Plenarprotokoll 6/37 21.03.2013

Landtag Mecklenburg-Vorpommern

37. Sitzung 6. Wahlperiode

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Donnerstag, 21. März 2013, , Schloss ______

Vorsitz: Präsidentin Sylvia Bretschneider, Vizepräsidentin Beate Schlupp, Vizepräsidentin Regine Lück und Vizepräsidentin Silke Gajek

Inhalt Antrag der Fraktionen der SPD und CDU Gleichberechtigungsgebot als steter Auftrag – Drucksache 6/1644 – ...... 15

Martina Tegtmeier, SPD ...... 16, 29 Fragestunde Peter Ritter, DIE LINKE ...... 17, 30 – Drucksache 6/1678 – ...... 4 Maika Friemann-Jennert, CDU ...... 19 Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 21 Henning Foerster, DIE LINKE ...... 4, 15 Ministerin Manuela Schwesig ...... 23 Ministerin Manuela Schwesig ...... 4, 5 Stefan Köster, NPD ...... 28 Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 4, 5, 12 Tino Müller, NPD ...... 5, 6 B e s c h l u s s ...... 32 Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 5 Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE ...... 5, 6 Minister Lorenz Caffier ...... 5, 6, 7, 8

Udo Pastörs, NPD ...... 6, 7, 9, 10, 11, 14 David Petereit, NPD ...... 7, 8 Antrag der Fraktion Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 8, 9 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ministerin Uta-Maria Kuder ...... 8, 9, 10 Entgeltgerechtigkeit umsetzen – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE ...... 9 Gleichstellung am Arbeitsmarkt aktiv gestalten Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 10 – Drucksache 6/1635 – ...... 32 Minister Harry Glawe ...... 10, 11 Jeannine Rösler, DIE LINKE ...... 11 Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 32, 38 Minister Dr. Till Backhaus ...... 11, 12, 13, 14 Martina Tegtmeier, SPD ...... 34 Dr. Fritz Tack, DIE LINKE ...... 11, 12 Peter Ritter, DIE LINKE ...... 34 Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ..... 12, 13 Maika Friemann-Jennert, CDU ...... 36 Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 13, 14 Udo Pastörs, NPD ...... 37 Stefan Köster, NPD ...... 14, 15 Ministerin Heike Polzin ...... 15 B e s c h l u s s ...... 39

2 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013

Antrag der Fraktion DIE LINKE Antrag der Fraktion Konzept „Zukunftsperspektiven der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN maritimen Industrie in Mecklenburg- Kein Verfassungsschutz ohne Vorpommern“ fortschreiben wirksame demokratische Kontrolle – Drucksache 6/1649 – ...... 39 – Drucksache 6/1636 – ...... 83

Änderungsantrag der Fraktion Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 6/1693 – ...... 39 – Drucksache 6/1683 – ...... 83

Helmut Holter, DIE LINKE ...... 39, 49, 52 Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 83, 94 Minister Harry Glawe ...... 41 Minister Lorenz Caffier ...... 85 Jochen Schulte, SPD ...... 42, 49, 51 Manfred Dachner, SPD ...... 87 Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 45 Peter Ritter, DIE LINKE ...... 89 Wolfgang Waldmüller, CDU ...... 46 Michael Silkeit, CDU ...... 91 Udo Pastörs, NPD ...... 48 David Petereit, NPD ...... 92

B e s c h l u s s ...... 52 B e s c h l u s s ...... 95

Antrag der Fraktion der NPD Antrag der Fraktion DIE LINKE Schluss mit der Abzocke bei den Schutzbereich der Arbeitslosenversicherung Rundfunkgebühren – 15. Rundfunk- erweitern – Anwartschaftszeit und änderungsstaatsvertrag aufkündigen! Rahmenfrist im SGB III neu regeln – Drucksache 6/1657 – ...... 53 – Drucksache 6/1646 – ...... 95

Tino Müller, NPD ...... 53, 58 Änderungsantrag der Fraktion Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 55 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 6/1695 – ...... 95 B e s c h l u s s ...... 59, 135 Henning Foerster, DIE LINKE ...... 96, 102, 103 Ministerin Manuela Schwesig ...... 97 Torsten Renz, CDU ...... 98, 103, 104 Antrag der Fraktion Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 100 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Martina Tegtmeier, SPD ...... 101 Erarbeitung eines Radverkehrsplanes Michael Andrejewski, NPD ...... 102 Mecklenburg-Vorpommern

– Drucksache 6/1634 – ...... 59 B e s c h l u s s ...... 106

Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 59, 66 Minister Dr. Till Backhaus ...... 60 Dietmar Eifler, CDU ...... 63 Antrag der Fraktion der NPD Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE ...... 64 Aufwendungen für elektrischen Strom endlich als Bestandteil der Kosten B e s c h l u s s ...... 67 der Unterkunft anerkennen – Drucksache 6/1658 – ...... 106

Michael Andrejewski, NPD ...... 106, 108 Antrag der Fraktion DIE LINKE Rudolf Borchert, SPD ...... 107 Regierungserklärung zur Kommunalpolitik – Drucksache 6/1653 – ...... 67 B e s c h l u s s ...... 108

Helmut Holter, DIE LINKE ...... 67 Minister Lorenz Caffier ...... 69, 82 Heinz Müller, SPD ...... 71 Antrag der Fraktion DIE LINKE Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 73 Akute Bedrohung von Jugend- Wolf-Dieter Ringguth, CDU ...... 75 und Schulsozialarbeiterstellen Udo Pastörs, NPD ...... 78 durch Förderstopp des Landes Jeannine Rösler, DIE LINKE ...... 80 – Drucksache 6/1533 – ...... 109

B e s c h l u s s ...... 82 Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE ...... 109

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 3

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Eine Ehe für alle – Bundesratsinitiative unterstützen – Drucksache 6/1638 – ...... 110

Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 110, 118 Ministerin Manuela Schwesig ...... 112 Bernd Schubert, CDU ...... 113 Peter Ritter, DIE LINKE ...... 115 Martina Tegtmeier, SPD ...... 116 Stefan Köster, NPD ...... 117

B e s c h l u s s ...... 119

Antrag der Fraktion DIE LINKE Regelungen zum Mutterschutz verbessern und selbstständig erwerbstätige Frauen mit einbeziehen – Drucksache 6/1647 – ...... 120

Henning Foerster, DIE LINKE ...... 120 Ministerin Manuela Schwesig ...... 122 Detlef Lindner, CDU ...... 123 Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 124 Martina Tegtmeier, SPD ...... 124 Peter Ritter, DIE LINKE ...... 125

B e s c h l u s s ...... 127

Antrag der Fraktion DIE LINKE Erwerbsminderungsrentenrecht reformieren – Drucksache 6/1648 – ...... 127

Karen Stramm, DIE LINKE ...... 127 Ministerin Manuela Schwesig ...... 128 Detlef Lindner, CDU ...... 129 Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 130 Martina Tegtmeier, SPD ...... 131 Stefan Köster, NPD ...... 132

B e s c h l u s s ...... 133

Nächste Sitzung Freitag, 22. März 2013 ...... 134

4 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013

Beginn: 9.04 Uhr und deswegen würden wir jetzt versuchen, über eine zweite Variante zu gehen, einen Außenstandort einzu- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Meine sehr geehrten richten. Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 37. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungs- Henning Foerster, DIE LINKE: Vielen Dank. gemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratungen Foerster. vereinbarungsgemäß fort. Ich bitte nun die Abgeordnete Frau Silke Gajek von der Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 18: Fragestunde. Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Frage 2 zu Die Fragen an die Landesregierung liegen Ihnen auf stellen. Drucksache 6/1678 vor. Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Guten Mor- Fragestunde gen, Frau Präsidentin! Guten Morgen, Frau Schwesig! – Drucksache 6/1678 – 2. Warum erhalten die Landesjugendverbände und Ich rufe auf den Geschäftsbereich der Ministerin für Ar- die Beteiligungswerkstatt im laufenden Haus- beit, Gleichstellung und Soziales und dazu bitte ich den haltsjahr vom LaGuS jetzt gekürzte Förderver- Abgeordneten Henning Foerster, Fraktion DIE LINKE, die einbarungen (Kürzung Landesjugendverbände Frage 1 zu stellen. 85.000 Euro und Landesjugendring für Beteili- gungswerkstatt 17.400 Euro) und warum wurde Henning Foerster, DIE LINKE: Schönen guten Morgen, diese Absicht den betreffenden Verbänden we- Frau Ministerin! Meine Frage lautet: gen der Planungssicherheit nicht schon zum En- de des vergangenen Jahres bekanntgegeben? 1. Plant die Landesregierung, angesichts des vom Träger ALL Pütter gGmbH zurückgezogenen Ministerin Manuela Schwesig: Guten Morgen, liebe Antrages auf Errichtung eines Hauptstandortes Silke Gajek! Die Grundlage für die Höhe der Landesför- für eine Produktionsschule hier in Schwerin mit derung ist die Altersgruppe der 10- bis 26-jährigen in den 55 Plätzen, ihr diesbezügliches Ansiedlungs- Gebieten der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhil- vorhaben weiter zu verfolgen? fe lebenden jungen Menschen. Die Anzahl der Personen dieser Altersgruppe ist aufgrund der demografischen Und wenn ja, in welcher Form? Entwicklung in der Vergangenheit stark zurückgegangen. Dadurch haben sich auch die Ansätze entsprechend und Ministerin Manuela Schwesig: Guten Morgen, Frau in nicht unerheblichem Maße für die Jugendförderung, zu Präsidentin! Guten Morgen, Herr Foerster! Die Landes- denen auch die Beteiligungswerkstatt und die Verbands- regierung strebt derzeit an, die Kapazität der Produkti- förderung gehören, reduziert. Dieses Problem ist be- onsschule Westmecklenburg mit Sitz in Greven um einen kannt, ist ja auch ständig Gegenstand der politischen Außenstandort in Schwerin zu erweitern. Die Platzkapa- Gespräche. Bis einschließlich 2012 ist es uns immer zität soll voraussichtlich von 60 auf 90 Plätze angehoben wieder gelungen, die zurückgehenden Mittel durch Ver- werden, für den Außenstandort Schwerin wären dabei schiebungen zwischen den einzelnen Förderbereichen 30 Plätze vorgesehen. so auszugleichen, dass weder die Jugendverbandsförde- rung noch die Beteiligungswerkstatt hiervon betroffen Präsidentin Sylvia Bretschneider: Bevor ich jetzt die waren. Vielmehr haben wir eben Modellprojekte und Nachfrage zulasse, Herr Foerster: Ihre Frage endet mit Großveranstaltungen überproportional belastet. „weiter zu verfolgen“, so, wie sie mir vorliegt. Es ist nicht zulässig, in der Frage Ergänzungen zu machen. Sie Im Jahr 2013 ist das nicht mehr möglich. In diesem Zu- haben dann hinterher noch angehängt, „in welcher sammenhang wurde die Entscheidung getroffen, nicht Form“. Das ist eine Erweiterung der Frage. Ich werte das einzelne Fördermaßnahmen, zum Beispiel Ferienfreizei- jetzt mal als erste Nachfrage. ten, vollständig zu streichen, sondern maßvoll eine Ver- teilung über alle Förderbereiche vorzunehmen. Bei der Also bitte drauf achten und jetzt dann noch eine weitere Beteiligungswerkstatt beträgt deshalb dieser Betrag Nachfrage. 17.400 Euro, was einem Anteil von zehn Prozent gegen- über den Landesmitteln von 2012 entspricht. Henning Foerster, DIE LINKE: Wie bewertet denn die Landesregierung auch angesichts des von Ihnen vorge- Diese Landesmittel enthalten auch einen Anteil für ver- stellten Vorhabens, jetzt die Produktionsschule in Form bandsinterne Arbeiten, das heißt Arbeiten, die nicht den einer Außenstelle hier in Schwerin anzusiedeln, die Stel- Aufgaben der Beteiligungswerkstatt zuzurechnen sind, lungnahme des Schweriner Jugendamtes, in dessen der geförderten Personalstellen der Moderatoren. Durch Bedarfsanalyse kein Bedarf für eine solche Einrichtung in die Reduzierung der Landesmittel wird die Arbeit der Schwerin gesehen wird? Beteiligungswerkstatt somit nicht infrage gestellt.

Ministerin Manuela Schwesig: Wir teilen nicht die Ein- Im Rahmen der Jugendverbandsförderung sind in den schätzung der Stadt Schwerin, dass der Bedarf nicht vergangenen drei Jahren im Durchschnitt jeweils insge- gegeben ist. Deswegen setzen wir uns ja dafür ein, dass samt 85.000 Euro Landesmittel durch die Landesjugend- es sozusagen zu einer Produktionsschule in Schwerin verbände nicht in Anspruch genommen worden. Die kommt. Die ALL Pütter gGmbH hat leider den Antrag Durchschnitte dieser drei Jahre stellen in Absprache mit zurückgezogen, weil sie sozusagen Signale hatte, dass den Landesjugendverbänden die Grundlage für die je- im Jugendhilfeausschuss dafür keine Mehrheit ist, weiligen Fördersummen dar. Um genau diesen nicht

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 5 in Anspruch genommenen Betrag wurde die Summe Ministerin Manuela Schwesig: Ich gehe davon aus, für die Landesjugendverbände verringert, sodass es Herr Abgeordneter, dass Sie sich auf den Europabericht faktisch zu keiner tatsächlichen Kürzung in diesem Be- der Landesregierung beziehen. Dort wird kurz das Vor- reich gekommen ist. haben der besseren Umsetzung nationaler Strategien zur Integration der Roma skizziert. Die Empfehlungen Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich hätte eine sind für Mecklenburg-Vorpommern nützlich und aus Nachfrage. diesem Grund greifen die in der Landeskonzeption aufgeführten Integrationsmaßnahmen für alle Zuge- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Sie haben die Mög- wanderten, unabhängig von der ethnischen Herkunft. lichkeit, eine Nachfrage zu stellen in der Fragestunde. (Zuruf von David Petereit, NPD – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach so. Danke. Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Frau Schwesig, die Landesregierung rechnet dann damit, Präsidentin Sylvia Bretschneider: So, damit kommen dass es keine Einschnitte beispielsweise bei Ferienzei- wir dann zum schon angekündigten Bereich des Minis- ten, bei der Beteiligungswerkstatt, bei dem demokrati- ters für Bildung, Wissenschaft und Kultur und ich bitte schen Dialog geben wird? Frau Ministerin Schwesig, in Vertretung die Fragen zu beantworten. Ministerin Manuela Schwesig: Es ist immer schwierig, mit weniger Geld klarzukommen, das ist klar. Aber ich Hierzu bitte ich die Abgeordnete Frau Ulrike Berger, Frak- habe ja eben deutlich gemacht, dass wir gerade die ge- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Fragen 21 und 22 ringeren Mittel, die zur Verfügung stehen, so gleichmäßig zu stellen. verteilen, dass zum Beispiel die Maßnahme Ferienfreizei- ten nicht vollständig gestrichen werden muss. Es gibt ja Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Guten andere Maßnahmen, die sonst überproportional stark Morgen! belastet worden wären. 21. Wann ist mit einem Ergebnis der Prüfung des Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zweite Nach- Entschließungsantrages auf Ausschussdrucksa- frage: Und wieso ist das dann den Verbänden nicht che 6/153 im Ausschuss für Bildung, Wissen- schon im vergangenen Jahr mitgeteilt worden, sondern schaft und Kultur vom 20.11.2012 bezüglich des im laufenden Haushaltsjahr? Führens von Schulgirokonten zu rechnen und wie ist der derzeitige Bearbeitungsstand? Ministerin Manuela Schwesig: Dass wir mit diesen Geldern immer weiter runtergehen, ist allen bekannt, Ministerin Manuela Schwesig: Guten Morgen, Frau auch Ihnen, auch den Landesverbänden, die Sie heute ja Berger! Ich darf für den Bildungsminister berichten, dass zu dieser Fragestunde eingeladen haben, weil das ist die die rechtliche Prüfung des Entschließungsantrages auf Diskussion, die wir seit Jahren führen, dass es besser Drucksache 6/153 im Ausschuss für Bildung, Wissen- wäre, dass es nicht so zurückgeht, sondern dass man schaft und Kultur vom 20.11.2012 durch die Landesregie- vielleicht irgendwie einen Sockel einführen kann. Insofern rung abgeschlossen ist. Ein Ergebnis liegt vor. Danach ist es bekannt, dass es zurückgeht. wird bestätigt, dass die bisherigen rechtlichen Möglich- keiten zum Führen von Schulgirokonten im Sinne der Es war die Frage, und das kann man eben immer nur Betroffenen ausreichen. anhand der aktuellen Zahlen berechnen, wie viel ist es und wie können wir es verteilen. Noch mal: In den letzten Jah- Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eine Nach- ren ist es gelungen, diese Bereiche zu verschonen, indem frage: Wie wird den Schulen diese Möglichkeit, da dazu wir in anderen Bereichen überproportional gestrichen ja offensichtlich Zweifel vonseiten der Schulen bestan- haben. Aber jetzt ist es so, dass wir möglichst gleichmäßig den, wie wird den Schulen diese Möglichkeit erklärt? diesen Rückgang verteilen, sodass andere Maßnahmen, die Sie ja dann auch kritisiert hätten, nicht leiden. Ministerin Manuela Schwesig: Die Handreichung für die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten zum Füh- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank. ren von Schulgirokonten befindet sich in der Erarbei- tung. Sie soll bis zum Ende dieses Schuljahres vor- Ich rufe jetzt auf den Geschäftsbereich des Ministers für gelegt werden. Eine Rechtsänderung ist nicht vorge- Bildung, Wissenschaft und Kultur und bitte in Vertretung sehen. die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales, die entsprechenden Fragen zu beantworten. Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Danke.

Oh, nee, wir haben noch eine, Entschuldigung. Das war Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau jetzt mein Versehen. Wir haben noch eine dritte Frage zum Ministerin. Bereich der Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Sozia- les. Und da bitte ich jetzt den Abgeordneten Herrn Tino Ich rufe jetzt auf den Geschäftsbereich des Ministers für Müller von der Fraktion der NPD, die Frage 3 zu stellen. Inneres und Sport und hierzu bitte ich den Abgeordneten Dr. Hikmat Al-Sabty, Fraktion DIE LINKE, die Fragen 4 Tino Müller, NPD: Frau Ministerin! und 5 zu stellen.

3. Inwieweit können Empfehlungen zu speziellen Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE: Guten Morgen, Frau Praktiken über spezifische Integrationsmaß- Präsidentin! Guten Morgen, Herr Minister! nahmen hinaus für Mecklenburg-Vorpommern von großem Nutzen sein? Minister Lorenz Caffier: Guten Morgen!

6 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013

Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE: in Gänze die Relation noch beherrscht, wenn Sie, wie Sie hier gerade hörten, über 90 Euro oder drei Tage 4. Welchen Standpunkt hat die Landesregierung reden. Wenn ich alleine mir die Ermittlungen für diesen zu dem Vorschlag, die bisherigen im Landkreis Fall angucke, ist das sehr umfangreich. Vorpommern-Greifswald seit Längerem in Asyl- wohnheimen befindlichen Asylbewerber dezent- Aber die eigentliche Frage, die sich ja ganz am Anfang ral unterzubringen, um Platz für die angekündig- damit verbindet, und das will ich ganz ausdrücklich sa- ten neuen Asylbewerber in den Heimen zu gen, die Fahndung nach Straftätern, in dem Fall nach schaffen? rechtsextremistischen Straftätern, die mit einem Haftbe- fehl ausgeschrieben sind, die bilden in der polizeilichen Minister Lorenz Caffier: Ja, Dr. Al-Sabty, mit Schreiben Arbeit einen Schwerpunkt bei der Fahndungsarbeit und des Ministeriums für Inneres und Sport vom 15. Okto- dies wollen wir auch in Zukunft so tun. Und Sie sehen ber 2012 wurden die Landkreise und kreisfreien Städte das an der Ausführung, dass wir hier auch an der Maß- des Landes aufgefordert, die dezentrale Unterbringung nahme dran sind. von den in Gemeinschaftsunterkünften lebenden Perso- nen voranzubringen, soweit diese auch nach Einschät- Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE: Vielen Dank. zung des Betreuungspersonals dazu in der Lage sind und keine gewichtigen Gründe dagegensprechen. Soweit (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD) diese Voraussetzungen vorliegen, angemessener Wohn- raum zur Verfügung steht und die betroffenen Personen, Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr also die Asylbewerber im Einzelfall auch bereit sind, in Al-Sabty. eine dezentrale Unterkunft zu ziehen, bestehen seitens der Landesregierung keine Bedenken gegen eine de- Ich darf nun den Abgeordneten Tino Müller, Fraktion der zentrale Unterbringung. Das ist den jeweiligen Trägern NPD, bitten, die Frage 6 zu stellen. soweit auch bekannt und in ihrer Entscheidungshoheit. (Der Abgeordnete Tino Müller Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE: Vielen Dank. spricht bei abgeschaltetem Mikrofon)

Zweite Frage: Moment, jetzt.

5. Welchen Ermittlungsstand hinsichtlich eines ab- Tino Müller, NPD: Herr Minister! getauchten Neonazis aus Mecklenburg-Vorpom- mern, der laut Pressemeldungen mit weiteren 6. Inwieweit sind die Wanderbewegungen von abgetauchten Neonazis gesucht wird, hat die Roma aus Südosteuropa nach Mecklenburg- Polizei, welchen Stellenwert hat die Fahndung Vorpommern spürbar? nach diesem Personenkreis im Lande? Minister Lorenz Caffier: Herr Abgeordneter! Die Ethnien (Stefan Köster, NPD: Den höchsten.) von Personen werden im Ausländerzentralregister nicht erfasst. Insoweit wird auf Paragraf 3 des Gesetzes über Minister Lorenz Caffier: Die betroffene Person, Herr das Ausländerzentralregister verwiesen. Daher kann eine Dr. Al-Sabty, ist seit dem 3. Juli 2012 wegen eines offe- Aussage über die Einreise von Angehörigen der Roma in nen Haftbefehls zur Fahndung ausgeschrieben. Hinter- Gänze nicht getroffen werden. grund ist eine Trunkenheitsfahrt, wegen der diese Person eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen antreten muss, Präsidentin Sylvia Bretschneider: Es gibt eine Nach- die durch Zahlung von 90 Euro abgewendet werden frage. kann. Diese Straftat stand in keinem rechtsextremisti- schen Zusammenhang. Bitte, Herr Pastörs.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD) Udo Pastörs, NPD: Guten Morgen, Herr Caffier!

Die Person selbst ist aber in der Vergangenheit wegen Minister Lorenz Caffier: Guten Morgen! rechtsextremistischer Straftaten bereits polizeilich er- fasst. Udo Pastörs, NPD: Meine Frage lautet: Seitdem ver- stärkt Roma und Sinti nach Mecklenburg-Vorpommern (Stefan Köster, NPD: einwandern, haben auch die Kriminalitätsraten dieser Was hat er denn gemacht?) Personen …

Die in Rede stehende Person hält sich seit geraumer Zeit (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ist das eine Frage nicht mehr in ihrem bekannten Lebensumfeld auf. Nach oder eine Feststellung? Na dann können wir ja intensiven polizeilichen Fahndungsmaßnahmen konnte keine Frage formulieren. Sind Sie dazu nicht eine Meldeadresse im Ausland ermittelt werden. Die in in der Lage, Herr Pastörs, oder was?) diesem Zusammenhang durchzuführenden Maßnahmen werden mit der Justiz abgestimmt und ich bitte um Ver- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Moment. ständnis, dass ich aus den jeweiligen Gründen hier keine weiteren Ausführungen mache, stelle mir allerdings Herr Abgeordneter Pastörs, ich mache Sie auf die Ge- grundsätzlich die Frage, unabhängig jetzt von Rechtsext- schäftsordnung aufmerksam. Dort heißt es in Paragraf 65 remist oder andere Personen, ob der Aufwand, den wir Absatz 5, dass ich weitere Zusatzfragen anderer Mitglie- in der Form für eine Straftat, die nicht im Zusammenhang der des Landtages zulassen kann. Wichtig ist, dass diese mit rechtsextremistischen Straftaten zusammenhängt, Fragen auch so formuliert werden. Und Sie sind jetzt

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 7 dabei, hier ein Statement zu formulieren. Das geht also Udo Pastörs, NPD: Danke schön. nicht. Bitte formulieren Sie Ihre Frage. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Ich bitte jetzt den (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Abgeordneten … Ist schwer, ne?!) David Petereit, NPD: Ich habe auch noch eine Nachfra- Udo Pastörs, NPD: Hat sich die Kriminalitätsstatistik ge dazu. sifniki…, sifnifikant erhöht Präsidentin Sylvia Bretschneider: Eine weitere Zusatz- (Julian Barlen, SPD: Signifikant.) frage des Abgeordneten Herrn Petereit. Bitte. seit der Einwanderung von Zigeunern nach Mecklenburg- David Petereit, NPD: Herr Caffier, die Antwort, die Sie Vorpommern? Und wenn, wie hoch sind diese Zahlen? eben dem Abgeordneten Müller gegeben haben …

Präsidentin Sylvia Bretschneider: Bevor der Minister Präsidentin Sylvia Bretschneider: Herr Petereit, sind jetzt die Frage beantwortet, Herr Pastörs, will ich Sie Sie nicht bereit, … noch mal daran erinnern, dass wir zu diesem Thema hier schon mehrfach Debatten hatten und ich weise den Be- David Petereit, NPD: Das ist als Einleitung. griff „Zigeuner“ als diskriminierend zurück. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: (Stefan Köster, NPD: Das sieht die Einleitungen gibts hier nicht.) Staatsanwaltschaft aber anders.) Präsidentin Sylvia Bretschneider: … das zu akzeptie- Herr Köster, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf. Sie ren, was ich hier gesagt habe. Sie haben hier keine haben hier meine Ansagen in Bezug auf … Statements, keine Einleitungen zu machen, Sie haben eine Frage zu formulieren. (Stefan Köster, NPD: Sie können aber auch nicht tun und lassen, was Sie wollen. – David Petereit, NPD: Das ist die Frage. Heinz Müller, SPD: Heijeija.) Präsidentin Sylvia Bretschneider: Sie wissen doch, Herr Köster, ich erteile Ihnen den zweiten Ordnungsruf was eine Frage ist, also bitte.

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus) (Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus) und mache Sie darauf aufmerksam, dass ein weiterer David Petereit, NPD: Wie erklären Sie sich den Wider- Ordnungsruf dazu führen würde, Ihnen das Wort zu ent- spruch zu der Antwort, die Sie eben grade Tino Müller ziehen. gegeben haben, und der Aussage in Landtagsdruck- sache 6/1461, in der steht: „Diese Wanderungsbe- (Heinz Müller, SPD: Der will wegungen sind auch in Mecklenburg-Vorpommern spür- wohl nach Hause, oder was?!) bar ...“?

Also mäßigen Sie sich bitte, Sie sind jetzt einfach nicht Minister Lorenz Caffier: Ich sehe keinen Widerspruch, dran. Herr Abgeordneter, denn ich habe ausgeführt, dass wir zum einen keine Erfassung nach Ethnien durchführen, (Zuruf von Manfred Dachner, SPD) zum anderen habe ich aber grade ausgeführt, dass wir in der Statistik vom 01.01.2012 bis zum 28. Februar 2013 So, und jetzt besteht die Möglichkeit, dass der Minister Zuwanderungen verstärkt aus südosteuropäischen Staa- die Zusatzfrage beantwortet. ten, aus dem ehemaligen Jugoslawien haben, insgesamt 1.471 Bürgerinnen und Bürger. Und insofern kann ich Minister Lorenz Caffier: Ja, vielen Dank. keinen Widerspruch zur Drucksache – jetzt müsste ich lügen – sehen. – Danke. Herr Abgeordneter, ich habe vorgestern die Kriminalitäts- statistik für das vergangene Jahr vorgestellt, in der ich Präsidentin Sylvia Bretschneider: Ich bitte jetzt den ausgeführt habe, dass die Zunahme von Straftaten von Abgeordneten Herrn Petereit, die Frage 7 zu stellen. nicht deutschen Tatverdächtigen nicht signifikant zuge- nommen hat. Im Gegenteil, sie hat in großen Bereichen David Petereit, NPD: abgenommen. Nicht deutsche Tatverdächtige, die am häufigsten Kriminalitätsstraftaten begangen haben, sind 7. Welche Gründe haben dazu geführt, dass viele Tatverdächtige gewesen, die ihren Wohnsitz in Mecklen- Fahrzeuge der Polizei in Mecklenburg-Vorpom- burg-Vorpommern haben und nicht außerhalb, aber trotz- mern lediglich mit Ganzjahresreifen ausgerüstet dem nicht deutsche Tatverdächtige sind. Und ich kann sind? zumindest über den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 28.02.2013 feststellen, dass wir insgesamt 1.471 Perso- Minister Lorenz Caffier: Herr Abgeordneter Petereit, die nen haben, die aus südosteuropäischen Staaten, des Funkstreifenwagen, die Funkstreifenwagen der Landes- ehemaligen Jugoslawiens sowie der Anrainerstaaten ein- polizei Mecklenburg-Vorpommern werden seit Jahren gereist sind. Davon waren zum Stichtag am 28. Febru- überwiegend mit sogenannten Ganzjahresreifen ausge- ar 2013 insgesamt noch 986 Personen im Land und die stattet. Die Ausnahme bilden Fahrzeuge, an die aus haben keine Auswirkungen auf das Gesamtkriminalitäts- einsatztaktischen Gründen erhöhte Anforderungen ge- statistikbild des Landes Mecklenburg-Vorpommern. stellt werden, wie zum Beispiel Fahrzeuge auf Bundesau-

8 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 tobahnen oder Zivilfahrzeuge. Sie erhalten sowohl Som- Wir fahren seit vielen Jahren dieses Konzept und dieses mer- als auch Winterreifen. Dieses Ausstattungskonzept Konzept ist erfolgreich. hat sich über Jahre bewährt. David Petereit, NPD: Danke. Die in der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern ver- wendeten Ganzjahresreifen wurden vom Hersteller spe- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr ziell für das Fahrzeug ausgewählt. Sie sind mit den Minister. Buchstaben M+S gekennzeichnet. Nach Paragraf 36 Absatz 1 der Straßenverkehrszulassungsordnung sind Ich rufe auf den Geschäftsbereich der Justizministerin M+S-Reifen Winterreifen, das heißt, auch für den Winter- und bitte den Abgeordneten Johannes Saalfeld, die Fra- betrieb geeignet. Eine Pflicht zur Nutzung von reinen gen 8 und 9 zu stellen. Winterreifen, wie sie zum Teil durch die Presse behaup- tet wurde, gibt es auch nach der Neufassung des Para- Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vielen grafen 3 Absatz 3 Straßenverkehrsordnung nicht. Dank.

Die Eignung der von der Landespolizei Mecklenburg- Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin! Vorpommern verwendeten Ganzjahresreifen ist durch ihre technische Zulassung gegeben. Zu der vonseiten 8. Wie stellt sich der Ermittlungs- und Verfahrens- des ADAC geäußerten Kritik, dass Einsatzfahrzeuge stand zu den Angriffen auf ausländische Studie- der Polizei wegen ihrer Bereifung Unfallorte sehr spät rende und ihre Unterkünfte im Stadtteil Schön- erreichen, liegen im Innenministerium keine Informatio- walde II, insbesondere in der Makarenkostraße nen oder Mängelanzeigen vor. Zudem bieten bei sol- in Greifswald, im Jahr 2012 dar? chen extremen Witterungen, wie wir sie derzeit haben, auch Winterreifen keine Garantie für ein Durchkommen. Ministerin Uta-Maria Kuder: Sehr geehrte Frau Präsi- Für diese Fälle sind die Polizeidienststellen, und damit dentin! Herr Abgeordneter! Im Jahr 2012 wurden von der auch die Fahrzeuge, zusätzlich mit Schneeketten aus- zuständigen Staatsanwaltschaft Stralsund insgesamt gestattet. Darüber hinaus verfügen wir als Polizei in den sechs Ermittlungsverfahren geführt, die sich Ihrer Frage jeweiligen Hauptrevieren und Inspektionen auch über zuordnen lassen. Alle sechs Verfahren wurden zwi- Fahrzeuge, die mit Allradantrieb ausgestattet sind und schenzeitlich von der Staatsanwaltschaft eingestellt. daher auch bei extremen Witterungsbedingungen fah- ren können. Im Einzelnen: Am 18. März wurde einer ausländischen Besucherin im Studentenwohnheim in der Makarenko- Im Übrigen erlaube ich mir die Bemerkung, dass der straße gegen 4.45 Uhr in der Nacht von einer unbekann- ADAC sich auch mal entscheiden muss, was er berichtet. ten Person eine ätzende Substanz ins Gesicht gesprüht. Auf der einen Seite wird berichtet, dass Ganzjahresreifen Ein Täter konnte nicht ermittelt werden, das Verfahren explizit auch Winterreifen sind, und auf der anderen Seite wurde daher Mitte Juni eingestellt. wird dann kritisiert, dass sie möglicherweise nicht ganz die Eigenschaften haben. Also sie sind entweder zuge- Ebenfalls nicht ermittelt werden konnten der oder die lassen oder sie sind nicht zugelassen. Nach derzeitigen Täter, welche am 22. oder 23. März 2012 eine Fenster- Regelungen der Straßenverkehrszulassungsordnung scheibe des islamisch-kulturellen Zentrums in der Maka- sind sie zugelassen und danach richten wir uns auch. renkostraße einwarfen. Diese Verfahren wegen Sachbe- Und wir werden auch weiter die dementsprechenden schädigung wurden durch die Staatsanwaltschaft im Juli Gespräche führen, was für Dienstfahrzeuge und die eingestellt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes, die wir einsetzen, Einsatzmittel sind. Am 18. April 2012 zeigte ein deutscher Staatsangehöri- ger an, dass er und ein saudi-arabischer Staatsangehöri- David Petereit, NPD: Ich habe eine Nachfrage: Haben ger gegen 21.40 Uhr in der Makarenkostraße von zwei Kosten eine Rolle gespielt? männlichen als „Scheiß Ausländer“ beleidigt worden seien. In weiterer Folge soll der Anzeigenerstatter von Minister Lorenz Caffier: Die Entscheidung, dass wir einem stark alkoholisierten Dritten beschimpft und am sogenannte Ganzjahresreifen einführen, ist vor vielen Hemdkragen gepackt worden sein. Die Begleiter des Jahren gefallen. Die ist damals im Zusammenhang mit stark betrunkenen Dritten hielten ihn von weiteren mögli- der Konzeption gefallen, dass wir Leasingfahrzeuge chen Tätlichkeiten ab. Der Geschädigte, der nicht verletzt eingeführt haben, wir haben also vor vielen Jahren um- wurde, stellte, trotz ihm ein entsprechender Vordruck gestellt auf Leasingfahrzeuge aufgrund des damaligen übergeben worden war, keinen Strafantrag. Da es sich Fuhrparkbestandes. In dem Zusammenhang ist auch die nicht um Offizialdelikte handelt, wurde das Verfahren Entscheidung gefallen, dass Ganzjahresreifen eingeführt Anfang Juni 2012 von der Staatsanwaltschaft eingestellt. werden. Am 4. Mai 2012 wurde die Fassade des internationalen David Petereit, NPD: Eine zweite Nachfrage: Haben Kultur- und Wohnprojektes in der Goethestraße mit Far- Kosten eine Rolle gespielt? be und Buttersäure besprüht. Die darauf eingeleiteten Ermittlungen ergaben zwar einen Tatverdächtigen, die- Minister Lorenz Caffier: Herr Abgeordneter Petereit, ich sem konnte die Tat aber nicht mit der für eine Anklage- kann Ihnen keine Ausführungen über Entscheidungen in erhebung erforderlichen hinreichenden Sicherheit nach- einem Zeitraum machen, die lange vor meiner Zeit ge- gewiesen werden. Das Verfahren wurde daher nach troffen worden sind. Paragraf 170 Absatz 2 Strafprozessordnung eingestellt.

(Udo Pastörs, NPD: Sagen Sie doch, Am 13. Juli zeigte ein jemenitischer Staatsangehöriger ich weiß es nicht, dann ist es gut.) an, dass er auf dem Balkon der Gemeinschaftsküche

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 9 des Wohnheimes in der Makarenkostraße von drei un- „Scheiß Ausländer“ – in Anführungszeichen –, wie Sie bekannten männlichen Personen mit Eiern beworfen sagten, auch ermittelt auf der Grundlage „Vortäuschung worden sei. Durch die Eier wurden die Balkonwände und einer Straftat“? die Küche getroffen, ohne dass es zu einem Sachscha- den kam. Der Vorfall ist damit rechtlich als Beleidigung Ministerin Uta-Maria Kuder: Nein, das wurde, soweit ich zu werten. Nur ein Tatverdächtiger konnte ermittelt wer- das weiß, und das ist schwierig für die Staatsanwalt- den. Diesem konnte aber nicht mit der für eine Anklage- schaft zu antworten, aber soweit ich weiß, wurde so erhebung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen wer- ermittelt, wie ich es eben berichtet habe. Die Täter konn- den, dass er selbst und nicht die unbekannt gebliebenen ten nicht ermittelt werden, insofern sind die Ermittlungen weiteren Tatverdächtigen die Eier geworfen hatten. Auch eingestellt worden. dieses Verfahren wurde daher vor rund zwei Wochen eingestellt. Udo Pastörs, NPD: Danke schön.

Schließlich wurde am 22. November der Briefkasten der Präsidentin Sylvia Bretschneider: Ich rufe jetzt auf den islamischen Moschee in der Makarenkostraße durch Geschäftsbereich des Energieministers und würde Frau einen sogenannten Polenböller beschädigt. Es entstand Ministerin Kuder bitten, in Vertretung für den Energieminis- ein Sachschaden in Höhe von circa 20 Euro. Es wurden ter gleich anzuschließen. Und dazu bitte ich jetzt die Ab- zwei jugendliche Beschuldigte ermittelt. Sie zeigten sich geordnete Frau Dr. Schwenke von der Fraktion DIE LIN- schuldeinsichtig und werteten ihr Fehlverhalten selbstkri- KE, die Fragen 23 und 24 zu stellen. tisch als jugendliche Dummheit. Nachdem sie den Sach- schaden ausgeglichen und sich bei den Vertretern des Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Guten Morgen, Frau Kulturzentrums entschuldigt hatten, wurde das Verfahren Präsidentin! Guten Morgen, Frau Ministerin! von der Staatsanwaltschaft gemäß Paragraf 45 Jugend- gerichtsgesetz Ende November eingestellt. 23. Welche Auswirkungen hat der Errichtungserlass zur Gründung der Generaldirektion Wasserstra- Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vielen ßen und Schifffahrt auf Mecklenburg-Vorpom- Dank. mern?

Wieso konnten die Ermittlungsbehörden laut Pressebe- Ministerin Uta-Maria Kuder: Sehr geehrte Frau Abge- richterstattung keine ausländerfeindlichen Motive ermit- ordnete! Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und teln, obwohl unter anderem der Briefkasten eines islami- Stadtentwicklung hat in einem Bericht vom 7. März 2013 schen Kulturzentrums mit Schweinefleisch verunreinigt an den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages wurde und Studierenden rassistische Beleidigungen ausgeführt, ich zitiere: „Die Einrichtung der Generaldirek- nachgerufen wurden? tion Wasserstraßen und Schifffahrt und die Umwidmung der Wasser- und Schifffahrtsdirektionen zu deren Außen- Ministerin Uta-Maria Kuder: Sehr geehrter Herr Abge- stellen, wie von Anfang an geplant, erfolgt durch Organi- ordneter! Die von Ihnen angesprochene Pressebericht- sationserlass des BMVBS. Die Einrichtung ist geplant im erstattung ist hier ebenso wenig bekannt wie eine Verun- Juni 2013.“ Zitatende. reinigung eines Briefkastens mit Schweinefleisch. Ich gehe davon aus, dass es sich um den von mir letztge- Der Landesregierung ist nicht bekannt, dass der ange- nannten Fall gehandelt hat, wo nach unseren Ermittlun- kündigte Organisationserlass des BMVBS bereits in gen es sich um einen Polenböller gehandelt hat, der in Kraft gesetzt worden wäre. Gemeinsam mit anderen den Briefkasten geworfen wurde, und die Konsequenzen Ländern sehen wir diesen Organisationserlass äußerst habe ich Ihnen ja eben geschildert. kritisch und favorisieren ein ordentliches Zuständig- keitsgesetz, da wir im Vorgehen des BMVBS die Belan- Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eine ge der Länder in keinster Weise berücksichtigt sehen. Nachfrage noch: Sind Sie mit den Ermittlungsergebnis- Auch wenn kein Standort in Mecklenburg-Vorpommern sen zufrieden? direkt betroffen ist, droht insgesamt ein Verlust von regionaler Kompetenz bei der WSV, der eine sachge- (Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE) rechte Aufgabenwahrnehmung für die Belange der Schifffahrt gefährdet. Ministerin Uta-Maria Kuder: Na ja, schöner ist am Ende immer, wenn man tatsächlich die Täter auch findet. Aber Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Danke. das ist nun mal leider Gottes nicht immer möglich und dann bleibt der Staatsanwaltschaft auch nichts anderes 24. Plant die Landesregierung eine Bundesratsinitia- übrig, als die Verfahren einzustellen. tive, um im Rahmen des Selbsteintrittsrechts des Bundesrates als Bundesgesetzgeber nach Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vielen Artikel 76 des Grundgesetzes diesen Erlass zu- Dank. rückzunehmen?

(Manfred Dachner, SPD: Ministerin Uta-Maria Kuder: Die geplante Reform und Sind Sie zufrieden mit die massive Kritik aus den Ländern wird Gegenstand der Ihren Fragen, Herr Saalfeld?) anstehenden Verkehrsministerkonferenz Anfang April sein. Vor dieser Konferenz sind keine weiteren Schritte Präsidentin Sylvia Bretschneider: Es gibt eine weitere über den Bundesrat geplant. Zusatzfrage des Abgeordneten Pastörs. Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Danke schön. Udo Pastörs, NPD: Frau Ministerin! Wurde in einem der von Ihnen geschilderten Fälle, besonders der Vorfall mit Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank.

10 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013

Ich bitte jetzt die Abgeordnete Frau Gerkan, Fraktion Ich rufe nämlich jetzt auf den Geschäftsbereich des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Frage 11 zu stellen, Ministers für Wirtschaft, Bau und Tourismus. Und jetzt nein, Frage 25. kommt die irrtümlicherweise von mir angekündigte Frage 11. Das andere war die 25 selbstverständlich. Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frage 25. Bitte schön, Frau Gerkan. Guten Morgen, Frau Ministerin! Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Guten Mor- 25. Welche verschiedenen Maßnahmen ergreift die gen, Herr Minister! Landesregierung zusammen mit der Deutschen Bahn AG und dem Bund bezüglich der Infra- 11. Warum sind im neuen Beirat der Deponie Ihlen- struktur- und Angebotsplanung, damit auch die berg die Schleswig-Holsteiner, also die Hanse- Stadt und das Oberzentrum Neubrandenburg in stadt Lübeck, das Land Schleswig-Holstein, hier das Netz des Schienenpersonenfernverkehrs speziell das Ministerium für Energiewende, (SPFV) nach den Zielen des Koalitionsvertrages Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume der Landesregierung eingebunden wird? (MELUR) sowie Schleswig-Holsteinische Um- weltverbände, nicht mehr vertreten? Ministerin Uta-Maria Kuder: Sehr geehrte Frau Abge- ordnete! Vorweg folgende Information: Neubrandenburg Minister Harry Glawe: Guten Morgen, Frau Abgeordne- ist seit 1999 nicht mehr an den Schienenpersonenfern- te Gerkan! Die Landesregierung hat in der 6. Wahlperio- verkehr angebunden. Die Angebotsgestaltung im Schie- de einen neuen Beirat berufen, der die Umweltfragen auf nenpersonenfernverkehr wird im Übrigen ausschließlich der Deponie Ihlenberg insgesamt bearbeitet. Um eine von der Deutschen Bahn AG vorgenommen. effektive Arbeit im Beirat zu ermöglichen, wurde es als zweckmäßig erachtet, den Kreis der Beiratsmitglieder auf Mecklenburg-Vorpommern, wie auch alle anderen Län- unmittelbar betroffene Bürgervertreter, Behörden und der, hat keinen direkten Einfluss auf das Fernverkehrs- Institutionen aus Mecklenburg-Vorpommern zu begrenzen. angebot der Deutschen Bahn. Dennoch haben der Minis- terpräsident und der Minister für Energie, Infrastruktur (Wolfgang Waldmüller, CDU: und Landesentwicklung die Notwendigkeit des Ausbaus Was vernünftig ist.) des Fernverkehrs in Mecklenburg-Vorpommern und insbesondere die Anbindung Neubrandenburgs gegen- Wir haben einen neuen Beiratsvorsitzenden berufen. Der über dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn ist unabhängig und der sorgt auch dafür, dass moderie- AG beim Bahn-Gipfel Ende Februar hervorgehoben. rend und beratend zu allen Punkten, die den Ihlenberg betreffen, gearbeitet werden kann. In den mit der Bahn zuvor geführten Verhandlungen in Bezug auf den Um- und Ausbau des Bahnhofs Neubran- Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vielen Dank. denburg wurde von der DB die Zusage erwirkt, den Bahnhof soweit fernverkehrstauglich zu gestalten, dass Minister Harry Glawe: Bitte. im Bedarfsfall eine notwendige Gleisverlängerung mög- lich wäre, wenn Fernverkehr wieder angeboten werden Präsidentin Sylvia Bretschneider: Ich bitte jetzt den sollte. Abgeordneten Herrn Udo Pastörs, Fraktion der NPD, die Frage 12 zu stellen. Das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landes- entwicklung treibt darüber hinaus die planerischen Vo- Udo Pastörs, NPD: Guten Morgen, Herr Glawe! raussetzungen für einen Ausbau der Schieneninfra- struktur voran. So wird der Ausbau der Strecken Minister Harry Glawe: Morgen, Herr Pastörs! Stralsund–Neubrandenburg–Neustrelitz sowie Bützow– Güstrow–Neubrandenburg–Pasewalk für höhere Ge- Udo Pastörs, NPD: schwindigkeiten zum Bundesverkehrswegeplan ange- meldet. 12. In welcher Höhe gedenkt die Landesregierung erneut Hilfen für die Nordic-Yards-Werften aus- Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vielen Dank. zureichen?

Eine Nachfrage: Gehen Sie davon aus, wenn sich ein Minister Harry Glawe: Guten Morgen, Herr Pastörs! entsprechender Investor findet, dass der Bahnsteig nach- träglich verlängert wird? Herr Abgeordneter, mir ist bekannt, dass am 14. März ein Bericht der Landesregierung im Finanzausschuss abge- Ministerin Uta-Maria Kuder: Frau Abgeordnete, ich geben worden ist. Dort wurde vorerst Vertraulichkeit habe eben gesagt, dass mit der DB verhandelt wurde vereinbart. Das haben die Abgeordneten auf Empfehlung und auch die Zusage erwirkt wurde, sollte es notwendig der Landesregierung so beschlossen. Von daher kann sein und Neubrandenburg fernverkehrstauglich wieder ich Ihnen zum Inhalt dieser Gespräche keine Auskünfte angeschlossen werden, dass dann die Deutsche Bahn geben. sich auch bereit erklärt hat, entsprechend eine Gleisver- längerung vorzunehmen. Udo Pastörs, NPD: Zusatzfrage: Wie gedenkt die Lan- desregierung, die Hilfen abzusichern? Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vielen Dank. Minister Harry Glawe: Über die Fragen wird weiter dis- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Frau Gerkan, Sie kutiert in der Landesregierung und auch die Abgeordne- können gleich am Mikrofon bleiben. ten werden zu gegebener Zeit mit einbezogen.

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 11

Udo Pastörs, NPD: Zusatzfrage: Welche Rechtskon- sich auf den Wasserverbrauch der genehmigten Tier- struktion liegt den Beihilfen zugrunde, um nicht gegen platzzahlen einschließlich einer geplanten, aber noch EU-Bestimmungen zu verstoßen? nicht beantragten Erweiterung.

Minister Harry Glawe: Das sind auch Betrachtungen, Jeannine Rösler, DIE LINKE: Zweite Frage. die im Vorfeld von Entscheidungen anstehen. Sie können sicher sein, dass wir eine Lösung vorschlagen, die EU- 14. Ist die beantragte Höhe des zu entnehmenden konform ist, die die Bundesgesetzgebung und auch die Grundwassers vor dem Hintergrund der bereits Landesgesetzgebung beachtet. beantragten deutlichen Erhöhung der Tierplatz- zahl sachgerecht und begründet beziehungs- Udo Pastörs, NPD: Sie haben keine Antwort ... weise für eine langfristige Bewirtschaftung aus- reichend? Präsidentin Sylvia Bretschneider: Herr Abgeordneter, Sie haben die Antworten des Ministers nicht zu kommen- Minister Dr. Till Backhaus: Wie ich bereits angedeutet tieren. habe – ich gehe davon aus, Sie haben das auch aufge- nommen –, bezieht sich die beantragte wasserrechtliche Minister Harry Glawe: Das kann ich jetzt nicht ändern, Genehmigung zur Grundwasserentnahme auf den Was- Herr Pastörs. Ich habe Ihnen eine Antwort gegeben und serverbrauch einschließlich einer geplanten, aber noch ich glaube, sogar eine fundierte. nicht beantragten Erweiterung. Und ob die genehmi- gungsfähig ist, steht auf einem ganz anderen Blatt Pa- Udo Pastörs, NPD: Wenn das fundiert ist! pier. Derzeit liegt im Übrigen, das betone ich noch ein- mal, noch einmal ausdrücklich, derzeit liegt kein Antrag Minister Harry Glawe: Tja, Herr Pastörs, so ist das zur Erhöhung der Tierbestände vor. Leben. Ob die Grundwasserentnahme von maximal 450 Kubik- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Ich bitte doch da- meter Grundwasser je Tag für die langfristige Bewirt- rum, hier keine Zwiegespräche zu führen. schaftung eines größeren Tierbestandes ausreichend ist, kann erst nach Vorlage eines entsprechenden Antra- (Udo Pastörs, NPD: So ist das Leben!) ges geprüft werden. Also dieses ist insofern noch nicht bekannt, ob und in welcher Form die Tierzahlen erhöht Ich rufe jetzt auf den Geschäftsbereich des Ministers werden sollen. für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz und hierzu bitte ich die Abgeordnete Frau Jeannine Rösler, Jeannine Rösler, DIE LINKE: Danke schön. Fraktion DIE LINKE, die Fragen 13 und 14 zu stellen. Minister Dr. Till Backhaus: Bitte sehr. Jeannine Rösler, DIE LINKE: Guten Morgen, Herr Minister! Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank. 13. Wurde der Antrag der Schweinezucht Alt Tellin GmbH vom Oktober 2012 auf Entnahme von Ich darf nun den Abgeordneten Professor Dr. Fritz Tack, Grundwasser auf der Grundlage der derzeit ge- Fraktion DIE LINKE, bitten, die Frage 15 zu stellen. nehmigten Tierplatzzahlen oder vor dem Hinter- grund der geplanten Erhöhung dieser Zahl oder Dr. Fritz Tack, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Herr Mi- aber mit anderen Sachverhalten begründet, ge- nister! gebenenfalls mit welchen? 15. Zu welchen Ergebnissen hat die bis zum 31. Ok- Minister Dr. Till Backhaus: Ich darf zunächst, Frau tober 2012, laut Beschluss des Landtages vom Präsidentin, sehr geehrte Frau Rösler, eine Vorbemer- April 2012 auf Drucksache 6/574, durchzufüh- kung machen. Das Staatliche Amt für Landwirtschaft und rende Evaluierung der seit 2002 angewandten Umwelt Mecklenburgische Seenplatte hat am 04.12.2012 Verpachtungskriterien für die Pacht landeseige- folgende Bekanntgabe im Jarmener Amtsblatt 12/2012 ner landwirtschaftlicher Nutzflächen geführt? veröffentlicht. Minister Dr. Till Backhaus: Sehr geehrter Herr Profes- Die Schweinezuchtanlage – ich darf zitieren – „Alt Tellin sor Tack! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Die Evaluie- GmbH, Fiener Str. 1 … Gladau stellte mit Schreiben vom rung, das kann ich Ihnen hier heute sagen, ist abge- 16.10.2012 beim Staatlichen Amt für Landwirtschaft und schlossen. Die Ergebnisse sind aktuell auch in Vorberei- Umwelt Mecklenburgische Seenplatte als zuständiger tung für eine Kabinettsvorlage. Diese wird dann im Behörde gemäß § 124a“ Landeswassergesetz Mecklen- Kabinett in Kürze zu beraten sein. Danach erfolgt die burg-Vorpommern „einen Antrag auf Erlaubnis zur Ent- Zuleitung dieses Evaluierungsberichtes, so, wie wir es nahme von Grundwasser in Höhe von maximal 450 m3/d besprochen haben, an den Landtag, sodass ich hier und in der Gemeinde Stadt Jarmen, Gemarkung Plötz, Flur 3, heute um Verständnis bitte, dass ich vor der Kabinettssit- Flurstück 42/3 im Landkreis Vorpommern-Greifswald. Der zung nicht irgendwelche Informationen zu dem Thema voraussichtliche Zeitpunkt des Beginns der beantragten weitergeben kann und auch nicht möchte. Aber Sie wer- Gewässerbenutzungen ist für das IV. Quartal 2012 vor- den in das Verfahren mit einbezogen. gesehen.“ Dr. Fritz Tack, DIE LINKE: Eine Nachfrage: Welche Zu der Frage jetzt ganz konkret. Schwerpunkte kristallisieren sich dabei heraus?

Die beantragte wasserrechtliche Erlaubnis zur Grund- Minister Dr. Till Backhaus: Das ist eine Suggestivfrage wasserentnahme von 450 Kubikmeter je Tag bezieht und Sie wollen mir jetzt etwas entlocken.

12 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion lust-Parchim als untere Naturschutzbehörde wurde uns BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als Haus noch mal bestätigt, dass jedes Jahr im Herbst und Heinz Müller, SPD) die nötigen Verkehrssicherungsmaßnahmen, und das ist auch eine sehr wichtige Aussage, mit dem Bundeswas- Aber ich kann nur eins sagen: Es geht um Arbeit, es geht serstraßenverwaltungsamt abgestimmt werden. Dieses um Ökologie, es geht um Mehrbeschäftigung im ländli- ist auch geschehen, sodass die untere Naturschutzbe- chen Raum. Das kristallisiert sich ganz klar heraus. hörde keine Bedenken gegen diese – in Klammern „Ver- kehrssicherungsmaßnahme“ – erhoben hat. Dr. Fritz Tack, DIE LINKE: Danke. Einen Zusammenhang – das betone ich noch mal – zum (Heinz Müller, SPD: Wenn er Planfeststellungsverfahren zur Dammsanierung der Müritz- fragt, will er was entlocken.) Elde-Wasserstraße besteht insofern ausdrücklich nicht.

Präsidentin Sylvia Bretschneider: Ich darf jetzt die (Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU) Abgeordnete Silke Gajek, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bitten, die Frage 16 zu stellen. Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Danke, ich darf ja nichts kommentieren. Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Guten Mor- gen, Herr Minister! Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank.

16. Wie positioniert sich die Landesregierung zu Ich bitte nun den Abgeordneten Johann-Georg Jaeger, den Ende Februar vorgenommenen Beschnei- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Frage 17 zu stellen. dungen und Fällungen insbesondere gesunder Weiden, Erlen und Stieleichen am Störkanal Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: durch das Wasser- und Schifffahrtsamt Lauen- Guten Morgen, Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr burg, die als notwendige Unterhaltungsmaß- Minister! nahmen bezeichnet werden, obwohl das Plan- feststellungsverfahren zur Sanierung der Damm- 17. Können wir davon ausgehen, dass der aufgrund strecken noch nicht abgeschlossen ist? von Medienberichterstattungen und Vorwürfen der Jägerschaft zu den Jagden im Müritz- Minister Dr. Till Backhaus: Sehr geehrte Frau Präsiden- Nationalpark für drei Monate zur Landesforstan- tin! Sehr geehrte Frau Gajek! Dieses Thema erhitzt die stalt abgeordnete Jagddezernent im National- Gemüter tagtäglich aufs Neue. parkamt Müritz auf seinen Dienstposten zurück- kehrt, wenn sich die Vorwürfe als nicht haltbar (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ oder als unverhältnismäßig gering erweisen? DIE GRÜNEN: Zu Recht.) (Vincent Kokert, CDU: Seit wann Das als Vorbemerkung. setzen Sie sich für die Jägerschaft ein? Da kann man ja nur staunen!) Und ich habe auch großes Verständnis für die Natur- und Umweltschützer, dass man sich engagiert und ich erken- Minister Dr. Till Backhaus: Sehr geehrte Frau Präsiden- ne das auch. tin! Sehr geehrter Herr Jaeger! Also, Herr Jaeger ...

(Vincent Kokert, CDU: (Unruhe und Heiterkeit vonseiten der Fraktionen Hat aber alles seine Grenzen.) der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf der anderen Seite müssen wir schon differenzieren. Wenn ich jetzt Herrn Jaeger antworten darf. Und selbstverständlich ist es, wenn Sie sich mit der Landwirtschaft auseinandersetzen und auch mit dem Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich „Tag des Waldes“ weltweit, den wir im Übrigen heute darf das hier alles nicht kommentieren. begehen, dann ist es so, dass auch Weiden beschnitten werden müssen, um ihren Bestand zu sichern und sie zu Minister Dr. Till Backhaus: Das ist mal ganz witzig, pflegen. Und es ist definitiv so, dass nach Auskunft des aber es ist ein wirklich ernsthaftes Thema. Insofern Wasser- und Schifffahrtsamtes und den vorliegenden möchte ich Ihnen, Herr Jaeger, auch konsequent darauf Unterlagen, die uns dazu übermittelt worden sind, es sich antworten. um eine reine Unterhaltungsmaßnahme handelt und nichts mit dem – in Klammern „Sanierungsfall“ Elde- Es stehen zurzeit im Zusammenhang mit einer Jagd, die Müritz-Wasserstraße – zu tun hat. am 22./23./24. November im Nationalpark Müritz stattge- funden hat, eine Vielzahl von Vorwürfen im Raum. Ein (Wolfgang Waldmüller, CDU: großer Teil davon konnte entkräftet werden, aber es So ist es. Genau, so ist es.) stehen auch nach wie vor noch erhebliche Vorwürfe im Raum. Und da bitte ich um Verständnis, solange die nicht Eine vorherige Beteiligung der Naturschutzverbände, das aufgeklärt sind, werde ich hier auch keine weiteren Aus- haben Sie auch so ein bisschen angedeutet, ist für Maß- sagen dazu treffen können. nahmen von Bundesbehörden nach der aktuellen Recht- sprechung des OVG ebenfalls nicht erforderlich. Es gab (Vincent Kokert, CDU: Ja, richtig.) dazu im Übrigen eine Benehmensherstellung mit der zuständigen unteren Naturschutzbehörde und die sitzt Dabei handelt es sich nach dem derzeitigen Stand der beim Landkreis. Auf Nachfrage beim Landkreis Ludwigs- Prüfung zumindest bei einem Teil um tatsächlich erhebli-

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 13 che Vorwürfe. Aber solange das nicht bewiesen ist, das legt hatten, aus. Im Ergebnis wurde damals von der Be- sage ich auch noch mal, gilt die Unschuld. Eine ab- jagung der Rabenvögel Abstand genommen und diese ist schließende Beurteilung ist jedoch erst nach Abschluss nicht in die Verordnung mit aufgenommen worden. des Disziplinarverfahrens möglich. Da bitte ich um Ver- ständnis, auch im Interesse aller Beteiligten. 2010/2011 wurde die Jagdzeitenverordnung erneut überarbeitet. Im Zuge dieses Verfahrens wurden nach Auf der Grundlage dieser Feststellung werden dann die erneuter Anhörung der Verbände die vorgesehenen weiteren dienst- und personalrechtlichen Entscheidungen Regelungen zur Rabenvogelproblematik entkoppelt be- zu treffen sein und auch da bitte ich um Verständnis. Sie trachtet. Ziel war es, eine gesonderte Rabenverordnung werden daher hoffentlich nachvollziehen können, dass zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang wurden der ich aufgrund des laufenden Verfahrens hier und heute Ökologische Jagdverband und auch die Ornithologische keine Angaben dazu machen kann und auch nicht werde, Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern erneut ob der derzeitige abgeordnete Dezernent auf seinen angehört. Ich glaube, das ist ein sehr transparentes Dienstposten zurückkehren wird. Verfahren, wenn ich mir das gestatten darf.

Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich Zudem wurden auch Fachgespräche durchgeführt. An danke. einem dieser Gespräche sind der von mir hochgeschätz- te ornithologische Fachverband und die Arbeitsgemein- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank. schaft beteiligt worden. Sie wissen dann auch, wer das ist als Person, den ich sehr, sehr schätze. Ich bitte nun die Abgeordnete Frau Dr. Ursula Karlowski, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Frage 18 zu Weiterhin wurden die unteren Jagdbehörden – die unte- stellen. ren Jagdbehörden, weil die uns immer auch die Hinweise gegeben haben, welche Probleme wir haben –, der Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Landkreis und kreisfreie Städte als auch das LUNG mit Guten Morgen, Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr beteiligt. Im Ergebnis des Beteiligungsverfahrens wurde Minister Backhaus! von der geplanten Rabenvogelverordnung abgesehen und stattdessen nun die veröffentlichte Verwaltungsvor- 18. Wurde die am 24. Januar 2013 veröffentlichte schrift erarbeitet. Verwaltungsvorschrift, Zitat, „Hinweise für die Zulassung von Ausnahmen von den Schutzvor- Es erfolgte hierzu keine gesonderte Anhörung von Ver- schriften für besonders geschützte wild lebende bänden, da diese Position der Verbände zum Thema Vogelarten (Nebelkrähe, Rabenkrähe, Elster) aufgrund des langwierigen Prozesses hinreichend be- und für den Abschuss jagdbarer Federwildarten kannt ist. Das dürfte Ihnen auch alles bekannt sein. Au- ohne Jagdzeit zur Schadensabwehr“, Zitatende, ßerdem ist eine Anhörung zum Thema „Erlass einer unter Beteiligung der anerkannten Umweltver- Verwaltungsvorschrift“ grundsätzlich auch nicht vorge- bände, des Ökologischen Jagdverbandes und sehen. der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Meck- lenburg-Vorpommern (OAMV) erarbeitet? Die jetzt veröffentlichte Verwaltungsvorschrift ist eine Strukturierung bereits bestehender gesetzlicher Rege- Minister Dr. Till Backhaus: Sehr geehrte Frau Präsiden- lungen, um einen reibungslosen rechtssicheren Ablauf tin! Sehr geehrte Frau Karlowski! Um diese Frage zu bei der Beantragung der Bejagung von Rabenvögeln zu beantworten, muss ich doch ein bisschen weiter aus- ermöglichen, und somit sind auch keine neuen gesetzli- holen, weil dieses Thema uns wirklich seit Langem be- chen Regelungen im Übrigen notwendig. schäftigt. Wir haben hier eine Möglichkeit geschaffen, dass wir, Um über geeignete, aber auch rechtlich zuverlässige und wenn wir punktuell, um das noch mal auf den Punkt zu zulässige Maßnahmen zur Abwehr von Schäden von bringen, Probleme mit Rabenvögel haben, insbesondere Rabenvögeln zu diskutieren, haben wir wirklich eine in Mutterschafkonzentration, im Kartoffelanbau oder lange Wegstrecke bereits hinter uns. Wir haben nämlich insbesondere bei Mutterkühen oder der Schweinefrei- erstmals 2006/2007 – und diejenigen, die an diesem landhaltung, dass, wenn es dort Kolonien gibt, in denen Prozess auch teilgehabt haben, werden sich erinnern – wir mit den Rabenvögeln Probleme haben, im Übrigen im Rahmen der Novellierung der Jagdzeitenverordnung nicht nur aus tierschutzrechtlicher Sicht, sondern auch in Mecklenburg-Vorpommern versucht, die Bejagung von aus Tierseuchensicht dort eingreifen können. Rabenvögeln in Mecklenburg-Vorpommern jagdrechtlich zu ermöglich. Denn wir nehmen zur Kenntnis, dass Ra- Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: benvögel erhebliche Schäden anrichten und damit im Eine Nachfrage: Welche Motive genau haben dazu Übrigen auch zum Teil geschützte Arten in Mitleiden- geführt, diese Verwaltungsvorschrift ohne die Beteili- schaft gezogen werden. Das wissen Sie auch, insbeson- gung der fachlich kompetenten Organisationen stattfin- dere Singvogelarten. Wir haben eine erhebliche Zunah- den zu lassen, obwohl vor zwei Jahren der von Ihnen me von bestimmten Rabenvogelpopulationen und da, genannte Beteiligungsprozess stattgefunden hat und es glaube ich, ist es sinnvoll, dass wir uns damit weiter aus- dort einen gemeinsamen Austausch in Ihrem Hause einandersetzen. gegeben hat und das zu einem anderen Ergebnis ge- führt hat? Im Rahmen dieses Rechtsetzungsverfahrens wurde 2007 eine umfangreiche Anhörung durchgeführt. Im Übrigen Minister Dr. Till Backhaus: Also ich glaube, ich habe hat es das hier im Landtag auch gegeben. Der Ökologi- das hinreichend versucht zu erläutern. Vielleicht vollzie- sche Jagdverband, der NABU, der BUND sprachen sich hen Sie es bitte noch mal nach, was ich Ihnen eben ge- damals gegen den Verordnungsentwurf, den wir vorge- rade alles dargestellt habe.

14 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013

Ich sage noch mal eins sehr deutlich: Wenn Sie jetzt dann ist es natürlich so, dass die Situation gerade auch auch in die Lammzeit hineinschauen, ich gehe davon in den Milchviehbetrieben nach wie vor angespannt ist. aus, dass Sie wissen, dass die Lammzeit jetzt aktiv läuft, Nach den vorliegenden Auswertungen des Testbetriebs- und wenn wir hier erhebliche Schäden an Tierbeständen netzes, das wir im Lande Mecklenburg-Vorpommern haben haben, ist es so, dass die Landesforschung zu folgen- dem Ergebnis kommt: (Vincent Kokert, CDU: So ist es.) Die durchschnittlichen Milchpreise sind gegenüber dem bis hin zu der Frage der seuchenprophylaktischen Maß- Vorjahr nochmals gestiegen. Das ist erfreulich vom nahmen und wir Kolonien in diesem Lande haben, wo Grundsatz her, aber man muss auch erkennen, dass die diese sehr schlauen Tiere Preisentwicklung und die Kostenstruktur nicht dazu ge- führt haben, dass die erhöhten Milchpreise zu einer deut- (Vincent Kokert, CDU: Schauen Sie sich lichen Stabilisierung der Milchproduktion und des Milch- mal die Kälber an mit ausgehackten Augen.) preises geführt haben aufgrund der höheren Aufwendun- gen für Futtermittel. Wir haben ja ein sehr starkes ganz gezielt auf solche Tierkonzentrationen oder Tierbe- Ansteigen gehabt der Preise, aber auch bei Treibstoff stände, und sonstigen Betriebsmitteln. So zehren die Mehrerlöse weitgehend tatsächlich die Gewinne, die gemacht wor- (Vincent Kokert, CDU: So ist es!) den sind, in der Milchproduktion auf. Ein gleichzeitiger Anstieg der Pacht- und Personalaufwendungen führte die noch im Freiland und ökologisch gehalten werden, auch zu einem Rückgang des Betriebsergebnisses, des abzielen, dann muss ich den Tierhaltern auch die Mög- Gewinns, aber auch des gesamten Betriebsertrages. lichkeit geben und den Behörden vor Ort, entscheiden zu lassen, dass hier eingegriffen wird. Und auch das kann Insofern wird deutlich, dass die Milchproduktion nach wie ich Ihnen, wenn Sie wollen, noch näher erläutern. Das vor angespannt ist. Aber es gibt seit dem zweiten Halb- sollten wir im Zwiegespräch machen. jahr 2012 gestiegene Milchpreise und weltweit ist zu erkennen, dass wir mit einer Stabilisierung der Märkte, Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: insbesondere im Milchbereich, zu rechnen haben. Danke schön, Herr Minister. Stefan Köster, NPD: Eine Zusatzfrage: Vor dem Hinter- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Es gibt eine weitere grund der gestiegenen Milchpreise, wie bewerten Sie Nachfrage des Abgeordneten Herrn Pastörs. denn die Situation auf der Insel Rügen, die seit gestern ja auch mehr oder minder in den Medien ist? Udo Pastörs, NPD: Guten Morgen, Herr Backhaus! Und wenn ich gleich die zweite Zusatzfrage anfügen darf: Minister Dr. Till Backhaus: Guten Morgen! Gibt es ähnliche Entwicklungen auch in anderen Land- kreisen, die der Entwicklung auf der Insel Rügen glei- Udo Pastörs, NPD: Inwieweit sind die Rabenvögel mit chen? verantwortlich für den starken Bestandsrückgang der Bekassine? Minister Dr. Till Backhaus: Also wir haben, wenn man es so will, seit Jahren natürlich eine Veränderung der Minister Dr. Till Backhaus: Also die Bekassine ist ja Strukturen. Ich bedauere das zum Teil, wenn man aus nun das Tier des Jahres. Und wir nehmen mit Sorge zur der Milchproduktion aussteigt. Auf Rügen – das ist so – Kenntnis – das gilt aber nicht nur für die Bekassine, son- sind vier Betriebe ausgestiegen. Da sind auch größere dern auch für andere wirklich geschützte Arten –, dass dabei, die einfach für sich entschieden haben, dass die Teile von Rabenvogelpopulationen mit Verantwortung Milchproduktion für diese Unternehmen sich nicht zu- dafür tragen, dass Populationen begrenzt werden. Das kunftsfähig darstellt. Ich bedauere das, weil ich eine ist so. Insofern glauben wir immer als Menschen, wir andere Grundüberzeugung habe, weil die Weltnachfrage können alles und jedes bestimmen, aber ich glaube nach Milch- und Käseprodukten weiter ansteigen wird. auch, dass wir in einer Kulturlandschaft aufpassen müs- Und ich glaube das zeigt auch, dass hier zwar die Be- sen, dass, wenn eine Art Überhand gewinnt, dass wir sie triebsstrukturen sich verändern, aber die Tierzahlen an- ein Stückchen begrenzen. steigen. Das heißt, wir haben nicht den Abbau von Tier- zahlen, wir haben den Abbau von Betriebsstrukturen und Udo Pastörs, NPD: Absolut. Danke. den Umbau.

Präsidentin Sylvia Bretschneider: Ich darf nun den Stefan Köster, NPD: Dann meine zweite Frage, also Abgeordneten Herrn Köster, Fraktion der NPD, bitten, die Frage 20: Frage 19 und 20 zu stellen. 20. In welcher Art und Weise sind die Vorwürfe, Stefan Köster, NPD: Herr Minister! beispielsweise in der Sendung „Fakt“ im Sep- tember 2012, wonach es bei den sogenannten 19. Wie bewertet die Landesregierung die gegen- „Bio-Landwirtschaftsbetrieben“ zu massiven Ver- wärtige Situation der Milchbauern in Mecklen- fehlungen in der Tierhaltung gekommen sein burg-Vorpommern, insbesondere in Bezug auf soll, durch welche Behörden in Mecklenburg- die Forderung nach einem realistischen Kosten- Vorpommern mit welchem Ergebnis geprüft ansatz in der Milchproduktion? worden?

Minister Dr. Till Backhaus: Also wenn man jetzt aus Minister Dr. Till Backhaus: Sehr geehrte Frau Präsiden- dem Fenster schaut – und wir haben ja fast Ende März –, tin! Herr Köster! Die Biolegehennenhaltung unterliegt

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 15 neben den Kontrollen durch die Veterinär- und Lebens- auf die Angestellten bezogen. Und insofern sage ich: mittelüberwachungsämter nach dem Lebensmittel-, Tier- Klar, selbstverständlich, Angestellte eins zu eins. Aller- schutz- und Tierseuchenrecht auch der Kontrolle durch dings haben die Gewerkschaften ja noch den Gremien- das Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicher- vorbehalt zu überwinden und insofern werden wir, denke heit und Fischerei, was das ganze Thema Futtermittel, ich, nach Ostern die Botschaft bekommen, ob das nun aber auch die sogenannten Cross-Compliance-Kontrollen auch aus ihrer Sicht so funktioniert. Bei der Höhe des anbetrifft. Dieses ist zuständig, unser LALLF, für die Abschlusses habe ich da allerdings keine Zweifel. Überwachung der Rechtsvorgaben des Ökolandbaus, des Legehennenbetriebsregistergesetzes sowie des Ich will auch gleich die Frage beantworten, wann wir das Futtermittel- und Tierarzneimittelgesetzes. dann umsetzen können, denn das muss ja noch übers Landesbesoldungsamt organisatorisch auf den Weg In 2011 waren in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt gebracht werden. Wir gehen davon aus, dass das im Mai 1.059 Betriebe im Kontrollverfahren. Durch die Kontroll- kommt. stellen – bei den Biobetrieben gibt es ja die Kontrollstel- len – wurden insgesamt 1.132 Kontrollen mit gesamtbe- Die Frage der Beamten ist allerdings eine andere. Da trieblichen Untersuchungen und 301 weitere Kontrollen haben wir noch kein Ergebnis. Wir haben die Verbände, durchgeführt. In der Jahresstatistik für 2012 – die wird Gewerkschaften nach Ostern zu einem Termin gebeten, zurzeit erstellt durch das LALLF in – wurden im bei dem wir über das Problem reden werden. Denn die Kontrollbereich Ökolandbau neben den begleitenden Höhe des Abschlusses bringt uns schon an den Rand Kontrollen von mindestens fünf Prozent zusätzlich 14 Le- der Handlungsfähigkeit. Es sind allein 70 Millionen nur für gehennenbetriebe überprüft. 2013 haben wir bereits den Tarifbereich am Ende der zwei Jahre. Und insofern heute schon acht wieder kontrolliert. Im Ergebnis dieser wird sorgfältig abzuwägen sein, wie verantwortbar hoch Überwachung mussten im August 2010 bei insgesamt der Abschluss für die Beamten sein kann. Ich gehe da- circa 75.000 Legehennen der Biostatus aberkannt wer- von aus, dass wir mit einem maßvollen Ergebnis, auch im den. Im Ergebnis der Aufarbeitung eines weiteren Falles Angesicht der Verhandlungen des nächsten Doppel- am 31.08.2012 wurde einem Bestand von 15.000 Bio- haushaltes, zu einem Ergebnis kommen. Zum jetzigen legehennen ein vorläufiges Vermarktungsverbot für Bio- Zeitpunkt gibt es dazu noch keine konkreten Größen. eier verhängt. Dem Bestand wurde dann rechtskräftig am Allerdings werden wir keinen Alleingang machen an 10.09.2012 der Biostatus aberkannt. Sie können daraus dieser Stelle und orientieren uns auch an Nachbarlän- erkennen, glaube ich, dass wir auch handeln. dern. Wir haben da schon einige Telefonate geführt.

In den letzten Wochen wurden 12.000 Biolegehennen – Henning Foerster, DIE LINKE: Darf ich angesichts Ihrer ebenfalls, was die Eier anbetrifft – von der Vermarktung letzten Ausführung noch mal nachfragen? ausgeschlossen. Aber wenn Sie sich überlegen, wir ha- ben insgesamt 750.000 Legehennen im Biobereich in Präsidentin Sylvia Bretschneider: Herr Foerster, nur Mecklenburg-Vorpommern, dann sind das zweieinhalb Fragen! Prozent. Dass wir scharf kontrollieren, will ich hier an dieser Stelle noch mal sagen. Das betrifft auch nicht nur Henning Foerster, DIE LINKE: Gut, in Ordnung. die Legehennen, sondern das betrifft auch Rinder. Auch 110 Rindern ist 2012 beziehungsweise 2011 der Status Plant die Landesregierung ähnlich wie die Regierungen „Bio“ aberkannt worden. anderer Bundesländer, die Einkommenserhöhung für die Beamten dann niedriger ausfallen zu lassen oder zeitver- Ich gehe abschließend davon aus, dass andere Bundes- zögert in Kraft zu setzen? länder in gleicher Art und Weise scharf kontrollieren, weil wir gerade im Biosegment ein ganz starkes Verbraucher- Ministerin Heike Polzin: Das sind alles mögliche In- bewusstsein und ein Verbrauchervertrauen benötigen. strumente, aber ich kann mich dazu noch nicht festlegen. Und hier müssen die schwarzen Schafe mit aller Konse- Man muss das Gesamttableau betrachten. Man muss quenz ausgemerzt werden. auch zur Kenntnis nehmen, unsere Beamten sind im norddeutschen Raum im Moment ja diejenigen, die am Stefan Köster, NPD: Danke schön. besten bezahlt werden, wenn man das Weihnachtsgeld, das ja andere rundherum abgeschafft haben, mit in Be- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr tracht zieht. Und insofern gibt es da mehrere Spielarten, Minister. mit dem Thema umzugehen. Ich sagte aber vorhin schon, dass wir damit noch nicht zu Ende sind. Ich rufe jetzt auf den Geschäftsbereich der Finanzministe- rin und hierzu bitte ich den Abgeordneten Herrn Henning Henning Foerster, DIE LINKE: Danke. Foerster, Fraktion DIE LINKE, die Frage 10 zu stellen. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank. Henning Foerster, DIE LINKE: Guten Morgen, Frau Ministerin! Die Frage lautet: Wir sind damit am Ende der heutigen Fragestunde.

10. Plant die Landesregierung, das Ergebnis der Ta- Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 19: Beratung rifverhandlungen für die Angestellten im Lan- des Antrages der Fraktionen der SPD und CDU – desdienst auch für die Beamten zu übernehmen, Gleichberechtigungsgebot als steter Auftrag, auf Druck- und, wenn ja, zu welchem Termin? sache 6/1644.

Ministerin Heike Polzin: Guten Morgen, Herr Abgeord- Antrag der Fraktionen der SPD und CDU neter! Ihre mündliche Frage enthält sicherlich das, was Gleichberechtigungsgebot als steter Auftrag Sie meinten, Ihre schriftliche hatte sich ja ausschließlich – Drucksache 6/1644 –

16 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau 7 Prozent im direkten Vergleich hier Unterschied hat, das Tegtmeier für die Fraktion der SPD. ist vollkommen gleichgültig.

Martina Tegtmeier, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Entstanden ist der Tag für gleiche Bezahlung in den Sehr geehrte Damen und Herren! Die Tagesordnung USA. Dort wurde er 1988 bereits eingeführt oder ins oder vielmehr die Fragestunde war gut aufgestellt, weil Leben gerufen, um auf diese bestehenden Lohnunter- auch hier handelt es sich um die Frage von gerechter schiede, die ja weltweit zu verzeichnen sind, hinzuwei- Bezahlung, allerdings in einem etwas anderen Blickwin- sen. In Deutschland hat man diesen Gedanken 2007 kel. Und insgesamt betrachtet ist heute ein sehr trauriger aufgegriffen. Und 2008 wurde das erste Mal hier der Tag, weil wir wieder einmal – wie schon so oft – über Equal Pay Day begangen – so nenne ich das mal –, Ungleichbehandlungen von Mann und Frau insbesondere denn von Feiern kann da wirklich nicht die Rede sein bei hier von dieser Stelle reden. diesem Trauerspiel.

Und es ist auch nicht hilfreich, wenn wir heute Morgen in Es nahmen seinerzeit bereits beim ersten Tag 6.000 Frau- der Presse lesen konnten: „,Der oft kritisierte Entgeltun- en und Männer an rund 40 Aktionen und Veranstaltungen terschied zwischen Frauen und Männern ist wesentlich in 25 Städten teil. 2011 waren es bereits über 90.000 Frau- kleiner, als oft behauptet wird. Lediglich sieben Prozent en und Männer in rund 370 Veranstaltungen in 250 Städ- beträgt laut Statistischem Bundesamt die bereinigte Ent- ten und Gemeinden. 2009 wurden die Initiatorinnen dieses geltlücke. Betrachtet man die Ursachen dagegen für die Tages in Deutschland, die „Business and Professional unbereinigte Lücke von zirka 22 Prozent fällt auf, dass Women – “, als Initiatorinnen, wie gesagt, des dabei weder ausgeübte Tätigkeiten und Erwerbsverläufe Tages ausgezeichnet, als Ort im Land der Ideen. Zum noch das eingeschränkte Berufswahlspektrum vieler Equal Pay Day im letzten Jahr fanden bundesweit bereits Frauen betrachtet wird‘, erklärt heute … Hans-Günter mehr als 760 Aktionen statt. Also es ist ein Schneeball, der Trepte, Arbeitsmarktexperte der Vereinigung der Unter- sich da weiterentwickelt, und man könnte fast vermuten, nehmensverbände für Mecklenburg-Vorpommern …“ dass der auch ein bisschen Wirkung zeigt, weil der Equal Pay Day, der errechnet sich seit 2.900 – seit 2009 … (Peter Ritter, DIE LINKE: Schöner Experte!) (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Und ja, Herr Trepte, das ist genau des Pudels Kern. Es sind die Erwerbsbiografien und es sind die gewählten Seit 2009 errechnet sich das Datum des Equal Pay Days Berufsgruppen und vor allen Dingen die Bezahlung in aus aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes und diesen. ist damit der Tag, bis zu dem Frauen im Schnitt länger arbeiten müssen, um rein rechnerisch genauso viel Geld Sehr geehrte Damen und Herren, bereits 1956 hat die zu verdienen wie die Männer bereits am Ende des Vor- Bundesrepublik Deutschland die ILO-Kernarbeitsnorm jahres, also was die Männer am 31.12. des Vorjahres 100 ratifiziert. Diese Kernarbeitsnorm beinhaltet den verdient haben. Dafür müssen die Frauen im Schnitt Gleichheitsgrundsatz des Lohnes von Mann und Frau. einige Monate länger arbeiten. Ursprünglich war für die- Und wenn man sich das mal auf der Zunge zergehen ses Jahr der 25. März geplant, also das wäre nächste lässt: 1956 war überhaupt nicht beabsichtigt in der dama- Woche Montag, aber aufgrund aktueller Zahlen konnte er ligen bürgerlichen Gesellschaft, Frauen überhaupt nur zu auf den 21. März vorgezogen werden. Man könnte sa- erlauben, die gleichen Tätigkeiten auszuführen wie Män- gen, ein toller Erfolg, aber es ist ja kaum messbar. ner. Zu dem Zeitpunkt war im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt, dass Frauen eine Erwerbstätigkeit aufnehmen Schwerpunkt des Aktionstages 2013 für gleiche Bezah- dürfen, lung für Frauen und Männer ist die Lohnsituation in den Gesundheitsberufen. Das finde ich ganz besonders wich- (Zuruf von Silke Gajek, tig. Wir sprechen hier viel über unsere zukünftige Aus- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) richtung auf dem Gesundheitsmarkt, im Pflegebereich und so weiter. Unter dem Motto „Viel Dienst – wenig wenn sie ihre familiären Pflichten, die sie per Gesetz Verdienst“ geht es darum, nachhaltige Lösungen für hatten, nicht vernachlässigen und der Ehemann dem einen Berufszweig aufzuzeigen, der in unserer alternden auch noch zustimmt. Und diese Regelungen galten bis Gesellschaft zunehmend an Bedeutung gewinnt, dessen weit in die 1970er-Jahre hinein. 20 Jahre nachdem die überwiegend weibliche Beschäftigte aber nach wie vor Bundesrepublik Deutschland diese Norm ratifiziert hatte, am unteren Rand der Gehaltsstatistiken zu finden sind. In wurde erst das Bürgerliche Gesetzbuch von diesen Alt- der Gesundheitsbranche sind die Verdienstmöglichkeiten lasten – so nenne ich das mal – befreit. für Frauen vergleichsweise schlecht. So arbeiten medizi- nische Fachangestellte und Altenpflegerinnen beispiels- Und bis zum heutigen Tage klafft eine Lücke von 22 Pro- weise für einen wesentlich niedrigeren Stundenlohn als zent, bundesweit betrachtet, immer noch zwischen der Speditionskaufmänner oder Müllwerker, ja sogar für Entlohnung von Mann und Frau. weniger als ungelernte Straßenfeger.

(Stefan Köster, NPD: Alarmierend ist die Situation besonders bei den Hebam- Die Zahl ist absolut unseriös. – men. Das Problem haben wir schon öfter angesprochen. Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da gibt es ganz große Bedarfe. 70 Prozent aller ange- Nein, ist sie nicht.) stellten Hebammen werden in Teilzeit beschäftigt und müssen praktisch durch andere Tätigkeiten, also freibe- Frauen werden trotz bester Ausbildung auch zu Beginn ruflich, noch zusehen, dass sie so viel Geld auf Honorar- des 21. Jahrhunderts auf dem Arbeitsmarkt benachtei- basis verdienen, damit sie wirtschaftlich einigermaßen ligt, und das ist ein Fakt. Und ob man nun jetzt 20 Pro- über die Runden kommen. Und ich finde, bei der Wich- zent oder bereinigte nur – also das ist der reine Hohn – tigkeit dieses Berufs ist das eine sehr traurige Bilanz.

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 17

Und selbst im relativ gut bezahlten Arztberuf gibt es ge- kräftemangel zu begegnen. – Vielen Dank für Ihre Auf- schlechterspezifische Ungleichheiten. Während unter merksamkeit. den Chefärzten vor allem Männer zu finden sind, arbeiten Ärztinnen meist als Stationsärztinnen und sehen ungüns- (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) tigen Entwicklungsperspektiven entgegen, beim berufli- chen Aufstieg ebenso wie beim Erwerbseinkommen. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau Dazu kommt auch noch, dass in den besonders gut do- Tegtmeier. tierten Fachrichtungen überwiegend Männer zu finden sind, während die Fachrichtungen mit hohem Frauen- Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer anteil, wie bei den Kinderärztinnen oder auch Gynäkolo- von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre ginnen, über deutlich schlechtere Honorare verfügen. keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Insgesamt ist also tatsächlich zu resümieren, dass zwei Drittel der statistischen Lohnlücken von durchschnittlich Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Herr Ritter für 22 Prozent – und wir sprechen hier von den Statistiken die Fraktion DIE LINKE. und nicht von den bereinigten Lohnlücken – durch die schlechtere Bewertung und Bezahlung frauendominierter Peter Ritter, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine sehr Berufe oder den hohen Anteil von Frauen im Niedrig- verehrten Damen und Herren! Ich finde es gut, dass die lohnsektor natürlich entstehen. Darüber hinaus fehlen Farbe des Equal Pay Days rot ist, Frauen in bestimmten Branchen und Berufen und in Führungspositionen oft vollkommen. Rund ein Fünftel (allgemeine Heiterkeit – aller erwerbstätigten Frauen sind aber mittlerweile die Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Familienernährerinnen, sodass das in keiner Weise ge- rechtfertigt ist und so was von nicht zukunftsweisend ist, und ich finde es gut, dass die Abgeordneten meiner Frak- wie man das schon kaum noch ausdrücken kann. In tion das ebenso sehen. Und ich muss Ihnen auch sagen, Mecklenburg-Vorpommern ist der Lohnunterschied zwar ich hätte es auch gut gefunden, wenn wir die beiden wesentlich geringer, im direkten Vergleich stimmt das Anträge zum gleichen Thema in einer verbundenen Aus- aber auch nicht unbedingt. Auch da haben wir ganz hohe sprache behandelt hätten – nun gut. Verwerfungen. Und man muss natürlich bedenken, das liegt insgesamt auch daran, dass wir auf einem relativ (Regine Lück, DIE LINKE: niedrigen Lohnniveau uns hier befinden. Das war nicht gewollt.)

In Mecklenburg-Vorpommern ist Gleichstellung eine Liebe Kolleginnen und Kollegen, eigentlich müssten Sie Querschnittsaufgabe, die sich dieser Problematik in viel- schon auf dem Weg nach Stralsund sein, fältiger Weise annimmt. Die Arbeitsministerin wird dazu noch ausführlich Stellung nehmen. (Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Es ist also auch in der Tat ein bisschen Symbolik dahin- sehr geehrte Damen und Herren von der CDU, zur feier- ter, wenn wir diesen Antrag hier heute einbringen – ein lichen Vergabe des „Schlusslichts“, das der Landesbe- Antrag, der diese Aktivitäten und diese Bemühungen der zirksfrauenrat ver.di Nord seit 2012 einmal jährlich an Landesregierung noch verstärken soll. Gute Bildung und Persönlichkeiten des politischen Lebens vergibt, „die...“ – eine gute Berufsorientierung von Anfang an sind Grund- ich zitiere – „in besonderer Weise Verantwortung für die voraussetzungen dafür, berufswahlbedingte Einkom- ungleichen Arbeitsbedingungen von Frauen und Män- mensunterschiede zwischen Männern und Frauen zu nern tragen“, Zitatende. Aber Sie sitzen hier noch seelen- vermeiden. Obwohl die Berufswahl das eine ist, ist die ruhig, obwohl das „Schlusslicht“ in diesem Jahr an Ihre Honorierung von Arbeit was ganz anderes, weil wie Ar- Chefin geht, nämlich an Frau Bundeskanzlerin Dr. Ange- beit bewertet wird, das ist bei uns manchmal ja wirklich la Merkel. Aber wie ich sehe, wollen Sie diesem feierli- äußerst zweifelhaft. Ich habe vorhin in meinem Beispiel chen Ereignis nicht beiwohnen, liebe Kolleginnen und ja schon drauf hingewiesen. Kollegen der CDU-Fraktion. Aber es bleibt ja noch ein bisschen Zeit. Wenn Sie sich beeilen, kriegen Sie es Fachkräften beiderlei Geschlechts steht eine angemes- hin und sind um 14.00 Uhr vorm Wahlkreisbüro der sene und gleichwertige Bezahlung ihrer Arbeitsleistung Kanzlerin. zu, die steht ihnen ganz einfach zu, und das in Ost- deutschland genau wie in Westdeutschland. Und auch Oder wollten Sie etwa die Debatte zum Thema Gleich- die Unterschiede zwischen Ostdeutschland und West- stellung hier im Landtag noch vollständig mitbekommen? deutschland sind nicht gerechtfertigt. Dann wäre das sehr löblich. Vielleicht können Sie ja noch etwas lernen. Das Bündnis für Arbeit bei uns im Land ist geeignet, aktiv auf die Arbeitgeberinnen- und Arbeitgeberseite im Land (Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU: einzuwirken, damit die in einigen Branchen erheblichen Lernen. Von Ihnen?!) Einkommensunterschiede nivelliert werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Kollege Und nicht zuletzt sind die Weiterbildung und die Qualifi- Waldmüller, Ihre Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin zierung von Frauen, gleiche und für beide Geschlechter Dr. Angela Merkel bekommt den von ver.di initiierten gerechte Bezahlung sowie eine moderne Familienpolitik, Preis, weil in ihrem Wahlkreis auf der Insel Rügen bun- die darauf ausgerichtet ist, die Vereinbarkeit von Familie desweit die niedrigsten Entgelte gezahlt werden. Fast die und Erwerbstätigkeit zu verbessern, wichtige Bausteine Hälfte der vollzeiterwerbstätigen Frauen auf der Insel dafür, Mecklenburg-Vorpommern zu einem noch attrakti- Rügen erhalten Löhne, die nur knapp oberhalb oder veren Bundesland zu entwickeln und drohendem Fach- sogar unter der Armutsgrenze liegen.

18 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013

(Stefan Köster, NPD: Angehenden Studierenden steht es frei, naturwissen- Was für ein Parteibuch hat schaftliche Fächer an Universitäten zu wählen. Warum denn die ehemalige Landrätin da?) wählen aber nur wenige Frauen einen naturwissenschaft- lichen Beruf, wenn sie doch die Eignung dafür besitzen Das ist ein trauriger Rekord, meine Damen und Herren. und alle Voraussetzungen erfüllen? Und es wundert mich eigentlich nicht, dass dieser in einer CDU-dominierten Region zu verzeichnen ist. Es geht also nicht nur um Gleichberechtigung, sondern um eine aktive Gleichstellung, die Nachteile zwischen (Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU) Frauen und Männern, Mädchen und Jungen behebt und Geschlechtergerechtigkeit in allen Lebensbereichen Dass Sie diese unangenehmen Tatsachen gerne ver- herstellt, liebe Kolleginnen und Kollegen. schweigen oder sie sogar noch schönreden, zeigt der vorliegende Antrag. Grundsätzlich unterstützen wir, dass Gleichstellung als steter Auftrag begriffen wird. Aber diesen Auftrag hat sich Im Absatz 2 Ihres Antrags sprechen Sie von der Ein- die Landesregierung schon mit der Gleichstellungskon- kommenslücke zwischen Frauen und Männern in Meck- zeption im Jahre 2000 gegeben. Es besteht also keine lenburg-Vorpommern als eine positive Tatsache, weil Notwendigkeit, dies gebetsmühlenartig zu wiederholen die Lücke hierzulande ja geringer ist als im Bundes- oder neu zu beschließen. Es liegt einfach nur daran, durchschnitt. Dies so darzustellen, liebe Kolleginnen dass Sie das immer wieder tun, wenn es darum geht, und Kollegen, ist unverantwortlich. Das ist ein Schönre- sich selbst lobzupreisen. den, das in keinem Verhältnis zur Realität im Land steht. Es ist vielmehr notwendig, liebe Kolleginnen und Kolle- gen, an der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen Die Einkommenslücke in Mecklenburg-Vorpommern liegt und Männern zu arbeiten und tatkräftig voranzuschrei- bei etwa 7 Prozent und ist damit auf den ersten Blick ten, Ideen zu bringen und diese umzusetzen. Von all natürlich geringer als der Bundesdurchschnitt von rund dem kann ich in Ihrem Antrag zu diesem Thema nichts 22 Prozent. Aber Statistiken müssen auch richtig gelesen finden. Ein ernsthaftes Anliegen bleibt der Leserin werden und richtig dargestellt werden. Mecklenburg- und dem Leser verborgen. Der vorliegende Antrag un- Vorpommern ist das Land mit den bundesweit niedrigs- terstützt Bestehendes wie den Girls’Day. Das tun wir ten Löhnen. Das erwähnen Sie beiläufig und ohne Wer- auch. tung am Ende des Absatzes. Die geringere Einkom- mensschere bedeutet nicht, dass sich die Frauen- und (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Männergehälter nach oben annähern, Allerdings bedarf es dazu keiner Aufforderung im Land- (Dr. Ursula Karlowski, tag, zumal die Landtagsfraktion DIE LINKE den Girls’Day BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, seit Jahren kontinuierlich durchführt und dazu Schülerin- sie nähern sich nach unten an.) nen einlädt, was man von all den anderen Fraktionen so nicht immer behaupten kann. wie Ihr Antrag zu verstehen gibt, sondern umgekehrt: Die Männer nähern sich auf der Einkommensspirale nach (Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: unten den Gehältern der Frauen an. Das ist die Realität Wir auch. – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ in Mecklenburg-Vorpommern. DIE GRÜNEN: Wir machen das.)

(Dr. Ursula Karlowski, Ja, ich habe ja keine besonders genannt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.) (Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ In der Überschrift Ihres Antrages ist die Rede lediglich DIE GRÜNEN: Nee, alle anderen.) von Gleichberechtigung. Da kommt einem sofort der Verdacht, dass die Antragschreiberinnen und Antrag- sondern weil wir gestern schon die Historie, schreiber nicht verinnerlicht haben, was „Gleichstellung“ und „Gender Mainstreaming“ eigentlich bedeuten. Es (Zuruf von Jürgen Suhr, vermittelt den Eindruck, dass Sie etwas halbherzig an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) den Antrag herangegangen sind, und diesen Eindruck bin ich auch bis zum Schluss des Lesens des Antrages sondern gestern schon die Historie bemüht haben, das ja nicht losgeworden. allgemein gehalten.

„Gleichberechtigt“, liebe Kolleginnen und Kollegen, heißt (Zuruf von Ulrike Berger, eben nicht automatisch „gleichgestellt“. Im besten Fall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) bedeutet es, jede und jeder hat die Möglichkeit oder das Recht, das Gleiche zu bekommen. Bei unterschiedlichen Angebote der Berufsorientierung für Mädchen und jun- Voraussetzungen oder Rahmenbedingungen sind die ge Frauen sind wichtig, sie können aber nur ein Bau- Betroffenen dann aber immer noch nicht gleichgestellt, stein sein. Es bedarf einer geschlechtersensiblen Pä- weil die Nachteile, die meistens im System stecken, dagogik von Anfang an und den ganzen Bildungsweg damit nicht behoben wurden und eine bloße Gleichbe- hindurch, damit Mädchen und Jungen anhand ihrer handlung die Unterschiede nicht beseitigen kann. Das Fähigkeiten und Interessen eigene Wünsche entwickeln heißt zum Beispiel: Frauen sind gleichberechtigt, in Füh- können, und zwar hinsichtlich der Berufswahl und auch rungspositionen tätig zu sein. Warum sind sie es dann hinsichtlich des favorisierten individuellen Lebensent- nicht in einem stärkeren Maße, wenn die Qualifizierung wurfs. Hier muss noch Einiges getan werden. Es kann doch stimmt? nicht sein, dass Pädagoginnen und Pädagogen noch

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 19 immer geschlechterhomogene Gruppen nach vermeint- und machen weiter wie bisher. Dafür, liebe Kolleginnen lich geschlechtertypischen Betätigungsbereichen eintei- und Kollegen, bedarf es allerdings keines Antrages. Die len und die Mädchen in die Hausarbeitsecke stecken Aussagen und Forderungen sind halbherzig und haben und die Jungen zum Toben ins Freie schicken. Tradier- wenig Substanz. Es ist das, was wir gemeinhin als te Rollenmuster gehören in die Mottenkiste und dürfen „Schaufensterantrag“ bezeichnen. Kurzum: Wir lehnen zu keinem Zeitpunkt dort wieder herausgeholt werden, diesen Antrag ab. – Danke schön. meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall vonseiten der Fraktionen Sie sprechen in Ihrem Antrag die Verbesserungen bei DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) den Betreuungsmöglichkeiten in der Kindertagesförde- rung an. Wir haben gestern dazu eine umfangreiche Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr Debatte zur KiföG-Novelle geführt. Aber, liebe Kollegin- Ritter. nen und Kollegen, Neuregelungen sind nur dann erfolg- reich, wenn sie zu einer spürbaren Verbesserung für Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Friemann- Kinder, Mütter und Väter und zu einer besseren Verein- Jennert für die Fraktion der CDU. barkeit von Beruf und Familie führen. Maika Friemann-Jennert, CDU: Frau Präsidentin! Auch hier gibt es im Land noch Einiges zu tun. Eine Ent- Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mir lastung der Eltern kann zum Beispiel erreicht werden nun wirklich nicht vorstellen, dass wir in den demokrati- durch einen Ganztagsanspruch für alle Kinder ohne eine schen Parteien überhaupt jemanden haben, der die vorherige Bedarfsprüfung, eine flächendeckende Rand- wichtigen Forderungen, die mit dem Equal Pay Day, zeitenbetreuung und flexible Betreuungsmodelle sowie dem internationalen Aktionstag für Entgeltgerechtigkeit die Deckelung und soziale Staffelung von Elternbeiträ- zwischen Männern und Frauen, zusammenhängen, gen. Es geht darum, die Kinder gut und qualifiziert zu infrage stellt. betreuen. Und es geht darum, dass Mütter und Väter ihren Beruf weiter ausüben können, auch wenn sie zum Schade, Herr Ritter, Ihre Konstruktion vorhin halte ich bei Beispiel in Schichten arbeiten oder pendeln müssen, was diesem Thema nun wirklich für absolut unredlich. ja in unserem Land keine Ausnahme ist. Wir unterstützen diesen Tag uneingeschränkt aus ver- Zu den Aktivitäten der Landesregierung zum Erreichen schiedensten Gründen. der Gleichstellung zählen laut diesem Antrag auch die Bemühungen, Führungspositionen in der Landesregie- (Regine Lück, DIE LINKE: Das rung und Landesverwaltung verstärkt mit Frauen zu be- haben wir heute früh gesehen.) setzen. Da ist sie also wieder, die Sinfonie mit dem Pau- kenschlag. Das Kernanliegen verbindet uns und gibt Anlass, die Arbeit der Landesregierung zu unterstützen und in ihren Aber wissen Sie, wenn ein Handwerksgeselle mit einem Bemühungen zu stärken. Insofern gibt es über die Arbeit Arbeitszeugnis nach Hause kommt und darin steht: „Er der Landesregierung nichts zu ergänzen. Meine Vorred- hat sich stets bemüht“, dann kann er sich einen neuen ner haben schon etwas dazu gesagt und ich denke, da Beruf suchen. Dann heißt es: Er wollte ja gern, aber er wird nachher auch noch eine ganze Menge als Beispiel hats nicht gepackt. genannt.

Und so ist es auch mit den Führungspositionen in der (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Landesregierung. Die zweite Legislaturperiode mit Wir haben ja zwei TOPs.) SPD/CDU in der Regierung in Folge und es besteht nicht einmal annähernd Geschlechterparität in den Wohl aber sind mir zwei Aspekte besonders wichtig. Zum Führungspositionen in der Landesregierung. Drei Minis- einen beginnt die Lohngerechtigkeit bei der Einstellung. terinnen, drei Staatssekretärinnen und ein Viertel der Bereits im Vertrag wird die Eingruppierung, der tarifliche Abteilungsleiter sind weiblich. Sich damit schon zu rüh- oder außertarifliche Lohn festgesetzt. In diesem Moment men, ist ein bisschen unangebracht, liebe Kolleginnen muss Gleichheit rechtlich ansetzen, damit tatsächliche und Kollegen, Lohngleichheit später stattfinden kann.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU) (Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE) zumal Sie mit Beginn der 6. Legislaturperiode auch die Und ich sage ganz unverhohlen: Da muss der öffentliche herausragende Position in Sachen Gleichstellung in Dienst, also auch die Landesregierung, eine Vorreiterrol- Mecklenburg-Vorpommern, das Amt der Parlamentari- le übernehmen. schen Staatssekretärin, aufgelöst haben, werte Regie- rungsverantwortliche. Das waren drei Schritte rückwärts, Zum anderen aber wissen wir, und das ist uns als CDU die Sie bis heute nicht aufgeholt haben. wichtig, dass die Tarifpartner autonom sind.

(Regine Lück, DIE LINKE: Genau.) (Zurufe von Regine Lück, DIE LINKE, und Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der hier vorliegende Antrag der SPD und CDU ist eher eine Lobhudelei auf sich selbst mit der Botschaft: Wir Unsere unmittelbaren Steuerungsmöglichkeiten sind an unterstützen das, was es schon gibt, dieser Stelle äußerst begrenzt. Unsere Aufgabe aber ist es, die Tarifpartner immer wieder bei der Ausweitung (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: der Tarifbindung zu unterstützen, und zwar branchenum- Das ist nichts Neues.) fassend.

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In Deutschland ist die Tarifbindung nicht übermäßig aus- gen Berufen auch jenseits der klassischen Rollenmodelle geprägt. Nach einer Studie des Wirtschafts- und Sozial- eröffnen und dafür sorgen, dass auch in Branchen, in wissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung denen hauptsächlich Frauen arbeiten, fair und den tat- werden lediglich 62 Prozent der Beschäftigten nach Tarif sächlichen Anforderungen entsprechend bezahlt wird. bezahlt. Das ist unterstes europäisches Niveau, meine Damen und Herren. Und wenn wir denn schon einmal dabei sind, uns über die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt zu unterhal- (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Tja.) ten, dann können wir das auch vollumfänglich tun. Las- sen Sie mich deshalb auch auf ein anderes frauentypi- Aber wir können wiederum niemanden an den Vertrags- sches Erwerbsbiografieproblem kommen. tisch zwingen. Eine Ausweitung der Tarifbindung, Allge- meinverbindlichkeitserklärungen für ganze Branchen (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ oder die Angleichung der Bezahlung als Übergang von DIE GRÜNEN: Herdprämie?!) der Leiharbeit zu einem gesicherten Dauerarbeitsverhält- nis, all das sind Ansätze, die von der Politik begleitet und 80 Prozent der teilzeitbeschäftigen Lehrkräfte, nur mal gesteuert werden können. Aber eine demokratische als Beispiel, sind Frauen. Errungenschaft wie die Tarifautonomie wollen wir doch wohl nicht antasten. Deswegen unterstützen wir das (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.) Anliegen des Equal Pay Days in allen damit verbundenen Themenkomplexen, um auf Schräglagen hinzuweisen, Wenn man davon ausgeht, dass eigene Kinder sich wei- um zu sensibilisieren, um im Einklang mit der Landesre- terentwickeln, dann ist der Wunsch, ich meine, auch der gierung Öffentlichkeit zu schaffen und zu bestärken. unbedingte Wille, sich selbst weiterzuentwickeln, ver- ständlich. Man will nicht nur ihm gerecht werden. Der Equal Pay Day soll auch dazu beitragen, über die Ursachen von unterschiedlichen Chancen und unter- Wenn die Phase der Betreuung vorbei ist, dann wollen schiedlicher Bezahlung zu diskutieren. Es gibt natürlich auch Frauen sich wieder anderen Aufgaben stellen, komplexe Gründe, warum es ist, wie es ist. Der Haupt- grund kann die Zuschreibung von traditionellen Ge- (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ schlechterrollen sein. Dazu gehört die Erwerbsunterbre- DIE GRÜNEN: Oh Mann!) chung von Frauen aus familiären Gründen, dazu gehört das Berufswahlspektrum, das sich gerade für Frauen, was sag ich, sie müssen es sogar. Sie wollen berechtig- obwohl sie durchschnittlich betrachtet meistens bessere terweise auch beruflichen Erfolg und der ist regelhaft mit Schulabschlüsse haben, eine gewisse Beschränkung vollen Stellen verbunden. Frauen können und wollen immer noch durchsetzt. Ganztagsstellen wahrnehmen …

(Zuruf von Silke Gajek, (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie wollen die gleichen Zugänge.)

Gerade um die krustigen Ansichten aufzuweichen, hat Ich weiß gar nicht, warum Sie immer dazwischenreden. die Landesregierung Anstrengung geleistet, wobei ich nun nicht unbedingt auf die Wiederholungstaste drücken (Zuruf von Jürgen Suhr, möchte. Auch Sie, meine Damen und Herren von den BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) GRÜNEN, werden diese Leistung anerkennen, schließ- lich haben Sie ja einen eigenen Antrag formuliert. … für bessere Chancen, für mehr Einkommen und für eine bessere Altersversorgung. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau. Den hätten wir auch gerne (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: zusammen diskutiert.) Und was ist nachher mit der Pflege?)

Insofern fasse ich mal zusammen: Gute Bildung und die Die Bundesregierung hat diese Veränderungsmöglichkeit Auflösung typischer Berufswahlen haben sich die Regie- bereits abgeprüft und für sich als wichtiges politisches rungsparteien auf die Fahnen geschrieben. Verantwor- Ziel definiert. Dieses Element der modernen Familienpoli- tung diesbezüglich kann aber auch nicht nur die Politik tik wird sich auf Bundesebene durchsetzen, sodass wir übernehmen. Auch Elternhaus und Schule dürfen, müs- auch als Bundesland teilhaben werden. sen frühzeitig ihr meinungsbildendes Scherflein an den Nachwuchs weitergeben, denn vieles geht leichter, wenn (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: der Boden dafür bereitet ist. Damit umfasst ist auch die Mit dem Betreuungsgeld, ne?!) Chance, sich insbesondere durch Weiterbildung in die Richtung eines beruflichen Erfolges, also eines Aufstiegs Eine länderübergreifende Regelung ist nicht nur notwen- zu bewegen. dig, sondern sichert auch, dass jeder Wechsel zwischen den Bundesländern ohne Verluste möglich ist. (Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Qualifizierung und Perspektiven über die Ländergrenzen hinaus, das brauchen wir. Wir wollen Qualifizierung und Dazu gehört, dass Berufe, die mit Karriere verbunden Förderung der Erwerbsfähigkeit von Frauen voranbrin- sind und die einen Aufstieg in Aussicht stellen, durch gen. Dabei ist die Forderung nach einem Mindestlohn frühzeitige Berufswahlorientierung allen jungen Men- wenig hilfreich. Die in diesem Haus schon ausführlich schen schmackhaft gemacht werden. Wir wollen Mäd- diskutierte Forderung, die auch im Zusammenhang damit chen und Jungen eine Berufsperspektive in zukunftsfähi- gern aufgewärmt wird,

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(Regine Lück, DIE LINKE: ergeben. Nationale Reglementierungen wie diese sind Das enttäuscht mich aber.) auch nicht besser als direkte Eingriffe in Landesunter- nehmen. führt bei der Ausrichtung … Eine Schräglage solcher Art und eines solchen Ausma- (Torsten Koplin, DIE LINKE: ßes kann weder der europäischen Idee entsprechen, Die Reihen sind leer bei der CDU.) noch kann ein solches Vorgehen Wirkung für das gesam- te Bundesgebiet entfalten. Eine Vorreiterrolle unseres Nee, nee, Frau Vizepräsidentin. Frau Lück, ich kam grad Bundeslandes in dieser Sache würde wahrscheinlich ins nicht drauf. Abseits führen.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ (Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE – DIE GRÜNEN: Drei Abgeordnete sehe ich.) Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja?)

Es führt in diesem Moment zu nichts. Gleiche Entlohnung Ein isolierendes Alleinstellungsmerkmal kann ich allen- kann einem Mindestlohn entsprechen, … falls als bedrückend empfinden.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ (Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, ja, ja. – DIE GRÜNEN: Aber wir brauchen Zuruf von Silke Gajek, doch die gleichen Zugänge.) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Gajek, ist ja gut. Nein, meine Damen und Herren, ich sehe eine sich wei- terentwickelnde Arbeit der Landesregierung und stehe … sie kann einem Mindestlohn entsprechen gewiss für einen sachbezogenen Einsatz für gleiche Entlohnung, gleiche Chancen und eine gute Vorbereitung (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: junger Menschen auf eine zufriedenstellende Erwerbstä- Das ist Parallelwelt.) tigkeit. oder einem vom Tariflohn abweichenden Lohn. Jede (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ Erweiterung der Debatte hier und heute in dieser Rich- DIE GRÜNEN: Das ist das Mindeste.) tung überzeugt mich schlicht nicht. Das ist politische Arbeit in die Zukunft des Landes Meck- (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: lenburg-Vorpommern im europäischen Kontext. An die- Aber ich kann ja erst reden.) ser Entwicklung wollen wir teilhaben und stimmen des- halb dem Antrag unbedingt zu. – Vielen Dank. Ich bin auch nicht für weitreichende Reglementierungen in das tarifliche Spektrum hinein. Dazu gehört neben der (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Wahrung der Tarifautonomie auch die Freiheit der ge- Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: nauen Vertragsgestaltungen. Wir haben jetzt nichts anderes erwartet.)

(Silke Gajek: BÜNDNIS 90/ Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau DIE GRÜNEN: Ausbeutung.) Friemann-Jennert.

Konsequenterweise halte ich eine Verpflichtung der Ar- Das Wort hat jetzt Frau Vizepräsidentin Silke Gajek für beitgeberseite losgelöst von Tarifverträgen zu einer Ent- die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. geltgleichheit für problematisch. Vertragsfreiheit gehört in unserem demokratischen Gefüge zu einer wichtigen Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, Frau Prä- rechtlichen Wertvorstellung. sidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden über eine Herzenssache und wenn ich die Reihen (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: der CDU sehe, Ausbeutung auch, ne?) (Peter Ritter, DIE LINKE: Sieht man, Die Privatwirtschaft zu mehr Gerechtigkeit zu zwingen das ist Herzensangelegenheit der CDU.) und damit in den ausgeübten Gewebegebiet, Gewerbe- betrieb, Entschuldigung, eingreifen zu wollen, hat damit ist es fast gähnende Leere. Und es ist ja Herrn Waldmül- nicht viel gemein. Ich kann mich solchen Ideen nicht ler noch zu verdanken, dass es noch ein bisschen hier anschließen. vorne komplettiert wurde.

Ein entsprechender Appell an Tarifparteien und tarifun- (Peter Ritter, DIE LINKE: gebundene Arbeitgeber oder eine Unterstützung einer Die fahren jetzt nach Stralsund.) Selbstbindung in einzelnen Branchen ist möglich, viel- leicht sogar nötig, wenn auch in seiner Auswirkung unab- Ich finde das wirklich beachtlich und bedauerlich. sehbar. An dieser Stelle muss Politik weitere Überzeu- gungsarbeit leisten. (Peter Ritter, DIE LINKE: Die sind auf dem Weg zur Kanzlerin.) Auch kann ein europäisches Förderprogramm nicht in einem Mitgliedsstaat erweiternd reglementiert werden. Natürlich begrüßen wir, dass der Antrag von SPD und Alle anderen stehen dann daneben und freuen sich, CDU heute eingebracht wird. Wir haben eigentlich auch wenn sich weitreichende Wettbewerbsverzerrungen nichts anderes erwartet.

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(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE) KEN und bei der SPD in der Zeit. Also war ich schon immer sehr irritiert, wenn ich dann höre, Equal Pay Day Das, was uns wirklich ein Stück weit entsetzt, wäre nicht ist uns allen ein Anliegen. das richtige Wort, aber ist doch schon, dass man sich verweigert, eine gemeinsame verbundene Aussprache (Zuruf von Jochen Schulte, SPD) zu diesem Thema zu führen, und das auf Empfehlungen der Sachpolitikerin und Sachpolitiker der CDU, die zum Und jetzt möchte ich deshalb noch mal wieder zu dem Teil dieser Debatte hier fernbleiben. Ich denke, das wird Antrag zurückkommen. den Ansprüchen, den Herausforderungen gerade beim Equal Pay Day nicht gerecht, und ich fühle mich als Frau (Stefan Köster, NPD: Vielleicht ein Stück weit veräppelt, waren Sie nicht genug qualifiziert.)

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Und weil immer wieder diskutiert wird, dass die Statistik nicht stimmt, hier geht es um strukturelle Benachteiligung. um dem Hause hier nicht Wörter unterzujubeln, wofür ich dann vielleicht noch Konsequenzen trage. (Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Aber ich möchte mit einer Geschichte beginnen. Diese strukturelle Benachteiligung zieht sich durch die Geschichte. Frau Tegtmeier hat das vorhin so schön (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) noch mal vorgestellt, wie es denn war 1956 in der alten Bundesrepublik. Wir als geborene DDR-Bürgerinnen Frau Friemann-Jennert hat ja eben von ein paar Punkten gucken dann schon manchmal ein bisschen verquer. Und gesprochen wie Tarifautonomie und dass sie sich gegen es ist natürlich die Frage, so kritisch ich die DDR auch die Entgeltgerechtigkeit aussprechen, weil sie dort Ein- sehe, welchen Schritt wir als Frauen zurückgegangen griffe sehen. sind, denn für uns war es, denke ich, das Normalste von der Welt zu arbeiten. Und natürlich hatten wir auch die (Maika Friemann-Jennert, CDU: Wie?) Intention und wollten gerne Teilzeit arbeiten, was zum damaligen Zeitpunkt eben nicht ging. Ich denke, und Frau Friemann-Jennert, meine Biografie ist so, dass sie dass muss unser aller Ziel sein, dass wir die gleichen ein bisschen brüchig ist, so wie viele Ostbiografien. Ich Voraussetzungen haben, um am Arbeitsmarkt teilzuha- habe den Beruf der Sekretärin gelernt. ben, unsere Familien zu versorgen. Und da sind die Männer genauso in der Pflicht wie wir Frauen. (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Ich komme jetzt auf den Antrag der SPD/CDU zurück. Ich hätte damals gerne etwas anderes gemacht, ging Meine Kritik daran, dass es keine verbundene Ausspra- nicht, gehört auch nicht hier hin, warum. Aber ich habe che gibt, habe ich schon kundgetan. Aber wir Bündnis- nach der Wende die Chance genutzt und über den zwei- grüne sind bekannt dafür, für Geschlechtergerechtigkeit ten Bildungsweg ein Studium gemacht. Ich hatte das und gute Arbeit zu sein Glück, Hans-Böckler-Stipendiatin zu sein und in dem Bereich Feministische Soziologie studieren zu können. (Zuruf von Stefan Köster, NPD)

(Stefan Köster, NPD: Ei, jei, jei! – und dass gute Arbeit gut entlohnt werden muss. Das sind Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Das ist grüne Kernthemen. Und deshalb haben wir in Abstim- wirklich ein sehr fundiertes Studium.) mung auch mit den Frauenverbänden, mit dem DGB, mit anderen am Arbeitsmarkt Aktiven versucht, diesen An- Von daher ist es mir natürlich ein Herzensanliegen, hier trag heute hier, nicht versucht, sondern einzubringen, um heute zu diskutieren. eine andere Debatte noch mal zu führen. Wir brauchen nämlich nicht die Beweihräucherung der Landesregie- Als ich mein Studium beendet hatte 1999 als Diplom- rung, denn das tut sie jeden Tag, Sozialökonomin, bin ich zum Arbeitsamt gegangen und habe mich natürlich dort vorgestellt und wollte eine Arbeit (Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig, haben. Und ich habe eine ganz tolle Antwort bekommen, genau so. Das ist das Einzige, was sie tut.)

(Udo Pastörs, NPD: Studierte Feministin!) sondern wir wollen hier weiterkommen. nämlich: Frau Gajek, wir haben nichts für Sie, Sie sind Und ich finde es immer wieder irritierend, wenn wir als studierte Ehefrau. Opposition so vorgeführt werden, als wenn wir doch immer nur das Schlechte wollen. Nein, wir wollen dieses Sie können sich möglicherweise vorstellen, wie es einem Land voranbringen. Dafür stehen wir Bündnisgrüne. Ich dann geht, ich glaube, mit einer typischen DDR-Biografie, denke, dafür steht auch DIE LINKE, natürlich häufig mit wie gesagt, ein bisschen brüchig, engagiert, motiviert dann anderen Vorzeichen, aber … das zu hören. Der Hammer war aber, dass der Kollege mir ein neues Studium vorgestellt hat. Und das war die Sozial- (Harry Glawe, CDU: Nicht ein ökonomie, das, wo ich gerade einen Abschluss hatte. lobendes Wort habe ich gehört. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Und Sie können sich vorstellen, wie das dann ist, wenn man sich bewirbt und bewirbt und bewirbt, auch bei den Och, mein Gott, manchmal komme ich mir vor wie im Ministerien. Und wer wird genommen? Junge, dynami- Kindergarten. Also erst wird gelobt und dann wird hinten sche Männer, flächendeckend, damals auch in der LIN- einer draufgedudscht. Tut mir leid, Herr Glawe,

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(Zuruf von Stefan Köster, NPD) nen, auch Rednerinnen, gesagt, der Unterschied in der Lohnlücke zwischen Frauen und Männern beträgt also ich glaube, wir sind erwachsen deutschlandweit 22 Prozent. Die Lohnlücke ist in Ost- deutschland wesentlich geringer als in Westdeutschland, (Zuruf von Harry Glawe, CDU) was auch damit zu tun hat, dass die Möglichkeiten in Ostdeutschland, Beruf und Familie zu vereinbaren, die und das wird der Situation auch nicht gerecht. Möglichkeiten für Frauen überhaupt, mehr zu arbeiten, das hat damit zu tun, das ist was Positives. Aber es gibt (Harry Glawe, CDU: Ja, aber wir reden jetzt auch Schatten. Denn der Unterschied zwischen Männern über die Gleichstellung von Mann und Frau.) und Frauen in Ostdeutschland ist in der Lohnlücke auch deshalb nicht so groß, weil eigentlich beide schlecht Ja, da sind wir noch meilenweit von entfernt, das haben verdienen. Das gehört zur Wahrheit dazu. wir eben von Frau Friemann-Jennert gehört In meinen Augen gibt es drei Problembereiche, warum (Zuruf von Harry Glawe, CDU) diese Lohnlücke von 22 Prozent so groß ist. Der eine Problembereich ist, dass Frauen immer noch weniger und auch von Frau Tegtmeier, von Herrn Ritter und von arbeiten als Männer, weil sie weniger die Möglichkeit mir. haben durch deutschlandweit noch nicht optimale Be- treuungs- und Bildungsangebote für ihre Kinder. Es sind (Unruhe vonseiten der Fraktionen eben die Frauen, die im Zweifel zu Hause bleiben, die der SPD und CDU) Kinder erziehen. Es sind im Zweifel die Frauen, die zu Hause bleiben und aussteigen wegen pflegebedürftiger Wir werden dem Antrag zustimmen, Angehöriger. Und wenn Frauen arbeiten, dann sind sie eher diejenigen, die Teilzeit arbeiten, als die Männer, die (Harry Glawe, CDU: Und jetzt kommt eher vollzeitnah arbeiten. Und dadurch entsteht schon ein Lob, jetzt kommt ein Lob.) strukturell ein großer Unterschied zwischen Frauen und Männern. weil der ist so weichgespült, da kann man nicht wirklich viel verkehrt machen. Und dann gibt es halt noch die zweite Säule als Prob- lembereich. Das ist das, was auch schon angesprochen (Heiterkeit bei Regine Lück, DIE LINKE) worden ist, dass der Beruf, in dem Frauen arbeiten, eher schlechter bezahlt wird als bei Männern. Klassisches Ich möchte Ihnen aber schon jetzt ankündigen, dass wir Beispiel: Erzieherinnen, Pflegeberufe sind sehr frauen- unter TOP 20 dann die inhaltliche Debatte führen wer- dominiert, Verkäuferinnen, die werden schlechter bezahlt den. Ich muss schon sagen, der Antrag ist, wie gesagt, als die Männer, die im Industriebereich, zum Beispiel bei weichgespült. Und ich denke, dazu sollte der nächste uns in den Werften, arbeiten, obwohl doch alle beteuern, Tagesordnungspunkt genutzt werden. – Ich danke Ihnen dass gerade die Berufe von Erziehern und Pflegern so für die Aufmerksamkeit. wichtig sind.

(Beifall vonseiten der Fraktion Und die dritte Säule ist für mich so eine Art Blackbox. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Das sind die verbleibenden 7 Prozent von den 22 Pro- Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU) zent, wo das Deutsche Institut für Wirtschaft auch sagt, dafür gibt es keine rationale Erklärung. Für diese 7 Pro- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau zent gibt es also nicht die Erklärung, dass Frauen die Gajek. Möglichkeit haben, weniger Stunden zu arbeiten oder schlechter bezahlt werden in Berufen, sondern das ist Das Wort hat jetzt die Ministerin Frau Schwesig, Ministe- der echte Unterschied. Und der kommt dadurch zustan- rin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales. de, dass es das gibt in Deutschland, dass Frauen weni- ger bekommen trotz gleicher Qualifikation und gleichen Ministerin Manuela Schwesig: Sehr geehrte Frau Prä- Jobs. sidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich wünsche allen Frauen ein frohes neues Jahr, denn (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) die Frauen kommen erst zum heutigen Tag, wenn es jedenfalls um das Gehalt geht, im neuen Jahr an. Und gerade in Berufen, wo man über Gehalt frei verhan- delt, kommt das vor. Und wenn man zum Beispiel mit (Udo Pastörs, NPD: Frauen, die selbstständig sind, spricht, zum Beispiel Das hatten wir schon zweimal.) habe ich letztens mit einer Frau gesprochen, die Veran- staltungen moderiert, die sagt, sie weiß, weil sie hinterher Und auch, wenn es draußen so aussieht, als wenn wir ehrlichkeitshalber von ihren Mitstreitern, den männlichen uns um Neujahr bewegen, es ist so, dass wir mittlerweile Moderatoren, gesagt bekommen hat, was die bekom- März haben, und so viele Tage mehr müssen Frauen men, dass ihr Honorar einfach kleiner verhandelt worden arbeiten, ist. Das gibt es. Und deswegen, glaube ich, muss man mit verschiedenen Instrumenten ansetzen, um alle drei (Zuruf von Stefan Köster, NPD) Säulen sozusagen möglichst kleinzuhacken, dass die Lohnlücke sich irgendwann schließt. um am Ende genauso viel zu haben wie Männer. Und deshalb gibt es diesen Equal Pay Day, um auf diese Und wie kann man das machen? Das Erste ist vollkom- Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen. Und es wurde men klar. Wir brauchen so gute Infrastruktur, dass die ja schon von den Rednern der demokratischen Fraktio- Möglichkeit besteht für Männer und Frauen, Beruf und

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Familie zu vereinbaren und möglichst vollzeitnah zu Ich bin sehr stolz darauf, wenn ich Kritik erhalte, dass wir arbeiten. Und dazu braucht man eine gute Infrastruktur. zu viel für Beruf und Familie tun. Ich glaube, das kann Die haben wir in unserem Land, wir haben darüber ges- nicht schlecht sein. Insofern, wenn es Ihnen am Herzen tern gesprochen. Und das ist auch der Grund, warum die liegt, Herr Ritter, wäre es schön, wenn Ihre Fraktion diese Lohnlücke in Mecklenburg-Vorpommern noch mal auch Bemühungen mit unterstützt. unter ostdeutschem Schnitt liegt, nur bei vier Prozent, weil einfach bei uns die Frauen die Möglichkeit haben, Ein weiterer wichtiger Punkt, hier wird ja immer infrage Beruf und Familie zu vereinbaren. gestellt, wie läuft das mit der Finanzierung. Ich will sa- gen, dass das Land für die Ausstattung, die finanzielle (Stefan Köster, NPD: Weil die Löhne generell Ausstattung, zehn Stunden durchfinanziert. Und das, sehr niedrig sind in Mecklenburg-Vorpommern.) denke ich, ist ein gutes Zeichen, dass es uns darum geht, Ganztagsplätze anzubieten. Insofern tragen auch Und ich habe es gestern gesagt, Mecklenburg-Vor- die Vorwürfe, dass diese Sachen nicht ausfinanziert pommern ist bundesweit Spitzenreiter, wenn es darum wären, nicht. Es kann aber auch sein, dass die Leute, die geht, dass wir eben auch Ganztagsangebote machen. hier einen Vorwurf machen, es gar nicht wissen, wie wir Davon sind andere Bundesländer weit entfernt. das überhaupt finanziell unterlegen.

Und, lieber Herr Ritter, ich bin völlig bei Ihnen, Also, wichtige Botschaft: Vereinbarkeit Beruf und Familie weiter stärken. Das tun wir. Wir haben das insbesondere (Udo Pastörs, NPD: Bei Ihnen.) noch mal in dieser Legislaturperiode untersetzt mit der Elternentlastung. Und dazu will ich was sagen. Warum ist dass wir auch um die Randzeitenbetreuung, -bildung es so wichtig? Nicht, weil es um Wahlgeschenke für kämpfen müssen. Ich finde, es gibt unheimlich gute Bei- Mütter und Väter ging, die Krippengebühren um 100 Euro spiele. Beispiel der Landeshauptstadt Schwerin, die ja zu senken, sondern weil, und darauf hat unser Minister- mittlerweile deutschlandweit bekannt ist, ist die soge- präsident schon als Sozialminister hingewiesen, es ein- nannte 24-Stunden-Kita. In Bayern, bei der CSU, muss fach in unserem Bundesland so ist, dass die Löhne klei- man immer noch mal klären, dass die Kinder nicht ner sind und dass spätestens dann, wenn ich alleinerzie- 24 Stunden in die Kita gehen, das ist vollkommen klar, hende Mutter bin und in der Tourismusbranche arbeite sondern dass es darum geht, für die Ärztin, die sich ent- oder jedenfalls einen Job habe, wo ich vielleicht 900, schieden hat, aus Österreich nach Schwerin zu ziehen 1000 Euro mit nach Hause bringe, wenn ich alleinerzie- und hier am Klinikum zu arbeiten, dass es für die hend bin, und denn auch noch die Krippengebühren von dadurch möglich ist, den Schichtdienst zu absolvieren, 250 Euro plus 50 Euro Essengeld bezahle, dann habe genauso wie für den Altenpfleger oder für Branchen, die ich unterm Strich fast so wenig, als wenn ich gar nicht eben einfach Schichtdienste erfordern, gegen die wir arbeiten gehen würde. Und da haben wir einfach gesagt, auch nichts tun können und wollen, denn, ich glaube, wir da wollen wir uns anstrengen, Sie wissen alle, am liebs- sind uns einig, dass Pflege und medizinische Versorgung ten gebührenfrei, aber es muss Geld für Qualität und rund um die Uhr stattfinden müssen. Vereinbarkeit geben. Deswegen haben wir gesagt, da, wo die Leute wieder in den Beruf nach der Elternzeit Allerdings kommen wir an Grenzen. Und da sage ich einsteigen, wenn dann ihr Kind zur Tagesmutter oder in auch ganz klar als Arbeits- und Familienministerin: die Krippe geht, da wollen wir noch mal diese Gebühren Nicht nur die Familien müssen immer flexibler werden, absenken, damit einfach der Anreiz und der Fleiß, den sondern die Arbeitswelt muss familienfreundlicher wer- die Leute mitbringen, sich anzustrengen, arbeiten zu den. Deswegen müssen wir auch ganz vorsichtig damit gehen und das alles unter einen Hut zu kriegen, dass sein zu sagen, wir müssen mit Betreuungsangeboten das honoriert wird. sicherstellen, dass wir ungefähr alle rund um die Uhr für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Ich sehe das Und wenn dann diese Elternentlastung gerade von de- zum Beispiel im Verkäuferbereich sehr kritisch. Ich finde nen, die hier immer für mehr Unterstützung für Frauen nicht, dass Läden bis 22 Uhr und sonntags aufhaben stehen, wie Frau Gajek oder auch die Linkspartei, Frau müssen. Bernhardt, ich nehme Ihnen das persönlich ab, aber wenn gerade Sie, nur um irgendwas rumzukritteln, diese (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE Elternentlastung kritisieren, einmal Frau Gajek … und Jochen Schulte, SPD) (Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Habe ich Da sollten die Familien füreinander Zeit haben. Deswe- gestern gar nicht gemacht, Frau Schwesig.) gen müssen wir da in einen guten Spagat gehen. Ich rede ja nicht nur über gestern. Um gestern geht es Ich habe jedenfalls vor, die Frage von Randzeitenbetreu- gar nicht, das war ja alles sehr harmlos. ung weiter zu fördern. Das sind Pläne, die wir derzeit überlegen, zum Beispiel über den europäischen Sozial- (Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: fonds. Da gab es ja Kritik vom Unternehmerverband, was Das ist die Befürchtung, dass das ich nicht ganz verstanden habe, weil die Unternehmen Geld bei den Eltern nicht ankommt.) selbst uns bitten, so etwas zu unterstützen. Sie kennen ja die Kritik von Herrn Trepte. Und ich war sehr enttäuscht, Wenn Sie so viel Respekt vor Frauen haben, dann las- dass, nur um blind wieder mal gegen die Landesregie- sen Sie mich doch einfach ausreden. rung zu schießen, gerade Herr Foerster die Kritik aufge- nommen hat. Wenn Frau Gajek im Sommer letzten Jahres behauptet hat, na ist ja schön, dass man da für Eltern Wahlge- (Henning Foerster, DIE LINKE: schenke verteilt, aber wir müssen in die Qualität investie- Das ist falsch.) ren, und wenn Frau Bernhardt tatsächlich einen Besuch

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 25 macht bei der Volkssolidarität und dann geschrieben wir in dieser Frage Vereinbarkeit ganz vorne stehen. Und wird, ein Problem sei die Elternbeitragssenkung für Krip- ich finde, dass wir das auch positiv herausstellen müs- penkinder im Jahr 2012, diese Beitragssenkung empfän- sen, Herr Ritter, den die Erzieherinnen als Geringschätzung ihrer Arbeit, dann muss ich sagen, Sie haben nicht verstanden, um (Peter Ritter, DIE LINKE: Dann tun Sie das!) was es geht. denn wir haben doch deutschlandweit derzeit eine total Diese Elternbeitragsentlastung, nur weil sie nicht von peinliche Debatte, wenn es um das Betreuungsgeld geht. Ihnen kommt, Da geht es doch wieder darum, dass uns andere einre- den wollen, wir, die hier in der DDR sozialisiert sind, (Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Ich habe würden unsere Kinder einfach nur irgendwie abgeben die Meinung der Erzieherinnen wiedergegeben, wollen, Frau Schwesig. Gehen Sie doch mal raus und fragen Sie bei den Erzieherinnen nach! (Udo Pastörs, NPD: Nicht wollen, sondern Ich war da und habe nachgefragt.) müssen. Das ist das Schlimme. Müssen!) sondern weil sie von der Großen Koalition kommt, und da müssen wir uns doch gegen wehren, denn uns schlecht- und kleinzureden, ist höchst peinlich. Worum geht es doch darum, Beruf und Familie und Erziehungs- geht es denn bei diesen 100 Euro? Dass Eltern Beruf verantwortung zu vereinbaren. Und da, finde ich, kann und Familie vereinbaren können und wir wollen, dass die ich nur sagen, ich bin stolz darauf, aus einem Bundes- Erzieherinnen besser verdienen. land zu kommen, wo das für die Menschen in unserem Land sehr selbstverständlich ist und wir hier nicht solche (Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Also nein!) rückwärtsgewandten Debatten führen um die Fernhalte- prämie, wie ich sie mir teilweise mit meinen Kollegen aus Und wenn sie besser verdienen, werden die Gebühren der CSU in Bayern antun muss. Insofern, finde ich, soll- steigen. Und mit unseren 100 Euro werden wir dagegen- ten wir das positiv herausstellen. wirken. (Stefan Köster, NPD: (Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Sie reden so einen Unfug.) Wie viele sind denn da noch übrig von der Elternbeitragssenkung? 50 Euro, 60 Euro?) Aber dann bin ich bei Herrn Ritter.

Das ist ganz praktische Politik für die Frauen in unserem (Zuruf von Stefan Köster, NPD) Land. Und wenn es Ihnen um die Frauen geht, dann unterstützen Sie die Politik und reden Sie sie nicht immer Wir müssen auch sagen, diese Differenz ist auch deshalb schlecht. so klein, weil Männer und Frauen in unserem Land schlecht verdienen und wir nicht die Situation haben von (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – hohen Einkommen, auch von Männern, wie in West- Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE) deutschland. Und deshalb muss sich an dieser Lohnfrage in unserem Land was ändern. Das hat der Ministerpräsi- Da muss ich ganz ehrlich sagen, zwischen SPD und dent mehrfach gesagt und die Große Koalition selbst CDU gibt es viele Meinungsverschiedenheiten, steht dazu.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU) Und, Frau Friemann-Jennert, wir haben uns auf den Mindestlohn verständigt, wir bringen den voran. Ich muss wie weit man auch gesetzlich die Entgeltgleichheit unter- sagen, die Termine, die ich mit dem Wirtschaftsminister stützen soll. Und da vertritt die CDU die Auffassung, erlebe, wo er den Mindestlohn verteidigt, auch vor den mehr freiwillige Vereinbarungen, Tarifautonomie. Wir Unternehmen, die sind richtig gut. vertreten eher als A-Seite sozusagen, auch in der Regie- rung und in der Fraktion, nein, wir brauchen klare gesetz- (Vizepräsidentin Beate Schlupp liche Regelungen. übernimmt den Vorsitz.)

(Zuruf von Harry Glawe, CDU) Es sind kaum Leute in der Regierung, die so gut den Mindestlohn verteidigen wie Herr Glawe. Und da würde Das ist aber legitim. Darüber kann man streiten. ich empfehlen, gar nicht zurückzurudern. Ich finde, dieser Mindestlohn ist äußerst wichtig, Aber ich muss mal eins sagen: Wenn es um die Frage geht, Vereinbarkeit, dann habe ich manchmal das Ge- (Zuruf von Marc Reinhardt, CDU) fühl, dass die CDU eher über ihren Schatten springt und sagt, wir sind bereit, mit den Sozis was zu machen, weil denn wir haben 42 Branchen in unserem Bundesland, in es den Leuten dient, als GRÜNE und Linkspartei, nur denen Tariflöhne vereinbart sind, weil es Ihnen um ein bisschen parteipolitisches Gezänk geht. Das finde ich ehrlich gesagt oberpeinlich. (Zurufe von Wolf-Dieter Ringguth, CDU, und Peter Ritter, DIE LINKE) (Beifall Rainer Albrecht, SPD, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU) aber diese Tariflöhne liegen unter 8,50 Euro. Und ich sage, wenn die Servicekraft aus Bad Kleinen jeden Tag Und deswegen bedanke ich mich bei den Regierungs- fährt nach Schwerin und sogar noch 100,00 Euro auf den fraktionen, denn die Lohnlücke bei uns ist so klein, weil Tisch legen muss für die Fahrtkosten und dafür sorgt,

26 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 dass nämlich in dem Krankenhaus die sanitären Einrich- gerne die Lorbeeren ernten. Am Ende geht es darum, tungen gut sind, und wenn die Caterer dafür sorgen, dass bei den Leuten konkret in der Lohntüte was an- dass die Essensversorgung gut ist, kommt.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Wie sieht es mit den Qualifizierungsangeboten aus? Neben der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen dann haben die einen besseren Lohn als unter 8,50 Euro gehört es zu den Hauptaufgaben der Arbeitsmarktpolitik verdient, dann haben die Mindestlohn verdient. Und vorhandene Beschäftigungspotenziale zu erschießen, deswegen ist es gerade für Frauen so wichtig, dass wir erschließen, nicht erschießen. uns auch für den Mindestlohn als Landesregierung starkmachen. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.) Und die dritte Säule ist diese sogenannte Blackbox. Da stehe ich ganz klar für ein Entgeltgleichheitsgesetz. Das Chancengleichheit von Frauen und Männern am Ar- muss auf Bundesebene entschieden werden. Das wird beitsmarkt ist dabei im Fokus. Die Förderung der berufli- unterschiedlich zwischen den Parteien gesehen. Und das chen Weiterbildung und Umschulung ist zwar Aufgabe ist ja auch gut so. Darüber können die Parteien jetzt der Bundesagentur für Arbeit, aber wir wollen es natürlich streiten und die Menschen am 22. September entschei- flankieren. Wir wollen vor allem gerade Frauen, die der- den. zeit kein Jobangebot haben, noch stärker in den Ar- beitsmarkt integrieren. Und wir wollen dafür sorgen, dass Was können wir als Land noch tun, außer ganz konkret möglichst Leute auch umgeschult werden, die zwar der- mit viel Geld Vereinbarkeit zu unterstützen und auch die zeit einen Job haben, aber davon nicht leben können. Frage von besseren Löhnen? Wir können auch dort, wo Das ist viel in der Dienstleistungsbranche möglich, sich in wir selber Fördergelder vergeben, mehr darauf achten, Jobs umschulen, die Perspektiven haben. So hat das das ist zum Beispiel bei dem Einsatz der EU- Land zum Beispiel in den letzten Jahren die Lehrgangs- Strukturfondsmittel. Der Einsatz von EU-Strukturfonds- kosten des dritten Jahres für die Umschulung zu Alten- mitteln soll immer die Gleichstellung von Männern und pflegerin und Altenpfleger als Finanzierung übernommen. Frauen berücksichtigen. Der ESF ist darauf ausgerichtet, Wir haben erfolgreich mit allen anderen Bundesländern die dauerhafte Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben durchgesetzt, dass da jetzt auch wieder der Bund ein- zu erhöhen und ihr berufliches Fortkommen zu verbes- steigt, sodass wir dann zurückgehende Mittel kompensie- sern, die geschlechtsspezifische Segregation auf dem ren können. Arbeitsmarkt abzubauen, aber auch natürlich dafür zu sorgen, dass wir einfach nicht die Stereotypen bedienen Und dieses Beispiel zeigt, dass es im Bereich der berufli- in der allgemeinen Bildung und auch die Vereinbarkeit chen Qualifizierung weniger um ein Programm nur für die von Frauen und Männern zu fördern. Qualifizierung von Frauen gehen sollte, sondern eher darum, auch die Instrumente des SGB II und III besser Das sind die Zielsetzungen, die auch wir als Land ma- zu nutzen. Es ist auch Thema im Fachkräftebündnis und chen in Versuchen, jetzt auch einen neuen ESF noch in der Kooperationsvereinbarung zwischen Arbeitsminis- weiter zu befördern, und da in guten Gesprächen sind. terium und Bundesagentur für Arbeit. Ich habe dafür gesorgt, dass neben Wirtschafts- und Sozialpartnern vor allem der Landesfrauenrat viel stärker Und wir haben einen ganz konkreten Schwerpunkt, der als bisher mit einbezogen wird, weil bei dem die Kern- meines Erachtens in der Vergangenheit noch nicht gut kompetenz für diese Fragen auch liegt. genug gefördert worden ist, auch aus arbeitsmarktpoliti- scher Sicht und aus gleichstellungspolitischer Sicht, Wo mit Mitteln des ESF in M-V direkt Personalkosten dieser Schwerpunkt ist die besondere Unterstützung von bezuschusst werden, knüpfen wir an die Förderung die Alleinerziehenden. Mir ist wichtig, dass wir das Potenzial Bedingung, dass mindestens ein Mindestlohn gezahlt von Alleinerziehenden in unserem Land besser einbezie- wird. Bereits jetzt werden bei der Förderung der gewerb- hen. 93 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen, aber lichen Wirtschaft nur Arbeitsplätze für die Ermittlung der natürlich wollen wir auch was für die 7 Prozent alleiner- Fördervoraussetzungen und der Förderhöhe berücksich- ziehender Männer tun. tigt, die diese Lohnuntergrenze nicht unterschreiten. Als Bonuskriterien gelten die Zahlung einer mindestens tarif- (Harry Glawe, CDU: Sehr gut, sehr gut.) gleichen Vergütung und zweitens besondere Anstren- gungen des Unternehmens auf dem Gebiet der Verein- Ich will nur sagen, das ist auch typisches Frauenthema. barkeit von Beruf und Familie. Und da stoßen alleinerziehende Frauen auch schon an ihre Grenzen, nur, weil sie Kinder haben. Ich bin ganz Wie gesagt, mein Kollege Wirtschaftsminister hat die konkret von einer alleinerziehenden Frau aus Wismar Dinge auf den Weg gebracht. Und vielleicht irgendwann, angesprochen worden. Sie hat eine Ausbildung zur es braucht noch ein bisschen Zeit, sind Sie nicht nur der Krankenschwester. Alle erzählen mir in den Kliniken, sie Vater des KiföG, sondern der Vater des Mindestlohns, suchen, sie haben Fachkräftebedarf. Und warum be- Herr Glawe. kommt sie keinen Job? Weil sie sieben Kinder hat und ihr Mann zur See fährt. Das ist der Grund, warum diese (Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Frau keinen Job bekommt. Und das kann es nicht sein. Zuruf von Silke Gajek, Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, auch über BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) das Modellprojekt AQuA, jetzt dieser Frau ein Angebot zu machen. Ich könnte das ertragen, wenn sich bei der politischen Konkurrenz für die Männer und Frauen in unserem Land Aber an dieser Stelle will ich sagen, Politik kann nicht nur mehr bewegt. Dafür sollten Sie dann auch wegen mir mit Gesetzen die Dinge regeln. Alle müssen mitziehen

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 27 und Arbeitgeber müssen Mut haben, offen sein und er- mein Verständnis ist, dass man neben guten Gesetzen kennen, dass garantiert diese alleinerziehende Frau, die vor allem den Willen braucht, und der Wille muss ganz sieben Kinder hat und bereit ist, zu arbeiten und für ihre oben sein, beim Ministerpräsidenten, bei den Ministern, Familie zu sorgen, dass die doch ein Potenzial mitbringt diese Frauen zu fördern und die gläsernen Decken auf- an Fleiß und Bereitschaft, was man vielleicht woanders zubrechen. Das nehme ich wahr bei unserem Minister- vermisst. Insofern werbe ich dafür, Frauen nicht abzu- präsidenten und auch bei meinen Kollegen. Und da sage stempeln, weil sie Kinder haben, ich, herzlichen Dank.

(Udo Pastörs, NPD: Was macht die mit ihren Aber selbstverständlich dürfen wir uns auf den Erfolgen sieben Kindern, wenn sie Vollzeit arbeitet?) nicht ausrufen, sondern ihnen Chancen zu geben, weil sie Kinder haben. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ausruhen.) Und mit unserem Modellprojekt AQuA haben wir hier ganz gezielt Frauen auch in den Beruf wieder integriert ausruhen. Es geht natürlich darum, dass wir auch etwas und auch mit dem Projekt „Familiencoach“ in Dierkow tun für Frauen in Wissenschaft und Wirtschaft. In Politik werden wir Fortschritte erzielen. Ich bin froh, dass diese haben wir das getan. Und deshalb bin ich sehr froh, dass Sachen jetzt auf den Bahnen sind. wir zwei Mentoringprogramme auf den Weg gebracht haben für promovierte Frauen an Universitäten und Ich habe was gesagt zur Wichtigkeit der Vereinbarkeit Hochschulen in unserem Land und für Frauen in der von Erwerbs- und Privatleben und ich halte es für wichtig, Wirtschaft. Hier gibt es eine sehr gute Nachfrage. in unserem Land an die praktische Realität der Men- schen anzuknüpfen. Aber dazu gehört natürlich auch das Auf Bundesebene müssen gesetzliche Regelungen an- Thema „mehr Frauen in Führungspositionen“, weil es gegangen werden, auch ein Stück weit um eine Vorbildrolle geht, (allgemeine Unruhe) (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) zum Beispiel das Entgeltgleichheitsgesetz, mit dem Be- aber es geht auch darum, dass wir uns natürlich erhof- triebe verpflichtet werden, ihre Lohnstrukturen offenzule- fen, wenn mehr Frauen in Führungspositionen sind, die gen, damit man an die Probleme rankommt, wo Frauen vielleicht den Spagat machen zwischen Beruf und Fami- und Männer für gleiche Tätigkeiten unterschiedlich be- lie, dass mehr darüber nachgedacht wird, wie das dann zahlt werden. Und selbstverständlich ist auch die Debatte den Mitarbeitern angeboten werden kann. um das Ehegattensplitting, um das Betreuungsgeld eine bundespolitische Debatte, die zwei Wege zeigt: Will ich (Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE) weiter als Staat mit viel Geld unterstützen, dass der Mann arbeiten geht, viel verdient, die Frau zu Hause Und um die gut ausgebildeten Frauen im Land zu halten, bleibt und wenn dann die Scheidung kommt, diese Frau- ist es notwendig, dass wir ihnen eben diese Entwick- en von Hartz IV leben müssen, weil sie nämlich kaum lungsmöglichkeiten aufzeigen und auch Aufstiegsmög- Unterhalt noch kriegen, lichkeiten eröffnen. Und ja, hier muss die Landesregie- rung mehr als in der Vergangenheit mit gutem Beispiel (Udo Pastörs, NPD: vorangehen. Da bin ich völlig bei Ihnen, Herr Ritter, dass Das ist Teil des Ehevertrags.) das, was jetzt ist, und kaum auf dem Arbeitsmarkt Chancen haben, oder (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) will ich es unterstützen, dass Frauen und Männer sich partnerschaftlich Beruf und Familie teilen können, dass noch nicht das Ende der Fahnenstange sein kann, son- wir Infrastruktur für alle haben? Da kann sich jeder über- dern nur ein erster wichtiger Schritt. Aber ich muss sa- legen, welchen Weg er geht. Für mich ist es klar, ich bin gen, wenn Sie sehen, wo wir herkommen, ist es auch für den zweiten, für die partnerschaftliche Erziehungs- doll, auch nicht unter Rot-Rot. Und deshalb ist es wichtig, arbeit und für die Möglichkeit, dass Frauen und Män- dass wir schon sagen, da ist jetzt was passiert. ner arbeiten gehen können, ihre Existenz sichern kön- nen. Aber auch das wird eine Auseinandersetzung am Ich will ein Beispiel anführen: Wir hatten in der letzten 22. September und zum 22. September sein werden. Legislaturperiode 0 Prozent Frauen in Aufsichtsräten, wir haben jetzt 54 Prozent unserer Mandate mit Frauen Ich bedanke mich ganz herzlich als Gleichstellungsminis- besetzt und alles Fachfrauen. Das zeigt, es geht, wenn terin, dass sozusagen viele in unserem Land dieses es gewollt ist. Wir haben mehr Abteilungsleiterinnen und Thema versuchen voranzubringen. Ich glaube, dass hier mehr Staatssekretärinnen als vorher und das ist ein guter Teamarbeit gefragt ist, nicht politisches Klein-Klein, wer und wichtiger Schritt. hat jetzt hier welchen Antrag gestellt. Ich finde persön- lich, dass dieser Antrag umfassender, weitergehender ist (Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE) als der der GRÜNEN. Und ich finde es auch wichtiger, dass Frau Friemann-Jennert hier ist und dazu spricht als Und dieser Schritt ist natürlich noch nicht das Ende. Im Herr Waldmüller. Ich weiß jetzt nicht, liebe Silke Gajek, Gegenteil, ich freue mich sehr, dass alle meine Kabi- warum jetzt hier der Mann wichtiger ist als die Frau. nettskollegen bereit sind und bereit waren, Zielvereinba- rungen abzuschließen, ganz konkrete Zielvereinbarun- (Zuruf von Silke Gajek, gen, wie viel Frauen in den nächsten Jahren dieser Le- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gislatur in Führungspositionen sollen. Das hat bisher noch keine Landesregierung so konkret gemacht. Und Das passt nicht ganz zusammen.

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(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: ders dar. Und da Ihnen diese Sachverhalte sehr genau Die CDU hat leider nicht mehr Frauen.) bekannt sind, werfen Sie nun den Frauen zusätzlich direkt oder indirekt vor, sie seien an ihrer Situation selbst Ich werbe dafür, dass es hier nicht um so ein Klein-Klein schuld. gehen kann. Wenn man Frauen unterstützen will, dann sollte man es tun über parteipolitische Grenzen hinaus, (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Quatsch!) (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber dann bitte auch von euch.) Die Frauen wählen die falschen Berufe, Mütter das fal- sche Lebensmodell und zusätzlich setzt der Staat die denn nur wenn die Frauen zusammenhalten, werden die falschen Anreize – so Ihre Vorwürfe. Frauen in unserem Land stark. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Udo Pastörs, NPD: Ja.)

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) Aufgrund dieser Vorwürfe wird sehr deutlich, dass es Ihnen gar nicht um die Lohngerechtigkeit geht. Vielmehr Vizepräsidentin Beate Schlupp: Danke, Frau Ministerin. geht es Ihnen darum, durchaus bestehende Ungleichhei- ten dafür zu verwenden, Diskussionen zu führen, bei Die Ministerin hat die angemeldete Redezeit um 13 Minu- denen Ihnen ganz genau bekannt ist, dass Lohnunter- ten überschritten. schiede ganz andere Gründe als Ursachen haben, zu- mindest in der Mehrheit der Fälle, als die von Ihnen ge- (Unruhe vonseiten der Fraktion DIE LINKE) nannten. Ich habe zum Beispiel bis zum heutigen Tage keine Forderungen von Ihnen vernommen, wie die El- Nach Paragraf 85 unserer Geschäftsordnung steht somit ternzeit den Frauen bei der Bemessung der Berufsjahre die über die vereinbarte Redezeit hinausgehende Zeit finanziell ausgeglichen werden soll. den Fraktionen, die nicht an der Regierung beteiligt sind, zusätzlich zur Verfügung. (Beifall Udo Pastörs, NPD)

(Ministerin Manuela Schwesig: Ich habe Und dies ist in Wirklichkeit ein Hauptproblem für die un- die verbundene Aussprache gemacht.) terschiedliche Entlohnung. Sie möchten hingegen, dass die Frauen schon am besten ab dem 6. Lebensmonat Ich rufe auf für die Fraktion der NPD den Abgeordneten des Kindes das Kind in die Betreuungseinrichtungen Herrn Köster. geben,

Stefan Köster, NPD: Frau Präsidentin! Meine Damen (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ und Herren! Wie wir ja durch die Medien wissen, passen DIE GRÜNEN: Das ist doch Quatsch. – Mindestlohn und SPD, zumindest hier in Mecklenburg- Udo Pastörs, NPD: Ab dem dritten schon.) Vorpommern, nicht zusammen, denn überall dort, wo die SPD sozusagen als Vertragspartner auftritt, wird hier den dann voll arbeiten und die Frauen dadurch zusätzlich Bediensteten kein Mindestlohn gezahlt. belastet werden.

Kommen wir aber zum Thema. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch Quatsch.) (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja, genau.) Das genannte Problem ist das Hauptproblem

Frauen verdienen in der Bundesrepublik im Durchschnitt (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ 22 Prozent weniger als Männer. So die pauschalen Mel- DIE GRÜNEN: Ist doch Quatsch. – dungen in den Medien, die wiederum von interessierten Peter Ritter, DIE LINKE: Sie sehen Kreisen dafür verwendet werden, eine große Ungleich- doch, wer redet. Ist doch kein Wunder.) behandlung von Frauen und Männern anzuprangern. Doch kann das zum Teil große Lohngefälle auch zwi- für die unterschiedliche Entlohnung von Frauen und schen den verschiedenen Branchen einfach so pauschal Männern. Und diesem Problem wollen Sie sich nicht verglichen werden? So ist zum Beispiel ein Vergleich des stellen. Stattdessen fordern Sie zum Beispiel Frauen und Verdienstes von Facharbeitern und Akademikern in Be- Männer auf, Berufe zu ergreifen, für welche sich sowohl zug auf eine unterschiedliche Entlohnung von Frauen die Frauen als auch die Männer gar nicht interessieren. und Männern schlichtweg unseriös. Aus diesen Gründen Die Forderung in Richtung der Frauen erfolgt lediglich mit können natürlich lediglich Verdienste von Frauen und der Begründung, hier könnt ihr mehr verdienen und zu- Männern einem Vergleich unterzogen werden, die eine dem eventuell sogar Karriere machen. Und die Forde- gleiche Tätigkeit, in etwa gleiche Qualifizierungen und rung in Richtung der Männer hat hingegen einen anderen auch eine entsprechende Berufserfahrung bedingen. ideologischen Grund. Männer haben einfach sogenannte typische Frauenberufe auszuüben, Punkt, egal ob sie (Beifall Udo Pastörs, NPD) hierfür geeignet sind. So stellt sich die Situation zumin- dest aus unserer Sicht dar. Und gerade der letzte Punkt stellt ein Problem dar, auf das ich später noch eingehe. Sicherlich ist gesetzlicher Mindestlohn zumindest vo- rübergehend zwingend notwendig. An vorhandenen Nimmt man einen Vergleich unter den genannten Vo- Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, was die Lohnge- raussetzungen vor, stellt sich die Situation deutlich an- rechtigkeit betrifft, wird der Mindestlohn aber rein gar

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 29 nichts ändern. Zudem ist der Vorschlag für ein Rückkehr- Sie über die SPD und die Arbeitsverhältnisse gesagt recht von der Teilzeitbeschäftigung in die Vollzeitbe- haben. schäftigung grundsätzlich richtig. Aber wie sollen kleine Unternehmen diese Stellen in der Realität vorhalten? (Zuruf von Stefan Köster, NPD)

(Beifall Udo Pastörs, NPD) Das war einfach eine Lüge.

Interessant in diesem Zusammenhang ist eine Entwick- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) lung in Thüringen. Dort können nun auch Männer Gleich- stellungsbeauftrage werden. Aber das sind wir ja hier gewohnt, Herr Köster. Es ver- wundert nicht. (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD) (Zurufe von Stefan Köster, NPD, Und der Aufschrei bei den Emanzen ließ nicht lange auf und Udo Pastörs, NPD) sich warten. Herr Ritter, Ihr Beitrag hat mich doch ziemlich enttäuscht. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich habe Sie heute, bevor ich ins Schloss kam, schon Eh, eh! Das ist falsch.) unten gesehen bei der Frauengruppe. In hoher Perso- nenanzahl haben Sie dort gestanden, um bei den De- In der Gleichberechtigung, von Ihnen wird es weitestge- monstrantinnen zum Equal Pay Day, was weiß ich, sich hend Gleichstellung genannt, werden, sehen zu lassen. Einen Antrag haben Sie hier heute nicht eingereicht. Ich weiß, Sie wetzen jetzt schon den Kugel- (Thomas Krüger, SPD: schreiber, weil Sie gleich die zusätzliche Redezeit hier Die Gleichstellung in Ihrer Fraktion noch ein bisschen füllen werden. sieht man da drüben: nur Männer.) (Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist wenn es darauf ankommt, dann doch Unterschiede zwi- doch auch mein gutes Recht, oder? schen Frauen und Männern gefordert. Wie heuchlerisch! Soll ich mir das Wort verbieten lassen?)

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach, hör doch mal auf!) Um auch darauf zu antworten: Sie haben zu Beginn Ihrer Rede Ihre Befürchtungen eigentlich schon mit zum Aus- In meiner Berufszeit bestanden Lohnunterschiede fast druck gebracht, dass wir diesen Antrag nur eingebracht ausnahmslos nur dann, wenn Frauen durch die Erzie- hätten, damit unsere Ministerin hier noch mal zum Glän- hungszeiten Berufspausen eingelegt haben. Hier besteht zen kommt dringender Handlungsbedarf. Aber am Abbau ungerecht- fertigter Lohnunterschiede haben Sie keinerlei Interesse. (Peter Ritter, DIE LINKE: Wir werden sowohl den Antrag von SPD und CDU ab- Ich habe die Ministerin mit keinem lehnen und auch den gleich anschließenden Antrag der Wort erwähnt, Frau Tegtmeier.) GRÜNEN. Ich erspare es mir, zu dem gleichen Thema zweimal zu reden, und wir hier nur wieder darauf abzielen, das, was gut ist, noch mal in den Vordergrund zu stellen. Das hat die (Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut, sehr gut.) Ministerin sehr gut getan. weil Sie verzapfen hier im Landtag von Mecklenburg- (Peter Ritter, DIE LINKE: Natürlich.) Vorpommern leider so einen Unfug, dass es ausreicht, einmal dazu zu sprechen. – Danke schön. Und sie hat auch schon auf den Antrag der Fraktion der Bündnisgrünen eilig geantwortet. Ich hoffe, Frau Ministe- (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – rin, dass Sie nicht alles noch mal zu dem Antrag sagen, Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut, sehr gut. weil das ja alles genau dazu auch noch wieder passt, Das ist der beste Einfall, den Sie seit vielen Jahren haben. Bester Einfall, den Sie (Heiterkeit bei Ministerin Manuela Schwesig, seit vielen Jahren haben. – Zuruf Wolf-Dieter Ringguth, CDU, und von Wolf-Dieter Ringguth, CDU) Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für aber dann haben wir noch mehr Redezeit für die Opposi- die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Tegtmeier. tion nachher.

Martina Tegtmeier, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! (Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Meine Damen und Herren! Die eingeschränkte Sicht von Das spricht für Ihr Verständnis.) Herrn Köster und die Unterstellungen weise ich auf das Entschiedenste zurück, Ich denke mal, das behalten wir alle.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – immer noch Demokratie und das ist gut so. – Stefan Köster, NPD: Das sind Tatsachen, Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU) Frau Tegtmeier. Sie haben doch keine Ahnung.) Und, Herr Ritter, hier nur keinen Antrag zu machen, weil nicht nur, was das angeht, wie wir Ihrer Meinung nach die Landesregierung eventuell dann dadurch zum Glanz die Lage beurteilen, sondern auch ausführlich das, was kommen könnte, ist schon ein bisschen peinlich,

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(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE) wirklich gelebte Realität wird. – Vielen Dank für Ihre Auf- merksamkeit. da Sie sich ja immer dieses Thema auch an die Brust heften. (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – (Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist Zuruf von Udo Pastörs, NPD) an Peinlichkeit nicht zu übertreffen.) Vizepräsidentin Beate Schlupp: Ich rufe noch mal auf Aber ich hatte eigentlich gar nicht vor, hier noch mal für die Fraktion DIE LINKE den Abgeordneten Herrn einen Redebeitrag abzugeben, Ritter.

(Stefan Köster, NPD: Peter Ritter, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine sehr Dann setzen Sie sich doch bitte.) verehrten Damen und Herren! aber das hat an der einen oder anderen Stelle ein biss- Sehr geehrte Frau Tegtmeier, ich freue mich ehrlich, chen gereizt. dass ich Sie enttäuscht habe mit meiner Rede. Wenn es denn anders wäre, hätte ich als Oppositionspolitiker Sind Sie gar nicht vor Gericht? Das ist ja seltsam. irgendetwas falsch gemacht. Und zweitens darf ich Sie höflichst daran erinnern, dass meine Fraktion bereits (Stefan Köster, NPD: im Jahr 2010 einen Antrag zur Entgeltgleichheit gestellt Sie sind so interessant.) hat.

Aber ich will hier noch mal ganz kurz erwähnen, das hat (Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.) Frau Gajek in so einem kleinen Nebensatz gesagt, Vielleicht erinnern Sie sich noch, wie Sie mit dem Antrag (Udo Pastörs, NPD: Machen Sie doch umgegangen sind, Frau Tegtmeier, so, wie Sie mit allen Schluss mit Ihrem langweiligen Kram!) Anträgen der Opposition umgehen, Sie haben ihn abge- lehnt. die Familienverantwortung. Die liegt nicht nur bei den Frauen, sie liegt bei den Frauen und bei den Männern. (Udo Pastörs, NPD: Oh!) Und auch hier ist deutlich zu erkennen, dass die Bereit- schaft, diese Verantwortung auch vollumfänglich auszu- Sich dann hier hinzustellen und zu sagen, ja, warum üben, bei vielen Herren doch eher eingeschränkt ist. Wir haben Sie denn keinen Antrag gestellt, und gleichzeitig wissen, warum: Die Frauen haben dadurch Benachteili- zu beklagen, dass wir uns heute mit den Kolleginnen und gungen, die hätten die Männer dann wahrscheinlich Kollegen, mit ver.di und anderen Organisationen vorm auch. Trotz alledem denke ich, dass wir nicht zu einer Schloss getroffen haben, um den Forderungen zum wirklich guten und modernen Familienpolitik gelangen Equal Pay Day Nachdruck zu verleihen – na gut, ich können, kann nichts dafür, wenn Sie die einzige Vertreterin Ihrer Fraktion waren –, (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) wenn sich nicht tatsächlich irgendwann die Familienar- beit, auch die Erziehungsarbeit, auch das Zuhauseblei- das uns dann vorzuhalten, dass wir dort als Fraktion ben im Krankheitsfall von Kindern, auch die Pflege von dabei waren, das ist nun ein bisschen weit hergeholt. alten Menschen auf die Schultern beider Geschlechter ziemlich gleichmäßig verteilt. Und dazu gehört mehr Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich ja, Bereitschaft, als vorhanden ist, und weniger Benachteili- dass die SPD jetzt so und überall stark für den Mindest- gung, als vorhanden ist. lohn eintritt, und da bin ich auch an der Seite der Sozial- ministerin, weil das ist ein entscheidender Schlüssel für So habe ich eigentlich mit sehr, sehr großer Verwunde- die Herstellung von Lohngleichheit. So kann man natür- rung vor, es ist bestimmt schon zwei Jahre her, eine lich, so, wie ich das bei der Rede von Frau Friemann- Pressenotiz gelesen, die noch mal von besonderer Be- Jennert rausgehört habe, auch sagen, okay, dann krie- deutung ist eigentlich durch die Rechtsprechung der gen die Frauen eben 440 Euro und die Männer auch. letzten Zeit, was das Sorgerecht von Vätern angeht. Da Das ist auch Lohngleichheit. Das ist aber nicht zielfüh- ist nämlich in Italien ein Richterspruch gefallen, der einen rend. Deswegen ist auch der Mindestlohn so wichtig. Der Vater dafür bestraft hat, dass er seine Sorgepflicht nicht Mindestlohn muss flächendeckend für beide Geschlech- ausgefüllt hat. Also wenn wir an diesem Punkt sind, dass ter sein und deswegen gibt es da ja auch eine große nicht nur die Rechte wahrgenommen werden können, Übereinstimmung zwischen meiner Fraktion und der sondern dass da auch grundsätzlich die Pflicht besteht, Fraktion der SPD. dann sind wir, glaube ich, auf einem Weg, dass wir sa- gen, ja, beide Eltern haben die gleichen Rechte, aber Ich darf aber auch an dieser Stelle noch mal herzlich auch die gleichen Pflichten. daran erinnern, dass die Fraktion der PDS im Jahr 2002

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD) (Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Ich denke, das ist für diese Debatte und für das Anliegen, zum ersten Mal einen Antrag in den Deutschen Bundes- auch für Entgeltgerechtigkeit, eine ganz wichtige Voraus- tag eingebracht hat zum Thema Mindestlohn. Und alle, setzung, und ich hoffe, dass Sie alle die gesellschaftliche die schon in der SPD seit längerer Zeit unterwegs sind, Entwicklung dahin gehend unterstützen, dass das auch werden sich erinnern, wie die SPD-Bundestagsfraktion

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 31 damals mit diesem Antrag umgegangen ist, ihn abge- Aber gucken wir uns noch mal an, was da drinsteht. Da lehnt hat, weil 2002 für die SPD der Mindestlohn noch steht erstens drin: „Der Landtag unterstützt anlässlich Teufelszeug war. Das gehört zur Wahrheit mit dazu. des Equal Pay Day am 21. März 2013 die Aktivitäten der Landesregierung …“ (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann auch Die Frage ist, welche.) nachvollziehen, dass die Koalitionsfraktionen natürlich Anträge stellen, die die Aktivitäten der eigenen Regie- Na gut, da stellt sich mir die Frage: Warum nur am rung loben. Ja, mein Gott, das haben wir unter Rot-Rot 21. März aus Anlass des Equal Pay Days? auch gemacht. (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: (Ingulf Donig, SPD: Ach so?) Na, aber jetzt suchen Sie aber was.)

Das gehört einfach zum Geschäft dazu. Aber ich bitte Dann gucken wir mal, dann gehen wir mal weiter. Wir einfach darum, dass ebenso nachvollziehbar ist, dass es sollen unterstützen „die Angebote der Berufsorientierung eben nicht vordergründige oder hauptsächliche Aufgabe für Mädchen und junge Frauen“. Ich erinnere mich, dass der Oppositionsfraktionen ist, in diesen Chor des Lobes- solche Berufsmessen und Berufsbildungsangebote gesanges mit einzustimmen. Es muss uns schon gestat- tet sein, an der einen oder anderen Stelle auch Kritik zu (Zuruf von Silke Gajek, üben an der Arbeit der Regierung und der Koalitionsfrak- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tionen. in erheblicher Kritik auch des Ministerpräsidenten stan- (Zuruf aus dem Plenum: den, als die Diskussion darüber geführt worden ist, über Aber nicht dauerhaft.) die stetig ausufernden Kosten für Jugendhilfe. Dort sind solche Berufsförderungsprogramme angeboten worden. Und deshalb meine Bitte: Stempeln Sie unsere Kritiken, Da kam es hier von der Regierungsbank: Reicht denn die wir hier äußern, nicht immer in der Art und Weise ab, eine Messe nicht aus? Müssen wir denn so viel machen? wir würden das Land schlechtreden. Nein, das ist es Und hier steht plötzlich drin, wir sollen die Angebote der nicht. Es gibt viele Übereinstimmungen. Es muss uns Berufsfrühorientierung, weil sie ja von der Landesregie- aber auch gestattet sein, den einen oder anderen Punkt rung so vorangetrieben werden, unterstützen. kritisch hier anzumerken, ohne dass es dann immer gleich in die persönliche Schiene geht: Herr Foerster, Dann die Tatsache, dass die Einkommenslücke zwischen was Sie wieder behauptet haben, und Frau Bernhardt, Frauen und Männern in Mecklenburg-Vorpommern mit das geht so alles nicht, die niedrigste in Deutschland ist – das ist zwar richtig, aber das ist hier eine falsche Widerspiegelung, weil die (Ministerin Manuela Schwesig: Oooch!) Ursachen ganz anders sind. So was kann ich doch nicht begrüßen, indem ich so einem Antrag zustimme. Das hat nein, das ist keine Auseinandersetzung ja die Frau Ministerin dann selber gesagt, das liegt auch daran, weil auch die Männer bei uns im Land so wenig (Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Sehr richtig.) verdienen. mit einer sachlich vorgetragenen Kritik. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.) (Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Sehr richtig. – Ministerin Manuela Schwesig: Sie müssen Und da kann ich doch nun wirklich nicht sagen, na, okay, auch Kritik aushalten, Herr Ritter.) das ist zwar weichgespült, aber dem stimme ich zu.

Dann kommen wir … (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Also wirklich!)

Ja, ich halte das auch aus, aber Sie müssen das auch Und dann die Feststellung: „Der Landtag stellt fest, aushalten. dass das verfassungsrechtliche Gleichberechtigungsge- bot nach Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz bzw. Artikel 13 Dann kommen wir noch mal zu dem vorliegenden Antrag. der“ Landesverfassung „steter Auftrag und andauernde Verpflichtung ist.“ Ja, mein Gott, das ist eine Selbstver- Also, liebe Frau Gajek, ich kann Sie überhaupt nicht ständlichkeit. verstehen, dass Sie sich hier hinstellen und sagen, also der Antrag, der ist so schwach, aber wir stimmen ihm (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: trotzdem zu. Ja, dann stimmen Sie dagegen.)

(Rainer Albrecht, SPD: Hat sie nicht gesagt. – Muss ich denn das hier jedes Mal noch beschließen? Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Also, Peter, du kannst doch jetzt den GRÜNEN nicht Das ist weichgespült vorschreiben, wie sie abstimmen.)

(Rainer Albrecht, SPD: Weichgespült.) Ich finde ja Ihren Antrag … oder schwach, wie auch immer. Nein, ich darf mich aber mal wundern.

32 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013

Ich finde ja Ihren Antrag zum Thema inhaltlich … chen-Tarif“, titelte die TAZ am 16.01. dieses Jahres. Untertitel: „Männer verdienen auch im Norden deutlich (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: mehr Geld als ihre Kolleginnen“. Wie viel mehr, das be- Sie haben viele selbstverständliche legen sehr plastisch die Erhebungen des Statistischen Anträge, denen wir gerne zustimmen.) Amtes im Bericht „Frauen und Männer im Spiegel der Zahlen“. Dort ist zum Beispiel zu lesen, dass die Ver- Ich finde ja Ihren Antrag, den Sie zum Thema vorgelegt dienstdifferenz zwischen vollzeitbeschäftigten Frauen haben, Herr Suhr und Frau Gajek, den finde ich ja inhalt- und Männern in unserem Bundesland im Jahr 2010 lich viel präziser und viel ausgewogener, 6,5 Prozent betrug.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nun werden manche genüsslich die Beine strecken und Dann können Sie ja auch zustimmen.) sagen: Na, das ist im Vergleich zu den zweistelligen Abweichungen im Bundesdurchschnitt ja marginal. Auf und deswegen stimmen wir Ihrem Antrag ja auch zu. diesen Einwand möchte ich drei Dinge entgegnen:

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ Erstens. Eine Differenz ist eine Differenz und sie ist in DIE GRÜNEN: Sehr schön.) unserem Bundesland genauso wenig zu erklären und zu rechtfertigen wie in anderen Teilen der Republik. Ja. Und deswegen muss es doch gestattet sein, dass ich mal meine Verwunderung zum Ausdruck bringe, dass Sie Zweitens. Wir gehen in unserem Bundesland von einem so einen qualifizierten Antrag selber vorlegen und so niedrigeren Lohnniveau aus als im Bundesschnitt – ha- einen weichgespülten der Koalition abstimmen. Das ben wir heute schön öfter gehört. Insofern relativieren verstehe ich nicht. sich vor diesem Hintergrund auch die Lohndifferenzen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Drittens. Der zitierte Landesdurchschnittswert ist nur eine Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Seite der Medaille. Wahr ist auch, dass es in einzelnen Man sollte das nicht überbewerten. – Zuruf Branchen, etwa im Gesundheits- und im Sozialwesen, von Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) mit 28,6 Prozent weitaus größere Abweichungen gibt.

Vizepräsidentin Beate Schlupp: Weitere Wortmeldun- Sehr geehrte Damen und Herren, wo Frauen benachtei- gen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. ligt werden, geht es nicht gerecht zu. Eine moderne Ge- sellschaft kann es sich nicht leisten, die Hälfte der Bevöl- Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Frak- kerung im Arbeitsleben zu diskriminieren. tionen der SPD und CDU auf Drucksache 6/1644. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzei- (Beifall vonseiten der Fraktion chen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ist der Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 6/1644 mit den Stimmen der Fraktionen von Um Frauen nicht nur auf dem Papier, sondern auch in ihrer SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Ableh- täglich gelebten Realität gleiche Chancen zu geben, rei- nung der Fraktionen DIE LINKE und NPD angenommen. chen warme Worte nicht aus. Heute, am 21. März 2013, ist Equal Pay Day, der unter Bezug auf die Gender Pay, Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 20: Beratung des die geschlechts…, nee, noch mal, Entschuldigung, und Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – unter Bezug auf die Gender Pay Gap, Entgeltgerechtigkeit umsetzen, Gleichstellung am Ar- beitsmarkt aktiv gestalten, Drucksache 6/1635. (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Früher hat man das auf Deutsch gesagt.) Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die geschlechtsbedingte Entgeltlücke, sage ich Ihnen hier Entgeltgerechtigkeit umsetzen – ganz deutlich: Frauen sind keine Lückenbüßerinnen für Gleichstellung am Arbeitsmarkt aktiv gestalten verfehlte Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik! – Drucksache 6/1635 – (Beifall vonseiten der Fraktion Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion BÜND- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – NIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Gajek. Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Jawoll.) Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, jetzt führen wir mal den Tagesordnungspunkt 19 weiter. Der Arbeitsmarkt in unserem Bundesland klafft gleich an mehreren Stellen auseinander. Da gibt es die Spaltung Oh, Entschuldigung! Sehr geehrte Frau Präsidentin! zwischen Arbeitslosen und Beschäftigten, zwischen sozi- Meine sehr geehrten Damen und Herren! alversicherungspflichtig und prekär Beschäftigten, zwi- schen Stamm- und Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern (Heiterkeit vonseiten der Fraktion und zwischen Frauen und Männern. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU) Ein wesentlicher Aspekt bei der Überwindung der un- gleichen Entlohnung ist die Erweiterung des Berufs- Ja, so ist das. wahlspektrums von Mädchen und Jungen, denn obwohl sie im Schnitt deutlich bessere Schulabschlüsse vor- Also jetzt führen wir mal den Tagesordnungspunkt 19 weisen, entscheiden sich junge Frauen überproportional weiter. Ich zitiere: „Frauen machen es zum Schnäpp- häufig für – in Anführungsstrichen – typisch weibliche

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 33

Berufe und Studiengänge. Typisch ist für diese Berufe möglichkeiten für Frauen, die sich im Laufe ihres Er- auch, dass sie nur geringe Verdienstmöglichkeiten und werbslebens umorientieren oder weiterbilden wollen. wenig Aufstiegschancen bieten. Die Hitliste der am häu- figsten gewählten dualen Ausbildungsberufe wird immer Die ohnehin in den vergangenen Jahren immer mehr noch angeführt von Büro-, Einzelhandels- und Kosmetik- zusammengestrichenen Mittel der Bundesagentur für berufen. Arbeit sind weder auskömmlich, noch stehen sie allen Zielgruppen zur Verfügung. Denn eine einmal getroffe- (Stefan Köster, NPD: Warum ist das denn so?) ne Berufsentscheidung wird schnell zur Sackgasse, wenn in diesem Bereich Vermittlungschancen bestehen Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Mädchen und eine Umschulung aus arbeitsmarktpolitischer Sicht und Frauen ihr Potenzial nicht ausschöpfen, dann ist das nicht unterstützt wird. Das ist aus unserer Perspektive nicht nur ein individuelles Zurückbleiben hinter den eige- eine fatale Kurzsichtigkeit. Auch und gerade Frauen nen Chancen, es ist auch ein gravierender Nachteil für müssen Qualifizierungen in Zukunftsberufen verstärkt die Wirtschaft. Deshalb brauchen wir einen durchdachten angeboten werden. Deshalb fordern wir ein zielgrup- Ansatz, um Veränderungen im Berufswahlverhalten zu penorientiertes Landesqualifizierungs- und Förderpro- initiieren, eine Neubewertung sogenannter typischer gramm für Frauen. Frauenberufe und Veränderungen in der Arbeitswelt, gerade im Bereich der mathematisch-naturwissen- (Beifall Dr. Ursula Karlowski, schaftlich-technischen Zukunftsberufe. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine Politik für wirkliche Chancen und Entgeltgleichheit Wir brauchen mehr Transparenz, wir brauchen ein ge- muss Anreize schaffen. Ein Blick auf die Lebensverlaufs- sellschaftliches Umdenken und eine veränderte Wert- perspektive von Frauen zeigt, es geht darum, gerade in schätzung beruflicher Tätigkeiten. Die Unterbewertung Entscheidungssituationen Unterstützung zu bieten, denn von Frauentätigkeiten beruht häufig auf Vorurteilen und die Ausbildungsentscheidung, die Entscheidung für Fa- geschlechterbezogenen Stereotypen. miliengründung, für Kinder und zu einem späteren Zeit- punkt vielleicht auch zur Betreuung pflegebedürftiger Mittelbare Diskriminierung am Arbeitsplatz muss konse- Angehöriger haben weitreichende Auswirkungen. Es sind quent aufgedeckt und beseitigt werden. Dazu brauchen überwiegend Frauen, die familienbedingt ihre Erwerbstä- wir geeignete Arbeitsbewertungssysteme. Denn es ist tigkeit unterbrechen, die in Teilzeit arbeiten oder Minijobs nicht nachvollziehbar, dass etwa Tätigkeiten im Erzie- wahrnehmen und die die damit verbundenen Einkom- hungs- und im Pflegebereich trotz hoher physischer und menseinbußen und verpassten Karrierechancen meist im psychischer Belastungen noch immer deutlich schlechter weiteren Lebenslauf nicht mehr kompensieren können. In entlohnt werden als beispielsweise Berufe im Bau- oder der Konsequenz führt das zu geringeren Individualein- Baunebengewerbe. Oder um es mit den Worten der kommen von Frauen, zu Einschränkungen bei der eigen- Bundesfamilienministerin zu sagen, die ich sonst ausge- ständigen Existenzsicherung, zu geringeren Rentenan- sprochen selten für zitierfähig empfinde, Zitat: „Mir kann sprüchen und im Extremfall zu weiblicher Altersarmut. kein Mensch erklären, weshalb ein Tierpfleger mehr verdient als eine Kinderpflegerin.“ Zitatende. (Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir brauchen die Rückkehroption aus Teilzeit- in Voll- zeitbeschäftigung für Frauen, aber auch für Männer. Sehr geehrte Damen und Herren, es ist nicht angemes- sen und verkennt die Tragweite des Themas, die Gleich- (Udo Pastörs, NPD: Und wie stellungsförderung am Arbeitsmarkt auf die Problematik wollen Sie das praktisch machen?) Alleinerziehender zu reduzieren. Gewiss, Alleinerziehen- de sind zu über 90 Prozent weiblich und Alleinerziehende Wir brauchen ein Entgeltgleichheitsgesetz mit verbindli- sind eine am Arbeitsmarkt besonders benachteiligte chen Regelungen. Gruppe, genauso übrigens wie Migrantinnen. Modellpro- jekte für Alleinerziehende sind, wenn sie nicht in eine (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Gesamtstrategie integriert werden, nichts weiter als ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn sie dann noch Wir brauchen mehr weibliche Vorbilder in Führungsposi- AQuA heißen, hat das ja durchaus einen gewissen tionen. Wortwitz. (Beifall Dr. Ursula Karlowski, (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Strukturelle Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt gehen Männliche Monokulturen in den Vorstandsetagen haben von solchen isolierten Einzelprojekten jedoch nicht aus, keine Vorbildwirkung und entfalten keinen Anreiz für obwohl sie sicher gut gemeint sind. Frauen.

Was brauchen wir also an politischen Impulsen zur Neu- (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD) gestaltung? Wir brauchen die Einführung eines flächen- deckenden gesetzlichen Mindestlohnes – mehrfach heu- Sehr geehrte Damen und Herren, der zunehmende te gehört –, wir brauchen die Förderung guter Arbeit, Fachkräftemangel stellt die Frage nach veränderten sozialversicherungspflichtig, existenzsichernd, zukunfts- Rahmenbedingungen. Eine Anpassung der Arbeitsstruk- und konkurrenzfähig und nachhaltig. 52.000 Frauen in turen an die Erwerbsarbeit und Vereinbarkeitskonzepte geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen, das ist we- von Frauen und Männern ist überfällig. Neben den ganz der sozial noch zukunftsfähig. Wir brauchen verbesserte konkreten Herausforderungen eines geschlechtergerech- Berufsorientierung und wir brauchen konkrete Förder- ten Arbeitsmarktes stehen politisch weitreichende gesell-

34 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 schaftliche Diskussions- und Neuordnungsprozesse an. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ In diesem Sinne gilt: Gleichstellungspolitik ist Innovati- DIE GRÜNEN: Das kritisieren wir ja.) onspolitik – Frauen verdienen mehr. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. und was man außerdem noch macht an Punkten, wo es halt nicht so läuft. Deswegen will ich auch gar nicht das (Beifall vonseiten der Fraktion alles noch mal wiederholen, so, wie ich auch die inhaltli- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) che Debatte nicht noch mal wiederholen möchte, die wir vorhin geführt haben. Ich möchte eigentlich, da für mich Vizepräsidentin Beate Schlupp: Im Ältestenrat wurde die beiden Punkte 1 und 2 abgearbeitet sind, nur noch eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten mal auf die Punkte 2 und 3 eingehen. vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Frau Gajek, die Punkte 2 und 3 unterstütze ich aus vol- lem Herzen und das findet auch im Regierungsprogramm Das Wort hat für die Fraktion der SPD die Abgeordnete der SPD seinen Niederschlag. Aber Sie wissen auch, Frau Tegtmeier. dass wir auf Bundesebene im letzten Jahr einen entspre- chenden Antrag abgelehnt bekommen haben, als es Martina Tegtmeier, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! darum ging, ein Entgeltgleichheitsgesetz auf Bundes- Meine Damen und Herren! ebene zu verabschieden. Und deswegen verwundert es Sie sicherlich auch nicht, dass unser Koalitionspartner Frau Gajek, also ich hab eben gedacht, ich traue meinen mittlerweile keine andere Auffassung dazu hat und dass Ohren nicht so recht. Sie haben sich die inhaltliche De- das auch ein Grund ist, neben dem, was ich eben schon batte jetzt für Ihren Antrag aufgespart. Sinn hätte es zu den Punkten 1 und 2 gesagt habe, Ihren Antrag nicht gemacht, wenn Sie vorhin dazu gesprochen hätten mit unterstützen zu können. diesem Wortbeitrag. (Heiterkeit bei Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: DIE GRÜNEN: Das haben wir gewusst. – Dann hätten wir ja eine verbundene Aussprache Zuruf von Jürgen Suhr, machen können. Sehr guter Vorschlag. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist, glaube ich, an Ihnen gescheitert. – Zurufe von Wolf-Dieter Ringguth, CDU, Und damit haben Sie, ja, das haben Sie sich gedacht und und Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ das ist auch so. Das wollte ich nur noch mal klarstellen. – DIE GRÜNEN) Vielen Dank.

Nein, das, an mir ist das, (Beifall Dr. Nobert Nieszery, SPD)

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für DIE GRÜNEN: An der CDU, aha!) die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter. an mir ist das nicht gescheitert. Insgesamt … Peter Ritter, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann nicht oft genug Vizepräsidentin Beate Schlupp: Sehr geehrte Damen über dieses Thema reden, deswegen werde ich es mir und Herren! Einen Moment, Frau Tegtmeier. Also bitte, nicht so einfach machen wie Frau Tegtmeier und sagen, keine Dialoge! Wir wollen eine auch teilweise lebhafte wir haben das ja im Tagesordnungspunkt 19 alles schon Debatte, aber Dialoge sind zu vermeiden. inhaltlich beredet – wir hätten ja gern, aber können nicht. Undank ist der Welten Lohn, liebe Kollegen von BÜND- Martina Tegtmeier, SPD: Frau Gajek, Sie haben in Ih- NIS 90/DIE GRÜNEN. rem Wortbeitrag eigentlich unserem wesentlich umfas- senderen Antrag das Wort geredet, ja. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, die frauenpoliti- sche Sprecherin der Bundestagsfraktion der LINKEN hat (Heiterkeit bei Silke Gajek, es, glaube ich, heute auf den Punkt gebracht, indem sie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie bitte?) gesagt hat: „Es wird Zeit, dass Frauen endlich so viel Lohn erhalten, wie sie verdienen.“ Sie fokussieren sich hier auf vier konkrete, ich will jetzt nicht sagen, Wünsche, sondern Sie fordern die Landes- (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ regierung DIE GRÜNEN: Ja.)

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ Und wir begehen den Aktionstag, den Equal Pay Day, DIE GRÜNEN: Wir fordern auf. seit 2008. Also bereits zum sechsten Mal prangern wir Das ist ja unsere Aufgabe, ne?) heute im Rahmen der Veranstaltungen auf der Schloss- brücke, in Rostock, in Stralsund, hier bei den Debatten hier für vier ganz konkrete Projekte auf. im Landtag die Lohnlücke von fast einem Viertel zwi- schen den Geschlechtern an. Ein halbes Jahrzehnt ist (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: vergangen, und was wurde bislang erreicht? Es gibt ja eine Opposition.) In diesem Jahr sprechen wir von einer Lohnlücke, das ist Die Ministerin hat genau zu den ersten beiden Punkten hier mehrfach benannt worden, von 22 Prozent. Es ist Ihres Antrages eigentlich ausführlich hier berichtet, was schon ein Prozentpunkt weniger als im Vorjahr, wenn genau in diesem Sinne getan wird, warum das läuft und man sich die Situation schönreden will, aber in Wahrheit wie es läuft treten wir auf der Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 35

Deswegen ist es richtig, dass wir dieses Thema auch im gestrigen Aktuellen Stunde nahtlos an. Das muss man Landtag immer wieder behandeln. einfach anerkennen.

Deutschland braucht verbindliche gesetzliche Regelun- Daneben tragen die Frauen nach wie vor den Großteil gen und wirksame Mittel zur Umsetzung, sonst stehen der Arbeit im privaten Bereich, die zum Nulltarif geleistet wir auch in 22 Jahren regelmäßig Ende des Monats März wird. Das betrifft die Versorgung und Erziehung der Kin- noch auf der Straße und protestieren gegen diese Unge- der, die Fürsorge für kranke und pflegebedürftige Angehö- rechtigkeit oder bringen hier im Landtag Anträge ein, je rige, die Hausarbeit, aber auch ehrenamtliche Arbeit in nach Verantwortung. Im besten Fall werden wir gehört, Vereinen und Verbänden. In vielen der ehrenamtlichen im schlechtesten Fall überhört. Aber wen juckt das ei- Strukturen wäre eine funktionierende Arbeit überhaupt gentlich? Und das Szenario im Sinne von „täglich grüßt nicht denkbar, wenn sie nicht von Frauen geleistet würde. das Murmeltier“ muss durchbrochen werden. Wir müssen Regierungen, Unternehmen, Arbeitgeber endlich in die Das alles geschieht meistens im Stillen, es wird nicht an Verantwortung nehmen. Und da ist eine inhaltliche Vor- die große Glocke gehängt. Das erlebe ich immer wieder. gabe, wie sie in dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE Und leider ist es zu selbstverständlich, dass Frauen das GRÜNEN vorgelegt wurde, eine gute Grundlage. alles noch nebenher mitmachen. Die Belastungen sind also enorm, die Anerkennung ist zu gering. Es ist eine Neben schlecht bezahlter Vollzeittätigkeit und uner- Beleidigung, dass Frauen auf der einen Seite den Groß- wünschter Teilzeitbeschäftigung sind geringfügige Be- teil der unbezahlten familiären und gesellschaftlichen schäftigungsverhältnisse ein Grund für die schlechte Arbeit verrichten und für die gleiche und gleichwertige Bezahlung von Frauen und die Einkommensschere zwi- Arbeit auf dem Arbeitsmarkt auch noch schlechter be- schen den Geschlechtern. 52.000 Frauen, Frau Gajek zahlt werden als Männer. hat das erwähnt, in Mecklenburg-Vorpommern sind in einer geringfügigen Beschäftigung tätig. Und dazu muss (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ man noch einmal sagen, sie verdienen also weniger als DIE GRÜNEN: Oder gar nicht.) 400 Euro, im Durchschnitt sogar nur 200 Euro im Monat, und das häufig über einen längeren Zeitraum. Oder gar nicht.

Wenn wir gestern und auch heute schon über Verbesse- Es ist Teil eines nach wie vor bestehenden patriarchalen rungen in der Kindertagesbetreuung gesprochen haben, Gesellschaftssystems. Es unterstützt das systematische auch den Zusammenhang zum Mindestlohn hergestellt Fernhalten oder Nicht-weiter-Vorankommen der Frauen haben und richtigerweise auch in der KiföG-Novelle für auf dem Arbeitsmarkt und stärkt zudem ihre wirtschaftli- die Beschäftigten in den Kitas die Mindestlohnproblema- che Abhängigkeit vom Lebenspartner, von Angehörigen tik auf die Tagesordnung gehoben wird, will ich an dieser oder auch vom Staat. Stelle auch einen Bereich aus der Kindertagesbetreuung herausgreifen: die Tagespflege. Ich habe, nachdem wir Nicht hinnehmbar ist auch, dass viele Vollzeitbeschäftigte die Regelsätze für die Tagespflege in unserem Jugend- Niedriglöhne erhalten, mit denen sie nicht einmal eigen- hilfeausschuss beschlossen haben im Landkreis Meck- ständig ihre Existenz sichern können. Noch immer sind lenburgische Seenplatte, zwei Drittel der im Niedriglohn Beschäftigten Frauen. Berufe und Branchen, die eher von Frauen gewählt und (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ ausgeübt werden, bieten häufig schlechtere Verdienst- DIE GRÜNEN: Berufshaftpflicht.) chancen, weil die sozialen Kompetenzen, die in sozialen Berufen zwar Voraussetzung sind, aber als sogenannte besorgte Briefe erhalten von Beschäftigten aus der Ta- Soft Skills, also als berufstypische Zusatzqualifikationen gespflege, die auch mir berechtigterweise vorgeworfen in kein Bewertungsverfahren zur Festlegung von Löhnen haben, dort, wo ich es in der Hand hätte, mich nicht für einfließen. Im Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE den Mindestlohn eingesetzt zu haben. Durchschnittslohn GRÜNEN sind diese mittelbaren und unmittelbaren Dis- in der Tagespflege 4,50 Euro. kriminierungen von Frauen richtig und gut skizziert.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ Das Berufswahlverhalten von Frauen und Männern und DIE GRÜNEN: Drei Euro noch was.) die Berufsorientierung von Mädchen und Jungen spielen ganz klar eine Rolle. Die meisten Mädchen, die sich auf Das sind die Realitäten im Land und denen müssen wir einen Ausbildungsberuf orientieren, ziehen aus einem uns stellen. Insofern ist es richtig, dass wir diese Thema- Spektrum von mehreren Hundert Berufen nur etwa zehn tik immer wieder auf die Tagesordnung des Landtages Berufe für sich in Erwägung, allen voran Berufe im Einzel- setzen. handel, im Büro oder als Frisörin. Die meisten frauentypi- schen Berufe aber zum Beispiel im sozialen, Gesundheits- Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch der DGB wies oder im Dienstleistungsbereich sind schlechter bezahlt als kürzlich auf diese Missstände hin und teilte anlässlich technisierte oder produzierende Berufe, die häufig von des Internationalen Frauentages in der Presse mit, dass Männern ausgesucht und ausgeübt werden. die meisten der geringfügig beschäftigten Frauen, genau genommen 76 Prozent von ihnen, seit ihrem ersten Mi- Im Zusammenhang mit der Herstellung der Entgeltgleich- nijob keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausge- heit muss also eine Neubewertung von Arbeit stattfinden, übt haben. Welche Auswirkungen dies auf die soziale Gehaltsstrukturen müssen hinsichtlich ihrer Geschlechter- Situation der Frauen und auf die zu erwartende Rente gerechtigkeit überprüft und modifiziert werden. Da kann hat, das brauche ich Ihnen nicht zu erläutern. Es ist eine die Landesregierung und da können die Koalitionsfraktio- Katastrophe, das ist programmierte Armut auf Lebens- nen in ihren eignen Reihen schon mal anfangen mit der zeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, und da Prüfung. Das hätte auch eine Vorbildfunktion für andere schließt sich die Debatte um die Agenda 2010 aus der Einrichtungen, Unternehmen und Behörden.

36 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013

Wie ich schon im vorangegangenen Tagesordnungs- 40 Arbeitsjahren von einer Rente leben kann, die nicht punkt erwähnt habe, hat meine Fraktion bereits im Feb- von der Unterstützung des Staates abhängig ist. Das ruar 2010 – noch mal zur Erinnerung, Frau Gajek, nein, sind die Realitäten, die wir zur Kenntnis nehmen müssen. Frau Tegtmeier, Entschuldigung – einen Antrag gestellt, Sehr wohl schätzen wir, dass vor allen Dingen durch den um die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern voran- Druck der Sozialdemokratie hier im Land auch die Regie- zubringen. Auch das noch mal zur Erinnerung: Der An- rungskoalition mit den 8,50 Euro Mindestlohn einen ers- trag wurde abgelehnt. Seitdem hat sich nicht viel bewegt, ten richtigen Schritt gegangen ist. Denn nur mit einem außer, dass wir uns heute wieder mit zwei Anträgen zum Mindestlohn ist eine existenzsichernde Rente überhaupt Thema beschäftigen, von denen der eine gut und der möglich. Der Mindestlohn würde vor allem zu einer Ver- andere erledigt ist. Dabei ist der Grundsatz des gleichen besserung der Bezahlung im Niedriglohnsektor beitra- Entgeltes für die gleiche und gleichwertige Arbeit bereits gen, dem mit einem Anteil von zwei Dritteln überproporti- im EG-Vertrag Artikel 141 sowie in den Amsterdamer onal häufig Frauen angehören, und das unterstreicht die Verträgen verankert. Die Europäische Entgeltgleichheits- Notwendigkeit einer solchen Mindestlohnregelung. richtlinie 75/117/EWG wurde zusammen mit weiteren Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Staaten, die bereits einen gesetzlichen Mindestlohn ein- Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie über geführt haben, weisen eine positive Bilanz bei der Ver- die Beweislast bei Diskriminierungen aufgrund des Ge- ringerung der Lohnunterschiede von Frauen und Män- schlechts in eine gemeinsame Richtlinie umgewandelt. nern auf. In Großbritannien ist der Lohnunterschied allein Wir haben es also auch hier mit einer europäischen Ge- zwischen 1998 und 2005 um vier Prozent gesunken. setzgebung zu tun. Das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind Gründe Die einschlägigen Gesetze auf Bundesebene, allen voran für uns, dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und der Gleich- GRÜNEN zuzustimmen. – Herzlichen Dank. behandlungsgrundsatz im Grundgesetz, die von der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Antrag mit angeführt (Beifall vonseiten der Fraktion sind, haben noch nicht zum gewünschten Ergebnis ge- DIE LINKE und Dr. Ursula Karlowski, führt, das müssen wir heute wieder konstatieren. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In dem vorliegenden Antrag wurden gleich mehrere Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für Punkte aufgegriffen und konkrete Forderungen gestellt, die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau Friemann- mit denen die Lebenswirklichkeit der Frauen in unserem Jennert. Bundesland verbessert werden kann, darunter ein Lan- desqualifizierungs- und -förderprogramm für Frauen im Maika Friemann-Jennert, CDU: Frau Präsidentin! Meine Land, das wir begrüßen und unterstützen, ein Entgelt- sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die gleichheitsgesetz auf Bundesebene mit verbindlichen Forderungen der GRÜNEN in meinen Ausführungen im Regelungen zur Umsetzung. ersten Tagesordnungspunkt ja eigentlich schon mit ab- gearbeitet, und wir könnten eine Menge Zeit sparen, weil Und, Frau Tegtmeier, wenn Sie sagen, Sie haben dafür ja jetzt eigentlich nichts Neues hinzugekommen ist. Die eine Abfuhr auf Bundesebene erreicht oder erzielt und es Forderungen sind bereits vorhin aufgegriffen worden. ist deshalb nicht verwunderlich, dass Ihr Koalitions- partner auch diesem Ansinnen des GRÜNEN-Antrages (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: nicht folgt, ein Entgeltgleichheitsgesetz auf Bundesebene Aber von euch verursacht.) mit durchzusetzen, dann hätten Sie doch wie in allen anderen Bereichen zumindest hinzufügen können, dass Ihre Antragsschrift heißt im zweiten Satz: „Gleichstellung ab September alles besser wird, wenn Rot-Grün regiert am Arbeitsmarkt aktiv gestalten“. Na ja, ohne Aktivität geht es, denke ich, gar nicht. Über die Aktivitäten ist (Martina Tegtmeier, SPD: Das habe ich gesagt, vorhin auch schon ausgiebig geredet worden. als ich das Regierungsprogramm zitiert habe.) Vor einigen Tagen gab es in Berlin einen Familiengipfel, und genau dieses Entgeltgleichheitsgesetz auf Bundes- ebene umsetzt. Da bin ich mal gespannt, ob die Verspre- (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ chen vor dem 22. September auch nach dem 22. Sep- DIE GRÜNEN: Ja, das war der Gipfel.) tember dann Realität werden. Sei es drum – so, wie es hier im GRÜNEN-Antrag vorgeschlagen wird, wird es von um Lösungsmodelle für die Vereinbarkeit von Beruf und uns unterstützt, genauso wie ein Rechtsanspruch auf die Familie zu suchen. In diesem Zusammenhang hat Frau Rückkehr von einer Teilzeit- in eine Vollbeschäftigung. All von der Leyen auch eine Gesetzesinitiative angekündigt, das unterstützen wir. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein wirksames Mittel DIE GRÜNEN: Die Mütterrente.) zum Abbau des Lohngefälles zwischen Frauen und Män- nern und zur gerechten Entlohnung insgesamt ist und nach der Frauen ein Rechtsanspruch auf Rückkehr in bleibt das Mittel der Errichtung eines flächendeckenden eine Vollzeitbeschäftigung ermöglicht werden soll. Das gesetzlich fixierten Mindestlohnes und einer damit ein- hätte sogar den Vorteil, dass Teilzeitarbeit für Männer, so hergehenden Höherstufung von gering entlohnter Arbeit. denn notwendig oder gewünscht, attraktiver würde, und Und ich spreche natürlich, wenn ich hier für meine Frak- würde Frauen vom Stigma der Teilzeitbeschäftigung tion spreche, von einem Mindestlohn von 10 Euro. Denn befreien. nachgewiesen ist durch alle Berechnungen, die auch nicht nur von der LINKEN stammen, dass auch ein Min- Der „Tagesspiegel“ hatte neulich einen schönen Artikel, destlohn von 8,50 Euro nicht dazu führt, dass man nach den haben bestimmt alle gelesen, die sich mit der The-

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 37 matik befassen. In diesem steht, im Osten sei die (Zuruf von Silke Gajek, Lohndifferenz deutlich niedriger als im Westen, was uns BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) aber nicht zu Freude animiert. Es ist gesagt: Qualifikation spielt eine Rolle, Frauen nehmen Lohnabschläge durch und das versetzt die Frauen auch leider in eine Situation, Teilzeit eher in Kauf als Männer, und auch im Öffentli- dass sie, wenn sie arbeiten gehen, meist zusätzlich zu chen Dienst, mit seiner transparenten Tarifstruktur, bleibt Hause nicht entlastet werden durch die Männer, leider. eine Lohndifferenz stehen. Das hat der vorhergehende Das ist so. Antrag mit Beschluss anerkannt. (Dr. Nobert Nieszery, SPD: Sprichst Was mich aber noch zu einem Satz verleitet, meine lie- du aus Erfahrung, oder was?) ben Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, Sie reden in Ihrem Antrag von wirtschaftlicher Vernunft, von Das ist ein Faktum und deswegen führt die Rolle der Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft fast ausschließlich von Frau als Mutter auch zu einer, ganz gleich, wie Sie es Frauenförderung. Das ist nicht der richtige Weg. Fach- theoretisch begründen, zu einer größeren Belastung, kräften beiden Geschlechts steht eine gleichwertige Be- als dass wir Männer da überdurchschnittlich belastet zahlung ihrer Arbeitsleistung zu, würden.

(Zuruf von Silke Gajek, (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deswegen können sie sich ja auch im Beruf entfalten.) egal, ob jemand in einem typischen Frauen- oder Män- nerberuf arbeitet, und das hat, Herr Ritter, nichts mit Noch eines: Grau ist alle Theorie, wissen wir seit Goe- gleicher Höhe im engsten Sinn zu tun. – Vielen Dank für thes „Faust“. Wenn Sie die Garantie zur Rückkehr von die Aufmerksamkeit. Teilzeit auf Vollzeit verlangen, dann müssen Sie das bitte auch den Arbeitgebern einmal erklären, wie sie das dann (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – tun sollen. Ich erinnere Sie daran, dass gerade in Meck- Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) lenburg-Vorpommern wir ein Land sind, wo es nur in Ausnahmefällen Betriebe gibt, die mehr als 10, 15 Be- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat nun für die schäftigte haben. Die Mehrzahl hat entschieden kleinere Fraktion der NPD der Fraktionsvorsitzende Herr Pastörs. Belegschaften. Und dann erzählen Sie das bitte einem Handwerksmeister mit 3 Gesellen, davon 2 Frauen, wie Udo Pastörs, NPD: Frau Präsidentin! Meine sehr verehr- er das praktisch, auch arbeitsrechtlich gestalten soll, ten Damen und Herren! Ich möchte doch noch ganz kurz ökonomisch gestalten soll, wenn das Wirklichkeit wird, ein paar Anmerkungen machen zu den Ausführungen was Sie sich in Ihrer grünen Theorie zurechtmachen. von Frau Gajek. Noch zwei Dinge: Tarifautonomie – die Gewerkschaften Frau Gajek, ich hatte mir was notiert: männliche Mono- fordern ständig, gleicher Lohn für gleiche Arbeit in Bezug kultur in Aufsichtsräten. Wie wollen Sie das Problem auf die Stellung von Mann und Frau im Berufsleben. lösen? Wollen Sie eine Quote einführen 50/50, Schauen Sie sich aber doch mal an, wie bezahlt denn die Gewerkschaft in ihren Betrieben, in ihren Unternehmun- (Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Warum nicht?) gen, in ihren Stellen Frauen und Männer. Und da werden Sie sehen, dass es exakt genau dieselben Verhältnisse 90/10, 30/70? Das ist also vollkommen an der Realität in dort praktisch gibt, die die Gewerkschaften nach außen der Wirtschaft vorbeigehend. Die führenden Funktionen hin als ewig gestrig darstellen. Schauen wir uns mal an, in Wirtschaftsbetrieben, die werden besetzt nach Qualifi- was wir in der Tarifautonomie denn erreicht haben! Das kation ist etwas, was beschämend ist, wenn man das vergleicht mit dem, was die Gewerkschaften wie eine Monstranz (Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ha, ha, ha! – vor sich hertragen. Dr. Nobert Nieszery, SPD: Schön wärs.) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden und diese Qualifikation sollte ausschlaggebend, das Ganze nicht mit Ideologie verbessern, sondern auch berücksichtigen müssen, dass Frauen eben nicht alle (Peter Ritter, DIE LINKE: Da würden Sie nie arbeiten wollen, die nach einer Ganztagsstelle Ausschau eine Führungsposition kriegen, Herr Pastörs.) halten, sondern dass gerade in Mecklenburg-Vorpom- mern der überwiegende Teil der Frauen arbeiten gehen sollte ausschlaggebend sein. Da sollte die Frage des muss, weil sie, Geschlechts keine Rolle spielen. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: DIE GRÜNEN: Und das wissen Sie, ja?) Wenn wir denn so weit sind.) weil sie schlicht selbst sonst nicht ausreichende finanziel- Und insofern, würde ich sagen, lesen Sie auch mal ein le Möglichkeiten haben, ihr Leben zu gestalten, auch bisschen Wirtschaftsliteratur von Frauen in führenden wenn der Mann vollbeschäftigt ist. Das ist die Realität. Positionen, wie die das Vorhaben der GRÜNEN zum Also lügen Sie nicht und sagen, Beispiel in Bezug auf die Quote bewerten. (Dr. Nobert Nieszery, SPD: Der nächste Punkt: Es ist eine Tatsache, dass Frauen Was für ein Familienbild eine größere Sozialkompetenz bezogen auf die Familie da durchschimmert. – Zuruf von mitbringen, Silke Gajek BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

38 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 alle Frauen wollen an die Arbeitsstellen, sondern berück- Der Wahlkampf zum 22.09. wird uns daran messen. Und sichtigen Sie, ich denke schon, dass ein paar Punkte noch dazuge- hören. (Dr. Nobert Nieszery, SPD: Wie aus der Steinzeit. – Silke Gajek, (Peter Ritter, DIE LINKE: Vor allen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rote Lampe!) Dingen die Zeit danach, die Zeit danach.) dass ein Zwang zur Arbeit aus sozialen Gründen hier in Die Zeit danach, aber auch davor. Mecklenburg-Vorpommern ganz exakt auch ein Grund ist, warum die Frauen nach Ganztagsstellen Ausschau Es hat mich gewundert, dass ich zwei Punkte heute halten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. überhaupt nicht gehört habe, von niemandem. Also mir ist es jedenfalls nicht aufgefallen: (Beifall Stefan Köster, NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ehegattensplitting. Ehegattensplitting benachteiligt uns Vielleicht wollen die auch gerne Frauen strukturell. Wir GRÜNE stehen für eine Individu- arbeiten, Herr Pastörs. Können Sie albesteuerung sich das auch vorstellen? Nö, ne?) (Udo Pastörs, NPD: Wird es eh Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt nur geben, wenn Kinder da sind.) noch einmal für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Gajek. und auch in der Rente sind wir nach wie vor benachteiligt,

Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Her- ren Abgeordnete! Die Diskussion zeigt doch einiges, wenn das Ehegattensplitting so weitergeführt wird. Wir insbesondere wie hier mit tradierten Rollenbildern umge- brauchen natürlich eine Anerkennung der Erziehungszei- gangen wird, ten und zukünftig auch der Pflegezeiten. Ich denke, das sind Punkte, die haben wir noch gar nicht so auf der (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Gucken Agenda. Und erst dann, wenn dieses geschlechterge- Sie mich jetzt nicht so an hier! – recht verteilt ist, dann wird es auch möglicherweise ande- Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE) re Zugänge zur Arbeit geben. wie Frauen in eine bestimmte Rolle gedrängt werden. Und es wird immer wieder gesagt, die Männer. Fragen Und es ist schon schockierend, muss ich sagen, wie hier Sie doch mal Männer, auch im öffentlichen Dienst. Wenn auch zum Teil das Frauenbild dargestellt wird. die sagen, sie nehmen ihre Elternzeit, dann wird häufig von den Chefs und auch Chefinnen die Nase gerümpft. Frau Tegtmeier, ich danke Ihnen nochmals, dass Sie Es ist schwer für Männer, diese Elternzeit in Anspruch zu auf die Punkte 2 und 3 eingegangen sind, und habe ja nehmen. Noch wesentlich schwieriger ist es, in Teilzeit zu auch Ihr Winden festgestellt. Ich kann mir vorstellen, gehen, denn die Familien sind dann gezwungen, mit dem dass es immer wieder schwierig ist, mit einem CDU- Gehalt, das letztendlich die Familie ernährt, über die Koalitionspartner hier einen Weg zu finden, wo wir ja Runden zu kommen. Und da ist eben eine strukturelle gerade durch die Debatte um das Betreuungsgeld wis- Benachteiligung, denn – wir haben das heute mehrfach sen, dass sich dort die Wege wirklich trennen. gehört – Männer verdienen immer noch 22 Prozent mehr im Durchschnitt. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Mehr interessant als schwierig.) Ich finde, es ist ein bisschen, in Anführungsstrichen, auch Korinthenkackerei, immer wieder zu gucken, Aber ich akzeptiere das – es bleibt uns ja auch nichts anderes übrig –, dass Sie dann aller Wahrscheinlichkeit (Udo Pastörs, NPD: Wollen Sie uns jetzt nach unserem Antrag nicht zustimmen. erklären, dass das Unfug ist, was Sie sagen?)

Was ich ein bisschen fragwürdig finde, ist, dass Sie ob es nun 6,5 Prozent sind in diesem Land, die diese offensichtlich die Ganzheitlichkeit unseres Antrages Unterschiede machen. Wir haben die Unterschiede, wir doch nicht so verstanden haben. Ich habe ja das Bei- Frauen werden benachteiligt. Und ich denke auch, es spiel des Projektes AQuA angeführt und ich nenne das reicht eben nicht, ein rotes Tuch am 21.03. eines jeden jetzt als Projekt, weil es ist ein Teil im großen struk- Jahres zu tragen, und ich hoffe, dass es dann nächstes turellen Defizit. Es soll ja damit alleinerziehenden Frau- Jahr der 28. Februar ist. Aber wir müssen jeden Tag … – en und wahrscheinlich auch Männern der Zugang zur und da, Herr Ritter, gebe ich Ihnen recht, das Murmeltier Arbeit erleichtert werden. Das ist ein Punkt, das habe ist manchmal auch langweilig auf Dauer –, aber ich den- ich vorhin auch in meiner Rede gesagt, und ich halte ke, gerade diese Debatten um gleichberechtigte Zugänge es immer wieder für wirklich problematisch, wenn wir zum Arbeitsmarkt, um gleiche Entlohnung werden uns nur die Alleinerziehenden uns beispielsweise raus- bis zum 22. September noch begleiten. Ich freue mich nehmen. Das, was wir hier haben, ist ein strukturelles auf die Debatten und ich freue mich insbesondere auf die Problem. Wir leben nach wie vor im Patriarchat, wir Debatten der beiden Regierungsfraktionen, haben nach wie vor patriarchale Strukturen und wir als Frauen sind nach wie vor benachteiligt. Das ist nicht (Torsten Renz, CDU: nur in der Erwerbstätigkeit so, sondern letztendlich – Warum freuen Sie sich da?) und das habe ich vorhin gesagt – gerade in der Alters- armut. wie dann bestimmte Anträge aufgehen.

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 39

(Torsten Renz, CDU: Warum terpräsident sprach damals von den Schiffen, die unsere freuen Sie sich da so besonders?) Autos seien.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustim- Seit der Landtagswahl 2011 sieht das aber anders aus. mung. Die Regierung fährt auf Sicht und dem Kapitän ist der Kompass abhandengekommen. Dabei warten die Bran- (Beifall vonseiten der Fraktionen che, die Unternehmer und die Belegschaften auf positive DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Signale für ihre Zukunft.

Vizepräsidentin Beate Schlupp: Weitere Wortmeldun- (Tilo Gundlack, SPD: gen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Das müssen gerade Sie sagen.)

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Frakti- Meine Damen und Herren, es war der Schweizer Schrift- on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1635. steller Emil Oesch, der sagte: „Ein Mensch ohne Plan ist Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein wie ein Schiff ohne Steuer.“ Für unsere Forderung, das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Konzept „Zukunftsperspektiven der maritimen Industrie in Damit ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Mecklenburg-Vorpommern“ fortzuschreiben, passt dieser NEN auf Drucksache 6/1635 mit den Stimmen der Frak- Vergleich nur allzu gut. Und, meine Damen und Herren, tionen von SPD, CDU und NPD, bei Zustimmung der wir schlagen Ihnen vor, genau dort wieder anzuknüpfen, Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wo wir 2008 aufgehört haben. abgelehnt. Die materiellen und personellen Grundlagen dafür sind in Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 21: Beratung den vergangenen zwei Jahrzehnten gelegt worden. Zwar des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Konzept „Zu- haben die Eigner immer wieder mal gewechselt, aber die kunftsperspektiven der maritimen Industrie in Mecklen- modernen Kompaktwerften und ihre gut aufgestellten burg-Vorpommern“ fortschreiben, Drucksache 6/1649. Zulieferer und Dienstleister sind geblieben. Den jeweili- Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion gen neuen Eignern gilt unser Dank, aber ohne das Wis- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1693 sen, die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Arbeitnehme- vor. rinnen und Arbeitnehmer vor Ort hätten diese keine Vo- raussetzungen für ihren Kapitaleinsatz gefunden. Antrag der Fraktion DIE LINKE Konzept „Zukunftsperspektiven der Wir, die Linksfraktion, wollen das Engagement der Un- maritimen Industrie in Mecklenburg- ternehmer, der Beschäftigten und der Politik zusammen- Vorpommern“ fortschreiben führen, besser gesagt wieder zusammenführen, um die – Drucksache 6/1649 – Herausforderungen für die Zukunft gemeinsam anpacken und meistern zu können. Das wäre eine wichtige indust- Änderungsantrag der Fraktion rie- und strukturpolitische Botschaft für Mecklenburg- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vorpommern. – Drucksache 6/1693 – Nicht nur aus diesem Grund unterstreicht der erste Teil Das Wort zur Begründung für die Fraktion DIE LINKE hat unseres Antrages die Bedeutung der maritimen Industrie der Fraktionsvorsitzende Herr Holter. für Mecklenburg-Vorpommern, denn die Arbeitnehmerin- nen und Arbeitnehmer der Werften und ihrer Zulieferer, Helmut Holter, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine die Kommunen und auch die Gewerbetreibenden haben Damen und Herren! Ich möchte mit einem Zitat beginnen: ein Recht zu erfahren, ob und wie die Politik heute und „Mit den Beschlüssen vom 10. Mai 2007 … hatte der morgen zu diesem strukturbestimmenden und regional Landtag die Landesregierung beauftragt, in Abstimmung bedeutsamen Industriezweig steht. mit der maritimen Industrie und den Hochschulen des Landes sowie Verbänden und Gewerkschaften eine Aus diesem Grunde möchte ich heute nicht über die Konzeption zur Zukunftssicherung der maritimen Indust- Vergangenheit und insbesondere nicht über Rückschläge rie zu erstellen. Die Zielstellung bestand darin, Hand- reden. Das haben wir in anderen vorangegangenen lungsfelder zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Landtagssitzungen zur Genüge getan. Und außerdem – Wirtschaft und Wissenschaft im Bereich der maritimen wie bekannt – hat der Parlamentarische Untersuchungs- Industrie in Mecklenburg-Vorpommern aufzuzeigen.“ Das ausschuss einen klaren Untersuchungsauftrag. Ich sind die einleitenden Worte dieses Konzeptes „Zukunfts- möchte ausdrücklich eine vorwärtsgerichtete Debatte perspektiven der maritimen Industrie in Mecklenburg- führen, eine Debatte über die Zukunft und die Perspekti- Vorpommern“ vom 22. Juli 2008. ven der maritimen Industrie.

Die Arbeit an diesem und die Diskussion über dieses Viele, so auch in der Öffentlichkeit, verbinden damit so- Konzept wurden angesichts der Finanz- und Wirtschafts- fort die Forderung nach mehr Geld. Für mich ist aber die krise ausgesetzt. Herr Seidel als damaliger Wirtschafts- finanzielle Unterstützung eine abgeleitete Größe, die sich minister hat ausdrücklich auch die Zustimmung der Op- aus einer Zukunftsstrategie ergibt. Wir brauchen also position dazu eingefordert. zuerst den Kompass und die Marschrichtung. Warum wir eine Strategie brauchen, werde ich Ihnen jetzt darlegen. In der 5. Legislaturperiode waren die Werften und ihre Zulieferer in aller Munde. Gemeinsam gingen die demo- Für die maritimen Unternehmen geht es schon lange kratischen Kräfte dieses Landtages und des Landes mit nicht mehr um die Frage, ob der Weg von der Massen- den Beschäftigten auf die Straße, um für die Zukunft der produktion, der Serienproduktion hin zu innovativen Pro- maritimen Industrie zu demonstrieren. Sogar der Minis- dukten wie Spezialschiffbau oder Offshoremeerestechnik

40 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 gegangen wird. Sie, die Unternehmen, und wir stehen Menge Luft nach oben. In den innovativen Technologien heute schon längst vor der Frage, wie sich die Branche und Produkten wie der Meerestechnik, der Umwelttech- mit innovativen Technologien und Produkten am Welt- nik, des Spezialschiffbaus oder der Offshorewindenergie markt behaupten kann. Die maritime Industrie steht nicht liegt die Zukunft der maritimen Industrie Mecklenburg- vor einem Strukturwandel, sie befindet sich bereits mit- Vorpommerns. tendrin. Aber reichen die Instrumente für die Verbesserung von Nordic Yards in Wismar und Warnemünde machen es Forschung und Entwicklung in den Unternehmen aus? Ist vor. Der Betriebsrat Harald Ruschel aus Warnemünde ein unbürokratischer Zugang gewährleistet? Müssen die sagte damals zu Zeiten der Wadan-Krise, sie könnten bestehenden Instrumente verändert oder beispielsweise Stahl zum Schwimmen bringen. Dieses Bild ist uns wohl durch einen maritimen Fonds erweitert werden? Ich allen präsent. Mit dem Know-how der Beschäftigten ist schlage vor, ein maritimes Kompetenzzentrum in Meck- die Umstellung auf neue Projekte, die Umformstationen, lenburg-Vorpommern aufzubauen. eisbrechende Tanker und anderes mehr gelungen. Nor- dic Yards ist schon lange keine klassische Werft mehr. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Noch eins?) Nordic Yards hat sich zu einem führenden maritimen Anlagenbauer entwickelt. Sind Sie, meine Damen und Herren der Koalition, dabei? Gemeinsam mit den Unternehmen könnten in einem Und diese Kernkompetenz, so wie in Wismar und solchen Zentrum die gesammelten und die neuen mari- Warnemünde, finden wir an allen Standorten in Mecklen- timen Kompetenzen gebündelt werden, um sowohl den burg-Vorpommern. Sie soll nicht brachliegen, sie soll wissenschaftlich-technischen Vorlauf als auch die Aus- schon gar nicht begraben werden. Im Gegenteil, mit den bildung zu sichern. Hinzu kommt, dass innovative Pro- Menschen die Zukunft gestalten, das war und bleibt die dukte mit einem höheren Risiko behaftet sind als solche, spannende Aufgabe. Dazu brauchen sie aber das Enga- die seit Jahren nach ein und demselben Schema gefer- gement der Investoren, der Banken, des Bundes und tigt werden. Viele Unternehmen könnten mehr leisten, natürlich des Landes. wenn sie über die entsprechende Liquidität verfügen würden. Es ist traurige Realität, dass manche Aufträge Aber, meine Damen und Herren, welche neuen Strate- nicht angenommen werden können, weil die erforderli- gien verfolgt die Landespolitik, um diesen Prozess zu chen Finanzierungsmöglichkeiten fehlen. Viele der unterstützen? Welche langfristigen Ziele verfolgt die schiffbaufinanzierenden Banken haben sich zurückgezo- Landespolitik? Was unternimmt die Regierung, nachdem gen und scheuen das Risiko einer Finanzierung wie der der Bund und die Banken sich mehr und mehr aus ihrer Teufel das Weihwasser. Als Werft brauche ich bei den Verantwortung zurückziehen? Was ist aus der Chefsache Banken nicht mehr vorstellig zu werden, wenn ich einen des Ministerpräsidenten geworden? Kredit brauche.

Meine Damen und Herren, Sie kennen die ernüchternde Aus unserer Sicht ist dieses Gebaren der Banken aufs Antwort. Es liegt keine Strategie oder Zielstellung vor, die Schärfste zu kritisieren. Sie stehlen sich aus der Verant- erkennen ließe, was die Landesregierung plant oder wortung, nachdem sie selbst mit Abermillionen gerettet umsetzen will. Und doch, ein Ziel gibt es: Der Minister- wurden. Die Schiffbauaufträge weisen heute gegenüber präsident möchte das unliebsame Thema schnell vom 2008 im Durchschnitt einen mindestens doppelt so hohen Tisch haben und es soll dort auch nicht wieder auftau- Auftragswert auf. Die Bauzeit hat sich verlängert. Bau- chen. zeitkredite sind länger in einem Projekt gebunden. Das Absicherungsbedürfnis der Auftraggeber ist gestiegen. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach, Herr Holter, bleiben Sie sachlich!) Ich möchte hinzufügen, das gilt nicht nur für die Werften hier im Land, sondern natürlich auch für die Zulieferer, Viele Fragen müssen beantwortet und, wie 2008 begon- meist kleine und mittelständische Unternehmen. Die nen, die notwendigen Handlungsfelder bestimmt werden. hohen Investitionskosten für innovative Produkte, wie im Es geht um die zukünftigen Fachkräfte, um die Vernet- Offshorebereich, stellen die Zulieferer mit ihrer geringen zung der Unternehmen untereinander, um die Forschung Kapitaldecke vor unüberbrückbare Hürden. und Entwicklung und damit um Innovationen von der Idee bis zur Produkteinführung. Und natürlich stellt sich auch Herr Schulte hatte in einer Pressemitteilung am 14. März die Frage nach der Schiffbaufinanzierung. 2013 erklärt, ich darf zitieren: Wir brauchen „eine zeit- nahe Entwicklung alternativer Modelle der Schiffsfinan- (Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD) zierung unter Einbeziehung der Schifffahrtsbranche und der Banken“. Das ist das Zitat von Herrn Schulte. Dazu muss alles auf den Prüfstand gestellt werden, es müssen Erfahrungen ausgewertet und neue Methoden (Jochen Schulte, SPD: Richtig.) entwickelt werden. In diesem Zusammenhang stellt sich auch für mich die Frage, wie unternehmerisch und wie Herr Schulte, ich kann hier feststellen und Ihre Feststel- innovativ die Politik selbst ist. lungen teilen und freue mich ernsthaft, dass wir da auf einer Wellenlänge sind. Das ist offenbar doch allen be- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: wusst, dass sich die Finanzierungssituation grundlegend Keine Staatswirtschaft mehr.) geändert hat und dass die bestehenden Finanzierungs- und Fördermodelle des Landes nicht mehr ausreichen, Eines der wichtigsten Themen – und auf das will ich mich eben die gleichen geblieben sind. jetzt hier beschränken – ist die Forschung und Entwick- lung. Hier muss investiert werden. Gerade bei den klei- Das Land, meine Damen und Herren, kann nicht den nen und mittelständischen Zulieferern gibt es hier eine Platz der Banken einnehmen, auch wenn die aktuelle

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Praxis anderes vermuten lässt. Sowohl der Bund als unserem Land allein zwischen 2008 und 2011 etwa ein auch die EU müssen bei der Frage nach der zukünftigen Drittel ihres wirtschaftlichen Gewichtes eingebüßt. Schiffsfinanzierung im wahrsten Sinne des Wortes mit ins Boot. Doch auch das Land muss seine Hausaufgaben Die Folge: Die Anzahl der Mitarbeiter auf unseren Werf- erledigen. Wir müssen den Kurs bestimmen und uns ten hat sich nach der Insolvenz der ehemaligen Wadan- entscheiden, wohin die Reise gehen soll. Dafür sehe ich Werften in Wismar und Rostock-Warnemünde sowie bei aber bisher keine Basis. den P+S Werften auf rund 44 Prozent der Mitarbeiter im Vergleich zu Zeiten vor der Krise verringert. Ungeachtet Alle paar Wochen erfolgen im Finanzausschuss Informa- dieser bedauerlichen Entwicklung ist aber festzustellen, tionen darüber, wie sich das Land bei den Werften enga- dass die Werften selbst Potenziale und gute Zukunfts- gieren will. Der Ausschuss soll dann dieses Engagement chancen im Schiffbau und im Spezialschiffbau und in absegnen. Dies ist keine politische Strategie und ich anderen Bereichen der Meerestechnik sehen. Als Bei- fordere die Landesregierung mit aller Deutlichkeit auf: spiel sei hier Nordic Yards genannt, der zum Weltmarkt- Verlassen Sie Ihren Kurs, auf Sicht zu fahren! führer für den Bau von Offshorekonverterplattformen avanciert ist, und auch die Neptun Werft hat sich zur Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. Flusskreuzfahrtschiffbau-Spezialwerft entwickelt, meine Damen und Herren. Viele Vertreter der Branche, die Nordic Yards, die Indust- rie- und Handelskammern, der Zuliefererverbund MAZA (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) oder die IG Metall, mit denen wir vorab gesprochen ha- ben, bestätigen Bedarf einer solchen Strategie. Und ich Die Landesregierung leistet den Werften bei diesem fordere Sie auf: Machen Sie mit, meine Damen und Her- Strukturwandel im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten ren! – Herzlichen Dank. alle vertretbare Unterstützung. Als Beispiele seien nur genannt: Überbrückungsdarlehen, Bürgschaften zur (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) Absicherung von Baufinanzierungen, Innovationsbeihil- fen, finanzielle Unterstützung der Transfergesellschaften Vizepräsidentin Beate Schlupp: Im Ältestenrat wurde für die ehemaligen Mitarbeiter der Wadan-Werften und eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten P+S Werften. vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Und ich will daran erinnern, die Fortschreibung der Transfergesellschaften wird zurzeit durch die Landesre- Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Wirt- gierung vorbereitet. Ich will hier ankündigen, dass Sie schaft, Bau und Tourismus Herr Glawe. sich nach Ostern darauf einstellen müssen, die Dinge dann auch freizugeben. Uns liegt schon viel daran, dass Minister Harry Glawe: Sehr geehrte Frau Präsidentin! auch die Werftarbeiter in Stralsund weiterhin in der Meine Damen und Herren! Seefahrt, Hafenwirtschaft Transfergesellschaft verbleiben können, und Schiffbau haben im Nordosten Deutschlands eine lange Tradition und sind für Mecklenburg-Vorpommern (Beifall Jochen Schulte, SPD) von außerordentlicher Bedeutung. Die maritime Wirt- schaft hat wesentlich zur positiven wirtschaftlichen um am Ende dann auch einen Investor zu finden, der Entwicklung unseres Landes beigetragen. Hier sind Stralsund am Markt hält. Die Unterstützung der Zulieferer nahezu 33.000 Menschen beschäftigt. erfolgt in Form von Bürgschaften.

Alle Landesregierungen waren sich der besonderen Also von verfehlten Instrumenten der Landesregierung zu Bedeutung dieser Branche immer bewusst, übrigens sprechen, Herr Holter, ist, glaube ich, etwas gewagt. auch zu Zeiten, in denen Teile der heutigen Opposition in Regierungsverantwortung standen. Ich bin Herrn Frakti- (Helmut Holter, DIE LINKE: onsvorsitzenden Holter auch äußerst dankbar, das The- Das habe ich nicht gesagt. Von ma „Zukunftsperspektiven der maritimen Industrie in „verfehlten“ habe ich nicht gesprochen.) Mecklenburg-Vorpommern“ auf die Agenda dieser Ta- gesordnung gesetzt zu haben. Nach der schweren Krise Na ja, das haben Sie so ähnlich gesagt. dieser Branche, die im Jahr 2009 mit Wadan und im letzten Jahr mit den P+S Werften zu zwei Insolvenzen in (Helmut Holter, DIE LINKE: Nein, nein, nein!) unserem Land führte, ist es meiner Meinung nach reif für eine Zwischenbilanz. Als größte Herausforderung für die Auftragsakquisition für die deutschen Werften stellen sich die Bauzeitenfi- Als Wirtschaftsminister kann ich sagen, das Wirtschafts- nanzierung und die Fremdkapitalbeschaffung heraus. ministerium ist dabei, die Dinge zum Standort weiter zu Das ist das große Problem. Grund dafür ist der Rückzug eruieren, zu begleiten, viele Kontakte mit dem Bund, mit der bisher in der Schiffs- und Werftenfinanzierung täti- der EU, mit den Banken, mit den Werften, mit den Zulie- gen Banken. Herr Holter hat darauf hingewiesen, das ist ferern herzustellen und neue Denkansätze zu diskutie- so. Es gibt kaum noch Banken in Deutschland, die sich ren. Eines ist aber klar: Die Schiffsindustrie mit ihren zu dieser Frage bekennen, und wenn sie sich beken- maritimen Zulieferern bleibt für uns eine strategische nen, dann fordern sie Bürgschaften des Landes und des Industrie, meine Damen und Herren. Allerdings hat die Bundes, aber zumindest jetzt immer häufiger Bürg- Finanz- und Wirtschaftskrise den Strukturwandel im hie- schaften des Landes. Wir müssen uns natürlich insge- sigen Schiffbau beschleunigt. Sie hat zu einer erneuten samt die Frage stellen, wie viel können wir an Bürgschaf- Anpassung der vorhandenen Kapazitäten an die Markter- ten ausreichen, ohne dass das Land in Schwierigkeiten fordernisse geführt, Herr Holter, und das wissen Sie auch kommt, und andererseits müssen diese Bürgschaften ganz genau. Infolgedessen hat die maritime Industrie in auch so sicher sein, dass wir nach Möglichkeit Insolven-

42 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 zen vermeiden. Denn das Problem ist ja immer, solange chen nämlich Banken zur Finanzierung, bis sie ein Schiff man die Dinge ausreicht, sind alle zufrieden, geht es abliefern, um dann dafür das Geld für die geleistete Arbeit schief, gibt es Untersuchungsausschüsse, die wir gerade und die gute Qualität zu erlangen. Daher liegt die Finanzie- kennen. rung insgesamt als Werftrisiko auf dem Tisch und dazu brauchen wir öffentliche Bürgschaften des Landes und Meine Damen und Herren, natürlich bleibt es ein An- des Bundes. Externe Finanzierungspartner sind für Werf- spruch der Landesregierung, auch den Bund zu bitten, ten nicht zu gewinnen, wenn der Staat nicht bürgt. Das sich daran zu beteiligen. Zurzeit werden dafür Gespräche ist zumindest die Erfahrung, die wir seit der Finanz- und vorbereitet. Es gibt auch Modelle, mit denen wir beim Wirtschaftskrise kennen und jeden Tag erleben. Bund vorstellig werden wollen, um dann auch sicherzu- stellen, dass Plattform- und Spezialschiffe in Mecklen- Wir sehen daher auch die Landesregierung in der Pflicht, burg-Vorpommern weiter gebaut werden. die hiesigen Werften zumindest bei der Finanzierung der großen Offshorestrukturen und Spezialschiffe mit einzu- Meine Damen und Herren, nun zu Ihren Forderungen der werben, um den Erfolg der Energiewende sicherzustellen LINKEN. Die maritime Industrie war, ist und bleibt stets und andererseits eine Verteilung der Risiken zwischen im Fokus des politischen Handelns und ich möchte hier Bund und Mecklenburg-Vorpommern im Rahmen von behaupten, jeder bisherigen Landesregierung. Und das Bürgschaften für diese Offshoreprojekte dann auch zu Land, Sie wissen, ist ja mittlerweile fast 23 Jahre alt. nutzen. Diese Thematik nimmt breiten Raum in der täglichen Arbeit der Landesregierung und speziell des Wirt- Angesichts der finanziellen Größenordnung dieser Pro- schaftsministeriums und des Finanzministeriums ein. jekte und der noch bestehenden technischen und infra- strukturellen Probleme der Offshorewindenergienutzung Ich lehne gegenwärtig eine Fortschreibung des Konzep- ist unser Land nicht in der Lage, die Risiken solcher tes „Zukunftsperspektiven für die maritime Industrie in Projekte allein zu schultern. Herr Holter hat vorgetragen, Mecklenburg-Vorpommern“ aus dem Jahre 2008 ab. Wir die Finanzierungen sind deutlich teurer geworden, die haben so viel zu tun, dass wir erst mal sehen müssen, Bürgschaften damit auch, und es gilt, in den nächsten wie wir in diesem Jahr die gesamten Herausforderungen Wochen hoffentlich eine vernünftige Lösung anzubieten, in diesem Bereich meistern. Für später kann ich mir das mit der das Land, der Bund, aber vor allen Dingen die durchaus vorstellen. Andererseits muss ich auch sagen, Werften und die Zulieferer leben können. wir leben in einer sozialen Marktwirtschaft und Unter- nehmen entscheiden am Ende, wo der Weg hingeht. Ich Meine Damen und Herren, auch geht es darum, die habe als Wirtschaftsminister nicht das Recht, den Unter- norddeutschen Länder mit ins Boot zu holen und mit nehmen vorzuschreiben, in welche Richtung sie ihre einer Sprache im Norden zu sprechen, damit die mariti- Werften entwickeln wollen und müssen. Aber ich gebe me Industrie auch weiter in Mecklenburg-Vorpommern Ihnen recht und kann über den Zukunftsplan durchaus eine gewichtige wirtschaftliche Rolle spielt. – Vielen diskutieren, aber zu einer Zeit, wo wir in etwa wissen, wo Dank. die Reise insgesamt hingeht. (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) Meine Damen und Herren, zum anderen steht nach der erfolgreichen Privatisierung des Werftenstandortes Wol- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Danke, Herr Minister. gast jetzt vor allem die Aufgabe, den Werftenstandort Stralsund in eine tragfähige, zukunftsfähige Lösung zu Das Wort hat nun für die Fraktion der SPD der Abgeord- überführen. Je nach den weiteren Ergebnissen des Ver- nete Herr Schulte. kaufsprozesses, der letztlich in den Händen des Insol- venzverwalters liegt, werden sich daraus konkrete Hand- Jochen Schulte, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! lungsbedarfe und Ableitungen für den Schiffbau und für Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! die Zulieferbetriebe unseres Landes ergeben. Sehr geehrter Kollege Holter, ich glaube, dass es in die- Sie können versichert sein, dass mein Haus aber genau- sem Haus zwischen den demokratischen Fraktionen so wie die Finanzministerin Frau Polzin im engen Schul- keinen Dissens gibt, terschluss alle Maßnahmen ergreifen wird, um vertretba- re Instrumente zur Überbrückung von Liquiditätsproble- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) men, zur besseren Vernetzung zwischen den Unternehmen und den wissenschaftlichen Einrichtungen dass die maritime Wirtschaft tatsächlich einer der wichtigs- im Land und zur Steigerung der Innovation der Unter- ten Wirtschaftszweige in Mecklenburg-Vorpommern ist. nehmen der maritimen Industrie zu schaffen. Ich will auch daran erinnern, dass wir Netzwerke auf den Weg Ich bin jetzt seit 2002 Mitglied dieses Hohen Hauses und gebracht haben, die funktionieren. Und MAZA ist so ein ich habe die Debatten dazu über all die Jahre mitverfolgt, Beispiel. teilweise auch mit selbst geführt, und ich glaube, das für alle Beteiligten sagen zu können, dass jede der demokra- Eine Neuausrichtung der Fördermöglichkeiten ist nur tischen Fraktionen ihren Anteil dazu geleistet hat, dann sinnvoll, wenn die bestehenden Fördermöglichkei- ten unzulänglich wären und nicht greifen. Daran hat es (Udo Pastörs, NPD: Na!) aber nicht gehapert, meine Damen und Herren. Das Kernproblem der heutigen Schiffsfinanzierung ist die dass die Werften hier in diesem Land heute tatsächlich Bauzeitenfinanzierung der Werft. Heute ist es nicht mehr noch vorhanden sind. ein Konzern. Eine Werft im Konzernverbund gibt es bei uns nicht, sondern mittelständische Werftbetriebe, die Ich sage das deswegen auch so deutlich, dass sie hier auch Bauzeitenfinanzierung extern benötigen. Sie brau- noch heute vorhanden sind, weil es keine Selbstver-

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 43 ständlichkeit ist. Wir haben es alle erlebt, nicht nur bei uns dann klar und verständlich austauschen können. Und den P+S-Werften, die jetzt immer noch, Wolgast nicht, wenn hier das Beispiel Nordic Yards angesprochen wird, aber zumindest der Stralsunder Teil, in ihrer Existenz die sich tatsächlich im Offshorebereich ja erfolgreich gefährdet sind. Wir haben es bei den früheren Wadan- positionieren, dann gilt dort das Gleiche. Im Doppelhaus- Werften erlebt. Und wenn man die Nachrichten verfolgt, halt 2012/2013 hat diese Landesregierung – und, Herr dann ist trotz aller Potenziale, aller Chancen, die auch Kollege Holter, das gehört dann zu den Tatsachen – mit heute bei den Nordic-Yards-Werften bestehen, und Herr einer Aufstockung des Bürgschaftsrahmens insgesamt Minister Glawe hat es ja eben indirekt angesprochen, die für 1 Milliarde Euro, 1 Milliarde Euro, das ist für dieses Frage der Bauzeitenfinanzierung immer noch in vielen Land sehr viel Geld, auch vor dem Risiko, das immer Fällen ein ungelöstes Problem. damit verbunden ist, tatsächlich das getan, was in die- sem Land nötig ist, um die Arbeitsplätze zukunftssicher Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, so, wie wir zu machen. das als SPD-Fraktion und so, wie das auch die von der SPD-Fraktion jeweils getragene Landesregierung in der Und gestatten Sie mir an dieser Stelle dann auch eine Vergangenheit getan hat, so werden wir das in der Zu- Aussage: Diese Aufstockung ist auch deswegen nötig kunft tun. Im Rahmen unserer Möglichkeiten werden wir geworden – und da würde ich mich freuen, wenn es in die Werften in diesem Land und die maritime Wirtschaft diesem Zusammenhang in diesem Haus Konsens geben insgesamt weiterhin mit den entsprechenden finanziellen würde –, weil zwar wir hier in unserem Land unserer Mitteln, mit den entsprechenden Bürgschaften unterstüt- Verantwortung gerecht werden, aber sich andere, sowohl zen, damit die Arbeitsplätze, die hochtechnologische der Bund als auch die Banken, aus ihrer Verantwortung Arbeitsplätze inzwischen sind, wo es längst nicht mehr zurückgezogen haben beziehungsweise immer weiter um das reine Zusammenschweißen von irgendwelchen zurückziehen. Stahlstücken geht, damit diese Arbeitsplätze und damit eine ganze Industriestruktur im Lande erhalten bleibt. Ich erinnere ja nur daran, dass am 08. und am 09.04. die nächste nationale maritime Konferenz in Kiel ist. Und ich Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege denke mal, nicht nur ich, es wird viele Leute geben, die Holter, lassen Sie mich an dieser Stelle, auch wenn Sie darauf warten, dass die Bundesregierung vielleicht an nicht den Blick in die Vergangenheit werfen wollten, dieser Stelle erläutert – der maritime Koordinator verdient trotzdem eine Anmerkung machen: Ohne das finanzielle ja viel Geld dafür, dass er dann dort sein Grußwort halten Engagement des Landes wären die Werftstandorte in darf –, dass an dieser Stelle erläutert wird, wie sich denn Wismar, in Warnemünde, in Stralsund und in Wolgast die Bundesregierung eigentlich die Zukunft der maritimen schon 2007, 2008 oder spätestens 2009 vom endgültigen Wirtschaft nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, son- Aus betroffen gewesen. Und deswegen muss man auch, dern in Deutschland insgesamt vorstellt. Ich habe nur die wenn man heute über eine Zukunftsperspektive für die Befürchtung, dass es dort wie bei den letzten maritimen maritime Wirtschaft spricht, an dieser Stelle eins ganz Konferenzen sein wird, dass außer dem Grußwort nicht deutlich sagen: Diese Zukunftsperspektive, die ich mir für allzu viel folgen wird. alle Werftstandorte erhoffe und auch erwarte, würde es nicht geben, wenn die Landesregierung die finanzielle Herr Kollege Holter, Sie haben zu Recht angesprochen – Unterstützung für die Werftstandorte nicht in dem erfor- und Wirtschaftsminister Glawe hat es ja auch bestätigt –, derlichen Umfang in der Vergangenheit zur Verfügung der Strukturwandel steht nicht bevor, er ist bereits in gestellt hätte. vollem Gange. Das gilt übrigens nicht nur für Mecklen- burg-Vorpommern. Die strategische Neuausrichtung aller (Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist ja unstrittig. – Werftbetriebe bundesweit ist in vollem Gange und es Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU) geht darum, nicht nur neue Märkte zu erschließen, son- dern auch tatsächlich diese Märkte zu sichern. Ja, dann würde ich mir, Herr Kollege Holter, wünschen, dass man das auch so deutlich sagt. Wenn ich mich Das sind auf der einen Seite natürlich große Chancen, daran erinnere, dass wir ja jetzt im Moment einen Parla- und ich möchte da vielleicht auch mal zitieren dürfen aus mentarischen Untersuchungsausschuss haben, der sich den Feststellungen der maritimen Konferenz, die von der mit der Frage unter anderem beschäftigt, ob das Land im IHK Rostock hier im Land im November 2012 veranstal- Jahre 2009 finanzielle Eigenmittel über das LFI der P+S- tet worden ist, wo festgestellt wurde, welche Chancen Werften-Gruppe hätte zur Verfügung stellen kön- denn tatsächlich auch in diesem Bereich für unser Land nen/sollen, dann kann ich an dieser Stelle nur eins sa- sich ergeben. Das sind Offshorewindenergie und mariti- gen: Wenn dieser Überbrückungskredit 2009 – und ich me Technologien, die – das haben Sie ja auch gesagt, glaube, das ist unstreitig zwischen uns beiden – nicht Herr Kollege Holter, der Minister Glawe hat es ebenfalls zur Verfügung gestellt worden wäre, dann wäre am angesprochen – massive Chancen für den Werften- 31.12.2009 tatsächlich schon das Licht ausgegangen. standort Mecklenburg-Vorpommern und natürlich für die Und dann muss ich mich natürlich fragen, das ist meine Zuliefererbetriebe und Dienstleister entwickeln und bie- persönliche Meinung, wie man das in einem entspre- ten, das ist der Umstand, dass die Werften sich immer chenden Parlamentarischen Untersuchungsausschuss stärker aus der Tradition des reinen Schiffbaus rausent- bewerten will. Aber das klären wir dort, wickeln und hin zu komplexen Fertigungsleistern bis hin zu Logistikunternehmen entwickeln. Es geht halt nicht (Helmut Holter, DIE LINKE: nur darum, bestimmte Plattformen zu bauen, Grün- Das meine ich auch.) dungsstrukturen zu bauen, sie müssen auch so gefertigt werden, dass sie hinterher den Zielort erreichen können. das müssen wir jetzt nicht an dieser Stelle klären. Und es geht weiter bis in den Bereich der Komponenten- entwicklung, des Betriebs und der Wartung von Off- Aber zur Zukunftsperspektive gehört auch Existenzsiche- shorewindenergieanlagen und letztendlich ist es auch rung in der Vergangenheit. Darüber zumindest sollten wir eine Forderung, die sich unsere Hochschulen und wis-

44 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 senschaftlichen Einrichtungen in diesem Land ja schon Ich will mal nur ein Beispiel nennen: Die Nordic-Yards- gestellt haben, dass in Zusammenarbeit mit der mariti- Werften gehen davon aus, dass durch die Entwicklung men Industrie neue Produkte, neue Prozesse in diesem der Offshoreenergie allein in der deutschen Außenwirt- Bereich entwickelt werden. schaftszone bis 2030, wenn man denn die Ziele der Bun- desregierung zugrunde legt, ein Auftragsvolumen für die Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, auch das gestat- Werften von 27 Milliarden Euro zur Verfügung steht. Jetzt ten Sie mir an dieser Stelle, so deutlich zu sagen: Diesen stellen Sie sich doch mal bitte vor, wir als Mecklenburg- Umbruchprozess, diesen Entwicklungsprozess wird – Vorpommern müssten auch nur anteilig diese 27 Milliar- und das gilt jetzt für die Bundesrepublik Deutschland den Euro durch Bürgschaften absichern. Das werden wir insgesamt – nicht jeder schaffen. Und wer die Nachrich- nicht können. ten in den letzten Tagen gelesen hat, der wird gelesen haben, dass die Sietas-Werft, die älteste deutsche Werft Und deswegen, sehr geehrter Kollege Holter, und da überhaupt, in Hamburg voraussichtlich jetzt vor dem haben Sie ja zu Recht aus meiner Pressemitteilung zi- endgültigen Aus steht. Die Entscheidung wird durch den tiert, steht meine Fraktion auf dem Standpunkt, dass es Insolvenzverwalter im April geschaffen werden. Der Hin- zwei grundsätzliche Entscheidungen geben muss, bevor tergrund für dieses Aus ist im Umbruch zu suchen, auch wir, und da bin ich dann wieder gemeinsam mit Ihnen auf das muss man ganz deutlich sagen, der Umbruch, der einer Wellenlänge, über ein entsprechendes Zukunfts- nicht erfolgreich durchgeführt werden konnte. Und dann konzept sprechen können. stellt man sich natürlich die Frage: Warum kann dieser Umbruch nicht erfolgreich durchgeführt werden? Der erste Punkt, der hier entschieden werden muss, ist eine klare Positionierung der Bundesregierung zum Dann kommen wir zu den Punkten, und Sie haben es ja Thema Offshore. Ohne das Thema Offshorewindenergie auch angesprochen, Herr Kollege Holter, was denn ei- wird es in Deutschland letztendlich keine gesicherte gentlich für die Zukunft erforderlich ist. Die Sietas-Werft Perspektive, und zwar weder für die Werften noch für die ist deswegen wahrscheinlich jetzt endgültig pleite, weil, maritime Wirtschaft geben. Das ist die Chance, die die nachdem ein erstes Errichterschiff für die Van-Oord- Werften in diesem Land haben. Und ich hoffe nur und ich Gruppe geordert und gebaut wurde, ein zweites Schiff vertraue natürlich auch darauf, dass das vom Minister- wegen der mangelnden Finanzierung tatsächlich nicht präsidenten heute Abend mit angesprochen wird in den mehr gefertigt werden kann. Und ohne diesen Auftrag hat gemeinsamen Gesprächen mit der Bundesregierung und diese Werft keine Perspektive. den Ministerpräsidenten, dass dann auch die Bundesre- gierung das einsieht. Im Moment habe ich daran leichte Und das, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist Zweifel. Da bin ich auch ganz ehrlich. auch die Gefahr, die die Werften natürlich bei uns im Land haben. Das gilt im Übrigen für alle Werften, viel- Der zweite Punkt: Herr Kollege Holter, Sie haben es ja zu leicht für die Wolgaster Werft jetzt nicht mehr so sehr, Recht angesprochen, Sie haben auch Bezug genommen weil sie sich ja dort innerhalb der Löwengruppe tatsäch- auf meine Pressemitteilung, eine grundlegende Verände- lich wohl mehr auf den maritimen Schiffbau, ich nenne rung der Finanzierungsstruktur, was im Schiffbau die jetzt mal Küstenschiffboote oder Küstenschiffe, konzent- Errichtung von Plattformen angeht. Wir können die Werf- rieren wird. Aber für die anderen drei Werftstandorte ist ten damit nicht alleinlassen, aber wir können es auch natürlich die Perspektive der Bau von Spezialschiffen im nicht aus den Mitteln dieses Landes finanzieren. Bereich der Offshoreenergiegewinnung und natürlich auch alles, was mit Offshoretechnologien zu tun hat. (Helmut Holter, DIE LINKE: Sagt ja keiner.)

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, da kommen Nein, das habe ich Ihnen ja auch nicht vorgeworfen, Herr wir zu dem grundsätzlichen Problem. Es war schon für Kollege Holter, da sind wir auf einer Wellenlänge. Nur der die Werften früher schwierig – und da gebe ich Herrn Punkt ist, diese Aufgabe kann nicht vom Land Mecklen- Kollegen Holter vollkommen recht –, es war schon für die burg-Vorpommern gelöst werden. Das ist eine Aufgabe Werften in der Vergangenheit schwierig, eine Bauzeiten- von nationaler Bedeutung und da muss die Bundesregie- finanzierung für ein Containerschiff in jedem Fall auf die rung hier innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Beine zu stellen. Aber die Containerschiffe waren von dafür sorgen, gemeinsam mit der Europäischen Union. den Kostenstrukturen her Peanuts im Vergleich zu dem, was heute im Bau eines Errichterschiffes oder von ent- (Helmut Holter, DIE LINKE: Aber sprechenden Wechsel- oder Gleichstromplattformen von wir können uns doch starkmachen.) den Unternehmen auf die Beine gestellt werden kann. Und die Gefahr, in der wir stehen heute, ist nicht, dass Herr Kollege Holter, natürlich können wir uns gemeinsam die Standorte bei uns im Land nicht technologisch in der dafür einsetzen, damit habe ich doch überhaupt kein Lage sind, den Herausforderungen gerecht zu werden. Problem. Ich habe es ja nun häufig genug – auch öffent- Die Gefahr, vor der wir stehen, ist, dass die Unterneh- lich – eingefordert. Die Frage ist doch nur, und das ver- men in diesem Land letztendlich wieder an der Frage der suche ich ja auch deutlich zu machen, Herr Kollege, Finanzierung scheitern. wir müssen erst dafür Sorge tragen, dass die Rahmen- bedingungen geschaffen werden für eine Zukunft. Und Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, da gibt es zwei dann, Herr Kollege, können wir gemeinsam, alle demo- grundsätzliche Punkte und darüber müssen wir auch kratischen Fraktionen in diesem Hause, und ich glaube, ganz offen reden. Der eine Punkt ist natürlich, dass das da kommen wir sehr schnell auf einen gemeinsamen Land bei den Größenordnungen, über die wir in der Zu- Nenner, darüber sprechen, wie ein Konzept aussehen kunft sprechen, schlichtweg überfordert sein wird. Wir soll, in dem das Land im Rahmen seiner Möglichkeiten können auch nicht, was die Bürgschaften angeht, dann auf der Grundlage dieser Rahmenbedingungen die Werf- tatsächlich noch so viel Geld zur Verfügung stellen, dass ten und die maritime Wirtschaft hier in diesem Land un- wir dieses Volumen meistern können. terstützt.

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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte jetzt (Helmut Holter, DIE LINKE: nicht den ganzen Inhalt meiner Pressemitteilung mit den Das überlegen wir jetzt noch.) einzelnen Punkten, die aus Sicht meiner Fraktion wichtig sind, um eine entsprechende Finanzierung auf die Beine das überlegen Sie sich dann noch – mit unterstützen. Ich zu stellen, hier noch mal wiederholen. Das können Sie im würde es begrüßen, wenn Sie mit Ihrer Bundestagsfrak- Zweifelsfall auch im Internet nachlesen. Aber eins lassen tion das entsprechend auch im Bundestag mit unterstüt- Sie mich doch in dieser Deutlichkeit noch mal sagen: zen, wenn es dazu kommt. Wenn der Bund nicht endlich klare und verlässliche Rahmenbedingungen schafft, dann werden wir hier in (Helmut Holter, DIE LINKE: Morgen! Mecklenburg-Vorpommern allein nicht in der Lage sein, Ich habe die Hoffnung, morgen.) diese Defizite zu kompensieren. Ganz toll, kann ich nur begrüßen. Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, um noch mal deutlich zu machen, wie es denn mit den Konzepten Ich habe die Hoffnung, dass es nach den Wahlen im aussieht, wenn die Rahmenbedingungen nicht mehr Herbst dazu kommen wird, dass meine eigene Partei mit stimmen oder wegfallen, lassen Sie mich noch ein Zitat die Bundesregierung stellen wird, bringen aus dem Konzept „Zukunftsperspektiven der maritimen Industrie in Mecklenburg-Vorpommern“. Das (Marc Reinhardt, CDU: Ah!) haben Sie ja angesprochen, Herr Kollege Holter, das ist ja das, was im Jahre 2008 erarbeitet worden ist, und da und dann, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, würde heißt es dann in diesem Konzept, ich erlaube mir, zu ich mich darüber freuen, wenn wir alle zusammen in den zitieren: „Nach den Schiffbaukrisen in den 80er und 90er demokratischen Fraktionen – auch in Richtung Bund – Jahren zeichnet sich für die Werften und Zulieferindustrie noch mal den Druck verschärfen würden, damit das, eine starke und langanhaltende Boomphase ab, die die worüber wir uns ja inhaltlich einig sind, was gemacht Durchsetzung hoher Neubaupreise ermöglicht.“ Das ist werden muss, dann endlich passiert und nicht der Still- im Juli 2008 geschrieben worden. stand weiter gefestigt wird, der in den letzten Jahren durch die Bundesregierung im Bereich der maritimen 2009, das haben Sie ja eben selbst angesprochen, Wirtschaft gemacht wird. haben wir gemeinsam – ich habe mit dabeigestanden – mit den Beschäftigten dafür demonstriert, dass die Ar- Und erlauben Sie mir zu sagen – damit hier keiner auf beitsplätze in diesem Land erhalten bleiben in den Werf- die Idee kommt, ich würde nur irgendwelche Wahlkampf- ten, weil genau das Gegenteil von dem eingetreten ist, rhetorik machen –, Herr Kollege Waldmüller hat mich was in dem Konzept entsprechend angekündigt wor- eben noch auf eine Pressemitteilung des ehemaligen den ist. Kollegen Rehberg angesprochen, der freudestrahlend hervorhebt, dass der Bund doch ein 5-Milliarden-Euro- (Helmut Holter, DIE LINKE: Da kam Programm in die Wege geleitet hat für die Offshorewind- doch die Krise, das wissen wir doch.) energieanlagen. Das ist ja auch ganz toll, mal abgesehen davon, dass das völlig überzeichnet ist und auch keine Ja, aber die Krise, Herr Holter, ist doch nicht vom Him- einzige von den Anlagen wirklich auf dem Markt ist. mel gefallen. Die Entwicklungen waren doch vorausseh- bar. Also ich meine, das traue ich Ihnen doch auch zu, Aber der springende Punkt ist doch, dieses Programm dass Sie die Hintergründe dafür wissen, wie es mit den würde ich mir tatsächlich auch wünschen für den Bereich Charterraten war, wie es mit der Überbestellung von der maritimen Wirtschaft, für den Bau von Errichterschif- Schiffen war, wie der Markt zusammengebrochen ist hier fen, für den Bau von Offshoreplattformen. Das ist eigent- in Europa, weil die Schiffe dann auf einmal nicht mehr lich das, was man von der Bundesregierung erwarten abgenommen wurden. könnte. Und wenn das dann geschehen ist, sehr geehrter Herr Kollege Holter, dann sollten wir uns tatsächlich hier (Helmut Holter, DIE LINKE: Müssen im Land zusammensetzen und darüber diskutieren, wie Sie denen sagen, die das Konzept wir das aus Landessicht entsprechend unterstützen kön- damals geschrieben haben.) nen, und dann kann man auch ein Konzept erarbeiten.

Herr Holter, mir geht es doch nur darum, deutlich zu (Helmut Holter, DIE LINKE: machen, dass, wenn die Rahmenbedingungen nicht Machen wir so weiter!) stimmen, man nicht weiß, wohin die Reise gehen kann, weil die Rahmenbedingungen nicht geklärt sind. Und Aber bis dahin ist das alles nur „Satz in den Kaffeetas- die Rahmenbedingungen werden nicht hier im Land sen“. – Danke schön. geklärt. (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) (Helmut Holter, DIE LINKE: Erst das Ticket kaufen und dann losfahren, ja?) Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordne- Dann kommt das Gleiche wieder raus wie im Jahre 2008. te Frau Gerkan.

Und, sehr geehrter Kollege Holter, ich finde es toll, ich Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte finde es ganz toll, dass Sie das, was ich ja auch bereits Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Für uns öffentlich für meine Fraktion erklärt habe, hier an dieser Bündnisgrüne ist der Antrag seitens der LINKEN zu we- Stelle – und es wird sich ja wahrscheinlich nicht nur auf nig betont im Bereich Ausbau der Offshorewindenergie. den einen Punkt beschränken, sondern auf die anderen Wir sehen vorrangig in diesem Segment eine ganz we- Finanzierungspunkte ja vielleicht auch, sentliche Zukunftsperspektive für die maritime Industrie

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Mecklenburg-Vorpommerns. Aus diesem Grund haben hochsensibles ökologisches Gebiet oder Großanlagen- wir den vorliegenden Änderungsantrag gestellt. Wir wol- bau für den Abbau maritimer Lagerstätten – sehen wir als len bei der Fortschreibung des Konzeptes „Zukunftsper- Bündnisgrüne natürlich höchst kritisch, das möchte ich spektiven für die maritime Industrie in Mecklenburg- an dieser Stelle einfach noch mal betonen. Vorpommern“ einen wesentlichen Schwerpunkt auf dem Ausbau der Offshoreindustrie sehen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. – Danke schön. Die deutsche Schiffbauindustrie befindet sich in einer noch nie dagewesenen Krise, das muss ich Ihnen hier (Beifall vonseiten der Fraktion nicht erzählen. Deutsche Werften, auch Werften in Meck- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) lenburg-Vorpommern sind in einer Phase des Umbruchs und benötigen dringend Alternativen zu dem bisher do- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für minierenden Serienbau von Containerschiffen. die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Waldmüller.

(Jochen Schulte, SPD: Wolfgang Waldmüller, CDU: Frau Präsidentin! Meine Containerschiffe werden schon seit Damen und Herren! Tja, die Situation in der Schiffbau- einem Dreivierteljahr nicht mehr bestellt.) branche, da sage ich Ihnen nichts Neues, ist natürlich einem stetigen Wandel unterworfen. Es ist ein globaler Im Ergebnis der Studie Offshorewindpotenziale für die Markt und mit der Wirtschaftsfinanzkrise ist die Situation Schiffbauindustrie, erstellt 2011 von der Wirtschaftsprü- nicht einfacher geworden. Und aus den Erfahrungen der fungs- und Beratungsgesellschaft KPMG AG, ergeben zurückliegenden Wochen und Monate wissen wir, dass sich durch den Spezialschiffbau und den Bau komplexer die Schiffsfinanzierung derzeit kaum privatwirtschaftlich Offshorestrukturen erhebliche Chancen für die maritime zu organisieren ist, dass sich die Banken, wir haben das Wirtschaft. Die Studie zeigt weltweiten Bedarf von 300 schon gehört, aus der Schiffbaufinanzierung zurückge- bis 400 Errichterschiffen für Offshoreplattformen. Allein zogen haben. Daher waren zur Sicherung der Standorte damit ist ein Umsatzpotenzial von 18 Milliarden Euro, und der Arbeitsplätze Bürgschaften des Landes und des meine Damen und Herren, bis zum Jahre 2020 verbun- Bundes erforderlich. Ohne das Engagement des Landes den. Davon entfallen einmal 6,5 Milliarden auf klassische und des Bundes würden die Werften in Mecklenburg- Werfttätigkeiten und etwa 11,5 Milliarden Euro auf die Vorpommern heute nicht mehr existieren. Erschaffung von Offshorestrukturen wie Errichterschiffe, Kabelschiffe, Reparaturschiffe sowie Umspannplatt- Und lassen Sie mich vorab eines ganz deutlich feststel- formen und Konverterplattformen. Insgesamt könnten len, gerade weil der Bund kritisiert wird: Insbesondere die 6.000 Arbeitsplätze geschaffen werden Bundesregierung hat in den zurückliegenden Monaten enormes Engagement für die Werftenstandorte in Meck- Offshorewind bietet unter den regenerativen Energiequel- lenburg-Vorpommern gezeigt. len aktuell ein ganz wichtiges Potenzial, um in absehba- rer Zeit signifikant CO2-freie Energie zu erzeugen. Dieses (Vizepräsidentin Regine Lück Potenzial gilt es auch ganz besonders hier in Mecklen- übernimmt den Vorsitz.) burg-Vorpommern schnell zu nutzen. Der jährliche Umfang der Maßnahmen des Bundes für Meine Damen und Herren, in unserem Land wird die die gesamte maritime Wirtschaft liegt im zweistelligen Offshoreproduktion bereits zu einem Marktsegment, was Milliardenbereich. am Beispiel der Nordic Werften in Wismar und Rostock- Warnemünde deutlich wird. Neben der Produktion von Ich möchte Ihnen auch ein kleines Beispiel für Mecklen- drei Konverterstationen für Offshoreenergieanlagen er- burg-Vorpommern nennen, das bezieht sich auf die hielt der Werftenverbund erst kürzlich den Großauftrag Lohnnebenkostenzuschüsse beispielsweise. Die Ent- eines französischen Energiekonzerns für die Produktion scheidung von Vanerline zum Kauf der zuvor von Scand- einer Offshoreumspannplattform, womit bis ins Jahr 2017 lines betriebenen Route im Jahr 2012 und der Übernah- alle Werftarbeitsplätze gesichert sind. me der Schiffe und der Mitarbeiter lag unmittelbar mit den Lohnnebenkostenzuschüssen des Bundes zusam- Diesem Beispiel könnten auch die P+S-Werften folgen, men. Damit wurden dank Zutuns der Bundesregierung soweit vorhandene Fördermöglichkeiten des Landes ganz konkret Arbeitsplätze gesichert. verstärkt auf die Förderung des Offshoresektors entspre- chend ausgerichtet sein werden. Aufgabe der Landespo- Und im Übrigen, der Seehafen Rostock nimmt laut einem litik ist die Schaffung von geeigneten Rahmenbedingun- Bericht der Rostocker „Neuesten Nachrichten“ vom gen für den Ausbau der Offshoreenergie in der Ostsee 20. März 2013 in der Zukunftsplanung der schwedischen sowie die Unterstützung der Werften in Mecklenburg- Reederei Vanerline eine entscheidende Rolle ein. Dass Vorpommern hinsichtlich ihrer Neuausrichtung. dies auch etwas mit dem Engagement des Bundes zu tun hat, ist naheliegend. Aber gut, auch die Mittel für Geeignete Maßnahmen sind entsprechend zu prüfen, Beschäftigung und Ausbildung in der maritimen Branche das ist einmal die Entwicklung von entsprechenden För- sind beträchtlich. Ab 2013 stehen erstmalig 90 Millionen derinstrumentarien wie ein Bürgschaftsprogramm des Euro hierfür zur Verfügung. Knapp 60 Millionen trägt Landes für Projekte der Branche Offshorewind sowie allein der Bund, 30 Millionen Euro tragen die Eigner. Finanzierungsprogramme für den spezifischen Schiffbau flankierend zum KfW-Programm Offshore. Und, Herr Schulte, Sie haben es gesagt, der Offshore- markt wird massiv unterstützt. Denken Sie an das 5- Am Ende noch eine kleine Schlussbemerkung von mei- Milliarden-Sonderprogramm der Kreditanstalt für Wieder- ner Seite: Die im Antrag der Fraktion DIE LINKE genann- aufbau und vor allen Dingen an die Haftungsübernahmen ten Technologien – für die arktischen Regionen ein in diesem Programm durch den Bund. All diese Maß-

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 47 nahmen können Investitionsanreize liefern und werden men werden muss, dann lassen Sie uns auch Folgendes von den maritimen Verbänden begrüßt. So viel zu den feststellen: Aus den Reihen der Linkspartei haben wir zukunftsfähigen Perspektiven der maritimen Industrie. zuletzt vor allem aber Skepsis im Hinblick auf die Zukunft Über diese Hilfen, denke ich mal, sind wir alle froh und des Werftenstandortes Mecklenburg-Vorpommern erle- dankbar. ben müssen. Bestimmte Aufträge sind für Sie unvertret- bar. Denken Sie an die Positionierung der Linkspartei Meine Damen und Herren, ich finde es – und dann soll zum Schiffbau in Wolgast. Da sagen Sie dann: Schiffbau es auch genug sein – unabhängig von Wahlkampf, von ja, aber bitte keine Patrouillenboote. Parteizugehörigkeit nicht zielführend, eine unzureichende Entwicklungskapazität des maritimen Schiffbaus zu be- (Helmut Holter, DIE LINKE: Für Saudi-Arabien.) klagen oder die Politik zu ermahnen, die maritime Indust- rie als Ganzes wieder stärker in den Fokus zu nehmen. Und was Ihre Haltung für Wolgast, wo der sogenannte Es ist nicht klug, die gebende Hand zu schlagen, unab- graue Schiffbau immer eine hervorgehobene Rolle ge- hängig davon, wer einem diese Hand reicht. Und diejeni- spielt hat, bedeutet, ist doch klar: Wenn Aufträge auf- gen, die mehr Engagement des Landes für die Werften grund vorgesetzten Widerstandes nicht nach Mecklen- einfordern, müssen sich auch eine weitere Frage gefallen burg-Vorpommern kommen, dann werden sie eben an lassen. Da meine ich insbesondere die Parteien DIE anderen Standorten gebaut. Und mit Blick auf Nordic LINKE und die GRÜNEN. Wie glaubwürdig sind Sie in Yards hörte man aus Ihrer Fraktion der LINKEN, dass die Anbetracht Ihrer eigenen Handlungsweise gerade vor Risiken des Schiffbauengagements in Mecklenburg-Vor- dem Hintergrund des von Ihnen beantragten Untersu- pommern unkalkulierbar seien. Das ist die Pressever- chungsausschusses? lautbarung von Jeannine Rösler am 7. Dezember 2012.

Meine Damen und Herren, verehrte Damen und Herren, (Udo Pastörs, NPD: Das stimmt doch auch.) Bundes- und Landesregierung sind sich über eines im Klaren: Wer die maritime Wirtschaft im Land stabilisieren Da muss man dann im Übrigen auch mal sagen, das ist will, muss auch künftig zu einem starken Engagement eine bemerkenswerte Kehrtwende. Noch vor Kurzem bereit sein. Daher bekennen wir uns ganz klar zu den wollten Sie die Werften im Land am liebsten verstaatli- Standorten und Arbeitsplätzen der maritimen Wirtschaft chen, heute wollen Sie den Unternehmen offenbar den in Mecklenburg-Vorpommern. Hahn abdrehen.

Und gerade der Bund unterstützt uns nicht erst seit Be- (Helmut Holter, DIE LINKE: ginn der Krise im Schiffbau nachhaltig dabei, Zukunfts- Dann haben Sie den Antrag überhaupt perspektiven für die maritime Industrie in Mecklenburg- nicht verstanden, Herr Waldmüller.) Vorpommern zu entwickeln. Klar ist, dass jedes Enga- gement vom Land oder Bund die veränderten Marktlagen Dieser Opportunismus ist nicht nachvollziehbar. berücksichtigen wird. (Zurufe von Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE, Für die CDU-Landtagsfraktion steht fest, dass in diesem und Udo Pastörs, NPD) Zusammenhang zum Beispiel Innovationshilfen zuguns- ten der deutschen Werftindustrie und eine Optimierung Er schadet den Werften im Land. Er gefährdet Tausende der KfW-Programme weiter erforderlich sind. Das seitens von Arbeitsplätzen. Und vor diesen Hintergründen müs- der Bundesregierung immer wieder deutlich gemachte sen Fragen erlaubt sein: Wo genau liegt eigentlich der dezidierte Bekenntnis zum Schiffbaustandort Deutsch- maritime Fokus des politischen Handelns der LINKEN? land liegt im Interesse des Werftenstandortes Mecklen- Wo bleibt Ihr Bekenntnis zur maritimen Industrie in Meck- burg-Vorpommern. Die maritime Wirtschaft ist, denke ich lenburg-Vorpommern? mal, dort in bewährten Händen. Das Engagement von Bund und Land unterstreicht gerade, dass es hierzu (Heiterkeit bei Helmut Holter, DIE LINKE) keines gesonderten Antrags bedarf. Insbesondere die ersten beiden Punkte Ihres Antrages sind in meinen Vielleicht kann ja Ihr Antrag eine Antwort auf die Frage Augen hinfällig. geben. Der maritime Fokus der Linkspartei, so lernen wir heute, soll offenbar in dem von den Regierungsfraktionen Und abgesehen von dem aufgezeigten Engagement 2007 beantragten Konzept „Zukunftsperspektiven für die lassen Sie mich bitte auch eines feststellen: Die Landes- maritime Industrie in Mecklenburg-Vorpommern“ liegen. regierung hat sich im Koalitionsvertrag – Punkt 39 – Und deswegen fordern Sie die Fortschreibung eines ausdrücklich dazu bekannt, den Strukturwandel in der Konzeptes, das ohnehin fortlaufend überprüft wird. maritimen Industrie mit erforderlichen Rahmenbedingun- gen zu begleiten. Dies stellt sie unter anderem mit dem (Helmut Holter, DIE LINKE: Engagement bei den P+S und Nordic Yards auch immer Das haben die anderen Kollegen wieder unter Beweis. Und dass dieses Engagement aber anders erzählt, Herr Waldmüller.) fruchtet, dürften wir zunächst mit dem Blick auf den Standort Wolgast feststellen. Sie erinnern sich: Lürssen Den Hinweis darauf finden Sie übrigens auf der Seite 68 hat den Standort Wolgast im Dezember 2012 für unter dieses Papieres. Sie wollen also die Fortschreibung 20 Millionen Euro aus der insolventen Gruppe P+S ge- eines ohnehin fortlaufend überprüften Konzeptes, was kauft. Für die Menschen vor Ort kann dies mit Blick auf aufgrund der Herausforderung eh permanent durch akti- die aktuelle Auftragslage von Lürssen Arbeit für mehrere ves Handeln gewährleistet ist. Jahre bedeuten. Und ich möchte Sie erinnern, Herr Holter, vielleicht erin- Wenn wir also davon reden, dass die maritime Industrie nern Sie sich an die Aussprache zu dem von SPD und als Ganzes in den Fokus politischen Handelns genom- CDU beantragten Konzept „Zukunftsperspektiven der

48 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 maritimen Industrie in Mecklenburg-Vorpommern“ hier Mecklenburg-Vorpommern. Das Handeln des Bundes im Landtag 2007. Falls Sie sich nicht erinnern, möchte und der Landesregierung unterstreicht das Bekenntnis ich Ihnen Ihre Erinnerung auffrischen. Sie sagten am zum Werftenstandort Mecklenburg-Vorpommern. Es 10. Mai 2007, ich zitiere: „Dieser Antrag … ist ein Beleg findet daher auch die volle Unterstützung der CDU- für Planwirtschaft.“ Und Sie sagten damals weiter: „Eine Fraktion. Und ein klares Bekenntnis zum Werftenstandort unternehmerische Entscheidung ersetzen dieser Antrag Mecklenburg-Vorpommern fordere ich auch von der und die Konzeption auf keinen Fall.“ Zitatende. Damals Linkspartei und den GRÜNEN. war das Konzept für Sie ein Beleg für Planwirtschaft, das eine unternehmerische Entscheidung niemals ersetzen (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) könnte. Heute wollen Sie auf dem Konzept aufbauen, Jahrespläne für die maritimen Unternehmen im Lande Meine Damen und Herren, zu dem Änderungsantrag der entwerfen. GRÜNEN: Wir werden diesen Änderungsantrag ableh- nen. Zu den Punkten 1 und 3 will ich Ihnen sagen, dass (Helmut Holter, DIE LINKE: die Werften im Land bereits Aufträge generieren, auch im Jahrespläne habe ich nicht gesagt.) Spezialschiffbau und im Offshorebereich, insbesondere bei Nordic Yards. Die Bedarfe entwickeln sich aber sehr Wie auch immer, es ist schon mehr als unglaubwürdig. schnelllebig und die Marktbedingungen ändern sich dy- namisch. Was zählt, ist das Handeln und nicht das Pla- (Helmut Holter, DIE LINKE: nen. Wir sind also nicht in dem Stadium vom Planen, Wissen Sie, Sie mit Ihren ideologischen sondern im Stadium des Handelns. Scheuklappen, das ist nicht auszuhalten!) (Udo Pastörs, NPD: Planlos handeln.) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie der An- trag der LINKEN selbst feststellt, hat sich die Situation Und zu Punkt 2: Die Landesregierung beschäftigt sich im Hinblick auf die Marktlage und Planungssicherheit fortwährend mit den Finanzierungsfragen und steht auch seit 2008 verändert. Sie ist äußerst schnelllebig gewor- im Hinblick auf den Offshorebereich an der Seite der den. Die Herausforderung für den Schiffbau besteht Werften. Solange die Banken sich aus der Schiffsbaufi- daher weniger in der Konzeption, sondern vielmehr in nanzierung zurückziehen beziehungsweise zusätzliche der Finanzierung. Was Ihre Jahrespläne – ich unterstel- Bürgschaften einfordern, sind Bund und Land gefragt, le das –, und dazu stehen wir. Wir stehen zu den Werften.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sie erzählen Ich bitte, den Antrag abzulehnen, und auch den Antrag einfach Mist! Das ist nicht auszuhalten, der GRÜNEN. – Vielen Dank. Herr Waldmüller, das wissen Sie genau.) (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) die sich auf das ohnehin fortgeschriebene Konzept der Landesregierung beziehen, letztlich an der Kraft des Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat nun der Faktischen auf dem Weltmarkt ändern sollen, bleibt Ihr Abgeordnete Herr Pastörs von der Fraktion der NPD. Geheimnis. Udo Pastörs, NPD: Frau Präsidentin! Meine sehr verehr- Feststeht, das Konzept „Zukunftsperspektiven für die ten Damen und Herren! Man kann sich der maritimen maritime Industrie in Mecklenburg-Vorpommern“ zeigt in Industrie in Mecklenburg-Vorpommern von vielen Seiten der Tat konzeptionelle Handlungsfelder auf, die die Zu- nähern, ich versuche es mal mit ein paar grundsätzlichen sammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft stärken, Anmerkungen. Wir wissen alle: Fünf Prozent der Be- und eine fortlaufende Überprüfung und Weiterführung – schäftigten hier in diesem Lande sind in dieser Industrie wenn eben die aktuellen Turbulenzen dann vorbei sind, in Arbeit und Brot. Das sind unterm Strich 18.000 Betrie- der Wirtschaftsminister hat darauf hingewiesen – kann be. Das ist also ein Riesenbatzen mit einem Umsatz von sie zu einer konzeptionellen Richtschnur der Landesre- 4,6 bis 4,8 Milliarden Euro und einer Wertschöpfung von gierung machen. 1,6 Milliarden brutto.

Aber der Verweis von Harry Glawe, dem Wirtschaftsmi- Warum stehen wir heute vor dem großen Problem, kann nister des Landes, auf das marktwirtschaftliche Verhalten die Industrie an der Küste überleben oder nicht? Dazu ist der Eigner, dass man den Werften eben nicht vorschrei- es, glaube ich, nicht verkehrt, einmal zurückzuschauen ben kann, in welche Richtung sie sich entwickeln sollen, nach 2007, wie es weltweit dort zuging, denn gerade die der ist legitim. Also wenn Sie dann Ihren Jahresplan Schiffsindustrie ist eine globale Industrie, die sich auch verwirklichen wollten, dann ginge das nur, wenn Sie nicht national fokussieren lässt, und deswegen ein paar selbst Eigner – also das Land – werden würden. Aber da Zahlen. würden wir generell dagegen sein. Eine der größten Reedereien in Europa und in der Welt (Helmut Holter, DIE LINKE: ist die Reederei Maersk, eine dänische Reederei, die Schaun wir mal!) sich sehr stark konzentriert hat auf Containerschifffahrt. Diese Reederei verfügt über acht der weltgrößten Con- Meine sehr verehrten Damen und Herren, die äußerst tainerschiffe und hat sich entschieden, trotz der Überka- dynamische finanzpolitische Herausforderung des Schiff- pazitäten weiter in diesem Bereich zu investieren, trotz- baus werden Sie mit vergleichsweisen Plänen aber nicht dem sie im vergangenen Jahr fast eine halbe Milliarde lösen können. In Turbulenzen müssen Sie doch flexibel Euro verloren hat. Das führt man in erster Linie darauf bleiben und nicht einfach auf planwirtschaftlichen Autopi- zurück, dass wir Überkapazitäten haben in diesem Be- lot schalten. Es bedarf des wirtschaftlichen Engagements reich, und das drückt sich auch aus in den Erträgen, die und des politischen Bekenntnisses zum Werftenstandort man erzielen kann. War es vor Jahren noch so, dass

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 49 man für einen Container von Indien nach Hamburg um Engagement des Bundes, was die Werftenrettung an- die 2.000 bis 2.100 Euro bekam, so sind das heute noch geht, was die Bürgschaftslegung angeht, die Situation nicht einmal mehr 1.400 Euro, wie die einen oder ande- noch viel komplizierter und noch viel schwieriger gewe- ren ja wissen. Zusätzlich zu diesen Fakten – und das sen wäre und immer noch wäre, als sie es tatsächlich ist. muss man berücksichtigen, um erst mal überhaupt eine Das ist überhaupt nicht das Thema. Das bin ich auch Standortbestimmung zu machen, warum wir da sind, wo gern bereit, an jeder Stelle zu wiederholen. wir heute sind – kommen allein in 2013 noch mal zusätz- lich nicht weniger als 1,5 Millionen Ladekapazität im Aber es ist ein Punkt, und das möchte ich hier noch mal Bereich der Containerschifffahrt dazu. Das ist eine gigan- klarstellen, da gibt es dann ja durchaus innerhalb dieses tische Menge, wenn man sieht, dass die Menge der zu Hauses auch andere, die diese Meinung offensichtlich verschiffenden Waren nicht steigt, sondern eher sogar teilen. Ich will es mal so ausdrücken: Es ist eine Frage, noch abnimmt, wenn man die konjunkturellen Risiken mit wie man sich in der Vergangenheit oder auch heute noch einrechnet. mit der Rettung von Werften verhält, und eine völlig an- dere Frage ist, wie man sich, was Zukunftsfragen angeht, Auch Mecklenburg-Vorpommern hatte sich auf die Con- entscheidet und ob man da tatsächlich handelt. Da kann tainerschifffahrt gestürzt mit dem Ergebnis, dass dieser ich das nur noch mal wiederholen, was ich vorhin schon Markt so einseitig war, dass mehr oder weniger die Pro- gesagt habe, und das kann man auch gar nicht oft genug duktion zusammengebrochen ist. Wir haben heute die wiederholen: Die Bundesregierung muss sich endlich Situation, dass wir ein relativ komplexes Schiff im Con- dazu bekennen, dass der Offshorebereich auch für sie tainerbereich in drei Jahren von der Planung bis zur ein industriepolitisches Ziel ist, das völlig losgelöst von Auslieferung haben. Wir haben bei den Spezialschiffen der Frage etwaiger Parlamentsmehrheiten in den nächs- zum Teil fünf Jahre von der Planung bis zur Auslieferung. ten 10, 20 Jahren weiterverfolgt wird. Und nur dann, nur Und das bedeutet, dass Konjunkturzyklen zum erhöhten unter dieser Voraussetzung, meine Damen und Herren, Risiko werden, auch durchaus für die Spezialschiffe, die werden die Werften auch in diesem Land eine echte jetzt hier gebaut werden sollen, denn wir müssen doch Chance haben. – Danke schön. mal ganz klar sagen: Wird denn in Mecklenburg- Vorpommern in dem Bereich Geld verdient oder wird nur (Beifall Stefanie Drese, SPD) Umsatz gemacht? Und da muss man differenzieren und sagen: Ja, bei den Zulieferern wird Geld verdient, aber Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat nun der bei den Werften wird eben Geld zugesetzt, und ohne die Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE, der Abge- Hilfen des Bundes und des Landes ist eine Werft ganz ordnete Holter. einfach nicht mehr zu betreiben. Das heißt, wir haben hier einen Bereich, wo hoch subventioniert Arbeitsplätze Helmut Holter, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine erhalten werden, weil richtigerweise die Landesregierung Damen und Herren! Ich hatte eine andere Hoffnung, aber sagt, dass das eine strategische Industrie ist. ich hatte keine andere Erwartung. Ich war davon ausge- gangen, dass die Werften in Mecklenburg-Vorpommern, Da meine Redezeit zu Ende ist, vielleicht noch kurz zu die maritime Industrie heute nicht zum Spielball der Poli- Herrn Schulte. tik wird, aber genau das passiert.

Herr Schulte, Sie haben recht, der Bund muss sich erklä- (Jochen Schulte, SPD: ren, aber nicht nur der Bund, auch die EU muss sich Aber dazu haben Sie sie gemacht. – erklären, und vor allen Dingen müssen sich die Unter- Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU) nehmer erklären, die Eigner der Werften müssen sich erklären, wie sie sich die Finanzierung in den nächsten Nein. Also, Herr Schulte, das nun wirklich nicht. fünf oder zehn Jahren vorstellen. (Jochen Schulte, SPD: Doch. – Ganz kurz zur Abstimmung: Den Antrag der GRÜNEN Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oh ja!) werden wir natürlich ablehnen. Er ist mir viel zu sehr fokussiert auf die Offshoreindustrie. Maritime Industrie ist Wir haben einen Antrag vorgelegt, mit dem wir deutlich viel breiter aufgestellt. Dem Antrag der LINKEN werden gemacht haben, dass wir einen Masterplan „Maritime wir selbstverständlich zustimmen. – Danke für Ihre Auf- Industrie in Mecklenburg-Vorpommern“ wollen, der einen merksamkeit. Schulterschluss bedeutet zwischen den Unternehmen, den Beschäftigten, den Banken und der Politik des Bun- (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) des, der EU und des Landes, ganz klar.

Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat nun der Und wer so wie Herr Waldmüller mit ideologischen Abgeordnete Herr Schulte von der SPD-Fraktion. Scheuklappen an diese Frage herangeht und meint, dass es was mit Planwirtschaft zu tun hat – und von Jahres- Jochen Schulte, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! plänen habe ich überhaupt nicht gesprochen –, der ist Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will noch mal wirklich in altem Denken verhaftet. Sie sollten sich wirk- kurz das Wort ergreifen, um vielleicht einen Punkt klarzu- lich mal überlegen, was Sie hier kundtun, und da kennen stellen. Sie mich viel zu gut, als dass das auf meine Person zu- treffen würde. Der Satz stimmt: Wir können Pläne ma- Herr Kollege Waldmüller, ich weiß das Engagement der chen, wir können Vereinbarungen treffen, aber die unter- Bundesregierung, was den Erhalt der Werften hier in nehmerische Entscheidung kann davon nicht beeinflusst Mecklenburg-Vorpommern betrifft, insbesondere jetzt werden. auch bei den Werften in Stralsund und Wolgast, durch- aus zu schätzen. Und ich glaube, das ist auch jedem, der (Udo Pastörs, NPD: sich mit der Frage beschäftigt hat, klar, dass ohne das Darf auch nicht, darf auch nicht.)

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Und sie kann davon nicht abhängig gemacht werden. (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Der Unternehmer, die Unternehmerin entscheiden am Schluss, was sie in ihren Unternehmen tun. Wir arbeiten in den Kuratorien, in den Strategiegruppen mit, ein Masterplan ist verabschiedet worden. Wir disku- Die Frage steht, die Frage haben Sie aufgeworfen, ob es tieren ihn. Er wird haushaltsseitig hoffentlich auch unter- nicht gerechtfertigt ist wie bei der Luft- und Raumfahrt, setzt. Da stellt keiner die Frage der Planwirtschaft, meine dass das Land oder auch der Bund sich an solchen Un- Damen und Herren der CDU und der SPD. Da wird ein ternehmen zukünftig beteiligen. Aber das sind ja alles Masterplan erarbeitet und der wird abgearbeitet, Fragen, die ich im Zusammenhang mit diesem Konzept diskutieren wollte. Und auf keine der Fragen, die ich in (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) meiner Einbringungsrede aufgeworfen habe, sind Sie eingegangen. genau darum geht es auch bei der maritimen Industrie.

Und, sehr geehrter Herr Schulte, ich glaube, wir sind Ich war ja Teilnehmer der 5. Maritimen Zukunftskonfe- inhaltlich, was die Ausrichtung und Entwicklung betrifft, renz der Industrie- und Handelskammern. Da gibt es jetzt und teilweise auch, was die Vergangenheit betrifft, gar inzwischen – das haben ja die Fraktionen bekommen – nicht auseinander. In einem Punkt sind wir wirklich aus- ein Protokoll. Und da heißt es in einem Forderungskata- einander: Sie formulieren, wir müssen erst die Rahmen- log, ich will zwei Punkte zitieren, Zitat: „verstärkte Unter- bedingungen klären – mal kurz zusammengefasst – und stützung der KMU’s zur Entwicklung der FuE Ergebnisse dann bestimmen wir, wo die Reise hingeht. Ich meine, hin zu markgerechten Produkten“. Erinnern Sie sich an wir sollten bestimmen, wohin die Reise geht, und dann meine Einführungsrede? Zweites Zitat: „Schaffung prakti- mit diesem Reisekonzept, mit diesem Masterplan Druck kabler Finanzmodelle zur Realisierung von Großprojek- auf die Bundesregierung ausüben, um tatsächlich diese ten der maritimen Wirtschaft“. Weiteres Zitat: „weitere Rahmenbedingungen einzuklagen. Förderung der Universitäts- und Institutslandschaft“. Ich könnte das so fortsetzen. All diese Dinge habe ich in (Jochen Schulte, SPD: Aber, Kollege Holter, meiner Einbringungsrede persönlich erwähnt. Sie können sich doch nicht auf den Weg machen auf einer Straße, die überhaupt Meine Damen und Herren, ich bin Frau Gerkan und der nicht existiert! Die muss erst gebaut werden.) Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dankbar, dass sie diesen Antrag gestellt haben. Das war ja genau mein Doch. Ich kann mich auf einen Weg machen mit Argu- Ziel, dass wir uns ernsthaft Gedanken machen, in welche menten für die maritime Industrie in Mecklenburg- Richtung wollen wir das denn tatsächlich treiben, nicht Vorpommern und wir können uns – das war mein Ziel – wir als Politik, aber dass wir eine Vorstellung haben, in gemeinsam starkmachen, dass die maritime Industrie in welcher Richtung die Unternehmen sich tatsächlich en- Mecklenburg-Vorpommern eine Zukunft hat. gagieren sollen. Ich bin dafür, dass meine Fraktion auch diesem Antrag zustimmt. Und ich möchte, Frau Präsiden- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) tin, beantragen, nachdem ich gehört habe, dass das hier abgelehnt werden soll, dass die beiden Anträge – unser Und ich kann mich erinnern an diese Aussprache, die wir und der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE damals – das war wohl der 10. Mai 2007 – hier geführt GRÜNEN – in den Wirtschafts- und Finanzausschuss haben. Damals habe ich davon gesprochen, dass Schiff- überwiesen werden, damit wir dann gemeinsam an die- bau nicht mehr alles ist, sondern dass man umstellen sen Fragen weiter diskutieren können. muss auf innovative Technologien und Produkte wie Konverterstationen, wie Spezialschiffbau. Da haben Sie, Und ich hatte Ihnen ja gesagt, dass ich vorher unterwegs Herr Schulte, erklärt, dass ich der Totengräber des war und den Antrag sehr wohl diskutiert und besprochen Schiffbaus in Mecklenburg-Vorpommern sei. Das habe habe. Ich war zum Beispiel bei Nordic Yards und Nordic ich nicht vergessen. Was machen Sie heute? Sie erklä- Yards hat mir mitgeteilt mit einigen Hinweisen zu dem ren genau die These, die ich damals vor fünf oder sechs Antrag, die ich auch berücksichtigt habe: „In jedem Fall Jahren hier bereits vertreten habe. begrüßen wir diese Initiative und bedanken uns für die damit gezeigte Unterstützung unserer Branche.“ Und die Wenn es um das Engagement des Landes und des IG Metall hat gestern per Fax mitgeteilt: „Sehr geehrter Bundes in der Vergangenheit geht, dann ist das eine Herr Holter, lieber Helmut! Vielen Dank für die Zusen- Selbstverständlichkeit. Und ich habe von der materiell- dung des Konzeptes ,Zukunftsperspektiven der mariti- technischen Basis, von den Kontaktwerten in Mecklen- men Industrie in Mecklenburg-Vorpommern‘. Die IG Me- burg-Vorpommern gesprochen, auch von den Ausbil- tall Küste kann die Analyse für den Sektor der maritimen dungsprogrammen, von der Kernkompetenz der mariti- Industrie nur unterstreichen. Gerade nach den schwieri- men Industrie hier in Mecklenburg-Vorpommern. gen Prozessen um die Insolvenzen und die Bewältigung der Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise, (Jochen Schulte, SPD: Da sind wir doch insbesondere auf den Sektor der maritimen Industrie, gar nicht auseinander, Herr Holter.) brauchen wir einen neuen innovativen, in die Zukunft gerichteten Handlungsansatz.“ Na, das können Sie doch anerkennen. Wie oft haben wir Anträge in diesem Landtag, wo noch mal betont wird, wie (Zuruf von Jochen Schulte, SPD) wichtig das sei?! „Die Forderungen der Fraktion DIE LINKE werden von Und nehmen wir mal die Gesundheitswirtschaft. Wir alle, uns umfänglich geteilt und wir hoffen im Sinne des Lan- die Demokraten, sind uns einig, die Gesundheitswirt- des, dass parteiübergreifend ein Konsens für den Sektor schaft ist wichtig. Wir wollen Mecklenburg-Vorpommern auf den Weg gebracht werden kann. DIE IG Metall Küste zum Gesundheitsland Nummer eins machen. steht für einen konstruktiven Dialog mit allen demokrati-

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 51 schen Parteien jederzeit zur Verfügung.“ Michael Mein- Bundesebene eine Diskussion gibt, ob es richtig ist, die hard Gerken und Heino Bade haben unterschrieben. Offshorewindanlagen weiter voranzutreiben, weil es einfach teurer ist als die landseitigen Anlagen. Das liegt Wenn ich das also alles hernehme und mir hier die De- nun mal in der Natur der Sache. Aber warum machen wir batte anschaue, dann bin ich doch der Überzeugung, uns denn nicht gemeinsam stark und sagen, wir wollen dass wir auch angesichts dessen, was Wirtschaftsminis- diesen Ausbau, so, wie Herr Schulte auch hier argumen- ter Glawe hier sagte, dass wir eine Vielzahl von Fragen tiert hat? Das kann doch alles in dem Antrag stecken. und Problemen heute im Jahre 2013 aktuell zu klären Warum rufen wir das nicht auf? Warum? haben, dass es dann gerade parallel – Herr Schulte, und das ist der Unterschied, wie wir denken – notwendig ist, Und das war immer, auch übrigens, wenn man über P+S an einem solchen Zukunftskonzept zu arbeiten. und andere Insolvenzen spricht, eine Frage gewesen, wie groß der innovative Vorlauf war. Wie groß war der Und wenn Herr Waldmüller aus dem Konzept zitiert hat Vorlauf in Forschung und Entwicklung? Wie waren die von 2007/2008, dann haben wir damals gemeinsam Werften auf neue Herausforderungen, gerade in Techno- darüber diskutiert. Herr Seidel ist jetzt hier. Herr Seidel logie und Produktion, eingestellt? Warum folgen Sie nicht kam damals zu mir, hat mich gefragt, ob wir als Oppositi- meiner Idee eines Kompetenzzentrums? Warum wird on dagegen antreten würden, wenn er erklärt, dass jetzt nicht das, was in der Luft- und Raumfahrt, was in der an diesem Konzept nicht weiter gearbeitet wird. Ich habe Automobilindustrie gemacht wurde, auch in der mariti- gesagt: Ja, Herr Seidel, ja, Herr Minister, ich bin damit men Wirtschaft, in der maritimen Industrie umgesetzt, einverstanden, jetzt geht es um Krisenbewältigung. Das gerade in Mecklenburg-Vorpommern? war mein Ansatz. (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Jetzt sind wir aber im Jahre 2013. Wir haben noch nicht alle Probleme überwunden. Aber wenn wir 2014/2015 Wir stehen in Deutschland, wir stehen in Europa, wir und Folgejahre weitermachen und nicht wissen, wo wir stehen weltweit in der Konkurrenz. Wir als Land, wir als hinwollen, und hier wieder nur über das Geld reden, dann Landespolitik sind nach meiner Auffassung verpflichtet, stellen wir uns eben nach meiner Auffassung falsch auf. hier ganz konkret voranzugehen und deutlich zu zeigen, wir wollen eine Zukunft für die maritime Wirtschaft in Ich bitte noch mal, überdenken Sie Ihre Position noch Mecklenburg-Vorpommern. mal, weil die ideologischen Scheuklappen, die Sie hier deutlich wieder gezeigt haben, nicht nur Scheuklappen Wie gesagt, ich bin nicht enttäuscht über die Debatte, ich sind, habe sie dergestalt erwartet. Und Sie haben Ihr wahres Gesicht gezeigt, (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) (Michael Andrejewski, NPD: Ja.) sondern Ausdruck Ihrer undemokratischen Arroganz einem Antrag gegenüber, weil es nicht sein kann, … das muss man auch noch mal deutlich sagen. Natürlich werden wir das den Beschäftigten auf den Werften mittei- (Unruhe vonseiten der Fraktionen len, wer sich wie hier verhalten hat. – Danke für die Auf- der SPD und CDU – merksamkeit. Zuruf von Manfred Dachner, SPD) (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) Ja, doch, Herr Dachner. Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat nun noch … dass von den LINKEN ein industriepolitischer Antrag einmal der Abgeordnete Herr Schulte von der Fraktion kommt, der zum Wohle der maritimen Industrie in Meck- der SPD. lenburg-Vorpommern und damit zum Wohle des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist. Jochen Schulte, SPD: Herr Kollege Holter, was die Beschäftigten auf den Werften angeht, sprechen Sie mit (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) dem Betriebsratsvorsitzenden der Wolgaster Werft und lassen Sie sich von dem mal sagen, was er davon hält, Mir geht es um das Wohl des Landes Mecklenburg- wie sich die Linkspartei hier in diesem Land öffentlich zu Vorpommern, nicht um irgendwelche Sternchen oder bestimmten Schiffbauaufträgen verhalten hat! Aber das irgendwelche anderen Dinge, die damit im Zusammen- ist nur ein Punkt. hang stehen. Mir geht es darum, dass wir einen politi- schen Konsens mit der Wirtschaft finden, wie wir diese (Peter Ritter, DIE LINKE: Das kennen wir. – Zukunft der maritimen Wirtschaft in Mecklenburg-Vor- Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE) pommern tatsächlich gestalten können. Ich will, Herr Kollege Holter, mal eins ganz deutlich ma- (Zuruf von Manfred Dachner, SPD) chen, und das muss an dieser Stelle auch gesagt wer- den: Die Landesregierung – und das ist gerade gestern Und dazu – und wie oft haben wir das gemacht – wäre es noch in diesem Haus gewesen, wie der Ministerpräsident doch gut, wenn wir uns, der Landtag, die Regierung, es gesagt hat – setzt sich massiv gegenüber dem Bund einig wären gegenüber dem Bund und gegenüber den und im Rahmen der Ministerpräsidentengespräche dafür Banken, dass sie die Politik, die sie zurzeit betreiben, ein, dass der von Ihnen angesprochene Ausbau der nicht weiter fortführen können. Offshorewindenergie stattfindet aus genau den Gründen, die Sie angesprochen haben. Und anstatt, dass Sie sich Natürlich weiß ich auch aus Veröffentlichungen, so, wie hier hinstellen und sagen, der Ministerpräsident tut das Herr Schulte das hier deutlich gemacht hat, dass es auf Richtige, fangen Sie an, rumzumäkeln und zu kritisieren,

52 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 und sagen, die Landesregierung sollte endlich mal an- Das kann nicht sein. Deswegen ist die Frage: Wie macht fangen und handeln. sich die Politik stark für die maritime Industrie in Meck- lenburg-Vorpommern? Und Sie versagen vor der mariti- Und der zweite Punkt, um es noch mal deutlich zu ma- men Industrie in Mecklenburg-Vorpommern. chen: Wir können so viele Konzepte in diesem Land schreiben, wie wir wollen, Herr Holter, das wird irgend- (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) wann auch bei Ihnen ankommen. Solange die Rahmen- bedingungen für die Finanzierung dieser Vorhaben nicht Vizepräsidentin Regine Lück: Ich schließe die Aus- stehen, und die Entscheidung wird nicht in diesem Haus sprache. getroffen werden, solange sind diese Konzepte Maku- latur. Wir kommen zur Abstimmung.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Richtig.) Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den An- trag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Druck- Und ich will es an einem einzigen Beispiel deutlich ma- sache 6/1635 zur Beratung an den Wirtschaftsausschuss chen: Vor der Schiffbaukrise hat ein Containerschiff rund zu überweisen. Kann ich davon ausgehen, dass der 20 Millionen Euro gekostet, die abgesichert werden Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksa- mussten. Und wenn Sie heute ein Errichterschiff bauen che 6/1693 ebenfalls an den Wirtschaftsausschuss für die Offshorewindenergie, dann kostet Sie das mindes- überwiesen werden soll? tens 100 Millionen Euro. Das ist der Unterschied und das muss doch auch mal bei Ihnen ankommen. – Danke (Heinz Müller, SPD: Von den GRÜNEN. – schön. Helmut Holter, DIE LINKE: Wir haben keinen Änderungsantrag. Wir haben einen Antrag von (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD den LINKEN und wir haben einen Änderungs- und Marc Reinhardt, CDU) antrag von den GRÜNEN und wir bitten um Überweisung in den Wirtschaftsausschuss.) Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat nun noch einmal der Abgeordnete Herr Holter von der Fraktion DIE Ja, das weiß ich, Herr Holter. Und über die beiden wer- LINKE. den wir dann auch abstimmen.

(Michael Andrejewski, NPD: Ich lasse also zunächst über die Überweisung des Ände- Was soll das denn?) rungsantrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1693 abstimmen. Wer der Überwei- Helmut Holter, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine sung zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Damen und Herren! Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Ände- rungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Herr Schulte, dann will ich Sie fragen und auch den da- Drucksache 6/1693 mit den Stimmen von SPD, CDU und mals verantwortlichen Minister: Warum haben Sie damals NPD nicht überwiesen, bei Zustimmung der Fraktionen dieses Konzept „Zukunftsperspektiven der maritimen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Industrie in Mecklenburg-Vorpommern“ geschrieben? Die Rahmenbedingen waren damals genauso unklar wie Nun lasse ich abstimmen über die Überweisung des heute. Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1649 in den Wirtschaftsausschuss. Wer dieser Überweisung (Jochen Schulte, SPD: Ja, das ist zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzei- ja richtig, aber man muss ja nicht chen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der zweimal den gleichen Fehler machen.) Antrag der Fraktion DIE LINKE

Ja. Sie stellen das Konzept, welches Ihre Koalition auf (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) den Weg gebracht hat, da selbst infrage. Und das hat mit Planwirtschaft doch nichts zu tun, das hat doch was … auf Drucksache 6/1649 mit den Stimmen von SPD und CDU nicht überwiesen, bei Zustimmung der Fraktionen (Jochen Schulte, SPD: Nein, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der NPD. Herr Holter. Haben Sie einmal das Wort „Planwirtschaft“ aus meinem Mund gehört?) Nun komme ich zur Abstimmung über die Anträge.

Nein. Jetzt lasse ich zunächst abstimmen über den Ände- rungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Jochen Schulte, SPD: Na also.) auf Drucksache 6/1693. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksa- Das habe ich von Herrn Waldmüller gehört. che 6/1693 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit Mir geht es bloß darum, ich will das noch mal ganz sach- ist der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE lich sagen, die Frage ist doch: Welche Botschaft geht von GRÜNEN auf Drucksache 6/1693 mit den Stimmen von der Politik aus? Von dieser Politik, die ich eben gehört SPD, CDU und NPD abgelehnt, bei Zustimmung der habe, geht die Botschaft aus: Es ist uns eigentlich egal, Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. was passiert, solange der Bund nicht aus dem Muspott kommt. Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksa- che 6/1649 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um (Zuruf von Jochen Schulte, SPD) ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? –

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 53

Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Druck- und Wissenschaft waren es 14,71 Prozent. Heißt im sache 6/1649 mit den Stimmen von SPD und CDU abge- Umkehrschluss, dass 66,18 Prozent aller gezeigten Sen- lehnt, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE, deminuten dem sogenannten Qualitätsfernsehen dienen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der NPD. sollten.

Gemäß Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung Ähnliches lässt sich auch für die anderen öffentlich- benenne ich für die 37. und 38. Sitzung den Abgeordne- rechtlichen Sender ableiten. Doch was wird den Bürgern ten Torsten Renz zum Schriftführer. dort geboten? Hobbyhistoriker wie Guido Knopp, der mit seinen umstrittenen ZDF-Geschichtssendungen auch (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – deswegen nicht zuletzt bei vielen Historikern keinen Dr. Norbert Nieszery, SPD: guten Ruf genießt. Heftige Beförderung.) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Vor Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 22: Beratung des allen Dingen bei den nationalen nicht.) Antrages der Fraktion der NPD – Schluss mit der Abzo- cke bei den Rundfunkgebühren – 15. Rundfunkände- So kommt, rungsstaatsvertrag aufkündigen!, Drucksache 6/1657. (Udo Pastörs, NPD: Das sowieso.) Antrag der Fraktion der NPD Schluss mit der Abzocke bei den Herr Nieszery, so kommt es schon mal vor, Rundfunkgebühren – 15. Rundfunk- änderungsstaatsvertrag aufkündigen! (Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD) – Drucksache 6/1657 – dass der Historiker falsches Bildmaterial zur Veranschau- Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr lichung von Berichten über den Westfeldzug 1940 in Müller von der Fraktion der NPD. seiner Sendung benutzt.

(Der Abgeordnete Tino Müller (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Haben spricht bei abgeschaltetem Mikrofon. – Sie sich da gemeldet, oder was?) Peter Ritter, DIE LINKE: Mikro!) Gespannt dürften die Zuschauer auch sein, ob neben Tino Müller, NPD: Frau Präsidentin! Meine Damen und „Hitlers Manager“, „Hitlers Helfer“ nun vielleicht auch eine Herren! „Verrechnet: GEZ will Zwangsabgabe von totem Sendung Mathe-Genie“, so titelte der „Focus“ vor wenigen Wo- chen. Die Rede ist von dem bekannten Rechenmeister (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Adam Ries, der allerdings seit 450 Jahren tot ist. ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice – so der neue über „Hitlers Gärten“ oder „Hitlers Radiergummisamm- Name, der die in schlechten Ruf geratene GEZ ersetzen lung“ erscheinen. soll. Dies hindert jedoch nicht daran, den Vater des mo- dernen Rechnens schon zum wiederholten Male seit (Udo Pastörs, NPD: 2008 aufzufordern, „Rundfunkgebühren“ – beziehungs- Ja, das kommt noch.) weise neu: „Rundfunkbeiträge“ – zu entrichten. Mit der Sendequalität, Vor Beginn dieses Jahres musste jeder, der einen Fernseher, ein Radio oder andere Geräte unterhielt, (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Rundfunkgebühren zahlen. Seit 1. Januar 2013 wird die neue Abgabe für alle Haushalte fällig, und zwar für mit der Sendequalität ging es in den letzten Jahren im- jeden, gleichgültig, ob er einen Fernseher, ein Radio mer weiter kontinuierlich bergab. oder dergleichen besitzt. Schon jetzt verschlingen die öffentlich-rechtlichen Sender, das angebliche Qualitäts- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: fernsehen, jährlich rund 8 Milliarden Euro an Gebüh- Das können Sie beurteilen, ne?) rengeldern. Durch die Einführung der geräteunabhängi- gen Haushaltsabgabe von 17,98 Euro wird das Bei- Wie viel Mist und Schund sonst noch im Programm lau- tragsaufkommen sogar noch weiter steigen. Die fen, Bundesrepublik Deutschland leistet sich damit den teuersten Staatsfunk und die höchsten Gebühren der (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Herr Müller!) Welt. zeigte sich Ende Januar. Vordergründig kommt den öffentlich-rechtlichen Rund- funkanstalten der Auftrag zu, die Zuschauer mit Infor- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ah ja!) mationen, Bildung und Kultur zu versorgen. Gerade in Zeiten des dualen Rundfunksystems und vor allem des In der ZDF-Talkrunde von Markus Lanz konnte man Internets gerät dieser sogenannte Bildungsauftrag der einen geschminkten Travestiekünstler dabei erleben, wie Öffentlich-Rechtlichen mit ihren parteipolitisch ausge- er plastisch sein schwuchteliges Bühnenprogramm be- wählten Rundfunkräten allerdings zur Farce. Ein Blick in schrieb den Geschäftsbericht des Norddeutschen Rundfunks von 2011 zeigt die tatsächliche Aufteilung der Fernseh- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was für ein Ding? – beiträge. 51,47 Prozent der Sendezeit machten die Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, Themenfelder Politik und Gesellschaft aus. Für Kultur und Udo Pastörs, NPD)

54 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 und unentwegt, ich zitiere, von „Genitalien“ und „Absa- „Stern“ an den MDR-Gremien vorbei Geld zur Finanzie- men“ sprach. rung von TV-Produktionen organisiert haben.

Solche Auswüchse von angeblichem Qualitätsfernsehen Ins Gedächtnis möchte ich auch den ehemaligen Leiter können fortan noch in viel größerem Stil durch die gerä- der MDR-Sportredaktion Wilfried Mohren rufen. Dieser teunabhängigen Rundfunkbeiträge finanziert werden. wurde bereits vor Jahren wegen Vorteilsnahme und Be- stechlichkeit zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. (Zuruf von Sylvia Bretschneider, SPD) (Udo Pastörs, NPD: Auch ein Die Zuschauer werden mit langweiligen Talkshows, Seri- Mitglied einer demokratischen Partei.) enformaten und Filmproduktionen auf niedrigem Niveau unterhalten, Zudem erhielt er eine Geldstrafe wegen Betrugs und Steuerhinterziehung. Mohren hatte Geldbeträge dafür (Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD) kassiert, dass er bestimmte Veranstaltungen im Pro- gramm sendete und somit Werbebotschaften platzierte. aber kaum informiert oder kulturell gebildet. Zahlreiche Regional- und Spartensender dienen größtenteils als Sie sehen also, dass der warme Geldregen, den ARD, kostenfressende Wiederholungsschleifen, bieten aber ZDF und Deutschlandradio durch die unsägliche GEZ- keinen medialen Mehrwert. Abzocke empfangen, scheinbar regelrecht zu Straftaten anregt. Es ist schon äußerst absurd, dass der NDR- (Zuruf von Andreas Butzki, SPD) Intendant Lutz Marmor den Rundfunkbeitrag einen „Soli- daritätsbeitrag“ beziehungsweise einen „Solibeitrag“ Nicht anspruchsvoller Journalismus, sondern inhaltsleere nennt. Plattheit füllen die Programme der öffentlich-rechtlichen Sender. Doch wofür brauchen wir einen Solibeitrag?

Der NDR beschäftigt gegenwärtig um die 3.500 Mitarbei- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: ter. Diese aufgeblähte Personalbestückung verschlingt Für gutes Fernsehen.) jährlich über 300 Millionen Euro. Etwa für gigantische Gagen für einzelne Talkshowmode- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) ratoren, die zum Teil mehr als 100.000 Euro pro Sen- dung erhalten? Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtun- gen machen gar eine Rekordsumme von fast 1 Milliarde (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Euro aus. Oh, wie flach ist denn die Rede?!)

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oder vielleicht für Herrn Marmor, der als Intendant beim Da sind aber auch Orchester dabei. NDR jährlich 300.000 Euro verdient? Und als ob das Die spielen auch Wagner.) nicht schon genug wäre, legte der WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn noch einen drauf und sprach gar von Diese Zahlen stammen nur vom Norddeutschen Rund- einer „Demokratieabgabe“. funk. Eine Aufstellung aller staatlichen Rundfunksender würde eine weitaus höhere Kostenexplosion ausweisen. (Udo Pastörs, NPD: Ja, Demokratieabgabe.) Angesichts dieser Zahlen kann man von einem Staats- funk sprechen, der regelrecht im Geld schwimmt. Und Die NPD sagt: Schluss mit dieser miesen GEZ-Abzocke! gerade deswegen verkommt er zu einem Selbstbedie- nungsladen, in dem es mittlerweile zahlreiche Fälle von (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, ja.) Betrug, Untreue, Mauschelei und Schleichwerbung gibt. Mit der Aufkündigung des 15. Rundfunkänderungsstaats- Ich möchte an dieser Stelle an die Leiterin der NDR- vertrages kann die Gebührenverschwendung sowie die Fernsehabteilung Doris Heinze erinnern. Heinze kaufte allgemeine Schlechterstellung durch die unabhängige Drehbücher bei ihrem Mann, die dieser unter einem Haushaltsabgabe endlich beendet werden. Die NPD Pseudonym schrieb. Sie wurde wegen Bestechlichkeit fordert eine wirkliche Rundfunkreform, und Betrugs in Tateinheit mit Untreue zu einer Bewäh- rungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aha! Wie soll die denn aussehen, Herr Müller? Erzählen Sie mal!) (Udo Pastörs, NPD: Sie ist Mitglied einer demokratischen Partei.) keine Erpressung der Gebührenzahler

Ihr Ehemann, der Mitangeklagte Claus Strobel, wurde (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit zu 3.240 Euro verur- teilt. durch Zwangsabgaben,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Volksempfänger?)

Weiter steht der frühere MDR-Unterhaltungschef Udo sondern eine nachhaltige Entlastung. Foht im Visier der Staatsanwaltschaft. Die Behörden ermitteln gegen ihn wegen des Verdachts auf Bestech- (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – lichkeit, Untreue und Betrug. Foht soll nach Angaben des Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 55

Anderenfalls schlagen wir Ihnen, Herr Nieszery, vor, eigentlich aus formalen Gründen abgelehnt werden müsste. In den ersten vier Zeilen des Antrags finde ich (Dr. Norbert Nieszery, SPD: allein drei Fehler. Ja, bitte?) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: demnächst vielleicht auch eine Gehwegabgabe ins Auge Rechtschreibfehler, oder was?) zu fassen. Nee, das sind schon bedeutendere Fehler. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nee.) Das wird die NPD nicht überraschen, Diese wäre, (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) weil sie hohe Fehlerquoten sicherlich seit ihrer Schulzeit dies wäre nämlich genauso absurd wie das Bezahlen von kennt. Aber für eine Fraktion, die staatliche Millionenför- Dienstleistungen, die man gar nicht in Anspruch nehmen derungen bekommt, sind drei Fehler in vier Zeilen schon will. ziemlich peinlich,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: (Michael Andrejewski, NPD: Hören Sie kein Radio?) Jawohl, Herr Lehrer!)

Ich danke für Ihre nicht vorhandene Aufmerksamkeit. wobei, in der Tat, ich muss mich korrigieren, Peinlichkeit setzt ein funktionierendes Werte- und Normenverständ- (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – nis voraus. Das können wir bei der NPD nicht vorausset- Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD) zen.

Vizepräsidentin Regine Lück: Im Ältestenrat wurde (Udo Pastörs, NPD: Natürlich nicht.) eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann Also sind diese Fehler von der NPD nicht peinlich, son- ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. dern vor allem lächerlich.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Saalfeld von der (Stefan Köster, NPD: Lächerlich sind Sie!) Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Schauen wir uns also das Chaos mal an! Der 15. Rund- Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr funkänderungsstaatsvertrag soll also entsprechend Pa- geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her- ragraf 15 fristgerecht gekündigt werden. Nun ja, leider ren! Da haben wir ja mal wieder eine echte Räuberpistole hat der Rundfunkänderungsstaatsvertrag gar keinen von der NPD aufgetischt bekommen. Paragrafen 15. Der Staatsvertrag hat nämlich nur sieben Artikel und unterschiedlichste Kündigungsfristen. Ich (Zuruf von Stefan Köster, NPD) glaube, Sie haben das gesamte Vertragswerk überhaupt nicht verstanden. Der im 15. Rundfunkstaatsvertrag ent- Nur sitzen wir leider nicht abends am beschaulichen haltene Rundfunkbeitragsstaatsvertrag hat tatsächlich Lagerfeuer zum Zeitvertreib, einen Paragrafen 15, den meinen Sie vermutlich. Das steht hier aber nicht im Antrag, das ist also reine Speku- (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD) lation von mir. um uns unglaubliche und haarsträubende Geschichten (Dr. Norbert Nieszery, SPD: So genau anzuhören, wollen wir das gar nicht nehmen.)

(Udo Pastörs, NPD: Was Wenn der Landtag nun in der Überschrift des NPD- haben Sie für Vorstellungen!) Antrags aufgefordert wird, die eigentlich nur Kinder und Leichtgläubige glauben, (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) sondern wir sitzen hier im Landtag und müssen uns da- her zeitverschwenderisch mit diesem politischen Unfug, den Rundfunkänderungsvertrag aufzukündigen, die NPD aber im Antrag selbst nur die Aufkündigung des Bei- (Stefan Köster, NPD: Jetzt tragsstaatsvertrags fordert, dann sehe ich da zumindest fängt er wieder an zu weinen. – einen unlösbaren Widerspruch. Zuruf von Tino Müller, NPD) Der Rundfunkstaatsvertrag kann im Übrigen nur nach den uns die NPD leider regelmäßig präsentiert, beschäf- Paragraf 62 ganz oder eben gemäß mehrerer Einzelnor- tigen. men im Änderungsvertrag teilweise gekündigt werden. Der ganze Antrag, wie er uns vorliegt, funktioniert so also (Michael Andrejewski, NPD: nicht. Das war aber, wie gesagt, nur der erste Fehler. Sie können gleich wieder gehen. – Zuruf von Stefan Köster, NPD) Der zweite Fehler ist die Behauptung, dass der Rund- funkänderungsstaatsvertrag Anfang des Jahres in Kraft Zunächst einmal muss ich feststellen, dass der Antrag getreten sei. Das ist eine Marginalie, aber ich möchte es von Fehlern nur so strotzt und daher selbst von der NPD hier erwähnen, das ist auch falsch. Es gibt mehrere In-

56 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 krafttretungstermine von unterschiedlichen Teilen des der Pressefreiheit und der vierten Gewalt im Staat abzu- Gesamtvertrages. Sie haben, wie gesagt, meines Erach- schaffen. tens das ganze Vertragswerk nicht verstanden. (Michael Andrejewski, NPD: Und nach Ihrem fehlerstrotzenden Dreizeilenantrag Der ist Parteieigentum.) kommen wir zur ersten Zeile Ihrer Begründung. Was lesen wir da? Aha, die Neuregelung führe zu keiner Ent- Es geht der NPD darum, kritische Stimmen gegen ihre lastung der Gebührenzahler. Und nur so, na ja, der Satz volksverhetzende Politik mundtot zu machen. ist insofern falsch, weil es keine Gebührenzahler mehr gibt, die heißen nämlich jetzt Beitragszahler. Ich glaube, (Michael Andrejewski, NPD: Ach Gott!) das sollte bei Ihnen auch angekommen sein. Das wird deutlich, wenn man sich die restlichen räuber- (Udo Pastörs, NPD: Hochintellektuelle pistolenartigen Sätze der Begründung ansieht. Leistung, die Sie da abliefern!) (Udo Pastörs, NPD: Räuberpistolen!) Und die bezahlen 17,98 Euro pro Monat. Da wird mit Verleumdungen gegen den öffentlich- (Michael Andrejewski, NPD: rechtlichen Rundfunk gehetzt, dass es einem kalt den Haarspalterei!) Rücken herunterläuft.

Im Übrigen zahlen 90 Prozent aller Bürgerinnen und (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Bürger nach der Umstellung vom Gebührenmodell auf das Beitragsmodell Sogar von einem „Medien-Monster“ wird gesprochen. Ich frage mich allerdings, ob die NPD ihre eigenen, schein- (Udo Pastörs, NPD: Intellektuell bar hohen Maßstäbe auch auf sich selbst oder nur auf armselig, was Sie da abliefern.) andere anwendet. Vetternwirtschaft, Betrug und Verun- treuung sind auch schon bei der NPD nachgewiesen genauso viel oder wenig wie vorher. worden.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD) (Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und gestatten Sie mir die persönliche Bemerkung, dass Konsequenterweise müsste die NPD nun auch von sich ich den Beitrag in Höhe von 17,98 Euro nicht für unan- als „Partei-Monster“ sprechen und sich am besten gleich gemessen hoch halte. selbst abschaffen,

(Udo Pastörs, NPD: Na ja!) (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Das Monatsabo der „Bild-Zeitung“ kostet zum Beispiel schon allein deshalb, weil Mitglieder der NPD nachge- genauso viel, nämlich 17,90 Euro. wiesene Gewalttäter und Volksverhetzer sind, meine Damen und Herren. (Michael Andrejewski, NPD: Was Sie alles wissen!) (Udo Pastörs, NPD: Oh!)

Die regionalen Zeitungen kosten sogar monatlich mehr Alles Straftaten, deren sich dagegen der öffentlich- als der öffentlich-rechtliche Rundfunk. rechtliche Rundfunk zumindest

(Michael Andrejewski, NPD: Die (Udo Pastörs, NPD: Oh!) „Bild-Zeitung“ muss man aber nicht lesen.) als solches noch nicht verdächtig gemacht hat. Wer sich das Sport- und Filmpaket vom Bezahlfernseh- sender Sky in HD bestellt, (Udo Pastörs, NPD: Haben Sie nachgeschaut, was (Zuruf von Stefan Köster, NPD) Sie für Leichen im Keller haben?) bezahlt knapp 40 Euro im Monat, Also wahren wir doch bitte die Relationen! Wenn die NPD mit moralischen Anforderungen und Maßstäben (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) daherkommt, der Amazon-Videoverleih kostet in einer vergleichbaren (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Flatrate exakt das gleiche wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Allerdings, das muss ich hier anmerken, bietet soll sie doch bitte zuvor ihren eigenen Sauhaufen auf- uns der öffentlich-rechtliche Rundfunk meiner Meinung räumen. Alles andere ist meiner Meinung nach heuchle- nach weit mehr als Sky oder der Videoverleih von Ama- risch und scheinheilig. zon. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Meine Damen und Herren von den demokratischen Frak- Das sind wir nicht anders gewohnt.) tionen, uns allen ist bewusst, warum die NPD heute die- sen Antrag stellt. Es geht ihnen schlicht darum, den öf- Was ist denn nun aber eigentlich das Ziel der NPD in der fentlich-rechtlichen Rundfunk als wichtigen Bestandteil Medienlandschaft?

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 57

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Da müssten Sie sich ja eigentlich mal drüber empören.

Wieder Zustände zu schaffen wie im Dritten Reich? Das (Udo Pastörs, NPD: Ich glaube, lehne ich dankend ab, und zwar nicht nur, weil im Radio Sie haben einen Knall.) nur langweiliger Propagandamist durch Volksempfänger und Goebbelsschnauze schallte, sondern weil der Rund- 80 Prozent zweckentfremdet! Das ist heute nicht mehr funk damals im Verhältnis zu heute noch viel teurer war. vorstellbar. Also wenn das die Alternative sein soll, die uns die NPD da nahelegt, bloß nicht! (David Petereit, NPD: Ungebildet bis zuletzt.) (Zuruf von David Petereit, NPD) Der Reichsempfänger mit seinen drei Knöpfen kos- tete um die 70 Reichsmark, das entspricht heute etwa Das sind wirklich Räubermethoden und wir erkennen an 350 Euro. diesem Beispiel sehr gut,

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Mit Volksempfänger!) wie anständig unsere Zeiten eigentlich sind. Wer gäbe heute noch 350 Euro für einen krächzenden Bakelitkasten mit drei Knöpfen aus? (Stefan Köster, NPD: Eine Frage: Nehmen Sie Drogen? – (Michael Andrejewski, NPD: Gab es Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) damals eigentlich schon Gebühren?) Meine Damen und Herren, zurück zum Ernst der Sache. Ab 1940 gab es dann auch nur noch zwei Radiosender Natürlich gibt es auch noch Probleme mit unserem heuti- zu empfangen und man musste dafür zwei Reichsmark gen Rundfunkbeitrag, unbenommen, aber ein großer Teil monatliche Rundfunkgebühr zahlen, also umgerechnet der Probleme wurde bereits gelöst und so gibt es für 9,50 Euro monatlich. sozial benachteiligte Menschen in unserem Land eine ganze Reihe von Befreiungen vom Rundfunkbeitrag, die (Michael Andrejewski, NPD: Was es früher so nicht gab. Sie bei Wikipedia so alles lesen!) Aber es gibt selbstverständlich, das hatte ich schon ein- Hallo, 9,50 Euro für zwei langweilige Radiosender! Da geräumt, auch weiterhin ungelöste Probleme. Die brau- müssten wir ja für das heutige breite und vielfältige öf- chen wir auch nicht wegzudiskutieren. Doch unser politi- fentlich-rechtliche Senderangebot etwa 150 Euro im sches System hält zur Lösung dieser Probleme sehr gute Monat zahlen, in dieser Relation. Mechanismen zur Verfügung,

(Udo Pastörs, NPD: Das ist noch zu wenig.) (Udo Pastörs, NPD: Als Zwangsabgabe.)

Da sind wir doch alle froh, dass diese Zeiten endgültig um eben Gesetze zu korrigieren und Probleme zu lösen. vorbei sind. Zum Beispiel konnte ich im aktuellen Monatsheft „Der Überblick“ des Städte- und Gemeindetages Mecklen- (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, burg-Vorpommern lesen, dass die Spitzenverbände der DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kommunen bereits im intensiven Gespräch mit den Udo Pastörs, NPD: Was ziehen Sie Rundfunkanstalten und den Staatskanzleien stehen. Und für hanebüchene Vergleiche?!) ich konnte lesen, dass sie auf einem guten Weg sind, in Zukunft in etwa die gleiche Höhe der Beiträge und Doch ich musste leider noch viel mehr lesen. Und Beträge zu zahlen, wie sie früher Gebühren bezahlt jetzt kommt es ganz dicke für alle Dritte-Reich- haben. Sympathisanten. Auch etwaigen Auseinandersetzungen vor dem Bundes- (Heiterkeit vonseiten der Fraktionen verfassungsgericht sehe ich als Demokrat gelassen ent- DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – gegen, weil solche Auseinandersetzungen zu unserer Udo Pastörs, NPD: Oh!) Demokratie nun einmal dazugehören. Sie sind nicht schädlich, sondern gut, weil sie zur Rechtssicherheit Von den zwei Reichsmark monatlich kamen nämlich nur beitragen. Ich hätte mir solche Korrektive, also freie Ge- 38 Pfennig beim Rundfunk wirklich an, den Rest setzte richte, in anderen Zeiten der deutschen Geschichte ger- das Propagandaministerium für rundfunkfremde Leistun- ne gewünscht. gen ein. (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) (Udo Pastörs, NPD: Oh!) Meine Damen und Herren, in diesem Sinne halte ich den Über 80 Prozent des damaligen Rundfunkbeitrags ganzen vorliegenden Antrag der NPD, der nur so vor Fehlern strotzt und Maßstäbe ansetzt, die vor allem die (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) NPD selbst nicht erfüllt, für absolut überflüssig und kont- raproduktiv, jeden einzelnen Satz, jedes vergiftete Wort. wurden von Goebbels und seinen Konsorten zweckent- Deswegen können die demokratischen Fraktionen wie- fremdet. Unvorstellbar! derholt begründet sowie mit bestem Wissen und Gewis- sen den Antrag als getarnte Räuberpistole ablehnen. – (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nee.) Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

58 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, Film-, Show- und Serienarchiv ein zweites Mal ver- DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) golden – durch“ Abogebühren, „Abrufentgelte und Werbeeinnahmen“, Zitatende. Diese geplante enge Vizepräsidentin Regine Lück: Herr Saalfeld, ich weise Zusammenarbeit in der Vermarktung verstoße aber ge- Ihre Äußerungen zurück und erteile Ihnen einen Ord- gen Wettbewerbsrecht, wie das Kartellamt verlautbaren nungsruf. ließ.

(Stefan Köster, NPD: Die ganze Rede (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) wurde zurückgewiesen, Herr Saalfeld. – Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, Die lange Nase des Geldscheffelns scheint noch lange und Udo Pastörs, NPD) nicht erreicht. Die ohnehin schon mit Milliarden finanzier- ten Öffentlich-Rechtlichen kriegen den Hals einfach nicht Jetzt bitte ich Herrn Müller ums Wort. voll genug.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE – (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Der Abgeordnete Tino Müller spricht bei abgeschaltetem Mikrofon. – Der gesamte Apparat gehört endlich auf den Prüfstand. Peter Ritter, DIE LINKE, und Auch die Kommunen und Unternehmen sind durch die Stefan Köster, NPD: Mikro! – neue Umstellung mit Mehrbelastungen konfrontiert. Michael Andrejewski, NPD: Der hat seine Gebühr nicht bezahlt. – Des Weiteren regen wir an, dass die Landesregierung Dr. Norbert Nieszery, SPD: Jetzt los!) den Rundfunkstaatsvertrag mit dem MDR aufkündigt. Machen Sie den Weg frei für eine eigene Landesmedi- Tino Müller, NPD: Frau Präsidentin! Meine Damen und enanstalt! Herren! (Peter Ritter, DIE LINKE: Die ist Herr Saalfeld, auf Ihre geistig umnachteten Ausführun- dann zum Nulltarif zu haben, ja?) gen Selbst Bundesländer wie das Saarland oder Bremen (Manfred Dachner, SPD: Oh! – unterhalten eigene öffentlich-rechtliche Medienanstal- Peter Ritter, DIE LINKE: Na, na, na, na!) ten. möchte ich jetzt nicht weiter eingehen und auch nicht auf (Peter Ritter, DIE LINKE: Bezahlen Ihre Haarspalterei. Sie die aus Ihrer Parteikasse?)

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Ein erster Schritt Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE) (Peter Ritter, DIE LINKE: Ach nee, Fakt ist, dass die Zwangsabgabe für den öffentlich- die ist ja leer. Geht ja nicht.) rechtlichen Rundfunk für eine nachhaltige Entlastung, Herr Ritter, (Peter Ritter, DIE LINKE: Hauptsache, der Scheitel sitzt, Herr Müller!) (Peter Ritter, DIE LINKE: Hat Herr Köster alles vergeigt.) immer mehr in der Kritik steht. ist die Beendigung des 15. Rundfunkänderungsstaatsver- (Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE) trages.

Dass die Bürger gegen diese himmelschreiende Unge- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) rechtigkeit protestieren, dürfte der SPD-CDU-Koalition doch klar gewesen sein. Die Zustimmung für die Ände- Beitragswucher und Gebührenabzocke müssen endlich rung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages hier in abgeschafft werden. Beim Bayerischen Verfassungsge- diesem Hause erfolgte gegen die Stimmen der NPD- richt ist bereits eine Klage gegen den Rundfunkbeitrag Fraktion. anhängig. Im Namen meiner Fraktion beantrage ich na- mentliche Abstimmung. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wen stört das?) (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach, Ihre wohlwollenden Worte und Plädoyers für die Öffent- da haben wir ja drauf gewartet.) lich-Rechtlichen werden daran auch nichts ändern. Vizepräsidentin Regine Lück: Herr Müller, ich erteile Erst kürzlich intervenierte das Bundeskartellamt erneut Ihnen und auch dem Abgeordneten Pastörs für Ihre Äu- gegen ARD und ZDF. Wie die „Frankfurter Allgemeine ßerungen jeweils einen Ordnungsruf. Zeitung“ vom 12. März 2013 berichtete, (Minister Harry Glawe: (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) Geht Schlag auf Schlag hier.) ich zitiere, „wollen ARD und ZDF ihr riesiges, zum Die Fraktion der NPD hat jetzt zum Antrag auf Drucksa- größten Teil aus den Zuschauergebühren bezahltes che 6/1657 eine namentliche Abstimmung beantragt.

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 59

Meine Damen und Herren, wir beginnen nun mit der Ja, da macht Fahrradfahren Spaß. Es ist gesund, es ist Abstimmung. Ich bitte Sie, sich zu Ihren Plätzen zu be- einfach sexy. Fahrradtourismus braucht eine größere geben, damit vom Präsidium aus das Stimmverhalten Lobby, dann bekommt er auch die gleiche Aufmerksam- eines jeden Mitglieds des Landtages zu erkennen ist. keit wie der Kfz-Verkehr und eine adäquate Finanzaus- Darüber hinaus bitte ich Sie alle im Saal, die Anwesen- stattung. Hier appelliere ich an die Landesregierung und den, während des Abstimmungsvorganges von stören- auch an den Bund, die Kommunen nicht im Regen ste- den Gesprächen Abstand zu nehmen. hen zu lassen.

Ich bitte nunmehr den Schriftführer, die Namen aufzuru- (Beifall vonseiten der Fraktion fen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Die namentliche Abstimmung Neben finanziellen Entscheidungen geht es aber auch wird durchgeführt.) um die notwendige politische Unterstützung. M-V braucht einen Radverkehrsplan. Es gibt bereits in den einzelnen Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Planungsregionen viele gute Ansätze. Hier müssen wir Stimme nicht abgegeben hat? das Rad nicht neu erfinden. Es fehlt aber daran, alles zusammenzutragen und abzustimmen. Für mein Wahl- (Die Abgeordneten Rainer Albrecht, kreisbüro hat eine Diplom-Landschaftsarchitektin zu Julian Barlen und Ingulf Donig werden diesem Thema zwei Monate gearbeitet. Sie schätzt es so nachträglich zur Stimmabgabe aufgerufen.) ein, dass sich aus dem vorhandenen Material bis Ende des ersten Quartals 2014 ein brauchbarer Radverkehrs- Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine plan erarbeiten lässt. Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Meine Damen und Herren, ein Radverkehrsplan ist mehr als der Bau von Radwegen. Der Radverkehr ist ein Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu begin- höchst komplexes System. Um die Potenziale des Rad- nen, und unterbreche die Sitzung für zwei Minuten. verkehrs stärker zu aktivieren, müssen sowohl harte Maßnahmen als auch sogenannte weiche Maßnahmen Unterbrechung 13.59 Uhr wie Dienstleistung, Kommunikation und Information um- ______gesetzt werden. Ein landesweites Radverkehrskonzept bietet die Chance, von vornherein alle Baulastträger mit Wiederbeginn: 14.01 Uhr einzubeziehen. Dadurch können durchgehende und sichere Verbindungen entstehen, die den Radverkehr Vizepräsidentin Regine Lück: Ich eröffne die Sitzung. weiter wachsen lassen. Hierdurch kann auch das touristi- sche Hinterland besser erschlossen werden. An der Abstimmung haben insgesamt 51 Abgeordnete teilgenommen. Mit Ja stimmten 5 Abgeordnete, mit Nein Bereits 2009 wurde vom damaligen Verkehrsministeri- stimmten 46 Abgeordnete, es enthielten sich keine Ab- um ein recht gutes und auch anfangs funktionierendes geordneten. Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD Netzwerk „mv bike“ mit 61 Kommunen – 61 Kommunen, auf Drucksache 6/1657 abgelehnt. meine Damen und Herren! – initiiert. Die Hochschule Wismar hat dieses Kommunikationsnetz koordiniert. Es Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 25: Beratung des ist 2010 sogar für den Deutschen Fahrradpreis nomi- Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Erar- niert worden, aber aufgrund fehlender Finanzierung ist beitung eines Radverkehrsplanes Mecklenburg-Vorpom- es seit Anfang 2012 leider nicht mehr aktiv. Hier erwar- mern, Drucksache 6/1634. ten wir einfach einen Neustart in Kombination mit der Erstellung eines Radverkehrsplans. Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Der Radverkehr braucht im Gegensatz zum Autoverkehr Erarbeitung eines Radverkehrsplanes eine stärkere Lobby. Wir erwarten eine konsequente Mecklenburg-Vorpommern politische Prioritätensetzung. Der Radverkehr ist im tou- – Drucksache 6/1634 – ristischen Bereich ein ganz großer Wirtschaftsfaktor. Laut einer ADAC-Studie von 2010 werden in Deutschland für Das Wort zur Begründung hat Frau Gerkan von der Frak- eine Radreise durchschnittlich 1.170 Euro ausgegeben. tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. 2012 hat Bayern dann Mecklenburg-Vorpommern als beliebteste Radreiseregion auf Platz 2 abgehängt, gefolgt Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte von Brandenburg. Mecklenburg-Vorpommern kann es Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde sich nicht leisten, bei diesem wichtigen Wirtschaftsfaktor im Kommenden Ihre Vorstellungskraft etwas bemühen. zu verlieren. Wir haben Frühlingsanfang, Der Radverkehr darf allerdings auch nicht nur als touristi- (Heinz Müller, SPD: Gestern. Gestern.) scher Faktor gesehen werden, sondern er kommt vor allem der Allgemeinheit zugute. Städte mit einem hohen das haben wir von meinem Kollegen schon gehört. Stel- Radverkehrsanteil wie beispielsweise Greifswald oder len Sie sich angenehme 15 bis 20 Grad Celsius vor, dazu Rostock werden als besonders liebenswert, lebenswert eine leichte Mecklenburger Brise, etwas Vogelgezwit- und lebendig empfunden. Radverkehr verbraucht wenig scher, und Sie rauschen mit dem Rad durch die Natur. Fläche und ist ganz besonders umweltfreundlich. Schluss mit zugeparkten Straßen, Schluss mit CO2 und Fein- (Minister Dr. Till Backhaus: staub! Das Umweltbundesamt schätzt, dass durch eine Fahren Sie sich mal nicht fest jetzt!) Verdoppelung des Radverkehrsanteils am Gesamtver-

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kehr in Deutschland etwa 7,5 Millionen Tonnen CO2 pro ter schaffe ich auch im Jahr, leider nicht genug, aber Jahr eingespart werden können. kann ja nur noch besser werden. Aber wenn man die Situation auf unseren Radwegen zurzeit anschaut, glau- Im Hinblick auf den ländlichen Raum ist ein gutes Radver- be ich, wäre es zurzeit nicht so amüsant, mit dem Fahr- kehrsnetz ein wichtiger Punkt in der Daseinsvorsorge. Uns rad zu fahren. geht es um die wichtigsten Lückenschlüsse. Das ist die kostengünstigste Variante. An vielen Stellen fehlen nur Aber zum Thema: Ich darf heute Herrn Schlotmann ver- wenige Kilometer, an anderer Stelle können vorhandene, treten und ich glaube, man darf das hier auch mal sagen, wenig befahrene Landstraßen genutzt werden. An stärker ich wünsche ihm wirklich gute Besserung, dass er schnell befahrenen Straßen helfen bereits Radfahrstreifen oder wieder hier sein kann und damit auch seine Aufgaben auch gestrichelte Schutzstreifen, um die notwendige Ver- wieder voll wahrnehmen wird. Ich wünsche ihm wirklich kehrssicherheit für Radfahrer/-innen zu erzielen. von dieser Stelle gute Besserung.

Gerade im ländlichen Raum spielt das Fahrrad im All- (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, tagsverkehr eine zunehmende Rolle. Viele haben aus DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Alters-, Kosten- oder Gesundheitsgründen kein Auto. Wie sonst sollen die Menschen von A nach B, zu den Amts- Das hat er bestimmt jetzt gehört und es wird ihm dadurch gerichten, zu den Schulen, zu den Ärzten kommen? Hier auch schneller besser gehen. muss die Landesregierung die notwendige Verkehrssi- cherheit schaffen. Auch spielt das Fahrrad eine wichtige Ja, ich will dann auch die Rede, die vorbereitet worden Rolle beim Erreichen von Bahn- und Busstationen. Hier ist, hier vortragen, und werde einige Aspekte noch zu- fehlen sichere Abstellmöglichkeiten und attraktive Mit- sätzlich mit einflechten. Im Kern fordern Sie hier einen nahmemöglichkeiten für das Fahrrad. Radverkehrsplan für das Land Mecklenburg-Vorpom- mern, um, ich darf zitieren, eine „engagierte Fahrradför- Für die GRÜNE-Fraktion steht es außer Frage, dass der derung … zu unterstützen“. Also ob es alleine ums Fahr- Radverkehrsplan Bestandteil des in Planung befindlichen rad geht, ich glaube, da haben wir uns richtig verstanden, Integrierten Landesverkehrsplans der Landesregierung es geht ja um die Infrastruktur, um mit dem Fahrrad sein muss. Der Fahrradtourismus ist eine wachsende von A nach B zu kommen. Ich glaube, da sind wir uns Branche für den Tourismus und unsere touristisch ge- auch einig. prägte Wirtschaft kann es sich nicht leisten, diese Ziel- gruppe zu vernachlässigen. Gleich vorweg: Ich will betonen, es bedarf keines eige- nen Radwegeplanes durch das Land Mecklenburg- Ich möchte Sie für einen Radverkehrsplan gewinnen. Ein Vorpommern, und ich möchte Ihnen das auch insofern wichtiger Punkt ist, dass der Alltagsradverkehr mit dem erläutern. Das Fahrrad ist ein kommunales Verkehrsmit- touristischen Radverkehr Hand in Hand gehen muss. tel. Ich glaube, da sind wir uns einig. Und dass das auch Insbesondere der Alltagsradverkehr wird verkehrspolitisch weiter unterstützt werden soll, ist durch das Verkehrsmi- immer noch unterschätzt, meine Damen und Herren. Ich nisterium, Energieministerium auch immer wieder gesagt bitte um Ihre Zustimmung. – Danke schön. worden. Das Fahrrad kann nämlich über den Nahbereich von bis zu zehn Kilometern hinaus nur im Zusammen- (Beifall vonseiten der Fraktion hang mit anderen Verkehrsmitteln, vorzugsweise dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) öffentlichen Verkehr, seine Wirkung voll entfalten. Daher wird der Radverkehr auch Teil des Integrierten Landes- Vizepräsidentin Regine Lück: Im Ältestenrat wurde verkehrsplanes werden, in dem wir insbesondere die eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten Schnittstellen von Verkehrsträgern entwickeln wollen. vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann Sie haben ja da auf die Bahnhöfe und andere Schnittstel- ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. len bereits hingewiesen. Also man arbeitet daran sehr intensiv. Das Wort hat der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz in Vertretung für den Minister Auch die Untersetzung des Nationalen Radverkehrspla- für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung. Herr nes ist für einen Landesradwegeverkehrsplan aus der Dr. Backhaus, bitte. Sicht des Verkehrsministeriums überflüssig. Die Landes- verwaltung war an der Entwicklung des neuen Nationalen Minister Dr. Till Backhaus: Vielen Dank. Radverkehrsplanes beteiligt. Und dieser Verkehrsplan, der national Bedeutung hat, enthält ja auch bereits diffe- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten renzierte Aufgabenstellungen für die Länder und vor allen Damen und Herren! Fahr doch mal wieder Rad! Dingen für die Kommunen. Die im Antrag angesproche- nen Punkte sind im Übrigen alle Teil der Entwicklung des (Zuruf von Silke Gajek, Integrierten Landesverkehrsplanes und werden von der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Landesregierung in Umsetzung des Nationalen Radver- kehrsplanes vorangetrieben und teilweise natürlich be- Wenn wir uns hier die Situation anschauen und wenn fördert und unterstützt. man quer ... Die Integrierte Landesverkehrsplanung hat auch zum (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ziel, ganz klar den Radwegeanteil weiter deutlich zu Nächsten Monat wird das möglich sein, erhöhen. Zentral ist dabei die Verfügbarmachung des Herr Backhaus. Sehr, sehr gerne.) tatsächlich durch den Radverkehr bereits nutzbaren Radwegenetzes, des Netzes, das aus allen für den Rad- Ja, dann können wir ja zusammen radeln. Also ich fahre verkehr nutzbaren Straßen und Wegen besteht im auch wirklich sehr, sehr gerne Rad und ein paar Kilome- Übrigen.

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Dazu läuft aktuell ein gemeinsames E-Government- kehrsmittel, die werden sehr zu schätzen wissen, dass Projekt aus dem Energieministerium und dem Innen- wir eine Infrastruktur seit der Wende entwickelt haben, ministerium. Ziel dieses Projektes ist die Erfassung die wir vorher überhaupt nicht gekannt haben. Ich glau- des Radverkehrswegesystems Mecklenburg-Vorpom- be, das ist auch eine wichtige Aussage. mern und die dann auch anschließende Darstellung in einem Internetonlineportal. Dazu sollen noch die Service- Im Übrigen sind über 5.000 Kilometer ländliche Wege leistungen, von denen Sie ja richtigerweise gesprochen neu gebaut worden, auch Dorfverbindungswege, um haben, wie die Routenplanung oder auch ähnliche Ange- damit auch deutlich zur Entwicklung der Fahrradinfra- bote hinzukommen. struktur beizutragen. Und es ist natürlich so, dass an verschiedenen Beispielen, das wird hier noch mal deut- Die geforderte bessere Vernetzung der Angebote im lich, weitere Initiativen des Energieministeriums, nämlich öffentlichen Verkehr und dem Radverkehr ist bereits die Etablierung von Radstationen an den Bahnhaltepunk- Gegenstand von einer Reihe von Aktivitäten in diesem ten, über die EFRE-Förderung weiter unterstützt werden. Lande. Sie sehen, die Landesregierung hat die Vernetzung des Und ich flechte jetzt mal einfach ein, ich bin ja nun in der Radverkehrs im Fokus und fördert diese sehr kräftig. DDR groß geworden. Und wenn wir uns jetzt einmal Wenn man sich das alles anschaut, sind in den letzten erinnern … Jahren seit der Wende fast 600 Millionen Euro hier inves- tiert worden, meine Damen und Herren. Sie können doch (Zuruf von Jochen Schulte, SPD) nicht so tun, als ob hier nichts gemacht worden ist!

Ja, ich bin groß geworden, Herr Schulte. Das ist so. Die im Antrag ebenfalls angesprochene Verknüpfung des Alltags- und des touristischen Radverkehrs muss und (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ kann man natürlich weiterhin planen. Eine Brandenbur- DIE GRÜNEN: Wir alle.) ger Studie – vielleicht schauen Sie sich die wirklich mal an – aus dem Jahr 2010 hat im Übrigen den Alltags- und Und da gab es keine Radwege. Die gab es nicht. den touristischen, aber auch den Freizeitverkehr in ge- eigneten Wegen überprüft und letzten Endes herausge- (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: funden, dass aus dieser Erkenntnis tatsächlich die Auf- Es gab auch nicht so viele Autos.) gabe in einer Umorientierung für die Landesregierung insofern besteht, dass nämlich wegweisende Beschilde- Es gab auch nicht so viele Autos, aber ich will Ihnen rungen vorgenommen werden sollen und müssen. Wir nur eins andeuten, auch für die jungen Menschen viel- müssen weg von der heute de facto touristischen Aufga- leicht, die hinten im Raum sitzen: Wir haben zu DDR- be hin zu einer alltagstauglichen Ausschilderung mit Zeiten keine ausgewiesenen Radwege gehabt und touristischem Nutzen. Ich glaube, dass es sehr sinnvoll trotzdem gab es auch viel Verkehr. Und wenn man und auch richtig sein wird. sich das mal anschaut, was es in den letzten Jahren seit der Wende an Infrastrukturmaßnahmen gegeben Hinzu kommt auch, dass wir mittlerweile ein Pilotprojekt hat, da finde ich das schon beachtenswert, nämlich, im Amt Dömitz-Malliß jetzt auf den Weg gebracht haben, dass allein an den Radwegen an Bundesstraßen immer- also das Energieministerium. Und die gesammelten Er- hin 838 Kilometer Wege gebaut worden sind oder in fahrungen in diesem Bereich, weil wir hier im Hamburger gleicher Weise 882 Kilometer an Landesstraßen. Umland uns befinden, werden dann auch Grundlage sein, um wegweisende Beschilderungen von Radwegen Und wenn wir uns dann mal anschauen, was ansonsten in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt einfließen zu noch an Infrastrukturmaßnahmen in den letzten Jahren lassen. Auch diesen Aspekt haben wir angesprochen und dazugekommen ist, habe ich noch unsere ländlichen daran wird gearbeitet. Wege, die im Übrigen ja sehr beliebt sind bei den Rad- fahrern ... Und die Landesregierung verschanzt sich auch nicht in den Amtsstuben. Seitens des EM als auch des WM wer- (Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ den die Radaktiven in unserem Land über Informations- DIE GRÜNEN: Wir hatten vor der Wende plattformen vernetzt und mit Rundmails versorgt. Ange- auch keine Autobahnen im Bezirk Rostock.) bote der Fahrradakademie des Bundes beziehungsweise auch der jährlichen Fahrradkommunalkonferenz des Ja, ein Glück, dass wir heute eine Autobahn haben, sage Bundes wie auch diese zweijährigen Nationalen Radver- ich Ihnen. Für viele Menschen ist das ein Segen, dass kehrskongresse werden durch das Land begleitet. Von wir diese Autobahn haben. der Teilnahme an der jährlichen Velo-city-Konferenz werden die zur Diskussion stehenden Inhalte an die (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) Kommunen im Land übermittelt. Im Gegenzug bittet die Landesregierung im Übrigen ausdrücklich um Informatio- Ja, ich weiß nicht, ob Sie jetzt mit dem Fahrrad auf den nen und Hinweise aus den Kommunen, um damit ent- Autobahnen fahren wollen. sprechende Themen jährlich auf die Tagesordnung zu setzen. (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Definitiv nicht.) (Harry Glawe, CDU: Genau. Jährlich.)

Das können Sie ja mal versuchen. Aber ich will das hier Auch das mögen Sie bitte mal zur Kenntnis nehmen. nicht ins Lächerliche ziehen. Ich glaube, die Menschen, die hier tagtäglich zur Arbeit fahren müssen, ob mit dem Die IMAG Radverkehr mit den Ministerien – das Ener- Fahrrad, mit dem Auto oder mit einem öffentlichen Ver- gieministerium, das Wirtschaftsministerium, das Land-

62 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 wirtschaftsministerium – sowie auch dem Landesamt für gelt nicht im Geringsten die Tatsachen wider. Die Stra- Straßenbau und Verkehr tagt nach wie vor anlassbezo- ßenbauverwaltung des Landes ist effizient. Sie ist sogar gen. Die IMAG ist auch in einer Kooperation mit dem verdammt effizient. Und ich glaube, man darf hier auch ADFC, der im Übrigen auch auf der Bundesebene im mal sagen, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in letzten Jahr sehr aktiv gewesen ist. den letzten Wochen und Monaten geleistet haben, auch im Interesse der Sicherheit von uns allen, ist wirklich (Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: hervorragend gelaufen. Die haben sich seit 2010 dreimal getroffen.) (Beifall vonseiten der Fraktionen Und auch die Hochschule, auch die Hochschule Wismar, der SPD und CDU – mv bike oder der Landestourismusverband sowie die Egbert Liskow, CDU: Genau.) Senioren- und die Behindertenverbände sind hieran beteiligt. Es gibt also bereits das Gremium und die Ko- Im Übrigen, bundesweit liegt Mecklenburg-Vorpommern operation, wie sie von Ihnen gefordert wird. mit dem Ausstattungsgrad von Radwegen an Bun- des- und Landesstraßen, auch das sollten Sie vielleicht Kurz noch zur Erläuterung: mv bike wurde 2009 durch einfach zur Kenntnis nehmen, an welchem Platz? Auf das damalige Verkehrsministerium – Sie haben das rich- Platz 4 von 16. Nur in Schleswig-Holstein, Niedersach- tigerweise angedeutet – gegründet und ist im Übrigen auf sen, Nordrhein-Westfalen ist die Quote besser. Das Wunsch der Mitglieder ein lockeres, kommunales Netz- heißt, der Aufholschritt, den wir in den letzten 20 Jahren werk ohne feste Organisationsstruktur. Das ist ausdrück- gemacht haben, den müssen Sie doch auch bitte schön lich von diesem Gremium so gewünscht worden. Das mal zur Kenntnis nehmen. Ich hoffe, dass Sie das auch Land ist nicht Mitglied dieses Netzwerkes, sondern es so bewerten. Bis 1990, ich habe das schon angedeutet, werden anlassbezogene Veranstaltungen durchgeführt. gab es in Mecklenburg-Vorpommern keine gesonderten Radwege. Hier ist unheimlich viel passiert und da ist Sie fordern weiterhin im vorliegenden Antrag ein poli- auch unheimlich viel Geld – ich habe es ja gesagt, fast tisch-strategisches Dokument. Ich möchte Sie darum 600 Millionen Euro – hineingeflossen. bitten, im Namen von Volker Schlotmann, dass Sie die Ziffern 96 bis 98 im Koalitionsvertrag anschauen. Für den Und eine weitere Sache will ich auch hier noch mal un- Radverkehr existiert in Mecklenburg-Vorpommern also terstreichen. Wenn Aktivitäten über mehrere Ressorts bereits eine klare politisch-strategische Auffassung und hinausgehen, klappt die Kooperation hervorragend. damit auch ein Dokument. Schauen Sie sich das Projekt E-Government an, wo das EM, das IM mit fachlicher Unterstützung des WMs und Ich will nun zu den Aufgaben, die ein Radverkehrsplan auch von uns, unserem Haus (das Landwirtschaftsminis- des Landes nach Ihrer Meinung haben soll, einige kurze terium) beteiligt sind. Ausführungen machen. Noch einmal: Der Nationale Rad- verkehrsplan ist einschlägig und es bedarf keines weite- Zu Ihren Leuchttürmen und auch Beispiellösungen soll ren, im Zweifel abweichenden Landesplanes. Ich glaube, ich Ihnen Folgendes übermitteln: Wir brauchen keine dass das wirklich absolut richtig ist. Die Fördermöglich- Beispiellösungen, sondern Problemlösungen. Daran keiten zum Radverkehr in Mecklenburg-Vorpommern arbeitet die Landesregierung schon möglichst intensiv. sind nachzulesen auf den Internetseiten zum Nationalen Radverkehrsplan www.nationaler-radverkehrsplan.de. Mobilitätserziehung und Kommunikation, wie Sie es for- Unter dem Stichwort „Förderfibel Radverkehr“ kann man dern, die über die Bausteine in den Schulen hinausge- sich auch bequem mit einigen Mausklicks passgenaue hen, muss man bezahlen können. Baden-Württemberg, Fördermöglichkeiten aufzeigen lassen. Versuchen Sie es darauf werden Sie ja wahrscheinlich noch weiter einge- doch einfach mal! hen, Baden-Württemberg hat jetzt ein Imageprogramm für Radfahren von rund 10 Millionen Euro aufgelegt. Sie (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ kennen die finanzielle Situation und sollten aufhören, mit DIE GRÜNEN: Ja, ja.) Wunschträumen oder Luftschlössern tatsächlich solche Dinge hier zu fordern. Sie haben ja zum Glück diese tollen Geräte bekommen. Die geforderte Radwegeinformationsdatenbank ist im (Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Übrigen, auch das sehe ich als sinnvoll an, in Arbeit. Die Was glauben Sie, was ich gemacht habe?) Domain www.radnetz-mv.de ist gesichert und wird 2014 freigeschaltet. Die vorgeschlagene Splittung, die vorgeschlagene Split- tung der Haushaltsmittel können wir aufgrund der Kom- (Marc Reinhardt, CDU: Mitschreiben!) petenzen nur für den Landesstraßenbau vornehmen, für den Bau, und in den Kommunen, für den Bund und für Die Seite wird im Rahmen des E-Government für die die Kommunen hat das Land hier keine Handhabe. Baulastträger ein Kataster mit Zuständen, Beschilderun- gen enthalten und es wird zusätzlich auch mit entspre- Auch ungeachtet dessen, dass eine Splittung der Haus- chenden Portalen anderer Bundesländer verknüpft. Auch haltsmittel allein nach Verkehrsanteilen sich darstellt, ist das ist, glaube ich, gerade für das Radfahrland Mecklen- es aus unserer Sicht unsinnig. Weder der Anteil der Ver- burg-Vorpommern von größter Bedeutung. kehrsart an den Wegen noch der Anteil der tatsächlich zurückgelegten Kilometer berücksichtigt die extrem un- Wenn Sie uns mitteilen, wo Sie den Bandwurmbegriff terschiedlichen Kosten einzelner Verkehrsbauten. „standardisierte Wirkungskontrolle zur Radverkehrsförde- rung im Sinne eines systematischen Qualitätsmanage- Den nächsten von Ihnen aufgelisteten Punkt kann ich nur ments“ abgeschrieben haben, dann lesen wir gerne im Namen des EM polemisch nennen. Der Antrag spie- nach, was das sein soll.

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 63

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU) Ach, das hätten sie zwischendurch machen können.

Vielleicht können Sie es ja noch mal erklären. (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Den führenden Praxisleitfaden zur Radverkehrsförderung Denn der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- für Städte und Gemeinden im deutschsprachigen Raum NEN soll die Landesregierung beauftragen, eine aktive, und in Europa finden Sie wie so vieles andere auch auf engagierte Fahrradförderung im Land Mecklenburg- der Internetseite zum Nationalen Radverkehrsplan unter Vorpommern zu unterstützen. Ich glaube, das haben wir dem Stichpunkt „Praxisbeispiele“. Man muss das also gerade vom Minister gehört. Ernsthaft habe ich mir bei alles nicht neu erfinden und neu definieren. dem Antrag die Frage gestellt, ob wir hier bei „Wünsch Dir was“ oder im Wolkenkuckucksheim sind. Zum Ende möchte ich noch ein Thema, was die Ver- kehrssicherung angeht, ansprechen, und das ist uns (Egbert Liskow, CDU: Irmgard Düren.) allen, glaube ich, sehr, sehr ernst. Der Radwegebau an öffentlichen Straßen ist nämlich vorrangig eine Leistung Auch habe ich mir die Frage gestellt, der Verkehrssicherung. Der Bau, die Sanierung und die Unterhaltung der Radwege sowie notwendige Lü- (Peter Ritter, DIE LINKE: Irmgard ckenschlüsse erfolgen im Rahmen der zur Verfügung Düren kennen die Wessis nicht.) stehenden Haushaltsmittel. Und wie der Bund hier sich in den letzten Jahren verhalten hat, muss ich nicht näher ob es verantwortlich ist, den Eindruck zu erwecken, dass erläutern. die Landesregierung in dieser Frage bisher nichts getan habe. Die Statistik der Unfälle mit Beteiligung von Personen- schaden von Radfahrern weist seit 1979 außerorts Sehr geehrte Damen und Herren, gern bin ich in der keine – zum Glück! –, keine wesentliche Änderung auf Freizeit gemeinsam mit meiner Frau und auch mit Freun- und liegt absolut bei rund 7.000 Fällen deutschlandweit. den landauf, landab auf überwiegend gut ausgebauten Es gab keine Steigerung trotz der Deutschen Einheit Radwegen unterwegs. und trotz steigenden Radverkehrs. Ein Segen ist das. (Detlef Müller, SPD: Sehr gut.) Dennoch beteiligt sich das Land führend auch an den bundesweiten Bemühungen, über den Bau von Radwe- Auf keiner der vielen Touren brauchten wir ein zusätzli- gen hinaus weitere sichere Führungsformen für die Rad- ches Navigationsgerät, um sicher ans Ziel zu kommen, fahrer und den Radverkehr außerorts zu entwickeln. Das weder auf der Tour von Stralsund nach Lübeck noch auf Land hat zum Beispiel die Federführung des vom der Tour um die Müritz. BMVBS, also des Bundesministeriums, aus Mitteln des Nationalen Radverkehrsplans geförderten Projektes (Egbert Liskow, CDU: Genau.) „Schutzstreifen außerorts“ übernommen. Das macht deutlich, dass in der Sache meine eigene Innerorts steigt die absolute Zahl der Unfälle mit beteilig- Erfahrung und die vieler anderer nicht mit dem Inhalt tem Personenschaden von Radfahrern weiterhin. Leider, und der Ausrichtung des Antrags von BÜNDNIS 90/DIE betone ich. Die hierfür maßgeblichen Gründe können GRÜNEN übereinstimmt. nicht durch einen Radverkehrswegeplan der Landesre- gierung gelöst werden, sondern bedürfen einer lokalen Aber, und das möchte ich auch deutlich ansprechen, Umsetzung der bekannten Regelwerke der am 1. April natürlich sind die Entwicklung und der Ausbau des Rad- dieses Jahres in Kraft tretenden neuen Straßenverkehrs- wegesystems in Mecklenburg-Vorpommern noch nicht ordnung. abgeschlossen und bedürfen noch einiger Koordination im Zusammenhang mit der Vernetzung von touristischem Insofern möchte ich mich ausdrücklich bedanken und ich und Alltagsverkehr, auch unter Einbeziehung der vielen wünsche uns ein unfallfreies Radfahren in diesem Jahr gut ausgebauten ländlichen Wege. Der Minister hat das und den Radfahrern aus Nah und Fern viel Freude im angesprochen. schönsten Bundesland der Welt. – Herzlichen Dank. Und auch dies ist hier zutreffend: Bereits in der vergan- (Beifall vonseiten der Fraktionen genen Legislaturperiode haben sich die Koalitionsfraktio- der SPD und CDU) nen auf Antrag der Fraktion der CDU mit der Entwicklung des Radverkehrs in Mecklenburg-Vorpommern befasst. Vizepräsidentin Regine Lück: Die Landesregierung hat Im Bericht zur Radwege- und Radwegesicherheitsoffen- die Redezeit um acht Minuten überzogen. Das heißt, sive für Mecklenburg-Vorpommern hat die Landesregie- diese Zeit steht den Oppositionsparteien zur Verfügung. rung die maßgeblichen Auswirkungen des Radverkehrs auf Wirtschaft und Arbeit, den Alltagsverkehr, den touris- Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Eifler von der tischen Verkehr, aber auch den Ausbauzustand des Fraktion der CDU. Radwegenetzes und die Perspektiven zum Ausbau des Radwegenetzes beschrieben. Dietmar Eifler, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich habe ich (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – jetzt erwartet nach der Rede von Minister Backhaus, Egbert Liskow, CDU: Genau.) dass die Fraktion BÜNDNIS 90 ihren Antrag zurückzieht. Wer sich die Drucksache 5/2122 genauer anschaut, der (Marc Reinhardt, CDU: wird bemerken, dass alle Facetten der Radwegenutzung, Machen sie gleich noch.) der Finanzierung und des Ausbaus der Radwege be-

64 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 leuchtet wurden. Die Möglichkeiten des Ausbaus des und Herren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den ländli- Radverkehrsanteils am Gesamtverkehr, der Verbesse- chen Raum vollkommen außer Acht lassen rung der Verkehrssicherheit für Radfahrerinnen und Rad- fahrer, der Nutzung von ÖPNV-Angeboten oder der Pla- (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – nung von Radwegen wurden ebenfalls erörtert. Egbert Liskow, CDU: Genau.)

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – und hier nur grüne Klientelpolitik umsetzen wollen. Egbert Liskow, CDU: Genau.) (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ Sowohl die Ausrichtung der Landespolitik als auch die DIE GRÜNEN: Träumen Sie weiter!) finanziellen Möglichkeiten zum weiteren Ausbau haben sich seitdem kaum geändert. Klar aber ist, dass in Zu- Das wird aber mit meiner Fraktion nicht möglich sein. Wir kunft für den Ausbau und die Unterhaltung von Radwe- sind dafür angetreten, die Mobilität im gesamten Land zu gen an Landesstraßen deutlich weniger finanzielle Mittel erhalten. Dabei findet der Radverkehr neben all den als in der Vergangenheit zur Verfügung stehen werden. anderen Verkehrsträgern entsprechende Berücksichti- Gegenwärtig sind es jährlich circa 6 Millionen Euro. Mit gung. circa 160.000 Euro Ausbaukosten für den laufenden Kilometer Radweg ist es notwendig, dass die Ausbauab- (Johann-Georg Jaeger, schnitte sich an besonders stark frequentierten Straßen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: befinden, an denen ein erhöhtes Verkehrsgefährdungs- Was heißt denn „entsprechend“?) potenzial für Radfahrer zu verzeichnen ist. Für meine Fraktion steht fest, dass sich die grundsätzli- Maßgebliche Grundlage für die Planung von Radwegen chen Rahmenbedingungen seit dem Bericht zur Radwe- ist die Empfehlung für die Anlage von Radverkehrsanla- ge- und Radwegeverkehrssicherheitsoffensive für Meck- gen. Hier wird davon ausgegangen, dass bei täglich lenburg-Vorpommern nur im Bereich der Finanzierung 2.500 Kraftfahrzeugen und einer zulässigen Höchstge- geändert haben. Aus diesem Grund bedarf es unserer schwindigkeit von 100 Stundenkilometern oder bei täglich Ansicht nach nicht einer Erarbeitung eines Radverkehrs- 4.000 Kraftfahrzeugen bei einer zulässigen Höchstge- planes Mecklenburg-Vorpommern. Deshalb wird meine schwindigkeit von 80 Stundenkilometern die Errichtung Fraktion den vorliegenden Antrag ablehnen. eines Radweges gerechtfertigt ist. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ (Egbert Liskow, CDU: Siehste.) DIE GRÜNEN: Ach! Ach!)

Auch schon vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. inwieweit es einer Erarbeitung eines Radverkehrsplanes Mecklenburg-Vorpommern durch die Landesregierung (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) bedarf. Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat die Abge- (Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ ordnete Frau Dr. Schwenke von der Fraktion DIE LINKE. DIE GRÜNEN: Prioritätensetzung.) Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren, beim Ausbau der Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zwei Vorbemer- Radwege in Mecklenburg-Vorpommern sind zahlreiche kungen möchte ich gerne machen. Belange zu berücksichtigen. Für die regionale Planung sind die regionalen Planungsverbände zuständig. Für Erstens: Ich habe auch Frau Gerkan nicht sagen hören, den straßenbegleitenden Radwegebau an Bundesstra- dass hier bisher nichts passiert ist oder dass sie kritisiert, ßen sind im Rahmen der Auftragsverwaltung die zustän- dass hier an der Infrastruktur nichts passiert ist in den digen Straßenbauämter zuständig. Für naturschutzrecht- letzten Jahren. liche Belange beim Radwegebau sind schon jetzt die Naturschutzbehörden zuständig. (Wolfgang Waldmüller, CDU: Das ist auch nicht Sinn und Zweck des Ganzen.) (Egbert Liskow, CDU: Aha, die GRÜNEN! – Peter Ritter, DIE LINKE: Das schreit Das ist auch nicht Sinn und Zweck des Ganzen. Das ja nach Deregulierung.) lesen Sie mit keinem einzigen Wort in dem Antrag.

Auch das will ich nicht unerwähnt lassen: Schon heute (Zuruf von Jutta Gerkan, gibt es vermehrt erhebliche Schwierigkeiten beim Erwerb BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der zum Radwegeausbau benötigten Flächen. Aber es gibt ja trotzdem nichts Gutes, was nicht vielleicht (Harry Glawe, CDU: Da noch besser gemacht werden kann. müssen die Bürgermeister helfen.) Die zweite Vorbemerkung: Sie selber reden immer von Auch – kommt jetzt auch – wollen Kommunen, und das Prioritätensetzungen. Herr Eifler hat zwar jetzt das Wort aus nachvollziehbaren Gründen, verständlicherweise nicht benutzt, aber trotzdem von Prioritätensetzung ge- nicht unbedingt Baulastträger von Radwegen werden. In sprochen. einem Flächenland, wie das Mecklenburg-Vorpommern nun mal ist, kann man nicht einfach festlegen, dass der (Dietmar Eifler, CDU: Natürlich.) Anteil des Radverkehrs bis zum Jahr 2020 zu erhöhen ist. Allein diese Forderung zeigt, dass Sie, meine Damen Und eins muss Ihnen doch auch klar sein:

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(Egbert Liskow, CDU: Was?) Auch sie werden als Radwege genutzt. Die Landkreise, Gemeinden und regionalen Tourismusverbände planen, Immer mehr Autos, immer mehr Straßen erzeugen auch finanzieren, beschildern und bauen lokale und regionale immer höhere Kosten, nämlich wenn es um die Erhaltung Radrouten, dieser Straßen geht. Allein das muss zum Umdenken führen, wenn es denn so ist – und das ist ja tatsächlich (Egbert Liskow, CDU: Auch gut.) so –, dass auch für diesen Bereich immer weniger Geld zur Verfügung steht. die Ämter für Raumordnung und Landesplanung stellen die regionalen, meist touristisch orientierten Wegenetze (Beifall Dr. Ursula Karlowski, zusammen.“ Herr Säwert kam damals zu einem bemer- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) kenswerten Fazit: In Mecklenburg-Vorpommern gibt es „kein erkennbares, einheitliches Netz für den Radverkehr“. Also müssen wir doch über Alternativen nachdenken. Und das, verstehe ich zumindest so, ist Sinn auch dieses Bis heute hat sich aus unserer Sicht die Situation nicht Antrages. wesentlich geändert. Wer zum Beispiel eine Gesamtkarte der Radwege und der für den Radverkehr nutzbaren Wege Der Radverkehr scheint ja auch in der Bundesregierung in Mecklenburg-Vorpommern sucht, wird nicht fündig wer- eine wichtige Sache zu sein. Aus diesem Grund hat sie den, und das in unserem selbstpostulierten Radlerland den Nationalen Radverkehrsplan 2020 entwickelt und Nummer eins. Die finanzielle Situation, die vieles ent- fortgeschrieben. Und Sie gestatten mir ein Zitat daraus: scheidet, die ist nicht besser geworden. Flächendeckende „Mit dem neuen Nationalen Radverkehrsplan 2020 wer- straßenbegleitende Radwege scheinen aus eben diesen den die grundsätzlichen Leitlinien für die Radverkehrs- finanziellen Gründen nicht realisierbar, sie sind extrem förderung der kommenden Jahre dargestellt. Er wird kostspielig. Außerdem sind sie auch nicht immer attraktiv, dabei auf neue verkehrspolitische Herausforderungen, wegen des Lärms und der Abgase und auch anderer wie z. B. die zunehmende Elektromobilität im Radverkehr Gründe, haben oft wenig Bezug zum Nebenstraßennetz, oder Kapazitätsprobleme in den Städten, ausgerichtet. zum touristischen und zum ländlichen Wegenetz. Um zu verdeutlichen, dass eine wesentliche Zuständig- keit im Bereich des Radverkehrs bei Ländern und Kom- Aus Sicht der Landesregierung ist der Radverkehr eine munen liegt, wird ihr Aufgabenbereich vom NRVP 2020 überwiegend kommunale Aufgabe. Dies betrifft die Pla- durch gezielte Empfehlungen mit umfasst.“ Ende des nung, die Ausschilderung, den Ausbau und den Neubau, Zitats. die Unterhaltung und die begleitende Infrastruktur. Das Verkehrsministerium meint, das Land kann nur in zwei Der Bund trifft bei dem Thema Radverkehr nicht nur auf Fällen tätig werden: erstens zur Gefahrenabwehr an die Unterstützung der Interessenverbände wie dem All- ausgewählten Stellen im Bundes- und Landesstraßen- gemeinen Deutschen Fahrrad-Club und dem Ver- netz und zweitens zur Förderung von Beschilderungen kehrsclub Deutschland. Er trifft auf Unterstützung der und zum Teil beim Aus- und Neubau touristischer Rad- Bundesländer, der Kommunalverbände der Städte und routen von landesweiter Bedeutung. Gemeinden sowie der meisten politischen Parteien, zum Beispiel auch meiner und der der GRÜNEN. Der Fraktion der GRÜNEN reicht es offensichtlich nicht aus. Sie will, dass das Land vielmehr seine koordinieren- Die Aktivitäten der Landesregierung erkenne ich an die- de, übergeordnete Rolle wahrnimmt und viel stärker in ser Stelle ausdrücklich an. Vom ÖPNV-Landesplan über die Unterstützung der Kommunen einsteigt. das Landesraumentwicklungsprogramm, die eingerichte- te interministerielle Arbeitsgruppe, die regionalen Ar- Zur Finanzierung ist leider in Ihrem Antrag, liebe Kolle- beitsgruppen Radverkehr, die Vernetzungsstelle beim ginnen und Kollegen von den GRÜNEN, nichts zu finden. ADFC, mv bike bis hin zu regionalen Entwicklungspro- Aber gerade die unzureichende finanzielle Ausstattung grammen der Planungsregionen und der Raumord- der Kommunen lässt den Radverkehr in der Liste der nungsprogramme – alle Akteure sind an dieser Stelle im prioritären Aufgaben immer weiter nach hinten rutschen. wahrsten Sinne des Wortes Akteure. Die Situation der Verkehrsinfrastruktur insgesamt in Mecklenburg-Vorpommern ist uns allen hier sicherlich gut Herr Säwert, der Abteilungsleiter Landesentwicklung bekannt. Straßen, vor allem im kommunalen Bereich, im damals zuständigen Verkehrsministerium, stellte am werden auf Verschleiß gefahren. Der Wald der Schlag- 16. Mai 2011 anlässlich der ersten Sitzung der regiona- lochwarnschilder und Geschwindigkeitsbegrenzungen len Arbeitsgruppe Radverkehr Vorpommern die Frage: aus diesen Gründen macht nicht einmal vor Autobahnen „Radverkehrsförderung in MV – 20 Jahre ,Durchwurs- halt. Die Straßenbrücken im ganzen Land sind mittel- telnʻ?“ Wie ist die Situation im Land? Er beschrieb sie: und langfristig von der derzeitigen finanziellen Situation Die Straßenbauämter planen, finanzieren und bauen bedroht. Der Neubau von Landes- und Bundesstraßen, straßenbegleitende Radwege nach einer eigenen Priori- aber auch die Erhaltung der vorhandenen sind drama- tätenliste. Das für den Tourismus zuständige Wirt- tisch unterfinanziert. schaftsministerium plant das landesweite touristische Radwegenetz, finanziert die Beschilderung und den We- (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) gebau oder -ausbau auf Antrag der Kommunen. Im Rahmen der ländlichen Entwicklung wird über das Ag- Dringend benötigte Ortsumgehungen werden immer rarministerium der ländliche Wegebau geplant und finan- wieder verschoben und es ist keine Besserung in Sicht. ziert. Die Forstverwaltungen planen und finanzieren den Da sieht es für die Zukunft des Radverkehrs in Mecklen- Ausbau der Forstwege. burg-Vorpommern eher schwierig aus.

(Egbert Liskow, CDU: Trotz der angespannten finanziellen Situation wissen wir, Das ist doch gut.) dass das Verkehrsministerium bemüht ist, dem Radver-

66 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 kehr einen höheren Stellenwert einzuräumen. Wir erwar- also hier und da fehlen doch wirklich Kilometer. ten, dass das Haus Schlotmann bei der Erarbeitung des Integrierten Verkehrsplanes für Mecklenburg-Vorpom- (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) mern dem Radverkehr eine hohe Priorität und damit auch eine entsprechende finanzielle Ausstattung zuweist. Die Das ist ja nicht allzu viel. künftigen Haushaltsberatungen werden es zeigen. Es wird deshalb höchste Zeit für die Erarbeitung eines Rad- (Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU) verkehrsplanes von Mecklenburg-Vorpommern, und zwar integriert in ein Verkehrskonzept mit anderen Verkehrs- Auf der anderen Seite fehlt auch eine entsprechende trägern. Beschilderung, die nicht vorhanden ist, und die Qualität erst mal. Wenn ich von Brandenburg komme und dann Die demografische Entwicklung der ländlichen Bevölke- nach Mecklenburg-Vorpommern komme, da ist ein Rie- rung, die touristische Entwicklung im Hinterland der sen-, Riesenunterschied. Hochburgen stellen uns Aufgaben, die dringend ange- gangen werden müssen, und daraus ergeben sich Chan- (Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – cen für eine nachhaltige Mobilität. Eigentlich muss die Egbert Liskow, CDU: Ja.) Landesregierung nur all das Vorhandene aufgreifen und sich an die Arbeit machen. Die Grundlagen sind vorhan- Das hat auch unser Expertengespräch, den. Es gibt viele Akteure im Land, die bereit sind, mit anzupacken. Immerhin nimmt Mecklenburg-Vorpommern (Minister Dr. Till Backhaus: Bei Platz 4 unter den Bundesländern und den Spitzenplatz uns ist es schöner. Das ist doch klar.) unter den neuen Bundesländern bei den straßenbeglei- tenden Radwegen ein. Wir fahren öfter, weiter und länger initiiert von der bündnisgrünen Fraktion, gezeigt kürzlich. mit dem Rad, auch zum Einkaufen oder zur Arbeit. Beispielsweise,

Es mangelt aber an vielen Stellen. Auch wenn wir nicht (Zurufe von Harry Glawe, CDU, alle Anstriche in Ihrem Antrag richtig verstehen oder auch und Egbert Liskow, CDU) gut finden – zum Beispiel Leuchtturmprojekte hatten wir, glaube ich, schon genug, wir brauchen Lösungen für das es gibt zwischen Stralsund und Greifswald eine Kopf- ganze Land, und auch den Punkt, den schon der Minister steinpflasterstraße, 17 Kilometer lang. Das ist für Radfah- kritisiert hat, den verstehe ich ehrlich gesagt auch nicht rer über eine längere Strecke einfach nicht zumutbar. Da so richtig, also das mit der „Initiierung einer standardisier- wären Fahrradstreifen günstig an der Stelle, mal sanft ten Wirkungskontrolle“ und so weiter und so weiter –, ausgedrückt. aber trotzdem unterstützen wir den Antrag und stimmen ihm deshalb auch zu. (Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

(Beifall vonseiten der Fraktionen An anderer Stelle gibt es komplett unbefestigte Abschnit- DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) te. Das ist bei Plau am See, auf der Ecke bei Fincken. Da kann man das Fahrrad, wenn man Glück hat, fahren Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat die Abge- oder man muss es schieben. Meine Damen und Herren, ordnete Frau Gerkan von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE welchem Autofahrer wird das zugemutet, sein Gefährt GRÜNEN. durch den Sand zu schieben? Das ist doch eine Un- gleichbehandlung, so was. Das findet man nur hier ir- Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte gendwo. Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir auf den Nationalen Radverkehrsplan bis zum Jahr 2020 (Jochen Schulte, SPD: Wer warten wollen hier in Mecklenburg-Vorpommern, sein Rad liebt, der schiebt.)

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU) Brandenburg ist mit Abstand Spitzenreiter bei den ADFC- Qualitätsradrouten. Brandenburg hat 18 zertifizierte Rad- dann können wir unseren Tourismus einpacken. wege. Und wie viele hat Mecklenburg-Vorpommern?

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU) (Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Das ist mir einfach, Mecklenburg-Vorpommern hat ganze drei. Ganze drei! Das ist nicht sehr viel, meine Damen und Herren. (Wolfgang Waldmüller, CDU: Frau Gerkan, wo leben Sie denn?) Ich muss Ihnen Recht geben, die Radverkehrswegepla- nung ist überwiegend kommunal, die Aufgabe, aber man das ist mir einfach nicht ambitioniert genug gedacht. muss den Kommunen doch auch mal zeigen, wo die Finanzierungen herkommen können. Da geht es um eine (Peter Ritter, DIE LINKE: Bis dahin entsprechende Transparenz, dass wir eine Transparenz ist die B 96n ausgebaut fürs Auto.) aufzeigen. Und im Gegensatz zur Finanzierung des Kfz- Verkehrs ist der Radverkehr wahrlich marginal. Der Lückenschluss ist das eine in Mecklenburg-Vorpom- mern, (Manfred Dachner, SPD: Das ist richtig.)

(Minister Dr. Till Backhaus: Schluss Das ist doch zu vernachlässigen. Und hier ist auch der mit dem Schneckentempo hier!) Bund gefragt, den Nationalen Radverkehrsplan ambitio-

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 67 niert mit den entsprechenden finanziellen Mitteln auszu- CDU abgelehnt, und der NPD, bei Zustimmung der Frak- statten. Für den Radverkehr sind ganze 60 Millionen tionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. gedacht und für den Gesamtverkehr sind es 10 Milliar- den. Das ist ein himmelweiter Unterschied. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Regierungserklärung Und was macht der Bund? Er fährt die Mittel weiterhin zur Kommunalpolitik, Drucksache 6/1653. zurück. 2010 waren es noch 100 Millionen für den Radverkehr, dann waren es 80, jetzt sind es nur noch Antrag der Fraktion DIE LINKE 60 Millionen für 2013. Das ist mir einfach wirklich zu Regierungserklärung zur Kommunalpolitik wenig. Wenn das so weitergeht, droht der Nationale – Drucksache 6/1653 – Radverkehrsplan in der Schublade zu bleiben, so gut er auch ist von seinen Ansätzen her. Aber auch das Ziel Das Wort zur Begründung hat der Fraktionsvorsitzende 2020 ist mir einfach zu weit. der LINKEN Herr Holter.

Wir haben insgesamt logischerweise weniger Geld zur Helmut Holter, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine Verfügung, das gilt es sinnvoll und gut einzusetzen, und Damen und Herren! Wenn eine Fraktion, die größte Op- gerade hier kommt die Prioritätensetzung zum Zuge. positionsfraktion, von der Regierung, namentlich von dem Ministerpräsidenten fordert, eine Regierungserklä- (allgemeine Unruhe) rung zu einem Thema abzugeben, dann kommt das nicht von ungefähr, dann hat das gute Gründe. Und einen Uns ist es wichtig, dass wir einen vernünftigen Lücken- solchen Antrag stellt man ja nicht jeden Tag. schluss erzielen im Land Mecklenburg-Vorpommern. Wir brauchen einen Fahrradverkehrswegeplan und dass die Wenn wir uns erinnern, heißt es im Koalitionsvertrag IMAG auch wirklich mal arbeitet. Sie hat seit 2010 drei- zwischen SPD und CDU, „wesentliche Fragen im Ver- mal getagt. Was ist das? Die Interministerielle Arbeits- hältnis zwischen dem Land und seinen Kommunen“ gruppe Radverkehr, die hat seit 2010 dreimal getagt, da werden die Koalitionspartner in einem Zukunftsvertrag erwarte ich doch ein bisschen mehr hier von der Landes- mit den Kommunen vereinbaren. Bekanntlich ist diese regierung. Ziffer bis heute nicht realisiert, Sie haben ja noch ein paar Jahre Zeit, aber es ist einfach um den Zukunftsver- Und das Netzwerk mv bike – gut angefangen, ja –, das trag still geworden. Aber Sie haben eins geschafft, meine war eine große Luftblase mit 61 beteiligten Kommunen, Damen und Herren der Koalition, dieses Projekt wird nur ist zerplatzt. Wo bleibt die Nachbearbeitung? Die vor- noch allseits müde belächelt. handenen Potenziale, die haben wir ja, ungefragt, die haben wir hier im Lande, die werden einfach nicht aus- (Heinz Müller, SPD: Nö.) geschöpft. Aber das ist nicht der Gegenstand. (Harry Glawe, CDU: Da müssen Sie mal nach Kopenhagen und Berlin fahren.) Genau, Herr Müller, so, wie Sie jetzt reagieren,

Es ist auch wichtig, da eine ganz breite Öffentlichkeit (Heinz Müller, SPD: Nö.) mit zu beteiligen. Wir haben so viele unterschiedliche Teilkonzepte und -planungen mit unterschiedlichen Quali- so verhalten Sie sich auch zu dem Zukunftsvertrag. Aber tätsstandards, aber was fehlt, ist eine Gesamtstrategie. das ist ja nicht der Gegenstand der heutigen Debatte. Sie Die haben wir nicht im Bundesland Mecklenburg-Vorpom- haben eine Sünde begangen, nämlich die Sünde der mern. Da laufen uns andere Bundesländer den Rang ab. Unterlassung.

(Egbert Liskow, CDU: Aha! Na, dann (Stefan Köster, NPD: fragen Sie mal Herrn Schlotmann! Sünde der Unterlassung!) Der sagt Ihnen was dazu.) Die praktischen Folgen dieser Unterlassungssünde sind Es fehlt an der notwendigen Kommunikation und Koope- unübersehbar und unüberhörbar. Und darauf ist unser ration, der Instandhaltung und dem Ausbau und der not- vorliegender Antrag gerichtet, wendigen Verknüpfung mit dem ÖPNV. Es ist also ganz dringender Handlungsbedarf da. Wir brauchen einen (Egbert Liskow, CDU: Das kennen Radverkehrsplan. Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Danke wir aber bei 40 Jahre der DDR.) schön. nämlich die weitgehend konzeptionslose Politik der Lan- (Beifall vonseiten der Fraktionen desregierung gegenüber unseren Kommunen. DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Und das betrifft ausdrücklich nicht allein und wohl auch Vizepräsidentin Regine Lück: Ich schließe die Aus- nicht in erster Linie den Kommunalminister. Nein, meine sprache. Damen und Herren, unsere Landesverfassung spricht im Artikel 46 Absatz 1 eine deutlich andere Sprache: „Der Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Frak- Ministerpräsident bestimmt die Richtlinien der Regie- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1634. rungspolitik und trägt dafür die Verantwortung.“ Wir for- Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein dern den Ministerpräsidenten auf: Nehmen Sie Ihre Ver- Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit antwortung wahr! Kommunalpolitisch lässt diese Regie- ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rung derzeit auch öffentlich sichtbar jegliche Linie auf Drucksache 6/1634 mit den Stimmen von SPD und vermissen, von Richtlinien ganz zu schweigen.

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Meine Damen und Herren, wer Kommunalpolitik ernst 100 Millionen Euro uneingeschränkt freuen kann. In der nimmt, der kann von dem derzeitigen Dilemma nicht Zeitung „Nordkurier“ konnte man lesen: „Szenen einer wirklich überrascht sein. Es kam, wie es kommen muss- Nichtehe“. te. Die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern werden in dieser Legislaturperiode nach unserer Überzeugung Meine Damen und Herren der Koalition, dieses Szenario zu den Verlierern im Land gehören. Erinnern wir uns werden wir im Rahmen der Aussprache noch ein wenig an die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten lüften, das sind wir der Öffentlichkeit, die Sie offensicht- vom Dezember 2011. Kommunalpolitik? Kein Arbeits- lich getäuscht haben, ganz einfach schuldig. Herr Minis- schwerpunkt dieser Landesregierung. Nein, sie ist ein terpräsident, Herr Innenminister, Land und Kommunen, Unterthema der Finanzpolitik. Landes- und Kommunalinteressen, Landes- und Kom- munalfinanzen sind doch keine Schacherware, die Sie Im Spätsommer 2012 darf der Innenminister – vom Re- beide wie auf einem Basar verhökern können. Hier muss gierungschef unwidersprochen – die kommunale Ebene auch der Landtag deutlich „Stopp!“ sagen und Erklärun- als Reformbremse beschimpfen. Und diejenigen, die am gen einfordern. Als verantwortliche Landespolitik lässt 14. Januar in Greifswald beim Neujahrsempfang des sich Ihr Spiel nicht mehr deuten. Ministerpräsidenten dabei waren, haben vergeblich auf das Wort „Kommune“, auf das Wort „Kreisgebietsreform“ Meine Damen und Herren, meiner Fraktion sind auch und auf das Wort „Dank“ gewartet. gerade aus der Opposition heraus kommunale Probleme alles andere als egal. Das haben unsere Fachpolitikerin- (Beate Schlupp, CDU: Also bedankt hat er sich.) nen und Fachpolitiker und auch ich immer wieder deut- lich gemacht. Wenn Sie aber, Herr Ministerpräsident und Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund muss- Herr Innenminister, linke Mahnungen als Panikmache te sich für die Kommunen im Land zwangsläufig folgen- abtun, linke Aufforderungen als störend empfinden und des Bild des Ministerpräsidenten abzeichnen: bei Jubilä- linke Forderungen als überflüssig einstufen – das ist ja en der lichtüberflutete Sonnenkönig, im Alltag der scheue sowieso Stil dieser Koalition –, dann spricht das eben Nachtfalter, der sich lieber am Rande des Scheinwerfer- Bände über diese Koalition. Wenn nun aber ein CDU- kegels tummelt, wenn die Probleme sichtbar werden. Bürgermeister die Landesregierung mit dem vergreisten Sonnenkönig und Nachtfalter, DDR-Apparat vergleicht, der nicht mehr wisse, was an der Basis geschieht, dann sieht das ganz anders aus. (Rainer Albrecht, SPD: Oh, oh, oh!) Dann habe ich diese praktische Erfahrung hinter mir, aber Sie, Sie haben ein handfestes Problem vor sich. dieses Bild hat auch Bestand, wenn man die Kommunal- brille absetzt. Wir haben ja gestern und heute schon (Michael Andrejewski, NPD: einige Themen hier durchdekliniert. Die Erfahrung der Vergreisung.)

(Egbert Liskow, CDU: Denken Meine Damen und Herren, das ist kein Anlass zur Häme, Sie mal an Ihre Vergangenheit!) das ist besorgniserregend. Schlimmer noch – selbst dort, wo die Koalition im Lande aktiv wird, läuft sie ganz offen- Meine Damen und Herren, sollte in diesem Jahr noch sichtlich an den tatsächlichen Problemen vorbei oder hält jemand von einer stabilen Koalition Augen und Ohren tapfer geschlossen. Ich will drei Bei- spiele nennen. (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) Erstens. Externe Kabinettssitzung in den neuen Land- oder einer zielorientierten Landesregierung ausgegan- kreisen. Eine fand ja statt, und zwar am 11. Dezem- gen sein, dann wurde diese Frohnatur in den vergange- ber 2012. Ich frage Sie: Mit welchem Ergebnis? nen zehn Wochen eines Besseren belehrt. Die Land- kreise und die Kreisfreien Städte haben eben an diesem (Vizepräsidentin Silke Gajek 14. Januar 2013 an die Landesregierung appelliert, übernimmt den Vorsitz.) dass es so nicht weitergehen kann. Und ich fand es sehr gut, dass sich die Landräte der CDU und der SPD Zweitens. Die CDU lässt an mehreren Orten Bürgermeiste- mit Angelika Gramkow und Bärbel Syrbe solidarisiert rinnen und Bürgermeister ihre Sorgen vortragen – voll- haben und deutlich gemacht haben, dass die kommuna- kommen in Ordnung, nein, das unterstütze ich, vollkom- le Familie zusammensteht im Verhältnis zur Landesre- men in Ordnung, machen wir ja auch. Ich frage Sie … gierung. (Egbert Liskow, CDU: Wann denn? – Auf diesen Druck hin signalisiert der Ministerpräsident Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Gesprächsbereitschaft, aber stellt sofort klar, mehr Geld kann es nicht geben, das hätten die Kommunen ja zur Kann ich Ihnen sagen, vergangenes Jahr das erste Par- Genüge. Die Kommunen fordern vorbehaltlose Gesprä- lamentariertreffen der linken Parlamentarier, der linken che, denn sie haben den Eindruck, dass das Land das Mitglieder in Gemeinde- und Stadtvertretungen und in sinkende Boot längst verlassen hat. Dann berät der Kreistagen hier in Mecklenburg-Vorpommern. Koalitionsausschuss. Auf einmal kommen 100 Millionen, 100 Millionen für die Kommunen ans Tageslicht, wohl Und ich frage Sie, Sie, die CDU … als Gegengeschenk für das Bildungspaket, die 50 Milli- onen, wobei der kommunale Rettungsfonds in Wirklich- (Zurufe von Egbert Liskow, CDU, keit ein Rettungsring für die Koalition ist. Wir erleben und Beate Schlupp, CDU) dann, wie die CDU-Fraktion unabgestimmt und öffent- lich den tatsächlichen Bedarf auf 155 Millionen hoch- Ja, und ansonsten sitzen wir natürlich auch immer zu- rechnen und sich nach einer schallenden Ohrfeige über sammen.

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Ich frage Sie: Mit welchem Ergebnis? Das Wort hat der Minister für Inneres und Sport Herr Caffier. Nein, Ihr Ergebnis! Dieser ... Minister Lorenz Caffier: Frau Präsidentin! Meine Da- Ja, da habe ich was von Doppik gehört, aber was sind men und Herren Abgeordneten! dann die Konsequenzen? Sehr geehrter Herr Holter, ich kann Ihre Ausführungen Drittens, der Innenminister ... hier in der Tat nicht nachvollziehen. Ich kann sie deswe- gen nicht nachvollziehen, weil Sie einerseits bestimmte (Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU) Feststellungen machen, andererseits aber Forderungen aufstellen, die wir genau aus diesen Gründen ja tun. Weiß ich, hat er mir selbst erzählt, aber ich lese ja auch Warum bereisen wir die Ämter? Weil Sie eingefordert in Zeitungen. haben, wenn wir beispielsweise über Fragen wie Zukunft der Gemeinden, wie sollen sie aussehen, mit den Ver- … bereist seit geraumer Zeit die kommunalen Ämter des antwortlichen vor Ort ins Gespräch kommen, Landes, finde ich auch gut. Ich frage Sie, Sie und auch Sie, Herr Innenminister: Mit welchem Ergebnis? (Helmut Holter, DIE LINKE: Ich habe doch gesagt, dass das gut ist.) (Simone Oldenburg, DIE LINKE: Doppik.) weil wir mit ihnen über die Situation vor Ort diskutieren „In der Landesregierung fehlt jemand mit einem kommu- und weil wir eben nicht sagen, so sieht es aus und dem- nalen Herzen“, das sagt die Landrätin in Nordwest- entsprechend habt ihr es umzusetzen. Das bedarf im Mecklenburg, Birgit Hesse. Und ich möchte mit Roman Land nun einer gewissen Zeit, da gehören die Reisen Herzog ergänzen: Durch diese Landesregierung muss dazu und das machen die Koalitionsfraktionen genauso ein kommunalpolitischer Ruck gehen, und zwar zügig wie die Regierung. und kräftig. Richtig ist auch, dass ich der Kommunalminister bin, aber Meine Damen und Herren, im Ergebnis des Finanzgipfels richtig ist auch, dass die Koalitionsfraktionen und das in der Staatskanzlei werden sich drei Arbeitsgruppen mit gesamte Kabinett Kommunalpolitik machen, kommunalen Problemstellungen befassen. Ich dachte immer, es sei klar, welche Probleme in den Kommunen (Egbert Liskow, CDU: Genau.) existieren. Im Übrigen wurde vor allem das Gesprächs- klima gewürdigt und ich darf den Vorsitzenden des Land- ob das die Kollegin Sozialministerin ist kreistages Landrat Christiansen zitieren, Zitat: „Ein so gutes Gespräch haben wir seit Langem nicht auf dieser (Beifall vonseiten Ebene führen können.“ Nach anderthalb Jahren Koaliti- der Fraktionen der SPD und CDU – on! Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Sehr richtig.)

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU) oder Landwirtschaftsminister, Finanzministerin, wir alle nehmen Aufgaben im Interesse der Kommunen wahr. Herr Ministerpräsident, (Helmut Holter, DIE LINKE: Genau, das (Peter Ritter, DIE LINKE: Nach sechseinhalb!) haben wir gerade beim Kita-Ausbau gehört.)

Herr Innenminister, das ist erfreulich und ermutigend, das Herr Holter, lassen Sie mich doch ausreden! Sie haben ist aber ebenso erschreckend und beängstigend. Wel- gerne nachher noch genügend Redezeit. chen Umgang haben Sie denn bisher mit der kommuna- len Ebene gepflegt? Ob Brandbriefe von der Basis – Und genauso gehört es dazu, dass die Landesverbän- bekannt, aus der SPD-Basis, besorgte Schreiben der de – und da haben sie zumindest in unseren Häusern, Mecklenburgischen Kirchenkreissynode, auch in den anderen, ist mir bekannt, noch nie einen Brief geschrieben, dass sie keinen Termin bei uns be- (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) kommen, dass sie mit uns nicht reden können –, dass sie über die Fachthemen in den jeweiligen Ressorts reden allen ist klar, ein Kurshalten beziehungsweise ein „Weiter und nach Lösungen ringen. Dass man nicht immer einer so“ dieser Landesregierung ist nicht länger hinnehmbar. Meinung ist, das wird in der Sache immer so bleiben, und Wir brauchen kein Umschiffen der Probleme und auch dass man zum Schluss gemeinsame tragfähige Lösun- keine Schuldzuweisungen an handelnde Personen auf gen macht, das ist selbstverständlich. der kommunalen Ebene, sondern wir brauchen tragfähi- ge Konzepte für deren Lösung. Und wie diese Lösungen (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) für unsere Kommunen aussehen sollen, das soll der Ministerpräsident dem Landtag darlegen. – Danke für Das gilt auch für eine Koalition, das gilt auch, dass Frak- Ihre Aufmerksamkeit. tionen hier und da unterschiedliche Auffassungen haben können und trotzdem das Ziel, das Land voranzubringen (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) gemeinsam mit den Kommunen,

Vizepräsidentin Silke Gajek: Im Ältestenrat wurde eine (Udo Pastörs, NPD: Bla, bla, bla!) Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten ver- einbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist die eine der zentralen Aufgaben ist und auch bleiben das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. wird.

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(allgemeine Unruhe – Ebene bereitstellen, denn es ist wichtig, die Gemeinden Zuruf von Udo Pastörs, NPD) und Kreise vor dem Hintergrund auslaufender Solidar- paktmittel und stark gestiegener Sozialausgaben mit Und deswegen ist es eine Selbstverständlichkeit, dass ihren finanziellen Nöten nicht alleinzulassen. Den dafür der Ministerpräsident die Landesverbände gemeinsam notwendigen Anpassungsprozess muss das Land beglei- mit den Fachministern zum Gespräch einlädt, sich über ten. Dafür setzen sich alle Kolleginnen und Kollegen und die Situation vor Ort informiert und im Ergebnis dessen auch die Fraktionen ein. Das haben wir in der Koalition wir auch zum weiteren Verfahren Abkommen vereinba- beschlossen, nicht mehr und nicht weniger, und danach ren. Das halte ich für eine gute kommunale Zusammen- handeln alle auch. arbeit, das halte ich auch für einen guten Politikstil der Koalition und auch für einen Politikstil, wie die Landesre- Die bedarfsgerechte Verteilung dieser Summe wird jetzt gierung, der Ministerpräsident es im Interesse der Bürge- geregelt, und zwar gemeinsam mit den Landesverbän- rinnen und Bürger macht. den. Und das ist nicht ganz einfach, wenn Sie Städte- und Gemeindetag, Landkreistag und sonstige Betroffene Und ich kann Ihnen sagen, dass das, was dort vereinbart haben und dementsprechend jeder einen Anspruch hat. worden ist, die Gespräche mit den Verantwortlichen zum Wir werden vernünftige Lösungen finden. Beispiel für die Frage von Finanzverteilung schon statt- gefunden haben, dass die Gespräche in guter, konstruk- Wir sind uns auch mit den kommunalen Spitzenverbän- tiver, sachlicher Atmosphäre stattgefunden haben und den einig, dass eine grundsätzliche Untersuchung, und dass wir das in den gleichen Arbeitskreisen auch weiter- darauf habe ich schon hingewiesen, der Finanzverteilung hin tun werden und solche Belange wie Entwicklung der nach dem FAG erforderlich ist. Das werden wir so schnell Sozial- und Jugendhilfekosten beispielsweise, aber auch wie irgendwie möglich umsetzen, aber auf einer soliden die Untersuchung des FAGs, all das sind Aufgaben, die Untersuchungsbasis und auch aufgrund der gesetzlichen wir gemeinsam angehen. Und ich kann nicht verstehen, Regelungen. Diese Maßnahmen kommen ja, und das was daran falsch ist, und ich kann auch nicht verstehen, vergisst man bei der Diskussion immer wieder, bereits zu dass wir uns nicht die notwendige Zeit nehmen, dass wir den zusätzlich beschlossenen 100 Millionen Euro für den hier auch Gesetze auf den Weg bringen, Konsolidierungsfonds und den 50 Millionen Euro des Kofinanzierungsfonds. (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Insgesamt – insgesamt, lieber Kollege Holter – haben wir die nachher möglicherweise Bestand haben vor dem in dieser Legislaturperiode die Kommunen in einer Grö- Verfassungsgericht, denn bekanntermaßen ist es ja im ßenordnung in Deutschland unterstützt, die in keinem Land mittlerweile üblich, dass fast jedes Gesetz, was anderen Bundesland in dieser Größenordnung, in dieser umgesetzt wird, zu einer Verfassungsklage führt. Und Form, in der Zeitphase und in dieser schwierigen Zeit so gerade da hat uns die, bisher stattgefunden hat. Und dafür bin ich allen, die daran beteiligt sind, sehr dankbar. (Helmut Holter, DIE LINKE: Das muss doch Ursachen haben.) (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU) da gerade hat uns die zurückliegende Zeit gezeigt, dass wir sehr intensiv uns mit der Materie im Vorfeld befassen Darüber stehen alle, wie auch in der letzten Landtagssit- müssen, dass wir ein sehr gutes Zahlenmaterial haben zung bereits ausgeführt, immer in engen Abstimmungen müssen, und darauf reagieren wir. mit dem Landkreistag, mit dem Städte- und Gemeindetag und alle gesetzlichen Regelungen und Ähnliches, das ist Und, Kollege Holter, die Regierung erklärt ihre Kommu- schon in der Geschäftsordnung der Landesregierung so nalpolitik auch immer öffentlich, so beispielsweise nach vorgesehen, können überhaupt nur stattfinden, wenn die dem Gespräch am 7. März, ohne Ihr Zutun und auch Stellungnahmen des Landkreistages und des Städte- und ohne Differenzen. So, wie die Aufforderung Ihrer letzten Gemeindetages eingeholt werden. Der Dialog wird fort- Landtagssitzung, über Hilfen für die Kommunen zu gesetzt und es werden strukturiert die Themen angegan- entscheiden, offene Türen einrannte, so ist es letztend- gen, die Probleme bereiten. lich auch mit dem vorliegenden Antrag. Damals hatten Sie aufgefordert, zu einem Gespräch zusammenzu- Über die Umsetzung der Kreisgebietsreform wurde be- kommen, das bereits in der Woche vor der Landtagssit- reits auf der gemeinsamen Sitzung des Finanz- und des zung stattgefunden hatte. Diesmal fordern Sie auf, über Innenausschusses vom 18. Oktober 2012 ein Zwischen- die Ergebnisse zu berichten, die wir bereits nach dem bericht gegeben. Der nächste Bericht ist im Sommer Spitzengespräch mit den Landräten und Oberbürger- geplant. Auch das gehört dazu, ist planmäßig abgespro- meistern vorgestellt haben, das auch gemeinsam mit chen und besprochen im Fachausschuss. Sowohl der den Landesverbänden und den Trägern stattgefunden Landtag als auch die Öffentlichkeit werden fortwährend hat. weiter informiert.

Um es deutlich zu sagen, dabei ging es letztendlich we- Ja, und zu den Verhandlungen zum Zukunftsvertrag der um konträre noch um unabgestimmte Äußerungen. habe ich nicht zuletzt in der Januarsitzung des Landtages Wir sind uns einig, dass die Kommunen für besondere den Verhandlungsstand mitgeteilt. Wir waren gemeinsam Bedarfe und Belastungen mit Mitteln aus dem Landes- mit dem Städte- und Gemeindetag und dem Landkreistag haushalt unterstützt werden müssen, auch in schwierigen in Dresden und haben hier einen Erfahrungsaustausch Zeiten. Das haben wir gemeinsam vereinbart und wir mit den sächsischen Kollegen gemacht. Wir sind in unse- haben für die Kommunen die Hilfsmaßnahmen dafür ren Ressorts in der Abstimmung komplett fertig, aber die geebnet. Wir werden nun noch einmal 100 Millionen Euro Abstimmungen mit einzelnen Fachebenen sind noch zusätzlich aus dem Landeshaushalt für die kommunale nicht abgeschlossen. Ich als Minister, auch das habe ich

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 71 gesagt, hätte mir hier ein schnelleres Vorgehen ge- (Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE) wünscht, aber auch dies braucht seine Zeit. Und wenn es in dieser Koalition eitel Freude Sonnen- Der Zukunftsvertrag wird nicht in der Versenkung ver- schein ist und wir stramm parallel nebeneinander mar- schwinden, sondern er wird dementsprechend in dieser schieren, dann ist dies genau der Grund der Klage, dann Legislatur gemeinsam mit den Landesverbänden ab- ist es ja so furchtbar, dann hat die SPD ihre Eigenstän- geschlossen. Verhandlungsergebnisse zu dem Thema digkeit verloren und die CDU ist sowieso nicht ernst zu Finanz- und Innenpolitik wurden der Lenkungsgruppe nehmen und dann sind wir siamesische Zwillinge und Ende 2012 vorgestellt. Die Beratungen zu den weiteren sonst was. Fachthemen sollen zwischen den Fachministerien und den Verbänden in einem Zeitfenster von circa drei Mona- (allgemeine Unruhe) ten vereinbart werden. Wenn es aber mal vorkommt, dass die beiden Koalitions- Sie sehen also, die Kommunalpolitik der Regierung folgt fraktionen sich durchaus wahrnehmbar unterschiedlich einem klaren Konzept. Wir machen verlässliche Politik zu bestimmten Fragen äußern, dann ist die Staatskrise und die Kommunen können sich darauf verlassen, dass natürlich da, dann brauchen wir eine Regierungserklä- wir uns auch um ihre Sorgen kümmern. Dass dies hier rung und dann muss der Ministerpräsident sich äußern und da zu unterschiedlichen Ansätzen und auch immer und Richtlinien hin und her. wieder mal zur Diskussion bei dem einen oder anderen Thema führt, halte ich für selbstverständlich und auch für Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie machen wir es legitim. Alle finden immer nachher eine gemeinsame Ihnen eigentlich recht? Wenn wir uns bis ins Kleinste Lösung und das ist auch gut so. einig sind, dann haben Sie laut zu schreien, und wenn wir uns mal nicht ganz vollständig einig sind, dann haben Angesichts der jetzt von den Koalitionsfraktionen be- Sie auch laut zu schreien. Ich glaube, und da gucke ich schlossenen Maßnahmen für die Kommunen ist die Hoff- jetzt meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU an, nung der Opposition auf Verwerfungen in der Koalition wir machen einfach vernünftig Koalitionspolitik weiter und letztendlich doch wie eine Seifenblase zerplatzt. lassen uns von Geschrei, entweder hü oder hott, nicht so sehr beeindrucken. (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Na ja!) (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Und eine Täuschungsabsicht, lieber Kollege Holter, hat in Egbert Liskow, CDU: Genau.) dieser Regierung keiner. Daher kann ich nur sagen, denken Sie mal lieber darüber nach, ob Sie nicht den Aber dieses, lieber Herr Holter, mit den divergierenden Menschen im Land etwas vormachen, wenn Sie für über- Äußerungen steht in Ihrem Antrag und deswegen habe zogene Forderungen nach Erhöhung bestimmter Ausga- ich gedacht, das könnte eigentlich so mein erster Ge- benfenster im Sozialbereich und staatlicher Subventio- danke sein, den ich hier äußere. Dann habe ich hier nierung immer abbilden, als wenn im Land und im Bund Ihre Einbringungsrede gehört, zehn Minuten. Ich habe Geld im Überfluss vorhanden wäre und dieses Geld nur immer gewartet: Wann redet der jetzt eigentlich zu dem verteilt werden müsste. Antrag?

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – (Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Egbert Liskow, CDU: Genau.) Das frage ich mich auch gerade.)

Wir müssen in dieser Bundesrepublik Deutschland auch Er hat eine große Philippika hier losgelassen, was alles darüber nachdenken, was kann ein Land in Gänze noch ganz furchtbar ist mit der Kommunalpolitik dieses Lan- ausgeben, damit wir auch weiterhin die Zukunft stabil für des, nur zum Antrag haben Sie vielleicht fünf bis acht dieses Land sicherstellen können. Das ist Verantwortung. Sekunden geredet Der Verantwortung stellt sich die Landesregierung, der Verantwortung stellen sich die Regierungsfraktionen. Dafür (Helmut Holter, DIE LINKE: Was?) sind wir gemeinsam sehr dankbar, dafür sind wir angetre- ten und das werden wir auch weiter tun. – Vielen Dank. und auf divergierende Äußerungen innerhalb der Koaliti- on hingewiesen, aber ansonsten war dies keine Einbrin- (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) gungsrede dieses Antrags,

Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke. (Helmut Holter, DIE LINKE: Einmal Lehrer, immer Lehrer.) Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Müller von der SPD-Fraktion. sondern eine allgemeine Erklärung zum Thema Kommu- nalpolitik, so, wie Sie sie sehen im Lande Mecklenburg- Heinz Müller, SPD: Frau Präsidentin! Meine sehr verehr- Vorpommern. ten Damen und Herren! Es ist manchmal schwierig. Und der Volksmund sagt, wie du es auch machst, machst du Und dass diese Sicht, die Sie haben, von uns nicht geteilt es verkehrt. Und wenn ich mir die Reaktion der Fraktion wird, das wird hier niemanden überraschen. Was ich DIE LINKE auf Regierungspolitik, auf Koalitionspolitik interessant fand, waren zum Beispiel Ihre Ausführungen, angucke, kann ich nur sagen, der Volksmund hat recht. wie Sie denn zu einer solchen Sicht kommen. Sie haben Wie man es macht, macht man es verkehrt. Denn es uns hier gar Interessantes berichtet, beispielsweise, dass Ihnen recht zu machen, liebe Kolleginnen und Kollegen Sie mit der kommunalen Ebene reden, indem Sie die von den LINKEN, das werden wir wohl nicht schaffen. Funktionsträger aus Ihrer eigenen Partei einladen.

72 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das war ein wiederholt getan. Ich habe Ihnen dazu wiederholt schon Beispiel, Herr Müller, das wissen Sie genau.) etwas geantwortet und ich will es heute wieder tun.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man so Meine Damen und Herren, ich halte diesen Grundgedan- verengt, ken, einen Vertrag zwischen dem Land und der kommu- nalen Ebene zu schließen, in dem wesentliche, beide (Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE) Seiten interessierende Inhalte geregelt werden, in dem es als wesentliches Element von Vertrag ein Geben auf wenn man so verengt versucht, sich ein Bild zu machen, beiden Seiten gibt und ein Nehmen auf beiden Seiten dann muss man sich nicht wundern, wenn man am Ende gibt, für eine außerordentlich gute Idee. Und ich bin sehr nicht von allen verstanden und vielleicht auch nicht un- dabei, wenn alle Beteiligten sagen, wir wollen keinen bedingt ernst genommen wird. Schmalspurzukunftsvertrag, der nur so auf ein, zwei Themen geht, ich sage mal, Kommunalverfassung, Wenn wir, die SPD-Fraktion, in zwei Wochen, am 9. April, Kommunalfinanzen. Das ist klar, dass das da drin sein etwas haben, was wir regelmäßig haben, nämlich einen muss, aber die Frage ist, ist das alles. Die Beteiligten kommunalpolitischen Abend, am 9. April in Neubranden- sagen Nein und ich halte das für sehr gut. Wir wollen burg, dann werden wir übrigens nicht nur aktive Kommu- einen sehr umfassenden Zukunftsvertrag. Und es ist nalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker einladen, son- gerade auch Wunsch der kommunalen Ebene, dass dern auch andere, die ehrenamtlich tätig sind, im Sport, Themen wie Energiepolitik, wie Schulpolitik, wie Ver- in den Kleingärten, in der Kultur, und wir werden nicht kehrspolitik Teil dieses Zukunftsvertrages sind, und ich parteipolitisch sieben. Ich glaube, dass man auf eine halte das für sehr vernünftig. Wenn wir das aber auf solche Art und Weise viel eher dazu kommt, dass man beiden Seiten der Vertragspartner so sehen, meine sehr mit der viel gerühmten und viel zitierten Basis redet und verehrten Damen und Herren, dann müssen wir akzeptie- dann auch ein ungefiltertes, um nicht zu sagen, un- ren, dass die Erarbeitung eines solchen Vertrags erhebli- verfälschtes Bild der Wirklichkeit bekommt. Ich denke, che Zeit in Anspruch nimmt. meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der bessere Weg. Und wenn Sie, Herr Holter, dies immer wieder zum Ge- genstand von kritischen Bemerkungen machen und im- Und damit möchte ich jetzt ein wenig zu dem kommen, mer wieder sagen, ja, was ist denn nun mit dem Zu- Herr Holter, was Sie hier angesprochen haben, nämlich kunftsvertrag, wo bleibt der denn, was passiert denn Kommunalpolitik in diesem Land. Und Sie haben vieles jetzt, dann sollten Sie sich bewusst machen, Sie setzen gesagt, was sich nach meiner Einschätzung mit den damit nicht nur die Landesregierung unter Druck, oder Realitäten in keiner Weise deckt. Sie haben gesagt, Sie versuchen es zumindest, die Landesregierung hier in diese Landesregierung hat keine Linie. Wenn Sie gesagt ein schlechtes Bild zu rücken, dass sie nicht vorwärts- hätten, diese Linie ist die falsche, wir würden gerne eine kommen, andere Linie haben, dann ist das ein ganz normales Verhalten einer Oppositionsfraktion, das ist völlig in Ord- (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Sondern nung. Aber zu unterstellen, es gibt keine Linie, das ist auch die kommunalen Verbände.) einfach an den Realitäten vorbei argumentiert und es hat mit der Wirklichkeit in diesem Land überhaupt nichts zu Sie setzen auch die kommunalen Verbände in das glei- tun – und zu dieser Linie, meine sehr verehrten Damen che schlechte Licht, dass sie hier nicht zu Stuhle kom- und Herren, gehört, dass diese Landesregierung im Dia- men, und ich sage, das halte ich für nicht vernünftig, für log mit der kommunalen Ebene ist, der Innenminister hat nicht verantwortbar. in seinen Ausführungen sehr viel dazu gesagt –, und nun mag es ja Ihr Recht sein zu sagen, wir hätten in dem Ich möchte beiden Seiten sagen, verhandelt in Ruhe, Dialog gern andere Ergebnisse, aber zu sagen, wir reden aber verhandelt gut und legt uns dann am Ende einen nicht miteinander, das stimmt so nicht. sehr umfassenden und einen für beide Seiten akzeptab- len Vertrag vor. Hier geht Gründlichkeit, hier gehen um- Und wenn Rolf Christiansen gesagt hat, und er hat es fassende Inhalte vor Schnelligkeit. gesagt, dass dieses Gespräch, das am 7. März zwischen der Landesregierung und führenden Vertreterinnen Wenn Sie darauf abheben, dass es da vielleicht in der und Vertretern der kommunalen Ebene geführt worden Landesregierung unterschiedliche Positionen zu der ist, das beste Gespräch seit sehr, sehr langer Zeit gewe- einen oder anderen Frage gibt, weiß ich nicht, mag ja sen ist, dann ist das seine Wahrnehmung, und ich glau- sein, aber wenn ich mir mal die kommunale Ebene an- be, auch andere Gesprächsteilnehmer haben diese gucke, dann bin ich ganz sicher, dass es auf der kom- Wahrnehmung, aber das impliziert doch keineswegs, munalen Ebene zu sehr vielen Fragen durchaus unter- dass es vorher keinen Dialog gegeben hat. Es hat ihn schiedliche Positionen, etwa zwischen Landkreisen und gegeben und ein solcher Dialog hat bestimmte Höhe- kreisangehörigem Raum, zwischen großen und kleinen, punkte. Der 7. März war offenkundig ein solcher. Also armen und reichen gibt wir haben über diesen Dialog, und das auch hier in die- sem Landtag, lieber Kollege Holter, vielleicht haben (Udo Pastörs, NPD: Das Sie das so nicht registriert, wiederholt gesprochen und sind immer die gleichen.) er ist Realität. und dass die kommunalen Verbände hier in einer gar (Helmut Holter, DIE LINKE: Über den 7. März nicht so einfachen Situation sind, weil sie ihre gesamte konnten wir noch gar nicht berichten.) Mitgliedschaft mitnehmen müssen und ihre gesamte Mitgliedschaft einen solchen Vertrag akzeptieren muss. Dann ein weiteres Thema, das Sie angesprochen haben, Also lassen Sie denen, die dort verhandeln, Zeit, einen das ist das Thema Zukunftsvertrag. Auch das haben Sie vernünftigen Vertrag auszuhandeln, und hören Sie auf,

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 73 dies hier zum Gegenstand billiger Polemik gegen die Vizepräsidentin Silke Gajek: Das Wort hat jetzt Landesregierung zu machen! der Abgeordnete Herr Saalfeld von der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN. Und dann das Thema Geld. Das ist auch immer sehr beliebt und es klingt bei Ihnen ja durch. Da kann ich nur Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr sagen, wir haben den Kofinanzierungsfonds von 50 Milli- geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her- onen. Er läuft ja längst. Die 2012er-Gelder sind weg, der ren! 2013er ist in der Diskussion. Wir haben den Konsolidie- rungsfonds mit 100 Millionen. Natürlich haben wir hier Herr Müller, noch kein Geld ausgegeben, aber wir haben eine Richtli- nie, nach der das Geld ausgegeben werden wird. Und (Heinz Müller, SPD: Ja.) ich denke, in diesem und im nächsten Jahr wird dieses Geld der kommunalen Ebene auch tatsächlich zur Verfü- dass Sie den LINKEN vorwerfen, dass sie die Kommu- gung gestellt werden. Und wir haben jetzt die klare Aus- nen in die Mithaftung nehmen und ihnen vorwerfen, dass sage der Landesregierung, dass über diese Dinge hinaus sie selbst auf der Bremse stehen und mehr Zeit haben weitere Gelder, bis zu 100 Millionen, zur Verfügung ge- wollen, ich habe diesen Eindruck nicht gewonnen, vor stellt werden, um aktuelle Probleme abzufedern, abzu- allem, weil die Kommunen ja selbst richtig Dampf ge- mildern und wenn möglich zu lösen. macht haben und es sonst zu diesem Termin am 7. März gar nicht gekommen wäre. Also ich glaube ... Wenn ich diese drei Dinge zusammenstelle, lieber Herr Holter, ich weiß, das ist jetzt von mir aus vielleicht ein (Heinz Müller, SPD: Da ging es bisschen polemisch, weil diese Gelder ja nicht alle in nicht um den Zukunftsvertrag.) einem Jahr ausbezahlt werden, aber wenn ich sie einfach mal zusammenzähle, dann bin ich bei einem Betrag – ich Ja, aber ich glaube, diesen Vorwurf kann man den LIN- nehme den dritten Posten jetzt mal auch mit 100 Millio- KEN ganz schlecht machen. nen – von 250 Millionen Euro. Und wenn ich das in Rela- tion setze zu dem, was wir insgesamt in einem Jahr als (Heinz Müller, SPD: Beim Zukunftsvertrag, Finanzausgleich an die Kommunen weitergeben von habe ich gesagt, lasst den Kommunen Zeit.) etwa 1,1 Milliarden, dann sind das zusätzliche Mittel von rund einem Viertel eines jährlichen Finanzausgleichs. Herr Müller, nun haben wir also, Sie haben es selbst Und da kann man weiß Gott nicht von Peanuts reden. angesprochen, sehr viele kommunale Hilfspakete vor uns Das sind gewaltige Beträge und ich glaube, dass diese liegen. Ich zähle vier, und zwar innerhalb von zweiein- gewaltigen Beträge bei den Kommunen auch entspre- halb Jahren, vier Hilfspakete in zweieinhalb Jahren: erst chende positive Wirkungen haben werden. der kommunale Ausgleichsfonds, den zähle ich dazu, über 137 Millionen Euro, dann der Konsolidierungsfonds Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Lan- über 100 Millionen Euro, dann der Kofinanzierungsfonds desregierung und die Koalition reden, die Landesregie- über 50 Millionen Euro und nun also ein neues, bisher rung und die Koalition handeln. Und wenn Sie hier, Herr namenloses Hilfspaket über voraussichtlich 100 Millio- Holter, verantwortliche Landespolitik einfordern, dann nen Euro. Dass dieses neueste Hilfspaket noch keinen kann ich Ihnen sagen, diese Landesregierung, diese wohlklingenden Namen trägt, finde ich im Übrigen be- Koalition machen verantwortliche Landespolitik gegen- zeichnend, über den Kommunen, ich sage, übrigens auch auf ande- ren Feldern. (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, ist das denn so schlimm?) Und wenn Sie hier bemängeln, Sie würden nicht in- formiert, was denn beispielsweise bei der Ämterberei- denn der einzig ehrliche Name wäre aus meiner Sicht sung des Innenministers denn überhaupt herauskommt, „Notfonds für strukturelle Defizite und Planungsfehler bei wenn Sie das wirklich interessieren würde, Coniunctivus der Kreisgebietsreform und Aufgabenübertragung“. irreralis, wenn Sie das wirklich interessieren würde, wäre es ein Einfaches, wenn die Vertreter der Fraktion DIE Meine Damen und Herren, wir stehen also hier vor vier LINKE dieses im Innenausschuss zum Thema machen kommunalen Hilfspaketen innerhalb von zweieinhalb und der Innenminister würde dann dort wie zu anderen Jahren. Ich komme auf insgesamt 387 Millionen Euro Themen selbstverständlich Rede und Antwort stehen – und finde das, wie Herr Müller eben gerade das schon wenn es Sie wirklich interessieren würde. dargestellt hat, auch eine enorme Summe,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Herr Müller, (Heinz Müller, SPD: Richtig.) das nehmen Sie doch selbst nicht ernst, was Sie jetzt gerade gesagt haben.) allerdings interpretiere ich das Zeichen völlig anders, denn Hilfspakete sind niemals Ausdruck solider Finanz- Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich die- politik, sondern Hilfspakete sind immer Ausdruck dafür, sen Antrag nehme, dann ist er vom Wortlaut des Antrags her Quatsch. Und von dem, was wir hier als Begründung (Egbert Liskow, CDU: Fragen gehört haben, wird es nicht besser. Es wird Sie nicht Sie mal den Rechnungshof!) verwundern, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn die SPD – und ich denke, die CDU wird dies eben- dass Fehlentwicklungen zu lange ignoriert wurden. Hilfs- so sehen – diesen Antrag ablehnen wird. – Vielen Dank. pakete sind ausschließlich Kriseninterventionen, um die schlimmsten Auswirkungen von Fehlplanungen abzumil- (Beifall vonseiten der Fraktionen dern. Wer Hilfspakete braucht, hat zuvor etwas falsch der SPD und CDU) gemacht. Deswegen kann ich es auch nicht verstehen,

74 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 wenn sich Herr Sellering und Herr Caffier jedes Mal für (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: ein Hilfspaket öffentlich feiern lassen, schließlich ist jeder Ja, und genau das läuft.) Hilfsfonds ein Eingeständnis, dass die bisherige Politik nicht gefruchtet hat. Darum darf sich das Land nicht drücken.

(Zurufe von Egbert Liskow, CDU, (Heinz Müller, SPD: Das wird erfolgen.) und Barbara Borchardt, DIE LINKE) Also Moment, das wurde uns bisher auch im Innenaus- Und im Übrigen, meine Damen und Herren Abgeordne- schuss anders dargestellt. ten, Herr Müller hat das angesprochen, sollten zunächst die bereits beschlossenen Hilfspakete ausgezahlt wer- (Zuruf von Minister Lorenz Caffier) den, bevor neue Pakete versprochen werden. Ich erinne- re hier daran, dass aus dem 100 Millionen Euro starken Sicher hat der Landesrechnungshof recht, wenn er da- Konsolidierungsfonds zum Abbau der kommunalen Alt- rauf hinweist, dass in Mecklenburg-Vorpommern die schulden bis zum heutigen Tag kein einziger Euro abge- Zuweisungen vom Land an die Kommunen bereits sehr flossen ist. Auch der Kofinanzierungsfonds ist noch nicht hoch sind. Diese Signale hören wir ja, aber wir dürfen hinreichend ausgeschöpft. uns die Finanzausstattung nicht nur in der Relation, son- dern auch in ihrer absoluten Höhe müssen wir sie uns (Beate Schlupp, CDU: vor Augen führen. Wir müssen uns erinnern, wo einmal Woran liegt denn das?) früher die Ausstattung der Kommunen in Deutschland lag, denn die Geschichte der Kommunalfinanzen in den Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen letzten Jahrzehnten lässt es einem eigentlich kalt den wegkommen von den großen Beruhigungspillen. Und Rücken herunterlaufen. dazu bedarf es einer guten Vorbereitung, einer Evaluati- on der tatsächlichen Kosten- und Aufgabenlasten für die Vier Entwicklungen will ich einmal kurz nachzeichnen: Kreise und Kommunen. Sie wissen alle, dass der Anteil der Sozialleistungen an den kommunalen Ausgaben stetig gestiegen ist, kontinu- (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: ierlich. In den 1950er-Jahren, ich mache mal die Rück- Ja, und genau das läuft.) schau, lag der Anteil noch bei 6 Prozent der kommunalen Ausgaben. Heute liegt der Anteil bei rund 23 Prozent. In der Antwort auf meine Kleine Anfrage erklärt die Lan- desregierung noch schmallippig, dass sie die tatsächli- Zweitens. Während das Bruttosozialprodukt in den letz- chen Kosten für die übertragenen Aufgaben an die Krei- ten 30 Jahren um 220 Prozent anstieg, wuchsen im glei- se nicht kenne. chen Zeitraum die kommunalen Steuereinnahmen nur um 130 Prozent. Hier geht eine Entwicklung auseinan- (Egbert Liskow, CDU: Woher denn auch?) der. Die Zuweisungen von Bund und Land stiegen sogar nur um 120 Prozent, obwohl die Sozialausgaben im glei- Meine Damen und Herren, wie will man denn eigentlich chen Zeitraum um 300 Prozent anwuchsen. Die Finanz- sicherstellen, ob eine Aufgabe ausreichend finanziert ist, ausstattung der Kommunen schrumpft also in Relation wenn man nicht einmal weiß, was sie kostet? Deswegen gesehen ganz erheblich. fand ich es auch sehr eigentümlich, dass die Landesre- gierung lieber eine runde Summe von 100 Millionen Euro Drittens. In den letzten 15 Jahren haben die Kommunen in in den Raum stellt und die Sache damit für erledigt er- Deutschland ihr Personal um durchschnittlich 29 Prozent klärt. Ich finde das schwierig. Wie kommen Sie eigentlich reduziert. Das entspricht ziemlich genau einer halben auf genau 100 Millionen Euro? Das müssen Sie mir mal Million Beschäftigten. Hier wurden enorme Konsolidie- erklären. Wie kommen Sie auf 100 Millionen Euro? rungsleistungen erbracht und dennoch reicht die Finanz- ausstattung vielerorts nicht aus. Über 500.000 Arbeitsplät- (Egbert Liskow, CDU: Schöne Nullen.) ze wurden dem deutschen Arbeitsmarkt entzogen. Dass sich die Kommunen nicht angestrengt haben, auch hier Richtig, Herr Liskow, schöne Nullen. Das sagte ... Nein, in Mecklenburg-Vorpommern, kann eigentlich niemand das sage ich jetzt nicht. ernsthaft behaupten.

So kann und sollte es aber nicht funktionieren, meine Viertens. Während 1980 die Kommunen noch rund Damen und Herren. Wir GRÜNEN fordern daher eine 30 Prozent ihrer Ausgaben für Investitionen einsetzten, genaue Evaluation der Kosten der Landkreisneuordnung sind es derzeit nur noch 12 Prozent. Während die Sozi- und einen angemessenen und auskömmlichen Kosten- alausgaben also kontinuierlich steigen, sinken die Investi- ausgleich für die anfallenden Aufgaben. tionen beständig.

In diesem Sinne, Herr Ringguth, begrüße ich auch das (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) Ergebnis des Kommunalgipfels vom 7. März, nämlich, dass die Defizite und Probleme einmal zusammengetra- Diese Entwicklung hat der Landesrechnungshof auch im gen werden und ein Gutachten zur Novellierung des aktuellen Kommunalfinanzbericht für Mecklenburg-Vor- Finanzausgleichs in Auftrag gegeben werden soll. Das pommern eindrücklich nachgezeichnet. Gutachten wird jedoch leider nur den horizontalen Fi- nanzausgleich zwischen den Kommunen untersuchen. Meine Damen und Herren Abgeordnete, diese vier Ent- Aber meines Erachtens darf nicht nur der horizontale wicklungen sollten uns alle nachdenklich stimmen. Wenn Finanzausgleich zwischen den Kommunen, sondern es man sich die historische Entwicklung der Kommunalfi- muss auch der vertikale Finanzausgleich zwischen Bund, nanzen in Deutschland wie auch in Mecklenburg-Vor- Land und Kommunen untersucht werden. pommern anschaut, gelangt man sehr schnell zu der

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Erkenntnis, dass sich unsere Kommunen durchschnittlich (Egbert Liskow, CDU: auf dem Niveau der grundgesetzlich zugesicherten Min- Glücklicherweise wurde das abgelehnt.) destausstattung bewegen. Aber wenn der Kommunalminister schon mal erklärt, Dieses Niveau der Mindestausstattung sollte jedoch dass die gesamte Regierung über die verschiedenen nicht der Standard, sondern der Ausnahmefall sein. Wir Ressorts hinweg Kommunalpolitik macht, dann kann und befinden uns deutschlandweit also in einem völlig unter- sollte der Ministerpräsident nach vier Hilfspaketen und finanzierten System. Wir müssen daher eine gut vorbe- der großen Unruhe auf der kommunalen Ebene auch reitete und ehrliche Debatte um die vertikale Verteilung eine Regierungserklärung abgeben. Deshalb stimmen wir von Finanzen zwischen Bund, Land und Kommunen dem Antrag zu. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. führen. (Beifall vonseiten der Fraktionen (Zurufe von Manfred Dachner, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Egbert Liskow, CDU) Vizepräsidentin Silke Gajek: Das Wort hat jetzt der Vor allem müssen wir auch einmal die Bedarfe der Kom- Abgeordnete Herr Ringguth von der CDU-Fraktion. munen aufgrund ihrer Aufgaben neu berechnen. (Beate Schlupp, CDU: (Manfred Dachner, SPD: Haben Sie Sagst du da noch ein Wort, Dieter? – einmal in diesem Bereich gearbeitet?) Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Na, viel nicht.)

Es ist ja beim Konnexitätsprinzip nur so, dass man ein- Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Sehr geehrte Frau Präsi- mal am Anfang berechnet. Und wie sich die Kosten in dentin! Meine Damen und Herren! Das ist wieder so ein Zukunft entwickeln, das wird nie wieder evaluiert, und Antrag der LINKEN, das finde ich problematisch. (Helmut Holter, DIE LINKE: Wir stören, ne?) (Heinz Müller, SPD: Das stimmt nicht, Herr Saalfeld. – der einen nachdenklich macht. Zurufe von Manfred Dachner, SPD, und Beate Schlupp, CDU) Nein, weil der so unglaublich grau und trist daherkommt, so wie Nur so können wir auch fundiert Position gegenüber der Bundesebene einnehmen und zum Beispiel eine Bundes- (Helmut Holter, DIE LINKE: So wie ihr, ja.) ratsinitiative zu den Kommunalfinanzen anschieben. der Frühlingsanfang in diesem Jahr. Auch sollte die Landesregierung regelmäßig überprü- fen, ob und wie der pflichtige Aufgabenkatalog der (Helmut Holter, DIE LINKE: Euer Bild.) Kommunen reduziert werden kann. Das ist eine Emp- fehlung des Landesrechnungshofes. Zudem sollte das Da wird so ungefähr suggeriert, Konnexitätsprinzip, wie ich es eben gerade schon an- deutete, in Zukunft nicht nur formal, sondern auch tat- (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ sächlich eingehalten werden. Wir sollten das Konnexi- DIE GRÜNEN: Es ist sonnig draußen.) tätsprinzip daher auf eine neue, qualitativ höhere Stufe heben und bei jeder übertragenen Aufgabe nicht nur die der Untergang des christlichen Abendlandes ist nicht Kosten einmalig berechnen, sondern eben immer wie- mehr aufzuhalten. der evaluieren. (Egbert Liskow, CDU: Das haben die (Zuruf von Beate Schlupp, CDU) ja schon hingekriegt, die LINKEN.)

Dem vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE wer- Der Point of no Return ist längst überschritten. Alles ist den wir GRÜNE zustimmen, obwohl der vorliegende ganz schrecklich. Antrag keinen konstruktiven Beitrag zur Verbesserung der Situation der Kommunen liefert. Weder soll die Aus- Und wenn man dann so liest in diesem Antrag, dass es dehnung des Gutachtens zur Reform des FAGs auf die um schwere Verwerfungen innerhalb der Koalition geht, vertikale Finanzverteilung ausgedehnt werden, noch wird da kann ich erst mal nur sagen, wir sind doch hier nicht die Landesregierung aufgefordert, das Konnexitätsprinzip bei „Wünsch Dir was“ mit Irmgard Düren. Ich meine, dass auf eine qualitativ höherwertige Stufe zu heben, noch Sie, Herr Holter, das gerne hätten und das wieder und wird die Landesregierung aufgefordert, regelmäßig zu wieder proklamieren, macht doch aber die Sache nicht überprüfen, ob und wie der pflichtige Aufgabenkatalog besser. Oder noch viel schlimmer, es geht um Täu- der Kommunen reduziert werden kann. schung der Öffentlichkeit. Da haben sich dann die Koali- tionsfraktionen sozusagen gemeinsam aufgemacht, um All das haben wir GRÜNEN vergangene Woche im Fi- die Öffentlichkeit zu täuschen, und wenn die das alleine nanzausschuss im Zuge der Beratungen zum Kommu- nicht hinkriegen, dann macht den Rest die Landesregie- nalfinanzbericht beantragt. Wie wir alle wissen, wurde rung. unser Antrag im Finanzausschuss von der Koalition ab- gelehnt. Wir wissen es übrigens deshalb, weil das der Also, Herr Holter, selbst Ihre Ruckrede – Sie haben ja Teil der Finanzausschusssitzung war, der gnädigerweise gesagt, hier muss jetzt ein Ruck durchgehen – hat an der von SPD und CDU nicht zur Verschlusssache gemacht Sache nichts geändert. Und ich kann meinem Kollegen wurde. Müller nur zustimmen, zum Antrag selbst war wenig bis

76 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 gar nichts zu hören. Aber ich will Ihnen mal ein paar Schritt in eine Koalition sozusagen die Selbstständigkeit Dinge zu dem, was Sie vorgetragen haben, dann doch seiner eigenen Fraktion auf und sagt: Wo lassen Sie jetzt sagen. Also … denken? Irgendwo bei der Landesregierung. – Nein, wir sind eine selbstbewusste Fraktion (Helmut Holter, DIE LINKE: Sagen Sie doch mal, wie Sie auf die (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) 155 Millionen gekommen sind!) und nehmen natürlich für uns in Anspruch, dass wir auch Auf 155 Millionen? Das will ich Ihnen jetzt auch gleich selber denken und Vorschläge machen. erzählen. (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) (Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, wo sind sie denn?) Und, Herr Holter, Sie haben ja gefragt: Was kommt denn nun raus? Sie haben da alles Mögliche gemacht. Ich will Schön, dass Sie die Zahl wissen. Die ist übrigens von der Ihnen sagen, was wir zum Beispiel in den letzten Jahren Zahl 100 Millionen deutlich verschieden, es sind weniger gemacht haben: Nullen dabei, Herr Saalfeld. (Helmut Holter, DIE LINKE: Na?) (Heiterkeit vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben ungefähr 140 Bürgermeistergespräche gehabt im letzten Sommer. Und wir haben das logisch fortge- Aber die Zahl ist höher im Übrigen. setzt, übrigens anders als Sie jetzt mit den Bürgermeis- terkonferenzen, mit den regionalen. Ich komme, (Helmut Holter, DIE LINKE: Mein Gott, (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ wenn ich jedes Gespräch mit Bürgermeistern DIE GRÜNEN: Richtig.) aufzählen würde, dann müssten Sie fünf Stunden zuhören.) ich komme, Da haben wir eben, Herr Müller hat es schon gesagt, (Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU nicht nur christdemokratische Kommunalpolitiker einge- und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von laden, sondern wir haben alle eingeladen, weil uns die Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meinung von allen interessiert und weil auch nur die Meinung von allen uns weiterhelfen kann. ich komme gleich drauf, meine Herren, Und jetzt will ich Ihnen mal sagen, Herr Holter, und das (allgemeine Unruhe) wird Ihnen wieder nicht so ganz passen: Wenn ich in diese Reihen gucke, dann weiß ich von meinen 17 Kolle- was das hier einfach bedeuten kann: Also, vielleicht ist gen, also wir sind 18 in der Fraktion, da sind es 17 von es doch so, und da will ich zunächst mal auf den Zustand 18, die ein kommunales Mandat wahrnehmen, ja, die dieser Koalition eingehen, es wird Ihnen nicht gefallen, kommunal verankert sind. Herr Holter, aber der Zustand in dieser Koalition ist gut. (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) Es ist einfach so, auch das wird Ihnen nicht passen, aber Wir arbeiten vertrauensvoll und vernünftig miteinander. die CDU ist eben kommunal am meisten verankert.

(allgemeine Unruhe – (Beifall Egbert Liskow, CDU – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE) Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, bravo!)

Und das Schlimme ist, wir arbeiten erfolgreich zusam- Wir haben die meisten Mitglieder in Gemeindevertretun- men. Dass Ihnen das, Herr Holter, nicht passt, gen, in Kreistagen. Da hinten sitzt zum Beispiel sogar ein Landrat a. D. Und ich war jahrelang Bürgermeister und (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, bin seit 18, 20 Jahren Mitglied eines Kreistages, war da BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) auch 8 Jahre Fraktionsvorsitzender und bin jetzt im größ- ten und schönsten Landkreis der ganzen Welt, kann ich dumpf nachfühlen. Aber es nützt nichts, Herr Holter, Sie müssen einfach die Dinge, so, wie sie sind, (Peter Ritter, DIE LINKE: Und kommst sogar mal zur Kenntnis nehmen. fast immer pünktlich und gehst sogar eher.)

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE) bin ich jetzt natürlich auch im Kreistag.

Dann muss ich Ihnen einfach mal sagen, wenn man denn (allgemeine Unruhe – in eine Koalition geht, Herr Holter – Sie haben doch die Helmut Holter, DIE LINKE: Erfahrung machen dürfen, Sie haben sie nur aktuell nicht Soll ich jetzt klatschen?) wieder machen dürfen –, dann wissen Sie doch, dass das alles nicht immer nur damit zu tun hat, dass man sich Das bedeutet, Herr Holter, ganz einfach, dass es natür- in einer Koalition zu jedem einzelnen Punkt einig ist. Das lich unsere ureigene Angelegenheit ist, die Sorgen der ist selbstverständlich nicht so. Und niemand gibt bei dem kommunalen Ebene ernst zu nehmen.

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 77

Und wenn Sie dann fragen, was bei einem Bürgermeis- Also, da hat Herr Müller schon recht. tertreffen der CDU so rauskommt, (Helmut Holter, DIE LINKE: Wenn ich (Helmut Holter, DIE LINKE: Ja?) aufgeregt bin, sieht das ganz anders aus.) na, da will ich Ihnen sagen, natürlich haben wir uns zum Wie man’s macht, macht man’s verkehrt. Beispiel zum Thema Doppik – das war eines der bren- nenden Themen mit den Bürgermeistern – unterhalten. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das stimmt.)

(Helmut Holter, DIE LINKE: Nun mal Klartext!) Dass wir durchaus auch mal unterschiedliche Auffassun- gen haben und dass sich nicht jeder mit seiner Auffas- Und jetzt gibt es ganz aktuell eine Zweite Änderungs- sung zu 100 Prozent durchsetzen kann, das ist nicht nur verordnung. Nun werden Sie mir sagen, ja, Verord- sozusagen das Wesen eines Kompromisses, sondern nungsgeber ist immer der Innenminister. Natürlich hat auch das Wesen guter, kollegialer Zusammenarbeit in- der auch gute Leute und die hören im Übrigen auch zu. nerhalb einer Koalition. So läuft das da halt. Und dass wir Und völlig zu Recht hat Herr Müller gesagt, das passiert das sehr selbstbewusst machen, regt andere LINKE eben, ob es Ihnen passt oder nicht, mit den Kommunen deutlich weniger auf. gemeinsam und die Ämterbereisungen des Innenminis- ters, die sind im ganzen Land Gesprächsthema. Das ist Ich will Ihnen mal sagen, ich habe vor ein paar Tagen einfach so. anlässlich der Trauerfeier des Landrates Thomas Leuchert Gelegenheit gehabt, mit Ihrem ehemaligen Kollegen und Und deswegen gibt es eine Zweite Änderungsverordnung Fraktionsvorsitzenden Minister Professor Dr. Methling zu zur Gemeindehaushaltsverordnung-Doppik und zur Ge- sprechen. Wir hatten danach Zeit, uns mal zu unterhalten. meindekassenverordnung-Doppik. Und da geht es ganz Und der hat ganz anders als Sie gesagt: Wissen Sie, ich aktuell um Erleichterungen gerade für kleinere Gemein- finde das interessant und auch mutig, denn ich weiß ja den im kreisangehörigen Raum, die natürlich mit der auch aus eigener Erfahrung, so sagte er, wie es in Koaliti- Umsetzung der Doppik, so, wie sie sehr preußisch- onen manchmal zugeht, dass Sie sich selbstbewusst in- deutsch, wie wir das manchmal machen, vielleicht ein nerhalb der Koalition auseinandersetzen. wenig überreguliert am Anfang einfach mit der Doppik Probleme hatten, um den Leuten, die kommunal für ihr (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) Gemeinwesen Verantwortung tragen, entgegenzukom- men. Das ist so ein Ergebnis. Und ich sage, das ist in Ordnung so. Und wenn es jetzt am Schluss des Tages vielleicht 100 Millionen sind, Das besprechen wir natürlich – da sind Sie aber eben, Herr Holter, tut mir schrecklich leid, nicht dabei –, das (Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE) besprechen natürlich die Politiker aus der Koalition, die noch einmal zusätzlich kommen … (Helmut Holter, DIE LINKE: Ich glaube nicht, dass Ihnen das leidtut.) (Peter Ritter, DIE LINKE: Deswegen habe ich den Mut der CDU hervorgehoben im Kreistag.) also Sozialdemokraten und Christdemokraten gemein- sam miteinander. Und wir sprechen im Übrigen auch mit Ja, den Kommunalverbänden und dann reden wir mit dem Innenminister, den wir stellen. Und dann reden wir mit (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) dem Herrn zum Beispiel, der dort hinten sitzt, Hans- Heinrich Lappat, und dann gibt es solche entsprechen- aber im Kreistag. Du hättest deinem Fraktionsvorsitzen- den Änderungen. Und das sind Ergebnisse, und zwar den sagen müssen, Peter Ritter, dass er den Mut der unmittelbar. CDU-Fraktion auch hier bei seiner Rede hervorheben soll. Ein weiteres Ergebnis will ich Ihnen sagen. Ein weiteres Ergebnis ist zum Beispiel unser Vorschlag, den wir als (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sie Fraktion ausgearbeitet haben. Und dieser Vorschlag sind ja echt die Helden bei der CDU.) richtet sich wieder nicht an Sie, Herr Holter, tut mir leid, auch nicht an Sie, Herr Suhr, und schon gar nicht an die Was nützt das in der Kreistagsfraktion? Aber zurück, anderen Herren da hinten, sondern natürlich an unseren eigenen Koalitionspartner. (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, und?) zurück, Peter.

Wir reden miteinander. (Peter Ritter, DIE LINKE: Da lobt man die CDU mal und dann ist es auch wieder nicht richtig.) (Helmut Holter, DIE LINKE: Dann hättet ihr auch einen Antrag einbringen können.) Ich will Ihnen einfach mal sagen, Ihre Besorgnis, was den Zustand in dieser Koalition betrifft, und wieder und wieder Und, Herr Holter, Ihre Aufregung ist nur schwer zu ver- tragen Sie das vor, das ist irgendwo anrührend. Ich finde stehen. das auch irgendwie,

(Helmut Holter, DIE LINKE: (Regine Lück, DIE LINKE: Ja, Ich bin nicht aufgeregt.) Sie reden mehr drüber als wir.)

78 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 ja, fast schon super freundlich, aber das ist das eigentli- Wir müssen auch mit großer Verantwortung auf die Fi- che Wesen Ihres Antrages. Darum geht es. Sie sind halt nanzen dieses Landes schauen. nicht dabei, wenn die Koalitionäre miteinander reden. (Helmut Holter, DIE LINKE: Und (Helmut Holter, DIE LINKE: Da wollen wir auch dann schreibt man die 155 auf.) gar nicht dabei sein, wenn Sie sich streiten.) Das tun wir gemeinsam und dann sind solche Gespräche Zum Schluss möchte ich Ihnen mal sagen: Wenn zum immer Abwägung. Beispiel ein Ministerpräsident, von dem Sie ja fordern, er soll jetzt eine Regierungserklärung machen, wenn der (Peter Ritter, DIE LINKE: Man müsste mal die zum Beispiel auf dem Parteitag am Wochenende Reden von Wolfgang Riemann rausholen.)

(Helmut Holter, DIE LINKE: Da habe Es ist am Schluss immer ein Kompromiss, und ich meine, ich auch Interessantes gelesen.) ein guter Kompromiss für unsere Kommunen. etwas vor laufenden Kameras sagt gegenüber dem NDR, Wir werden am Ende auch sehen, ob zum Beispiel unser was ich bemerkenswert finde und was auch Andreas Vorschlag, den wir auch eingebracht haben, nämlich Frost dann entsprechend für wichtig befand, es in seinem dass wir einen Teil des Geldes an den kreisangehörigen Artikel schick aufzuschreiben, dann will ich Ihnen das Raum, an die Gemeinden und Städte geben wollen im einfach mal an der Stelle mit der Genehmigung der Frau Rahmen einer Investpauschale, ob wir den am Ende des Präsidentin mal zitieren: „Auch am Schwenk der SPD“ – Tages nicht gemeinsam miteinander vereinbaren kön- vorher hatte er also Lorenz Caffier für sein neues NPD- nen. Wir sind im Gespräch miteinander. Und es tut mir Verbotsverfahren gelobt, leid, danach werden wir uns auch gerne mit Ihnen unter- halten, aber zunächst einmal mit unserem eigenen Koali- (Michael Andrejewski, NPD: Er versucht es.) tionspartner, mit den Genossinnen und Genossen, aber nicht denen, sondern der Sozialdemokratie. Und, Herr der Ministerpräsident, und danach hat er, und das finde ich Holter, tut mir leid, Sie werden es auch weiterhin ertragen sehr souverän, dass ein Ministerpräsident das macht und müssen. – Danke schön. noch dazu auf einem Parteitag –, hat der Ministerpräsident dieses Landes gesagt: „Auch am Schwenk der SPD ge- (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – genüber den finanzklammen Kommunen sei die CDU Helmut Holter, DIE LINKE: beteiligt, so Sellering am Rande des Parteitags. Caffier Bravo! Bravo! Bravo! Bravo!) ,kann für sich in Anspruch nehmen‘, die Koalition zu mehr Finanzzusagen gegenüber den Kommunen bewegt zu Vizepräsidentin Silke Gajek: Das Wort hat jetzt der haben, räumte Sellering gegenüber dem NDR ein.“ Abgeordnete Herr Pastörs von der Fraktion der NPD.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut.) (Heinz Müller, SPD: Jetzt kommt der Weltökonom.) Da will ich Ihnen sagen, wenn wir über die ganze Wahr- heit reden, dann ist es nicht nur Caffier gewesen, son- Udo Pastörs, NPD: Ja, ich habe vielleicht ein bisschen dern es war eben auch mehr schon gesehen von der Welt, als Sie sich erträu- men. (Peter Ritter, DIE LINKE: Wolf-Dieter Ringguth.) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: unter Einsatz einer selbstbewussten Fraktion Stimmt, vor allen Dingen in Afrika.)

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Genau.) Frau Präsidentin! und vor allen Dingen (Heinz Müller, SPD: Die Frage ist, wie viel Sie davon verstanden haben.) (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf Herrn Ringguth eingehen. aber auch das Gespräch mit unseren eigenen Kollegen von der SPD. Herr Ringguth, Sie haben hier 15 Minuten schwadroniert und haben nicht eine einzige klare Aussage zu den Prob- (Unruhe vonseiten der Fraktionen lemlösungen in den Kommunen hier dem Parlament der SPD und CDU) mitgeteilt.

Und wenn Ihnen vielleicht 100 Millionen wie immer zu (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) wenig sind, Herr Holter, dann will ich Ihnen nur eins sagen, Sie haben einfach von vornherein sich nicht eingelassen (Helmut Holter, DIE LINKE: Schauen Sie auf eine Sachdiskussion. Wäre die Grundlage Ihrer Rede mal in die Gesichter der SPD-Kollegen!) hier heute, wir haben einfach die Abwägungen miteinander zu tref- (Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU) fen, die Sie nie treffen müssen. Sie können sich immer auf die Seite des Fordernden stellen, aber da haben wäre die Grundlage Ihrer Rede hier heute der aktuelle doch unsere Kollegen von der SPD vollkommen recht: Kommunalfinanzbericht 2012 gewesen, dann hätte man

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 79 ja auf das eine oder andere antworten können, was ich nig mehr in das reguläre Finanzsystem über das FAG – gerne getan hätte. Aber dem haben Sie sich entzogen, hier an dieser Stelle haben nicht nur wir von der NPD, sondern auch DIE LINKE, muss ich mal sagen, ganz klar (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) aufgezeigt, konstruktiv, dass das neue FAG schon jetzt Makulatur ist, weil es in keinster Weise den Finanzbedar- indem Sie nicht den Mut hatten, über Zahlen zu disku- fen in den Kommunen tieren. (Heinz Müller, SPD: Haben wir ein neues?) Weil meine Redezeit sehr begrenzt ist, und in den Städten überhaupt gerecht wird. (Stefanie Drese, SPD, und Dr. Norbert Nieszery, SPD: Gott sei Dank! – (Heinz Müller, SPD: Haben wir ein neues?) Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD) Wir haben ein gültiges und dieses … möchte ich mich oder muss ich mich natürlich konzentrie- ren auf einen Punkt, und zwar sind das die Investitions- (Heinz Müller, SPD: Sie ausgaben, die Sie wunderbar abgebildet hier sehen, wo reden von einem neuen.) Sie feststellen, dass geradezu die Sozialausgaben ex- plodieren und die Kommunen die Finanzierung dieses Das war seinerzeit neu, als es noch nicht beschlossen strukturellen Problems nicht mehr aus eigener Kraft leis- war. ten können. Wenn Sie sich das anschauen von 1995 bis 2011, dann sehen Sie, dass fast exakt sich die Finanzie- (Heinz Müller, SPD: Ach ja! Jaja!) rungslage auf den Kopf gestellt hat. Und dieses FAG, mein lieber Herr Müller, das, zeigt sich, Und wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, das Land reicht nicht aus und deswegen haben wir mit unserer wird helfen, Herr Caffier, bleiben Sie hier konkrete Zahlen Prognose recht. schuldig Und jetzt noch ein Wort zum Antrag der LINKEN: Der (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Die Antrag der LINKEN ist insofern zu unterstützen, als dass Zahlen sind so oft genannt worden.) er den arroganten Ministerpräsidenten auffordert, hier vor dem Parlament in concreto Stellung zu nehmen, wie er und führen dann an, 100 Millionen Konsolidierungsfonds, die strukturellen Defizite in den Kommunen unterstützen 50 Millionen Kofinanzierungsinvestitionsfonds, dann muss will. Und da nützt eben einmalige Halbierung der nun man sagen – und das haben Sie ja auch zugeben –, Sie zusätzlich aufgelaufenen Kosten durch die Kreisgebiets- haben keine vernünftige, verlässliche, belastbare Zahlen- reform nicht aus, mit 50 oder 55 Millionen, wie das ge- grundlage, um hier konkrete Angebote machen zu können, plant ist. den Kommunen zu helfen. Das ist die Wahrheit. Ein Strukturproblem löst man nicht durch Einmalzahlun- Und wenn Sie in die Praxis gehen, dann will ich Ihnen mal gen, sondern Strukturprobleme haben, das ist den Struk- ein Beispiel näherbringen, ein Beispiel aus den Kreisen, turproblemen eigen, eine sehr, sehr lange Zeit nötig, um aus dem Kreistag, aus dem Kreis -Parchim. sie abzubauen. Und dann brauchen die Kommunen eine Dort haben wir im Moment die Situation, dass die Straßen langfristige, vernünftige Planungsgrundlage. Und sie total kaputt sind und der Kreis nicht mehr in der Lage müssen wissen, wie viel sie konkret jedes Jahr an Hilfe, ist, diese Straßen vernünftig zu unterhalten, weil im Haus- um ihre Probleme zu bewältigen, vom Land erwarten halt ausgewiesen steht 1,1 Millionen. Das reicht, das habe können. ich Ihnen schon mal gesagt, gar noch nicht mal, um die Löcher zu stopfen, die jetzt entstanden sind nach dem (Zuruf von Manfred Dachner, SPD) langen Winter. Und jetzt schauen wir uns an, wie viel muss denn dieser Kreis ausgeben für 35 Schüler, die nicht re- Noch eins zu Ihrer immer hoch gerühmten kommunalen gulär mehr zu beschulen sind. 35 junge Menschen, dafür Selbstverwaltung – Demokratie an der Basis. zahlt der Kreis jedes Jahr – und setzen wir das ins Ver- hältnis allein für die Unterhaltung der Straßen, das sind die (Heinz Müller, SPD: Es praktischen Probleme in den Kommunen und in den Krei- steht so im Grundgesetz.) sen – 1,7 Millionen, für 15 Kinder. Ja, das steht auf dem Papier. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: 35, denke ich?) (Heinz Müller, SPD: Ja, ich weiß, dass Und da geht der Landrat her, Genosse der SPD, und Sie vom Grundgesetz nichts halten.) sagt, also wenn die Schulen zu blöd sind, die Kinder vernünftig zu bilden, dann sehen wir auch nicht ein, dass Die Realität ist, dass die Kommunen, die Städte und die wir sie finanzieren sollen. Dann soll bitte das Land dafür Kreise überhaupt gerade noch mal ihre Pflichtaufgaben aufkommen. Das sind natürlich Argumente und Sie blen- erfüllen können. Aktive demokratische Gestaltung, die den natürlich vollkommen aus, dass diese Situation auch hat auch etwas mit Geld zu tun. ein Ergebnis der real existierenden sozialen Verhältnisse hier in Mecklenburg und in Vorpommern ist. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wissen Sie überhaupt, was das ist?) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn sich dann der Ministerpräsident in unglaublich arroganter Und das Geld stellt eben das Land den Kommunen nicht Weise hinstellt und sagt, es gibt überhaupt keinen Pfen- mehr zur Verfügung. Deswegen wird das, was Sie hier

80 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 geplant haben, nur erst mal wieder Ruhe bringen für eine (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Gut.) kurze Zeit und danach werden die Strukturprobleme … und wie um den kommunalpolitischen Kurs dieser Regie- Vizepräsidentin Silke Gajek: Herr Pastörs, kommen Sie rung? zum Ende! Am 22. Februar sieht sich die Koalition genötigt, den Udo Pastörs, NPD: … umso kräftiger wieder aufbre- Kommunen einen weiteren, einen 100-Millionen- chen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Rettungsfonds in Aussicht zu stellen. Denn die Gefahr war inzwischen unübersehbar geworden, dass der Kom- Dem Antrag von der Fraktion DIE LINKE wird die NPD munalgipfel am 7. März in der Staatskanzlei anderenfalls selbstverständlich zustimmen. – Danke schön. ohne kommunale Beteiligung stattfinden könnte. In die- sem Sinne war der kommunale Rettungsfonds zugleich (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) ein Rettungsring für diese Koalition.

Vizepräsidentin Silke Gajek: Das Wort hat jetzt die (Wolfgang Waldmüller, CDU: Abgeordnete Frau Rösler von der Fraktion DIE LINKE. Das hat Herr Holter schon gesagt. – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU) Jeannine Rösler, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren, nach dieser internen Verstän- digung auf 100 Millionen Euro Einmalhilfe preschte nun Herr Ringguth! Herr Müller! Herr Ringguth ist leider raus- die CDU-Fraktion unabgestimmt, aber öffentlich vor. In gegangen. einem sogenannten Solidarpakt für die Kommunen, ich komme darauf noch zurück, errechnet Herr Kokert einen (Udo Pastörs, NPD: Dem ist schlecht geworden.) kommunalen Bedarf von 155,0 Millionen Euro, und das alles vor der Sitzung des Koalitionsausschusses, unab- Ihr Vorwurf, Ihre Unterstellung, dass sich meine Kollegin- gestimmt, aber öffentlichkeitswirksam. nen und Kollegen nur mit linken Kommunalvertretern oder Bürgermeistern treffen würden und reden würden, Meine Damen und Herren, ich hatte sofort die scharfe ist völlig daneben. Und das wissen Sie auch. persönliche Kritik aus Reihen der CDU-Fraktion am Mi- nisterpräsidenten vor Augen, Stichwort unsinnige Ge- (Heinz Müller, SPD: Bei Herrn richtsreform. Wenn man weiß, was da abging, da musste Holter hört es sich so an, deshalb einem sowohl um Herrn Kokert als auch um die Koalition bin ich dabei für eine Klarstellung. – angst und bange werden. Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE) (Zurufe von Manfred Dachner, SPD, Die Abgeordneten der LINKEN sind ständig und regel- und Wolfgang Waldmüller, CDU) mäßig im Gespräch Noch beklemmender allerdings war die anschließende (Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE) Friedhofsruhe: keine kritische Verlautbarung aus der Staatskanzlei, keine kritische Silbe aus der SPD- im Rahmen ihrer Wahlkreisarbeit mit kommunalen Vertre- Fraktion, tern und Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, (Manfred Dachner, SPD: Ja, (Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE) so sieht harmonische Ehe aus.) egal ob sie der CDU, der SPD oder den GRÜNEN ange- kein kritisches Wort des sonst um kein Wort verlegenen hören oder parteilos sind. Und ich rede jetzt darüber, wie kommunalpolitischen Sprechers der SPD. viele kommunale Vertreterinnen und Vertreter, eben nicht nur LINKE, die Situation wahrnehmen. (Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Am 26. Februar dieses Jahres ging ein Donnerhall durch Nichts, absolute Stille. unser Land. Meine Damen und Herren, den Vogel abgeschossen hat (Egbert Liskow, CDU: Oh!) dann aber Herr Kokert selbst,

Er blieb jedoch ohne Widerhall, und das sollte misstrauisch (Wolfgang Waldmüller, CDU: machen. Offensichtlich war es kein Naturwunder, sondern Was ist daran so Schlimmes?) eine politische Farce. Und genau darüber ist zu reden. und zwar nach dem Koalitionsausschuss. Da unterbreitet ein Koalitionspartner dem anderen Koali- tionspartner über die Presse und – was auffällig oft be- (Heinz Müller, SPD: tont wurde – völlig unabgestimmt ein Angebot zu Ge- Wenn ich rede, ist es nicht richtig, sprächen über die Stärkung der kommunalen Selbstver- wenn ich schweige, ist es nicht richtig …) waltung in unserem Land. Das Ergebnis waren bekanntlich die längst vereinbarten (Udo Pastörs, NPD: Der Herr Kokert.) 100 Millionen Euro.

Donnerwetter, war man geneigt zu denken. Wie muss es (Udo Pastörs, NPD: Tja. – um diese Koalition bestellt sein Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 81

Von seinen scheinbar detailliert berechneten 155,0 Milli- kommunaler Einnahmepotentiale und eigene Konsolidie- onen Euro war überhaupt keine Rede mehr. rungsmaßnahmen der Kommunen entlassen das Land nicht aus seiner Verantwortung für strukturelle Defizite (Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus) kommunaler Haushalte.“

„Das Ergebnis ist enttäuschend“ oder „Mehr war gegen Und jetzt zitiert diese Entschließung weiter aus der Soli- den Widerstand der SPD nicht möglich“ darpakt-Presseerklärung der CDU-Fraktion: „Wir müssen den Kommunen strukturelle Hilfe geben. Deshalb ist ein (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) einmaliger teilweiser Schuldenschnitt allein unzurei- chend“, so weit die Entschließung. An dieser Stelle war oder einfach „Das Ergebnis ist nicht zufriedenstellend“ – ich in der Tat sehr gespannt auf das Pro und Kontra der so oder so ähnlich, das wären zutreffende Kommentie- CDU-Fraktion zu unserem Antrag beziehungsweise zu rungen für die Abfuhr gewesen, die sich die CDU abho- Ihrer eigenen Verheißung. len durfte. (Heinz Müller, SPD: Werde ich wieder (Wolfgang Waldmüller, CDU: kritisiert, weil ich was dagegen habe.) Trotzdem müssen wir uns nicht nach dem richten, was Sie gerne wollen.) Weitere Hilfen wären zwar notwendig,

Ganz anders reagierte jedoch der im Koalitionsaus- (Helmut Holter, DIE LINKE: So wichtig schuss vorgeführte Herr Kokert. Der CDU-Fraktions- sind Sie auch nicht, Herr Müller. – vorsitzende war mit dem vollständigen Scheitern seiner Zuruf von Heinz Müller, SPD) Forderung – man höre und staune! – zufrieden. Dieses Theaterspiel wurde dann auch der Presse zu viel und so sind aber zurzeit politisch nicht umsetzbar. bohrten die Medien etwas tiefer. Dem Vernehmen nach – ich lasse mich hier gern korrigieren –, (Helmut Holter, DIE LINKE: Wir sind gespannt auf die Reaktion (Wolfgang Waldmüller, CDU: der CDU, Herr Müller.) Bis jetzt war alles falsch.) Diese oder eine ähnliche Antwort der CDU hätte ich dem Vernehmen nach hat der Innenminister dann das erwartet. Aus der CDU-Fraktion hingegen kam nicht ein Ganze als Show eingeräumt, denn seine Fraktion einziger Satz, bräuchte auch mal eine Spielwiese. (Peter Ritter, DIE LINKE: Wer (Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU) war denn da da zu der Sitzung?)

Diese Darstellung liegt nahe, wenn man sich die Abfolge nicht ein einziges Wort, nicht eine einzige Silbe. der Ereignisse vor Augen führt. (Peter Ritter, DIE LINKE: Welcher Experte (Egbert Liskow, CDU: Was haben hat denn da teilgenommen an der Sitzung?) wir denn für ein Theater heute hier?) Ich glaube, Herr Silkeit. Ein kommunaler Solidarpakt als Spielwiese, hier kann man sich mal austoben, Apathisch wurden die eigenen Forderungen wie Fremd- körper betrachtet und abgelehnt. (Helmut Holter, DIE LINKE: Wenn ihr solche Vorlagen liefert, müsst ihr das aushalten.) Meine Damen und Herren, wer mit dem Feuer zündelt, der muss mit Brand rechnen. Und auch wer innerhalb ohne etwas anzustellen, ohne wirklich etwas zu bewir- einer Koalition kokelt, ken. Das mag zwar etwas Dampf aus der Koalition ge- nommen haben, gegenüber den Kommunen ist ein derar- (Heinz Müller, SPD: tiges Spiel ganz einfach schändlich. Kokert oder kokelt, oder was?)

Meine Damen und Herren, und wenn es noch eines Be- der kann nicht sicher sein, dass schon nichts passieren weises bedurfte, dass es sich um reines CDU-Theater wird. gehandelt hat, der nächste Akt sollte ihn erbringen, diesmal im Innenausschuss. Zum Kommunalfinanzbe- (Unruhe und Heiterkeit richt des Landesrechnungshofes hatte meine Fraktion vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, einen Entschließungsantrag eingebracht, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Helmut Holter, DIE LINKE: Hört, hört!) Der CDU ist es nämlich gelungen, den Vorhang zu ver- brennen, hinter dem bisher die konzeptionslose Kommu- Drucksache 6/219, nalpolitik dieser ihrer Landesregierung versteckt wurde.

(Heinz Müller, SPD: Aber wir (Zuruf von Manfred Dachner, SPD) thematisieren das ja nicht im Ausschuss.) Laut Solidarpakt fühle sich die CDU – anders als die dessen zweiten Punkt ich hier zitieren möchte: „Eine Landesregierung – den Kommunen besonders ver- berechtigte Orientierung auf das stärkere Ausschöpfen pflichtet.

82 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013

(Egbert Liskow, CDU: Aber ihr müsst ja Wenn Sie sich aufs „Neue Deutschland“ beziehen, kann richtig getroffen gewesen sein, was? ich Ihnen nur sagen, früher hat auch da nur der Wetter- Wenn ihr so ein Theater aufführt?!) bericht gestimmt, alles andere nicht.

Anders als durch die Landesregierung wird die Notwen- (Beifall und Heiterkeit vonseiten digkeit postuliert, kommunalen Zusagen eine echte Ver- der Fraktion der CDU – bindlichkeit zu geben. Die Hilfen der Landesregierung Zuruf von Udo Pastörs, NPD) seien unzureichend. Notwendig seien dagegen wirkliche Maßnahmen. Was ist los in dieser Koalition? Und insofern kann ich Ihnen sagen, dass erstens der Städte- und Gemeindetag und der Landkreistag gemein- (Wolfgang Waldmüller, CDU: Alles bestens. – sam mit der Landesregierung zu der Auffassung gekom- Heiterkeit bei Manfred Dachner, SPD: men sind, dass wir Schwerpunkte untersuchen, dass wir Das möchten Sie gerne wissen, ne?) drei Arbeitsgruppen bilden, dass die Landesregierung bis zu 100 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellt, die Der Koalitionsvertrag jedenfalls ist reine Makulatur. von den Gebietskörperschaften vorrangig für Investitio- nen, für die Frage der möglichen Unterfinanzierung und Und, meine Damen und Herren, nach Auffassung der der Anschubfinanzierung der Kommunen gefragt sind, für Landesregierung sei die kommunale Ebene auskömm- die Frage der Vermögensauseinandersetzung. Wir haben lich ausfinanziert. Und da diese Auffassung – auch eine Arbeitsgruppe gebildet, die die Fragen der Kosten- nach Erkenntnis der Landesregierung – nicht haltbar explosion im Bereich der Jugend- und Sozialhilfe unter- ist, wird ein weiterer Fonds aufgelegt, aber schnell sucht. Das war auch ein gemeinsamer Wunsch. Und wir wieder die Einmaligkeit dieser Hilfe betont. Dass auch haben uns auch verständigt auf das FAG, und zwar so- dies alles an der realen Lage nicht viel ändern wird, wohl vertikal als auch horizontal. habe die CDU erkannt und versucht, mit ihrem Papier zu belegen. Und da immer wieder irgendwelche Diskussionen hier im Raum stehen, will ich das gerne noch mal geradestellen. Im Ergebnis Ihrer koalitionsinternen Zündelei haben Sie Insofern kann ich Ihre Aufregung überhaupt nicht verste- nun allerdings Ihre potemkinschen Dörfer angezündet. hen, denn der Städte- und Gemeindetag und der Land- Aussagen der Landesregierung zum Zustand unserer kreistag haben mir auch noch mal mitgeteilt, genauso wie Kommunen werden von einem Koalitionspartner Lügen dem MP, dass wir gute Grundlagen für eine zukünftige gestraft. Kommunalpolitische Ansätze der Landesregie- Zusammenarbeit auch weiterhin gelegt haben. rung wurden von einem Koalitionspartner als wenig ver- bindlich charakterisiert. Dagegen wären in Wirklichkeit (Heinz Müller, SPD: Das ist ja ganz andere Maßnahmen notwendig. gerade das Problem der LINKEN.)

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund wäre Und dass die Probleme des Landes, die in Zukunft nicht ein deutliches Wort, eine Klarstellung des Ministerpräsi- einfacher werden, darauf will ich sehr wohl verweisen, denten, das Gebot der Stunde. Dass dies ausbleibt, das ist das Einzigste, wo Sie recht haben, spricht für sich. Vor allem wirft dies ein bezeichnendes Licht auf diese Koalition und ihr Verhältnis zu den Kom- (Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: munen. Dieser Regierung fehlt nicht nur ein kommunal- „Einzige“ kann man nicht steigern.) politisches Herz, sondern ebenso ein kommunalpoliti- scher Kompass. die Probleme werden größer, denn die Finanzströme, darüber haben hier alle immer und immer wieder gere- (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – det, werden in Zukunft nicht mehr, sondern sie werden Dr. Norbert Nieszery, SPD: weniger. Darauf müssen wir uns alle einstellen und des- Das hat aber gesessen!) wegen kann ich in der Tat nur Kollegen Müller und Kolle- gen Ringguth wieder folgen, wir können machen, was wir Vizepräsidentin Silke Gajek: Ums Wort hat noch mal wollen, Sie finden es immer falsch. Nur Ihr Konzept ha- der Innenminister Herr Caffier gebeten. ben wir bis zum heutigen Tag hier nicht gehört. – Vielen Dank. Minister Lorenz Caffier: Frau Präsidentin! Meine Da- men und Herren Abgeordnete! (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU) Frau Rösler, da man so einen gequirlten Unfug nicht am Ende als Rede im Raum stehen lassen kann, Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke.

(Heiterkeit bei Manfred Dachner, SPD) Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schlie- ße die Aussprache. habe ich mir jetzt doch erlaubt, noch mal das Wort zu ergreifen. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1653. Wer dem zuzu- (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) stimmen wünscht, den oder die bitte ich um ein Handzei- chen. – Die Gegenprobe. – Und Stimmenthaltungen? – Denn neben der Kollegin Polzin bin ich ja einer der Ver- Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksa- treter, der an dem Gipfel mit teilgenommen hat. Und che 6/1653 abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktion DIE bisher, dachte ich, waren Sie interessiert an den Ausfüh- LINKE, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Fraktion rungen über den Gipfel und nicht an den Ausführungen der NPD, bei Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und über die Fraktion. CDU, bei keinen Enthaltungen.

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Ich rufe vereinbarungsgemäß den Tagesordnungs- Agieren der Behörden im Zusammenhang mit den punkt 34 auf. Das ist die Beratung des Antrages der rechtsterroristischen Anschlägen des NSU und sie erwar- Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kein Verfas- ten es nicht nur diesbezüglich, sondern sie erwarten sungsschutz ohne wirksame demokratische Kontrolle. auch, dass die Politik ihre Lehren aus den Vorgängen Das ist die Drucksache 6/1636. Hierzu liegt Ihnen ein zieht und dass die Arbeit der Sicherheitsbehörden zu- Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- künftig deutlich – und das ist ein wesentlicher Punkt – NEN auf Drucksache 6/1683 vor. durchschaubarer und offener wird.

Antrag der Fraktion Drittens. Geheim tagende Kontrollgremien wie die Par- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lamentarische Kontrollkommission, diese Gremien erfah- Kein Verfassungsschutz ohne ren in der Bevölkerung immer weniger Akzeptanz und wirksame demokratische Kontrolle immer mehr Misstrauen, – Drucksache 6/1636 – (Zuruf von Torsten Renz, CDU) Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch weil eine öffentliche Kontrolle des Verfassungs- – Drucksache 6/1683 – schutzes mit dem derzeitigen Regelwerk ausgeschlos- sen ist. Das Wort zur Begründung hat der Fraktionsvorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Abgeord- (Manfred Dachner, SPD: Was Sie alles nete Herr Suhr. so wissen, Herr Suhr, das ist erstaunlich.)

Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte Wir können ja durchaus alle zu anderen Einschätzungen Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Am gelangen, gestrigen Abend haben wir auf Grundlage des Antrages der Fraktion DIE LINKE zum NSU-Bericht des Innenmi- (Zuruf von Rainer Albrecht, SPD) nisters eine, wie ich finde, intensive, teilweise auch spannende Debatte geführt, in der es nicht nur darum da bin ich sehr gespannt auf Ihren Vortrag hier. ging, den Bericht des Innenministers zu den Gescheh- nissen um den NSU zu bewerten, und es ging auch nicht Viertens. Es muss auch für die Landespolitik oberste nur darum, die Berechtigung oder auch Nichtberechti- Priorität haben, das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden gung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschus- des Landes wiederherzustellen. Auch dazu sind absolute ses zu debattieren, sondern die Debatte ging über diese Offenheit und Transparenz erforderlich. beiden Punkte hinaus. Wir haben in der gestrigen Debatte an der einen oder Es ging vor allem auch um die Frage, inwieweit die Be- anderen Stelle ansatzweise gehört, dass das öffentliche hörden in Mecklenburg-Vorpommern bei den Ermittlun- Interesse offensichtlich nachlässt. Ich hoffe sehr, dass gen zum Mordfall Mehmet Turgut und zu den beiden damit nicht verbunden ist, dass der Reformwillen, was Banküberfällen in Stralsund Fehler begangen haben. Vor die Sicherheitsarchitektur in unserem Bundesland, in allem aber wurde auch die Frage aufgegriffen, inwieweit anderen Bundesländern, auf Bundesebene angeht, wir mit der bestehenden Sicherheitsarchitektur in Meck- ebenfalls nachlässt, sondern ich glaube, dass hier unbe- lenburg-Vorpommern richtig und gut aufgestellt sind, eine dingter Handlungsbedarf gegeben ist. Frage, die sich seit Monaten auf Bundesebene und auch auf Landesebene gerechtfertigterweise stellt. (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Wir haben gestern auch darüber diskutiert, ob das öffentli- Sehr geehrte Damen und Herren, wo ist der Reformwille? che Interesse zu diesen Vorgängen nachgelassen hat und Herr Ritter, ich sage mal, beispielsweise gibt es ja einen ob die Aufarbeitung beendet ist oder fortgesetzt wird oder Gesetzentwurf, der derzeit in Nordrhein-Westfalen auf fortgesetzt werden muss. Ich glaube, hier hatten wir große Ebene des Landtages beraten wird, mit durchaus inte- Einigkeit, dass das geschehen muss. Und es stellte sich in ressanten Ansätzen. der Diskussion die Frage, welche Konsequenzen aus dem Agieren der Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit (Peter Ritter, DIE LINKE: den Mord- und Terroranschlägen des NSU zu ziehen sind. Hier im Land! Hier im Land!)

Sehr geehrte Damen und Herren, seit dem Herbst 2011 SPD und Grüne haben das eingebracht. Ob das hier in findet bundesweit eine intensive Diskussion um die Per- der Tat so der Fall ist, werden wir möglicherweise in der spektive des Verfassungsschutzes statt. Dem wollen wir Debatte erleben. uns mit dem vorliegenden Antrag ausdrücklich stellen. Ich sage an dieser Stelle, wir sind da nicht alleine, das (Peter Ritter, DIE LINKE: Das kann ich Ihnen geschieht auch auf der Ebene anderer Bundesländer. jetzt schon sagen, wie das aussieht. – Und ich möchte diesem Antrag, den wir Ihnen heute Zuruf von Torsten Renz, CDU) vorlegen, einige zentrale Thesen voranstellen: Ja, ich möchte den Kollegen der Mehrheitsfraktionen hier Erstens. Das Versagen der Sicherheitsbehörden, das sich schon die Möglichkeit geben, über viele Jahre hinzieht, fordert wahrnehmbare Konse- quenzen. (Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Sie entscheiden in der Sache, sie bewerten.) Zweite These. Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht eine umfassende Information zum Verhalten und vielleicht positiv darauf einzugehen.

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(Zuruf von Torsten Renz, CDU) offensichtlich dem Verfassungsschutz lange verschlos- sen geblieben sind. Sehr geehrte Damen und Herren, wenn man diesen Themen folgt, dann kann es keinen Zweifel geben, es Unser dritter Vorschlag und vermutlich in Ihren Augen ist unbedingter Handlungsbedarf gegeben, es besteht einer der brisantesten: Wir wollen, dass der Einsatz von ein dringender Reformbedarf. Ein „Weiter so“ kann und sogenannten V-Leuten in der rechten Szene ausgesetzt darf es nicht geben. Daher legen wir Ihnen heute einen und evaluiert wird. Antrag vor, der konkrete Veränderungsvorschläge bein- haltet. (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Ich möchte dazu auf einzelne Punkte eingehen. Und Dabei soll auch geprüft werden, ob auf den Einsatz von wenn ich vom Kollegen Renz jetzt gerade höre, wir ent- V-Leuten gänzlich verzichtet werden kann. Viel zu groß scheiden in der Sache, so war der Zwischenruf, … ist die Gefahr, und das ist die aktuelle Debatte, meine Damen und Herren, dass sich die Zuwendungen des (Torsten Renz, CDU: Nach Qualität! Verfassungsschutzes an seine V-Leute gegen unseren Nach Qualität! Das ist zu berücksichtigen.) demokratischen Rechtsstaat richten und dazu beitragen, rechtsextreme Strukturen indirekt zu finanzieren. Dies Nach Qualität an der Stelle. wollen wir für die Zukunft ausschließen. Und in dem Kontext sehen Sie bitte auch unseren Änderungsantrag. … dann möchte ich zumindest anmerken, dass wir an Versehentlich ist da die noch nicht endbearbeitete Fas- der einen oder anderen Stelle hier auch an Punkte kom- sung rausgegangen, deshalb haben wir das noch mal men, wo das Argument für die Ablehnung eines Opposi- nachgereicht. tionsantrages darin gesucht wird, dass der andere Koali- tionspartner nicht mit stimmt. (Udo Pastörs, NPD: Wir haben bis jetzt sieben Fehler gefunden. Aber ansonsten ...) (Torsten Renz, CDU: Aber nicht bei der CDU! Aber nicht bei der CDU!) Unser vierter Vorschlag: Wir wollen, dass der Schutz des Grundrechtes auf effektiven Rechtsschutz gegen die vom Das, in der Tat, ist keine sachliche Entscheidungsgrund- Verfassungsschutz ergriffenen Maßnahmen verbessert lage. wird, und zwar durch eine Erweiterung der Mitteilungs- pflichten gegenüber den betroffenen Personen. Meine Damen und Herren, an erster Stelle steht die Ein- schränkung des Aufgabenbereiches der Verfassungs- Der fünfte Vorschlag: Die Erwähnung im Verfassungs- schutzbehörde. Wir sind der Auffassung, dass sich die schutzbericht hat eine negative Stigmatisierung und Aktivitäten der Verfassungsschutzbehörde vor allem auf verstößt, wenn die Voraussetzungen des Verhältnismä- solche Bestrebungen konzentrieren sollen, die einen ßigkeitsprinzips nicht erfüllt sind, gegen das allgemeine konkreten Gewaltbezug aufweisen. Solche Gruppierun- Persönlichkeitsrecht der Betroffenen. Wir haben dies gen und Einzelpersonen, die ihre Gedanken lediglich in gerade ganz exemplarisch im Rahmen des Landesver- Wort, Schrift oder Bild äußern, sollen angesichts der fassungsschutzberichtes erfahren. Wenn Personen, herausragenden Bedeutung der Meinungsfreiheit im Institutionen, Initiativen zu Unrecht gebrandmarkt und Grundgesetz künftig grundsätzlich dann nicht mehr mit stigmatisiert werden, dann stellt sich der Verfassungs- nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht werden, wenn schutz selbst infrage. ihre Aktivitäten keinen Gewaltbezug aufweisen. Ich finde übrigens, dass hier das Verfolgen nach einem Unser zweiter Vorschlag orientiert auf eine Öffnung der gerichtlichen Urteil mit erheblichen Mitteln absolut nicht Arbeit des Verfassungsschutzes. Den weitaus größten gerechtfertigt ist und sich selber infrage stellt. Teil, nach unserer Schätzung rund 80 Prozent, da sind wir mit dieser Schätzung nicht allein, das ist eine Schät- Wir wollen, dass der Verfassungsschutzbericht durch zung des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfas- einen Bericht über die Tätigkeit der Verfassungsschutz- sungsschutzes. behörde ersetzt wird,

(Udo Pastörs, NPD: Das (Heiterkeit und Zuruf von Udo Pastörs, NPD) ist höher, das ist weit höher.) den der Innenminister halbjährlich dem Landtag vorzule- Seine Erkenntnisse gewinnt der Verfassungsschutz aus gen hat. offen zugänglichen Quellen. Wir sind der Meinung, dass die auf offen zugänglichen Quellen basierenden Erkennt- (Udo Pastörs, NPD: Herrlich!) nisse und Informationen besser bei einem unabhängigen und öffentlich agierenden Institut aufgehoben sind als Mit diesen Berichten würde sich der Landtag dann regel- beim Verfassungsschutz. mäßig nach den Vorschriften seiner Geschäftsordnung über die Behandlung von Unterrichtungen befassen. (Zuruf von Manfred Dachner, SPD) (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) So wird sichergestellt, dass Erkenntnisse und Analysen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft stärker als bisher Und schließlich, und das ist eine wesentliche Forderung, auch von den Sicherheitsbehörden berücksichtigt werden fordern wir, dass die sogenannte Präventions- und Bil- können. Es gibt ja durchaus einen Fall in Mecklenburg- dungsarbeit des Verfassungsschutzes eingestellt wird. Vorpommern, in dem deutlich geworden ist, dass eine öffentliche Institution Erkenntnisse gesammelt hat, die (Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

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Nach dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2011 (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) haben Vertreter der Verfassungsschutzbehörde insge- samt 44 Veranstaltungen besucht oder ausgerichtet und Herr Kollege Suhr, eins kann ich Ihnen gleich sagen: in 23 Vorträgen über die Tätigkeit des Verfassungsschut- zes informiert. Zu den Hauptinteressenten zählten, so der (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Verfassungsschutzbericht, vor allem auch Schüler und Lehrer. Wir werden nicht den Gesetzentwurf aus Nordrhein- Westfalen übernehmen. Und dafür gibt es gute Gründe. (Udo Pastörs, NPD: Ach so?!) Und eins, da bin ich in Ihren Ausführungen ganz ge- In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion spannt: Den Bildungsauftrag von staatlichen Institutionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN konnte die Landesregierung und Einrichtungen stellen Sie infrage. Aber es gehen nicht darlegen – wir haben ja eine ähnliche Debatte auch auch öffentliche Institutionen in den Schulen ein und im Zusammenhang mit der Bundeswehr an Schulen –, aus – über wen auch immer –, die stellen Sie überhaupt wie der Verfassungsschutz sicherstellt, dass die von ihm nicht infrage. Das halte ich schon für sehr erstaunlich, geleistete Bildungsarbeit den im Beutelsbacher Konsens auch Ihre Einstellung den Institutionen des Landes und festgelegten Grundsätzen für politische Bildung, insbe- des Staates gegenüber. Das gibt in der Tat zu denken. sondere dem Gebot der Kontroversität, entspricht. In der Antwort auf die Anfrage der Bündnisgrünen-Fraktion (Udo Pastörs, NPD: Wieso?) heißt es lapidar: „Die Vortragstätigkeit erfolgt ausgewo- gen und unter entsprechender Berücksichtigung“ „der in Aber lassen Sie mich Folgendes am Anfang klar sagen: der Frage genannten Aspekte.“ Der Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern,

(Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) (Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, Rolf Gössner, der der Verfassungsschutz in der Bundesrepublik Deutsch- Vizepräsident … land ist nach wie vor unverzichtbar. Er ist und bleibt eine maßgebliche Bewertungsinstanz, die ich nicht an irgend- Vizepräsidentin Silke Gajek: Herr Suhr, kommen Sie eine öffentliche Einrichtung nach draußen geben kann, bitte zum Ende. für den politischen Extremismus in Deutschland.

Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich komme (Michael Andrejewski, NPD: sofort zum Ende. Und fürs Aktenschreddern.)

Der Vizepräsident der Berliner Internationalen Liga für Das hat die Innenministerkonferenz auch unter meinem Menschenrechte hat den Verfassungsschutz einmal als Vorsitz im Dezember letzten Jahres in Warnemünde „Fremdkörper in der Demokratie“ bezeichnet. Dass sich nochmals einstimmig ausdrücklich bekräftigt. das ändert, können Sie nachvollziehen in dem Moment, wenn Sie diesem Antrag zustimmen. – Herzlichen Dank. Ich darf aber in diesem Zusammenhang auch zumindest die eine oder andere Erinnerung gerne mal auffrischen. (Beifall vonseiten der Fraktion Die Verhinderung des Bombenanschlags auf die Grund- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) steinlegung des jüdischen Gemeindezentrums in Mün- chen 2003, Vizepräsidentin Silke Gajek: Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten (David Petereit, NPD: Und da war vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, doch ein V-Mann von Anfang an dabei.) dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. das Auffliegen der Sauerland-Gruppe, Das Wort hat der Minister für Inneres und Sport Herr Caffier. (David Petereit, NPD: Und da war doch wieder ein V-Mann von Anfang an dabei.) Minister Lorenz Caffier: Frau Präsidentin! Meine Da- men und Herren Abgeordneten! Zunächst eine kurze einer islamistischen Terrorzelle, im Jahr 2007, viele wei- Bemerkung im Zusammenhang mit gestern Abend. Ich tere Wahrnehmungen, die zur Verhinderung von weniger habe in der Tat über die PKK ausgeführt. Ein Kollege spektakulären gewalttätigen Aktionen von Extremisten Abgeordneter hat sich da besonders angesprochen ge- geführt haben, fühlt, Herr Ritter, was die Mitteilsamkeit aus der PKK betrifft. Ich habe nur zur Ausführung gebracht, und das (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) will ich hier deutlich sagen, dass ich nicht über Herrn Ritter gesprochen habe, sondern dass ich feststellen und nicht zuletzt die rechtssicheren Vorbereitungen darf, dass ich in einer großen Zeitung, die an der Ostsee von Vereinsverboten gerade auch im Bereich der rechts- entsteht, immer wieder Internas aus der PKK nachlesen extremistischen Szene machen beispielhaft deutlich, wie kann. Und die PKK ist sehr überschaubar in ihrer Grö- wichtig die Arbeit der Verfassungsschützer für den ßenordnung. Und nichts anderes habe ich angemerkt. Schutz unseres Gemeinwesens ist.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung haben be- reits die Mütter und Väter unserer Verfassung im Jahre Insofern, wenn sich der Kollege Ritter persönlich ange- 1949 festgestellt und den Verfassungsschutz im Grund- sprochen gefühlt hat, dann will ich das hiermit relativieren. gesetz verankert. Hintergrund war die in der damaligen

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Rückschau fehlende Abwehrbereitschaft der Weimarer rinnen und Mitarbeiter aus den verschiedensten gesell- Republik gegen ihre Feinde von rechts und von links. Um schaftlichen Bereichen, genau so, wie Sie es hier in Ih- für die Zukunft rechtzeitig Gefahren für die Demokratie rem Antrag erfordern. erkennen zu können, wurde mit dem Verfassungsschutz ein Instrument geschaffen, das auch im Vorfeld straf- Es ist wohl müßig, darauf hinzuweisen, dass gemäß rechtlichen Handelns unter Einsatz verdeckter Maßnah- Paragraf 3 des Landesverfassungsschutzgesetzes im men Verfassungsfeinde identifizieren und die demokrati- Verfassungsschutz ohnehin nur der tätig werden darf, der sche Öffentlichkeit vor ihnen warnen soll. von seiner Persönlichkeit und seinem Verhalten her die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die Sicherung und (Zuruf von David Petereit, NPD) Erhaltung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung einzutreten. Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass meine Damit verbunden war die grundsätzliche Entscheidung, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diesen Anforderungen Polizei und Nachrichtendienste voneinander zu trennen. gerecht werden. Und dort, wo es nicht stattfindet, werden Zu eindringlich war seinerzeit die Erfahrung mit dem auch die dementsprechenden Maßnahmen durchgeführt. Machtapparat des NS-Staates und seiner Geheimpolizei. Auch die Unterdrückungsmaschinerie des Ministeriums Und die Diskussion um die Ereignisse, die wir in den für Staatssicherheit vereinigte nachrichtendienstliche und letzten Monaten haben im Zusammenhang mit den polizeiliche Befugnisse. Auch das muss an der Stelle schrecklichen Morden, zeigen ja auch, dass wir da in der noch mal deutlich gesagt werden. Genau das, was die Aufarbeitung sind, wo sind möglicherweise Fehler ge- Bundesrepublik 1949 nicht gemacht hat, ist in anderen macht worden Teilen Deutschlands, zumindest bis 1990, so gewesen. (Michael Andrejewski, NPD: (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) „Möglicherweise“ ist gut.)

Nun könnte der Einwand erfolgen, dass es auch in de- und wo müssen wir möglicherweise auch Änderungen mokratischen Staaten Nachrichtendienste mit Polizeiauf- übernehmen. gaben gibt. Dies verringert aber meine persönliche grundsätzliche Skepsis gegenüber einer solchen Kompe- Es ist schon erstaunlich, dass die GRÜNEN, eine Partei, tenzfülle nicht. Ich halte das sogenannte Trennungsge- die sich sonst lautstark gegen Diskriminierung und Vorur- bot, das ja immer wieder diskutiert wird, für notwendig. teile positioniert, eine solche Voreingenommenheit ge- Entscheidend ist, dass die beteiligten Behörden vernünf- genüber den Bediensteten im Verfassungsschutz zeigt. tig zusammenarbeiten und auch kommunizieren. Darüber Darüber bin ich auch ausgesprochen traurig und das haben wir gestern Abend schon sehr ausführlich gespro- entspricht an und für sich nach meinen bisherigen Erfah- chen. rungen nicht unbedingt Ihrem Stil.

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Zum weiteren Inhalt der Vorschläge: Eine Eingrenzung Reformierung des Verfassungsschutzes ist für dessen des Beobachtungsauftrages des Verfassungsschutzes Weiterentwicklung aus meiner Sicht nicht hilfreich, oder auf den, verkürzt gesagt, wie Sie ausführten, Gewaltas- aber enthält Selbstverständlichkeiten wie die, dass ein pekt wäre grundfalsch. Gewalt ist häufig gerade aus Nachrichtendienst in einem demokratischen Rechtsstaat Polizeisicht nur der Endpunkt einer ideologischen Ent- durch die gewählten Volksvertreter kontrolliert werden wicklung. Sie geschieht auch Instruktoren, die sich nach muss außen rechtmäßig verhalten. Um Radikalisierungsverläu- fe rechtzeitig erkennen zu können, bedarf es also einer (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) umfassenden Analyse extremistischer Strukturen. Inso- fern wäre auch die Übertragung der Beobachtung des oder der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel dem offen agierenden Extremismus auf ein noch zu gründen- Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu folgen hat. Dieses des Institut nicht hilfreich. Der Verfassungsschutz muss Kontrollsystem wird bei uns durch die PKK wahrgenom- sich einen möglichst vollständigen Überblick über die men vom Extremismus ausgehenden Bedrohungen verschaf- fen können. Dazu gehört zwingend auch die Analyse der (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) öffentlich zugänglichen Informationen. Allerdings stimme ich mit Ihnen selbstverständlich darüber überein, dass und meines Wissens sitzt dort auch ein Vertreter der der gewaltorientierte Extremismus einer besonders in- GRÜNEN-Fraktion. tensiven Beobachtung bedarf.

Irritiert hat mich insbesondere das Bild, das Sie von Ver- Meine Damen und Herren, die Anregung, nach der ein fassungsschützern haben. So fordern Sie, dass die Per- Einsatz verdeckter Ermittler dem Einsatz von V-Leuten sonalstruktur des Verfassungsschutzes, also der Einrich- vorzuziehen ist, ist sicherlich bedenkenswert. Das Ver- tung des Landes, der Vielfalt der Gesellschaft entspre- fassungsschutzgesetz des Landes sieht in Paragraf 10 chen soll. Woraus schließen Sie eigentlich, dass dies dieses Mittel, wie Sie ja wissen, auch ausdrücklich vor. bisher nicht der Fall ist? Es muss jedoch allen klar sein, und öfters habe ich den Eindruck in den heutigen Diskussionen immer wieder, Die Forderung nach einer besseren Schulung in Men- dass das vielen nicht klar ist: Verdeckte Ermittler sind schenrechts- und Demokratiefragen kann ich nur als Staatsbedienstete, die im Auftrag des Staates in extre- Affront werten. In meiner Verfassungsschutzabteilung mistische Strukturen eindringen und sich szenegerecht sind auf der Leitungsebene erfahrene Führungskräfte verhalten müssen. Ein solcher Einsatz muss wohl über- tätig, neben studierten Polizeibeamten auch promovierte legt werden und ist mit einem außerordentlich hohen Juristen, Politikwissenschaftler, Islamwissenschaftler Aufwand verbunden. Er kommt daher nur und soll auch sowie Verwaltungswissenschaftler, insgesamt Mitarbeite- nur in Einzelfällen in Betracht kommen.

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Vor diesem Hintergrund halte ich auch die Informations- Die IMK hat weitere Reformen beschlossen, die in der gewinnung über sogenannte Vertrauensleute, die nicht Umsetzung sind. Dabei sind die Ergebnisse des Parla- Amtsträger sind, weiterhin für wichtig und für notwendig. mentarischen Untersuchungsausschusses des Bundes Sie liefern wesentliche Erkenntnisse über das Innenleben und der Länder sowie die Schlussfolgerungen der Bund- extremistischer Strukturen und damit auch über deren Länder-Expertenkommission Rechtsextremismus noch zu Gefahrenpotenzial. Dass damit Risiken verbunden sind, berücksichtigen. Ich plädiere ausdrücklich für einen Re- ist nicht zu bestreiten. Die öffentliche Diskussion über die formprozess mit Augenmaß, der das für den Schutz unse- Ereignisse der letzten Wochen und Monate zeigt dies ja rer Demokratie nicht verzichtbare Instrument Verfassungs- auch ganz deutlich. Daher muss die Ausgestaltung des schutz leistungsfähig und zukunftsfähig macht. Ideologi- Einsatzes von Vertrauensleuten überdacht werden und sche Scheuklappen und Vorurteile helfen hier nicht weiter. reformiert werden, um wieder eine stärkere – auch ge- sellschaftliche – Akzeptanz zu erreichen, denn die ist in Und abschließend die Bemerkung: Herr Suhr, ich sehe der Tat gen null gehend. Die letzte Innenministerkonfe- keine Veranlassung, warum wir nicht die in der Sache renz hat im Rahmen der beschlossenen Neuausrichtung stattfindenden rechtlichen Auseinandersetzungen auch des Verfassungsschutzes deswegen auch den Auftrag im Zusammenhang mit dem Verfassungsschutzbericht zu erteilt, die bisherigen Einsatzkonzepte für Vertrauensleu- einem vernünftigen Ende führen, wie auch immer das te zu überarbeiten und gegebenenfalls neue Standards ausgeht. Das ist nun mal auch ein Rechtsstaat, und das festzulegen. Es muss weiterhin ausgeschlossen sein steht dem einen wie dem anderen jederzeit zu, und inso- oder ausgeschlossen werden, dass derartige Personen fern werden wir das weiterhin fortführen. – Vielen Dank extremistische Bestrebungen maßgeblich beeinflussen für die Aufmerksamkeit. oder finanzieren. (Beifall vonseiten der Fraktionen Die Forderung, die Präventionsarbeit des Verfassungs- der SPD und CDU) schutzes einzustellen, kann ich nicht nachvollziehen, das habe ich eingangs schon erwähnt. Das Verfassungs- Vizepräsidentin Silke Gajek: Das Wort hat jetzt der schutzgesetz des Landes verlangt, dass die Behörde die Abgeordnete Herr Dachner von der SPD-Fraktion. Öffentlichkeit über demokratiegefährdende Bestrebungen unterrichtet. Dies ist Auftrag der wehrhaften Demokratie. Manfred Dachner, SPD: Frau Präsidentin! Meine sehr Warum sollen diese Experten ihr Wissen nicht im Rah- verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der Antrag men auch von Bildungsveranstaltungen weitergeben? der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beinhaltet für mich eine gute und eine schlechte Nachricht. Soweit dies in der Vergangenheit an Schulen geschehen ist, beruht dies in der Regel auf einer Einladung der je- (Marc Reinhardt, CDU: Oha, weiligen Schule. Wir sollten den dort tätigen Lehrkräften dann erst die schlechte. – Zuruf von doch zutrauen, dass sie im Rahmen ihrer pädagogischen Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Verantwortung bewusst auf die Verfassungsschutzbe- hörde zugegangen sind. Eine Gängelung wäre hier si- Nein, dass wir uns auch einmal über eine gute Nachricht cherlich fehl am Platz, und auch das war nach meinem unterhalten, das freut mich schon. Wir sind also auf dem Kenntnisstand bisher nicht Politik der GRÜNEN, aber Weg der Annäherung, und das ist ja schon einmal ein man lernt ja nie aus, zumal sich grade auf dem Feld des positives Zeichen. Ja, ich beginne damit auch gleich. Rechtsextremismus zahlreiche tatsächliche oder selbst- ernannte Experten tummeln, die von Schulen auch ange- Ich will vielleicht noch auf Ihre Worte eingehen, Herr fragt werden. Suhr. Natürlich sind wir uns auch einig, dass der Verfas- sungsschutz im Bund und den Ländern reformiert werden (Udo Pastörs, NPD: Die gibt es reichlich.) muss. Das ist doch selbstverständlich. Aber wir dürfen auch nicht verwechseln Anlass und Ursache. Und diese Deren Inhalte werden im Unterschied zu den Bewertun- philosophische Kategorie ist ja noch präsent. Und da gen des Verfassungsschutzes nicht öffentlich, stehen glaube ich, dass diese Reform nicht erst mit den NSU- damit auch nicht öffentlich zur Diskussion und damit Morden auf der Tagesordnung steht, entstehen Ungleichgewichte. Und ob wir das in Schulen wollen, da habe ich auch meine erheblichen Zweifel. Vor (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) diesem Hintergrund hat eine behördliche Sicht offenbar auch für Lehrer nun einmal eine bessere Qualität. sondern dass sie dadurch noch beschleunigt werden muss, das ist richtig. Die Ursache ist viel breiter, viel Meine Damen und Herren, die Ereignisse um den NSU tiefgründiger. Und darüber haben wir leider viel zu wenig haben eine Reform des Verfassungsschutzes unum- geredet, sondern wir suchen einen Schuldigen. Das ist in gänglich gemacht, nicht einfach zur Seite gelegt, sondern diesem Fall die Verfassungsbehörde, dann auch ein eine Reform unumgänglich gemacht. Ich sage auch heu- bisschen die Polizei. Und die Justiz behandeln wir viel- te noch einmal, ich habe gestern schon drauf verwiesen: leicht auch noch mit, obwohl sie Herr des Verfahrens ist. In den deutschen Sicherheitsbehörden wurden Fehler Dann suchen wir uns einen Kopf, den Innenminister, und gemacht, gerade bei der Zusammenarbeit untereinander. am liebsten drehen wir ihm politisch den Hals um. Dann Das Informationsmanagement und die Zusammenarbeit haben wir das Problem gelöst und dann haben wir auch zwischen Polizei und Verfassungsschutz müssen im die Ursachen. So einfach geht es, meine Damen und bundesweiten Kontext aufgearbeitet und am Ende mit Herren, einfach nicht. neuen Regelungen verbessert werden. Die Einrichtung des GETZs, also des Gemeinsamen Extremismus- und (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ Terrorabwehrzentrums, und die Schaffung der Rechts- DIE GRÜNEN: Wer fordert das denn? – extremismusdatei sind in dem Fall wichtige und richtige Zuruf von Johannes Saalfeld, Schritte in diese Richtung. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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Wenn Sie also sagen, dass Sie diesen Verfassungs- Sie können ja am 22.08.2012 das noch mal nachlesen, schutz reformieren möchten, dann sagen wir: Jawohl, wir wenn Sie möchten. natürlich auch. Und dass der Verfassungsschutz zukünf- tig stärker den Schwerpunkt auf Gewaltbereitschaft legt Ihre Vorschläge zur demokratischen Kontrolle des Ver- und auf Gewaltverherrlichung, da bin ich mit Ihnen und fassungsschutzes befürworten wir. Das ist richtig, das sind wir vollkommen überein. Und diese Mitteilungs- sollte auch so sein. Ob wir alle Reformvorschläge, die die pflicht, die Sie fordern, wissen Sie, das ist wieder auch so SPD im Bund macht, übernehmen auf unser Land, das eine Scheindebatte, die Sie damals gefordert haben zu bezweifle ich auch. Aber ich hatte Ihnen gestern schon den öffentlichen Beratungen der PKK. gesagt, wir warten die Untersuchungsergebnisse des Bundesanwaltes und auch des Untersuchungsausschus- (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: ses des Deutschen Bundestages ab und werden dann Sie hatten das doch beantragt.) entscheiden, was wir hier zu reformieren haben und wie weit nicht. Sie könnten … (Präsidentin Sylvia Bretschneider Wenn Sie in das Gesetz gucken, dann kann jeder Bürger übernimmt den Vorsitz.) heute schon den Verfassungsschutz anrufen und fragen, ob gegen ihn ermittelt wird. Der kriegt auch eine Antwort. Aber dass Sie heute schon mit einem Antrag kommen, Und wenn man damit nicht zufrieden ist, geht er zum ohne diese Untersuchungsergebnisse abzuwarten, und Verwaltungsgericht und klagt ein, Sie genau wissen, was hier zu reformieren ist, also wis- sen Sie, da sind Sie wirklich Hellseher und da preschen (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Sie in Ihrer Politik wie so oft voraus ohne Augenmaß. Das ist keine verlässliche Politik. Und das wissen Sie ob er denn in allem tatsächlich breit ausgebreitet wird. auch ganz genau. Also das ist doch von Ihnen eine Forderung, die man ja auch so stehen lassen kann, aber ich wollte Sie noch mal (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ berichtigen. DIE GRÜNEN: Nee, das weiß ich nicht.)

Und der Bericht von diesem Parlament, wissen Sie, das Und den Beweis will ich Ihnen ja auch genau bringen, ähnelt Ihrer Forderung, ich will sie ja nicht verteufeln, weshalb Sie hier diesen Antrag bringen. aber das ähnelt sich so mit der öffentlichen Sitzung. Ich habe alle Protokolle des Berliner Abgeordnetenhauses (Zuruf von Johannes Saalfeld, gelesen. Das, was Sie hier so hervorragend zitieren, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auf der Landesdelegiertenkonferenz am 23. und 24. Feb- Ich habe das als Beispiel vorgetragen.) ruar 2013 … das kann jede Polizeidienststelle schreiben, dazu brau- (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: chen wir tatsächlich nicht den Verfassungsschutz. War der Antrag schon fertig, Herr Dachner.)

Also diese logische Konsequenz der Veränderung, wie Das ist ja auch egal, jedenfalls steht es so festgeschrie- gesagt, besteht strukturell in erster Linie. Und natürlich ben. wurden auch Fehler gemacht, das will ja auch gar nie- mand bestreiten. Der Staat konnte den Tod des Bürgers … sagen Ihre Kollegen der GRÜNEN, ich zitiere: „,Wir leider nicht verhindern, das ist sehr bedauerlich und auch wollen die Recherche verfassungsfeindlicher Bestrebun- sehr traurig, und da liegt auch die Schuld des Staates, gen einem wissenschaftlichen Institut übergeben, das das ist doch gar kein Thema. Aber hier sich eine Person nicht nach tagespolitischen Weisungen handelt und be- herauszugreifen, eine Behörde und daran alles festzu- wertet,“ – also wissen Sie wie der Verfassungsschutz machen, das ist zu kurz gegriffen. arbeitet, ne?! – „sondern nach wissenschaftlich begrün- deten, nachvollziehbaren Kriterien‘, so Landeschef An- Trotz dieser berechtigten Forderungen, das hatte ich dreas Katz.“ Ihnen gestern schon gesagt, sollten wir gucken, was haben wir im föderalistischen System gekonnt bisher. Ich glaube, er hat vergessen zu sagen, dass dieses un- Damit ist dieses System nicht infrage zu stellen, aber die abhängige wissenschaftliche Institut unter Leitung der Behörden, die sich nicht darauf eingestellt haben, dass GRÜNEN gestellt werden soll. es auch Veränderungen geben muss, das darf man kriti- sieren und das ist auch strukturell zu verändern, und (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: dabei, glaube ich, ist die Innenministerkonferenz und sind Wer ist denn da vorgesehen?! – Zuruf von viele andere auch. Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Sie, wie gesagt, meine Damen und Herren der GRÜ- Ja. NEN, noch über Scheindebatten geredet haben, da hat die SPD schon ein Eckpunktepapier, insbesondere die Ich zitiere weiter aus dem „Nordkurier“ vom 26. Februar: Bundes-SPD, vorgelegt, wie der Verfassungsschutz zu „Wenn diese Reform“ – und jetzt kommt ja eigentlich Ihr reformieren sein könnte. Ich will das hier nicht wiederho- Punkt, ne – „nicht geleistet werde, fordert der mit großer len. Sie können, Mehrheit beschlossene Antrag die Abschaffung der Be- hörde.“ (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nach unserem Antrag übrigens.) (Beifall David Petereit, NPD)

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Und das halten Sie für seriöse Politik, zu sagen, entwe- attraktiven Rückzugsraum für extreme Netzwerke. Und der oder, entweder Sie gehen darauf ein, dass wir ein das dürften Sie wahrscheinlich auch nicht wollen. Wer wissenschaftlich unabhängiges Institut gründen, die In- eine verlässliche Politik gestalten will, der muss mit de- formationen sammeln, und wenn Sie das nicht tun, dann nen, mit denen er diese Politik gestalten will, auf Dialog werden wir den Verfassungsschutz abschaffen. und Kompromisse setzen. Das tun Sie nicht, wenn Sie uns vor solche absurden Erpressungsversuche stellen. (Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und dann frage ich mich: Wen wollen Sie hier im Landtag Das nennt man „Konsequenz“.) überzeugen für Ihren Antrag?

Das haben Sie schon längst beschlossen. Und jetzt (Heiterkeit vonseiten der Fraktion kommen Sie hier mit einem Antrag mit erpresserischer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Politik Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Mich nicht.) (Zuruf von Marc Reinhardt, CDU) Sie wissen, die LINKEN werden Ihrem Antrag niemals, und glauben, wir steigen darauf ein. Das ist doch wohl dem werden sie niemals zustimmen können. Sie formu- aberwitzig! lieren hier Dinge rein, die wir vor vier Wochen schon abgelehnt haben. Und Sie wissen genau, wir können (Beifall vonseiten auch nicht zustimmen, wir werden auch nicht zustimmen. der Fraktionen der SPD und CDU – Zurufe von Torsten Renz, CDU, und (Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN: Warum eigentlich?)

Wenn Sie also meinen, wenn Sie den Verfassungs- Ja, mit wem wollen Sie das jetzt tun? schutz, (Vizepräsidentin Silke Gajek (Zuruf von Jürgen Suhr, übernimmt den Vorsitz.) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie bringen einen Antrag, von dem Sie wissen, wenn Sie den Verfassungsschutz abschaffen, dann wäre das Übel beseitigt, dann irren Sie sich doch gewaltig. (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auch andere haben Fehler begangen, die Polizei hat Weil das ein Grundsatzproblem ist.) Fehler begangen und die Justiz hat Fehler begangen und andere auch. Wollen Sie die auch alle abschaffen? Da- dass das totaler Unsinn ist. Sie machen es nur, das sage von reden Sie nicht. Aber Sie glauben, ich Ihnen genau, um Ihre Basis zu beruhigen,

(Zuruf von Jürgen Suhr, (Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist nicht das erste Mal, dass die Koalition einen Antrag der Opposition ablehnt.) Sie glauben vielleicht, damit könnten … dass Sie endlich was gemacht haben, um die Delegier- (Zuruf von Jürgen Suhr, tenkonferenz nicht zu verätzen, oder Sie tun es wegen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) eines Zeitungsartikels.

Natürlich, natürlich schreiben Sie das. (Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Zuruf von Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir lehnen Ihren Antrag ab. – Danke.

Ja, in Ihrem Antrag nicht. Aber Ihre Basis, wen haben Sie (Beifall vonseiten der Fraktionen denn hinter sich? Das ist doch unser Problem. Wenn Sie der SPD und CDU) das durchsetzen wollen, Ihren Antrag, dann werden Sie durch Ihre Basis zum Teufel gejagt. Vizepräsidentin Silke Gajek: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion DIE LINKE. (Torsten Renz, CDU: Ach so?!) Peter Ritter, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine sehr Natürlich. Das geht überhaupt nicht. verehrten Damen und Herren!

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Herr Innenminister, okay, damit ist alles gesagt zum Das sehen wir gelassener.) gestrigen Tag und ich will versuchen, doch wieder etwas Sachlichkeit in die Debatte reinzubringen, weil das eine Natürlich. Das wissen Sie. oder andere, was Herr Dachner hier vorgetragen hat, das kann ich inhaltlich sogar mittragen, aber die Art und Wei- (Torsten Renz, CDU: se, wie es vorgetragen wird, gut. Herr Saalfeld wird schon unruhig.) Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Schutz der Verfas- Wer auf die staatliche Beobachtung und Analyse verfas- sung ist eine stetige Aufgabe, und zwar von allen Demo- sungsfeindlicher Bestrebungen in Mecklenburg-Vorpom- kratinnen und Demokraten. Offenheit, Öffentlichkeit, mern verzichten will, der macht unser Land zu einem Aufklärung über Gefahren gehören dazu. Ob Institutio-

90 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 nen, die im Verborgenen agieren, dabei zielführend sind, lichkeit. Sie können doch nicht Sinnhaftigkeit und Fähig- liebe Kolleginnen und Kollegen und lieber Herr Kollege keiten von Untersuchungsausschüssen grundsätzlich Dachner, es muss doch zumindest möglich sein, dieses infrage stellen – Stichwort „fehlende kriminalistische kritisch zu hinterfragen. Ermittlungsarbeit“ – und im selben Atemzug genau die hiermit gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse aus (Michael Andrejewski, NPD: Thüringen und Sachsen in Ihrem Antrag als Begründung Die Stasi hat nichts gemacht.) zugrunde legen, aus den Erkenntnissen der Untersu- chungsausschüsse in Sachsen und Thüringen ableiten, Das macht auch der Antrag der GRÜNEN. Und der vor- was bei uns, liegende Antrag widerspiegelt in seinem Titel ein Prob- lem, welches auch innerhalb meiner Partei seit Längerem (Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ und zum Teil kontrovers diskutiert wird. Die Diskussion DIE GRÜNEN: Ja, das ist auch sinnvoll.) innerhalb meiner Partei lässt sich verkürzt auf den Streit- punkt bringen, den Verfassungsschutz reformieren oder was bei uns im Land Reformbedarf ist. Sie stellen hier im abschaffen. Darauf komme ich zurück. Land diese Untersuchungen infrage, sagen, hilft uns nicht weiter, greifen zu den Untersuchungsergebnissen Zunächst aber auch aus meiner Sicht einige grundsätzli- aus Thüringen und Sachsen und sagen, das ist die che Anmerkungen zum vorliegenden Antrag der Fraktion Grundlage für die Reform in Mecklenburg-Vorpommern. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Liebe Kolleginnen und Das kann ich nicht verstehen. Mit dieser Pirouette scha- Kollegen, den Gesetzentwurf bezüglich öffentlicher PKK- den Sie einem berechtigten Anliegen. Sitzungen begründeten Sie vor einem halben Jahr noch mit dem „erheblichen Vertrauensverlust gegenüber den Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf zudem Sicherheitsbehörden“ auch in Mecklenburg-Vorpommern daran erinnern, dass etwa in Thüringen und Sachsen „aufgrund der NSU-Geschehnisse und Ermittlungspan- nicht lediglich Untersuchungsausschüsse Aufklärung nen“, Drucksache 6/1025. Nach Ihrer Lesart – vergleiche betreiben, sondern Gutachten angefertigt und Experten- die Erklärung der Fraktion vom 5. März diesen Jahres, kommissionen eingesetzt wurden, um einen Reformbe- warum sie einen NSU-Untersuchungsausschuss für darf zunächst einmal genau zu definieren. ungeeignet hält – sehen Sie das jetzt offenbar anders. Der vorliegende Antrag widerspricht nicht zuletzt der Der Informationsbrief des Innenministers hat diesen Intention der Datenschutzbeauftragten des Bundes und erheblichen Vertrauensverlust wettgemacht, ausgebügelt der Länder beziehungsweise deren Entschließung zur gewissermaßen. Der Verfassungsschutz habe zwar fal- Reform der Sicherheitsbehörden vom November 2012. sche, aber unbedenkliche Fährten gelegt. Wir haben Diese fordern nämlich die Landesregierungen auf, ich zwar nicht eine Akte selbst eingesehen, aber dem Ver- zitiere, „vor einer Reform der Struktur und Arbeitsweise nehmen nach stehe nichts drin. Wir kennen zwar nicht der Polizei- und Verfassungsschutzbehörden zunächst die Ermittlungsmethoden, Richtlinien und Verfahrenswei- die Befugnisse, den Zuschnitt und die Zusammenarbeit se der Behörden, wir wollen sie aber überarbeiten. der Verfassungsschutzbehörden vor dem Hintergrund der aufgetretenen Probleme zu evaluieren. Nur auf die- (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: ser Grundlage kann eine Diskussion über Reformen Das ist jetzt Ihre Interpretation, Herr Ritter. – seriös geführt und ein Mehrwert für Grundrechtsschutz Zuruf von Johann-Georg Jaeger, und Sicherheit erreicht werden.“ Zitatende. Vor diesem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hintergrund ist der vorliegende Antrag nicht nur wenig redlich, er ist auch unseriös. Er geht den dritten Schritt Ein PUA könne zwar sinnvolle Handlungsempfehlungen vor dem ersten. geben, wir wollen aber lieber einen zivilgesellschaftlichen Tisch damit beauftragen und so weiter und so fort. Was Meine sehr verehrten Damen und Herren, mein zweiter wollen DIE GRÜNEN eigentlich? Auch Ihre Einbringungs- Aspekt betrifft nach dem ersten nunmehr den letzten rede hat wieder etwas ganz anderes zum Ausdruck ge- Satz des Antrages. Mecklenburg-Vorpommern solle bracht als der Antrag selbst. Reformempfehlungen für die Bundesebene aussprechen, denn die im Antrag benannten Reformen seien zum Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor diesem größten Teil auch für die Bundesebene relevant. Das ist Hintergrund hat der vorliegende Antrag nach meiner mutig und das stimmt auch auf den ersten Blick. Auf den Lesart vor allem den völlig berechtigten Zweck, den zweiten Blick ist es aber weniger mutig, sondern äußerst enormen Vertrauensverlust an der grünen Basis abzu- problematisch. Hier wird nämlich, liebe Kolleginnen und bauen. Da bin ich auch ein Stück weit bei Ihnen, Herr Kollegen, ein Beschluss der GRÜNEN-Bundestags- Dachner. Aber dann sollten wir das Kind auch beim Na- fraktion vom 27.11.2012 bedenkenlos in das Gewand men nennen, das Ganze erscheint sonst als Aktionismus. eines Landtagsantrages gekleidet, freilich unter Quellen- schutz. Da fasst die Bundestagsfraktion der GRÜNEN Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie einen Beschluss zum Komplex Verfassungsschutz. Sie mich meine Skepsis gegenüber dem vorliegenden Antrag schreibt nicht etwa einen Antrag oder einen Gesetzent- in drei Punkten zusammenfassen: wurf, nein, einen Beschluss zur internen Standpunktbil- dung, was ja okay ist. Bei uns wird daraus nun ohne Der erste Aspekt bezieht sich bereits auf den ersten weiteres Hinterfragen die hastige Forderung nach Kon- Satz, der da lautet: „Der Landtag stellt fest, dass die zeption, Gesetzen, Reformen und so weiter. Verfassungsschutzbehörde und das Verfassungsschutz- gesetz einer grundlegenden Reform bedürfen.“ Aufgrund Liebe Kolleginnen und Kollegen, würde man diesen An- welcher Erkenntnisse, lieber Herr Kollege Suhr, kommen trag wörtlich nehmen, wäre dies letztlich unverantwort- Sie zu diesem Vorschlag, den Sie uns hier unterbreiten? lich, unverantwortlich auch vor allem gegenüber der An dieser Stelle wünsche ich mir ein wenig mehr Red- Zivilgesellschaft: Neuregelungen des V-Leute-Einsatzes,

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Evaluierung des V-Leute-Einsatzes, Aus-, Fortbildungs- PKK müssen wir wegkommen von einer anekdotischen und Personalrotationskonzept, Institutsauftragsorganisa- Prüfung einzelner Zufallsfunde oder Vorfälle hin zu einer tion, Finanzierungskonzept, Gesetzentwurf und so weiter, systematischen und strukturellen Kontrolle. mir würden zehn weitere Maßnahmen einfallen, und das Ganze innerhalb von zehn Wochen. Liebe Kolleginnen Meine sehr verehrten Damen und Herren, an dieser und Kollegen, wer so etwas konstruiert, der kann ganz Stelle wiederhole ich mein Angebot an die Koalitionsfrak- sicher sein, dass alles beim Alten bleibt. Und wer ein tionen, über ein eigenes PKK-Gesetz ins Gespräch zu derartiges Verfahren anstrebt, der führt zivilgesellschaftli- kommen. Hier wären dann nun auch Anregungen unter che Teilhabe letztlich ad absurdum. Buchstabe g) des vorliegenden Antrages aufzugreifen. Darüber hinaus denke ich an deutlich verstärkte Begrün- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich empfehle Ihnen dungs- und Dokumentationspflichten, um Verantwort- einen Blick in den niedersächsischen rot-grünen Koaliti- lichkeiten besser zu ermitteln und gegebenenfalls sankti- onsvertrag. Dort heißt es ganz unspektakulär und unauf- onieren zu können, aber auch eine deutlich bessere geregt, dafür aber realistisch und machbar, Aufgabenbe- Personal- und Sachausstattung, und zwar für die PKK- fugnisse, Methoden und Strukturen der Sicherheitsbe- Mitglieder. Meine sehr verehrten Damen und Herren, hörden kommen auf den Prüfstand. dieser Weg wäre realistisch, in überschaubarer Zeit mach- bar und dürfte auch bei unserem Innenminister vielleicht Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine dritte auf Zustimmung stoßen, denn, ich zitiere Punkt 3 der Anmerkung: Verfassungsschutz und demokratische Kon- Eckpunkte der IMK zur notwendigen Neuausrichtung des trolle. Zu dieser Grundproblematik beziehungsweise zum Verfassungsschutzes. Dort heißt es: „Die Innenminister Titel des vorliegenden Antrages gibt es zumindest inner- und -senatoren der Länder begrüßen und unterstützen halb meiner Partei zwei Grundsatzpositionen. Der Ver- alle Maßnahmen, die die parlamentarische Kontrolle des fassungsschutz, so lautet die eine, sei letztlich nicht re- Verfassungsschutzes stärken.“ Zitatende. formierbar, nicht kontrollierbar, er gehört abgeschafft oder aber, so die zweite Position, das Gegenteil fehlen- Es geht also nicht vordergründig um die Stärkung der der Kontrolle sei nicht die Abschaffung, sondern die wirk- Institution Verfassungsschutz, sondern es geht vorder- same rechtliche und tatsächliche Kontrolle. Ich bin mir gründig darum, die parlamentarische Kontrolle zu stär- wirklich nicht ganz sicher, vor welcher Variante der Ver- ken, als einen ersten Schritt, um notwendige Schlussfol- fassungsschutz sich mehr fürchten würde, vor der Ab- gerungen aus dem NSU-Desaster zu ziehen. Liebe Kol- schaffung oder vor mehr Kontrolle. leginnen und Kollegen, hierauf hätte sich der vorliegende Antrag konzentrieren sollen, dann wäre weniger mehr Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus den Reihen der Bun- gewesen. Und Ihre Zeitschienen, liebe Kolleginnen und destagsfraktion DIE LINKE wurde erst jüngst ein Pro- Kollegen, sollten künftig realistisch ausgestaltet werden, gramm zur Auflösung des Verfassungsschutzes entwickelt sodass zivilgesellschaftliches Engagement nicht nur und in der, ich glaube, vergangenen Woche im Beisein des gefordert, sondern auch ermöglicht wird. Die hier vorge- Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz schlagenen Verfahren können wir in dieser Art und Wei- Hans-Georg Maaßen öffentlich vorgestellt. Die Maßnah- se nicht mittragen. – Danke schön. men im Einzelnen reichen vom sofortigen Entzug der nachrichtendienstlichen Mittel bis hin zur Ersetzung des (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) Nachrichtendienstes durch eine Informations- und Doku- mentationsstelle für Menschenrechte, Grundrechte und Vizepräsidentin Silke Gajek: Das Wort hat jetzt der Demokratie. Darüber hinaus werden eine Reihe offener Abgeordnete Herr Silkeit von der Fraktion der CDU. Fragen formuliert, die in nächster Zeit parlamentarisch und außerparlamentarisch diskutiert werden müssen. Michael Silkeit, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe Ihnen Ob für eine praktische Umsetzung parlamentarische heute zum vorliegenden Antrag der GRÜNEN „Kein Mehrheiten zustande kommen, ist fraglich, und aus mei- Verfassungsschutz ohne wirksame demokratische Kon- ner Sicht ist es ohnehin nur sinnvoll, wenn dies bundes- trolle“ ein praktisches Beispiel für Bürgerbeteiligung weit passiert. Abschaffungs- oder Überprüfungsdinge auf mitgebracht, das ich rein zufällig Anfang des Monats eine Verfassungsschutzbehörde eines Bundeslandes zu auf der Homepage einer großen Tageszeitung fand. reduzieren, macht keinen Sinn, weil dann die Unzuläng- Diese beschäftigte sich in einem nach meinem Dafürhal- lichkeiten anderer Behörden bestehen bleiben. ten sehr interessanten Artikel mit dem vorliegenden An- trag. Und in dem Artikel wurden die Vorstellungen der (Zuruf von David Petereit, NPD) GRÜNEN von einem unabhängigen Institut bis zur V-Leute-Führung wiedergegeben oder, kurz gesagt, der Meine sehr verehrten Damen und Herren, realistischer heutige Antrag wurde ausführlich vorgestellt. zum gegenwärtigen Zeitpunkt erscheint mir daher, heute für eine parlamentarische Kontrolle zu streiten, die die- Und noch viel interessanter als dieser Artikel war ein sen Namen auch verdient. Es gibt derzeit mehrere Kon- Leserkommentar, der diesem Artikel beigefügt war. Ich trollinstitutionen, aber praktisch keine wirksame Kontrolle. möchte gerne die Gelegenheit nutzen, um Ihnen, liebe PKK, G10-Kommission, Landesdatenschutzbeauftragter, Fraktion DIE GRÜNEN, mal die Meinung eines Bürgers Landesrechnungshof – jedes Kontrollorgan erfasst nur unseres Landes zu Ihrer Arbeit mitzuteilen, denn Bürger- Ausschnitte und weiß nicht recht, was der andere weiß beteiligung ist ein hohes Gut und wird gerade in den und macht. Und Mitglieder der PKK befinden sich per- letzten Monaten immer wieder propagiert, und diesmal manent in einem Prozess der inneren Anspannung, dass schreitet die CDU mit gutem Beispiel voran. sie nicht in Gefahr geraten, hier am Pult bezichtigt zu werden, Informationen an Dritte weitergegeben zu ha- (Johannes Saalfeld, ben. Diese Kontrollorgane sind nicht miteinander ver- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: zahnt, sondern arbeiten nebeneinander her. Und in der Wollen Sie einen Leserkommentar vorlesen?)

92 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013

Richtig, Herr Saalfeld, richtig, gut erkannt. Also Sie hören „Und wie viel Aufwand braucht es, einen verdeck- mir zu, das zeichnet Sie aus, das ehrt Sie förmlich. ten Ermittler so abzutarnen, damit er nicht bei der ein- fachsten Überprüfung auffliegt (man denke nur an solche (Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Sachen wie Ausweise, Rentennachweise, bisheriger Zuruf von Johannes Saalfeld, Lebenslauf, Familie)? Und wer will das wirklich machen, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) jahrelang in solchen Szenen rumhängen? Die Grünen vielleicht?“ Und es ist auch mit meiner Fraktion abgesprochen, dass wir ausnahmsweise, Herr Saalfeld, um noch mal Ihrer (Michael Andrejewski, NPD: Frage nachzukommen, die Meinung dieses Bürgers hier Ist nicht uninteressant.) verlesen und mit unserer Fraktionsmeinung insofern zurückstecken. „Versteht mich nicht falsch – auch ich bin der Meinung, dass vieles beim VS nicht so läuft, wie es laufen sollte. (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber diese Ideen der Grünen bringen ja wohl gar nichts. Wird wahrscheinlich dann identisch sein, oder?) Mein Vorschlag an alle Grünen: einfach sich selbst dort einschleusen“ Herr Suhr, warten Sie es ab, warten Sie es ab! Das Über- raschungsmoment soll … (Michael Andrejewski, NPD: Herzlich willkommen!) (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nee, das ist kein Überraschungsmoment.) und dann dem VS berichten!“ Ende des Zitats.

Doch, seien Sie bitte überrascht. (Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und NPD) (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nee, da bin ich mir sehr sicher. – Ich glaube, damit ist alles gesagt. – Danke für Ihre Auf- Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, merksamkeit. und Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU) Tun Sie mir wenigstens den Gefallen und seien Sie ein- fach überrascht, Herr Suhr. Vizepräsidentin Silke Gajek: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Petereit von der Fraktion der NPD. Sehr geehrte Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis begin- ne ich zu zitieren, Herr Saalfeld für Sie, ich beginne das (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ah ja! Zitat: „Klingt ja alles ganz nett, aber wie soll das alles in Ich bin eigentlich ein V-Mann.) der Praxis gehen? Problematisch ist doch der Einsatz von V-Leuten, oder? Warum soll dann ausgerechnet die David Petereit, NPD: Frau Präsidentin! Meine Damen ja wohl unproblematische ,anhand öffentlicher Quellen und Herren! erfolgende Beobachtung‘ verfassungsfeindlicher Bestre- bungen einem ,unabhängigen Institut übertragen‘ wer- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: den? Wie soll das überhaupt gehen, z. B. bei der NPD? Jetzt kommt das Geständnis.) Die Auswertung des Parteiprogramms macht das ominö- se Institut, aber V-Leute führt der Verfassungsschutz? Wir werden dann demnächst kritisch auf jeden Radfahrer Also macht jeder die Hälfte und keiner macht es richtig? gucken, der sich uns nähert. Wie soll dieses Institut überhaupt konzipiert sein? Wenn es eine Behörde ist, brauchen wir dafür keine neue, dafür Die NPD-Fraktion hätte Ihnen gern einen Änderungsan- gibt es ja den Verfassungsschutz. Wenn es keine Behör- trag vorgelegt, aber der war leider nicht zulässig, da von de ist – nach welchen Regeln laufen da z. B. die Erhe- Ihrem Ursprungsantrag nur noch zwei Sätze übrig ge- bung und Verarbeitung personenbezogener Daten? Bei blieben wären. einer Behörde kann ich mich nämlich beim Landesdaten- schutzbeauftragten beschweren, aber bei einen nichtöf- (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD – fentlichen Institut?“ Michael Andrejewski, NPD: Und das war noch zu viel.) Herr Saalfeld, Fragezeichen. Und in der vorliegenden Fassung ist der Antrag leider „Verdeckte Ermittler statt V-Leute? Klingt auch ganz gut, eine Mischung aus Spinnerei, Propaganda und dreister dürfte aber kaum funktionieren. Nur im Krimi kommt ein Selbstbedienungsmentalität, der man so unmöglich zu- verdeckter Ermittler locker in extremistische Kreise rein stimmen kann. und wird schon nach 10 Minuten in topgeheime An- schlagspläne eingeweiht.“ Bemerkenswerterweise hat der Antragsteller inzwischen selbst einen Änderungsantrag vorgelegt. An einigen (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Stellen soll jetzt nicht mehr von einem Verzicht auf V-Leute in der rechten Szene die Rede sein, sondern „In der Praxis braucht man aber Jahre, um an die richtige allgemeingültig von V-Leuten. Nun stellt sich natürlich Stelle zu kommen, um die notwendigen Informationen zu die Frage, ob das ein Schlampigkeitsfehler war oder bekommen.“ ob man aber durch die Parlamentarische Kontrollkom- mission entsprechend darüber informiert ist, dass das (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Land M-V auf V-Leute unter Linksextremisten verzichtet.

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 93

Wundern würde dies nicht angesichts der offenkundigen (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) Unwissenheit und Untätigkeit gegen linksextreme Ver- brecher. unterdrückt und mundtot gemacht. Die Frankfurter Schule lässt grüßen! Und so ein Institut soll es geben, obwohl es Die NPD hat nach wie vor keinen Vertreter in dem Gre- doch eigentlich gar keine Extremisten gibt und Linksextre- mium, das angeblich den Verfassungsschutz kontrollie- misten doch sowieso nicht?! Also wer soll dann noch ana- ren soll, da Sie, Damen und Herren Oberdemokraten, die lysiert werden? Wahrscheinlich jeder, der nach dem Mist Hürden ja genau so angepasst haben, dass man weiter- der Kritischen Theorie die Umerziehung gefährdet. hin ungestört unter sich bleibt. Aber den Antragstellern geht es ja sowieso nicht um Effizienz, Transparenz und (Udo Pastörs, NPD: So ist es.) Aufklärung, wie uns weisgemacht werden soll. Einen regelrechten Brüller provozieren Sie allerdings mit In der Begründung zu diesem Antrag wird abermals der der Forderung, wie Sie sich das Personal der zukünftigen NSU angeführt. Der Verfassungsschutz war nicht in der Verfassungsschutzbehörde vorstellen. Die Personalstruk- Lage, die Bedrohung zu erkennen, aber die zivilgesell- tur soll der Vielfalt Ihrer Gesellschaft entsprechen schaftlichen Akteure, die als Antifa-Extremisten diffamiert würden, die hätten das bestimmt gekonnt, hätte man sie (Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ denn nur mitspielen lassen – wird jedenfalls behauptet. DIE GRÜNEN: Verstehe ich nicht.) Ich weiß nicht, ob Sie einfach nur keine Ahnung haben, oder ob Sie diesen Unsinn tatsächlich glauben. Was ich und einzelne Mitarbeiter sollen regelmäßig umgesetzt Ihnen allerdings bescheinige, ist der offenkundige Wille werden. Der Höhepunkt ist jedoch die Forderung, exter- zur Hetze. Sie setzen sich auf dem Rücken der Opfer in nen Fachleuten den Quereinstieg zu erleichtern. Szene. (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ausgerechnet Petereit. Ich glaub das nicht!) Das soll dann wohl der Vorruhestandsposten für irgend- welche ausrangierte Antifas werden, also jenem Ab- Der NSU, so, wie er dargestellt wird, schaum, den Sie mit den Worten wie „Zivilgesellschaft“ verniedlichen und bei sich selbst nicht mehr unterbe- (Beifall Udo Pastörs, NPD) kommen. ist wohl das Beste, was Ihnen für Ihre antinationale Agita- (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) tion passieren konnte. Vizepräsidentin Silke Gajek: Herr Petereit! (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) David Petereit, NPD: Da frage ich mich doch ernsthaft, An anderer Stelle zeigten Sie nämlich keine Ambitionen. warum Sie dann den Mitgliedern der Parlamentarischen Wo bleiben Ihre Forderungen nach Aufklärung darüber, Kontrollkommission noch die Einsicht in Akten ermögli- wie der Libanese Ziad Jarrah Ende der 1990-er Jahre chen wollen, denn im Grunde kann doch schon jetzt in Greifswald eine Entwicklungsphase beginnen konnte, angekündigt werden, dass diese sich dann geliebt bei an dessen Ende er zu einem der Todespiloten zum Ihrer Personalzusammensetzung im Internet wiederfin- 11. September 2001 wurde? den werden.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Ihr Antrag ist einfach nur schlecht und taugt nicht als Feigenblatt dafür, dass Sie den NSU-Untersuchungs- Mindestens 2.970 Menschen starben durch terroristi- ausschuss aus Eigennutz verhindern. In der gestrigen schen Massenmord, verübt durch Islamisten. Oder was Debatte war Herr Suhr wohl emotional getrieben recht ist mit Abu Ubeida al-Masri der von 1995 bis 1997 für offen in Richtung der LINKEN und sagte, dass die GRÜ- circa 15 Monate als Asylbewerber im Landkreis Demmin NEN gegen einen NSU-Untersuchungsausschuss seien, lebte? Er reiste durch Deutschland, sogar nach England. weil dieser nicht zu den Erkenntnissen kommen kann, die Schließlich floh der arme Flüchtling aus der Abschiebe- in irgendeiner Form dem entsprechen, was die Initiativen, haft. Er wurde zum Staatsfeind Nummer eins, zum Top- die Personen, die den Ausschuss fordern, erwarten. terroristen, zum Militärchef von Al Kaida für externe Ope- rationen. Die Terroranschläge am 7. Juli 2005 in London, (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) 56 Tote und über 700 Verletzte, hatte er veranlasst. We- der diese Terroristen noch ihre Opfer sind für Sie interes- Mit anderen Worten: Die Wahrheit wird zu schmerzhaft sant genug, weil sie für Ihre Hetze untauglich sind. sein, und das passt nicht für Ihre weitere Agitation.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) Aus den dargelegten Gründen lehnen wir den Antrag ab und wir bleiben natürlich bei unserer grundsätzlichen Hier wird Ihre verlogene Heuchelei entlarvt. Forderung nach Auflösung des Verfassungsschutzes.

Sie wollen in dem Antrag ein Institut zur Beobachtung (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Na klar.) und Analyse von verfassungsfeindlichen Bestrebungen, selbstredend unabhängig, aber finanziert durch den Herr Dachner, Sie haben doch eine schöne Vorlage Steuerzahler. Das Ganze wird dann wohl so laufen, wie gegeben. Ich möchte eine kleine Geschichte mit einbrin- in jeder beliebigen Hochschule: einmal entsprechend gen. Sie sagen, jeder kann sich an den Verfassungs- besetzt, werden nur noch gleichgesinnte linke Ideologen schutz wenden und fragen, was da über ihn gespeichert nachgezogen, Andersdenkende hingegen ausgegrenzt, ist. Das habe ich tatsächlich als Heranwachsender mal

94 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 getan. Ich weiß nicht mehr, wie alt ich da war, 16, 17, Zum Zweiten ist es so: Ich kann Ihnen versprechen, wir keine Ahnung. Auf jeden Fall habe ich da einmal hin werden auch ohne Landesdelegiertenkonferenzen im geschrieben und hab eine Antwort bekommen: Über Sie Hintergrund das Thema „Verfassungsschutz und Weiter- ist nichts gespeichert. Anderthalb, zwei Jahre später entwicklung der Sicherheitsarchitektur“ in diesen Landtag habe ich das Gleiche noch mal getan. Da habe ich wie- hineinbringen. Das tun wir nämlich aus inhaltlicher Über- der eine Antwort bekommen. Da stand drin: Es ist nichts zeugung und nicht deshalb, weil zufällig an irgendeinem über Sie gespeichert, aber weil Sie schon mal eine An- anderen Punkt die Landespartei eine Diskussion darüber frage gestellt haben, haben wir eine Akte über Sie ange- führt. legt. Also! – Vielen Dank. (Manfred Dachner, SPD: Nein, nein, (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) Sie haben das nicht gefordert, aber die Basis hat das gefordert.) Vizepräsidentin Silke Gajek: Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Und hier will ich mit etwas Weiterem beginnen, etwas GRÜNEN Herr Suhr. Positivem, weil ich an einem Punkt, der damit im Zu- sammenhang steht, Herr Innenminister, durchaus ganz Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte nah bei Ihnen bin. Das ist meine persönliche Auffassung, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! die will ich hier auch kundtun. Die Frage des Trennungs- gebots, und genau deshalb steht hier die Forderung nicht Werter Kollege Dachner, zunächst mal, ich möchte auch drin, die muss zunächst mal beantwortet werden für den gerne mit etwas Positivem anfangen. Sie haben das ja Fall, dass jemand die Forderung erhebt, den Verfas- vorhin auch getan. sungsschutz aufzulösen. Solange diese Frage, wo die Kompetenzen der Beschaffung von Informationen denn (Manfred Dachner, SPD: Danke Ihnen.) hingehen sollen, nicht klar beantwortet ist und das Tren- nungsgebot nicht beachtet worden ist, werden Sie mich Und mich hat wirklich aufrichtig gefreut, dass Sie sich in nicht auf der Seite finden derjenigen, die die Auflösung Vorbereitung auf diesen Tagesordnungspunkt doch offen- fordern. Das ist ein zentraler Punkt und in der Tat, da bin sichtlich intensiv nicht nur mit grüner Programmatik und ich bei Ihnen. Beschlüssen von Landesdelegiertenkonferenzen, sondern offensichtlich auch – zumindest gedanklich – mit dem (Torsten Renz, CDU: Das ist beruhigend.) Innenleben meiner Partei auseinandergesetzt haben. Aber, meine Damen und Herren, die Diskussion verläuft (Andreas Butzki, SPD: So sind wir. – in der Tat schon ein klein wenig eigenartig, und ich will Manfred Dachner, SPD: Zehn Jahre. – das an einem Punkt festmachen, weil alle Redner und Heinz Müller, SPD: Man gönnt Rednerinnen der demokratischen Fraktionen haben hier sich ja sonst nichts.) den Reformbedarf anerkannt und artikuliert. Ich habe keinen gehört, der das nicht getan hat. Ja. So, und eigentlich haben wir Ihnen diesbezüglich eine (Zuruf von Manfred Dachner, SPD) klare Vorlage geliefert. Ich will den Antrag noch mal zitieren, und zwar nur im ersten Absatz: „Der Landtag Na, ein bisschen sind Sie auch grün, haben Sie gerade stellt fest, dass die Verfassungsschutzbehörde und das gesagt. Das vermag ich nicht stetig zu erkennen. Auch Verfassungsschutzgesetz einer grundlegenden Reform die Ansätze, die muss ich wirklich suchen. Aber was bedürfen.“ Das haben Sie alle bestätigt. „Der Landtag nicht ist, kann ja vielleicht noch werden. fordert die Landesregierung daher dazu auf, bis zum 5. Juni 2013 den Entwurf einer umfassenden Reform für (Heiterkeit vonseiten der Fraktionen die Verfassungsschutzbehörde und das Verfassungs- der SPD und DIE LINKE) schutzgesetz vorzulegen. Diese Reform hat insbeson- dere die folgenden Aspekte zu umfassen …“ Allerdings kommen Sie in Ihrer Einschätzung zu einem völlig falschen Ergebnis. Und wenn Sie den Antrag gele- (Zuruf von Manfred Dachner, SPD) sen hätten oder aufmerksam gelesen hätten, dann hätten Sie das, glaube ich, auch entdeckt. In der Tat finden Sie Da hätten Sie ja mit Enthusiasmus draufgehen müssen, in unserem Antrag nicht in der Konsequenz die Forde- selbst wenn man Bedenken hat, wie Herr Ritter, dass das rung nach der Auflösung des Verfassungsschutzes, und in dieser Zeit nicht möglich ist. Wo bleibt denn der Ände- ich kann Ihnen auch sagen, warum Sie das nicht finden. rungsantrag, wo Sie eine aus Ihrer Sicht realistische Einmal traut sich diese Landtagsfraktion der Bündnisgrü- Zeitschiene dort hineinbringen? Da wären wir doch offen nen durchaus eine eigene Position zu. Vielleicht ist es ja für gewesen. Oder man hätte ja hergehen können und in der SPD so, dass die Landtagsfraktion eins zu eins sagen können: Der eine oder andere Punkt aus dem immer das umsetzt, was möglicherweise auf Parteitags- Forderungskatalog der GRÜNEN passt mir nicht. ebene beschlossen wird. (Manfred Dachner, SPD: Dann (Andreas Butzki, SPD: Nur.) wären Sie doch mal gekommen.)

Es wäre mal interessant, wie Sie das denn umsetzen, Dann hätten Sie Änderungsanträge doch einbringen was jetzt am Wochenende geschehen ist. können. Das ist ein ganz normales Instrumentarium für diesen Landtag. Aber das haben Sie nicht gemacht, (Manfred Dachner, SPD: Das habe ich auch gar nicht gesagt.) (Manfred Dachner, SPD: Nee.)

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 95 sondern in Bausch und Bogen ziehen Sie sich die Argu- Ich habe übrigens den Eindruck, werter Kollege Ritter, mentation und sagen, das muss einfach abgelehnt wer- dass möglicherweise unsere negative Position zur Ein- den, während Sie gleichzeitig immer wieder betonen, richtung eines Parlamentarischen Untersuchungsaus- dass Sie den Reformbedarf sehen. Glaubwürdig ist dies schusses vielleicht auch Ihre Haltung zu diesem Antrag aus meiner Sicht nicht, meine Damen und Herren. mit beeinflusst haben könnte.

(Manfred Dachner, SPD: Was Sie machen, (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) ist nicht glaubwürdig. Sie kommen hier mit dicken Backen her, aber nichts dahinter. – Wenn das so wäre, dann wäre das aus meiner Sicht Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD) bedenklich. Wir halten selbstverständlich den Antrag aufrecht. – Herzlichen Dank. Und ich will auf zwei Einzelaspekte eingehen, die mir in diesem Zusammenhang wichtig sind. Ich habe zur Kennt- (Beifall vonseiten der Fraktion nis genommen, dass Sie das ablehnen wollen. Mir wurde BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) so ein Stück weit unterstellt, wie soll ich das beschreiben, Herr Caffier, eine Vorurteilshaltung gegenüber den Behör- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr den, und das wurde deutlich gemacht beispielsweise an Fraktionsvorsitzender Suhr. dem einen Punkt „Bildungsauftrag oder Bildungsarbeit des Verfassungsschutzes“. Und das ist nicht unsere Forde- Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe rung, an dieser Stelle die Behörden zu verdammen, son- die Aussprache. dern wir haben im Antrag auf den Beutelsbacher Konsens und auf das Kontroversitätsgebot abgehoben. Wir kommen zur Abstimmung.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Frakti- übernimmt den Vorsitz.) on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1683 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte Und das bedeutet, die zentrale Frage ist: Wie stellen Sie ich jetzt um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – denn sicher, dass dort objektiv und neutral berichtet wird Gibt es Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Damit ist der und dass die unterschiedlichen Positionen zu unter- Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schiedlichen Inhalten – auch das, was den Verfassungs- NEN auf Drucksache 6/1683 bei Zustimmung der Frakti- schutz angeht – dort zum Ausdruck kommen? on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gegenstimmen der SPD, der CDU, der NPD und Stimmenthaltung der Fraktion Und ein zweiter Punkt: Lassen Sie uns da nicht so tun, als DIE LINKE abgelehnt. wenn der Landesverfassungsschutz hier im Gegensatz zu allen anderen Behörden auf Bundes- und Landesebene, Ich lasse nun über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ nur der in Mecklenburg-Vorpommern, keine Fehler ge- DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1636 abstimmen. Wer macht hat. Ich traue mich durchaus, hier an dieser Stelle dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um sein Hand- kritisch anzumerken, dass ich hier und an anderer Stelle zeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Gibt es sehr wohl die kritische Frage gestellt habe. Ich mache das Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion nur an ein paar Beispielen, die Liste könnte ich beliebig BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1636 bei fortsetzen, warum denn die „Weisse-Wolf“-Publikation über Zustimmung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den NSU nicht vom Landesverfassungsschutz über Jahre Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der CDU und hinweg irgendwann mal entdeckt worden ist, es war ja ein Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE und Gegen- offen zugängliches Dokument, auch kurz nach 2011, stimmen der Fraktion der NPD abgelehnt.

(Michael Andrejewski, NPD: Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 26: Beratung des Macht doch nichts.) Antrages der Fraktion DIE LINKE – Schutzbereich der Arbeitslosenversicherung erweitern – Anwartschaftszeit sondern dass ein Berliner Archiv das tun muss? Ich stelle und Rahmenfrist im SGB III neu regeln, auf Drucksa- sehr bewusst die Frage, warum die Nennung von drei che 6/1646. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag Institutionen im Landesverfassungsschutzbericht 2010 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksa- gerichtlich zumindest – ich sag es vorsichtig – infrage che 6/1695 vor. gestellt wurde. Und selbstverständlich ist das ein Grund zur Kritik. Das sind Punkte – zwei unter vielen, man Antrag der Fraktion DIE LINKE könnte das fortsetzen –, die begründen, warum wir uns Schutzbereich der Arbeitslosenversicherung mit diesem Thema kritisch auseinandersetzen. erweitern – Anwartschaftszeit und Rahmenfrist im SGB III neu regeln Und, meine Damen und Herren, wer glaubwürdig und – Drucksache 6/1646 – ehrlich und geradlinig und aufrichtig das, was hier mehr- fach erklärt worden ist, eine Reform des Landesverfas- Änderungsantrag der Fraktion sungsschutzes will, der muss hier auch aufzeigen, wie er BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN es denn anders machen will, als die Vorschläge der – Drucksache 6/1695 – GRÜNEN dies beinhalten. Da sind Sie jegliche Antwort schuldig geblieben. Deshalb ist das, was Sie hier veran- Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr staltet haben, aus meiner Sicht nicht glaubwürdig. Foerster für die Fraktion DIE LINKE.

(Manfred Dachner, SPD: Ach!) (Torsten Renz, CDU: Oh, jetzt aber gute Argumente vortragen. – Und mit Scheinargumenten lehnen Sie diesen Antrag ab. Henning Foerster, DIE LINKE: Ja, Herr Kollege.)

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Henning Foerster, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Werte stände am allermeisten auf die Schutzwirkung der Ar- Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem heutigen Antrag beitslosenversicherung angewiesen sind, profitieren am greifen wir erneut ein drängendes Problem der Arbeits- allerwenigsten von ihr. marktpolitik auf. Heute geht es nicht um Langzeitar- beitslose, sondern um diejenigen, die immer mal wieder Diese Fakten zur Kenntnis nehmend, stellt sich natürlich einige Wochen oder auch einige Monate arbeiten und die Frage nach den Ursachen und nach möglichen Aus- dennoch leider immer durch das Raster fallen. Und das wegen. Die Betroffenen zahlen zwar Beiträge zur Arbeits- belegen auch Untersuchungen des DGB aus dem losenversicherung, sie erfüllen jedoch die Voraussetzun- Herbst 2012. Sie zeigen deutlich, dass immer weniger gen für den Bezug von Arbeitslosengeld nicht, da sie Beschäftigte bei Verlust ihres Arbeitsplatzes vom innerhalb der letzten 24 Monate 12 Monate beitrags- Schutz der Arbeitslosenversicherung erfasst werden. pflichtig gearbeitet haben müssen. Stattdessen stürzen sie immer häufiger direkt in den SGB-II-Bezug ab. (Torsten Renz, CDU: Wo sehen Sie denn die Grenze?) Bundesweit betraf dies zwischen November 2011 und Oktober 2012 circa 730.000 Beschäftigte. Und auch in Das werde ich Ihnen jetzt erklären. Das ist ja Bestandteil Mecklenburg-Vorpommern scheiterte im Jahresdurch- des Antrages. schnitt 2011 jeder fünfte vom Jobverlust betroffene Ar- beitnehmer an den zu hohen Zugangsvoraussetzungen (Torsten Renz, CDU: Sie brauchen Sie doch für die Arbeitslosenversicherung. Noch eine Zahl: Bezo- einfach nur zu benennen und dann ist es gut. – gen bundesweit im Jahr 2010 noch 33,2 Prozent der Peter Ritter, DIE LINKE: Nee, Ihnen müssen Arbeitslosen Leistungen aus dem Versicherungssystem, wir das schon erklären, Herr Renz. – so waren es im März 2012 nur noch 31,5 Prozent, Ten- Zuruf von Torsten Renz, CDU) denz fallend. Und wenn wir dann in unsere Betrachtun- gen auch noch die sogenannten „Nichtleistungsempfän- Also wir halten es für dringend geboten, den Schutzbe- ger“ einbeziehen, die ja ebenfalls über die Arbeitslo- reich der Arbeitslosenversicherung wieder zu erweitern, senversicherung, sprich die Arbeitsagenturen, betreut Herr Renz. In Kenntnis der eben beschriebenen Prob- werden, dann erhalten aktuell sogar nur noch 27 Prozent lemlagen sollte die Rahmenfrist gemäß Paragraf 143 aller Arbeitslosen tatsächlich auch Arbeitslosengeld. Und SGB III für die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld wieder dies ist aus der Sicht meiner Fraktion ein unhaltbarer von zwei auf drei Jahre erweitert werden. Das ist unser Zustand. Vorschlag. Ganz praktisch bedeutet das, dass die Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer ein Jahr länger Zeit Die Versuche, dieser Entwicklung durch Regelungen zur haben, um in die Arbeitslosenversicherung einzuzahlen verkürzten Anwartschaft für berufsbedingt immer wieder und damit schlussendlich auch deren Schutz zu er- kurzzeitig Beschäftigte entgegenzuwirken, die dürfen mit werben. Zudem plädieren wir für die Änderung der so- Fug und Recht als gescheitert bezeichnet werden. Dies genannten Anwartschaftsregelung aus Paragraf 142 zeigen selbst die Berichte der Bundesregierung an den SGB III, damit Arbeitslose bereits nach einem halben Bundeshaushaltsausschuss. Im gesamten Berichtszeit- Jahr Beitragszahlung Anspruch auf Lohnersatzleistungen raum seit Einführung dieser Regelungen im Jahr 2009 aus der Versicherung, also aus dem Versicherungssys- gab es bundesweit ganze 463 Anträge, und statt wie tem haben. Dabei soll sich die Dauer der Leistung an der erwartet 50 Millionen Euro sind ganze 1,7 Millionen Euro vorangegangenen Beitragszahlung orientieren. abgeflossen. Dazu kommt dann noch das Problem, dass eine größere Zahl von Anträgen bei den Agenturen abge- Ganz konkret unterstützen wir diesbezüglich das vom lehnt wird, was nicht nur die Arbeitsmarktexperten des DGB vorgeschlagene Modell, welches die Einführung DGB zu der Einschätzung kommen lässt, dass die ver- von drei neuen Stufen vorsieht: nach sechs Monaten kürzte Anwartschaft ihren Schutzzweck deutlich verfehlt Anwartschaftszeit Anspruch auf drei Monate Arbeitslo- hat. sengeld, nach acht Monaten folglich auf vier und nach zehn Monaten auf fünf. (Torsten Renz, CDU: Wer denn noch?) Wir wollen also an beiden Stellschrauben drehen, werte Insofern hätte es der Verlängerung der Sonderregelung Kolleginnen und Kollegen der Bündnisgrünen, Sie haben bis Dezember 2014 aus unserer Sicht nicht bedurft. einen Änderungsantrag vorgelegt, der sich auf eine der Stattdessen ist eine echte Erweiterung des Schutzberei- beiden Systematiken bezieht. Das sehen wir anders. Wir ches der Arbeitslosenversicherung notwendig oder aber, werden uns daher zu diesem Änderungsantrag auch Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, wollen enthalten, aber ich erkenne zumindest an, dass auch bei weiterhin billigend in Kauf nehmen, dass Arbeitnehme- Ihnen Handlungsbedarf eingeräumt wird. rinnen und Arbeitnehmer trotz Beitragszahlung in die Arbeitslosenversicherung aus dieser Versicherung gar Der Bezug von Versicherungsleistungen stellt auch keine Gegenleistungen erhalten und stattdessen im sicher, dass die Betroffenen an Eingliederungsmaß- Hartz-IV-System verhaftet bleiben. nahmen des Versicherungssystems, zum Beispiel an beruflichen Weiterbildungen teilnehmen können. Und Aus unserer Sicht zeigen diese Zahlen auch ganz deut- warum das so wichtig ist, das verdeutlicht unter anderem lich, dass die Arbeitslosenversicherung in der jetzigen die Aussage, die der Vorstandsvorsitzende der Bun- Form ihre zentrale Aufgabe, nämlich die wirtschaftliche desagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, im Rahmen Absicherung der Versicherten bei eintretender Arbeitslo- des letzten Schweriner Arbeitsmarktfrühstücks am sigkeit und die Reintegration in den Arbeitsmarkt durch 6. Februar 2013 hier getroffen hat. Er sagte nämlich Qualifizierungs- und Vermittlungsmaßnahmen, immer sinngemäß, dass anders als im Rechtskreis SGB II im weniger ausfüllen kann. Und ausgerechnet die prekär Bereich der Arbeitslosenversicherung trotz der auch dort Beschäftigten, die aufgrund ihrer unsicheren Arbeitsum- deutlich anzutreffenden Kürzungen genügend finanzielle

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Mittel zur Verfügung stehen, um Maßnahmen der berufli- den Sommer über hart gearbeitet hat, im Fall der Arbeits- chen Weiterbildung zu fördern. Und er verband dies losigkeit direkt in Hartz IV rutscht“. ausdrücklich mit einem Appell an alle, die hier im Bereich der Regionaldirektion unterwegs sind, diese Möglichkei- Beide haben recht, und deshalb freue ich mich auf eine ten auch entsprechend zu nutzen. konstruktive Debatte und bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank. Folgerichtig liegt es auch im originären Interesse der Betroffenen, beim Verlust des Arbeitsplatzes in der Ar- (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) beitslosenversicherung zu landen, selbst wenn es sich bei den Maßnahmen der Agentur für Arbeit seit der letz- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr ten Gesetzesänderung mit wenigen Ausnahmen oftmals Foerster. nur noch um Ermessensleistungen handelt. Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer Und, werte Kolleginnen und Kollegen, die Rahmenbe- von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu dingungen am Arbeitsmarkt haben sich seit Einführung keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich der Hartz-Gesetzgebung verändert. Darüber ist ja ges- eröffne die Aussprache. tern hier umfänglich diskutiert worden. Es kann nicht sein, dass ein Teil der Beschäftigten am Arbeitsmarkt Das Wort hat zunächst die Sozialministerin des Landes aufgrund der geltenden Regelungen von vornherein von Mecklenburg-Vorpommern Frau Manuela Schwesig. der Schutzwirkung der Arbeitslosenversicherung ausge- schlossen bleibt. Ministerin Manuela Schwesig: Sehr geehrte Frau Prä- sidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! (Torsten Renz, CDU: Die haben schon nach einem Tag arbeiten einen Anspruch.) Sehr geehrter Herr Foerster, ich teile Ihre Auffassung, dass derzeit keine Leistungsgerechtigkeit besteht in der Ja, die Forderung haben wir hier nicht aufgemacht. Ich Arbeitslosenversicherung für Menschen, die arbeiten hab Ihnen gerade erklärt, wie sie konkret lautet. gehen und dann aus zum Beispiel typischen saison- bedingten Gründen in Arbeitslosigkeit rutschen, dann (Torsten Renz, CDU: Das nicht mal aus dieser Arbeitslosenversicherung, in die sie hört sich aber immer so an.) selbst eingezahlt haben, entsprechende Leistungen be- kommen und sofort in Hartz IV rutschen. Dieses Problem Ja, ein verbesserter Schutz für die Betroffenen verur- besteht und das muss geändert werden. Insofern kann sacht Mehrkosten im Versicherungssystem. Das gehört ich mich Ihren Ausführungen und Vorschlägen auch nur zur Wahrheit auch dazu. Allerdings kann man davon anschließen. ausgehen, dass der Bund und auch die kommunale Ebe- ne im Gegenzug von den sich folgerichtig reduzierenden Es ist auch so, dass ein entsprechender Beschluss Aufwendungen im Bereich der Grundsicherung profitie- schon auf der Sitzung der Arbeits- und Sozialminister- ren würden. Und natürlich profitieren auch Tausende konferenz Ende 2011 in Leipzig gefasst worden ist, den arbeitslos gewordene Beschäftigte mit ihren Familien im ich natürlich mit unterstützt habe. Und deshalb haben wir Fall des Falles davon. auch einer Initiative des Landes Brandenburg zur Ver- kürzung der Anwartschaftszeit auf sechs Monate und Im Bundestag scheiterten 2012 Anträge der Oppositi- einer Ausweitung der Rahmenfrist von zwei auf drei Jah- onsparteien, die auf die beschriebenen Änderungen im re im Ausschuss für Arbeit und Soziales im Bundesrat SGB III abzielten, an der Mehrheit von CDU und FDP. zugestimmt. Dieser Vorschlag des Ausschusses des Und das gleiche Schicksal ereilte eine Initiative der rot- Bundesrates fand dann aber im Plenum keine Mehrheit, roten Landesregierung Brandenburgs im Bundesrat. Das weil – und sonst hätte auch schon die Bundesarbeitsmi- Problem ist deshalb aber nicht weg. Ich hab die Hoff- nisterin ja den Beschluss der Arbeitsministerkonferenz nung, dass mit den neuen Verhältnissen seit den Land- aufgenommen – CDU und FDP hier eine andere Auffas- tagswahlen in Niedersachsen jetzt doch noch mal die sung haben. Und deshalb wird es auch nicht möglich Chance besteht, in der Länderkammer eine Mehrheit für sein, dass die Landesregierung einem solchen Beschluss eine solche Initiative zusammenzubekommen, und im zustimmt, weil es auf Enthaltung hinauslaufen wird. Interesse der Betroffenen hier in Mecklenburg-Vorpom- mern wäre es gut, wenn die Initiative auch von unserer Ich will an einer Stelle noch mal beim Koalitionspartner Landesregierung ausgehen könnte. werben für das Problem, weil ich finde auch, dass wir gerade fleißigen Leuten in unserem Land Unrecht (Torsten Renz, CDU: Da müssen tun, wenn es hier nicht zu Verbesserungen kommt. Die Sie sich aber beeilen, bevor die SPD Leute, die in unseren Saisonbetrieben, gerade in der in Berlin in Verantwortung kommt.) Tourismusbranche, die wir immer so hochhalten als Er- folgsbranche, fleißig sind und arbeiten – und viele von Der Chef der Bundesagentur für Arbeit sah übrigens im uns wissen, die arbeiten da nicht nur viele Stunden, son- Dezember 2012 in einem dpa-Interview die Notwendig- dern pendeln noch für kleines Geld –, wenn die das die keit – ich darf zitieren – zu „prüfen, ob die bestehende ganze Saison tun und dann in Arbeitslosigkeit gehen, Anwartschafts-Regelung“ beim ALG I „noch passt“, haben die, obwohl sie die ganze Zeit die Arbeitslosen- Zitatende. Und auch Frau Ministerin Schwesig forderte versicherung unterstützt haben, keine Anrechte und im April 2012 übereinstimmend mit meiner eben hier rutschen sofort in Hartz IV. Das hat mit Leistungsgerech- vorgetragenen Position, dass es – ich darf das auch tigkeit in meinen Augen überhaupt nichts zu tun. Das zitieren – „gerade in Mecklenburg-Vorpommern, wo untergräbt auch die Akzeptanz der Arbeitslosenversiche- viele Menschen in saisonbedingten Arbeitsverhältnissen rung. Deswegen gibt es ja Vorschläge vom Vorstand der beschäftigt sind“, nicht sein kann, „dass jemand, der Bundesagentur für Arbeit, das sozusagen zu ändern.

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Und es belastet die Kommunen, weil die Kommunen für Torsten Renz, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! diese Leute ja dann Kosten der Unterkunft zahlen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben ja schon gehört, dass es grundlegend unterschiedliche Insofern denke ich auch, es gibt ein Interesse, hier etwas Auffassungen in dieser Frage der Koalitionspartner hier zu ändern, aber wir als Koalition respektieren, wenn dann gibt. Das war mir eigentlich in dieser drastischen Art und der Koalitionspartner die Auffassung seiner Bundespartei Weise vorher nicht so bekannt. Aber gut, wir werden uns vertritt, hier nichts zu ändern. Und deswegen wird die der Situation stellen, und Sie können davon ausgehen, Landesregierung weder eine entsprechende Initiative nicht so, wie es von der Sozialministerin dargestellt wird, initiieren können noch zustimmen können. Es ist im Übri- dass hier die CDU-Landtagsfraktion oder der Landesver- gen auch nicht notwendig. Herr Foerster hat die neuen band blind der Bundesebene folgt. Da kann ich nur sa- Mehrheiten im Bundesrat angesprochen. Mit den neuen gen, wenn Sie unsere Position, was die Lohnuntergrenze Mehrheiten kann auch ohne Stimme von Mecklenburg- betrifft, verfolgt haben, unsere Debatte, unsere Stand- Vorpommern ein solcher Antrag eine Mehrheit finden. punkte, dann sind wir sehr wohl hier schon sehr eigen- ständig in unserem Landesverband. Deswegen, ganz nüchtern betrachtet, wird weder der Landtag noch diese Landesregierung darüber entschei- (Jochen Schulte, SPD: Fünf Jahre.) den, ob sich die Dinge zum Positiven für die Menschen ändern oder nicht, denn selbst, wenn im Bundesrat dafür Und Anweisungen von oben – wenn es das in anderen eine Mehrheit entsteht, wie derzeit ja für den Mindestlohn Parteien geben sollte, dazu kann ich mich jetzt nicht und sicherlich morgen auch für die Abschaffung des äußern. Ich kann mich jetzt nur dazu äußern, wie es Betreuungsgeldes, ist am Ende der Gesetzgeber der bei uns aussieht, bei der größten Volkspartei in diesem Deutsche Bundestag. Wir wissen alle, wie die Mehrheits- Lande. verhältnisse dort sind, und deswegen wird es dafür keine Zustimmung geben. Das kann sich nach dem 22. Sep- (Marc Reinhardt, CDU: Sehr gut. – tember ändern. Michael Andrejewski, NPD: Ha, ha!)

Nun nehmen wir ja alle wahr, dass gerade, ich kann es Wenn wir den konkreten Antrag der LINKEN hier neh- nur für meinen Bereich sagen, in dieser Landtagssitzung men, so, wie er vorliegt, und Herr Foerster ja auch überproportional gar nicht ganz konkrete Vorschläge von einem drängenden Problem gesprochen hat – die kommen, die wir als Landespolitiker hier mit Gesetzge- Strategie, die ist ja richtig, Herr Foerster, die Sie immer bung ändern können, sondern die ganzen bundespoliti- fahren, Anträge entsprechend vorzubereiten mit Kleinen schen Themen aufs Trapez gebracht werden. Frau Gajek Anfragen. Aus denen muss dann möglichst auch hervor- hat ja heute auch gesagt, dass es ihr darum geht. Das ist gehen, dass das Problem da ist, was Sie skizzieren. Und natürlich legitim für die Opposition, aber wir werden da in der logischen Konsequenz stellt man ja dann diesen auch als Landesregierung gelassen mit umgehen. Es gibt Antrag. nun mal Unterschiede zwischen den Volksparteien – ich finde das auch gut so –, und das ist hier ein Unterschied. Als ich jetzt Ihre Kleine Anfrage vom 06.03. bekommen Ich kann aber zusichern, dass ich mich als Arbeitsminis- habe, auch mit entsprechenden Antworten über das terin weiter dafür einsetze. Ich hab das auf der Konferenz Sozialministerium, da habe ich gedacht, ja, so schlau getan, und ich hab die Koordinierung von Malu Dreyer für werden sie jetzt auch sein, da werden sie im Leben kei- den Bereich Arbeit übernommen und hab natürlich die nen Antrag stellen. Aber man irrt sich ja das eine oder Möglichkeit, diese Themen auch in die A-Runde einzu- andere Mal im Leben. speisen. Das mach ich auch. Und dann können die ent- sprechenden Mehrheiten im Bundesrat das auf den Weg Und deswegen hier fürs Plenum, weil der eine oder an- bringen. dere vielleicht nur Kleine Anfragen aus seinem Bereich intensiver liest, deswegen will ich das hier noch mal deut- Ich warne aber davor, hier zu suggerieren, dass, wenn es lich sagen: Herr Foerster greift also in Frage 1 genau eben nicht parteiübergreifend dafür Mehrheiten gibt, wir dieses Problem auf. Es geht um die Nutzung der kurzen selbst mit Beschlüssen im Bundesrat die Dinge für die Anwartschaftszeit bei Arbeitslosengeld und mögliche Menschen ändern können. Das ist nicht so. Das muss Alternativen. Da fragt er: „Wie viele arbeitslose Frauen man hier ganz nüchtern sagen. Das sind Bundesgesetz- und Männer bezogen seit Einführung im August 2009“ gebungen, die der Deutsche Bundestag in der Hand hat. und so weiter und so fort diesen entsprechenden Darüber können die Menschen am 22. September ent- Umstand? Und die Antwort – Herr Foerster wird sie wis- scheiden. Da gibt es andere Bühnen, finde ich, wo man sen –, ich zitiere: „Eine statistische Auswertung liegt bei den Wahlkampf austragen kann. Natürlich kann man es der Bundesagentur für Arbeit nicht vor. Eine Befragung hier vortragen, aber deshalb werbe ich noch mal dafür. der Agenturen für Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern Es ist eine gute Sache. Ich als Arbeitsministerin hab es ergab 8 Fälle im Land ...“ im Rahmen meiner Möglichkeiten unterstützt und des- halb ist meines Erachtens auch eine weitere Aufforde- (Henning Foerster, DIE LINKE: rung, sich darum zu kümmern, nicht notwendig. – Vielen Herr Renz, das ist genau das Problem, Dank für Ihre Aufmerksamkeit. dass das Instrument untauglich ist.)

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) Und acht Fälle im Land, wenn sich das tatsächlich auf diesen Zeitraum von 2009 bis heute bezieht, dann weiß Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau ich nicht, welche Relevanz das hat. Ministerin. (Henning Foerster, DIE LINKE: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Renz für die Fraktion Ach, ich versuche, es Ihnen zu der CDU. erklären, welche Relevanz das hat.)

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Also die statistische Grundlage liefert auf alle Fälle weder Und wenn wir jetzt wieder zu diesem Antrag zurückkom- der Fraktion DIE LINKE die Grundlage für einen sinnvol- men, zu diesem konkreten Zahlenwerk, was wir analysie- len logischen Antrag, noch liefert diese Antwort der SPD ren müssen, dann habe ich zumindest erfahren – ich eine Positionierung, so, wie sie hier vorgetragen wurde. weiß nicht, ob den LINKEN diese Zahlen vorliegen, aber da Sie ja auch wissen, dass im Februar 2012 genau Und das geht dann weiter in dieser Anfrage, das können dieses Thema debattiert wurde im Bundestag, gehe ich Sie gerne nachlesen, Drucksache 6/1551. Frage 2 be- davon aus, dass Sie die Rede des Kollegen, des Abge- zieht sich auf dieses Thema, auf die Thematiken Künstler ordneten der CDU dort gelesen haben –, er hat anhand und Schausteller, wo es ja um die 6-Wochen-Regelung von Zahlen, die ich zitieren möchte, etwas Erstaunliches geht beziehungsweise das, was die Bundesregierung zutage gebracht. Er hat nämlich festgestellt, in der Zeit schon justiert hat, auf 10 Wochen, schon gehandelt hat. von 2009 bis 2011 ist der Übergang der Menschen, Da wird gesagt, es sind Einzelfälle. die als Arbeitnehmer direkt in Hartz IV gerutscht sind, um 15 Prozent gestiegen. Jeder Einzelfall ist zu viel. 15 Pro- Es geht weiter mit der Frage 3. Dazu kann keine Aussa- zent der Arbeitnehmer, die die Anspruchsvoraussetzun- ge getätigt werden. gen nicht erfüllt haben, sind in diesem Zeitraum von 2009 bis 2011 in Hartz IV gerutscht. In Frage 4, da erfragen Sie ja mehr oder weniger den Handlungsbedarf. Da wird durch die Landesregierung, Jetzt kann man natürlich eines machen – sich nur darauf durch das Sozialministerium deutlich gemacht, dass es konzentrieren, das kritisieren und politisch sein State- durchaus kritische Einschätzungen gibt, aber es besteht ment aufbauen. Man kann aber auch Folgendes machen: Untersuchungsbedarf und es muss evaluiert werden. Man kann sich mit der zweiten Seite der Medaille befas- Also ich kann hier nicht rauslesen – das können Sie sen und mal schauen, wie viele Menschen sind denn selbst gerne nachlesen, das ist nicht meine Antwort –, den umgekehrten Weg gegangen, den umgekehrten dass es hier sofortigen akuten Handlungsbedarf gibt. Weg, das heißt direkt von Hartz IV in den ersten Arbeits- Wenn es an den bevorstehenden Bundestagswahlen markt, in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis. Und liegen sollte, okay, dafür habe ich Verständnis. wenn man sich die Zahlen anschaut, dann stellt man fest, das waren im Jahre 2009 730.000 Menschen und im Das geht weiter mit Frage 5, Frage 6 und 7 und so wei- Jahre 2011 920.000 Menschen. Das heißt … ter. Es sind keine Daten, die vorliegen, aber trotzdem haben Sie den Antrag gestellt, und dann werden wir uns (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ natürlich damit logischerweise auseinandersetzen. DIE GRÜNEN: Bundesweit.)

Aber ich möchte an dieser Stelle davor warnen, dass in Bundesweit. Mir liegen die Zahlen von Mecklenburg- der politischen Diskussion, jetzt, wie gesagt, zufällig Vorpommern nicht vor. aufgrund der anstehenden Wahlen, immer wieder ein Eindruck erweckt werden soll, das sind die einen, die Das heißt, wir haben dort einen Anstieg von 26 Prozent nur für soziale Gerechtigkeit stehen, und die anderen, zu verzeichnen. Und wenn wir jetzt nur mal mathema- das sind die Bösen. Und wenn ich die ganze Berichter- tisch vergleichen, 15 Prozent den einen Weg, 26 Prozent stattung heute vom NDR sehe, wenn es darum geht, den anderen Weg, dann müssen wir zumindest feststel- Überschrift: „SPD zahlt Gebäudereinigern keinen Min- len, dass möglicherweise Arbeitsmarktpolitik, die hier in destlohn“ – es steht also im Text, sie zahlen als SPD der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren 7,56 Euro, das ist Tariflohn –, dann sage ich, ich als betrieben wurde, ganz konkret über die Agenda 2010, CDU, ich als Torsten Renz, wenn sie sich an den Tarif- zumindest hier in diesem Bereich auf Erfolge verweisen vertrag halten, dann ist das in Ordnung. kann. Wie man dann aber zu der anderen Auffassung kommen kann und das hier so darstellen kann, das ent- (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) zieht sich meiner Kenntnis.

Wenn wir das weiterlesen, dann kommen wir natürlich Und ich will auch sagen, wenn Arbeitnehmer in Hartz IV auch zur Partei DIE LINKE. Erstaunlicherweise, die Par- rutschen, dann ist das ein bedauerlicher Zustand. Die tei DIE LINKE fordert ja inzwischen 10 Euro, zahlt auch Frage ist: Wie setzt man sich damit auseinander? Wo 7,56 Euro. Das heißt, man hält sich gesetzlich an den sucht man die Lösung? Und dann stelle ich fest, die Tariflohn. Da sage ich, das ist in Ordnung. Ich stelle mir Opposition hier im Lande und auf Bundesebene sagt, aber vor, Sie sind zum Beispiel die Gebäudereinigerin, wenn das so ist, dann müssen wir den Anspruch für die bei der SPD oder bei den LINKEN arbeitet, Sie gehen Arbeitslosengeld I möglichst so gestalten, dass möglichst nach Hause, Sie hören Nachrichten, Sie lesen die Zei- viele in den Genuss dieser staatlichen Leistungen kom- tung und überall, men, in den Genuss, Hilfen in Anspruch zu nehmen, aus der großen Schar der Versicherungsnehmer. (Henning Foerster, DIE LINKE: Sprechen Sie doch mal zum Antrag!) (Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

überall hören Sie, 10,00 Euro, 8,50 Euro, und Sie selbst Da kann man sich natürlich fragen, welche möglichen schauen auf Ihren Lohnstreifen und sehen 7,56 Euro. Da Folgen hat das Ganze, wenn wir diesen Weg gehen. frage ich mich, was sollen diese Bürger von solcher Poli- Übersetzt in der Praxis heißt es übrigens, dass wesentli- tik halten. Die Frage stelle ich mir ernsthaft und deswe- che Reformen der Agenda 2010, der Hartz-IV-Gesetz- gen will ich das jetzt nicht weiter kritisieren, ich will nur gebung genau in diesem Punkt zurückgedreht werden. sagen, es ist nicht verwunderlich, wenn in dieser Art und Weise und in dieser Form dann auch Medienberichter- Jetzt kann man sich fragen, was hat das möglicherweise stattung stattfindet, und darüber muss sich Politik aus für Auswirkungen. Dann wird man darüber nachdenken meiner Sicht Gedanken machen. müssen, wie agiert der einzelne Arbeitnehmer, der ein-

100 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 zelne Mensch, wenn sozusagen der Druck, das Fordern 2008/2009. Dort war es tatsächlich so, das in diesem abgeschwächt wird. Und da werden wir ganz klar sehen, Bereich die Zahlen negativ aussahen. Aber ab 2009 ging es wird dazu kommen, dass der Drang in Arbeit zurück- es wieder bergauf. Das habe ich Ihnen anhand der Zah- gehen wird. Es wird sich eine Situation ergeben, dass die len hier vorhin gesagt. Dass das dazu führt, einen Kor- Arbeitgeber sagen, okay, wenn du nicht mehr 12 Monate rekturwechsel vorzunehmen, das kann ich inhaltlich nicht in 24 Monaten arbeiten musst, um diesen Anspruch zu nachvollziehen. erwerben, sondern du hast möglicherweise jetzt 36 Mo- nate Zeit, dann kriegen wir das auch locker anders ge- (Zuruf von Silke Gajek, löst, das kriegen wir schon hin, mit der Folge, dass das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) auch wieder für die Versicherungskassen bedeutet, dass wir steigende Beiträge haben werden. Die Lage am Arbeitsmarkt spricht eine eindeutige Spra- che: über 41 Millionen Beschäftigungsverhältnisse, Und deshalb, glaube ich, müssen wir einen ganz anderen 1 Million offene Stellen, 2,8 Millionen Arbeitslose. Und Punkt diskutieren, den ich vorher in der Diskussion hier warum wollen Sie dann diese wirksamen Elemente ver- nicht gehörte habe, nämlich nicht, was tun wir alles im ändern? Das erschließt sich mir nicht. Arbeitslosengeld-I-Bereich oder bei Hartz IV, sondern wir müssen diskutieren, was tun wir politisch, dass die Men- Ich habe mir noch ausreichend Zeit gelassen, weil ich schen in Arbeit bleiben, im ersten Arbeitsmarkt. Das inhaltlich hier noch den einen oder anderen Punkt, was muss die Zielrichtung Nummer eins sein – soziale Gerechtigkeit in diesem Bereich betrifft, intensiver diskutieren will, gerade aufgrund Ihres Vorschlages, (Barbara Borchardt, DIE LINKE: aufgrund des Vorschlages der GRÜNEN, dass man – Es gibt nur einen Arbeitsmarkt.) war das jetzt in 12 Monaten, ja –, wenn man in 12 Mona- ten 4 Monate gearbeitet hat, ich habe das schon gestern gesagt –, weil der wirtschaft- liche Erfolg erst den sozialen Wohlstand gewährleistet. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ Und deswegen stimmt es mich traurig, wenn ich im Be- DIE GRÜNEN: Genau.) reich der Sozialpolitik hier immer wieder erlebe, dass die Wirtschaftspolitik ausgeblendet wird. Das kann nicht dass man dann einen vollwertigen Anspruch erwirkt, so richtig sein, sondern wir müssen gucken, wie gestalten wie andere Personen, die vielleicht 20, 30 Jahre gearbei- wir erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik. Ich will es nicht stän- tet haben, kontinuierlich, und Sie auf einen Seite jetzt dig wiederholen, aber ich bin irgendwie auch dazu ge- den Anspruch noch weiter absenken wollen auf 4 Mona- zwungen: te. Und da bin ich gespannt auf die Diskussion, wenn Sie sich einem Vergleich von Deutschland in der Europäi- (Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE) schen Union beziehungsweise weltweit stellen –

Dafür wurden die Grundlagen 2003 von Rot-Grün ge- (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ schaffen. DIE GRÜNEN: Gucken Sie mal nach Mecklenburg-Vorpommern!) Und jetzt haben wir Dinge, dass wir sagen, wir geben zum Beispiel zusätzlich Geld in den Bereich Weiterbil- das sollten wir nämlich mal tun –, wie sind wir überhaupt dung, und zwar an die Beschäftigten, die sich im ersten mit unseren sozialen Sicherungssystemen aufgestellt. Arbeitsmarkt befinden, damit, wenn eine Notsituation Da kann ich Ihnen nur sagen, herausragend gut im welt- kommt, wenn Arbeitslosigkeit droht, sie ohne Weiteres weiten Maßstab. – Danke schön. dem ersten Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Ich möchte Sie einfach an dieser Stelle bitten, auch diese (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) Diskussion weiter zu führen und als Schwerpunkt der politischen Arbeit zu sehen. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Danke, Herr Renz.

Wir sind natürlich, dass ist die Logik, den Wahlen ausge- Das Wort hat jetzt die Abgeordnete und Vizepräsidentin setzt Gajek für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.) Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte und die Arithmetik, die dem zugrunde liegt, die kennen Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Her- wir auch alle. Fakt ist, dass dieses Thema von der SPD ren Abgeordnete! Der Antrag der LINKEN greift ein wich- bis 2009 nicht nach vorne getragen wurde. Wenn es tiges Thema auf. Die Absicht, eine bessere Absicherung daran gelegen hat, dass richtige Lösungen damals von für flexibel Beschäftigte zu erzielen, ist grundsätzlich Müntefering und Olaf Scholz zum Schluss bis 2009 ver- lobenswert und wird von uns unterstützt. treten worden sind, weil sie inhaltlich richtig sind, und wir jetzt in dem Dilemma uns befinden, dass wir auf Wahlen (Vincent Kokert, CDU: Toll!) zugehen und dass plötzlich die fachliche Grundlage sich ändert aufgrund der Situation von Regierungsverantwor- Aber: Wir nähern uns dem Ziel auf anderem Wege. tung und Opposition, wenn das der Fall ist, dann muss das jeder mit sich ausmachen. Der Wähler wird Positio- Die Arbeitslosenversicherung in ihrer bestehenden Form nen bewerten, er wird bei der Wahl entscheiden. orientiert sich am Normalarbeitsverhältnis. Wer innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren mindestens zwölf Mo- Fakt ist, seit 2009, seit der Großen Koalition, müssen wir nate Beiträge einzahlt, hat Anspruch auf Arbeitslosen- uns die Frage stellen: Was hat sich am Arbeitsmarkt geld. Diese Regelung greift in der Realität jedoch oftmals geändert? Die Krise, das will ich noch mal sagen, war nicht. Gerade in unserem Bundesland verzeichnen

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 101 wir eine Zunahme befristeter Arbeitsverträge und einen In Zukunft wird Arbeitslosengeld schon dann gezahlt, hohen Prozentsatz saisonal beschäftigter Menschen. wenn innerhalb einer Rahmenfrist von 24 Monaten für Viele der so Beschäftigten bezahlen zwar Beiträge in die mindestens 4 Monate Beiträge in die Arbeitslosenversi- Arbeitslosenversicherung ein, erreichen aber nicht die cherung eingezahlt wurden. Die Anspruchsdauer steigt notwendige Anwartschaftszeit von zwölf Monaten, und mit der Dauer der Beitragszahlung an, das Verhältnis von das mit der Folge, dass sie, wenn ihr Vertrag ausläuft, Beitrag zu Anspruchszeiten im Verhältnis zwei zu eins kein Arbeitslosengeld erhalten, sondern auf Hartz-IV- wird beibehalten. Konkret bedeutet das, aus einer vier- Leistungen angewiesen sind. monatigen Beitragszahlung ergibt sich ein zweimonatiger Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Diese Staffelung soll Die im Sommer 2009 eingeführte und bis Ende Juli 2012 maximal bis zu einem Anspruch auf fünf Monate Arbeits- befristete Bundessonderregelung für kurz befristet Be- losengeld führen, danach, also nach einer Anspruchs- schäftigte hat an dieser Situation grundsätzlich nichts dauer von sechs Monaten, ist ein nahtloser Anschluss an geändert. Zur Erinnerung: Sie sah vor, dass auch dieje- die bestehenden Regelungen des SGB III möglich. nigen Anspruch auf Arbeitslosengeld I erhalten, die eine Anwartschaftszeit von sechs Monaten erfüllt haben, (Torsten Renz, CDU: wenn sie bestimmte Einkommensgrenzen nicht über- Was kostet das in der Summe?) schreiten und wenn die Beschäftigungsverhältnisse auf jeweils nicht mehr als sechs Wochen befristet waren. Für ganz wichtig halten wir in diesem Zusammenhang die folgenden Grundsätze: Diese Regelung hat sich als nicht praxistauglich erwie- sen, das belegen die Zahlen eindeutig. Von dieser Rege- Innerhalb der neuen Anspruchszeit wird den Leistungs- lung haben im Jahr 2011 lediglich 242 Personen bun- berechtigten Zugang zu allen Maßnahmen der aktiven desweit profitiert. Zum Vergleich: Die Zahl der potenziell Arbeitsmarktpolitik gewährt und nicht genutzte Ansprü- Berechtigten wurde auf 7.500 Menschen geschätzt. Das che können bis zu vier Jahre lang mitgenommen und entspricht einer Inanspruchnahme von sage und schreibe gegebenenfalls mit neu erworbenen Ansprüchen kombi- 3,2 Prozent. Verlängert wurde die Regelung dennoch niert werden. Unser Vorschlag sieht eine unbürokratische bis 31. Dezember 2014, und zwar im Rahmen eines gesetzliche Regelung unterhalb der Sechsmonatsgrenze Gesetzes, wo sie nun kaum jemand vermutet hätte – vor, die die flexibel Beschäftigten tatsächlich erreicht. dem Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Der Antrag der LINKEN weist zwar in die richtige Rich- Einrichtungen. tung, geht aber nicht konsequent genug auf die Bedürf- nisse der flexibel Beschäftigten ein. Wir bitten deshalb Sehr geehrte Damen und Herren, es braucht andere um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. – Danke. Modelle, um für flexibel Beschäftigte wirkliche Verbesse- rungen zu erreichen. Meine Fraktion hält es für dringend (Beifall vonseiten der Fraktion nötig, die Arbeitslosenversicherung grundsätzlich so zu BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) modifizieren, dass zukünftig auch diejenigen Beitrags- zahlerinnen und Beitragszahler Ansprüche erhalten, die Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau aufgrund der Kürze ihrer Arbeitsverhältnisse bisher vom Gajek. Versicherungsschutz ausgeschlossen waren. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Tegtmeier für Der uns vorliegende Antrag der LINKEN orientiert sich die Fraktion der SPD. inhaltlich an den Anträgen, die sowohl SPD und DIE LINKE im Sommer vergangenen Jahres auf Bundesebe- Martina Tegtmeier, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! ne eingebracht haben, vor dem Auslaufen der schon Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst erwähnten Sonderregelung. Kritisiert wird die verkürzte möchte ich mal mit einer Mär hier aufräumen, die uns Rahmenfrist für die Arbeitslosenversicherung. Gefordert jetzt schon mehrmals vorgehalten wurde, und Ihnen kurz wird eine Rahmenfristverlängerung auf drei Jahre sowie eine Pressemitteilung von dpa, die eben über den Äther die Einführung neuer Anwartschaftsregelungen für kurz- ging, hier kurz zitieren, und zwar: „Putzfirma der SPD- zeitig Beschäftigte, die diesen bereits nach sechs Mona- Landeszentrale versichert: Wir zahlen Mindestlohn“. ten Anwartschaftszeit einen Anspruch auf Arbeitslosen- geld I ermöglichen soll. (Heinz Müller, SPD: Aha!)

Sehr geehrte Damen und Herren, diese geforderte Ver- „Die Reinigungsfirma für die SPD-Landeszentrale Meck- längerung der Rahmenfrist von zwei auf drei Jahre ent- lenburg-Vorpommern hat einem Medienbericht wider- spricht der Regelung vor Einführung der Hartz-Gesetze. sprochen, wonach im Schweriner Willy-Brandt-Haus für Wir halten eine solche Rückführung der Rahmenfrist weniger als 8,50 Euro Stundenlohn geputzt wurde.“ nicht für den richtigen Weg, um möglichst viele flexibel Beschäftigte zu erreichen. Wir meinen, damit würde (Heinz Müller, SPD: Aha!) lediglich das Rad zurückgedreht. Die vorgeschlagene Verkürzung der Anwartschaftszeit auf sechs Monate „Die Reinigungskraft, die dort eingesetzt sei, bekomme halten wir für einen richtigen, aber nicht weit genug ge- schon seit 2009 einen Stundenlohn von 8,50 ...“ Also henden Vorschlag. Deshalb haben wir uns entschlossen, nicht nur das Bild im NDR, das einen Krankenhausflur einen Änderungsantrag vorzulegen. mit Reinigungskräften zeigt, war in diesem Zusammen- hang schlecht gewählt, sondern die ganze Notiz insge- Lassen Sie mich Ihnen die wichtigsten Punkte unseres samt, die ganze Meldung war schlichtweg falsch. Bündnisgrünen-Vorschlags in Kürze noch einmal darstel- len. Wir möchten die Rahmenbedingungen im Sinne Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben uns gestern flexibel beschäftigter Menschen wie folgt verändern: in der Aktuellen Stunde mit der Agenda 2010 ausführlich

102 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 beschäftigt, mit den Arbeitsmarktreformen, und der Kol- Das bedeutet nicht nur, dass sie die Eingliederungsmaß- lege Schulte hat in dem Zusammenhang an mehreren nahmen des SGB III nicht in Anspruch nehmen können, Stellen darauf hingewiesen, dass, ja, wir an einigen Stel- das wäre vielleicht noch zu verkraften, da diese Einglie- len mittlerweile durchaus Änderungsbedarfe sehen. Und derungsmaßnahmen in der Praxis wenig hilfreich sind. SPD-seitig war es auch nicht so, wie von Herrn Renz Die oberste Maxime der Agentur für Arbeit scheint zu jetzt so ein bisschen suggeriert, lauten, die Erwerbslosen hinzuhalten und mit möglichst billigen Maßnahmen abzuspeisen, bis sie dann aus der (Torsten Renz, CDU: Na? Sondern?) Leistung fallen. Was Geld kostet, wird in der Regel abge- lehnt – was billig ist, wird genommen. Es würde mich dass wir jetzt plötzlich wieder tief kramen, um unsere nicht wundern, wenn man da auch Kräuterhexen ausbil- soziale Seite zu schärfen oder sonst was, den würde, denn auch das ist ja nicht sonderlich teuer.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU) Trotzdem, obwohl das, was die Agentur für Arbeit anzu- bieten hat, immer weniger wert ist und es sich auch um sondern wir haben uns nicht erst seit Beginn der Ar- Ermessensleistungen handelt, sind die Betroffenen im- beitsmarktreform, sondern auch schon weit vorher inten- mer noch besser dran als mit Hartz IV: Sie unterliegen siv mit dem Vorhaben, nachher mit dem, was auf den nicht der Totalüberwachung ihrer Lebensverhältnisse, sie Weg gebracht wurde, und die ganze Zeit über in den müssen ihre Kontoauszüge nicht regelmäßig vorlegen. Arbeitsgemeinschaften immer wieder kritisch mit einzel- Es wird ihnen nicht vorgeschrieben, wie viel Quadratme- nen Sachverhalten der Arbeitsmarktreform auseinander- ter ihre Wohnung haben darf. Sie müssen ihre Lebens- gesetzt. versicherung auch nicht auflösen. Kurz, sie leben noch in relativer Freiheit, verglichen mit Hartz IV, und ein biss- (Torsten Renz, CDU: Sehr gut.) chen Freiheit hat ein Arbeitnehmer auch verdient, der den ganzen Sommer über für einen Armutslohn in der Und wir sind nun nicht wie die Fraktion BÜND- Tourismusindustrie schuftet, aber nie auf zwölf Monate NIS/GRÜNEN, ja, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, okay, Beschäftigung in zwei Jahren kommt. Wer diese Erfah- zu den Überzeugungen gelangt, sondern in der Tat ge- rung macht, der wird auch nicht mehr lange in der Tou- winnen wir dem, was Herr Foerster hier vorgetragen rismusindustrie arbeiten. Dann braucht man sich auch hat, nicht nur was ab, sondern wir haben das bereits nicht zu wundern, wenn da immer mehr abwandern und in dem Regierungsprogramm der SPD für 2013 verankert dieser Industriezweig Schwierigkeiten bekommt. und niedergeschrieben. Das kann man ja seit geraumer Zeit nachlesen. Und so brauche ich das auch gar nicht Einen ähnlichen Antrag hat die NPD-Fraktion auch schon lang und breit auszureizen von den Inhalten her. Ich kann vor einiger Zeit gestellt, der allerdings mit großer Empö- mich da eigentlich nur unserer Sozialministerin, die re- rung von den demokratischen, sich so nennenden Frakti- gierungsseitig sich erklärt hat, anschließen und für die onen zurückgewiesen wurde. Die Ähnlichkeit ist groß Fraktion auch nichts anderes hier verkünden. Wir haben genug, dass wir sagen können, wir stimmen hier unse- dann immer grundsätzlich eine andere Auffassung wie rem eigenen Antrag zu. – Vielen Dank. unser Koalitionspartner zu diesem ganz speziellen Sach- verhalt (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

(Torsten Renz, CDU: Na ja, im Präsidentin Sylvia Bretschneider: Das Wort hat jetzt Oktober sieht das wieder anders aus.) der Abgeordnete Herr Foerster für die Fraktion DIE LIN- KE. und werden dem Antrag aus diesem Grund nicht zu- stimmen, obwohl wir die meisten Inhalte, die er in der Henning Foerster, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Werte Aussage hat, durchaus unterstützen und durchaus für so Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der Ausführungen richtig halten. – Vielen Dank. der Arbeitsministerin und der Kollegin Tegtmeier bleibt mir, was die Position der SPD angeht, ja nur festzustel- (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) len, dass wir, wie gesagt, inhaltliche Überschneidungen haben, und in dem Zusammenhang nur mein Bedauern Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau auszudrücken, dass Sie hier Ihren Einfluss innerhalb der Tegtmeier. Koalition noch nicht in dem Maße geltend machen konn- ten, wie Sie es beispielsweise beim Grundsatzthema Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski für „Flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn“ schon ge- die Fraktion der NPD. schafft haben.

Michael Andrejewski, NPD: Frau Präsidentin! Meine Und, Herr Renz, Sie haben hier in Ihrem Redebeitrag Damen und Herren! „Fördern und fordern“ lautete offiziell nun in der Tat sehr viele Dinge einfach mal komplett und lautet das Motto für das Arbeitslosengeld II mit der durcheinandergeworfen. Sie haben beispielsweise … Perspektive, irgendwann mal bei Wohlverhalten Arbeits- losengeld I zu kriegen oder gar einen Job. Man fordert (Torsten Renz, CDU: von Langzeitarbeitslosen, jede bezahlte Tätigkeit anzu- Können Sie das aufklären?) nehmen, so schlecht entlohnt und so kurzfristig diese auch sein mag, aber diejenigen, die dieser Forderung Ja, das will ich gern versuchen. auch nachkommen, werden nicht etwa belohnt und ge- fördert. Haben sie das Pech, wie der Antrag es ja auch Sie haben beispielsweise nicht darauf Bezug genommen, aussagt, innerhalb von zwei Jahren weniger als zwölf dass es sich bei der Arbeitslosenversicherung um ein Monate arbeiten zu können und zu dürfen, fallen sie beitragsfinanziertes Versicherungssystem handelt und immer wieder direkt in das Arbeitslosengeld II zurück. die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 103

über die wir heute angesichts dieses Antrages diskutie- Der laut Ex-Kanzler Schröder beste Niedriglohnsektor in ren, auch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zahlen Europa und die damit verbundene Zunahme schlecht und dass das Problem eben genau darin begründet liegt, bezahlter Beschäftigungen, Herr Renz, war also schon dass sie trotz dieser Einzahlungen keine Leistungen aus vier Jahre später auch in der geringeren Höhe der Lohn- der Arbeitslosenversicherung beziehen können. Das ist ersatzleistungen nachweisbar. das Problem, das war Nummer eins. (Vizepräsidentin Beate Schlupp (Torsten Renz, CDU: Das habe übernimmt den Vorsitz.) ich nicht gesagt, weil es jeder weiß.) Und geradezu kurios muss daher jedem, der den Sach- Nummer zwei: Sie haben sozusagen mit Ihren Zitaten verhalt kennt und diese Zahlen richtig interpretiert, die ich aus der Kleinen Anfrage den Eindruck erweckt, als wäre eben vorgetragen habe, die Feststellung vorgekommen die Bezugsgröße die Ziffer 8. Dann will ich an der Stelle sein, zu der Bundesarbeitsministerin Ursula von der auch noch mal ein bisschen Aufklärungsarbeit leisten Leyen im Herbst des vergangenen Jahres gekommen ist, und Ihnen sagen, das Problem ist doch einfach, dass als sie in der Zeitschrift „Die Welt“ mit den Worten zitiert beispielsweise befristet Beschäftigte, und über dieses wurde, in den vom DGB vorgelegten Zahlen sei eine Thema haben wir hier schon diskutiert im Zusammen- positive Entwicklung zu sehen. hang mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz, dass wir die in ganz anderen Größenordnungen nach wie vor Vizepräsidentin Beate Schlupp: Herr Foerster, gestat- haben, nämlich über 130.000 hier im Land. Und wenn die ten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Renz? beispielsweise tatsächlich unterhalb der jetzt geltenden Regularien Arbeitsverträge angeboten bekommen und Henning Foerster, DIE LINKE: Ja. aus der Not heraus natürlich auch annehmen, dann sind diejenigen, über die ich hier rede, die potenziell Gefähr- Torsten Renz, CDU: Danke, Frau Präsidentin! Danke, deten. Herr Foerster! Mich interessiert, wie beurteilen Sie im weltweiten Maßstab, meinetwegen auch bezogen nur auf Und Ihre Partei hat gemeinsam mit der FDP in der Dis- Europa, den Zustand, den wir hier genau diskutieren in kussion auf der Bundesebene dafür gesorgt, dass das Ihrem Antrag, dass eine Anwartschaftszeit von 12 Mona- Instrument, was sich als untauglich erwiesen hat, und ten innerhalb von 24 Monaten erreicht werden muss? das will ich dann gerne auch noch an Zahlen versuchen zu belegen, nämlich die sogenannte verkürzte Anwart- (allgemeine Unruhe) schaft, die haben Sie verlängert, obwohl, wie gesagt, in den Anhörungen im Deutschen Bundestag die Problema- Wie beurteilen Sie den Zustand in Deutschland, 12 Mo- tik der fehlenden Schutzwirkungen dieses Instruments nate bezogen auf 24, im Vergleich zu anderen Staaten in eindeutig dargestellt worden ist. dieser Welt?

Ich möchte auch noch mal daran erinnern, dass die Henning Foerster, DIE LINKE: Also ich kenne jetzt nicht mangelnde Schutzwirkung der Arbeitslosenversicherung die Regelung in jedem europäischen Nachbarstaat und auf die von Ihnen ja erneut, ich habe das erwartet, beju- auch nicht die Regelungen auf der ganzen Welt. Insofern belte Agenda 2010 zurückgeht. Das Problem ist nur, muss ich Ihnen an der Stelle die Antwort schuldig blei- ben. Ich kann nur sagen, und ich rede ja heute hier über (Vincent Kokert, CDU: Wir haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Mecklen- die umgesetzt hier im Land.) burg-Vorpommern und in der Bundesrepublik Deutsch- land, dass das Bild, was Sie immer zeichnen, nämlich, dass die Arbeitsmarktreformen einerseits der Flexibili- dass mit der Agenda 2010 sozusagen die heile Welt sierung von Arbeitsverhältnissen Tür und Tor geöffnet ausgebrochen ist, dass das insofern ein Zerrbild ist, weil haben, gleichzeitig aber die Schutzmechanismen bei trotz zunehmender Beschäftigung natürlich im Bereich eintretender Arbeitslosigkeit verschlechtert haben. Und der Arbeitsverhältnisse, wenn man mal hinter die Kulis- das ist genau das Problem, was uns jetzt an der Stelle sen guckt, eine Reihe von Problemlagen existieren. Ich einholt. will Ihnen jetzt hier nicht alle aufzählen, denn wir haben hier im Detail schon über Leiharbeit, über Werkarbeiter, Und dazu vielleicht mal einige Zahlen, die unter anderem über geringfügige Beschäftigung, über befristete Be- im Rahmen des dritten Bundeskongresses von ver.di schäftigung diskutiert, und irgendwann müssten doch 2011 vorgelegt worden sind. Demnach erhielten 1992 auch Sie mal verstehen, dass das für die Betroffenen noch mehr als die Hälfte, nämlich gut 56 Prozent aller alles andere als ein vernünftiger Arbeitsplatz ist und dass von Arbeitslosigkeit Betroffenen Lohnersatzleistungen sie anderes verdient hätten. und mittlerweile, das hatte ich schon im Rahmen der Einbringung gesagt, ist diese Zahl auf 27 Prozent gesun- (Vincent Kokert, CDU: ken. Und wenn wir uns die Auswirkungen angucken, Lieber das griechische Modell?!) dann war schon einige wenige Jahre nach Einführung der Neuregelung zu merken, dass auch die Höhe der Und, Herr Renz, dann machen wir an der Stelle noch ausgezahlten Beträge aus der Arbeitslosenversicherung weiter. Aus meiner Sicht steht hinter Ihrer Einschätzung zurückgegangen ist. Das durchschnittlich ausgezahlte einfach eine falsche Grundüberzeugung, denn wenn ich Arbeitslosengeld betrug nämlich im Jahr 2008 bereits Ihnen richtig folge, dann ist Ihre Aussage die: Der Nied- 17 Euro weniger als 2007 und 30 Euro pro Monat riglohn ist eine feine Sache, weil er die Chance auf In- weniger im Durchschnitt als 2006. Und jeder neunte tegration in den Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose Berechtigte musste darüber hinaus sein Arbeitslosengeld beispielsweise erhöht, auch noch mit Grundsicherungsleistungen aufstocken lassen. (Torsten Renz, CDU: Hab ich nie gesagt.)

104 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 und nach ihrem Einstieg könnten diese ja perspektivisch Abschließend dann doch noch mal ein Blick auf die Si- in ein reguläres Arbeitsverhältnis einmünden. Das, Herr tuation hier in unserem Bundesland. Sie haben meine Renz, gab es weder bei der Leiharbeit noch bei geringfü- Kleine Anfrage auf Drucksache 6/1551 ja auch hier zi- giger Beschäftigung in nennenswertem Umfang. tiert. Da wollte ich von der Landesregierung unter ande- rem wissen, wie viele Beschäftigte auf der Basis der Und falsch ist eine solche Grundüberzeugung auch des- Regelung zur kurzen Anwartschaft Arbeitslosengeld halb, weil der DGB die entsprechenden Statistiken der bezogen haben. Und es ist eben genau umgekehrt. Es Bundesagentur für Arbeit ausgewertet hat. Demnach ging ja um diese Sonderregelung für kurzzeitig Beschäf- konnten 2011 bundesweit lediglich 183.600 Langzeitar- tigte, die das Ziel hatte, ich sage es noch mal, die an der beitslose eine reguläre Beschäftigung aufnehmen. Im Stelle aufzufangen. Bislang war es so, die konnten dann Vergleich zu 2010 waren das 8.600 weniger. Gleichzeitig Arbeitslosengeld bekommen, wenn sie in den letzten ist eben die Zahl der Beschäftigten, die trotz vorheriger zwei Jahren vor der Arbeitslos-Meldung mindestens Beschäftigung direkt in den SGB-II-Bezug abgerutscht sechs Monate versicherungspflichtig beschäftigt waren, sind, um 42.600 auf dann über 730.000 bundesweit an- es sich überwiegend um auf sechs Wochen befristete gestiegen. Beschäftigungsverhältnisse handelte und ihr Bruttoar- beitsentgelt der letzten Monate eine bestimmte Höhe Und warum ist das so, Herr Renz? Weil das Problem nicht überschritt. Und da komme ich zu dem Schluss, nämlich gerade darin besteht, und das habe ich auch dass die Bilanz dieses von Ihnen maßgeblich mitinitiier- versucht, in meiner Antwort auf Ihre Zwischenfrage zu ten Instruments für unser Land genauso vernichtend skizzieren, dass zu viele Arbeitslose im SGB-II-Bezug nur ausfällt wie auf der Bundesebene. auf unsichere Arbeitsplätze vermittelt werden. Und Ihre Logik lautet dagegen, schaffen die Betroffenen den Ich sage es noch mal: Bundesweit 424 Menschen, die Sprung aus dem Niedriglohnbereich auf reguläre, unbe- überhaupt nur unter diesen Geltungsbereich gefallen fristete Vollzeitarbeitsplätze, dann ist das ein Verdienst sind. Und in Mecklenburg-Vorpommern, haben Sie ja der von Rot-Grün mit Unterstützung der CDU initiierten richtigerweise zitiert, waren es ganze 8. Deswegen war Arbeitsmarktreform, und schaffen sie es nicht, dann liegt die Bewertung der Praktikabilität auch durch das IAB es natürlich an ihnen selbst, also an ihren jeweiligen der Bundesagentur für Arbeit entsprechend kritisch und individuellen Unzulänglichkeiten. folgerichtig, und konsequent war auch die Forderung nach Abschaffung dieses untauglichen Instrumentes Diese Betrachtungsweise, Herr Kollege, ist mir etwas durch den DGB. zu billig, unter anderem deshalb, weil mittlerweile bereits 50 Prozent aller neu eingestellten Beschäftigten bundes- Und anstatt jetzt zu sagen, okay, wir machen eine wirkli- weit überhaupt nur noch befristete Arbeitsverträge erhal- che Verbesserung zugunsten der Betroffenen, haben Sie ten. Ich darf daran erinnern, vor zwölf Jahren lag die sich im Bund entschieden, Sie erhöhen einfach die fest- Quote bei 33 Prozent, und auch noch mal deutlich sagen, gelegte überwiegende Beschäftigungsdauer jetzt von es kommt oftmals gar nicht mehr zum gewünschten zwei- sechs auf zehn Wochen und hoffen, dass Sie den Kreis ten Schritt, nämlich zur Übernahme in ein festes Vollzeit- der Anspruchsberechtigten dadurch so erweitern, dass arbeitsverhältnis. eine größere Zahl von Menschen am Ende von dieser Variante profitieren kann. Ganz ehrlich, ich glaube, das Und deswegen haben es die Beschäftigten auch so ist ein Placebo und auch die neue bis 2014 befristete schwer, in den gesetzlichen Rahmenfristen die Anwart- Regelung wird hier an der Stelle nicht wirklich Wirkung schaftszeiten überhaupt erfüllen zu können, aus denen entfalten können. sich dann genau der Anspruch auf Arbeitslosengeld ablei- tet. Auch dazu will ich Ihnen noch eine Zahl als Beleg Deswegen sage ich es zum Schluss noch mal, stattdes- nennen: 2012 waren bundesweit nur 42,6 Prozent derjeni- sen brauchen wir eine echte Erweiterung des Schutzbe- gen, die im Jahr zuvor aus dem SGB-II-Bezug heraus reiches der Arbeitslosenversicherung im Sinne unseres wieder einen Arbeitsplatz fanden, noch sozialversiche- Antrages, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. rungspflichtig beschäftigt. Und selbst wenn sie es schaf- fen, sind die Betroffenen auch noch weiteren Risiken aus- (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) gesetzt, denn erstens kann ein zu geringer Verdienst dazu führen, dass ihr ALG-I-Anspruch geringer ausfällt als der Vizepräsidentin Beate Schlupp: Ums Wort gebeten hat Regelsatz plus Kosten der Unterkunft im ALG II. noch einmal für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Renz. Das kann man lösen – dazu gibt es Vorschläge –, zum Beispiel durch die Einführung eines Mindestarbeitslosen- Torsten Renz, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! geldes auf dem Niveau von Regelsatz plus Kosten der Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß, die Unterkunft. Die Betroffenen sollten dann allerdings trotz- Wahrheit tut weh, dem im Zuständigkeitsbereich der Bundesagentur, also im Rechtskreis SGB III verbleiben, statt zwischen zwei (Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Behörden immer wieder hin- und hergeschoben zu wer- Ach, Herr Renz!) den. Und der Differenzbetrag, der dann aufzuwenden ist, der müsste natürlich der Arbeitslosenversicherung vom aber ich bin zur Wahrheit verpflichtet. Insofern können Sie Bund aus Steuermitteln erstattet werden. ja noch so stöhnen, wie Sie wollen. Dinge, die der Realität entsprechen, sollte man aussprechen, und zwar im Parla- Zweitens kann es sogar vorkommen, dass sie trotz Zah- ment, hier in die politische Diskussion treten, sich den lung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung gänzlich Sachargumenten stellen. Und wenn wir keine Sachargu- leer ausgehen, zum Beispiel, wenn sich die Haushaltssi- mente mehr ins Feld führen, dann, denke ich mal, ist die tuation geändert und ihr Partner zwischenzeitlich eine Kritik berechtigt. Aber ich habe für mich den Anspruch, Beschäftigung aufgenommen hat. dass wir hier in der Sache inhaltlich diskutieren.

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 105

Zu Beginn möchte ich klarstellen in Richtung von Herrn durchgehen, sondern auch hier gehe ich davon aus, Herr Foerster, dass ich hier keiner bin, der die Agenda 2020 Foerster, dass Sie sich mit der Bundestagsdebatte be- oder Hartz IV ständig nach vorne trägt und hochjubelt, fasst haben. Dort liegt ein Gutachten vor, da ist eindeutig nein. ein Vergleich entsprechend aufgeschrieben worden und danach hat eben die OECD für die 36 oder die 34 Länder (Henning Foerster, DIE LINKE: Da hatten diese Kriterien gewertet und eine Rangfolge aufgestellt. wir aber einen anderen Eindruck, Herr Renz. – Und wenn Deutschland bei dieser Rangfolge weltweit Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE) Platz 8 einnimmt, dann, glaube ich, steht Ihnen das nur schlecht zu Gesicht, Deutschland oder Mecklenburg- Ich bin jemand, der die Realität sich anschaut und ver- Vorpommern an dieser Stelle ständig schlechtzureden. sucht, dann, wenn die Realität sich so darstellt, dass es Missstände sind, so, wie es nämlich 2003 aufgrund der (Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE) wirtschaftlichen Lage in Deutschland war, wenn wir uns die Situation angeschaut haben, dann müssen wir um Wir haben einen hervorragenden Sozialstaat in Deutsch- Lösungen streiten und es sind Lösungen gekommen. land und dafür brauchen wir uns nicht zu schämen. Und das hat was mit Realität zu tun. Deswegen sage ich Ihnen das noch mal: Wirtschaftlicher Erfolg in Deutsch- Und ich sage Ihnen das auch noch mal, auch wenn land ist die Grundlage, um etwas zu verteilen, um den ich es vorhin erst angerissen habe: Wenn Sie bestimm- sozialen Wohlstand überhaupt zu erhalten. te Maßnahmen korrigieren, die bei der Arbeitsmarktre- form 2003 auf den Weg gebracht wurden, und ich habe (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – zur Kenntnis genommen, dass viele Anwesende das hier Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ wollen, dann müssen Sie sich die Auswirkungen an- DIE GRÜNEN) schauen. Und wir sollten da kein Harakiri machen, wenn möglicherweise Auswirkungen entstehen, wie zum Bei- Und wenn Sie immer nur verteilen wollen, dann empfehle spiel, auch das ist diesem Gutachten/dieser Stellung- ich Ihnen noch mal das Schürer-Papier, wo der Zustand nahme zu entnehmen, dass es garantiert dazu kommen der DDR beschrieben wurde, wo wir nämlich in den wird, dass die Suchdauer nach Beschäftigung zunehmen Bankrott geführt wurden, wird, dass Mitnahmeeffekte wieder entstehen, dass der Entlassungsanreiz für Arbeitgeber steigen wird, wenn Sie (Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: diese Kriterien, so, wie Sie es vorschlagen, verändern Also, Herr Renz, ich bitte Sie!) wollen. wenn Sie immer nur mehr verteilen, als Sie einnehmen, Und was hat es für Auswirkungen auf die BA? Auch das und wenn Sie die Wirtschaft vernachlässigen. ist niedergeschrieben, will ich hier nur stichpunktartig mal nennen. Wir haben mehr Anspruchsberechtigte, höhere (allgemeine Unruhe) Ausgaben fürs Arbeitslosengeld, steigende Verwaltungs- kosten. Das müssen Sie in Ihre Betrachtungsweise mit Und deswegen müssen Sie das auch in dieser Situation aufnehmen und nicht alles infrage stellen. hier mal sagen, dass diese Wunschliste, die Sie hier vortragen, mindestens eine halbe Milliarde Euro kostet. (Barbara Borchardt, DIE LINKE: Die Und, das habe ich vorhin schon gesagt, von wem wird Verwaltungskosten kann man aber auf das Geld aufgebracht? Das wird von den Beitragszahlern der anderen Seite auch wieder einsparen.) aufgebracht, von den Unternehmen, Und ich will Ihnen noch mal sagen, wenn es um soziale (Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE) Gerechtigkeit geht – den Begriff haben Sie ja gepachtet –, dann müssen Sie doch die Frage diskutieren, wenn je- das sind wieder Steigerungen der Lohnnebenkosten und mand zehn Jahre ununterbrochen einzahlt in die Versi- dann haben wir wieder eine Gefahr für den Wirtschafts- cherung und andere vielleicht nach zwei oder drei Mona- standort Deutschland. ten einen Anspruch erwerben, wo sich möglicherweise, ich will das mal offenlassen, der Drang sich in Grenzen (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: hält, weil die Hemmschwelle zu gering ist, dass nämlich Das ist doch ein Ammenmärchen.) schon wieder Ansprüche entstehen, dann wird aus mei- ner Sicht das Prinzip der Solidarität außer Kraft gesetzt, Das müssen Sie endlich mal zur Kenntnis nehmen, mei- weil Sie die Leistungsträger überbeanspruchen und die ne sehr geehrten Damen und Herren. Motivation von denen auch in den Keller geht und sie sagen, das kann nicht sein. (allgemeine Unruhe – Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – (Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE) Glocke der Vizepräsidentin) Begriffe wie Leistungsgerechtigkeit und Eigenverantwor- Und wenn wir den sozialen Wohlstand in Deutschland im tung in Deutschland müssen eine gehobene Priorität Vergleich zu Europa und im Vergleich zum Weltmaßstab erfahren, ansonsten sehen wir den Wohlstand in uns anschauen, leider waren Sie da nicht ganz aussage- Deutschland in Gefahr. fähig. Das Einzige, was Sie sagen konnten, (Peter Ritter, DIE LINKE: (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) Schreien Sie doch nicht so herum!) das Einzige, was Sie sagen konnten, ist, in Deutschland Und deswegen will ich zum Abschluss noch mal zwei ist die Situation schlecht. Aber das lasse ich Ihnen nicht Zitate bringen, zu denen ich mich zu hundert Prozent

106 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 deckungsgleich an dieser Stelle bekenne. Und zwar sind Drucksache 6/1646 mit den Stimmen der Fraktionen von das Zitate von Peer Steinbrück vom 13.11.2003. SPD und CDU, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LIN- KE und NPD und Stimmenthaltung der Fraktion BÜND- (Zurufe vonseiten der Fraktion NIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt. DIE LINKE: Oooh!) Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 27: Beratung des Haben Sie irgendwas gegen den Herrn? Also ich nicht. Antrages der Fraktion der NPD – Aufwendungen für elektrischen Strom endlich als Bestandteil der Kosten der (Unruhe vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Unterkunft anerkennen, Drucksache 6/1658. Barbara Borchardt, DIE LINKE: Frau Merkel kann man ja kaum zitieren.) Antrag der Fraktion der NPD Aufwendungen für elektrischen Strom Das, was er hier gesagt hat, hat Sinn und Verstand, und endlich als Bestandteil der Kosten deswegen will ich das mal sagen. Er hat gesagt: „Das der Unterkunft anerkennen System der sozialen, bedarfsgerechten Grundsicherung – Drucksache 6/1658 – muss so ausgestaltet werden, dass es wirksam vor Armut schützt, aber gleichzeitig Anreize bietet, neue Arbeit Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr aufzunehmen.“ Das ist korrekt. Andrejewski.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Oh!) Michael Andrejewski, NPD: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! SPD und CDU brachten in der letz- Wir müssen die Armen, die Schwachen der Gesellschaft ten Sitzungswoche einen Antrag ein mit der Überschrift über das Solidarprinzip schützen. „Energiewende bürgernah und sozial gestalten“. Der Beschlussvorschlag begnügte sich aber mit wolkigen (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: allgemeinen Wendungen. „Sozial“ sollte die Energiewen- Die Arbeitsbedingungen sind gruselig. de sein und ihre Kosten sollten „sozial“ verteilt werden, Das sind nicht alles Arme.) ohne genauere Ausführungen zu machen, was heißt das konkret für die betroffenen Gruppen – etwa für die Emp- Aber die, die nicht wollen, die müssen auch entspre- fänger von Arbeitslosengeld II. chende Maßnahmen bekommen, dass sie wollen. Das ist der Punkt, den Peer Steinbrück angesprochen hat, und Deren Situation stellt sich folgendermaßen dar: Die den kann ich nur unterstützen. Energiewende führt zu höheren Strompreisen und die sind kein Teil der Kosten der Unterkunft. Sie müssen Und er hat auch gesagt, ein zweites und letztes Zitat: vom Regelsatz bezahlt werden. Steigen die Strompreise, läuft das effektiv und in Realität auf eine Kürzung des (Heinz Müller, SPD: Ist das hier Regelsatzes hinaus, den man gerade mit großem Brim- eine SPD-Wahlkampfveranstaltung?) borium großzügigerweise um 6 Euro auf jetzt ganze 382 Euro im Monat erhöht hat. „Oberstes Ziel einer Politik der sozialen Gerechtigkeit – auch in Anerkennung des Leistungsprinzips – bleibt es, Als Rot-Grün im Jahre 2003 die Agenda 2010 verkünde- dass jeder durch eigene Leistung und möglichst ohne te, kostete die Kilowattstunde Strom 17,19 Euro. Seitdem fremde Hilfe sein Leben gestalten kann.“ Das kann ich stiegen die Preise jedes Jahr zwischen 2 und 7 Prozent. nur unterstützen. Im Jahre 2012 waren schon 25,74 Euro pro Kilowattstun- de zu bezahlen. Davon entfielen 3,59 Euro auf die Er- Ich danke für die Aufmerksamkeit. Wir lehnen Ihren An- neuerbare-Energien-Gesetz-Umlage. All die Subventio- trag ab. nen, mit denen Windräder und Fotovoltaikanlagen geför- dert werden, zahlt der Stromkunde und damit auch der (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) Hartz-IV-Empfänger und trägt zur Vermögensbildung der meist reichen Investoren bei. Vizepräsidentin Beate Schlupp: Weitere Wortmeldun- gen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Energie wird für einkommensschwache Haushalte zum Luxusgut und kann auch ganz konkret von vielen Bür- Wir kommen zur Abstimmung. gern nicht mehr bezahlt werden. 600.000 Haushalten wird laut Angaben von Verbraucherschutzorganisationen Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Frakti- jedes Jahr – zumindest zeitweise – der Strom abgestellt. on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1695 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung haben jeden Monat abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte zu kämpfen, um diesem Schicksal zu entgehen. ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimm- enthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Frak- Der sogenannte Gesetzgeber hat sich seinerzeit bei tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1695 der Erarbeitung des SGB II dumm gestellt und so getan, mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und CDU, bei als ob elektrischer Strom nicht genauso wie die Heizung Zustimmung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein wesentlicher Bestandteil einer modernen Unterkunft und Stimmenthaltungen der Fraktionen DIE LINKE und sei, sondern ein Konsumgut, das man irgendwo einkaufe. NPD abgelehnt. Aber wie sieht eine Wohnung ohne Strom aus? Beleuch- tung durch Kerzen oder Petroleumlampen wie im Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksa- 19. Jahrhundert, kein Kühlschrank, keine Waschmaschi- che 6/1646 zuzustimmen wünscht, den bitte ich nun um ne, auch bei Familien mit Kindern, kein Fernsehapparat, ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltun- kein Computer. Nach dem Standard des 21. Jahrhun- gen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf derts in Mitteleuropa ist das keine Unterkunft, sondern

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 107 höchstens eine Notunterbringung nach einem Erdbeben. geld-II-Leistungsbezug und dieses Thema erst jetzt auf- Genauso gut könnte man sagen, die Heizung gehört greift, weil die eigentliche mediale Hochflut bei dem auch nicht zur Unterkunft. Thema liegt ja schon mindestens ein halbes oder ein dreiviertel Jahr zurück. Aber wundern tut es mich auch Die NPD-Fraktion hat die in diesem Antrag zum Ausdruck nicht. Die ideologische Begründung Ihrer Weltsicht, mei- gebrachte Forderung in der vorigen Legislaturperiode ne Herren von der NPD, die liegt ja auch schon etwas schon einmal erhoben. Angesichts der ständig steigen- länger zurück und ist bis heute leider konserviert worden. den Strompreise ist sie aktueller denn je. Es sind viele Gruppen von der Erhöhung der Strompreise existentiell (Heinz Müller, SPD: 70 bis 80 Jahre, ja.) betroffen, nicht nur Hartz-IV-Empfänger, sondern auch Kleinrentner, Niedrigverdiener und Wohngeldempfänger. Aber lassen Sie mich kurz, meine Damen und Herren, Aber am leichtesten, am schnellsten und effizientesten auf den Inhalt Ihres Antrages eingehen: Wir sind uns könnte man etwas für die Empfänger von Arbeitslosen- sicherlich alle einig, dass Strom eine wesentliche Le- geld II unternehmen, indem man eine ganz kleine, aber bensgrundlage unserer heutigen Gesellschaft ist. Ob folgenreiche Änderung des Arbeitslosengeldes II, des Licht, Kühlschrank, Waschmaschine, Fernseher, internet- SGB II vornimmt, wonach der Strom genau wie die Hei- fähige Computer, um nur einige Beispiele zu nennen, das zung als Teil der Kosten der Unterkunft angesehen wird. sind alles Dinge, die natürlich Strom benötigen. Verfüg- barer Strom ist damit also eine wichtige Grundlage, um (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) ein menschenwürdiges Leben zu gewährleisten. Es um- fasst sowohl die physische Existenz, aber auch ein Min- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Im Ältestenrat wurde destmaß am gesellschaftlichen, kulturellen, politischen eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten Leben, um dran teilzunehmen. Deshalb gehört logi- vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann scherweise Strom auch zu den regelsatzrelevanten Ver- ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. brauchsausgaben und ist bereits jetzt Gegenstand des Regelsatzes. Das Wort hat zunächst für die Fraktion der SPD der Ab- geordnete Herr Borchert. Auch Ihnen, meine Herren der NPD-Fraktion, muss be- kannt sein, dass der Regelbedarf zur Sicherung des Le- Rudolf Borchert, SPD: Frau Präsidentin! Meine sehr bensunterhalts nach SGB II regelmäßig angepasst wird geehrten Damen und Herren! Meine Kolleginnen und und mehrere Verbrauchsausgaben umfasst, unter ande- Kollegen Abgeordneten! Mit schöner Regelmäßigkeit rem natürlich auch Strom. Ausgaben für Strom werden legen uns ja die Herren von der NPD Anträge vor, mit damit bereits jetzt im Regelsatz berücksichtigt, auch wenn denen sie sich als Anwalt der Armen aufspielen. Tatsäch- die dafür vorgesehene Höhe im Regelsatz von den demo- lich ist den Herren der NPD kein Mittel zu schade, um kratischen Fraktionen durchaus kontrovers diskutiert wird. ihren menschenverachtenden Zielen ein Stückchen nä- herzukommen. Ob die Höhe angemessen ist oder nicht, ist allerdings gar nicht Gegenstand Ihres Antrages. Auch Sie wollen nicht (Zurufe von Stefan Köster, NPD, zur Kenntnis nehmen, dass die Ausgaben für Strom bei und Udo Pastörs, NPD) der Bemessung des Regelsatzes bereits enthalten sind.

Auch heute müssen wir solch ein jämmerliches Schau- (Stefan Köster, NPD: Mit welchem Betrag?) spiel erleben, wie die NPD als vermeintliche Patriotin für die Schwächsten in unserer Gesellschaft kämpft, Der Regelsatz liegt inzwischen übrigens bei 382 Euro, wurde mehrfach angepasst, zum Beispiel für Alleinstehen- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) de zum 1. Januar 2011 um 5 Euro, zum 1. Januar 2012 um 10 Euro, zum 1. Januar 2013 um 8 Euro. vorausgesetzt, es handelt sich nicht um Menschen mit Migrationshintergrund, nicht um Menschen mit Behinde- Meine Damen und Herren, wir sind uns sicherlich einig rung, um Homosexuelle oder – das sind in den Augen und die demokratischen Fraktionen haben das ja in den der NPD ja die Allerschlimmsten – um Menschen, die das Debatten zum Thema Energiewende und soziale Gestal- demokratische System maßgeblich mittragen. tung der Energiewende auch deutlich gemacht, dass die Steigerungen der Strompreise auch im Regelsatz be- (Stefan Köster, NPD: rücksichtigt werden müssen. Ich selbst habe das gestern Welches demokratische System?) für die SPD-Fraktion noch mal sehr deutlich gemacht in meinem Redebeitrag, die anderen demokratischen Frak- Herr Andrejewski hat ja schon mehrfach kundgetan, dass tionen ebenfalls. er eigentlich gar kein Interesse an Problemlösungen hat. Er hat mehrfach angekündigt, die Sozialsysteme durch Meine Herren der nicht demokratischen Fensterfraktion, eine Flut von Sozialklagen zum Zusammenbruch bringen ich kann Ihnen versichern, dass für alle demokratischen zu wollen, die herrschenden Zustände gleich mit. Fraktionen das auch weiterhin der Fall sein wird.

Herr Andrejewski, Sie hauen sich selbst mit Ihrem vorlie- Und, meine Damen und Herren, was bei Ihnen völlig genden Antrag die Beine weg! fehlt, eine wirkliche Hilfe gerade für einkommensschwa- che Haushalte ist Energie einsparen. (Michael Andrejewski, NPD: Ach, wirklich?) (Zuruf von Stefan Köster, NPD) Heute also Strom! Meine Damen und Herren, Strom. Es erstaunt mich eigentlich, dass die NPD erst heute mit Auch dazu gibt es die entsprechenden Vorschläge. Und diesem Thema Stromkosten kommt beim Arbeitslosen- ich halte es für sehr wichtig, dass wir uns gemeinsam

108 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 dafür einsetzen, dass die Energieberatung wirklich Ich hätte das vielleicht auch mit einfacheren Worten kostenlos für einkommensschwache Haushalte zukünftig sagen sollen, aber, es tut mir leid, es fallen mir keine in hoher Qualität zur Verfügung steht. Das wäre eine mehr ein. wirkliche Hilfe. Energie sparen heißt natürlich Kosten sparen. (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Was Sie allerdings vielleicht berücksichtigen sollten, wenn Ihnen schon egal ist, wie es den Leuten geht, und Herr Andrejewski, auch wenn Sie gleich noch einmal die wenn Sie einer Familie mit fünf Kindern erzählen wollen, Chance ergreifen – das steht Ihnen ja zu –, uns mit Ihren macht mal Stromsparen bei der Waschmaschine, wie das immer gleichen Ausführungen zu langweilen, möchte ich gehen soll. an dieser Stelle schon ankündigen im Namen aller de- mokratischen Fraktionen, dass wir Ihren Antrag selbst- Und wenn Ihnen das schon egal ist, dann möchte ich Sie verständlich ablehnen. mal auffordern, Folgendes zu bedenken: Ich kann mich irren, aber ich glaube, hier schon einen leisen Hauch von (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, Wahlkampf gespürt zu haben. In der Tat, es ist Bundes- DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tagswahl, nächstes Jahr ist Europawahl und Kommunal- wahl. Diese Menschen – Hartz-IV-Empfänger, Kleinrent- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für ner, Wohngeldempfänger, alle, die Schwierigkeiten mit die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Andrejewski. der Bezahlung ihrer Stromrechnung haben –, das sind auch Wähler. Das sind auch Wähler. Und vielleicht soll- Michael Andrejewski, NPD: Frau Präsidentin! Meine ten Sie wenigstens ein bisschen heucheln vor der Wahl, Damen und Herren! Ja, in der Tat, wie menschenver- so, wie Sie es getan haben vor der letzten Landtagswahl, achtend von mir, dass ich tatsächlich die Situation von als Sie gesagt haben, niemand hat die Absicht, Amtsge- Hartz-IV-Empfängern verbessern will. Ich würde Ihnen richte abzubauen, und es dann doch gemacht haben. raten, rufen Sie sofort die Bundesregierung an, damit die Heucheln Sie wenigstens ein bisschen und tun Sie we- das … Ach nein, die machen ja gar keinen Verbotsan- nigstens so, als ob Sie was machen wollten für die Men- trag. Das hat ja nicht geklappt, tut mir ja furchtbar leid. schen mit geringem Einkommen, denn sonst wird das nichts mit Ihrem Herrn Steinbrück, der sich sowieso im- (Zuruf von Silke Gajek, mer mehr als Kaiser Wilhelm der SPD aufführt und über- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) haupt nicht daran denkt, was er da sagt. Er könnte wirk- lich die Reinkarnation sein. Rufen Sie die anderen Hampels von den Ländern an, dass sie das noch reinschreiben. Argument Nummer eins Und Sie sollten auch noch bedenken, wenn Sie schon so fürs Parteiverbot: Die NPD möchte tatsächlich, dass in eine Gerichtsstrukturreform machen und Geld sparen Zukunft der Strom als Kosten der Unterkunft angesehen wollen damit, dann bringt das gar nichts, wenn Sie auf wird. der anderen Seite den Sozialgerichten wieder mehr Ar- beit geben, denn die Menschen haben natürlich auch Leider, Herr Borchert, haben Sie total geschlafen, sowohl Möglichkeiten, sich zu wehren gegen Stromsperren. Sie in der vorigen Legislaturperiode, da haben wir das näm- können vor Gericht gehen und unter bestimmten Voraus- lich schon einmal gefordert. Wir gehen nicht nach ir- setzungen eine einstweilige Anordnung erwirken. Sie gendwelchen Medienfluten, sondern nach dem, was können auch vor das Sozialgericht gehen, wenn ihnen gerade die Leute wirklich betrifft. die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter ein Darlehen verweigert, um Stromschulden zu bezahlen. Diese Mög- Und zum Zweiten haben Sie auch geschlafen, während lichkeit gibt es auch. Und umso mehr Leute in diese ich hier geredet habe. Sie können mit offenen Augen Schwierigkeiten kommen, umso mehr Verfahren gibt es, schlafen, das konnten einige von uns bei der Bundes- dann wird das ganze Geld eben zu den Sozialgerichten wehr auch. Vielleicht waren Sie auch bei der Bundes- transferiert und da können Sie dann die nächste Ge- wehr, ich weiß es nicht. richtsstrukturreform machen.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) DIE GRÜNEN: Was soll das jetzt?) Es ist völliger Unsinn, was Sie hier von sich gegeben Ich habe gesagt … haben. Und wenn Sie so weitermachen, dann bleiben Sie auf jeden Fall in Berlin in der Opposition. – Vielen Dank. (Rudolf Borchert, SPD: Welche Bundeswehr?) (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) Da lernt man das als Soldat. Wenn Sie mit offenen Au- gen schlafen können, ohne Soldat gewesen zu sein, Vizepräsidentin Beate Schlupp: Weitere Wortmeldun- umso mehr Respekt. gen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Das ist es ja gerade, was ich kritisiert habe, Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Frak- tion der NPD auf Drucksache 6/1658. Wer dem zuzu- (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) stimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der dass die Stromkosten Teil des Regelsatzes sind, und Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/1658 mit das wollte ich nicht haben. Ich will, dass sie Teil der Kos- den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE, ten der Unterkunft sind, damit der Regelsatz voll und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Zustimmung der Frakti- ganz für den Lebensunterhalt aufgewendet werden kann. on der NPD abgelehnt.

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 109

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 28: Beratung des zu verantworten, sodass von einem einseitigen Ver- Antrages der Fraktion DIE LINKE – Akute Bedrohung von schulden der Situation nicht die Rede sein konnte. Die Jugend- und Schulsozialarbeiterstellen durch Förder- alleinige Verantwortung den Kommunen und den Trägern stopp des Landes, Drucksache 6/1533. zuzuschieben, war unredlich.

Antrag der Fraktion DIE LINKE (Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.) Akute Bedrohung von Jugend- und Schulsozialarbeiterstellen Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist schon durch Förderstopp des Landes sehr verwunderlich, dass trotz mehrfacher Prüfungen in – Drucksache 6/1533 – ständiger fachlicher Begleitung von unterschiedlichen Instanzen in den Jahren 2008 und davor nun die Fach- Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE lichkeit der Jugend- und Schulsozialarbeiterinnen und die Abgeordnete Frau Bernhardt. Schulsozialarbeiter plötzlich infrage gestellt worden war, obwohl auch die Kontrollen des zuständigen Ministeriums Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Sehr geehrte Frau in den betreffenden Jahren zu keinen Beanstandungen Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeord- geführt haben. nete! Im Januar hatten wir aus aktuellem Anlass einen Dringlichkeitsantrag zum Thema „Akute Bedrohung der Zusätzlich haben die Schuldzuweisungen aber auch all Jugend- und Schulsozialarbeiterstellen durch Förder- jene unter Generalverdacht gestellt, nachlässig und stopp des Landes“ gestellt. Da die Regierungsfraktionen falsch gehandelt zu haben, die sich nichts haben zu- damals nicht gewillt waren, diese Dringlichkeit anzuer- schulden kommen lassen. Das ist nicht haltbar. Erschwe- kennen, und sich den akuten Problemen in der Jugend- rend kam hinzu, dass aufgrund der Kreisgebietsreform und Schulsozialarbeit nicht stellen wollten, haben wir erst der Zahlungsstopp nun auch diejenigen Landkreise und heute die Gelegenheit, die Sachverhalte zu benennen, kreisfreien Städte betraf, die immer ordnungsgemäß Vorwürfe zurückzuweisen und zu entkräften. gehandelt hatten, denn die Fondsverwaltung der ESF- Mittel sperrte auch für die jeweiligen neuen Landkreise Da inzwischen zwei Monate vergangen sind, möchte ich und kreisfreien Städte komplett. Ihnen vorab noch einmal einen kurzen Abriss über die Ereignisse geben, die meine Fraktion zur Aufsetzung des Für den Landkreis Mecklenburgische Seenplatte bedeu- Dringlichkeitsantrages auf die Tagesordnung der vergan- tete dies beispielsweise, dass rund 1 Million Euro an EU- genen Landtagssitzung veranlasst haben. Dass dies zu Fördermitteln auf Eis gelegt wurden. Betroffen waren Recht geschehen ist, wird Ihnen sicher im Nachgang davon 34 Stellen in der Schulsozialarbeit und 28 Stellen deutlich geworden sein. in der Jugendsozialarbeit. Die vom Ministerium zugesi- cherte Haftung und die damit verbundene Übernahme Im Dezember 2012 erfolgte seitens der Landesregierung des Schadens für die Prüfphase 2008 bis 2010 blieben ein Auszahlungsstopp für die ESF-Mittel im Bereich der jedoch lange Zeit nicht erfüllt. Entsprechende Zahlungen Jugend- und Schulsozialarbeit in einem überwiegenden blieben aus. Teil der Landkreise und kreisfreien Städte in Mecklenburg- Vorpommern. Nur Rostock und der Landkreis Ludwigslust- Das war der Sachstand zu Beginn der vergangenen Parchim waren davon ausgenommen. Und weil die Träger Landtagssitzung. Von „Panikmache“, meine sehr geehr- und Kommunen nicht in der Lage waren, die so entstan- ten Damen und Herren, die der Linksfraktion vonseiten denen Verluste finanziell auszugleichen und die Gehalts- der Landesregierung vorgeworfen wurde, konnte also zu zahlung zu übernehmen, bedeutete dies eine akute exis- keinem Zeitpunkt die Rede sein. tenzielle Bedrohung für die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter in diesen Regionen, da vorsorglich (Regine Lück, DIE LINKE: Völlig richtig.) zahlreiche Kündigungen ausgesprochen werden mussten. Diese Anschuldigungen weisen wir auf das Schärfste Die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zurück. Im Gegenteil, Panik haben Sie verbreitet, indem NEN haben daraufhin die Ministerin für Gleichstellung, Sie Tatsachen geschaffen haben, die die Träger, die Arbeit und Soziales gebeten, im Rahmen der 22. Sitzung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Kommunen und des Sozialausschusses mündlich über den aktuellen nicht zuletzt die Schülerinnen und Schüler massiv verun- Sachstand zu berichten und die Mitglieder des Aus- sichert und finanziell unter Druck gesetzt haben. schusses auch über die Zukunft der Förderung der Ju- gend- und Schulsozialarbeit in Mecklenburg-Vorpom- Ich möchte aus einem Schreiben eines Trägers vom mern zu informieren. Januar dieses Jahres zitieren: „Eine eindeutige Positio- nierung des Landkreises bis spätestens Ende Februar Diese beiden Themenkomplexe wurden nicht zufrieden- zur hundertprozentigen Finanzierung der Personalkosten stellend beantwortet. Nach Angabe des zuständigen ist dringend erforderlich. Sollte dies nicht sichergestellt Ministeriums sei die Verantwortung laut dem eigenen werden können, sehe ich mich gezwungen, die oben Schreiben für die notwendig gewordenen Zahlungs- genannte Schulsozialarbeit aufzukündigen.“ stopps aufgrund einer zu hohen Fehlerquote über zwei Prozent allein bei den örtlichen Trägern der öffentlichen Aber, meine Damen und Herren, die Landkreise waren Jugendhilfe zu sehen, die ihrer Nachweispflicht nicht überhaupt nicht in der Lage, diese Positionierung bis nachgekommen seien, so in der „Ostsee-Zeitung“ und so Ende Februar zu geben, weil ihnen einfach schlichtweg auch aus dem Schreiben an deren Kommunen vonseiten das Geld dazu fehlte. Und das war auch kein Einzelfall. des Sozialministeriums. Vorsorgliche Kündigungen wurden in den benannten Landkreisen mehrfach ausgesprochen. Eine sachgerech- Aber die verspätete und lückenhafte Einführung des te und faire Aufarbeitung der Geschehnisse, zu der auch Prüfungs- und Kontrollsystems hat die Landesregierung die Beantwortung der Fragen meiner Fraktion und die

110 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 schnelle Auszahlung der in Aussicht gestellten Finanz- habe ich bereits im Juni vergangenen Jahres gern ge- mittel durch das Land beziehungsweise das Aufheben nutzt, des Auszahlungsstopps beigetragen hätte, wäre zweck- dienlich und angemessen gewesen. (Vincent Kokert, CDU: Toll! Wirklich toll! Klasse!) Noch bis weit in den Februar hinein blieben jedoch die Versprechungen der Landesregierung für einzelne Land- unterstreicht es doch, dass die Gleichstellung von Le- kreise und kreisfreie Städte, darunter auch für 62 Fach- benspartnerschaft und Ehe ein Thema auch im internati- kräfte aus dem Landkreis Mecklenburgische Seenplatte onalen Kontext ist. leer. Darstellungen der Ministerin in der Presse, wonach die bereitgestellten Landesmittel für die Bezahlung der (Udo Pastörs, NPD: Das kann Schlussraten des letzten Quartals 2012 und das 1. Quar- man nicht gleichstellen. Das ist tals 2013 geflossen seien, stellten sich schlichtweg als biologisch doch nicht möglich.) falsch heraus. Erst am 21. Februar 2013 wurde auf Grundlage einer erneuten Zahlungsaufforderung der Und ich zitiere den US-Präsidenten gern wieder als pro- Zahlungsantrag genehmigt. minenten Vertreter einer Meinung, die mittlerweile auch die Mehrheit der deutschen Bevölkerung teilt. Tatsache Sehr geehrte Damen und Herren, abschließend möchte ist ja, in 16 Ländern weltweit werden gemischt- und ich Ihnen folgende Sachverhalte noch mal kurz zusam- gleichgeschlechtliche Paare bereits jetzt rechtlich gleich- menfassen: behandelt. Erst vor wenigen Wochen hat das französi- sche Parlament nach einer kontroversen Debatte mit Der Vorwurf der „Panikmache“ ist hochgradig unseriös deutlicher Mehrheit Schwulen und Lesben das Recht auf gewesen, wenn die Arbeitsplätze zahlreicher Fachkräfte Eheschließung eingeräumt. Auch ein Adoptionsrecht in Mecklenburg-Vorpommern tatsächlich bedroht und sieht die Gesetzesänderung vor. Vermutlich am 2. April durch ausgesprochene Kündigungen dokumentiert sind wird im französischen Senat darüber abschließend ent- beziehungsweise wenn Fachkräfte monatelang in Unsi- schieden, die Zustimmung gilt als sicher. cherheit gelassen worden sind, wann sie nun endlich ihren Lohn erhalten. Vor gut zehn Jahren waren wir in Deutschland Vorreiter in Sachen Gleichstellung. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zweitens. Die Träger und Kommunen wurden durch das haben schon 2001 mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz Verhalten der Landesregierung massiv verunsichert und im Bund das Fundament zur rechtlichen Gleichstellung finanziell unter Druck gesetzt. von Lesben und Schwulen gelegt. Als erster Schritt war die eingetragene Lebenspartnerschaft gut und wichtig. Drittens. Die Öffentlichkeit wurde durch Falschaussagen in der Presse irregeführt. (allgemeine Unruhe)

Sehr geehrte Abgeordnete, da die Dringlichkeit, die Ende Jetzt steht der Abbau der verbleibenden … Januar noch gegeben war, inzwischen nicht mehr be- steht und von einer akuten Bedrohung aufgrund der Vizepräsidentin Beate Schlupp: Einen Moment, Frau Übernahme durch Landesmittel nicht mehr besteht, ziehe Gajek. ich im Namen meiner Fraktion den Antrag zurück. – Vie- len Dank. Sehr geehrte Damen und Herren, vielleicht liegt es an der Begeisterung, dass wir jetzt in der Tagesordnung (Unruhe vonseiten der Fraktionen doch weiter fortgeschritten sind, der SPD und CDU – Beifall vonseiten der Fraktionen (Zuruf von David Petereit, NPD) DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Egbert Liskow, CDU: Oi!) als wir ursprünglich gedacht haben.

Vizepräsidentin Beate Schlupp: Der Antrag auf Druck- (Udo Pastörs, NPD: sache 6/1533 wurde vom Antragsteller zurückgezogen. Vielleicht liegt das am Thema.)

Von daher rufe ich nun auf den Tagesordnungspunkt 29: Nichtsdestotrotz, mit etwas mehr Disziplin gelingt es uns Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE vielleicht auch, diesen Zeitvorsprung nicht gleich wieder GRÜNEN – Eine Ehe für alle – Bundesratsinitiative unter- zu verlieren. stützen, Drucksache 6/1638. Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Danke, Frau Antrag der Fraktion Präsidentin. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Eine Ehe für alle – Als erster Schritt war die eingetragene Lebenspartner- Bundesratsinitiative unterstützen schaft gut und wichtig, jetzt steht der Abbau der verblei- – Drucksache 6/1638 – benden Diskriminierung auf der Agenda. Die volle rechtli- che Gleichstellung von Lesben und Schwulen, die Öff- Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion BÜNDNIS nung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, das 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Gajek. gemeinschaftliche Adoptionsrecht und die steuerliche Gleichstellung mit Eheleuten – das ist das Gebot der Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte Stunde. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! „It’s okay to marry gay“ – dieses Obama-Zitat (Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 111

Deutschland würde – ich habe das eingangs dargestellt – Mit welcher Begründung, meine Damen und Herren, mit einer Gleichstellungsregelung lediglich eine allgemei- sollte der Staat die Liebe zwischen zwei Menschen nach ne Entwicklung nachvollziehen. Aber die CDU hat nach deren sexueller Identität kategorisieren? einigen Pirouetten doch wieder Angst vor der eigenen Courage bekommen, (allgemeine Unruhe)

(Vincent Kokert, CDU: Meine Herren, wenn Liebes- und Lebensbeziehungen Ach Gott, ach Gott!) von gleichgeschlechtlichen Paaren dauerhaft auf die eingetragene Lebenspartnerschaft verwiesen werden ... hat sie sich doch entschlossen, lieber bis zur nächsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Vizepräsidentin Beate Schlupp: Einen Moment, Frau Gajek. (Vincent Kokert, CDU: Hatten Sie das etwa vorher aufgeschrieben?) Sehr geehrte Damen und Herren, ich weiß, es geht jetzt auf die 19.00 Uhr zu, trotzdem bitte etwas Disziplin! noch etwas zu warten und das Votum über die Gleich- stellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften den (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Karlsruher Richterinnen und Richtern zu überlassen. Das ist nicht der Grund, sondern weil es so spannend ist.) (Vincent Kokert, CDU: Ja, es gab auch einen Bundesparteitagsbeschluss dazu.) Herr Ringguth, also ganz ehrlich, Sie haben meine Amts- führung nicht zu kritisieren, und von daher erteile ich Das ist von einem aktiven politischen Gestaltungsan- Ihnen einen Ordnungsruf. spruch meilenweit entfernt, meine Damen und Herren. (allgemeine Unruhe – Die verfassungsrechtliche Lage ist absolut eindeutig. Beifall Regine Lück, DIE LINKE – Der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier Udo Pastörs, NPD: Na, endlich hat seine Rechtsauffassung Ende Februar via „Bild- haben Sie es auch mal geschafft.) Zeitung“ einer breiten Öffentlichkeit kundgetan. Ich zitiere: „Die Privilegierung der Ehe im Verhältnis zur Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Danke, Frau eingetragenen Lebenspartnerschaft ist rechtlich nicht Präsidentin. mehr zu halten. Der Gesetzgeber hat nach geltendem Verfassungsrecht bei der Gleichstellung keine Wahl Wenn Liebes- und Lebensbeziehungen von gleichge- mehr.“ Zitatende. schlechtlichen Paaren dauerhaft auf die eingetragene Lebenspartnerschaft verwiesen werden, dann entsteht Die Salamitaktik der Bundesregierung ist aus unserer ein falsches Bild, Sicht überhaupt nicht nachvollziehbar. Das Bundesver- fassungsgericht hat hinsichtlich der Beamtenversorgung (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) beim Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht, bei der Grunderwerbsteuer, beim Familienzuschlag, bei der dass es sich nämlich um Lebensgemeinschaften minde- Hinterbliebenenversorgung und beim Adoptionsrecht ren Rechts handele. Das wollen wir Bündnisgrünen än- eindeutig entschieden. dern. Es geht uns auch um Respekt für gleichgeschlecht- liche Lebensweisen und um ein klares Signal gegen die Es geht hier also gar nicht mehr um Entscheidungsfrei- Ausgrenzung Homosexueller. räume, es geht um politische Signale. Wenn eingetrage- ne Lebenspartnerinnen und Lebenspartner ohnehin auf Wir fordern deshalb ein klares Bekenntnis des Landtages bürokratischen Umwegen aufgrund zahlreicher einschlä- zur Gleichberechtigung von Ehe und eingetragener Le- giger Gerichtsurteile die faktische Gleichstellung errei- benspartnerschaft und damit einer Ehe für alle. Wir fin- chen können, dann sollte sich die schwarz-gelbe Bun- den, die geplante Bundesratsinitiative der Länder Ham- desregierung dazu durchringen, diese Realität anzuer- burg und Rheinland-Pfalz zur Öffnung der Ehe für gleich- kennen und rechtlich umzusetzen und endlich die Ehe für geschlechtliche Paare verdient die Unterstützung der alle zu öffnen. Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern. Und wir hoffen, dass jedenfalls der sozialdemokratische Partner (Vincent Kokert, CDU: Nach Ihrem Antrag hier den entsprechenden Mut findet. werden die in Berlin jetzt richtig zittern, weil Sie das hier so vorschlagen.) Dass ein solches Abstimmungsverhalten im Bundesrat möglich ist, Sehr geehrte Damen und Herren, es ist sowohl konkret als auch symbolisch diskriminierend, Schwule und Les- (Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE) ben und Transgender von der Eheschließung dauerhaft auszuschließen. hat ja gerade das Votum Mecklenburg-Vorpommerns zum Mindestlohn bewiesen. – Ich danke für die Aufmerk- (Vincent Kokert, CDU: Was ist denn das nun samkeit und ich freue mich schon jetzt auf die Debatte. wieder? Können Sie das mal erklären? – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU – (Beifall vonseiten der Fraktion Peter Ritter, DIE LINKE: Da habt ihr ’ne echte BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bildungslücke, das muss ich euch mal sagen, solche Fragen hier zu stellen. – Vizepräsidentin Beate Schlupp: Im Ältestenrat wurde Zuruf von Udo Pastörs, NPD) eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten

112 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann das sind auch die Patchworkfamilien, das sind auch die ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Regenbogenfamilien, die sind hier angesprochen. Im Übrigen sind sogar Singles ... Ums Wort gebeten hat zunächst die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Schwesig. (Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Ministerin Manuela Schwesig: Sehr geehrte Frau Herr Renz, ich bemühe mich, die Argumente der Konser- Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeord- vativen zumindest zu respektieren. Ich finde, das Mindes- nete! te ist, dass Sie sich die Argumente der anderen anhören sollten. Frau Gajek hat gute Argumente gesagt. Liebe Abgeordnete Silke Gajek, wir sind uns einig im Anliegen, dass die Ehe geöffnet werden muss für alle. Ich will noch mal dafür werben, dass übrigens auch Sin- Ich teile das. Es gibt dazu sehr unterschiedliche Positio- gles dazugehören. Ich habe das selbst in meinem Ar- nen, auch in der Landesregierung, das weiß jeder. Und beitsumfeld erlebt, wenn jemand, der zwar allein lebt, deswegen glaube ich nicht wirklich, dass Sie den Antrag weder Partner noch Kinder hat, aber vor der Herausfor- stellen, um etwas für die Menschen zu bewegen, derung steht, hier zu arbeiten, und seine Mutter wird in Niedersachsen pflegebedürftig, dann hat der sogar eine (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ Herausforderung in der Familie, und auch darüber müs- DIE GRÜNEN: Ach! Doch!) sen wir uns Gedanken machen. sondern um natürlich wieder aufzumachen, SPD und (Udo Pastörs, NPD: Absolut richtig.) CDU haben unterschiedliche Meinungen. Deswegen sage ich, das ganze Thema muss weg von (Vincent Kokert, CDU: Genau. – dem, wie sozusagen Menschen für welchen Lebensent- Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ wurf sich entschieden haben, hin dazu, wenn sie partner- DIE GRÜNEN: Ich glaube, nicht.) schaftlich füreinander Verantwortung übernehmen, ob das zwischen Mann und Frau, Mann/Mann oder Ich sage hier ganz klar, es ist gut, dass es zwischen Frau/Frau ist oder eben gegenüber den Kindern oder Volksparteien unterschiedliche Meinungen gibt. sogar den Eltern. Da müssen wir als Gesellschaft helfen.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ Insofern, ich habe da eine ganz klare Auffassung, ich DIE GRÜNEN: Richtig.) würde auch solche Initiativen unterstützen, aber ich ge- höre einer Landesregierung und Koalition an, wo der Das ist so und in solchen Fragen ist das ganz besonders Partner CDU ist. Das finde ich gut, dafür habe ich mich so. Die Diskussion wird ja auf allen bundespolitischen selber entschieden. Ich sage ganz klar, ich respektiere Parketten geführt und deswegen finde ich, man kann das auch, dass unser Koalitionspartner hier eine andere alles machen, Auffassung hat. Und es ist so, dass der Landtag über dieses Thema eben nicht entscheiden wird. Suggerier (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) das nicht, Silke! und du hast es schon angekündigt, dass das sozusagen (Udo Pastörs, NPD: Silke, euer Ziel ist bis zum 22. Ob hier das Parkett ist, den also mach das bitte nicht!) ganzen Bundestagswahlkampf zu machen, da mache ich mal ein Fragezeigen. Völlig unabhängig von der Zustimmung der Landesregie- rung Mecklenburg-Vorpommern kann eine solche Bun- (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ desratsinitiative eine Mehrheit haben und deswegen wird DIE GRÜNEN: Ach, ihr macht es nicht so sein, dass wir uns als Koalitionspartner jetzt das ja nun auch.) wegen jedem bundespolitischen Thema, wo wir unter- schiedlicher Meinung sind, die Köpfe einschlagen. Im Ich unterstütze alles, was Silke Gajek inhaltlich gesagt Gegenteil, es gibt ganz klar Themen, da ist es gut, dass hat. Ich gehe sogar weiter wir Unterschiede haben, dass wir im Bundestagswahl- kampf streiten, aber nicht innerhalb der Landesregierung. (Vincent Kokert, CDU: Oha!) Und ich würde mir wünschen, wenn es wirklich darum und deswegen finde ich fast den Antrag ein bisschen zu geht, Paare, auch homosexuelle Paare zu unterstützen, kurz. Es geht gar nicht darum, nur die Ehe zu öffnen, dass sich die Mühe gemacht werden könnte, mal so eine sondern ich finde, Initiative, die wir wirklich hier dann konkret im Land be- wegen können, voranzubringen (Torsten Renz, CDU: Vincent, ist das jetzt ein Änderungsantrag?) (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann machen wir das mal.) die ganze Familienpolitik und die Unterstützung von Familien muss sich öffnen Richtung Familien, die fürei- und nicht einfach Anträge letztendlich der Bundestags- nander partnerschaftlich Verantwortung übernehmen. fraktion einzubringen und darauf zu warten, dass sich Und das sind eben nicht nur Paare, Mann und Frau, ob jetzt die Koalition streitet. Das wäre albern, das werden nun mit Trauschein oder ohne, wir nicht tun.

(Zuruf von Silke Gajek, Und es gibt einen großen Unterschied zum Thema Min- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) destlohn. Das Thema Mindestlohn ist in den letzten Jah-

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 113 ren sehr stark diskutiert worden, auch noch in der alten (Udo Pastörs, NPD: Ja, für einen Legislatur. Das Thema Mindestlohn können wir hier als normal Veranlagten ist das schwierig.) Land mit einem Landesgesetz bewegen und deswegen haben wir, als die neue Koalition sich gebildet hat, dar- „Der Landtag fordert die Einführung einer Ehe für alle.“ über gesprochen und diskutiert, und da hat die CDU sich Ich habe erst mal geguckt, wer diesen Antrag unter- im Koalitionsvertrag bekannt und zieht es gemeinsam mit schrieben hat. uns durch. Ich habe heute schon einmal den Wirt- schaftsminister gelobt, zweimal wird jetzt auch ein biss- (Udo Pastörs, NPD: Tja.) chen zu viel. Die Unterschrift des Fraktionsvorsitzenden war nicht (Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE) darunter, sondern die von Frau Berger.

Aber ich sage mal, da steht dann mein Kollege dazu, (Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: aber wir können nicht im Koalitionsvertrag jedes einzelne Ja, aber als stellvertretende bundespolitische Thema miteinander aushandeln. Es Fraktionsvorsitzende.) geht darum, was können wir hier als Land machen, des- wegen gibt es schon einen Unterschied zwischen diesen Nun habe ich überlegt, die Frau Berger wird sicherlich Dingen. Das wäre im Übrigen in einer Koalition mit den den Antrag gelesen haben und die ist ja auch Vorsitzen- GRÜNEN so. de des Bildungsausschusses, insofern wird sie den ja richtig gelesen haben. (Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Stefan Köster, NPD: Das hat aber auch nicht unbedingt was mit Bildung zu tun. – Es wird immer Unterschiede zwischen den Parteien ge- Zuruf von Johann-Georg Jaeger, ben, das ist auch gut so. Es gibt Unterschiede gerade im BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bereich Familienpolitik, große Unterschiede, und ich freue mich darauf, wenn SPD und GRÜNE das nach dem Ich habe versucht, den richtig zu lesen, und habe auch 22. September auf den Weg bringen, und werbe dafür, versucht, Schlussfolgerungen zu ziehen, was ich dabei dass wir gar nicht einen großen Streit daraus machen. In tun muss, wenn ich das so umsetzen will. der Sache sind Teile dieser Landesregierung und sicher- lich der Koalition dafür, Teile eben dagegen, das können (Udo Pastörs, NPD: Sagen jetzt die demokratischen Fraktionen austragen. Sie mal, was wir da tun müssen!)

Wir als Land werden eine solche Initiative nicht initiieren Ich bin zu der Entscheidung gekommen, ja, tut mir leid, und nicht unterstützen können wegen der unterschiedli- ich muss das sagen: Nein, ich möchte nicht mit allen von chen Auffassungen, aber ich habe ja angekündigt, alles, Ihnen verheiratet sein. was gut ist, kann man in die A-Runde einbringen, aber man sollte es jetzt auch nicht überspitzen und von der (Heiterkeit vonseiten der Fraktionen Landesregierung nun alles fordern, was man übrigens der CDU und NPD – auch als grüner Koalitionspartner nicht machen würde. Beifall Udo Pastörs, NPD – Wenn es in der Koalition unterschiedliche Auffassungen Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Oh!) zu Themen gibt, dann ist es nun mal so. Eine Ehe genügt mir und wir sprechen doch wohl auch Ich finde, wenn es darum geht, Homosexuelle zu unter- nicht wirklich über die Ehe, da könnte ich nämlich viel stützen – ich war gerade beim Klub „Einblick“, da gab es aus dem Erfahrungskästchen plaudern. viele gute praktische Vorschläge, was man tatsächlich im Land tun kann –, dann sollte auch so ein Antrag ein biss- (Zuruf von Stefanie Drese, SPD) chen weitergehender sein. – Vielen Dank für Ihre Auf- merksamkeit. Ich bin verheiratet – und will es auch bleiben – mit einer Frau. (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) (allgemeine Unruhe) Vizepräsidentin Beate Schlupp: Danke, Frau Ministe- rin. Also beiseitegelegt mal die Albernheiten,

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeord- (Udo Pastörs, NPD: Sie sollten mal was nete Herr Schubert. ausprobieren. Lassen Sie sich mal einführen von den GRÜNEN! O Mann, o Mann!) Bernd Schubert, CDU: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Beim Lesen des Antra- aber ich würde da schon mal genau reingucken, was ges habe ich mich gefragt: man da reinformuliert.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Na?) (Vincent Kokert, CDU: Lieber nicht!)

Was soll das bedeuten? Der Kernpunkt Ihres Antrages ist doch wohl die rechtliche Gleichstellung einer Ehe im Rechtssinne und der einge- (Vincent Kokert, CDU: Tja.) tragenen Lebenspartnerschaft.

Vor allen Dingen der zweite Satz hier: (Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

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Und Sie werden mir gestatten, dass ich bei der Begriff- nach meiner Überzeugung auch politisch klug sind. Sie lichkeit bleibe. „Ehe für alle“, „Ehe von gleichgeschlechtli- brauchen nicht zu glauben, dass die CDU auf Türmen chen Paaren“ – das ist mir zu unreflektiert, zu wenig lebt und neben Brillen und Hörgeräten die Intoleranz genau. pflegt. Nein, so ist das nicht! Jeder von uns weiß, dass das eigene Leben, aber auch das Leben unserer Kinder (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ manchmal anders läuft, als wir es geplant oder gedacht DIE GRÜNEN: Wie bitte?) haben.

Und Genauigkeit sollte man bei rechtlichen Vorhaben (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ schon walten lassen. DIE GRÜNEN: Ja, so ist das eben.)

(Heinz Müller, SPD: Bitte keine Details!) Diese Erkenntnis trifft jeden Lebensbereich, also auch die Entscheidung, mit wem unsere Kinder wie zusam- Als sehr konservativer Mensch bin ich für eine Verbin- menleben. Wir, Sie und ich haben gewissenhaft lernen dung, in der zwei Menschen verbindlich, auf Dauer ange- müssen und aus der Liebe zu unseren Kindern heraus legt füreinander da sind und zueinander stehen. wollen wir in allen diesen Fragen gelassener auf die Entscheidung schauen. (Heinz Müller, SPD: Genau. – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.) (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

Das bedeutet Rechte und Pflichten innerhalb dieser Ge- Gelassenheit lässt uns sachlich werden. Diese sachliche meinschaft, Diskussion ist bei uns noch nicht zu Ende gebracht.

(Heinz Müller, SPD: Genau. – (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die Weisheit ist nur, DIE GRÜNEN: Richtig, ganz richtig.) das eine vom anderen zu trennen.) aber auch für die Außenwelt, also gegenüber der Gesell- Wir lassen uns nicht vor einen vorpreschenden Wagen schaft. Diese Sicht auf die Dinge wird niemand von sich spannen, der eine sachliche Auseinandersetzung zur weisen können. Die Gesellschaft muss sich auf irgen- Meinungsfindung schon heute überholt hat. detwas aufbauen und da genau bin ich konservativ. Ich glaube, Sie werden sich durch diese Argumente be- (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: stimmt nicht beeinflussen lassen, aber ich möchte mal Die kleinste Zelle der Gesellschaft. – mit Genehmigung der Präsidentin aus einem Interview Udo Pastörs, NPD: Sind die Schwulen.) zitieren, einem Interview mit dem Bundespräsidenten Herrn Gauck. Und die Fragestellung an Herrn Gauck Die Gesellschaft muss auf stabilen, kleinen Einheiten war: „Herr Bundespräsident, ganz Deutschland diskutiert aufbauen. Wenn das verlässliche Fundament bröselt, über die Gleichstellung von Homo-Paaren. Hat die klas- dann wird auch der Hochbau instabil. sische Ehe ausgedient?“ Antwort von Herrn Gauck: „Nein, natürlich nicht. Sie ist die Institution, die durch alle (Udo Pastörs, NPD: Zeiten Bestand gehabt und unsere Gesellschaft getragen Eine fruchtlose Zelle ist das.) hat. Ich mag allerdings keine Ungleichbehandlung, mehr noch, ich begrüße eine Entwicklung hin zu mehr Gleich- Jeder Staat muss also an sich schon ein Überlebensinte- berechtigung.“ resse daran haben, für Stabilität zu sorgen, also brau- chen wir gemeinsame Verantwortungsstrukturen, also (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.) eine Partnerschaft, die auf Dauer angelegt ist Das entspricht Ihrem Antrag. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, das haben wir auch.) (Vincent Kokert, CDU, und Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aha!) und die von Verantwortung geprägt ist. Jetzt kommt aber noch ein zweiter Absatz: „Ich fände es (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) aber falsch, wenn die Gruppe in der Bevölkerung,“

Das Wort „Verbindlichkeit“ geistert in diesem Zusam- (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ menhang durch die Flure. DIE GRÜNEN: Welche denn? – Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ Sie gestehen mir aber auch zu, dass eine inhaltliche DIE GRÜNEN: Sie sollten was Diskussion innerhalb der Parteien und parteiübergreifend anderes als die „Bild-Zeitung“ lesen.) nicht durch einen schnell gestrickten Landtagsantrag verkürzt werden kann und darf. „die mit dieser Sicht hadert, kein Gehör fände. Des- halb ist die Debatte, wie sie beispielsweise die Union (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: gerade führt, so wichtig. Die Gesellschaft muss sich über Das ist ein altes Thema, Herr Schubert, die nächsten Schritte der Gleichstellung wirklich aus- am 15.03. im Bundestag debattiert.) tauschen. Und das bedeutet, es zählt das Wort derer, die mehr Gleichstellung wollen, und derer, die das Ich möchte alle Aspekte betrachtet wissen, um abwägen nicht möchten.“ Also geben Sie uns die Zeit für die De- zu können, welche rechtlichen gesellschaftlichen Aspekte batte!

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 115

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: (Zuruf von Stefan Köster, NPD) Wie lange denn noch? – Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Das wollen wir nicht und das wollen Sie sicherlich so auch nicht, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Wir debattieren doch. Und dann muss man abwägen, GRÜNEN•Fraktion. Deshalb können wir den Punkten 1 zu welcher Erkenntnis und zu welchem Schritt man und 3 des vorliegenden Antrages zustimmen. Mit dem kommt. – Vielen Dank. Wir werden Ihren Antrag ableh- Punkt 2 und einigen Auslegungen auch Ihrer Rede haben nen. wir dann doch unsere Probleme.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) Im Jahr 2001 wurde mit der Einführung des Lebenspart- nerschaftsgesetzes damit begonnen, die Diskriminierung Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für gleichgeschlechtlicher Paare in Deutschland abzubauen. die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter. Viele Bereiche blieben im Gesetz jedoch außen vor und wurden vor allem durch die bisherige Verweigerungshal- (Zuruf von Stefan Köster, NPD) tung der CDU und FDP nicht wirksam geregelt, so zum Beispiel das Steuerrecht oder das Adoptionsrecht. Erst in Peter Ritter, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine sehr den letzten Jahren gab es Änderungen hin zur Gleich- verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und stellung der Partnerschaften, zum Beispiel im Erb- Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Es ist durchaus schaftssteuerrecht und in der Zulassung der Stiefkind- in Ordnung, dass wir als demokratische Fraktionen hier adoption. gegenüber den Wählerinnen und Wählern darstellen, dass es unter den Parteien unterschiedliche Positionen Dies wurde möglich gemacht, nachdem sich das Bun- gibt. desverfassungsgericht einschaltete. Und es ist eben leider traurig, dass es vielfach der Entscheidungen oder Ich denke, es ist für Wählerinnen und Wähler interessant der Aufforderung des Bundesverfassungsgerichtes be- zu sehen, dass es auch in einer Koalition unterschiedli- darf, um gesetzliche Regelungen entsprechend der che Positionen zu bestimmten Themen gibt, weil wir Gleichberechtigung auszugestalten. Das Bundesverfas- sollten hier nicht den Eindruck vermitteln, dass es hier sungsgericht begründete seine Urteile damit, dass es für einen Einheitsbrei gebe. Das hilft den einzelnen Fraktio- eine Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener nen nicht und den Wählerinnen und Wählern schon gar Lebenspartnerschaft eben keine Sachgründe gibt. Und nicht. Aber wir sind uns in einem Punkt einig, wir sind uns so ist es ja auch. in einem Punkt einig als demokratische Fraktionen, das ist die Einigkeit gegenüber der NPD, auch in dem Punkt Das Bundesverfassungsgericht wird nach Aussage des ihres Hasses gegenüber Anderslebenden und Anderslie- Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts nicht nach- benden, liebe Kolleginnen und Kollegen. lassen, den Gesetzgeber hinsichtlich der Gleichstellung in die Pflicht zu nehmen, und das ist auch gut so. Ein (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, Urteil zur steuerlichen Gleichstellung wird zum Beispiel DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – noch Mitte dieses Jahres erwartet. Also die Bundesregie- Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja. – rung kann sich entweder weiter träge dahinschieben Zuruf von Stefan Köster, NPD) lassen oder sie kann Nägel mit Köpfen machen oder wir warten wirklich bis zum September in der Hoffnung, dass Und, sehr geehrter Herr Schubert, es kommt ja nun wirk- es dann einen Regierungswechsel gibt und es dann in lich nicht häufig vor, dass ich Ihnen recht geben kann. dieser Frage Bewegung geben wird. Beim Lesen der Überschrift des Antrages ist es mir ähn- lich so ergangen wie Ihnen, weil die Bündnisgrünen ha- (Torsten Renz, CDU: Auch hier ben ja nicht nur einen Antrag gestellt, sie haben uns auch stirbt die Hoffnung zuletzt.) noch gleich einen Antrag gemacht, und zwar uns allen, wie Herr Schubert auch richtig feststellte. Wir sollen also Auch hier stirbt die Hoffnung zuletzt, das trifft vor allen sozusagen alle unter dem Dach einer Ehe miteinander Dingen dann für die CDU zu. vereint werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Ehegattensplitting, Und, liebe Kollegin Gajek, so charmant ich Ihren An- von dem, wie bereits schon der Name sagt, lediglich trag finde, muss ich ihn auch ablehnen, zumindest den Eheleute profitieren, findet Anwendung unabhängig da- Punkt 2 Ihres Antrages, obwohl ich dann nach zweimal von, ob Kinder vorhanden sind oder nicht. Deshalb kann Um-die-Ecke-Denken dahintergekommen bin, was Sie das Ehegattensplitting und damit die Ehe nicht als Argu- eigentlich meinen. Leider ist die Formulierung etwas ment für die Familienförderung herangezogen werden. unglücklich gewählt, deshalb beantrage ich auch namens Zahlen verdeutlichen dies: 9 Prozent der veranlagten meiner Fraktion die getrennte Abstimmung der drei An- Ehepaare in Deutschland haben keine Kinder. Sie profi- tragspunkte. tieren aber vom Ehegattensplitting.

(Torsten Renz, CDU: Dann müssen sie (Udo Pastörs, NPD: Das ist nicht gut.) eben eine Gebrauchsanweisung das nächste Mal mitliefern.) Eingetragene Lebenspartnerschaften und damit gleich- geschlechtliche Beziehungen haben nicht die Möglich- Aber Spaß beiseite, zum Ernst der Antragstellung. Der keit der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung, ziehen Antrag suggeriert nämlich auch, dass es nur die Ehe aber mitunter Kinder groß, ob das Herrn Pastörs nun als einzig anerkannte Form des partnerschaftlichen Zu- gefällt oder nicht. Und 17 Prozent der 13 Millionen Kinder sammenlebens zwischen Menschen geben soll oder in Deutschland wachsen bei Alleinerziehenden auf. Die kann. Alleinerziehenden haben weder steuerliche Vorteile

116 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 noch die Unterstützung durch einen Partner oder eine (Vizepräsidentin Regine Lück Partnerin. übernimmt den Vorsitz.)

Daran wird deutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, Liebe Kolleginnen und Kollegen, einige europäische dass eine Familienförderung nicht anhand des partner- Staaten wie die Niederlande, Belgien, Norwegen, schaftlichen Zusammenlebens der Erziehenden erfolgen Schweden, Portugal, Island und sogar das stark katho- kann, sondern anhand der vorhandenen Kinder erfolgen lisch geprägte Spanien haben die Ehe bereits für gleich- muss. Und das zeigt zum anderen, dass eine Bevorzu- geschlechtliche Paare geöffnet. In Großbritannien und gung der Ehe keine Rechtfertigungsgrundlage hat, wenn Frankreich wird die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare man das Kindeswohl auch in dieser Frage in den Mittel- derzeit eingeführt. Fast drei Viertel der bundesdeutschen punkt stellt. Damit steht einer rechtlichen Gleichberechti- Bevölkerung sind nach neuesten Umfragen für die voll- gung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft ständige Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Part- nichts, aber auch gar nichts im Wege. nerschaften mit der Ehe.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Es ist an der Zeit, im Sinne der gleichen Rechte für alle Menschen auch die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare Partnerschaft und Familie sind heute viel mehr als Frau zu öffnen und die Diskriminierung von Lesben und und Mann, die in den Stand der Ehe treten und eventuell Schwulen zu beenden. gemeinsam Kinder großziehen. Es haben sich eine Rei- he postmoderner Partnerschafts- und Familienformen Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich bitte noch etabliert, das tradierte Familienmodell wurde hinter sich einmal um die getrennte Abstimmung der einzelnen gelassen. Es gibt Einelternfamilien, Singles, zusammen- Punkte im Antrag. – Danke schön. lebende Freunde und Verwandte, Paare, die unehelich oder ohne eingetragene Lebenspartnerschaft zusam- (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) menleben, es gibt Patchworkfamilien, Regenbogenfami- lien und so weiter und so fort. Das Leben ist so bunt wie Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat nun die vielfältig, wo die Farbe braun fehlt, und das ist gut so, Abgeordnete Frau Tegtmeier von der Fraktion der SPD. liebe Kolleginnen und Kollegen. Martina Tegtmeier, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! (Udo Pastörs, NPD: Braun ist ja keine Farbe.) Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Schubert hat uns hier noch mal sehr deutlich vor Augen geführt, wo der Sie alle – auch homosexuelle Paare – übernehmen Er- Diskussionsstand der CDU sich zu dieser Thematik be- ziehungsverantwortung für Kinder. Das gehört zu unserer findet. Wir haben uns darüber auch gar nicht zu wundern modernen Gesellschaft dazu, und wenn nicht für eigene brauchen, weil wir haben im dritten Quartal, meine ich, Kinder, dann für Kinder, die mit in die Partnerschaft ge- des letzten Jahres zum Thema Homophobie bracht werden, oder für Kinder, die angenommen oder adoptiert werden. Eingetragene Lebenspartnerinnen und (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ Lebenspartner tragen ebenso wie Ehegatten die Unter- DIE GRÜNEN: Im Juni.) halts- und Einstandspflichten füreinander und für die Kinder. Und anstatt die Ungerechtigkeiten jedoch weiter hier uns – Juni, na gut – ausgetauscht und da hat Frau in kleinen, mühevollen Schritten auszuräumen und ledig- Friemann-Jennert gesprochen lich Teilverbesserungen anzustreben, wäre es nahelie- gend und konsequent, die Ehe für gleichgeschlechtliche (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ Paare zu öffnen. Und das ist sicherlich der Hintergrund DIE GRÜNEN: Genau.) für Ihre Schrift- und Antragstellung. und uns dargelegt, dass die CDU sich mit dieser Thema- Die Diskussion um die Öffnung der Ehe für homosexu- tik noch nicht auseinandergesetzt hat und dass das erst elle Paare ist nicht neu, meine sehr geehrten Damen der Beginn einer Debatte sein konnte. Dass zu diesem und Herren. Im Juni 2010 hat die Bundestagsfraktion Zeitpunkt die Debatte noch nicht abgeschlossen ist, ver- DIE LINKE als erste Fraktion in der aktuellen Legisla- wundert daher nicht. turperiode einen Antrag zur Öffnung der Ehe für gleich- geschlechtliche Paare in den Deutschen Bundestag (Zuruf von Vincent Kokert, CDU) eingebracht. Der Antrag wurde im Juni 2011 in zweiter Beratung im Bundestag auf der Grundlage der Be- Wenn Herr Schubert hier in den Vordergrund stellt, ge- schlussempfehlung des Rechtsausschusses leider ab- meinsame Verantwortungsstrukturen auf Dauer angelegt, gelehnt. so trifft das, glaube ich, genau das, was auch Kern des Antrages der Bündnisgrünen ist. Hier geht es lediglich Der Bundesrat lehnte im September 2010 eine Bundes- um die Ehe und da muss ich Herrn Ritter allerdings recht ratsinitiative des Landes Berlin zur Öffnung der Ehe ab. geben, für mich ist die Ehe als einzige Möglichkeit eines Nun startet eine neue Initiative. Das Land Mecklenburg- partnerschaftlichen verantwortungsvollen Zusammenle- Vorpommern sollte es nicht verpassen, die Chance zu bens auch zu wenig. Jeder Mensch hat ein Anrecht auf nutzen, um sich im Bundesrat für die Öffnung der Ehe die volle Entfaltung seiner Persönlichkeit. einzusetzen. Aber die Chancen stehen, wie beschrieben, wohl eher schlecht, leider. Die Öffnung der Ehe für (Zuruf von Stefan Köster, NPD) gleichgeschlechtliche Paare ist ein konsequenter Schritt in Sachen Antidiskriminierung und Gewährung gleicher Jeder Mensch soll sich als Teil der Gesellschaft verste- Rechte für alle Menschen, denn er stellt gleichge- hen und sich in ihr auch engagieren. Wir, also die SPD- schlechtliche Partnerschaft tatsächlich gleich und weicht Fraktion, wollen eine Gesellschaft, die sich jeder Form nicht auf Sondergesetzgebungen aus. der Diskriminierung widersetzt und die Würde des Men-

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 117 schen, jedes einzelnen Menschen schützt. Jede Form (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein.) der Diskriminierung, ob wegen Herkunft, Geschlecht, sexueller Identität, Religion und Weltanschauung, Behin- Der Punkt 2 allerdings lässt viele Fragen offen. Eine Ehe derung oder Alter, lehnen wir nicht nur ab, sondern wir für alle – was könnten die GRÜNEN hierunter verstehen? stellen uns diesen auch aktiv entgegen. Betrachten wir uns also einige Forderungen der GRÜ- NEN und es wird deutlich, was offensichtlich mit dem Aus dieser Anschauung heraus haben für uns auch Punkt 2 – Ehe für alle – gemeint ist. gleichgeschlechtliche Paare das Recht, ihren eigenen Lebensentwurf zu verwirklichen. Wir wollen daher aus- So tritt zum Beispiel die Grüne Jugend dafür ein, sexuelle drücklich die Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspart- Beziehungen innerhalb der Familie zu legalisieren und nerschaften öffnen und sie dadurch auch im Adoptions- somit auch Sex zwischen Eltern und Kindern zu erlau- recht und Steuerrecht gleichstellen. ben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) (Peter Ritter, DIE LINKE: O Gott, o Gott!)

Wir haben dieses auch schon mit Parteitagsbeschlüssen Ich möchte gar nicht an dieser Stelle die Folgen dieses manifestiert und die Öffnung der Ehe für gleichge- Handelns thematisieren. schlechtliche Paare beschlossen. Wer gleiche Pflichten hat, soll auch die gleichen Rechte haben. Das gilt in (Peter Ritter, DIE LINKE: Wo diesem Bereich, aber das gilt auch für alle anderen Be- haben Sie denn das rausgelesen? – reiche. Für uns ist es selbstverständlich, dass die voll- Zuruf von Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE) ständige Gleichstellung von Lesben und Schwulen nicht mit zwei unterschiedlichen Rechtsinstituten endet, son- Die Hirngespinste der Grünen Jugend zu benennen, dies dern nur mit einer Öffnung der Ehe. reicht aus, um aufzuzeigen, dass offenbar Wahnsinnige bei dieser Jugend aktiv sein müssen. Damit wollen wir konsequent den Weg weitergehen, den Frau Gajek und Herr Ritter ja auch schon angesprochen (Unruhe vonseiten der Fraktionen haben, den wir mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz und der SPD und DIE LINKE – dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz begon- Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) nen haben. Wir gehen diesen Weg konsequent weiter. Als SPD werden wir dem Antrag heute nicht zustimmen So verwundert es auch nicht, dass die Forderung der können, aus nachvollziehbaren Gründen. Das ist zwar Grünen Jugend Unterstützung aus der grünen Bundes- bedauerlich, aber hindert uns nicht daran, dieses Ziel tagsfraktion erhielt. weiterzuverfolgen. – Vielen Dank. Bereits 1985 brachte die Bundestagsfraktion der GRÜ- (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) NEN einen Antrag ein, der die ersatzlose Streichung der Strafrechtsparagrafen 175 und 182 forderte. Während Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat nun der der Paragraf 175 – Sexuelle Handlungen zwischen Per- Abgeordnete Herr Köster von der NPD-Fraktion. sonen männlichen Geschlechts – unter Strafe stellte, was 1994 abgeschafft wurde, stellt der Paragraf 182 sexuel- Stefan Köster, NPD: Frau Präsidentin! Meine Damen len Missbrauch von Jugendlichen unter Strafe. Begründet und Herren! Jetzt muss ich die Einigkeit mal stören. wurde die gewollte Abschaffung des Paragrafen 182 damit, dass der Paragraf einvernehmliche sexuelle Kon- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: takte mit Minderjährigen unter Strafe stellt und dadurch Der Gleichstellungsbeauftragte.) die freie Entfaltung der Persönlichkeit behindert.

Was für Absonderlichkeiten in dieser Republik vollzogen Die GRÜNEN aus Nordrhein-Westfalen forderten gar im werden, ist schon schockierend, und dieses hat die NPD- gleichen Jahr auf ihrem Landesparteitag, dass gewalt- Fraktion unter anderem durch einen Antrag im August freie Sexualität zwischen Kindern und Erwachsenen 2012 thematisiert. Nun unternehmen die GRÜNEN durch generell nicht länger Gegenstand strafrechtlicher Verfol- einen Antrag mit der Überschrift „Eine Ehe für alle“ einen gung sein dürfe. weiteren Versuch, die Institution der Ehe infrage zu stel- len. (Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nee.) Noch deutlicher trat die Alternative Liste in Berlin an. In ihrem Wahlprogramm forderten sie unter anderem, Zitat: Ende August 2012 sprach ich davon, dass diese Versu- „Es ist unmenschlich, Sexualität nur einer bestimmten che bezeichnend für die politischen Zustände hier in Altersstufe und unter bestimmten Bedingungen zuzubilli- Deutschland sind. Die GRÜNEN fordern also, dass sich gen. Wenn Jugendliche den Wunsch haben, mit Gleich- der Landtag zur Gleichberechtigung von Ehe und einge- altrigen oder Älteren außerhalb der Familie zusammen- tragener Lebensgemeinschaft bekennen soll. Ferner soll zuleben, sei es, weil ihre Homosexualität von ihren Eltern der Landtag die Einführung einer Ehe für alle fordern und nicht akzeptiert wird, sei es, weil sie pädosexuelle Nei- durch den dritten Punkt soll die Landesregierung aufge- gungen haben, sei es aus anderen Gründen, muss ihnen fordert werden, eine geplante Bundesratsinitiative zur die Möglichkeit dazu eingeräumt werden.“ Zitatende. Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu un- terstützen. (Udo Pastörs, NPD: Da kann einem schlecht werden. – Bei den Punkten 1 und 3 handelt es sich ganz deutlich um Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Sie Lobbyarbeit für Homosexuelle und gegen die Familien. sehen schon ganz blass aus, Herr Pastörs.)

118 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013

Bei pädosexuellen Neigungen ist das sexuelle Interesse (Beifall vonseiten der Fraktionen an Kindern, die sich noch nicht in der Pubertät befinden, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – gemeint. Pfui Deibel! Und Überzeugungen ... Unruhe vonseiten der Fraktion der NPD – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) (Peter Ritter, DIE LINKE: Pfui Deibel, kein Sex mit Nazis! – finde ich es einfach unerträglich, diese Diskriminierung, Heiterkeit vonseiten der Fraktionen diesen offenen Rassismus, den Sie hier von sich geben, der SPD, CDU und DIE LINKE) weise das nochmals weg und fühle mich insofern be- stätigt, Herr Ritter, manchmal würde man sich wünschen, dass Ihre Eltern auch lieber homosexuell gewesen wären. (Zuruf von Stefan Köster, NPD)

(Gelächter bei Peter Ritter, DIE LINKE – diesen Antrag hier eingebracht zu haben, Beifall Udo Pastörs, NPD) (Stefan Köster, NPD: Was haben Und dass die Haltung der GRÜNEN sich geändert hat, Sie denn für Hirngespinste?) davon ist nicht auszugehen, wenn man allein die Debatte bei den GRÜNEN betrachtet, auch in Berlin zu den denn es zeigt doch nach wie vor, wo Sie stehen. Unisex-Toiletten. (Udo Pastörs, NPD: Genau da stehen wir.) Was ist der Sinn einer Ehe? Nietzsche drückte es wie folgt aus, Zitat: „Ehe: so heisse ich den Willen zu Zweien, Und ich denke, dafür ist auch ein Landtag da, hier die das Eine zu schaffen, das mehr ist, als die es schufen.“ Unterschiede zu zeigen. Das ist nämlich unser Anliegen. Zitatende. Die Ehe für alle mag immer des Geistes Kind sein, was man sich darunter vorstellen mag. (Beifall Udo Pastörs, NPD) (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Ihnen ist bekannt, dass die NPD den Lobbyismus für Homosexuelle ohne Wenn und Aber ablehnt. Wir haben von unseren Kolleginnen und Kollegen – ge- rade aus der Partei – den Auftrag bekommen, hier immer (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) wieder stetig gegen Homophobie anzugehen, die Ehe für alle, nämlich für gleichgeschlechtliche Frauen und Män- Vor dem Hintergrund der zuvor benannten Forderungen ner vorzuhalten. der GRÜNEN ist es aber auch nicht ausgeschlossen, dass unter der Bezeichnung „Ehe für alle“ auch die Ehe Vorhin ist gefragt worden nach Transgender. von Kindern mit Pädophilen einbezogen wird. (Udo Pastörs, NPD: Na, erklären Sie mal!) (Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Ich finde es immer wieder beachtlich, dass dieser Begriff Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das steht a) so nicht bekannt ist. doch gar nicht zur Debatte, Mensch!) (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Vielleicht wollen die GRÜNEN auch weitere Abartigkei- ten. Wir, die NPD-Fraktion, lehnen diesen ekelhaften Das Zweite ist, dass wir gerade vor Jahren erst das Antrag ab. Transsexuellengesetz haben umsetzen können

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – (Udo Pastörs, NPD: Bringen Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sie haben Sie mal ein paar Bilder mit!) doch nicht ein Wort zum Antrag gesprochen, Herr Köster.) und dass diese Frauen und Männer, die eine Ge- schlechtsumwandlung hinter sich haben, endlich auch eine Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat nun die Personenstandsänderung haben. Und ich bin schon ein Abgeordnete Frau Gajek von der Fraktion BÜNDNIS 90/ bisschen geschockt, was hier auch vonseiten der CDU, DIE GRÜNEN. (Zurufe von Stefan Köster, NPD, (Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: und Udo Pastörs, NPD) Bis zum Letzten gekämpft.) Herr Schubert, gesagt wird. Natürlich ist die Familie, wie Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte es so schön heißt, das höchste Gut möglicherweise die- Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Ab- ser Gesellschaft. geordnete! (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) (Stefan Köster, NPD: Also der Antrag ist echt abartig, also wirklich.) Aber da, Frau Schwesig, haben wir extra die Ausrichtung auf die morgige Bundesratsdebatte gelegt, hier die Öff- Herr Köster, es ist schon unglaublich, was Sie hier von nung für gleichgeschlechtliche Lebensweisen vorzuhalten. sich geben, wo Sie Schlüsse ziehen. Und wenn wir uns gerade daran erinnern, wie es Homosexuellen zwischen Die Diskussion, gerade letzte Woche im Bundestag, hat 33 und 45 hier gegangen ist, gezeigt, wie weit wir ja in der Familienpolitik eigentlich

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 119 noch auseinander sind und insbesondere, wie Familie, Ich bitte um Zustimmung und hoffe, dass wir hier morgen wie Ehe bezeichnet wird. Und gerade die Debatte heute im Bundesrat eine Diskussion haben, wo wir möglicher- erachte ich in vielen Bereichen als diskriminierend und in weise der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Teilen sogar homophob. Paare zustimmen, dass das morgen durchgeht.

(Gelächter bei Udo Pastörs, NPD – (Unruhe vonseiten der Fraktionen Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber doch der SPD und CDU – nur von denen da drüben, oder?) Udo Pastörs, NPD: Was ist mit Sodomie? – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ist das Ihre Ja, ich wollte ja jetzt noch mal einen Bogen schlagen. Vorliebe, oder was? – Heinz Müller, SPD: Deutsche Schäferhunde, oder was? – (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Udo Pastörs, NPD: Das ist der nächste Schritt dann. Das ist ja ekelhaft, was Sie hier loslassen!) Ich denke, wir im Landtag sollten und müssen uns Fami- lienpolitik anders vorstellen, als das in den Jahren vorher Ich glaube, wir wissen, dass morgen eine Diskussion hier so geschehen ist. geführt wird im Bundesrat, und kann der Landesregie- rung nur empfehlen, diese Debatte weiterzuführen. Wir (Udo Pastörs, NPD: Müssen gar nicht!) werden das tun und es wird nicht der letzte Antrag sein, hier die Ehe für alle, die Öffnung für gleichgeschlechtli- Doch, wir müssen, Herr Pastörs, che Lebenspaare zu debattieren. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Udo Pastörs, NPD: Nein!) (Beifall vonseiten der Fraktionen insbesondere wenn ich Ihre Auswürfe hier und Ihr Ge- DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dankengut immer wieder höre. Vizepräsidentin Regine Lück: Ich schließe die Aus- (Udo Pastörs, NPD: Die sprache. faschistische Diktion können Sie knicken in dem Bereich.) Wir kommen zur Abstimmung.

Es ist diskriminierend und ich glaube, natürlich müssen Die Fraktion DIE LINKE hat beantragt, die Ziffern 1 bis 3 wir eine öffentliche Debatte dazu führen, wie stellen wir des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN uns die Familie der Zukunft vor. auf Drucksache 6/1638 einzeln abzustimmen.

(Udo Pastörs, NPD: Sie haben das in Wer der Ziffer 1 des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/ der Debatte, aber wir müssen gar nicht.) DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1638 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Aber wir haben gute Beispiele auf der Welt, wenn ich an Elton John denke. (Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Vincent Kokert, CDU) (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Ziffer 1 des Ich glaube, sie haben zwei Söhne, die sie großziehen. Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1638 mit den Stimmen von SPD, CDU und (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) NPD abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Und ich maße mir nicht an, darüber zu urteilen, wie sie das machen. (allgemeine Unruhe)

(Zurufe von Stefan Köster, NPD, Meine Damen und Herren, ich mache Sie darauf auf- und Udo Pastörs, NPD) merksam, wir befinden uns in der Abstimmung und ich möchte um Ruhe bitten. Ich denke, den beiden Söhnen geht es wunderbar, und ich freue mich, dass es heutzutage zum Alltag unserer Wer der Ziffer 2 des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/ Gesellschaft gehört, dass Familien so zusammenleben DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1638 zuzustimmen können, ob mit Kindern oder ohne. wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenpro- be. – Enthaltungen? – Damit ist die Ziffer 2 des Antrages (Gelächter bei der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksa- Udo Pastörs, NPD: Elton John! – che 6/1638 mit den Stimmen von SPD, CDU, DIE LINKE Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) und NPD abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Und genau das ist nämlich der Ansatz einer Ehe für alle, dieses zu öffnen und hier eine Debatte zu führen, die (Peter Ritter, DIE LINKE: Enthaltung!) eben nicht diskriminiert, und nicht so wie Sie ausgren- zend und rassistisch zu argumentieren. Ach, Entschuldigung, Enthaltung bei der Fraktion DIE LINKE. (Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wer der Ziffer 3 des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/ Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1638 zuzustimmen

120 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegen- rischen Schutzfrist von 14 weiteren Wochen, über die frei probe. – Enthaltungen? – Damit ist die Ziffer 3 des An- verfügt werden kann. trages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1638 mit den Stimmen von SPD, CDU und Die Arbeitnehmerinnen sollen also selbst entscheiden NPD abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktionen DIE können, ob sie diese vor oder nach der Geburt nehmen LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. möchten. Sonderregelungen soll es geben für Frühgebur- ten und Mehrlingsgeburten, da soll sich die obligatorische Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 30: Beratung des Zeit nach der Geburt um einen weiteren Monat für jedes Antrages der Fraktion DIE LINKE – Regelungen zum frühgeborene und weitere Kind verlängern und damit Mutterschutz verbessern und selbstständig erwerbstätige natürlich in der Konsequenz auch der Mutterschutz ins- Frauen mit einbeziehen, Drucksache 6/1647. gesamt.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Der besonderen Situation von Müttern nach der Geburt Regelungen zum Mutterschutz Rechnung tragend, ergänzten die EU-Parlamentarier verbessern und selbstständig die Forderung auch um den Aspekt eines zweiwöchigen erwerbstätige Frauen mit einbeziehen Vaterschaftsurlaubes bei vollem Lohnausgleich. Den – Drucksache 6/1647 – Müttern soll eben nach der Geburt nicht nur die not- wendige Zeit für die Regeneration ihres Organismus Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr eingeräumt werden, sondern beide Eltern sollen Gele- Foerster von der Fraktion DIE LINKE. genheit haben, emotionale Bindungen mit dem Kind aufzubauen. Henning Foerster, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Politische Statements zur Und das ist auch medizinisch belegt, denn es gibt keine Situation von Frauen im Arbeitsleben gab es auch an- wichtigere Zeit als die ersten Wochen im Leben eines gesichts des heutigen Equal Pay Day genug. Ich werde Neugeborenen. Die Anwesenheit des Vaters bezie- die diesbezüglichen Argumente jetzt nicht alle wieder- hungsweise des Lebenspartners hilft dann eben sicher holen, auch, wenn Frauen nach der Geburt, was leider häufiger der Fall ist, mit Ängsten oder gar mit Depressionen zu (Vincent Kokert, CDU: Ja, kämpfen haben. wirklich, langsam reicht es auch.) Allgemein fehlt es immer noch an der öffentlichen Aner- sondern direkt zum Anliegen des Ihnen vorliegenden kennung für die Arbeit, die junge Familien in der heuti- Antrags kommen. Und da darf ich zunächst feststellen, gen, oft hochflexiblen Arbeitswelt zu leisten haben. Dies dass Frauen eben mitunter auch ihre Gesundheit aufs vermindert unter Umständen die Bereitschaft, Eltern zu Spiel setzen, weil sie immer noch mangels Verständnis werden, was, denke ich, auch hier im Kinderland M-V für ihre besondere Situation während der Schwanger- niemand ernsthaft wollen kann. schaft oder eben auch aus wirtschaftlichen Zwängen mehr und länger arbeiten, als es ihnen und ihrem unge- Gewerkschafter und Mediziner sind sich weitestgehend borenen Kind in dieser Situation guttut. einig, immer noch haben wir es verbreitet mit Unsicher- heit zu tun, weil eben ein Teil der Unternehmen – ich Deshalb haben wir diesen Antrag, der darauf zielt, die sage ausdrücklich: ein Teil – jüngere Frauen nach wie Schutzfristen im Mutterschutzgesetz und die Absicherung vor als Risikofaktor betrachtet, weil sie eben schwanger selbstständiger Frauen bei Schwangerschaft zu verbes- werden könnten. sern, auf die Tagesordnung gesetzt. Schon im Jahr 2000 hatte die Internationale Arbeitsorganisation der UNO eine Beratungsstellen für Schwangere berichten darüber, Empfehlung zum Umgang mit Mutterschutzfristen her- dass Frauen in solchen Unternehmen in einem Teufels- ausgegeben. Sie ging damals davon aus, dass eine kreis stecken, weil man ihnen nach Anzeige der Ausweitung der Schutzfristen die Gesundheit von Müt- Schwangerschaft leider keine qualifizierten Aufgaben tern und Kindern verbessern und damit einen wirksamen mehr überträgt, weil man sie innerbetrieblich versetzt auf Beitrag zum Wiedereinstieg von Frauen und Männern ins andere Arbeitsplätze oder gar anfeindet, weil sie mög- Berufsleben leisten kann. licherweise aufgrund von ansteigenden, krankheitsbe- dingten Ausfallzeiten seltener zur Verfügung stehen. Die Die Feststellungen aus diesem Papier waren dann auch Reaktion der werdenden Mütter ist dann ebenso ver- die Grundlage für die Diskussion auf EU•Ebene. Die ständlich wie fatal. Um das Gegenteil zu beweisen, arbei- Mitglieder des EU-Parlaments empfahlen, die Schutz- ten sie dann oft mehr, als es – und das sage ich noch fristen auszudehnen, um eben Mutter und Kind vor mal – ihnen und ihrem Kind medizinisch betrachtet in der Gefährdungen, vor Überforderungen, vor Gesundheits- Situation guttäte. schäden und dem Verlust des Arbeitsplatzes noch wir- kungsvoller zu schützen, als dies ohnehin mit Blick auf Die Verlängerung hierzulande war leider sehr stark fiska- die Bundesrepublik bislang der Fall ist. Aktuell gelten lisch dominiert, weil es eben nicht zuallererst darum ging, bei uns Beschäftigungsverbote von sechs Wochen vor was medizinisch indiziert und somit vernünftig wäre, und acht Wochen nach der Geburt. Diese Mindestfrist sondern zuallererst darum, was die Vorschläge kosten von 14 Wochen finden Sie sonst nur noch in Malta. Alle würden. Dabei haben sich dann Bundesarbeits- und anderen EU-Staaten liegen mittlerweile darüber. Bundesfamilienministerium relativ schnell die Argumente der Arbeitgeberseite zu eigen gemacht, die errechnete Das EU-Parlament schlug vor, die Schutzfrist europaweit Mehrkosten von 1,5 bis 1,7 Milliarden Euro im Angesicht einheitlich auf 20 Wochen anzuheben. Dabei wird unter- dieser EU-Parlamentsempfehlung gesehen hat. Ich habe schieden zwischen der obligatorischen Schutzfrist von da meine Zweifel, weil Mutterschutz hierzulande im Um- sechs Wochen nach der Geburt und einer nicht obligato- lageverfahren finanziert wird. Und es gibt bereits neun

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 121 andere EU-Staaten mit längeren Fristen und auch dort ist gezahlt. Zwar wird das Elterngeld an Selbstständige sozusagen die Wirtschaft nicht zusammengebrochen. gleich nach der Geburt ausgezahlt, allerdings sind damit ja nicht alle Probleme gelöst. Zur Absicherung des Ge- Von den Kritikern dieser Vorschläge wird gern mit dem schäftes müsste beispielsweise der Ehepartner einsprin- deutschen Elterngeldmodell argumentiert und dabei gen. Das heißt, beide gehen gleichzeitig in Elternzeit, werden dann mehrere Dinge ausgeblendet: machen das dann sieben Monate. Dann könnte der Vater 30 Stunden pro Woche unterstützend tätig sein. Aller- Erstens ginge die Verlängerung der Schutzfrist mit vollem dings braucht er dazu die Genehmigung seines Arbeit- Lohnausgleich einher, während sie beim Elterngeld nur gebers. 65 bis 67 Prozent ihres letzten Nettos haben. Im Gegensatz dazu schreibt eben die EU-Richtlinie einen Zweitens brächte die EU-Regelung Verbesserungen für Anspruch auf Mutterschaftsurlaub fest. Laut Artikel 8 geringfügig und teilzeitbeschäftigte Frauen, weil der volle müssen selbstständige Frauen und mitarbeitende Partne- Lohnausgleich während der Schutzfrist natürlich immer rinnen ausreichende Mutterschaftsleistungen erhalten noch besser ist als die Geringverdienerregelung im El- können, die eine Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit terngeldgesetz. wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft für mindes- tens 14 Wochen ermöglichen. Drittens würden Alleinerziehende durch die längere Schutzfrist entlastet, denn diese kehren bislang aufgrund Das ist ein schwieriges Thema, will ich auch ganz offen ihrer schlechten Entlohnung oftmals viel zu früh an ihren sagen. Auch Fachanwälte kommen zu dem Schluss, Arbeitsplatz zurück. dass der Gesetzgeber hier vor einer ganz schweren Aufgabe steht, denn es gilt, Regelungen zu finden, die Viertens handelt es sich beim Mutterschutzgesetz um eine Sicherung für selbstständig erwerbstätige Mütter eine Sonderform des Arbeits- und Gesundheitsschutzes darstellen, welche als Unternehmerinnen ihre Rolle mit für Frauen, die sich an medizinischen Erwägungen orien- allen Freiheiten und Risiken ausfüllen. tiert, während die Elterngeldregelungen eher auf sozial- und beschäftigungspolitische Aspekte abzielen. Die größte Herausforderung liegt nach Auffassung der Juristen darin, dass die Richtlinie die Finanzierung dieses Und fünftens verschlechtert die Verlängerung des Mut- Anliegens vollkommen offengelassen hat. Wenn dieses terschutzes die Einstellungsvoraussetzungen von Frauen Problem über eine Versicherungspflicht für Selbstständi- keineswegs. In Deutschland zahlen nämlich alle Arbeit- ge gelöst werden soll, ist das Problem dabei, dass die geber, ob sie nun Frauen beschäftigen oder nicht, seit betroffenen Frauen nicht wirklich Hilfe erfahren, denn sie 2006 in einen gemeinsamen Fonds ein und aus dem und ihre Partner müssten dann die Beträge allein auf- speist sich dann die Zahlung der Differenz zwischen den bringen. Und da stellt sich die Frage, wie vor diesem 13 Euro der Krankenkasse und dem bisherigen Netto- Hintergrund Unternehmerinnen abgesichert werden sol- lohn. Und der Arbeitgeber zahlt diesen Umlagebeitrag len, die schon vor der Schwangerschaft die Kosten ihrer auch für einen männlichen Arbeitnehmer. Selbstständigkeit kaum finanzieren konnten.

Auf ein weiteres drängendes Problem ist ebenfalls auf Also ohne Mutterschaftsleistungen, die den Gewinnver- EU-Ebene verwiesen worden. Anders als die Erweiterung lust ausgleichen, so, wie es die EU-Richtlinie fordert, der Schutzfristen für werdende Mütter ist die Richtlinie tragen selbstständige Frauen, die Kinder haben wollen, zur Umsetzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ihr Ausfallrisiko vollständig selbst. Von daher besteht von Frauen und Männern, die eine selbstständige Er- weiterhin Handlungs- und Diskussionsbedarf. Und wir werbsarbeit ausüben, in Kraft getreten. Im Kern geht es fordern die Landesregierung, da insbesondere natürlich hier darum, die Schlechterstellung von selbstständigen die entsprechende Fachministerin, auf, im Rahmen ihrer Frauen im Bereich des Mutterschutzes zu beenden. Hier Möglichkeiten darauf hinzuwirken, dass die berechtigten im Land reden wir da immerhin auch über 27.000 poten- Forderungen des EU-Parlamentes zum Thema Verlänge- ziell Betroffene. Warum? Weil selbstständige schwange- rung der Mutterschutzfristen Eingang in die nationale re Frauen heute theoretisch bis zur Geburt arbeiten kön- Gesetzgebung finden können, und zweitens sich dafür zu nen. Das absolute Beschäftigungsverbot greift erst nach engagieren, dass der Diskussionsprozess zur EU- der Geburt und dauert dann acht Wochen. Richtlinie bezüglich der Verbesserung der Mutterschutz- regelungen für Selbstständige mit dem Ziel forciert wird, Und während angestellte Frauen, die gesetzlich kranken- praktikable gesetzliche Regelungen für die Bundesrepub- versichert sind, die schon angesprochenen 13 Euro von lik abzuleiten. ihrer Krankenkasse und die Differenz zum Nettogehalt aus dem Fonds der Arbeitgeber bekommen, erhalten Das ist kein einfacher Prozess, sage ich an der Stelle Selbstständige nur bei freiwilliger gesetzlicher Versiche- auch noch mal ganz deutlich, aber er ist aus unserer rung ein Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes. Sicht notwendig im Sinne der Betroffenen. – Ich danke Der Abschluss einer Krankentagegeld- oder Kranken- für Ihre Aufmerksamkeit. versicherung kann zwar sinnvoll sein, wenn es darum geht, die Einkommenseinbußen über die neun Monate (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) Schwangerschaft auszugleichen, allerdings schließen viele private Versicherungen die 14 Wochen im deut- Vizepräsidentin Regine Lück: Im Ältestenrat wurde schen Mutterschutzgesetz explizit aus. eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann Für den Verdienstausfall nach der Geburt gibt es gar ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. keine Versicherung. Die Mutter kann zwar beim Sozial- amt einen Antrag auf Hilfe in besonderen Lebensla- Das Wort hat die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und gen stellen, für das Unternehmen wird jedoch nichts Soziales Frau Schwesig. Bitte.

122 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013

Ministerin Manuela Schwesig: Sehr geehrte Frau Und so wird ja zum einen vor allem die Verlängerung der Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeord- Mutterschutzzeit bei Früh- und Mehrlingsgeburten um nete! einen zusätzlichen Monat pro Kind gefordert, da die Un- terhaltsleistungen in den Schutzfristen höher sind als das Sehr geehrter Herr Foerster! Gleich, was Sie zum Elterngeld. Bei einer Zwillingsgeburt wären das also die Schluss gesagt haben, das werden wir beraten, dieses schon geforderten 20 Wochen plus zwei mal vier Wo- Thema, auf der nächsten Gesundheitsministerkonferenz. chen. Das Mutterschutzgesetz sieht vor, dass sich bei Ich denke, dass es mehrere Themen gibt – Sie haben Früh- und Mehrlingsgeburten die Schutzfrist um vier einige angesprochen –, die in diesem Zusammenhang zu Wochen auf zwölf Wochen nach der Entbindung erhöht. beachten sind. Und ich finde es wichtig, sich zunächst Kommt das Kind vor dem errechneten Termin auf die mit den Ressortkollegen auch der anderen Länder zu Welt, werden die Tage, die vor der Geburt von den sechs verständigen, weil es, wie ich bisher aus der Diskussion Wochen Schutzfrist nicht in Anspruch genommen werden wahrgenommen habe, schon verschiedene Baustellen konnten, der Schutzfrist nach der Entbindung zugerech- bei diesem komplexen Thema gibt. net. Sie sind also nicht verloren.

Ich will vorwegschicken, dass ich finde – bei allen Ver- Es ist jetzt schon so, gerade für diese Fälle, die ich als besserungen, über die man reden kann –, dass schwan- besonders unterstützungswürdig halte, die Fälle von gere Arbeitnehmerinnen einen ganz besonderen Schutz Frühgeburten und Mehrlingsgeburten, weil hier doch am Arbeitsplatz genießen in Deutschland, und das ist noch mal eine besondere Herausforderung für Mutter auch gut und richtig so. Und es gibt die Intention der EU, und Kind und auch am Ende für den Vater da ist, dass die Regelungen auszuweiten. Und es gibt auch die ent- man da was tun muss. Aber da haben wir noch mal ge- sprechende Position der Bundesregierung. prüft, da gibt es schon in unseren Regelungen zusätzli- che Verbesserungen. Sie sind also nicht verloren. An dieser Stelle möchte ich sagen, die Regelungen zum Mutterschutz in Europa sind sehr unterschiedlich. Andere Und deshalb ist es wichtig, dass wir noch mal schauen EU-Staaten gewähren zwar längeren Mutterschaftsur- nach einem Fall, der mir in der Bürgersprechstunde be- laub, nämlich bis zu 34 Wochen, sehen dann aber für die gegnet ist: Das ist eher das Problem, dass sozusagen Mutter nicht unbedingt auskömmliche Lohnersatzleistun- die Zeit trotzdem schon auf die Elternzeit angerechnet gen vor. In Deutschland erhält die Mutter während der wird. Und da wäre meine Überlegung, die ich aber gerne Schutzfrist von ihrem Arbeitgeber und ihrer Krankenkas- mit den Länderkollegen beraten will, ob man nicht dann se im Ergebnis das um die gesetzlichen Abzüge gekürzte in dieser Frage doch ans Elterngeld ran muss, weil ich Entgelt, also in etwa den durchschnittlichen Nettolohn kann gut nachvollziehen, dass Mutter und Vater sagen, der letzten drei Kalendermonate. so ein Fall aus meiner Bürgersprechstunde: Wir waren eigentlich fast die ganze Zeit durch die Frühgeburt unse- Das muss finanziert werden, da müssen wir uns einig rer Tochter noch sehr, sehr lange in der Klinik. Und wir sein. Dazu liegt in Ihrem Antrag kein Vorschlag vor. Es haben unsere Elternzeit in der Klinik verbracht und nicht wird ja derzeit finanziert durch die für Arbeitgeber leicht so, wie man sich das eigentlich wünscht – echte Eltern- erhöhten Krankenkassenbeiträge, 0,2 Prozent zusätzlich. zeit zu Hause, gemeinschaftlich, partnerschaftlich. Und Ergänzt erhalten die Krankenkassen für diese versiche- da finde ich, dass man für diese Fälle noch mal prüfen rungsfremde Leistung eine steuerliche Beteiligung des sollte, ob nicht gesagt wird, diese zwar verbesserte Mut- Bundes, die im Jahr 2012 für die medizinischen Leistun- terschaftszeit sollte nicht auf die Elternzeit angerechnet gen bei Schwangerschaft und Mutterschutz, einschließ- werden, und ob man da nicht wenigstens die Elternzeit lich Mutterschaftsgeld, 3,5 Milliarden Euro betrug. Im dann verlängern kann, weil wie gesagt, der Mutterschutz Anschluss an die Schutzfrist, das wissen Sie, wird das erfolgte schon. Das ist der eine Punkt, den ich an der Elterngeld gezahlt. Stelle gerne aufgreifen will.

Insofern möchte ich sagen, wenn man das ausweitet, Der andere Punkt ist die Frage der Selbstständigen. Ich wird es auch massiv kosten. Und ich vertrete die Auffas- finde, hier gibt es berechtigten Handlungsbedarf. Selbst- sung, dass wir in den nächsten Jahren sowieso schon ständige haben Anspruch auf Mutterschaftsgeld. Voraus- steigende Beiträge haben werden in anderen Sozialver- setzung dafür ist die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen sicherungsfeldern, die ich für vordringlicher halte, das Krankenversicherung und damit ein Anspruch auf das sage ich hier ganz deutlich: Das sind einmal Rentenver- gesetzliche Krankengeld. Die Krankenkasse zahlt dann sicherungsbeiträge für ein Programm zum Schutz vor für die 14 Wochen bis zu 70 Prozent des Einkommens. Altersarmut, das ist der Pflegeversicherungsbeitrag, der Aber es ist eben nicht in allen Fällen so. Die leichteste meines Erachtens definitiv hochgehen muss, um die Variante wäre die Bürgerversicherung, aber ich glaube, Pflegereform, den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff, bevor man auf die wartet, sollte man hier noch mal über- durchzusetzen. legen, wie man Dinge für Selbstständige verbessert. Das ist schlicht das Problem, dass Selbstständige ja nicht Und insofern, wenn ich mir – und so verhalte ich mich – automatisch in der gesetzlichen Krankenversicherung in der Politik überlege, was alles notwendig ist und was sind, was, wie ich finde, ein gutes Beispiel dafür ist, dass auch an zusätzlichen Belastungen letztendlich im Bereich diese Trennung der ganzen Systeme eigentlich heute der Versicherungsbeiträge vertretbar ist, dann sage ich nicht mehr passgenau ist. ganz klar, da summiert sich schon einiges zusammen und dann muss man vorsichtig sein mit weiteren Erhö- Und der dritte Punkt: Wir hatten die Selbstständigen, hungen. Deswegen würde ich nicht gleich sagen, wegen wir hatten die Frühgeburten. Was war der dritte Punkt? dem Finanzaspekt sollte der Vorschlag weg, aber man Ich dachte, es wäre noch um einen dritten Punkt gegan- muss es schon mal finanziell durchrechnen und sich gen, der wichtig war. Ich schaue noch mal kurz. – Gut. Er überlegen, was hat denn im Rahmen dieser Vorschläge ist mir gerade entfallen. Aber Sie sehen, bei diesen zwei der EU eigentlich Vorrang. wichtigen Punkten denke ich, auf alle Fälle noch mal zu

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 123 schauen, was wir für Frühgeburten und Mehrlingsgebur- Europa da, aber wie ich schon erklärt habe, man muss ten tun können und was wir auch tun können für die Frage die Bedingungen, unter denen eine solche Schutzfrist von Selbstständigen, das wäre an der Stelle wichtig. gestellt wird, auch genauer vergleichen.

Noch mal, ich zeige mich auch an der Stelle reserviert In manchen anderen europäischen Ländern, das wurde gegenüber schnellen Forderungen, die zu zusätzlichen heute auch schon gesagt, gelten Mutterschutzzeiten – Beitragssteigerungen führen, weil ich die Gesamtsumme ich habe noch eine andere Zahl – von bis zu 42 Wochen, bei Sozialversicherungsbeiträgen sehe. Und da dürfen in Irland zum Beispiel. Ein Vergleich mit dem deutschen wir, denke ich, dann am Ende auch nicht die Lohnkosten Recht hinkt aber, weil die prozentuale Höhe der Gehalts- zusätzlich belasten. Das ist dann wieder schlecht für den fortzahlungen sich deutlich unterscheidet. Die Zahlungen, Arbeitsmarkt. Insofern geht es um eine Austarierung. die einen Mutterschutz tatsächlich doch erst realistisch erscheinen lassen, variieren zwischen 55 und 100 Pro- Jetzt schaue ich auf Martina Tegtmeier, weil sie wahr- zent des vor der Geburt erzielten Bruttoeinkommens des scheinlich nach mir redet, und jetzt fällt mir der dritte Lohns. Entsprechend dem Motto „Ohne Moos nichts los“ Punkt ein. Ich bitte um Verständnis. Das dritte Argument, müssen wir vom Finanzbedürfnis ausgehen, und da steht mit dem wir uns auseinandersetzen müssen, und das Deutschland wohl recht angemessen da. kommt von den Gleichstellungspolitikern, ist, dass schon die Sorge da ist, dass, wenn man den Mutterschutz noch Ich bitte Sie, zu berücksichtigen, dass nach der Mutter- weiter verlängert, es nachteilig für die Frau sein kann. Sie schutzfrist eine Möglichkeit auf Elternzeit und Elterngeld haben recht, dass es eigentlich keinen Sinn macht, weil besteht – eine faktische Verlängerung der Zeit, die der dann ist das Elterngeld halt kürzer. Aber das ist ein Ar- Familie zugutekommt, wenn es auch nicht Mutterschutz gument, das hart von den Gleichstellungspolitikern vor- genannt wird. Das Entgelt wird von 98 Prozent der Eltern getragen wird, das wir auf alle Fälle auch in der Diskus- in Anspruch genommen. Ein beträchtlicher Anteil von sion mit aufgreifen können. Eltern nimmt also die Leistung frei gewählt in Anspruch und gestaltet damit eine Zeit ohne berufliche Tätigkeit. Insofern sehen Sie, ich finde, jetzt irgendwie mit einem Schnellschuss schon was zu beschließen, wäre zu Meine Damen und Herren, ein Recht auf Vaterschaftsur- schnell. Was ich zusagen kann, es wird ein Thema auf laub von mindestens zwei Wochen in der Zeit des Mut- der nächsten Gesundheitsministerkonferenz sein. Die terschutzes bei vollem Lohnausgleich – bei sachlicher meisten meiner Kolleginnen sind auch sozusagen gleich Betrachtung muss ich feststellen, dass dieser Teil des noch Gleichstellungs- und Familienminister/-innen, so- Antrags auch im europäischen Kontext keines Aufwan- dass wir die Dinge dann gemeinsam beraten können. Sie des hier und heute bedarf. Ich sehe es auch so, dass die sehen also, wir nehmen das Thema ernst, und ich be- Anwesenheit eines Vaters entlastend sein kann und danke mich, dass wir dieses Thema dann auch hier im deshalb wünschenswert ist. Aber Sie, meine Damen und Landtag zur Diskussion stellen. – Vielen Dank. Herren von den LINKEN, wissen genauso gut wie ich, dass ein Vater nach dem Bundeselterngeld- und Eltern- (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) zeitgesetz schon heute Vätermonate beanspruchen kann. Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat der Abge- ordnete Herr Lindner von der Fraktion der CDU. (Harry Glawe, CDU: Genau. Sehr gut.)

Detlef Lindner, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Den Zeitpunkt legt er selber fest. Und von daher steht Meine Damen und Herren! Ich begrüße es ausdrücklich, einer Inanspruchnahme unmittelbar nach der Geburt dass wir uns hier heute mit dem Mutterschutz beschäfti- nichts entgegen. gen, nachdem Ihr Antrag, meine Damen und Herren von den LINKEN, im Herbst letzten Jahres in Niedersachsen Meine Damen und Herren, die von Ihnen zu guter Letzt gescheitert ist. Man kann sich ja nicht oft genug mit den- geforderte unverzügliche Umsetzung der EU-Richtlinie selben Anträgen beschäftigen. bezüglich der selbstständigen Erwerbstätigkeit entspricht einem eher uniformierten Meinungsbild. Immer wieder Aber nun lassen Sie mich zügig zum Antrag und zu Ihren wird diese Forderung von Ihnen, von Ihrer Partei formu- Zielen kommen. Ich glaube, vieles hat die Ministerin liert. Die Forderung wird allerdings durch Wiederholung schon gesagt, aber einiges möchte ich gerne noch er- nicht sinnvoller. Ihr Ansinnen ist wichtig, aber die ange- gänzen. sprochene EU-Richtlinie – die 14 Wochen Mutterschutz mit Lohnausgleich fordern Sie – ist sehr nah an der Re- Mutterschutz wird auf EU-Ebene besonders schnell vo- gelung im BEEG. Danach können in Deutschland selbst- rangetrieben. Es wird kontinuierlich verschoben, aller- ständig erwerbstätige Mütter 14 Wochen lang Mutter- dings nicht aus reiner Boshaftigkeit, wie es manche be- schutzleistungen in Anspruch nehmen, deren Höhe sich tonen, sondern weil ein europäischer Konsens, also eine entsprechend der Einkommensteuererklärung berechnet. völlige rechtliche Gleichbehandlung, weitestgehend Etwas anderes wird durch die EU-Richtlinie auch nicht rechtlicher Betrachtungen in jedem einzelnen Mitglieds- gefordert. Ich sehe deshalb den Sinn Ihres Antrages staat bedarf. Die von Ihnen geforderte EU-weite einheitli- nicht. che Mutterschutzzeit ist auch aus deutscher Sicht sehr sensibel zu bearbeiten und ein Schnellschuss ist nicht Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion erforderlich. Es ist nämlich so, dass es in allen EU- DIE LINKE, die Diskussion über den Mutterschutz, so, Ländern besondere Bedingungen für Mütter und Väter wie sie hier angelegt wurde, ist weder sinnvoll noch gibt. Wenn man den Zeitraum der Freistellung, um die es überzeugend. Wir werden Ihren Antrag ablehnen. geht, in Verbindung mit den Lohn- und Gehaltszahlungen losgelöst betrachtet, steht Deutschland mit der Mutter- (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – schutzzeit von circa 14 Wochen zwar als Schlusslicht in Vincent Kokert, CDU: Jawoll.)

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Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat die Abge- Bei den selbstständig tätigen Frauen sehe ich einen Ver- ordnete Frau Gajek von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE besserungsbedarf zu den bestehenden Regelungen, denn GRÜNEN. bisher erhalten Selbstständige Leistungen der Kranken- kassen, aber eben nicht die Leistungen, die die Arbeitge- Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frau Präsiden- ber als Zuschuss bezahlen. Und natürlich – das lassen Sie tin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der mich am Ende meiner Redezeit unbedingt noch hinzufü- Antrag der Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der gen – sollte uns besserer Gesundheitsschutz der Mütter LINKEN greift einen Vorstoß des Europäischen Parla- auch entsprechend höhere Kosten wert sein. ments auf, den Mutterschutz in Europa zu vereinheitli- chen. Bisher variieren in Europa die Mutterschutzrege- Allerdings – die Gründe habe ich genannt – kann meine lungen nicht unerheblich. So haben zum Beispiel, wie Fraktion dem Antrag der LINKEN nicht vollumfänglich Herr Lindner das eben schon sagte, Irinnen einen An- zustimmen spruch auf 26 Wochen Mutterschutz und erhalten etwa 80 Prozent ihres Gehaltes. In Deutschland wiederum gilt (Vincent Kokert, CDU: Ach so!) lediglich eine Mindestnorm von 14 Wochen. Damit befin- det sich Deutschland am unteren Ende der Statistik. und wird sich deshalb enthalten. – Ich danke für die Auf- Allerdings, das sollte nicht unausgesprochen bleiben, merksamkeit. variiert in Europa auch die prozentuale Höhe der Ge- haltsfortzahlungen. (Vincent Kokert, CDU: Ihr müsst klatschen. – Beifall vonseiten der Fraktion Der Vorschlag des Europäischen Parlaments, den Mut- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) terschutz auf 20 Wochen zu erweitern … Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat nun die (allgemeine Unruhe) Abgeordnete Frau Tegtmeier von der Fraktion der SPD.

Nun lasst mal den Mutterschutz. Martina Tegtmeier, SPD: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! … und die bestehende Mutterschutzregelung für die Frauen auszuweiten, ist und bleibt aber ein wichtiges Frau Gajek, Sie haben eben die Sache wieder auf den Signal für einen verantwortungsbewussten Gesundheits- Punkt gebracht, indem Sie noch mal klargestellt haben, und Arbeitsschutz von Schwangeren. Nicht zu unter- wozu die mutterschutzgesetzlichen Regelungen über- schätzen ist sicherlich die von den Kolleginnen der Links- haupt dienen. Es geht um die Gesundheit von Mutter und fraktion angesprochene finanzielle Entlastung. Gerade Kind, und das sollten wir auch ganz klar sehen. Wir müs- Alleinerziehende und Frauen im Niedriglohnbereich wür- sen natürlich, wenn wir hier europaeinheitliche Regelun- de ein verlängerter Mutterschutz finanziell besser absi- gen anstreben, immer auch alle anderen Aspekte mit im chern und sie damit in der sensiblen Phase direkt nach Blick behalten, was wird rundum noch angeboten in den der Geburt entlasten. Die geforderte Verlängerung des einzelnen Nationalstaaten. Und ich denke mal, da brau- Mutterschaftsurlaubs bei Früh- und Mehrlingsgeburten chen wir uns hier nicht zu verstecken. interpretiere ich im Sinne einer Fortschreibung geltenden Rechts. In der SPD stößt der Antragsinhalt in vielen Bereichen durchaus auch auf Sympathie. Ich persönlich als dreifa- Kommen wir also zu dem Vorschlag des Elternurlaubs, che Mutter sehe das eher skeptisch, muss ich sagen, der ebenfalls voll bezahlt werden soll. Natürlich würde denn es geht hier ja explizit darum, Müttern die Arbeit für auch eine solche Regelung die Eltern in der Zeit nach der einen noch längeren Zeitraum praktisch per Gesetz zu Geburt entlasten und gerade Vätern würde es einfacher verbieten. gemacht, eine attraktivere Rolle in der Familie zu über- nehmen. (Vincent Kokert, CDU, und Bernd Schubert, CDU: Ja.) Allerdings, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf und sollte der Mutterschutz in seiner Funktion nicht über- Und wenn ich mir meine Schwangerschaften – und die strapaziert werden. In erster Linie hat er die Funktion, sind ja nun schon eine ganze Weile her – anschaue und Mütter und ihre Kinder vor Gefährdungen, Überforderung auch damals schon auf eine ausgezeichnete, wie ich und Gesundheitsschädigung während und kurze Zeit fand, medizinische Versorgung zurückgreifen konnte nach der Schwangerschaft zu schützen. Die darüber beziehungsweise davon umgeben war, war ich nach hinausgehenden, gerade vor dem Hintergrund der de- einem Monat nach einer Entbindung eigentlich topfit. Von mografischen Entwicklung notwendigen familienpoliti- daher finde ich die Zweimonatsfrist angemessen für die schen Schritte sollten wir entsprechend ihrer Systematik meisten Frauen. gestalten. Für Lebenspartner/-innen, die sich der Famili- enverantwortung stellen sollen und stellen wollen, ist, Sie haben natürlich zu Recht ins Feld geführt, es gibt öfter anders als Sie es in Ihrer Begründung ausführen, aus auch Komplikationen. Wir haben Depressionen, bei unge- meiner Sicht daher sehr wohl das jetzige Elterngeld die fähr 15 Prozent der Frauen bricht nicht das pure Glück entsprechende steuerfinanzierte familienpolitische Leis- nach einer Entbindung aus, sondern sie verfallen in tiefe tung. Depressionen. In der Tat, es ist so, aber es sind 15 Pro- zent. Ich glaube immer noch daran, dass die Geburt ein Grundsätzlich – und das möchte ich betonen – nimmt der natürlicher Vorgang ist, und die meisten Frauen verkraften Antrag mit der Verlängerung des Mutterschutzes aber das ausgezeichnet und sind auch relativ schnell bei dieser einen wichtigen Vorschlag des Europäischen Parlamentes guten gesundheitlichen Betreuung in der Bundesrepublik auf, den wir unterstützen. Deshalb möchte ich auch noch Deutschland wieder voll und ganz leistungsfähig, was ihre kurz auf den zweiten der Forderungspunkte eingehen. körperliche Konstitution angeht.

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Und da komme ich direkt zum Punkt, der mich persönlich Peter Ritter, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine sehr auch ganz besonders bewegt, zum Punkt der Selbst- verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und ständigen. Es ist ja nicht nur so, dass nicht alle Selbst- Kollegen! Ich möchte mich zunächst bei allen Rednerin- ständigen krankenversichert sind und dadurch eventuell nen und Rednern für die sachliche Debatte und für die dann 70 Prozent – was schwankend von Krankenkasse vorwurfsfreie Auseinandersetzung mit unserem Antrag zu Krankenkasse unterschiedlich ist –, aber nicht jede bedanken. Das erlebt man ja nicht immer, ich würde mir Frau kann da überhaupt Gelder draus erhalten. Aber wie aber wünschen, dass es immer so ist. sind denn die Selbstständigen aufgestellt? Wenn ich als Selbstständige eine Weile nicht arbeiten darf, dann kann Man wird ja in der Opposition bescheiden, Frau Ministe- ich vielleicht noch für meinen Verdienstausfall Geld von rin, und deswegen nehme ich mal Ihre Ankündigung, der Krankenkasse bekommen, auch nicht in vollem Um- dass Sie auf der Ministerkonferenz genau diese Fragen fang. Aber was ist denn mit der Arbeit, die ich dann nicht thematisieren wollen, so quasi als Zustimmung zu unse- tue? Die muss ja jemand anderer tun, sonst sind die rem Antrag, wenn es denn heißt: „Die Landesregierung Aufträge futsch, die ich habe. Ich kann doch nicht einfach wird aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass … in der die Aufträge nicht erfüllen. Wenn ich mir so eine Physio- Bundesrepublik gesetzliche Regelungen zur Verbesse- therapeutin angucke, die arbeitet schwer. Wenn die drei rung des Mutterschutzes getroffen werden“, und Sie Monate ihre Arbeit nicht ausfüllt und keinen Ersatz in ankündigen, dass Sie sich genau dafür einsetzen wollen, ihrer Praxis hat dafür, dann gehen die Patienten doch nehme ich das als Bestätigung für unseren Antrag. Also woandershin. herzlichen Dank dafür.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wurde hier nun DIE GRÜNEN: Keine Grundsicherung.) mehrmals auf Elternzeit und Elterngeld verwiesen. Das Elterngeld deckt die bisherigen finanziellen Einkünfte nur Also das sind wirklich ganz tiefgreifende Probleme, die zu 65 bis 67 Prozent ab. Das gehört zur Realität leider da gewälzt werden müssen, die natürlich auch Lösungen dazu und das bedeutet eben einen Verlust von einem zugeführt werden müssen. Drittel des bisherigen Nettoeinkommens. Und ich will das hier noch mal deutlich sagen, dass das vor allen Dingen Aber da, finde ich, soll man nicht von vornherein so gro- für viele Menschen im Noch-Niedriglohnland Mecklen- ße Sprünge machen, weil wenn wir da von Gleichstellung burg-Vorpommern ein riesengroßes Problem ist, denn sie sprechen, dann sollen die natürlich auch die gleichen sind dann zum Teil existenziell bedroht, weil sie auf einen Rechte wie angestellte Frauen bekommen, also die Teil ihres Einkommens verzichten müssen. Frauen, die die volle Lohnersatzleistung für einen be- stimmten Zeitraum kriegen. Die gleichen Zeiträume soll- Für Menschen mit einem geringen Nettoeinkommen, ten dann bestenfalls natürlich auch für die Selbstständi- weniger als 1.000 Euro, gibt es zwar anteilig mehr Pro- gen gelten. Und das sind wirklich dicke Bretter, die da zu zentpunkte beim Elterngeld, aber diese Regelung zu den bohren sind. Ich glaube, da ist noch eine ganz lange höheren Ersatzleistungen ist am Ende dann eine Augen- Diskussion vonnöten und auch juristische Auseinander- auswischerei. Frauen, die weniger als 1.000 Euro netto setzung. Sie sprachen das an. im Monat verdienen – und das ist der Großteil der Frauen hier in Mecklenburg-Vorpommern – bekommen für jede Ein bisschen enttäuscht hat mich das, Herr Foerster, Sie 2 Euro, die sie unter der 1.000-Euro-Grenze liegen, hatten so gut angefangen, wirklich von dem gesundheitli- 0,1 Prozentpunkte mehr Elterngeld. Das heißt im Einzel- chen Aspekt aus. Aber hinterher hatte ich den Eindruck, nen: Eine Person, die knapp über dieser Grenze liegt und da ging es doch wieder nur um Geld. Das hat mich so ein 1.001 Euro netto verdient, bekommt noch 67 Prozent bisschen hinterher enttäuscht. Aber die Problematik Elterngeld, also 670 Euro rund gerechnet. Eine Person, insgesamt ist natürlich da und darüber muss man reden. die 900 Euro verdient, bekommt fünf Prozentpunkte mehr, also 72 Prozent, damit 648 Euro Elterngeld. Eine In dem Zusammenhang, als ich mir noch mal den Mutter- Person, die 800 Euro verdient, bekommt zehn Prozent- schutz angeschaut habe: Ich würde da auch noch Ver- punkte mehr, also 77 Prozent und damit 616 Euro El- besserungsbedarf sehen für die Frauen, die ihre Kinder terngeld. Und so weiter und so fort. stillen. Was da drinsteht und bei unseren Erwerbsbiogra- fien oder auch bei den Problemen, die wir als Mütter, als (Torsten Renz, CDU: Ein Beispiel noch.) berufstätige Mütter haben, Arbeitswege zurückzulegen, und dann das Zeitkontingent anschauen, was diese ge- Und wir, die wir finanziell üppig ausgestattet sind mit setzlichen Regelungen für Stillzeiten zur Verfügung stel- unseren Diäten, können uns oftmals gar nicht mehr vor- len, ist das wirklich dürftig, sodass man auch bei den stellen, wie es ist, mit einer Summe von 616 Euro im Stillzeiten unnatürlich schnell abkürzen muss. Das ist Monat auskommen zu müssen. auch nicht im Sinne des Erfinders. Also da könnte ich mir auch noch sehr gut Verbesserungsmöglichkeiten oder (Torsten Renz, CDU: Da bessere Rahmenbedingungen vorstellen. ist was dran, an der These.)

Aber ich denke mal, das ist noch ein längerer Diskussi- Deswegen habe ich diese Zahlen noch mal genannt, onsprozess. Wir haben den hier wieder angestoßen. Das Kollege Renz, um die Problematik noch einmal zu ver- war die Sache schon mal wert. – Vielen Dank für Ihre deutlichen. Aufmerksamkeit. Allen diesen Personen ist gemein, dass das Elterngeld (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) unter dem Existenzminimum liegt und damit nicht zur eigenständigen Existenzsicherung ausreicht. Das bedeu- Vizepräsidentin Regine Lück: Das Wort hat nun der tet weiter, dass eben Geringverdienerinnen, die in dieser Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion DIE LINKE. Problematik einzuordnen sind, unmittelbar im Anschluss

126 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 an die Mutterschutzzeit ihre Arbeit wieder voll aufnehmen „Deutschlands Programme für Eltern und Kinder“ – so müssen, wenn sie nicht zum Sozialfall werden wollen. heißt es in einem „Spiegel“-Bericht – „halten nicht nur … Und Alleinerziehende haben es hier besonders schwer. Frauen vom Arbeitsmarkt fern. Sie verschärfen auch die Deshalb brauchen wir hier sozial verträgliche, andere soziale Schieflage und fördern sogar die Altersarmut von Regelungen. Deswegen ist es gut, dass der Diskussi- morgen.“ Den bislang aufzuwendenden 200 Milliarden onsprozess auch auf Bundesebene angeschoben wer- Euro, wie aus dem Bericht der Expertenkommission zur den soll oder weitergeführt werden soll. Förderung von Familien und Kindern hervorgeht, stehen geschätzte 1,7 Milliarden Euro für unsere Forderung Denn wir wissen alle, in den Medien setzten und setzen nach einer wirksamen Verbesserung des Mutterschutzes sich viele Seiten dafür ein, auch den Mutterschutz zu gegenüber. Für einen verbesserten Mutterschutz würde verlängern: Gewerkschaften, Verbände, die Opposition das Geld für wirksame Maßnahmen verwendet werden. im Bundestag, also neben der Fraktion DIE LINKE und Das zeigen auch die Expertenberichte und sogar das den GRÜNEN auch die SPD, und die Arbeitsgemein- Europäische Parlament ist sich hier mehrheitlich einig. schaft Sozialdemokratischer Frauen. Sie alle haben sich Und wenn der Zwischenbericht der Expertenkommission in der Debatte, die geführt worden ist um die Verbesse- dann offiziell vorliegt, wenn wir uns offiziell mit den Fra- rung des Mutterschutzes, auch gegen Familienministerin gen auseinandersetzen können, wäre das vielleicht eine Schröders rückwärtsgewandte Politik gestellt, darunter Finanzierungsquelle, die man im Diskussionsprozess auch unsere Landessozialministerin. Und das wird von anbieten könnte. meiner Fraktion ausdrücklich begrüßt. Auf Bundesebene wird derzeit eine Ausweitung der El- Liebe Kolleginnen und Kollegen, in ihrer Rede zu unse- ternzeit auf bis zu drei Jahre diskutiert. Die Höhe der rem Antrag zur Verbesserung des Mutterschutzes aus veranschlagten Mehrkosten würde die Kosten für einen dem Jahr 2009 – es ist also auch nicht das erste Mal, verbesserten Mutterschutz bei Weitem übersteigen. Und dass wir als Linksfraktion dieses Thema auf die Bühne eine solche Maßnahme würde dazu führen, dass Frauen des Landtages heben – begrüßte Frau Schwesig eine noch länger vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden. Ein Verlängerung der Mutterschutzzeit auf 18 Wochen. Die Wiedereinstieg ins Berufsleben nach drei Jahren ist er- damals von uns geforderten 24 Wochen waren ihr aber heblich schwerer und die Wiederaufnahme einer adäqua- dann doch noch zu lang. Aber vielleicht treffen wir uns ja ten Beschäftigung findet in den meisten Fällen nicht statt. irgendwann auch mal in dieser Frage. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie ich bereits verwie- Und Sie haben zu Recht natürlich die Frage nach der sen habe, hatte meine Fraktion im November 2009 einen Finanzierung gestellt, denn aus der Portokasse sind Antrag zur Verbesserung des Mutterschutzes gestellt. diese Dinge alle nicht zu bezahlen. Deswegen gestatten Damals wurde europaweit der Richtlinienvorschlag der Sie mir auch einige Bemerkungen, Überlegungen, Vor- EU-Kommission diskutiert und wir haben die vorgeschla- schläge unsererseits dazu, die dann vielleicht auch von genen Neuerungen aufgegriffen, um auf Bundesebene Ihnen mitgenommen werden können, unterstützt oder darauf hinwirken zu lassen, dass den Frauen rund um die eben auch verworfen werden können. Geburt ein besserer Schutz zukommt. Es ging um eine Verlängerung und Flexibilisierung des Mutterschutzes, Es gibt circa 160 staatliche Leistungen, die die Familien um Vaterschaftsurlaub in dieser Zeit und um das Recht mit betreffen. Die neueste und untauglichste Maßnahme auf Mutterschaftsurlaub für alle Frauen, unabhängig von nach Auffassung meiner Fraktion ist das Betreuungsgeld. ihrem beruflichen Status. Unser Antrag wurde im No- Es befördert uns direkt zurück ins Mittelalter und ist vember 2009 hier im Landtag abgelehnt, leider nicht nichts anderes als ein Bestechungsgeld, das Familien einmal in die Ausschüsse überwiesen. davon abhält, ihren gesetzlichen Anspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz zu erheben, weil nämlich nicht Trotzdem trat einige Monate später, im August 2010, die genug Kinderbetreuungsplätze für alle vorhanden sind. EU-Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern, die eine Jährlich werden 200 Milliarden Euro im Bereich der Fami- selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, in Kraft, die nun lienpolitik ausgegeben. noch auf nationaler Ebene wirksam umgesetzt werden muss. (Zuruf von Torsten Renz, CDU) Ich will noch mal daran erinnern, dass in Mecklenburg- Wie aus einem Zwischenbericht einer Expertenkommis- Vorpommern 76.900 Menschen selbstständig oder als sion hervorgeht, Herr Renz, der kürzlich zu früh und mithelfende Familienangehörige tätig sind. 35,9 Prozent ungeplant – also eine Frühgeburt – an die Öffentlichkeit davon sind Frauen, das sind 1,7 Prozent der Gesamtbe- gelangte, völkerung in unserem Bundesland. Sie sollen ausrei- chende Mutterschaftsleistungen erhalten können und ihre (Torsten Renz, CDU: Mit so einem Erwerbstätigkeit im Rahmen des Mutterschutzes komplett Begriff sollte man keine Späße machen.) unterbrechen können – mit den auch von Frau Gajek beschriebenen Problemen. Dazu muss bundesweit ein sind viele Maßnahmen unwirksam oder sogar kontrapro- Recht auf Mutterschaftsleistungen verankert werden und duktiv, Herr Renz. auch der Zugang zu Diensten zur Bereitstellung einer befristeten Vertretung muss gewährleistet sein. Das sind (Torsten Renz, CDU: alles Punkte, die in diesem Diskussionsprozess beachtet Ich würde das zurücknehmen fürs werden müssen. Protokoll, das ist besser für uns alle.) Im Oktober 2010 stimmte das EU-Parlament dann den Und deswegen sollte man auch Zwischenrufe bei diesem weitreichenden Neuregelungen für einen verbesserten Thema vielleicht etwas beiseitelegen. Mutterschutz zu, darunter die Verlängerung, die Rege-

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 127 lung für Mehrlingsgeburten und einem Vaterschaftsur- Menschen, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung laub. Fast wäre es geschafft, wenn nicht die Arbeitgeber- leistungsgemindert sind, vertreter und die Arbeitsministerinnen und -minister der Staaten mit ihren Verlautbarungen nur wenige Wochen (Rudolf Borchert, SPD: Das später das Aus für eine Verbesserung des Mutterschut- war nicht vollständig, das Zitat. – zes herbeiführten. Der EU-Ministerrat, das abschließend Zuruf von Heinz Müller, SPD) entscheidende Gremium, gab kein grünes Licht für die neuen Richtlinien. konnten in der Bundesrepublik vor dem Jahr 2001 ent- weder eine Berufsunfähigkeits- oder eine Erwerbsunfä- Ein Leserkommentar in einem sozialen Forum dazu lau- higkeitsrente beantragen. Beide Renten gab es seit der tete, ich zitiere: „Da kommt ein Vorschlag aus der EU, Rentenreform im Jahr 1957. den Mutterschutz zu verlängern. Was steht sofort am nächsten Tag in Deutschland in der Zeitung? Natürlich, Eine Berufsunfähigkeitsrente wurde gewährt, wenn der dort ist sofort in der Titelzeile zu lesen, was das in Arbeitnehmer wegen Krankheit oder Behinderung weniger Deutschland kosten würde. Genau das ist Deutschland.“ als die Hälfte des Durchschnittslohnes in seinem Beruf Zitatende. erzielen konnte. Die Berufsunfähigkeitsrente schützte vor Einkommensverlust und vor dem Verlust des beruflichen Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, genau diese Debat- Status. te ist nicht zukunftsfähig, wenn wir zuallererst immer die Frage stellen: Was kostet es uns? Wir müssen uns zual- Eine Erwerbsunfähigkeitsrente wurde gewährt, wenn ein lererst immer die Frage stellen: Was nützt es uns und Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit oder Behinderung was nützt es vor allen Dingen den Kindern und Müttern? nur noch ein marginales Einkommen erzielen konnte. Die Und deshalb bedanke ich mich noch mal herzlich für die Erwerbsunfähigkeitsrente entsprach in ihrer Höhe in etwa angezeigte Bereitschaft, diese Probleme auf Bundes- der Altersrente. Die Berufsunfähigkeitsrente war um ein ebene und mit uns gemeinsam weiterzudiskutieren. – Drittel geringer. Herzlichen Dank. Mit dem Gesetz zur Reform der Renten wegen vermin- (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) derter Erwerbsfähigkeit, das am 01.01.2001 in Kraft trat, hob die rot-grüne Bundesregierung die Berufs- und Er- Vizepräsidentin Regine Lück: Ich schließe die Aus- werbsunfähigkeitsrente auf und führte die seitdem gel- sprache. tende zweistufige Erwerbsminderungsrente ein. Die volle Erwerbsminderungsrente erhält, wer ein Leistungsver- Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Frak- mögen von weniger als drei Stunden täglich hat. An- tion DIE LINKE auf Drucksache 6/1647. Wer dem zuzu- spruch auf eine teilweise Erwerbsminderungsrente hat, stimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – wer mindestens drei Stunden täglich arbeiten kann, aber Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der weniger als sechs Stunden. Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1647 mit den Stimmen von SPD, CDU und NPD abgelehnt, bei Zu- Erwerbsunfähigkeitsrenten werden nur auf Zeit bewilligt. stimmung der Fraktion DIE LINKE und Enthaltungen der Die Zahlbeträge liegen deutlich unter denen der Alters- Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. rente. Sie sind für die neuen Erwerbsminderungsrentner immer weiter geschrumpft. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 31: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Erwerbsminderungs- (Präsidentin Sylvia Bretschneider rentenrecht reformieren, Drucksache 6/1648. übernimmt den Vorsitz.)

Antrag der Fraktion DIE LINKE Während ein Neurentner nach Einführung der Erwerbs- Erwerbsminderungsrentenrecht reformieren minderungsrente im Durchschnitt noch 683 Euro erhielt, – Drucksache 6/1648 – waren das im Jahr 2011 bereits 90 Euro weniger. Diese Zahl gilt für den Bundesdurchschnitt. Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Stramm von der Fraktion DIE LINKE. In den neuen Bundesländern sind die Zahlbeträge noch niedriger. Sie liegen heute im Durchschnitt bei 564 Euro. Karen Stramm, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine Eine Bruttorente von 564 Euro liegt unter dem SGB-II- verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Jeder fünfte Bedarf. Eine solche Rente macht arm. Hier besteht drin- Rentenzugang in der Bundesrepublik war in den letzten gender Handlungsbedarf. Wer durch Krankheit oder Jahren durch Erwerbsminderung verursacht. Von den Behinderung in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt ist, Menschen, die im Jahr 2011 erstmals eine Erwerbsmin- der sollte nicht auf die Grundsicherung verwiesen wer- derungsrente erhielten, waren 87 Prozent vollständig den. Diese Menschen brauchen eine Reform des Ren- erwerbsgemindert. 13 Prozent gestand die Rentenver- tenrechts. Sie brauchen höhere Zahlbeträge, damit die sicherung nur eine teilweise Erwerbsminderungsrente Erwerbsminderungsrente wirklich vor Einkommensverlust zu. im Falle von Krankheit oder Behinderung schützt. Das war vor 2001 besser geregelt. Zu den Kriterien für vollständige oder teilweise Erwerbs- minderungsrente komme ich im Folgenden. Zunächst ein Wir fordern, dass die Abschläge in der Erwerbsminde- kurzer historischer Rückblick, denn nur, wer die Geschich- rungsrente gestrichen werden. Die Abschläge treffen te kennt, kann die Gegenwart richtig einschätzen. etwa 95 Prozent der Erwerbsminderungsrentner. Sie mindern nicht nur die schon schmale Erwerbsminde- (Torsten Renz, CDU: Ja. Von wem ist der rungsrente, sie setzen sich in der Altersrente fort. Eine Satz? – Zuruf von Vincent Kokert, CDU) Reform des Rentenrechts sollte auch den Zugang zur

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Erwerbsminderungsrente erleichtern, dass diejenigen, Und eine dritte wichtige Säule in meinen Augen ist natür- die für den Arbeitsmarkt zu krank sind, abgesichert aus lich die überfällige Angleichung der Renten Ost und dem Erwerbsleben ausscheiden können. Und eine Re- West. form des Rentenrechts sollte die Prävention und die Rehabilitation stärken. Ein besserer Schutz vor Er- Und ein Baustein aus verschiedenen Vorschlägen ist werbsminderung muss durch einen wirksamen Schutz auch die Verbesserung der Erwerbsminderungsrente. vor Erwerbsminderung ergänzt werden. Deswegen will ich vorwegschicken, dass ich finde, nur Eine solche Reform ist notwendig, die Betroffenen ein Teilgebiet sich jetzt rauszusuchen für die Rentende- haben keine Zeit und eine solche Reform ist möglich. batte, um uns aufzufordern, da eine Initiative zu starten, Das Rentenrecht wird durch die Politik gestaltet. Wir wäre viel zu kurz gesprungen, denn meines Erachtens können sie einleiten, indem wir die Landesregierung muss es eine umfassende Rentenreform geben, und alle auffordern, sich für eine Reform des Erwerbsminde- Länder stehen bereit, sich daran zu beteiligen. Wenn rungsrentenrechts einzusetzen. Dafür bitte ich um Ihre denn endlich die Bundesregierung sich mal einigt auf ihre Zustimmung. – Danke. Vorschläge und uns die vorlegt, dann könnten wir übers ganz normale Verfahren als Länder auch Stellung neh- (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) men und natürlich auch über den Bundesrat, über Bun- desratsmehrheiten sogar Verbesserungen erkämpfen. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau Stramm. Ich habe den Eindruck, dass die Bundesregierung genau davor Angst hat, dass man dann in entsprechende Ver- Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer handlungen muss. Und das Problem ist eben auch, dass von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu Vorschläge, die jetzt zum Bespiel die Bundesarbeits- und keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich -sozialministerin vorgelegt hat, von ihren eigenen Koaliti- eröffne die Aussprache. onspartnern FDP und CSU so nicht mitgetragen werden. Wenn man den jüngsten Ankündigungen glauben darf, Das Wort hat zunächst die Ministerin für Arbeit, Gleich- dann gibt es eine Einigung zwischen CDU und CSU beim stellung und Soziales Frau Schwesig. Thema Mütterrente und beim Thema Verbesserung der Grundsicherung. Ich will nicht vom Wort Lebensleis- Ministerin Manuela Schwesig: Sehr geehrte Frau Prä- tungsanerkennungsrente sprechen, weil ich nicht finde, sidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! dass man die Lebensleistung anerkennt von Menschen, Wir haben hier im Landtag mehrfach Debatten gehabt, die Jahre arbeiten, und am Ende kriegen sie 10, 20 Euro was ist notwendig, um eine armutsfeste Rente, um eine mehr. Das ist für mich ein schlechter Witz. altersfeste Rente auf den Weg zu bringen. Wir waren uns alle einig, so, wie es ist, kann es nicht bleiben. Wir haben Aber Fakt ist, da werden ja Programme diskutiert. Und dazu sehr breite Debatten geführt. Ein Teil davon ist der ein Thema muss natürlich sein, wie gestalten wir flexible Vorschlag, das Erwerbsminderungsrentenrecht zu ver- Übergänge vom Erwerbsleben in die Rente. Das hängt ja bessern. Ich habe hier auch schon mehrfach meine Vor- auch stark zusammen mit der ganzen Debatte Rente 65, schläge vorgestellt, wie wir uns als Landesregierung Rente 67. Und ich glaube, was der Gesetzgeber wirklich in dieser aktuellen Rentendebatte, die wir ja jetzt schon in den letzten Jahren verschlafen hat, ist, sich mit dem seit vielen Monaten führen, auch auf Bundesebene ein- Rentenrecht auch an die Entwicklungen des Arbeitsle- bringen. bens anzupassen.

Es muss Ziel sein, dass Menschen nach einem Arbeits- Fakt ist, dass es im Arbeitsleben flexible Übergänge gibt, leben, vor allem nach einem langen Arbeitsleben, am aber unser Rentenrecht überhaupt gar nicht darauf Ende eine Rente haben, von der sie auch leben können. Rücksicht nimmt. Und ich finde das immer sehr erstaun- Eigentlich muss Ziel sein, dass es nicht nur eine armuts- lich, dass sich alle verkämpfen beim Thema Rente mit feste, sondern eine lebensstandardsichernde Rente ist. 67, wo doch eigentlich schon klar ist, dass eine Alten- Und dazu gehören viele Themen. pflegerin es nicht mal bis Rente 65 schafft.

Das Thema Nummer eins ist: Wer Erwerbsarmut be- Und wenn man sich das anschaut, ich sehe das bei mei- kämpft, der bekämpft auch Altersarmut. Das ist ein wich- nem eigenen Vater, dass Leute, die mit 16 hart geknüp- tiges Thema. Auch dazu gibt es viele Vorschläge, über pelt haben auf dem Bau und nicht mal Rente mit 65 oder die wir auch immer wieder debattieren: Mindestlohn, 62 schaffen, weil ihre Knochen kaputt sind, dann in Er- gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Heute Vormittag haben werbsminderungsrente gehen und einen Abschlag krie- wir sehr ausführlich darüber gesprochen, was ist wichtig, gen und weit, weit unter Grundsicherung leben müssen, gerade für Frauen auch, zum Beispiel eine gute Rente zu bekommen, indem sie überhaupt die Möglichkeit haben, (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ arbeiten zu gehen und faire Löhne zu bekommen. Das ist DIE GRÜNEN: Das ist nicht vermittelbar.) ein wichtiger Schwerpunkt, Erwerbsarmut zu bekämpfen, um Altersarmut zu bekämpfen. wenn sie nicht sozusagen durch die Familien noch Un- terstützung haben, wenn man am Ende sozusagen seit Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt ist der Vorschlag, mit 16 arbeitet, mit 60 nicht mehr krauchen kann und schon einer Solidarrente diejenigen abzusichern, die in den gar nicht mehr arbeiten kann und mit 420 Euro abge- letzten Jahren genau erlebt haben, dass sie eben zu speist wird, dann stimmt irgendwas in unserem Staat Unrecht keinen neuen Job mehr bekommen haben, dass nicht. sie von Niedriglöhnen leben müssen. Auch das ist ein wichtiger Vorschlag, den wir unterbreiten auf Bundes- Und das ist ja das, worauf der Antrag der Linkspartei ebene. aufsetzt, dass wir wieder ein Recht brauchen, dass Leute

Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 37. Sitzung am 21. März 2013 129 nicht mit so hohen Abschlägen in Rente gehen, wenn sie wir da extra aufgefordert werden. – Vielen Dank für Ihre hart und fleißig gearbeitet haben und dann gar nicht Aufmerksamkeit. mehr die Möglichkeit haben zu arbeiten. Deswegen sage ich: Ja, es ist richtig, dass wir das bei der Erwerbsminde- (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) rungsrente anpacken und dass wir die Übergänge so gestalten, dass Leute, die aufgrund gesundheitlicher Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau Beeinträchtigung, die dann oft durch den Job kommen, Ministerin. gerade wenn es harte körperliche Arbeit ist, dass die ohne Abschläge in Rente gehen. Und ich glaube, das Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Lindner für die würde die ganze Debatte um „länger arbeiten“ sehr, sehr Fraktion der CDU. entspannen. (Harry Glawe, CDU: Detlef, klare Worte!) Eine wichtige Baustelle dabei ist auch, und das wird ja vom Antrag aufgegriffen, dass man dafür sorgen sollte, Detlef Lindner, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! dass sozusagen die Leute möglichst lange im Arbeitsle- Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegen ben bleiben können. Das hat mit guten Arbeitsbedingun- der Opposition! Ich glaube, was Sie mit Ihrem Antrag hier gen zu tun, auch mit betrieblichem Gesundheitsma- fordern, ist in Wahrheit keine Anpassung der Erwerbs- nagement, aber auch mit Möglichkeiten der Rehabilitati- minderungsrente. Mir erscheint es, als wollten Sie die on. Und hier ist die Möglichkeit der Reha-Maßnahmen Erwerbsminderungsrente zu einer Art vorgezogener eingeschränkt, auch finanziell. Es gibt den sogenannten Altersrente umwandeln. Anders ist Ihr Antrag nicht zu Reha-Deckel. Und es war unsere Landesregierung, die verstehen. sich im Bundesrat mit einem Antrag dafür eingesetzt hat, dass der Reha-Deckel angehoben wird. Ich habe mich Die Erwerbsminderungsrente ist klar geregelt, um für die sehr gefreut, dass unsere Initiative von den anderen betroffenen Bürger entsprechenden Schutz zu gewähr- Bundesländern unterstützt wird. Das zeigt, dass bei dem leisten. Die Zugangsvoraussetzungen sind klar bestimmt. Thema auch Bewegung ist über Landes- und Parteigren- Ich kann es mir nicht ersparen, Ihnen das noch mal zu zen hinaus. sagen: Wenn ein Angestellter nur noch drei bis sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig Am Ende hat Frau von der Leyen sogar in ihrem Vor- sein kann, liegt bereits nach dem heutigen Maßstab eine schlag unsere Bundesratsinitiative, die eine Mehrheit teilweise Erwerbsminderung vor. Wenn ein Arbeitnehmer gefunden hat, aufgegriffen und den Reha-Deckel ange- noch stärker eingeschränkt ist und nur noch weniger als hoben, nicht so viel, wie wir vorgeschlagen haben, aber drei Stunden täglich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gut, das ist so im politischen Leben. Und umso bedau- steht, dann ist eine volle Erwerbsminderungsrente gege- erlicher ist es, dass diese Vorschläge nicht das Gesetz- ben. Die Beurteilung, ob und in welchem Maße eine gebungsverfahren erreichen und schon gar nicht das Erwerbsminderungsrente vorliegt, erfolgt durch die ange- Parlament erreichen, sodass wir uns da einbringen stellten Ärzte der Rentenversicherungsträger. Sie ent- können. scheiden nach medizinischen Kriterien über das Maß der Erwerbsminderung. Diese Kriterien können wir nicht Insofern will ich Ihnen mit diesen Ausführungen deutlich politisch bestimmen. Es ist eine rein medizinische, einzel- machen, das ganze Thema Rente ist sehr ausführlich fallbezogene Entscheidung. hier besprochen worden. Wir haben mehrere Vorschläge zur Verbesserung der Rente. Das Thema Erwerbsminde- (Harry Glawe, CDU: Das ist auch richtig so.) rungsrente ist ein wichtiger Punkt. Die Landesregierung war aktiv da, wo wir sozusagen auch schon was auf den Wenn Sie den Zugang zur Erwerbsminderungsrente nun Weg bringen konnten beim Thema Reha-Deckel. erleichtern wollen, bedeutet es doch, dass Sie die Bürger auf dem Papier kranker machen wollen, als sie tatsäch- Es mangelt jetzt schlicht, muss man sagen, an einem lich sind. Wir können doch nicht per politische Definition Vorschlag, an einem Bundesgesetz, über das wir endlich gesundheitliche Einschränkungen einfach zur Erwerbs- sprechen können. Und ich sehe mit Sorge, dass ange- minderung umwandeln. kündigt ist von der Bundesregierung, dass das jetzt alles sozusagen rausgeschoben wird auf 2014. Also wird in Meine Damen und Herren, unsere Sozialsysteme sind diesem Jahr nichts mehr passieren. Und das ist sehr solidarische Systeme. Es besteht ein gesellschaftlicher schlecht für die Menschen, denn wir wissen auch, eine Konsens, dass jeder bis zum gesetzlichen Renteneintritt Rentenreform ist ein Mammutgesetz, das schüttet man seine Arbeitskraft nutzt, um sich selbst zu versorgen. nicht so schnell aus dem Ärmel. Wir müssten es eigent- Gleichzeitig werden in das gesetzliche Rentensystem die lich schon längst über die Bühne gebracht haben, aber entsprechenden Beiträge abgeführt. wenigstens anfangen. Und ich bedauere es sehr, dass die Bundesregierung dieses Thema, weil sie sich selber Für den Fall der Einschränkung beziehungsweise der nicht einigen können, auf den Sankt-Nimmerleins-Tag Minderung der Arbeitskraft wurde das Instrument der verschoben hat. Erwerbsminderungsrenten geschaffen. Sie sichern die Bürger ab, wenn sie nur noch eingeschränkt arbeiten Wir werden aber als Landesregierung dieses Thema können. Es liegen also zwei unterschiedliche Ausgangs- weiterverfolgen. Wie gesagt, wir haben unsere Initiative, situationen vor. Vor diesem Hintergrund kann es keine wir haben dieses Thema immer auf der ASMK und es vollständige Gleichstellung der Erwerbsminderungsrente wird auch so bleiben. Sie können sich darauf verlassen, mit der Altersrente geben. dass wir das Thema Rente ansprechen und weiter vo- ranbringen. Auch das Thema Erwerbsminderungsrente Meine Damen und Herren von den LINKEN, in Ihrem ist gerade in unserem Bundesland ein ganz wichtiges Antrag berichten Sie, dass die Erwerbsminderungsrente Thema. Und insofern bedarf es nicht des Antrags, dass unter dem sächlichen Existenzminimum liegen würde.

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Die Möglichkeit, zusätzliche Leistungen nach dem II. und Wir Bündnisgrüne stehen für Rente mit 67! VII. Sozialgesetzbuch zur Erwerbsminderungsrente zu erhalten, erwähnen Sie allerdings nicht. Niemand muss (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wir in Deutschland unter dem Existenzminimum leben. werden gut dafür bezahlt deswegen.)

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Was?) Wir Bündnisgrüne stehen für die Garantierente für 850 Euro! Und die Erwerbsminderungsrente ist tatsäch- Die Sozialsysteme in unserem Land mögen vielleicht nicht lich eine große Baustelle. Von daher bin ich dankbar, alle denkbaren Schicksalsschläge im Leben abdecken, dass DIE LINKE dieses heute noch mal auf die Tages- aber in Notlagen des Lebens lässt der Staat seine Bürger ordnung gesetzt hat. nicht ins Bodenlose fallen. Bei den Regelungen zur Er- werbsminderungsrente besteht nach unserer Sicht kein (Wolfgang Waldmüller, CDU: Genau. – Änderungsbedarf. Wir werden Ihren Antrag ablehnen. Vincent Kokert, CDU: Das ist schon mal ein wichtiger Beitrag bis jetzt.) (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) Ich gebe schon mal vorweg, dass wir um eine getrennte Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr Abstimmung bitten, nämlich der Punkte a), b) und c) und Lindner. d) dann zusammen.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete und Vizepräsidentin (Vincent Kokert, CDU: Ja, gut.) Gajek für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich würde mich ganz gerne an diesen vier Punkten abar- (Torsten Renz, CDU: Jetzt beiten wollen. werden wir auch mal gelobt.) (Unruhe vonseiten der Fraktionen Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte der SPD und CDU – Vincent Kokert, CDU: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Her- Das können auch nur drei sein.) ren! Ich möchte Sie jetzt nicht mit der Rentendebatte quälen, Nein, ganz kurz. Keine Sorge.

(Vincent Kokert, CDU: Das ist sehr nett.) Den „Zugang zu den Erwerbsminderungsrenten erleich- tern“, fordert DIE LINKE. Das tragen wir so nicht mit, weil die in diesem Zusammenhang wir nach wie vor davon ausgehen, dass eine Erwerbs- minderungsrente immer mit einer medizinischen Diagno- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dürfen Sie ruhig.) se in Einklang gebracht werden muss. eigentlich anstehen würde. (Torsten Renz, CDU: Sehr richtig.)

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Da ist sehr viel zu machen. Da müssen wir die Übergänge Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das dürfen beispielsweise von Menschen, die eben eine lange Zeit Sie ruhig. Machen Sie mal! – krank waren und dann in eine Arbeitslosigkeit gehen, der- Zuruf von Heinz Müller, SPD) zeit nicht abgesichert sind – wir haben vor zwei Wochen die Berichte dazu gesehen, denke ich –, ich denke, da Tolerant? Ach, Herr Müller. werden alle Parteien die Aufgabe haben, hier diese Geset- zeslücke zu schließen. Da würde ich auch Frau Schwesig (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist wichtig.) noch mal bitten, diesen Bereich mit aufzunehmen.

Das ist wichtig Also wenn ich meine 72 Wochen Krankheit hatte, Kran- kenkassen nicht mehr zahlen, ich in der Zwischenzeit (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.) aber arbeitslos geworden bin, gibt es halt diesen Bruch zwischen Krankenkasse und Arbeitsamt. und ich denke auch, wir sollten uns … (Torsten Renz, CDU: Das (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Die GRÜNEN können Sie dann auch umsetzen, haben doch sicher ihren Standpunkt dazu.) so nett, wie Sie drum gebeten haben.)

Den Standpunkt haben wir, Ich denke, das ist ein bekannter Punkt. Ich denke auch, alle demokratischen Parteien haben dies auf der Agenda. (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und ich hoffe, dass wir das im Zuge des Wahlkampfes so Wir haben zu allem einen Standpunkt.) hinbekommen, dass diese Rechtsunsicherheit irgend- wann, und zwar zeitnah aufgehoben wird. den würde ich jetzt ganz gerne ganz kurz darstellen und je länger wir diskutieren, desto länger wird es jetzt hier (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, sehr schön. – vorne dauern. Zuruf von Torsten Renz, CDU)

(Unruhe vonseiten der Fraktionen Der Punkt b) ist: „die Abschläge bei den Erwerbsmin- der SPD, CDU und DIE LINKE – derungsrenten beseitigen“. Ja, das wollen wir einge- Torsten Renz, CDU: Nein, schränkt, und zwar für diejenigen, die aufgrund einer die Redezeit ist begrenzt.) medizinischen Diagnose erwerbsgemindert sind.

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(Torsten Renz, CDU: Aha!) welche Erfahrungen dieser Forderung zugrunde liegen. Ich selber habe es auch erlebt, welche unterschiedlichen Punkt c) „die Zahlbeträge der Erwerbsminderungsrenten Bewertungen von Versicherungsträgern und Gutachtern erhöhen“, allein schon teilweise da vorgenommen werden. Manch- mal kann man das wirklich schlecht nachvollziehen. (Zuruf von Vincent Kokert, CDU) Gleichwohl kann man das natürlich auch nicht verallge- das wollen wir auch, und zwar die Abschläge ... Eine meinern und das ist auch das Einzige, wo ich meinem weitere Stellschraube für Leistungsverbesserungen bei Kollegen Herrn Lindner recht geben muss in dem Zu- den Erwerbsminderungsrenten sammenhang. Man kann Menschen nicht „kranker“ schreiben, als sie sind. Aber natürlich immer das Recht (Torsten Renz, CDU: Was zu bekommen und die richtige Einschätzung der Gutach- kostet das ganze Paket?) ter, das ist nicht ganz einfach. stellt die Bewertung der Zurechnungszeiten dar. Bislang (Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es. So ist es.) wird die Zurechnungszeit … Also von daher kann ich die Forderung zwar verstehen, (Torsten Renz, CDU: Auch teile sie aber nicht. wieder ’ne halbe Milliarde?) Die SPD hat zum Thema Erwerbsminderungsrenten im Kann ich mal aussprechen? September mit unserem Rentenpapier schon ein eigenes Konzept, ein umfassendes Konzept vorgelegt, in dem Bislang wird die Zurechnungszeit … dieser Aspekt halt ein Teil ist, wenn auch ein nicht ganz unwesentlicher. Unser Konzept sieht natürlich auch hier (Torsten Renz, CDU: Wie wird das finanziert?) eine Verbesserung vor, und zwar die Verbesserung zum einen durch die Verbesserung der Berechnungsgrundlagen. Bislang wird die Zurechnungszeit auf Grundlage des Durchschnittsverdienstes während des gesamten Er- Darüber hinaus sollen für alle vorzeitigen Rentenzugänge werbslebens vor Eintritt der Erwerbsminderung bewertet. geltende Abschläge bei Erwerbsminderung abgeschafft Zurechnungszeiten erhalten daher vor allem dann eine werden, und zwar, weil das hier natürlich keine freiwillige niedrigere rentenrechtliche Bewertung, wenn vor dem Wahl ist, sondern krankheitsbedingt geschieht, und die Eintritt der Erwerbsminderung Versicherungslücken oder Abschläge belasten die Erwerbsminderungsrenten durch- Zeiten mit niedrigeren Rentenanwartschaften vorhanden schnittlich mit 77 Euro monatlich. Zusätzlich wollen wir sind. Vor allem Zeiten des Niedriglohnbezugs und der eine Verbesserung der Zurechnungszeiten, volle Er- Arbeitslosigkeit schlagen sich bei Erwerbsminderungs- werbsminderungsrenten im Schnitt um 45 Euro im Monat rentnerinnen und -rentnern überproportional bei der Ren- erhöhen und erleichterte Möglichkeiten für Zusatzbeiträge tenhöhe nieder. Das geht nicht und das muss abge- an die Rentenversicherung sollen dazu dienen, gerade in schafft werden. stark belasteten Tätigkeiten den Zeitpunkt für den Renten- eintritt flexibler zu gestalten. Dann gibt es den Punkt d), das ist „das Entstehen“ von Erwerbsminderungsrenten „vermeiden helfen“. Auch das Das Rentenkonzept der SPD kostet eine Menge Geld, wollen wir und da verfolgen wir den Grundsatz: Reha vor das kann ich auch mal hier so sagen. Ich sage jetzt nicht, Rente. wie viel, es ist sehr viel. Wir haben uns da sehr viel vor- genommen. Von daher werden wir den Punkt a) ablehnen, beim Punkt b) werden wir uns enthalten und den Punkten c) (Barbara Borchardt, DIE LINKE: und d) stimmen wir zu. – Ich danke für die Aufmerksam- Aber alles ausfinanziert, ne?) keit. Aber Frau Ministerin hat auch schon erwähnt – was heißt (Beifall vonseiten der Fraktion erwähnt, eigentlich umfänglich ausgeführt –, was das für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – ein langwieriger Prozess noch sein wird und dass wir Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD) auch manchmal über Teilschritte mit dem Koalitions- partner schon sehr froh sind. Letztendlich warten wir auf Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau einen Entwurf seitens der Bundesregierung, damit wir die Gajek. verschiedenen Entwürfe auch nebeneinanderlegen und gucken können, ob wir da entscheidende Schritte nach Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Tegtmeier für vorne gehen können. die Fraktion der SPD. Also, Frau Stramm, auch von mir noch mal die Botschaft, Martina Tegtmeier, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ihrer Aufmunterung mit Ihrem Antrag bedarf es in diesem Meine Damen und Herren! Zusammenhang nicht. – Vielen Dank.

Frau Gajek, Ihr letzter Punkt, hier steht „Erwerbsminde- (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) rungen vermeiden“ und nicht Erwerbsminderungsrenten. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau Sehr geehrte Frau Stramm, den Punkt a) Ihrer Forderung Tegtmeier. schätze ich auch ziemlich schwierig ein. Ich habe aller- dings auch so meine Erfahrungen damit gemacht, wie es Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Köster für die dazu überhaupt kommt. Also ich kann mir gut vorstellen, Fraktion der NPD.

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Stefan Köster, NPD: Frau Präsidentin! Meine Damen Wir haben hierzu die Möglichkeit. Wir können die Lan- und Herren! Grundsätzlich ist der Antrag der LINKEN in desregierung beauftragen, sie kann einen entsprechen- Ordnung. Jahr für Jahr müssen mehr als 170.000 Arbeit- den Antrag in den Bundesrat einbringen. Die Aussichten, nehmer ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen vor dass in ihm eine Reform des Erwerbsminderungsrechts Erreichen des Rentenalters aufgeben. befürwortet wird, stehen durch die Mehrheitsverhältnisse günstig. In Mecklenburg-Vorpommern sind die jährlichen Renten- zugänge – gemessen an der Einwohnerzahl – besonders Die Zahl der Erwerbsminderungsrentner in Mecklenburg- hoch. Rund 6.000 Rentenzugänge verzeichnete die ge- Vorpommern wird vom Statistischen Amt nicht erfasst. Es setzliche Rentenversicherung jeweils in den Jahren 2009, erfasst nur die Rentner mit voller Erwerbsminderung, de- 2010 und 2011. Vor allem die Arbeitsbelastung nimmt zu ren Rente so niedrig ist, dass sie Grundsicherung bezie- und hat dementsprechend Folgen. hen. Das ist nur ein Teil der Erwerbsminderungsrentner. Die Entwicklung dieser Gruppe lässt den Problemdruck Leider konnte die Landesregierung bei der Beantwortung erahnen. In den letzten sieben Jahren verdoppelte sich die meiner Kleinen Anfrage keine Angaben zu den Branchen Zahl der Menschen, die bei voller Erwerbsminderungsren- beziehungsweise Berufszweigen, die hauptsächlich be- te in Mecklenburg-Vorpommern Grundsicherung erhiel- troffen waren, sowie zur Zahl derjenigen erwerbsgemin- ten. Es sind heute mehr als 11.500 Menschen. Diese derten Personen machen, die nach Ablauf der Dreijah- Zahlen sind der Landesregierung bekannt. Sie verwandte resfrist beziehungsweise nach ärztlicher Untersuchung sie in den Antworten auf Kleine Anfragen meiner Fraktion. wieder in den Arbeitsprozess eingebunden worden sind. Um deutlich zu machen, was Erwerbsminderung für den Nicht zu vergessen, dass die vollen Erwerbsminderungs- Einzelnen bedeutet, möchte ich noch einmal wiederho- renten häufig weniger als 500 Euro im Monat betragen. len: Entscheidend ist die mögliche Arbeitszeit. Der er- Wie heißt es in einer Broschüre der Deutschen Renten- worbene berufliche Status spielt keine Rolle mehr. Das versicherung? Zitat: „Wenn Sie wegen einer schweren bedeutet, ein leitender Angestellter muss auch als Ver- oder chronischen Krankheit … gar nicht mehr oder nur packer arbeiten. Wer noch mindestens sechs Stunden noch stundenweise arbeiten können, zahlt Ihnen die täglich arbeiten kann, erhält keine Erwerbsminderungs- Rentenversicherung unter bestimmten Voraussetzungen rente. eine Rente wegen Erwerbsminderung. Damit soll erreicht werden, dass Sie Ihren Lebensstandard nicht wesentlich Wem Erwerbsminderung bescheinigt wird, der erhält eine einschränken müssen.“ Was für eine Verhöhnung der Rente unter dem Existenzminimum. Wer beispielsweise Betroffen! – Wir stimmen dem Antrag der LINKEN zu. vorher ein monatliches Bruttoeinkommen von 1.500 Euro hatte, der bekommt bei voller Erwerbsminderung etwa (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) eine Rente von 500 Euro, bei teilweiser Erwerbsminde- rung sind es nur 250 Euro. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Das Wort hat jetzt noch einmal die Abgeordnete Frau Stramm für die Frak- Herr Lindner, zu Ihrem Vorwurf, wir würden die Men- tion DIE LINKE. schen kranker machen, als sie sind: Also ich habe den Eindruck, Sie haben unseren Antrag nicht gelesen, an- Karen Stramm, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine sonsten … verehrten Damen und Herren Abgeordnete! (Torsten Renz, CDU: Das Frau Ministerin, ich danke für die klaren Worte, die Sie stimmt nicht, er hat ihn gelesen.) hier vorgetragen haben, und stelle fest, dass weitestge- hend Übereinstimmung besteht. Aber auf die Politik, auf Na, dann hat er ihn nicht verstanden. Da steht nämlich die große Rentenreform der Bundesregierung zu warten, drin, dass jeder zweite Rentenantrag in Mecklenburg- halte ich für falsch. Vorpommern abgelehnt wird.

(Egbert Liskow, CDU: Warum denn das?) (Torsten Renz, CDU: Ich gehe davon aus, dass er ihn auch verstanden hat.) Das werde ich Ihnen sagen. Also ich kann dazu nichts sagen, warum … (Torsten Renz, CDU: Das geht zulasten der Menschen, nehme ich an.) (Torsten Renz, CDU: Ja, Sie können sagen, er hat ihn wahrscheinlich nicht gelesen.) Die Menschen, die durch Krankheit oder Behinderung leistungsgemindert sind, benötigen dringend eine Re- Genau, hören Sie zu! form. Sie können nicht 20 Jahre warten, damit die durch- schnittliche Erwerbsminderungsrente 779 Euro erreicht, Das erklärt nämlich, warum Menschen versuchen, die wie vom CDU-geführten Bundesarbeitsministerium vor- Erwerbsminderungsrente so lange wie möglich zu ver- geschlagen. Sie wollen auch nicht bis zum Jahr 2014 meiden. Das nur mal zu dem Vorwurf, wir machen die warten, wie die SPD vorschlägt. Bisher waren nach den Menschen kranker, als sie sind. Wahlen immer andere Probleme dringender als die Re- form für Erwerbsminderungsrente. Nicht umsonst sagt (Vincent Kokert, CDU: der Volksmund: Wenn du etwas Gutes tun willst, tue es Wer hat denn das behauptet?) gleich. Typisch ist für mich der Berufskraftfahrer … (Torsten Renz, CDU: Das sagt der Volksmund, ja?) Hören Sie zu, das ist ein Beispiel!

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… der, fast blind, seinen Augenarzt anfleht, ihm die Seh- falschen Voraussetzungen ausgegangen. Das sehen wir fähigkeit zu testieren. Er meinte, sich die Erwerbsminde- am untauglichen Ergebnis, was dabei herausgekommen rung bei einer arbeitslosen Frau und einem Kind noch in ist. Ausbildung finanziell einfach nicht leisten zu können. Wie gesagt, das kann verändert werden, wenn die Politik (Torsten Renz, CDU: Wo gestaltet. Die Abschläge für die Erwerbsminderungsren- ist denn das Beispiel her?) ten können beseitigt werden. Es können die Anrech- nungszeiten verlängert und es können die Zahlbeträge Also es ist hier nicht so, dass die Leute das beantragen. erhöht werden. Es gibt viele Möglichkeiten, die Fehler bei der Erwerbsminderungsrente zu korrigieren. Die Politik, (Torsten Renz, CDU: also die Politiker, müssen das nur wollen. Ich appelliere Wo ist das Beispiel her?) an Sie, die Veränderungen einzuleiten, indem wir die Landesregierung beauftragen. Der Reformdruck bei der Da müssen Sie sich mal mit den Menschen unterhalten, Erwerbsminderungsrente ist, wie gesagt, gewaltig. dann erfahren Sie … Noch ein Satz zu der Forderung, dass die gesetzliche (Torsten Renz, CDU: Na, Sie Rentenversicherung den Schutz der Versicherten vor haben es doch gerade gesagt. Erwerbsminderung verstärken muss. Es gibt in der Ren- Ich frage jetzt: Wo ist es her? – tenversicherung den Grundsatz „Reha vor Rente“ und es Peter Ritter, DIE LINKE: Quellenschutz.) gibt auch berufsfördernde Leistungen. Beide sind bis jetzt sehr begrenzt. Sie sollen ausgebaut werden, Das hat man mir erzählt. (Zuruf von Harry Glawe, CDU) (Torsten Renz, CDU: Haben Sie da einen konkreten Namen, oder was? – ebenso wie Prävention und die Förderung gesundheits- Peter Ritter, DIE LINKE: Quellenschutz. – erhaltender Arbeits- und Lebensbedingungen. Ein besse- Torsten Renz, CDU: Sonst kann rer Schutz bei Erwerbsminderung sollte durch einen ich ja nicht nachfragen.) Schutz vor Erwerbsminderung ergänzt werden. Ich bitte um Zustimmung für diesen Antrag. – Danke. Also ich werde Ihnen hier keine Namen nennen. (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) (allgemeine Unruhe – Zuruf von Torsten Renz, CDU) Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau Stramm. Das ist die Lebenswirklichkeit. Ich schließe die Aussprache. (Torsten Renz, CDU: Ich frage Sie jetzt und Sie können mir jetzt gar nicht sagen, wie er heißt.) Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat beantragt, den Buchstaben a) sowie den Buchstaben b) des Antra- Das ist die Lebenswirklichkeit. Die Erwerbsminderungs- ges der Fraktion DIE LINKE einzeln sowie über die rente wird nicht gewährt, um früher in Rente zu gehen, Buchstaben c) und d) insgesamt abzustimmen. wie es die rot-grüne Bundesregierung bei der Gestaltung der Erwerbsunfähigkeitsrente annahm. Wer dem Buchstaben a) des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1648 zuzustimmen wünscht, (allgemeine Unruhe) den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dage- gen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Nicht der Fall. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Einen ganz kleinen Damit ist der Buchstabe a) des Antrages der Fraktion Moment, Frau Stramm. DIE LINKE auf Drucksache 6/1648 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und Zustimmung der Fraktion der Also es ist ein langer Tag gewesen. Alle wollen auch jetzt NPD, Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der CDU und nach Hause, das kann ich alles verstehen. Aber hier ist BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt. so ein Volksgemurmel, ich sage das mal so, dass man das Gefühl hat, man ist im Ameisenhaufen. Wer dem Buchstaben b) des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1648 zuzustimmen wünscht, (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Da haben den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Wer stimmt Sie aber recht, Frau Präsidentin.) dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Buchstabe b) des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Ich würde darum bitten, dass wir jetzt auch der letzten Drucksache 6/1648 bei Zustimmung der Fraktion DIE Rentnerin heute noch so viel Anstand und Respekt ent- LINKE, einer Zustimmung aus der Fraktion der NPD, gegenbringen, dass wir zuhören. Also bitte, schränken Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der CDU und Sie Ihre Gespräche bitte ein! Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN abgelehnt. Bitte, Frau Stramm. Wer den Buchstaben c) und d) des Antrages der Fraktion Karen Stramm, DIE LINKE: Danke. DIE LINKE auf Drucksache 6/1648 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Wer Also wie gesagt, das war eine falsche Prämisse seiner- stimmt dagegen? – Damit sind die Buchstaben c) und d) zeit, als man davon ausgegangen ist, dass die Leute zu des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksa- früh in Rente gehen. Und man ist da, wie gesagt, von che 6/1648 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE,

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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, NPD und Gegenstimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Damit ist auch der gesamte Antrag abgelehnt.

Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Landtages für Freitag, 22. März, 9.00 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen. Schönen Abend noch!

Schluss: 20.43 Uhr

Es fehlten die Abgeordneten Dr. André Brie, Mathias Brodkorb, Jörg Heydorn, Burkhard Lenz, Nils Saemann, Volker Schlotmann, Dr. Margret Seemann, Erwin Selle- ring und Andreas Texter.

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Namentliche Abstimmung

über den Antrag der Fraktion der NPD Schluss mit der Abzocke bei den Rundfunkgebühren – 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag aufkündigen! – Drucksache 6/1657 –

Jastimmen Reinhardt, Marc Renz, Torsten NPD Schlupp, Beate Schütt, Heino Andrejewski, Michael Silkeit, Michael Köster, Stefan Müller, Tino DIE LINKE Pastörs, Udo Petereit, David Dr. Al-Sabty, Hikmat Bernhardt, Jacqueline Neinstimmen Borchardt, Barbara Foerster, Henning SPD Holter, Helmut Koplin, Torsten Albrecht, Rainer Lück, Regine Dr. Backhaus, Till Oldenburg, Simone Barlen, Julian Ritter, Peter Bretschneider, Sylvia Rösler, Jeannine Butzki, Andreas Dr. Schwenke, Mignon Dachner, Manfred Dr. Tack, Fritz Donig, Ingulf Drese, Stefanie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Krüger, Thomas Mucha, Ralf Berger, Ulrike Müller, Detlef Gajek, Silke Müller, Heinz Gerkan, Jutta Dr. Nieszery, Norbert Jaeger, Johann-Georg Polzin, Heike Dr. Karlowski, Ursula Schulte, Jochen Saalfeld, Johannes Schwarz, Thomas Suhr, Jürgen Tegtmeier, Martina

CDU Endgültiges Ergebnis:

Eifler, Dietmar Abgegebene Stimmen ...... 51 Friemann-Jennert, Maika Gültige Stimmen ...... 51 Glawe, Harry Jastimmen ...... 5 Lindner, Detlef Neinstimmen ...... 46 Liskow, Egbert Enthaltungen ...... -