Irreführende Angaben Lich Dürfte Es Noch Einiges Mehr Sein
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Deutschland ULI DECK / DPA ULI LAURENCE CHAPERON Karlsruher Verfassungsrichter, Bundestagspräsident Lammert: „Neue Diskussionen unvermeidbar“ gestellten Anwälten, die ihm zuarbeiten, ABGEORDNETE bringt es von Oktober 2005 bis Juni 2006 auf 224 Rechnungen und erzielte damit mindestens 498000 Euro brutto – tatsäch- Irreführende Angaben lich dürfte es noch einiges mehr sein. Angeblich hat der FDP-Parlamentarier Nach dem Urteil des Bundesverfassungs- nichts gegen die Preisgabe dieser Zahlen. Er wolle aber „mehr veröffentlichen, als gerichts müssen die Parlamentarier nun ihre Nebeneinkünfte im Gesetz drinsteht“: In einer zusätzlichen offenlegen – mit höchst zweifelhaftem Erfolg. „Erklärung“ möchte der vermeintliche Großverdiener zweierlei festhalten: Zum undestagspräsident Norbert Lam- Speziell jene Abgeordnete, die verge- einen, dass es sich bei seinen „Einkünften“ mert strahlte wie von höheren bens in Karlsruhe geklagt hatten, halten auch um den Arbeitsertrag seiner „Mitar- BMächten beseelt, als er am vergan- sich eher bedeckt – meist fehlen Angaben beiterinnen und Mitarbeiter in der Kanzlei“ genen Mittwoch im Bundesverfassungs- darüber, in welcher Größenordnung sie handle und er davon erst mal Personal- und gericht den Ausgangstüren des Sitzungs- Nebeneinkünfte erzielen. Bürokosten decken müsse; zum anderen saals zustrebte. Bei Peter Danckert (SPD), in Berlin als möchte er klarstellen, dass diese Mandate Das war seltsam, denn soeben hatten die Rechtsanwalt und Notar tätig, liegt dies „alle in keinem Zusammenhang mit meiner Richter das neue Gesetz zur Offenlegung angeblich nur an einer Verwirrung um die Tätigkeit als Abgeordneter stehen“ und er der Nebeneinkünfte von Parlamentariern Weiterleitung seiner Daten: Er will Einnah- auch „keinerlei Beratervertrag“ mit Insti- durchgewinkt – ein Gesetz, gegen das men aus anwaltlicher Tätigkeit sowie einem tutionen oder Personen habe, „zu denen Lammert als Bundestagsabgeordneter Aufsichtsratsmandat „ordnungsgemäß“ dem ich als Abgeordneter dienstliche Kontakte selbst noch gestimmt hatte. Als Bundes- Parlamentspräsidenten gemeldet haben – hatte oder habe“. tagspräsident musste er gleichwohl für die dort seien die Unterlagen erst nicht auf- Diesen Zusatz wollen aber Lammerts Umsetzung der Vorschriften sorgen, und findbar gewesen. Ein Sprecher des Bundes- Leute nicht akzeptieren: Solche Erläute- so schien ihm nun zu gefallen, dass die tags weist diese Darstellung zurück. rungen seien „in den Verhaltensregeln und Karlsruher Entscheidung mit vier zu vier Nun sollen Danckerts Daten umgehend Ausführungsbestimmungen nun mal nicht Stimmen denkbar knapp gefallen war: veröffentlicht werden. Dann wird nach- vorgesehen“, heißt es. Auf seiner eigenen Beide Seelen in seiner Brust wurden so zulesen sein, aus wie vielen Mandaten Homepage könnte Otto selbstverständlich gerecht bedient. Danckert Einkünfte erlöste – entsprechend diese Angaben machen. Doch der besteht Jetzt seien „neue Diskussionen unver- den Abstufungen, in denen sie bekannt darauf, den Zusatz auf seiner Seite beim meidbar“, sagte er wie mit sich selbst im gemacht werden: zwischen 1000 und 3500 Bundestag zu bekommen: Andernfalls ent- Zwiegespräch, vor allem über die „Zweck- („Stufe 1“), zwischen 3500 und 7000 („Stu- stehe dort „ein völlig falscher Eindruck“. mäßigkeit und Praktikabilität“ der Vor- fe 2“) und mehr als 7000 Euro („Stufe 3“). So wie bei seiner Bayreuther Kollegin schriften werde zu debattieren sein. Richtig fette Summen müssen so gar nicht Anette Kramme (SPD). 108 Mandate zeigte Da hat er recht. Denn was auf der Inter- explizit ausgewiesen werden. die Arbeitsrechtlerin aus Bayreuth an. Das net-Seite des Bundestags einzusehen ist, Im Fall des Klägers Hans-Joachim Otto klingt rekordverdächtig. „Endlich entlarvt“, gleicht einem wilden Sammelsurium: Teils (FDP) sind die gesetzlichen Vorgaben eben- schlagzeilte sogleich der „Berliner Kurier“ sind die Angaben belanglos, teils machen sie falls noch nicht erfüllt. Doch seine Ein- und enthüllte, „was unsere Politiker so ne- erst richtig neugierig, vieles entspricht noch künfte, klagt der Abgeordnete, „will der benbei abgreifen“: Sehr vorsichtig geschätzt, nicht den gesetzlichen Vorgaben, meist wird Bundestagspräsident nicht veröffentlichen“ habe Kramme im Nebenjob „mindestens mehr verschleiert als enthüllt – und das zum – zumindest nicht so, wie er selbst es gern 100000 Euro“ kassiert. Tatsächlich beschäf- Teil nicht ohne Zutun des Bundestagspräsi- hätte. Otto, selbständiger Partner in einer tigt Kramme in ihrer Kanzlei zehn Mitar- diums und der Fraktionsspitzen. Frankfurter Bürogemeinschaft mit drei an- beiter, darunter drei Volljuristen. Sie selbst 42 der spiegel 28/2007 Deutschland habe dort seit November 2006 nur etwa fähige Jurist“, so Battis, könnte damit „die Kein Wunder: Bismarck arbeitet nicht nur zehn Tage gearbeitet, sagt die SPD-Frau. Transparenzregeln spielend aushebeln“. als Unternehmensberater in der Forstver- Dafür, dass sie ihre Kanzlei weiterlaufen Seine Kritik richtet sich nicht so sehr ge- waltung seiner Familie, sondern vermarktet lässt, glaubt Kramme gute Gründe zu ha- gen das Gesetz, sondern vor allem gegen auch den Namen Bismarck. Laut Abgeord- ben: Sie kam dreimal gerade so ins Parla- dessen Vollzug, nämlich die „bislang unbe- netenhandbuch bezieht er mehr als 7000 ment und will sich beruflich absichern für friedigende Anwendung“ der Verhaltens- Euro („Stufe 3“) jährlich von einem Tabak- den Fall der Nicht-Wiederwahl. Auch auf regeln durch die Bundestagsverwaltung. warenhersteller, der den Familiennamen für einen besseren Listenplatz will sie nicht Die, so Battis, verstehe sich bisher über- seine Zigarren verwendet. angewiesen sein, um „weitgehend unab- wiegend als „Freund und Helfer“ der Ab- In vielen Fällen aber verrät die Liste der hängig von Partei und Fraktion das Abge- geordneten, „die um die Preisgabe ihrer bezahlten Nebentätigkeiten wenig über feh- ordnetenmandat wahrnehmen zu kön- Daten fürchten“. Erst wenn die Presse sich lendes Engagement oder politische Abhän- nen“. Nicht nur deshalb hält Kramme die auf „zweifelhafte Einzelfälle“ stürze, wer- gigkeiten, dafür viel über den tristen Alltag veröffentlichten Angaben für irreführend: de „hoffentlich nachgeprüft“. mancher Volksvertreter. So verdingt sich „Man kann weder auf den Umfang meiner Lohnen könnte sich das beispielsweise der frühere FDP-Vorsitzende und Beinahe- Arbeit Rückschlüsse ziehen, noch kann bei dem Hohenloher CDU-Abgeordneten Außenminister Wolfgang Gerhardt als man Interessenkollisionen erkennen.“ Christian Freiherr von Stetten. Er hat eine Redner auf einer Konferenz bei einer Zudem sei die Anzeigepflicht leicht durch der merkwürdigsten Aufstellungen von Ne- Einbauküchenfirma. Sein Parteifreund Pa- Tricks zu umgehen: „Wer da was verschlei- beneinkünften zu bieten. trick Döring sitzt im Vorstand eines Unter- nehmens, das Krankenversiche- rungen für Hunde und Katzen anbietet. Der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein, Ex-Finanzbera- ter von Werbestarlet Verona Pooth, betreibt inzwischen im Nebenjob nur noch ein Klein- wasserkraftwerk mit weniger als PEER GRIMM / DPA DECK / DPA ULI BERND HEINZ / VARIO-IMAGES / VISUM JENS NEUMANN PRESS / ACTION JÖRG KRAUTHÖFER 7000 Euro brutto im Monat. Und Danckert Otto Kramme Merz Stetten Gregor Gysi von der Linkspartei kassierte als „Publizist“ 2006 und 2007 von der „Super-Illu“ jeweils mehrere tausend Euro. Einen Schluss auf die tatsäch- lichen Einkommens- und Ver- mögensverhältnisse lassen die Angaben schon deshalb nicht zu, weil Einkünfte ohne konkrete TIMO JANN / DPA TIMO JANN IMAGES / VARIO BERNHARD CLASSEN DOMINIK BUTZMANN FRITZ REISS / AP FRITZ Berufstätigkeit, also etwa Ein- Bismarck Gysi Gerhardt Nüßlein Ströbele nahmen aus Immobilienbesitz Berliner Parlamentarier: Richtig fette Summen müssen gar nicht explizit ausgewiesen werden oder sonstigem Vermögen, nicht offenbart werden müssen. ern will, kann das sehr wohl tun“, so Kram- Unter seinen veröffentlichungspflichtigen So kann auch der Grünen-Abgeordnete me. Dazu müsse man die Zuflüsse nur zeit- Funktionen in Unternehmen listet der ehe- Hans-Christian Ströbele die anteiligen Tan- lich steuern: Wer sich einmal im Jahr 120000 malige „Mister Bundestag“ zwölf Positio- tiemen aus der legendären Reportage sei- statt jeden Monat 10000 Euro überweisen nen auf – darunter Geschäftsführerposten nes Onkels Herbert Zimmermann beim lässt, steht nur mit einer einzigen Zahlung bei einem Altersheimbetreiber, einer Bau- Fußball-WM-Finale 1954 in Bern nur auf von mehr als 7000 Euro in der Liste. gesellschaft sowie einer Messe- und einer seiner persönlichen Homepage veröffent- Firmenteilhaber, darunter auch viele An- Ticketservice-Firma. Sämtliche Tätigkeiten lichen, „weil das ja kein Nebenjob ist, ich wälte, profitieren ohnehin von einer spezi- will Stetten ehrenamtlich ausgeübt haben – tue ja nichts dafür“. ellen Regelungsauslegung durch Lammerts bis er die Funktionen in den vergangenen Kritik an den neuen Regeln für die Ab- „Ausführungsbestimmungen“. Wie Fried- Monaten plötzlich auslaufen ließ. Nun, so geordneten hagelt es von allen Seiten. Ei- rich Merz (CDU), der mit zahlreichen Pos- Stetten, werde er jeweils ersetzt „durch Mit- nen Erfolg kann die Bundestagsverwaltung ten und Pöstchen in der Wirtschaft mindes- arbeiter, die da reingewachsen sind“. indes bereits melden – selten war das In- tens 56000 Euro verdiente – zusätzlich zu ei- Zumindest bei der Messegesellschaft teresse der Bürger an der Arbeit des Par- ner Tätigkeit, die er nach eigenen Angaben und beim Ticketservice gab es nicht viele, laments so groß: Ende