ein, die Impulse in konkrete Schritte waren von sehr unterschiedlicher Art und Qua- umzusetzen. lität. Gemeinsam ist ihnen die Entschiedenheit, „nicht einfach so weiterzumachen wie bisher“. Stockende Rezeption Um diese Anregungen nicht wieder ver- sanden zu lassen, wurden 2014 in einer Die Begeisterung, die in der Bistumsversamm- Publikation des Bischöflichen Ordinariates Le- lung erfahrbar war, konnte jedoch nicht wir- bensvollzüge und Aufgabenbereiche zu einem kungsvoll in die Gemeinden hinein vermittelt Zukunftsbild der Kirche zusammengestellt. werden, und die Rezeption der Texte ließ zu Wieder ist die Zielrichtung, auf konkretes Tun wünschen übrig. Ein beträchtlicher Teil des in der Gemeinde hinzuwirken und Vorstel- Klerus blieb gegenüber dem Begriff „Auf- lungen zu korrigieren, die sich einseitig an der bruch“ und dem Anliegen einer veränderten Vergangenheit orientieren. Doch auch diese Pastoral skeptisch. Die Ermutigung zum Auf- Impulse sind ähnlich wie ein Jahrzehnt zuvor bruch wurde bisweilen kleingeredet, und pa- durch die Veränderungen in der Organisation storale Versuche wurden als Beweis mangeln- der Gemeinden beeinträchtigt. Es können der Loyalität denunziert. nämlich nicht mehr alle Pfarreien mit einem 430 Die Aufmerksamkeit im Bistum wurde von Priester als leitendem Pfarrer besetzt werden. anderen Aufgaben beansprucht. Die Minde- Damit stellt sich die Frage, welches Modell von rung der Zahl der Priester, Diakone und Ge- Gemeinde in der Zukunft realisiert werden soll, meindereferentinnen führte nämlich zu einer und diese Frage scheint nun andere Anliegen Verunsicherung in den Gemeinden. Denn ab in den Hintergrund zu drängen. 2004 begannen die Zusammenlegung von Pfarreien und die Aufgabe von Gottesdienst- Damit doch nicht alles so bleibt, wie es stationen. Dies stieß in vielen Gemeinden auf war Unverständnis und führte zu Ärger in den kirchlichen Gremien. Hinzu kamen bedauer- Das Kloster Huysburg ist durch die Seelsorge benediktinisches leben liche Vorgänge in der Finanzverwaltung. Fer- und das Tagungs- und Gästehaus, das seit ner drückte die Emigration auf die Stimmung 2008 in Betrieb ist, in das Leben des Bistums in den Gemeinden. Jüngere Mitglieder gingen eingebunden. Die Entwicklungen des Bistums aus beruflichen Gründen in den Westen und wirken sich auf Leben und Dienst der Ge- fehlten nun in der Jugendarbeit. Kurz gesagt, meinschaft aus. Darum liegt es im Interesse der Alltag in Diözese und Pfarreien bremste der Gemeinschaft, dass der Aufbruch aus den den Elan des Pastoralen Zukunftsgesprächs Neunzigern auf Dauer zum Tragen kommt. auf weite Strecken aus. Aus der Erfahrung der zurückliegenden Jahre Im Jahr 2011 wurde erneut zu einer scheinen zwei Aspekte von entscheidender Bistumsversammlung eingeladen, gedacht als Bedeutung zu sein. konkrete Weiterführung der Versammlung von 2001-2004. Wieder wurde die Frage gestellt: 1. Das Bild von der Kirche bestimmt die „Worin liegen die Herausforderungen der Kir- Beteiligung des einzelnen Christen bzw. der che von Magdeburg in diesen unseren Tagen?“ einzelnen Christin an der Verantwortung für Zehn Arbeitsgruppen stellten zu vereinbarten die Gemeinde. Dazu ist festzustellen: Die Themen Empfehlungen zusammen, was in den Erwartungen an diejenigen, die den Dienst Gemeinden konkret getan werden könnte. In der Leitung innehaben, sind nach wie vor einer großen Versammlung im Oktober 2012 zu hoch. Bei der überwiegenden Zahl der wurden diese Anregungen den Vertretern der aktiven Katholiken ist der Blick zu sehr 44 Pfarreien vorgelegt. Durch gemeinsames auf die Priester und Bischöfe gerichtet. Das Tun in konkreten Projekten sollte ein „Para- Bild von der Kirche ist, kurz gesagt, noch digmenwechsel“ in den Gemeinden gefördert zu klerikal. Es wird in der Zukunft darauf werden. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen ankommen, dass die biblischen Bilder vom Volk des neuen Bundes, vom Leib Christi und finden, ohne sich mit dem zu befassen, was vom Zeichen des Heilswirkens Gottes für die der Minderheit der Christen wichtig war. Völker prägende Kraft gewinnen. Das Bild Nachdem sich mit der Wende die Verhält- von der Kirche sollte aus der Erfahrung der nisse geändert hatten und die Meinungsfrei- Lebensvollzüge konkret gespeist werden. Wo heit neue Möglichkeiten eröffneten, war es Gläubige aus dem Geist der Taufe miteinander naheliegend, dass die Gemeinschaft eine ihrer beten, Kranken und Notleidenden beistehen, Aufgaben darin sah, das Gespräch mit den von ihrer persönlichen Beziehung zu Jesus Nichtchristen zu suchen. Durch die Beteiligung Christus ohne Scheu sprechen und bei aller am Pastoralen Zukunftsgespräch des Bistums Unterschiedlichkeit Gemeinschaft nach dem erhielt dies einen besonderen Akzent. So heißt Wort Jesu verwirklichen - da lebt Kirche am es im Leitbild der Gemeinschaft: „Es geht uns Ort. Das ist die notwendige Erfahrungsbasis besonders darum, unsere Aufmerksamkeit den für die sakramentale Dimension der Kirche. Menschen zuzuwenden, die nicht mit dem Glauben und dem kirchlichen Leben vertraut 2. Die persönliche Beziehung zu Jesus, dem oder verbunden sind.“ Gleichzeitig möchte die Christus, ist ausschlaggebend für eine Betei- Gemeinschaft dazu beitragen, dass in unserer ligung am Leben der Gemeinde – auf Dauer. Kirche die Aufmerksamkeit für diese Menschen 431 Angesichts der gesellschaftlichen Verhältnisse an Kraft gewinnt. Einige Erfahrungen aus den braucht der Christ bzw. die Christin ein le- vergangenen Jahren seien hier aufgeführt, bendiges Bewusstsein von der Beziehung zu ohne auf die verschiedenen Unternehmungen Jesus, die durch das Sakrament der Taufe und Veranstaltungen im einzelnen einzugehen: gestiftet wurde. Damit sollten die Überzeu- Die Einladung zu Gesprächen über Themen gung vom Wirken des Heiligen Geistes und des Glaubens an Gott, über ethische Fragen die Praxis des persönlichen Betens verbunden oder über die Gestalt Jesu und seine Botschaft sein. Das ist natürlich ein Weg. Wie können stießen auf keine bemerkenswerte Resonanz. Hilfen gestaltet werden, dass Christen sich Eher waren es kulturelle Veranstaltungen, die auf diesen Weg einlassen? Dann wird eine den Anlass zu Gesprächen boten, die über die benediktinisches leben Sendung nicht eine Last, sondern eine Ein- Alltagswirklichkeit hinaus die andere Seite der ladung, Verantwortung zu übernehmen. Der Welt berührten. In den letzten Jahren kamen eigentliche „Paradigmenwechsel" muss also die Familienfeiern im Gästehaus hinzu. Eine im Bewusstsein des Einzelnen stattfinden, wichtige Kontaktfläche waren von Anfang an sonst gibt es keinen solchen in der Pastoral. die Führungen im Rahmen der „Straße der Ro- manik“. In den ersten acht Jahren begegneten Die andere Seite der Welt die Brüder dabei einem spürbaren Interesse an einer Hintergrundinformation über Kirche Die Huysburg war mit der weithin sichtbaren und Religion. Das ließ dann nach, aber in den Kirche, den Gottesdiensten, den Wallfahrten, letzten Jahren hat das Interesse wieder zuge- dem Stundengebet der Mönche und der Se- nommen. minaristen und den kirchlichen Ereignissen in Es gab in den zurückliegenden 25 Jahren der Zeit der DDR eine Stätte der Erinnerung in den Kirchen eine intensive Kommunikation an Gott. Das konnte auch das regierungsamt- über die „verfestigte Konfessionslosigkeit“ in lich verordnete abschätzige Reden über die den neuen Bundesländern. Man ist Christ Religion nicht verhindern. Es wurde von der oder man ist es eben nicht. Die Erfahrung der Bevölkerung wahrgenommen, die Wirkung Gemeinschaft lässt sich in Kürze so darstellen: jedoch blieb im Dunkeln. Der überwiegende Menschen sind mit der Gestaltung und Bewäl- Teil der Bevölkerung hatte sich im Alltag tigung des Alltags ausgelastet und haben sich eingerichtet. Viele bemühten sich, anständig mit der Begrenztheit des Lebens abgefunden. zu leben und ein Auskommen mit der Un- Sie sind je nach den Verhältnissen zufrieden ehrlichkeit des Regimes und seiner Organe zu oder unzufrieden, bewegt von Erwartungen oder Enttäuschungen wie andere Menschen Ein tatsächlich schwerwiegendes Hin- anderswo auch. Bei herausragenden Ereignis- dernis im Gespräch besteht darin, dass sen oder bei Konflikten und Krisen stellt sich von sehr vielen die Religion mit Institution jedoch bei vielen eine Ahnung ein, dass es identifiziert wird. Das bedeutet, dass die noch mehr gibt an Realität als den Alltag, eine eigentliche Herausforderung für den Chris- andere Seite der Welt oder eine Art von höherer ten darin besteht, verständlich darüber zu Realität. Um diese Ahnung in Worte zu fassen, sprechen, dass der Kern seiner Religion, sein stehen aber kaum Begriffe zur Verfügung; Glaube, in der Erfahrung einer personalen darum bleibt sie sehr häufig im Schweigen. Es Beziehung besteht. Die „andere Seite der gibt gewiss keine Welle neuer Religiosität, aber Welt“, die es über den Alltag hinaus auch es gibt ein Milieu der Ahnung von Religion. noch gibt, ist nicht nur etwas, sondern eigentlich Jemand. Wenn dies zur Sprache Hindernisse und Wege kommt, kann auch richtig von Jesus ge- sprochen werden. Denn Glauben bedeutet in Ein erstes Hindernis im Gespräch mit Nicht- erster Linie, in Beziehung zu stehen zu dem, christen ist der Verdacht des Gesprächspart- der sich mir zugewandt hat. 432 ners, dass ihm etwas beigebracht werden soll, Solche Gespräche brauchen einen Raum das ihm mangelt. Die Feststellung eines Man- des Vertrauens, der erfahrungsgemäß nach gels empfindet er als arrogant. Mit Religion ersten Ansätzen langsam entsteht. Daher ist verbinden viele die Vorstellung von Selbst- es für die Gemeinschaft wichtig, mit vielen sicherheit. Wie kann die Einladung zu einer Menschen in guter Bekanntschaft zu stehen. neuartigen Wahrnehmung so gefasst werden, So kann es zu Gelegenheiten kommen, bei dass sie nicht überheblich oder herablassend denen man die Betrachtung des Institutio- erscheint? nellen oder der Geschichte beiseite lässt und Ein weiteres Hindernis ist die Vorstellung, die Ahnung „des Größeren“ in der Erfahrung dass Religion in erster Linie Religionsge- des eigenen Lebens bewusst werden kann. benediktinisches leben meinschaft bedeutet mit einem überlieferten Solche Gespräche ermutigen die Gemein- System von Weltanschauung, mit einem Ge- schaft, sich weiterhin mit Vorrang den füge von Ansichten über richtig und falsch, Menschen zuzuwenden, die mit dem christ- über wertvoll und sinnlos. Dann geht es im lichen Glauben nicht vertraut sind. In den Gespräch unter Umständen sehr schnell zu zurückliegenden zwei Jahrzehnten hat sich den bekannten Verfehlungen der Christenheit; der Kreis derer, die mit dem Kloster bekannt unvermeidlich ist die Erwähnung der Differenz sind, stark erweitert. Die Beziehungen sind zwischen dem, was in der Bibel steht, und von ganz unterschiedlicher Art, aber durch- dem Verhalten der Repräsentanten der Kirchen. weg von Freude darüber getragen, einander Diese Themen lassen sich bewältigen; hilfreich zu begegnen. Dabei hat die Gemeinschaft sind dabei die umfassenden Eingeständnisse unzählige Zeichen der Ermutigung und Be- von Papst Johannes Paul II. Es gibt immer stärkung erfahren. wieder die Möglichkeit, eine Unzahl von Fehl- informationen über das, was „christlich“ ist, Der Hoffnung Raum geben auszuräumen. Schwieriger ist, dass mit der Vorstellung von Antonius Pfeil hat einem Bericht über Kirche häufig die Annahme verbunden ist, dass die die Tätigkeit der Mönchsgemeinschaft im persönliche Freiheit gemindert werde. Wie kann Kloster Huysburg den Titel gegeben: Aben- über die Kirche so informiert werden, dass ohne teuer Hoffnung. Damit ist treffend zum Verharmlosung der Fehler und des Unrechts in Ausdruck gebracht, was bei einem Rückblick der Geschichte der sakramentale Charakter dieser auf die 25 Jahre seit der Wende keinesfalls Gemeinschaft mit seinem Angebot an Mehrung fehlen darf. Zur Sendung der Mönche ge- von Lebenswirklichkeit zum Ausdruck kommt? hört nun einmal, von der Hoffnung Zeugnis zu geben, die dem Volk Gottes mitgegeben gemäß seiner Verheißung sagen: „Seht, ich ist, und das Wirken des Heiligen Geistes bin da!“, auch in einem Milieu der Ahnung zu erbitten. Wenn sie dabei tun, was ihren seiner Gegenwart. Möglichkeiten entspricht, wird der Herr

Den Glauben neu finden Erfahrungen anlässlich einer Neugründung von Birgitta Louis OSB

Mit 69 Jahren ging ich Ende 2007 als einzige Gartenhaus in VENIO. Das Anliegen Benedikts Deutsche zusammen mit drei jüngeren tsche- ut mens nostra concordet voci nostrae - „dass chischen Schwestern nach Prag, um dort auf unser Geist, unser Herz, in Übereinstimmung 433 dem Weißen Berg das gemeinsame benedik- komme mit dem, was wir beim Beten ausspre- tinische Leben zu beginnen. Davor war mein chen“ (RB 19,7), spielte eine wesentliche Rolle Glaube 38 Jahre lang durch mein Leben in der bei meiner Einübung in den Glauben. Meine Kommunität VENIO geprägt worden. „innere Sprache“ wurde im Laufe der Jahre im- mer mehr eins mit diesen zentralen Stellen des Beten diesseits und jenseits des Chorals Gotteswortes. Solche einzelnen Worte fielen mir mitten in einer Situation plötzlich ein; sie Ein Herzstück für meinen Glauben, für mei- bestimmten mein Handeln oder öffneten mir ne lebendige Beziehung zu Gott, war der wenigstens im Nachhinein die Augen für das, Gregorianische Choral, wie wir ihn in der was geschehen war. benediktinisches leben inzwischen zur Abtei erhobenen Kommunität Dieses Hauptmedium meiner Gottesbe- VENIO pflegten. Die Antiphonen zu den Psal- ziehung fiel in Prag weitgehend weg. Von men, zum Benedictus und zum Magnificat einem deutschen Psalm in der Vesper abgese- sowie die Messgesänge des Introitus und der hen, beten wir dort fast nur auf Tschechisch. Communio sprachen mich unmittelbar an; die Am Anfang verstand ich vom tschechischen meisten von ihnen kannte ich auswendig. Sie Chorgebet nur wenige Worte; die Vigilien, die sind kunstvoll zusammengesetzt aus Schlüssel- wir in den ersten drei Jahren täglich beteten, stellen der Heiligen Schrift und gelegentlich in strengten mich sehr an, allein schon das Aus- die Ich-Form übertragen wie zum Beispiel die sprechen der Worte in der beim Rezitieren Communio des 4. Fastensonntags: Lutum fecit üblichen Geschwindigkeit. Für den Jahreskreis ex sputo Dominus, et linivit oculos meos: hat Sr. Anežka Psalmen-Antiphonen kompo- et abii, et lavi et vidi, et credidi Deo – „Der niert, die ich inzwischen auch mag. Doch was Herr machte mit dem Speichel einen Teig und ich verloren hatte, konnten sie nicht ersetzen bestrich damit meine Augen; ich ging weg und - ebenso wenig wie die gregorianischen Propri- wusch sie, und ich sah und glaubte Gott“ (vgl. ums-Teile, die wir alle sechs bis acht Wochen Joh 9,6f.15). mühsam für den Gemeindegottesdienst am Die eher herben gregorianischen Melodien Sonntag einüben. waren keine „Ohrwürmer“, doch sie führten in Wovon sollte ich innerlich leben? Ich war die Ebene der Existenzgefühle. Ich wiederholte überzeugt: Gott will diese Gründung. Es gab in sie gern und häufig auf meinen regelmäßigen der Zeit vorher und auch danach immer wieder Autofahrten nach Eichstätt, aber auch auf den Fügungen, die als Zeichen dafür gelten konn- Wegen zwischen Nebenhaus, Vorderhaus und ten. Das half für Momente, trug aber nicht