Plenarprotokoll 3/27 13.10.1999

Landtag Mecklenburg-Vorpommern

27. Sitzung 3. Wahlperiode

Mittwoch, 13. Oktober 1999, , Schloß

Vorsitz: Präsident Hinrich Kuessner, Vizepräsidentin Renate Holznagel und Vizepräsidentin Kerstin Kassner

Inhalt Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Landesrichtergesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern Mitteilungen des Präsidenten...... 1388 (Zweite Lesung und Schlußabstimmung) – Drucksache 3/437 – ...... 1400 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses Genehmigung der Tagesordnung...... 1388 – Drucksache 3/727 – ...... 1400 B e s c h l u ß ...... 1388 B e s c h l u ß ...... 1400

Gesetzentwurf der Fraktionen der PDS und SPD: Aktuelle Stunde Entwurf eines Gesetzes über die Führung Perspektive der Schulen in freier Trägerschaft der Berufsbezeichnung „Restaurator“ in Mecklenburg-Vorpommern ...... 1388 (Restauratorgesetz – RG M-V) Steffie Schnoor, CDU ...... 1388, 1397 (Zweite Lesung und Schlußabstimmung) Heike Polzin, SPD...... 1389 – Drucksache 3/362 – ...... 1400 Minister Dr. Peter Kauffold ...... 1390 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Andreas Bluhm, PDS ...... 1391, 1394 Wissenschaft und Kultur Eckhardt Rehberg, CDU ...... 1392 – Drucksache 3/760 – ...... 1400 Sylvia Bretschneider, SPD...... 1393 Norbert Baunach, SPD ...... 1400 Wolfgang Riemann, CDU...... 1395 Steffie Schnoor, CDU ...... 1401 Dr. Klaus-Michael Körner, SPD ...... 1396 Dr. Gerhard Bartels, PDS...... 1403 Dr. Margret Seemann, SPD ...... 1398 B e s c h l u ß ...... 1404

Gesetzentwurf der Landesregierung: Nachwahl einer Schriftführerin des Landtages ...... 1399 Entwurf eines Gesetzes über das Abkom- men zur Änderung des Abkommens über Wahlvorschlag der Fraktion der PDS: die Zentralstelle der Länder für Gesund- Nachwahl einer Schriftführerin des Landtages heitsschutz bei Medizinprodukten – Drucksache 3/766 – ...... 1399 (Zweite Lesung und Schlußabstimmung) B e s c h l u ß ...... 1399, 1400, 1470 – Drucksache 3/436 – ...... 1404 1386 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

Beschlußempfehlung und Bericht Rudolf Borchert, SPD ...... 1418 des Sozialausschusses Minister Dr. Rolf Eggert ...... 1420 – Drucksache 3/714 – ...... 1404 B e s c h l u ß ...... 1421 B e s c h l u ß ...... 1404

Gesetzentwurf der Landesregierung: Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung Entwurf eines Gesetzes zur Übertragung der der Insolvenzordnung (Insolvenzordnungs- Aufgaben für die Überwachung der Rinder- ausführungsgesetz – InsOAG M-V) kennzeichnung und Rindfleischetikettierung (Zweite Lesung und Schlußabstimmung) (Rinderkennzeichnungs- und Rindfleisch- – Drucksache 3/354 – ...... 1405 etikettierungsüberwachungsaufgaben- übertragungsgesetz RkReÜAÜG M-V) Beschlußempfehlung und Bericht (Erste Lesung) des Sozialausschusses – Drucksache 3/723 – ...... 1421 – Drucksache 3/762 – ...... 1405 Minister Till Backhaus...... 1421 Ergänzung zu dem Bericht Johann Scheringer, PDS...... 1422 des Sozialausschusses – Drucksache 3/765 – ...... 1405 B e s c h l u ß ...... 1423

Dr. Margret Seemann, SPD ...... 1405, 1408

Herbert Helmrich, CDU...... 1406, 1409

Torsten Koplin, PDS ...... 1406 Gesetzentwurf der Landesregierung: B e s c h l u ß ...... 1409 Entwurf eines Gesetzes über die Steuer- beraterversorgung in Mecklenburg- Vorpommern (Steuerberaterversor- gungsgesetz – StBVG M-V) (Erste Lesung) – Drucksache 3/725 – ...... 1423 Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Ministerin Sigrid Keler...... 1423 Änderung der Landeshaushaltsord- Angelika Gramkow, PDS ...... 1424 nung Mecklenburg-Vorpommern (Erste Lesung) B e s c h l u ß ...... 1424 – Drucksache 3/722 – ...... 1409

Ministerin Sigrid Keler...... 1409

Wolfgang Riemann, CDU...... 1410

Angelika Gramkow, PDS ...... 1410 Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: Langfristige Verpachtung landeseigener B e s c h l u ß ...... 1411 Flächen vorrangig an Unternehmen mit Tierproduktion oder anderem arbeits- intensiven Produktionsprofil – Drucksache 3/731 – ...... 1424 Ute Schildt, SPD ...... 1425, 1428 Ergänzung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung: Minister Till Backhaus...... 1425 Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung und Friedbert Grams, CDU ...... 1427 Änderung haushaltsrechtlicher Bestimmungen (Haushaltsrechtsgesetz 2000 – HRG 2000 –) Johann Scheringer, PDS...... 1427 – Drucksache 3/600 – B e s c h l u ß ...... 1429 – Drucksache 3/724 – ...... 1411 Ministerin Sigrid Keler...... 1411 Wolfgang Riemann, CDU...... 1412, 1415, 1419 Till Backhaus, SPD ...... 1415 Antrag der Fraktion der CDU: Ministerpräsident Dr. ...... 1415 Fortführung des Flächenerwerbspro- grammes nach dem Entschädigungs- Minister Till Backhaus...... 1416 und Ausgleichsleistungsgesetz Angelika Gramkow, PDS ...... 1416 – Drucksache 3/703 – ...... 1429 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1387

Antrag der Fraktionen der PDS und SPD: Beschlußempfehlung und Bericht Flächenerwerb gemäß Entschädigungs- des Petitionsausschusses und Ausgleichsleistungsgesetz – Drucksache 3/755 – ...... 1455 – Drucksache 3/736 – ...... 1429 Änderungsantrag der Fraktion der CDU Eckhardt Rehberg, CDU ...... 1429 – Drucksache 3/775 – ...... 1455 Johann Scheringer, PDS...... 1430, 1436 Beschlußempfehlung und Bericht Minister Till Backhaus...... 1431 des Petitionsausschusses gemäß § 10 Abs. 2 des Gesetzes zur Behandlung von Vorschlägen, Ute Schildt, SPD ...... 1434 Bitten und Beschwerden der Bürger sowie Martin Brick, CDU...... 1435 über den Bürgerbeauftragten des Landes Hannelore Monegel, SPD ...... 1437 Mecklenburg-Vorpommern (Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz PetBüG M-V) B e s c h l u ß ...... 1438 – Drucksache 3/763 – ...... 1455 Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 3/776 – ...... 1455 Änderungsantrag der Fraktion der CDU Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und PDS: – Drucksache 3/777 – ...... 1455 Entwurf eines Gesetzes zur Öffnung von Änderungsantrag der Fraktion der CDU Standards für kommunale Körperschaften – Drucksache 3/778 – ...... 1455 (Standardöffnungsgesetz – StöffG M-V) (Erste Lesung) Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 3/730 – ...... 1438 – Drucksache 3/779 – ...... 1455 Heinz Müller, SPD...... 1439, 1446 Änderungsantrag der Fraktion der CDU Dr. Armin Jäger, CDU ...... 1440, 1452 – Drucksache 3/780(neu) – ...... 1455 Gabriele Schulz, PDS...... 1442 Friedbert Grams, CDU ...... 1455 Eckhardt Rehberg, CDU ...... 1444, 1452, 1453 Beate Mahr, SPD ...... 1456 Gerd Böttger, PDS...... 1448, 1453 Annegrit Koburger, PDS ...... 1457 Minister Dr. Gottfried Timm ...... 1450, 1452 Thomas Nitz, CDU ...... 1457, 1459, 1460 Heinz Müller, SPD Volker Schlotmann, SPD ...... 1459, 1460 (zur Geschäftsordnung) ...... 1454 B e s c h l u ß ...... 1460 B e s c h l u ß ...... 1454

Beschlußempfehlung und Bericht des Wahlprüfungsausschusses zu den Unterrichtung durch den Landes- gegen die Gültigkeit der Wahl zum beauftragten für den Datenschutz: Landtag Mecklenburg-Vorpommern Dritter Tätigkeitsbericht des Landes- eingegangenen Wahleinsprüchen beauftragten für den Datenschutz gemäß – Drucksache 3/752 – ...... 1462 § 29 Absatz 1 des Landesdatenschutzgesetzes von Mecklenburg-Vorpommern (DSG MV) B e s c h l u ß ...... 1462 – Drucksache 2/3531 – ...... 1454 Beschlußempfehlung und Bericht des Petitionsausschusses – Drucksache 3/719(neu) – ...... 1454 Antrag der Fraktion der CDU: Familienförderungsgesetz der Bundesregierung Friedbert Grams, CDU ...... 1454 – Drucksache 3/743 – ...... 1462 B e s c h l u ß ...... 1455 Dr. Hubert Gehring, CDU...... 1462 Ministerin Dr. Martina Bunge ...... 1463 Dr. Margret Seemann, SPD ...... 1464 Annegrit Koburger, PDS ...... 1466 Unterrichtung durch den Bürgerbeauftragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern: Wolfgang Riemann, CDU...... 1468 Vierter Bericht des Bürgerbeauftragten B e s c h l u ß ...... 1469 gemäß § 8 Absatz 7 des Petitions- und Bürger- beauftragtengesetzes des Landes Mecklenburg- Vorpommern (Petitions- und Bürgerbeauf- tragtengesetz – PetBüG M-V) für den Zeit- raum vom 1. Januar bis 31. Dezember 1998 Nächste Sitzung – Drucksache 3/279 – ...... 1455 Donnerstag, 14. Oktober 1999 ...... 1469 1388 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

Beginn: 10.18 Uhr Gegenüber der Tagesordnung sehe und höre ich im übrigen keinen Widerspruch, dann ist das so beschlos- Präsident Hinrich Kuessner: Meine Damen und Her- sen. ren! Ich begrüße Sie zur 27. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, daß der Landtag ordnungsgemäß einberufen Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle wurde und beschlußfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Stunde. Die Fraktion der CDU hat gemäß unserer Ge- schäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Per- Bevor ich zur Tagesordnung komme, möchte ich dem spektive der Schulen in freier Trägerschaft in Mecklen- Ministerpräsidenten Herrn Dr. Harald Ringstorff nachträg- burg-Vorpommern“ beantragt. lich zu seinem 60. Geburtstag herzlich gratulieren. Aktuelle Stunde (Beifall bei Abgeordneten der SPD und Perspektive der Schulen in freier Trägerschaft einzelnen Abgeordneten der CDU und PDS) in Mecklenburg-Vorpommern Ebenfalls möchte ich dem Abgeordneten Herrn Dr. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schnoor von der Manfred Rißmann herzlich gratulieren zu seinem 60. Ge- CDU-Fraktion. Bitte sehr, Frau Schnoor. burtstag. Steffie Schnoor, CDU: Herr Präsident! Meine sehr ge- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und CDU ehrten Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde setzt sich und einzelnen Abgeordneten der PDS) heute mit einem Thema auseinander, das nicht unbedingt Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute. viele Menschen im Lande sehr stark beeindruckt. Es ist aber ein Thema, das wie kein anderes ein Zeichen geleb- Ich möchte auch noch etwas zu unseren letzten Sit- ter Demokratie und Freiheit im Schulwesen ist. Damit zungstagen sagen. Zusammen mit den Vizepräsidentin- nämlich nicht ausschließlich der Staat über die Bildung nen habe ich die letzten Sitzungstage ausgewertet. Der und Erziehung der Kinder bestimmen kann, haben die Stil in der Debatte zu verschiedenen Tagesordnungs- Mütter und Väter des Grundgesetzes den Schulen in frei- punkten war nicht akzeptabel. Einige Zwischenrufe waren er Trägerschaft im Artikel 7 Verfassungsrang eingeräumt. ordnungsrufwürdig. Wir wollen das aber nicht hinterher Dennoch besuchen bundesweit nicht mehr als sechs Pro- nachholen. Wir appellieren an Sie, persönliche Diffamie- zent aller Schüler Schulen in freier Trägerschaft. rungen und gezieltes Stören von Rednern zu unterlassen. Wir werden, das ist unsere Schlußfolgerung, die Ge- In Mecklenburg-Vorpommern macht der Schüleranteil schäftsordnung offensiv nutzen und Ordnungsrufe aus- nicht mehr als zwei Prozent aus. Dieser Anteil verringert sprechen. sich noch mal um die Zahl der Schüler, die in Förderschu- len beschult werden, da die öffentlichen Schulen häufig Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. hier diese Bereiche nicht vorhalten. Im europäischen Ver- Im Ältestenrat wurde vereinbart, die Tagesordnung um gleich liegt Deutschland, liegt Mecklenburg-Vorpommern folgenden Tagesordnungspunkt zu ergänzen: Nachwahl damit weit unter dem Durchschnitt. Um es klarer auszu- einer Schriftführerin des Landtages, hierzu Wahlvorschlag drücken, im Bereich der Schulen in freier Trägerschaft ist der Fraktion der PDS auf Drucksache 3/766. Diese Wahl Mecklenburg-Vorpommern immer noch Entwicklungs- soll nach der Aktuellen Stunde durchgeführt werden. Ich land. sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann werden wir Es wäre unrealistisch zu fordern, eine ähnliche Quote so verfahren. der Beschulung von Schülern in Schulen freier Träger- Es ist vorgeschlagen worden, die Ihnen vorliegende schaft, wie zum Beispiel in den Niederlanden, herzustel- Tagesordnung wie folgt zu ändern: Der Tagesordnungs- len, dort nämlich circa 70 Prozent. Aber Länder wie Frank- punkt 10 soll anstelle der Tagesordnungspunkte 16 und reich oder Großbritannien bieten mit circa 30 Prozent 17 zu Beginn der Sitzung am Donnerstag beraten werden. durchaus realistische Maßstäbe an. Da die einzelnen Bun- Anstelle des Tagesordnungspunktes 10 sollen umgekehrt desländer die Hoheit über die Organisation des Schulwe- die Tagesordnungspunkte 16 und 17 nach Tagesord- sens haben, muß man in jedem einzelnen Bundesland nungspunkt 9 am Mittwoch beraten werden. Es wurde nach den Ursachen für diese so niedrige Rate von Schu- gebeten, hierüber gesondert abzustimmen. Wer dafür ist, len in freier Trägerschaft suchen. Wo können diese Grün- den bitte ich also um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – de dafür liegen? Enthaltungen? – Damit ist diese Veränderung der Tages- Meine Damen und Herren, ein wesentlicher Grund liegt ordnung einstimmig beschlossen. im Mißtrauen der gegenwärtig Regierenden gegenüber Vor dem Hintergrund der Beratungen zur Tagesord- der eigenen Bevölkerung, nämlich daß Elterninitiativen, nung im Ältestenrat lasse ich in Anbetracht angekündigter daß Privatinitiativen an der staatlichen Hoheit vorbei Kin- erheblicher Nichtinanspruchnahme von Redezeiten ferner der und Jugendliche bilden und erziehen, ohne daß der darüber abstimmen, daß die Tagesordnungspunkte 26 Staat, daß die Verwaltung Einfluß auf Inhalte und Metho- und 27 am Donnerstagabend nach dem Tagesordnungs- den nehmen kann. Dieses Mißtrauen spiegelt sich in punkt 25 beraten werden. Damit entfiele die Freitagssit- Gesetzen und Verordnungen wider, so zuletzt in Mecklen- zung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um burg-Vorpommern in der sogenannten Privatschulverord- ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit nung. Mit einem inhaltlich bestimmten Katalog von pä- ist der Verlegung der Tagesordnungspunkte 26 und 27 auf dagogischen Richtlinien werden nämlich Schulen in freier Donnerstagabend nach Tagesordnungspunkt 25 mit den Trägerschaft in bestimmte pädagogische Konzepte ge- Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS gegen die zwungen. Stimmen der CDU-Fraktion zugestimmt worden. Der Zwang ergibt sich aus der Verknüpfung von pä- Ferner haben sich einige Einbringungs- und Ausspra- dagogischen Forderungen und Finanzzuweisungen, auf chezeiten geändert. Hierzu wird im Laufe des Tages ein die Schulen in freier Trägerschaft dem Grundgesetz nach aktualisierter Zeitplan verteilt werden. einen Anspruch haben. Dieses Mißtrauen gegenüber Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1389

Schulen in freier Trägerschaft ist durch die schulische das Wesentliche gesagt. Sie sind also eine Ergänzung Praxis in diesen Einrichtungen in keiner Weise gerechtfer- durch besonders pädagogische, religiöse oder weltan- tigt. Vielmehr besagen die Einrichtungen, daß an diesen schauliche Prägung, eine Bereicherung des Schulange- Schulen mit außerordentlichem Engagement von Lehrern botes. Die bereits gegründeten und im Aufbau befindli- und Eltern für die Schüler ein ideales Lernumfeld geschaf- chen Schulen in freier Trägerschaft leisten dies in vorbild- fen wird. Die Ergebnisse können sich durchaus sehen las- licher Weise. Hochmotivierte Lehrkräfte, ein spezielles sen. Konzept, engagierte Eltern und daraus folgend lernfreudi- ge Schüler wirken in fruchtbringender Arbeit zusammen Wenn das staatliche Schulwesen stärker auf die Erfah- und können schon nach kurzer Zeit auf Erfolge verweisen, rungen dieser Schulen zurückgreifen würde, dann könnte so zum Beispiel am Schweriner Pädagogium, wo ganze man sich so manchen Schulversuch oder so manches Klassen geschlossen eine Klasse überspringen und damit Modellprojekt sparen. An diesen Schulen wird mit päda- das Abitur schon nach zwölf Jahren erreichen können. gogischen Konzepten unter speziellen Rahmenbedingun- gen beispielhafter Unterricht angeboten. 95 Prozent die- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD) ser Schulen schwimmen nicht im Geld. Eltern gründeten Elternvereine, und die wiederum gründeten Schulen, weil Besonders hervorzuheben sind an dieser Stelle auch sie der Meinung waren und sind, daß das staatliche die Schulen, die sich in aufopferungsvollem Einsatz der Schulwesen nicht in der Lage ist, die Kinder nach ihren Integration behinderter Kinder annehmen. Wer sich ein- Vorstellungen zu bilden und zu erziehen. mal eine Schule in freier Trägerschaft oder auch nur ihre pädagogischen Konzepte angesehen hat, muß anerken- Der Massenbetrieb staatliche Schule bietet selten ein nen, daß hier Beispielhaftes geleistet wird. Soweit zum ideales Lernumfeld. Der Massenbetrieb ist zu inflexibel, zu Ist-Stand und zur Klärung von Grundpositionen. bürokratisch geführt. Die staatliche Schule hinkt immer hinterher, weil sich die Lehrer zum Teil mit Dingen ausein- Wenn es um die weitere Entwicklung von Schulen in andersetzen müssen, die nichts mit ihren originären Auf- freier Trägerschaft geht, wird es jedoch zwingend erfor- gaben zu tun haben. Es liegt nicht an den Lehrern, daß der derlich, den Gesamtkontext der Schullandschaft zu be- staatlichen Schule diese Attribute zugewiesen werden trachten. Der dramatische Schülerrückgang ist jedem hier müssen. Es liegt vielmehr an den politischen Vorgaben, im Hause hinlänglich bekannt. Bereits im nächsten Schul- verbunden mit zwangsläufigen Änderungen nach einem jahr wird das Lehrerpersonalkonzept spürbar greifen. Das Regierungswechsel, die die staatlichen Schulen zuneh- heißt, daß der mangelnde Bedarf zu Stundenreduzierun- mend in ein Korsett einbinden, aus dem sie sich selber gen noch vornehmlich im Grundschulbereich führen wird, nicht mehr befreien können und das der Entwicklung der wohlgemerkt in den öffentlichen Schulen. Die Lehrer der Kinder zunehmend schadet. Schulen in freier Trägerschaft sind demgegenüber keine Teilnehmer des Lehrerpersonalkonzepts. Zudem wird es Die Schule in freier Trägerschaft baut in der Regel auf in den nächsten Jahren aus den gleichen Gründen zu das Engagement der Lehrer und Eltern, weniger auf den Schulschließungen kommen. Sie entnahmen sicherlich materiellen Hintergrund und weniger auf politische Vorga- der Presse, daß in Schwerin schon in den nächsten Jah- ben. Ist der materielle Hintergrund gerade mal so gesi- ren elf Schulschließungen anliegen werden. chert, findet in diesen Schulen eine kontinuierliche Arbeit statt, die sich so manche staatliche Schule sehnlichst Die Schulentwicklungsplanungen, die bereits in den wünscht. Schubladen der Kreise und kreisfreien Städte liegen, ber- gen Sprengstoff. Wirtschaftlichkeit heißt die Überschrift, Meine Damen und Herren, es ist sinnvoll und pragma- und Einsicht in die Notwendigkeit wird allerorten ange- tisch, diese Schulform zu fördern. Gerade weil Mecklen- mahnt, wohlgemerkt: Auch das trifft nur den Bereich der burg-Vorpommern hinsichtlich Schulen in freier Träger- öffentlichen Schulen, denn die Schulen in freier Träger- schaft noch ein Entwicklungsland ist, muß die politische schaft sollen laut Paragraph 107 des Schulgesetzes zwar Entscheidung fallen, diese Schulart extraordinär zu för- in die Schulentwicklungsplanung einbezogen werden, was dern. Es kann dabei nur eine bildungspolitische Entschei- aber in der Realität nur heißt, ihre Existenz muß registriert dung gefällt werden, denn die finanzpolitische Entschei- werden, denn sie betreuen die Schüler der Region. Auf die dung, die die Regierung Ringstorff mit dem Haushalt 2000 Genehmigung andererseits haben die Schulträger zur Zeit fällte, ist nicht im Interesse der Kinder und Jugendlichen keinen Einfluß. Der Schulträger kann also nur konstatieren, in diesem Land. wenn just dort eine Schule in freier Trägerschaft eröffnet (Beifall bei Abgeordneten der CDU) wird, wo gerade aus Mangel an Bedarf eine öffentliche geschlossen wurde oder zur Schließung ansteht. Dies ist Es gibt kein vernünftiges Argument gegen diese Schu- eine Folge des Genehmigungsanspruchs nach dem len. Sie sind ein Gewinn in dem Bildungssystem und für Grundgesetz. Die Schulen in freier Trägerschaft befinden unsere Gesellschaft. sich also außerhalb der Schulentwicklungsplanung, aber innerhalb der finanziellen Zuschüsse des Landes. (Beifall bei Abgeordneten der CDU) Die bereits genannten Einschnitte im öffentlichen Schul- Präsident Hinrich Kuessner: Das Wort hat die Abge- ordnete Frau Polzin von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Frau wesen zeugen von der Notwendigkeit, Schulentwicklung auch im Bereich der freien Träger im Auge zu behalten, Polzin. denn es ist Aufgabe des Landes, das Bildungsangebot Heike Polzin, SPD: Sehr geehrter Herr Präsident! ausgewogen zu entwickeln. Dabei stimmt es schon be- Meine Damen und Herren! Wenn es in Paragraph 116 Ab- denklich, wenn im Nachtragshaushalt 1999 wegen der satz 1 des Schulgesetzes heißt „Schulen in freier Träger- Mehrbedarfe durch neu gegründete Schulen in freier Trä- schaft ergänzen als Ersatz- oder Ergänzungsschulen das gerschaft Mittel zum Beispiel aus dem ohnehin unter- Schulwesen des Landes durch besondere Formen und In- finanzierten Schulbautopf in Höhe von 1,7 Millionen DM halte der Erziehung und des Unterrichts.“, ist damit schon entnommen werden mußten. 1390 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten Das braucht unser Land. der SPD und PDS) (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Ein flächendeckendes, bedarfsgerechtes Angebot an Heidemarie Beyer, SPD: Richtig.) Schulen in freier Trägerschaft als Ergänzung muß unser Ich vertrete diese Argumente und diese Ansichten im Ziel sein. Dabei ist aber auch zu sichern, daß die öffentli- politischen Bereich, in der Öffentlichkeit und vor den Trä- chen Schulen keinesfalls überproportional von Sparzwän- gern und Angehörigen der Schulen und habe mich bisher gen und regionalen Entwicklungen betroffen sind. jeder Diskussion und jeder Beratung zu dieser Problema- (Beifall Angelika Gramkow, PDS) tik gestellt. Ich weise daher jede mögliche Unterstellung zurück, hinter diesen Ansätzen zur Absenkung stünde die Ausgewogenheit heißt, Mechanismen zu entwickeln, Absicht, die Entwicklung der Schulen in freier Träger- die eine Bevorzugung der einen Schulform auf Kosten der schaft gezielt zu verhindern und den Bestand der vorhan- anderen vermeiden und ein harmonisches Wachstum denen Schulen zu gefährden. sichern. – Ich bedanke mich. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Man kann reden, und man muß handeln. Die Leute, Präsident Hinrich Kuessner: Jetzt hat das Wort der viele von denen, die jetzt reden, haben früher gehandelt Bildungsminister Herr Kauffold. Bitte sehr, Herr Minister. und haben Ressourcen, die wir auch für die Entwicklung Minister Dr. Peter Kauffold: Herr Präsident! Meine der Schulen in freier Trägerschaft benötigen, auf Jahre sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion über die hinaus verbraucht. Perspektiven der Schulen in freier Trägerschaft ergeben (Beifall bei Abgeordneten der SPD sich aus dem Entwurf des Haushaltsgesetzes 2000. Die- und einzelnen Abgeordneten der PDS) ser sieht eine Absenkung der Personalkostenzuschüsse des Landes an die Schulen in freier Trägerschaft vor. Der Bildungspolitik kann nicht ohne Ressourcen gemacht Gesetzentwurf verlangt im Artikel 3 eine Änderung des werden. Ich muß deshalb ganz deutlich sagen, daß die Schulgesetzes. Absenkungen angesichts der verbindlichen Eckwerte bei der Aufstellung des Bildungshaushaltes unumgänglich Der Höchstsatz der Förderung soll von 90 auf 80 Pro- sind. Als verbindlicher Eckwert war insbesondere die glo- zent abgesenkt werden, wobei dieses bei den bereits bale finanzpolitische Vorgabe zu beachten, wonach die bestehenden Schulen in zwei Schritten von fünf Prozent Ausgabevolumina im Haushalt des Bildungsministeriums pro Jahr geschehen soll. In Förderschulen sollen auch um vier Prozent abgesenkt werden mußte. weiterhin die Förderkonditionen unverändert bleiben. Dar- über hinaus soll eine einjährige Wartefrist für die Finanz- Die finanzielle Unterstützung der Schulen in freier Trä- hilfe des Landes ab der Gründung der Schule eingeführt gerschaft in Mecklenburg-Vorpommern durch das Land werden. So die bisherigen Konditionen nach dem Haus- und durch die Kommunen – das letztere wird häufig ver- haltsgesetzentwurf. Ich bedauere die Veränderung dieser nachlässigt in der Argumentation – ist bisher durchaus gut Konditionen. gewesen. Dies ist seitens der Träger auch nie bestritten worden. (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU) Die Schulen in freien Trägerschaft, meine Damen und Träger und Angehörige der freien Schulen verbinden Herren, sind keine Inseln, die von der Veränderung der diese Ansätze mit der Frage, Ressourcen des Landes und des Bildungshaushaltes un- (Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU) berührt bleiben können. Die Förderung dieser Schulen erfolgt aus dem Sachhaushalt. Das Gesamtvolumen des ob diese Schulen auch von der Landesregierung poli- Sachhaushaltes für Bildung, Wissenschaft und Kultur tisch gewollt sind. Selbstverständlich sind diese Schulen betrug 1996 656 Millionen DM und soll nach dem Haus- politisch gewollt. Ich schätze die Arbeit der Schulen in haltsansatz 2000 580,5 Millionen DM betragen. Gleichzei- freier Trägerschaft und ihren Beitrag für die Entwicklung tig sind gesetzliche Verpflichtungen von 108 Millionen DM der schulischen Angebote in Mecklenburg-Vorpommern auf 151,6 Millionen DM angestiegen. Das zeigt, daß sich außerordentlich. Sie bereichern durch ihre vielgestaltigen der Gestaltungsspielraum ganz dramatisch verändert hat. Konzepte und ihre flexible Reaktion auf die jeweiligen regionalen Bedürfnisse das schulische Angebot ganz Die Veränderung der Ausgaben des Landes für die Schu- erheblich. Sie gehen in besonderer Weise auf die Wün- len in freier Trägerschaft von circa 19 Millionen DM im sche der Eltern und Kinder ein. Die Zusammenarbeit zwi- Jahr 1996 auf über 31,7 Millionen DM im Haushalt 1999 und schen Schule und Elternschaft ist vorbildlich. Sie sind nun auf 39,3 Millionen DM im Haushaltsentwurf 2000 zeigt, gegenüber den Schulen in staatlicher Trägerschaft ein daß hier eine rasante Entwicklung erfolgt ist. Die Ausgaben wünschenswerter und wirksamer Wettbewerbsfaktor. haben sich in dieser Zeit nahezu verdoppelt. Das reflektiert Auch auf diesem Gebiet brauchen wir Wettbewerb. Dies eine erfreuliche Nachfrage, einen deutlichen Anstieg der ist gerade hier in Schwerin deutlich zu merken und zeigt Schülerzahlen, also insgesamt eine erfreuliche Entwicklung, bereits auf das von der Stadt Schwerin angebotene um den Nachholbedarf, den wir im Lande haben, aufzuho- Schulnetz unmittelbare Wirkung. len. Aber angesichts dieser Entwicklung und in Anbetracht der Spielräume, die verfügbar sind, ist es nicht möglich, die (Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig.) Schulen in freier Trägerschaft ganz von einem Beitrag zur Ich selber habe damit kein Problem. Sie sind auch mit Konsolidierung des Landeshaushaltes auszunehmen. Auch hoher Wahrscheinlichkeit ein Standortfaktor bei der An- wenn es sich hier um einen Bereich handelt, in dem ich – siedlung auswärtiger Unternehmen und der Familien von wie gesagt – Kürzungen sehr bedauere. Mitarbeitern. Aus dem Grundgesetz und der Rechtsprechung des (Beifall Heidemarie Beyer, SPD) Bundesverfassungsgerichts ergibt sich eine Verpflichtung Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1391 des Staates, die Schulen in freier Trägerschaft finanziell dem Maße wie bisher durch Bereitstellung von Ressour- erheblich zu unterstützen. Dieser Verpflichtung wird das cen begleiten. – Danke. Land zusammen mit den Kommunen auch nach der (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Reduzierung der Förderungshöchstsätze und nach Ein- Angelika Gramkow, PDS: Das ist führung einer einjährigen Wartefrist gerecht. Bei aller Un- genau wie bei Soziales.) übersichtlichkeit der Regelungen in den einzelnen Bun- desländern zeigt sich, daß die Förderung des Landes Präsident Hinrich Kuessner: Das Wort hat der Abge- Mecklenburg-Vorpommern bisher keinen Vergleich zu ordnete Herr Bluhm von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr scheuen brauchte und auch nach der Absenkung der An- Bluhm. sätze nicht zu scheuen braucht. Andreas Bluhm, PDS: Herr Präsident! Meine Damen Derzeit sind 8 von insgesamt 27 allgemeinbildenden und Herren! Das Thema „Perspektive der Schulen in frei- Schulen in freier Trägerschaft Schulen zur individuellen er Trägerschaft in Mecklenburg-Vorpommern“ ist wie Lebensbewältigung. Hier betrug die Förderung des Lan- jedes andere Thema zur Bildungspolitik stets hochaktuell. des Mecklenburg-Vorpommern circa 26.000 DM zuzüg- Und um die vom Antragsteller gemeinte Frage nach den lich Sachkostenzuschüssen der Wohnsitzkommunen von Perspektiven der Schulen in freier Trägerschaft in Meck- mindestens 5.000 DM jährlich. In Niedersachsen liegen lenburg-Vorpommern gleich zu beantworten: Ja, die sie bei 25.500 DM, in Sachsen-Anhalt etwa wie bei uns, in Schulen in freier Trägerschaft haben in Mecklenburg-Vor- Brandenburg höher, in Schleswig-Holstein bei circa pommern eine Perspektive. Meine Fraktion achtet die 25.000 DM, also wie bei uns, und in Sachsen bei circa Freiheit der Privatschulen und anerkennt das Engagement 9.000 DM, also erheblich weniger. Das sind die Schulen der Eltern, Lehrer, Erzieher und Träger. mit sonderpädagogischem Bedarf. (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Derzeit sind 11 von 27 allgemeinbildenden Schulen in Peter Ritter, PDS: Und der Schüler.) freier Trägerschaft Grundschulen. Der Zuschuß des Lan- des Mecklenburg-Vorpommern pro Grundschule beträgt Diese Schulen haben aus mindestens drei Gründen circa 5.200 DM, dazu kommt noch ein Sachkostenzu- eine Perspektive: schuß der Wohnsitzkommune von mindestens circa 1. weil sie für das pluralistische Bildungswesen dieses 500 DM pro Schüler. In Hamburg liegt der Zuschuß bei Landes nicht verzichtbar sind circa 4.600 DM ohne weitere Sachkostenzuschüsse, in Hessen bei 5.168 DM, in Bayern bei 5.585 DM, in Baden- (Beifall Heike Lorenz, PDS) Württemberg bei circa 3.600 DM zuzüglich Baukostenzu- 2. weil ihre Zulassung und Tätigkeit verfassungsgemäß schüsse, und in Sachsen beträgt der Zuschuß 3.800 DM gesichert ist und zuzüglich Baukostenzuschüsse, jedoch ohne laufende Sachkostenzuschüsse. So in etwa ein Vergleich. Bei uns 3. weil das staatliche öffentliche Schulwesen trotz seines würde der maximale Fördersatz dann um zehn Prozent komplexen und verfassungsmäßigen Bildungsauftra- heruntergehen. Das ist immer noch gut und im Bundes- ges nicht alle Ansprüche und Wünsche von Eltern, vergleich keine schlechte Position. Schülern oder von Organisationen, Vereinen und Ver- bänden aus bildungskonzeptioneller oder konfessio- Bei den beruflichen Schulen in freier Trägerschaft hat neller Sicht erfüllen kann der durchschnittliche Fördersatz 1998 70 Prozent betra- gen. Diese Schulen sind von der Absenkung des Förde- Genau deshalb regelt das Schulgesetz unseres Landes rungshöchstsatzes also im Durchschnitt gar nicht betrof- in Umsetzung des Artikels 7 Grundgesetz und der Landes- fen. verfassung im 11. Teil – Schulen in freier Trägerschaft –, ich zitiere Paragraph 116: „Schulen in freier Trägerschaft Nun zu den Wartefristen: Die Wartefristen betragen in ergänzen als Ersatz- oder Ergänzungsschulen das Schul- Baden-Württemberg drei Jahre, in Bayern zwei Jahre, in wesen des Landes durch besondere Formen und Inhalte Hamburg drei Jahre, in Niedersachsen auch drei Jahre, in der Erziehung und des Unterrichts.“ Diese Schulen sind Nordrhein-Westfalen ebenfalls, in Sachsen zwei Jahre, in damit ein gesetzlicher Bestandteil des Bildungswesens Schleswig-Holstein vier Jahre. Dieses zeigt schon, daß dieses Landes. Daran will die PDS nichts ändern, und die vorgesehene einjährige Wartefrist durchaus moderat daran werden wir auch nichts ändern. ist. Die Angaben stammen aus den Unterlagen der Kultus- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) ministerkonferenz vom Januar dieses Jahres. Die aktuellen Entwicklungen der Privatschulen und ihrer Ich gehe davon aus, daß eine Existenzgefährdung der Schülerzahlen zeugen doch von der Akzeptanz im Land. Schulen in freier Trägerschaft in Mecklenburg-Vorpom- mern nicht befürchtet werden muß. Die Kürzungen sind – Das Bildungswesen soll und muß ein lebendiger Organis- ich wiederhole das – ein bedauerlicher, unter den gege- mus sein, der Raum läßt für viele Formen und Methoden von benen Bedingungen aber unumgänglicher Beitrag der Bildung und Erziehung. Die Auswahl aus unterschiedlichen Schulen in freier Trägerschaft zur Konsolidierung des Lan- Angeboten, die den Begabungen der Kinder entsprechen, deshaushaltes. Sie bedeuten keine Deckelung. Darüber verschiedene pädagogische Konzepte zulassen und athei- sind wir uns alle klar. Auf die Regelungen könnte nur ver- stische Vorstellungen genauso berücksichtigen wie religiöse zichtet werden, wenn der Haushalt für Bildung, Wissen- Bekenntnisse, ist Ausdruck von Demokratie und Pluralismus schaft und Kultur insgesamt von Beiträgen zur Konsoli- im Bildungswesen dieses Landes. Ihnen muß das gesamte dierung ausgenommen würde. Bildungswesen so gut wie möglich entsprechen. Das gilt sowohl für die Schulen in freier Trägerschaft, aber natürlich (Angelika Gramkow, PDS: Das ist richtig.) auch für die staatlichen Schulen. Da dies nicht so ist, können wir das Tempo der Ent- Die Schulen in freier Trägerschaft allerdings erfüllen be- wicklung der Schulen in freier Trägerschaft nicht mehr in sonders augenfällig eine unverzichtbare Funktion, wenn 1392 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 sie als Ersatz- und Ergänzungsschulen das, wie es der Es ist Einsatz gefordert von Ihnen als Bildungsminister Begriff schon sagt, staatliche Schulangebot ersetzen oder für Schulen in freier Trägerschaft. Was bedeuten Ihre ergänzen. Sie bieten pädagogische Konzepte oder kon- Pläne? Ein Jahr Wartefrist, Vorfinanzierung also? Wer wird fessionelle Ausrichtungen an, die vom staatlichen Schul- sich das leisten können? Elterninitiativen, vielleicht noch wesen nicht angeboten werden können oder auch nicht Schulen, die von Kirchen getragen werden, möglicherwei- angeboten werden dürfen. Sie geben Eltern und Schülern se? Was bedeutet aber die Absenkung der Zuschüsse die Möglichkeit, ihre speziellen Vorstellungen zu verwirkli- oder die Kappung um zehn Prozent, auch wenn es in zwei chen und trotzdem staatlich anerkannte Bildungsab- Stufen erfolgt? Was wird denn dann mit dem Schulgeld? schlüsse zu erreichen. Können Sie widerlegen, was die Arbeitsgemeinschaft der Schulen in freier Trägerschaft in Mecklenburg-Vorpom- Schulen in freier Trägerschaft arbeiten in einem größe- mern schreibt: „Schulen in freier Trägerschaft arbeiten für ren Freiraum als staatliche Schulen. Für sie jedoch gilt der den Landeshaushalt kostengerechter und kostengünsti- Grundsatz, daß Gleichwertigkeit, nicht aber Gleichartig- ger. Die Bemessungsgrundlage für die staatliche Mitfi- keit gefordert ist. Gerade diese Angebote sind unter de- nanzierung von Schulen in freier Trägerschaft ist der ein- mokratischen und pluralistischen Gesichtspunkten unver- zelne Schüler.“? Der Staat wendet also unter den derzei- zichtbar. tigen Bedingungen und im Vergleich zu den Schülern Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle wis- staatlicher Schulen nur zwischen 50 und 80 Prozent der sen doch genau, daß es ein Patentrezept für die richtige Ausgaben je Schüler einer freien Schule auf. Ich kann Bildung und Erziehung nicht gibt. Menschen sind hin- mich des Eindrucks nicht erwehren, daß nicht rein fiskali- sichtlich ihrer Begabung, ihrer intellektuellen Vorausset- sche Aspekte bei der Entscheidung eine Rolle spielen. zungen, ihrer psychologischen Struktur und ihrer Entwick- Und, Herr Kauffold, wenn Sie sagen, wir hätten in der lung unterschiedlich, auch die sozialen Bedingungen sind Vergangenheit Ressourcen verbraucht, dann stehen wir unterschiedlich, um nur einige Aspekte zu benennen. dazu. Ja, wir von der CDU wollten den Aufbau einer Insoweit haben Ersatzschulen in freier Trägerschaft zum Schullandschaft, in der auch freie und private Träger eine Beispiel mit der Waldorf- und Montessori-Pädagogik Chance haben. Angebote entwickelt, für die sich Eltern entscheiden kön- nen, die andere Vorstellungen haben, als sie im staatli- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) chen Schulwesen gegenwärtig verwirklicht werden. Prak- Wir wollten Eltern die Möglichkeit geben, entsprechend tisch gesehen ist es ein fruchtbares Nebeneinander ver- ihrer weltanschaulichen oder anderen Bindung, Schüler schiedener Vorstellungen von Pädagogik und nicht, wie dort hinzuschicken. Daß das regional unterschiedlich ver- häufig zu hören und auch in den Medien zu lesen, Konkur- teilt ist, ist wohl wahr. Und was wir auch wollten, ist, den renz. Es ist auch ein Ausdruck von in Anspruch ge- Standortfaktor Schulen in freier Trägerschaft anzubieten. nommener Individualität, Meinungs- und Glaubensfreiheit, die einfach zu respektieren ist. Auch dazu gibt es eine sehr (Heike Lorenz, PDS: Es gibt umfängliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsge- auch noch andere Aufgaben.) richts, die niemand in meiner Fraktion negieren will. Sie singen hier ein Loblied auf die Schulen in freier Trä- Mit Blick auf die Bildungsanforderungen der Zukunft gerschaft, und der Herr Ministerpräsident hat ja in der ver- und den daraus abzuleitenden Reformbedarf haben so- gangenen Woche eingestimmt. Er hat nur ein Problem. wohl die staatlichen als auch die privaten Schulen ihre Herr Dr. Ringstorff, ich würde mir an Ihrer Stelle mal die Herausforderungen, denen sie sich stellen müssen. Es Reden vorher durchlesen, die Ihnen Ihre Staatskanzlisten kann nicht das eine ohne das andere geben, und es soll aufschreiben, damit sie auch den Realitäten entsprechen. nicht der Konkurrenzgedanke die Zusammenarbeit beein- Ich zitiere: „Für auswärtige Airbus-Mitarbeiter und ihre trächtigen, sondern es soll ein gesunder pädagogischer Familien bietet zahlreiche internationale Bil- Wettstreit sein. Beide Systeme müssen miteinander und dungs- und Kultureinrichtungen. Dazu gehören zum Bei- voneinander lernen, aber staatliche Bildungspolitik hat spiel zwei private Elitegymnasien. Für ein Airbus-Pro- auch die staatlichen Schulen im Blick zu haben. gramm. In Rostock bietet mein Land auch die Einrichtung einer internationalen Privatschule an.“ (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) (Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff: Richtig.) Präsident Hinrich Kuessner: Das Wort hat der Frak- tionsvorsitzende der CDU Herr Rehberg. Bitte sehr, Herr Nein, es ist eben nicht richtig. Rehberg. Abgesehen von der Tatsache, daß Rostock nur ein Eli- Eckhardt Rehberg, CDU: Herr Präsident! Meine Da- tegymnasium hat, nämlich das CJD, haben Sie vergessen men und Herren! zu erwähnen, daß Ihre Regierung gerade dabei ist, diesen Schulen den Geldhahn zuzudrehen. Kollege Bluhm, vielleicht kommen wir mal vom Allge- (Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.) meinen, in dem ich Ihnen ja zustimme, zum Konkreten. So ist das im Leben: Mit halben Wahrheiten, Herr Ring- (Andreas Bluhm, PDS: Kommen Sie doch storff, werden Sie keinen Airbus nach Mecklenburg-Vor- mal dazu! – Angelika Gramkow, PDS: pommern holen. Er redet doch noch mal. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Nach Ihnen.) (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) Herr Minister Kauffold, bedauern reicht nicht. Einsatz Der Ministerpräsident hat aber richtig erkannt, daß ist gefordert. Schulen in freier Trägerschaft wirtschaftliche Standortfak- toren sind. Wenn wir uns aber die Realitäten anschauen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU – wie es um das Potential an freien Schulen bestellt ist, Zuruf von Dr. Berndt Seite, CDU) dann haben wir gerade mal zwei Prozent der Schüler, die Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1393 in Schulen freier Trägerschaft geschult werden. Die Warte- Die CDU hat wieder mal ein Thema für sich entdeckt, listen an den Schulen sind lang. Warum? Weil offenkundig diesmal das Thema der Schulen in freier Trägerschaft. Ich ein gutes Bildungsangebot da ist, weil sich die Eltern davon habe den Eindruck, daß sie auch hier wieder einmal nach etwas erhoffen. Gucken Sie sich das CJD in Rostock mal dem Motto verfährt: „Was kümmert mich mein Geschwätz an! Schüler müssen abgewiesen werden, Räume sind von gestern?“. kaum vorhanden, Investitionsmittel knapp, und das Land (Dr. Hubert Gehring, CDU: Richtig.) trägt mittlerweile keinen Pfennig dazu bei. Das ist die Rea- lität, Herr Dr. Ringstorff! Wenn Sie also mit privaten Schu- Sie handeln nach dem Motto „Was nützt der CDU len werben – und das halte ich ja für gerechtfertigt –, dann populistisch am meisten, wo kann sie am meisten Honig statten Sie diese bitte auch so aus, daß man damit werben saugen?“, und es kümmert Sie dabei offensichtlich herz- kann, heute und in der Zukunft. Das ist Ihre Arbeit als Mini- lich wenig, daß Sie die ganze Angelegenheit, wie auch in sterpräsident von Mecklenburg-Vorpommern! diesem Falle, auf dem Buckel der Betroffenen austragen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU) (Harry Glawe, CDU: Ach, Frau Bretschneider, das stimmt ja nun wirklich nicht, was Sie da Ich habe schon die große Sorge, daß Schulen in freier erzählen. Das wissen Sie ganz genau. – Trägerschaft zumindest nicht neu gegründet werden kön- Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU) nen. Das heißt, daß diese Landschaft nicht weiter ausge- baut werden kann. Und ich habe auch die Sorge – das will die Menschen in diesem Land mit Ihren Debatten ge- ich Ihnen klar und deutlich sagen –, daß aufgrund der Pro- geneinander aufhetzen, so, wie Sie hier versuchen, das blematik der Zuschüsse das Schulgeld erhöht werden System der freien Träger gegen die staatlichen Schulen muß. Falls Sie das nicht wissen: An den Schulen in freier gegeneinander aufzubringen. und privater Trägerschaft wird insoweit Solidarität geübt, daß manche gar nichts bezahlen und manche erheblich (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – mehr bezahlen. Wenn Sie das jetzt um zehn Prozent kap- Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU) pen, dann müssen etliche mehr bezahlen, und die, die bis- Jetzt mal ganz davon abgesehen, Herr Riemann, daß her gar nichts bezahlen, müssen jetzt auch was bezahlen. sich die CDU – so kann ich mich noch sehr gut erinnern – Ich fordere Sie dringend auf, Herr Ministerpräsident: und auch die ehemalige Kultusministerin Frau Schnoor Lassen Sie Ihren Worten letzte Woche in Berlin Taten fol- doch sehr vehement gegen die Schulen in freier Träger- gen, drehen Sie den Schulen in freier Trägerschaft nicht schaft geäußert haben, den Geldhahn zu, damit sie weiter existieren und neue ge- (Steffie Schnoor, CDU: Bitte?) gründet werden können! – Danke. weil man ja seinerzeit vermutet hatte, daß dort ehema- (Beifall bei Abgeordneten der CDU) lige SED-Leute Unterschlupf gefunden hätten. Präsident Hinrich Kuessner: Das Wort hat die Abge- (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU) ordnete Frau Bretschneider von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Frau Bretschneider. Ihre Politik war nicht davon geprägt, daß Sie diese Schulform besonders unterstützt haben. Sylvia Bretschneider, SPD: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach 1989 wurden diejeni- (Wolfgang Riemann, CDU: Oh, wer gen, die flugs von heute auf morgen ihre politischen Über- hat Ihnen denn das aufgeschrieben?) zeugungen gewandelt haben, als Wendehälse bezeich- Ich kann heute nur bekräftigen, daß die Schulen in freier net. Ich habe den Eindruck, die CDU hat sich nicht nur Trägerschaft im Bundesland eine Perspektive haben. gewendet, sie bewegt sich momentan wie ein Brumm- kreisel in diesem Land. (Lutz Brauer, CDU: Deswegen stehen sie vor dem Parlament.) (Eckhardt Rehberg, CDU: Das ist die Schlammschlacht, Herr Schlotmann, die Sie Meine Vorredner aus der SPD- und PDS-Fraktion ha- befürchtet haben, das ist die Schlammschlacht, ben das bereits betont, die jetzt anfängt, ja, ja! – Glocke des Präsidenten) (Harry Glawe, CDU: Das sehen Und, Herr Rehberg, ich stelle mir zunehmend die Frage, die aber ein bißchen anders.) wenn ich Ihre Diskussionsbeiträge hier im Plenum verfolge und sie werden auch weiterhin eine Perspektive haben. (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber Brumm- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD) kreisel, das klingt doch richtig freundlich. – Eckhardt Rehberg, CDU: Schlammschlacht!) In unserem Regierungsprogramm hieß es dazu: „Wir So- zialdemokraten werden die Qualitätskontrolle und den Wett- und die Diskussion in der Öffentlichkeit, ob Sie über- bewerb sowohl der öffentlichen Schulen untereinander“ haupt ein politisches Verantwortungsbewußtsein für die- ses Land haben (Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU) (Harry Glawe, CDU: Das haben wir „als auch mit Schulen in freier Trägerschaft als Ergän- sehr wohl, das haben wir sehr wohl!) zungs- und Impulsgeber für alternative pädagogische Kon- zepte befördern.“ oder ob Sie das regelmäßig an der Garderobe abgeben, (Lutz Brauer, CDU: Papier ist geduldig.) wenn Sie diesen Plenarsaal betreten. Und daran wird sich auch nichts ändern. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Harry Glawe, CDU: Das ist Hintergrund der Attacken der CDU heute ist der Vor- ja unerhört! Das ist ja unerhört!) schlag der Landesregierung, das Schulgesetz zu ändern, 1394 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 und zwar den Förderhöchstsatz zu begrenzen und Warte- dann sollte man schon einige grundsätzliche Bemer- zeiten einzuführen. Ich denke, es ist durch den Beitrag kungen vorab sagen, damit man dann das Konkrete auch von Bildungsminister Professor Kauffold sehr deutlich fundiert darlegen kann. geworden, daß man – und das müßten Sie eigentlich am (Eckhardt Rehberg, CDU: besten wissen, weil Sie ja immer so sehr haushaltskom- Das habe ich doch gar nicht kritisiert.) petent sind – das Geld, was im Topf ist, nur einmal aus- geben kann. Wenn wir uns in der Pflicht sehen, weil das Die Rechtsprechung ist der Auffassung, daß mit den nämlich landespolitische Aufgabe ist, Schulen vorzuhal- Regelungen des Artikels 7 Grundgesetz das Grundrecht ten, öffentliche Schulen vorzuhalten, und wir uns darüber für jedermann auf die Einrichtung einer privaten Schule hinaus dazu alle bekennen, daß wir auch Schulen in freier besteht. Das bedeutet für diesen konkreten Fall eine Ab- Trägerschaft wollen, dann haben wir sehr wohl abzuwä- sage an das staatliche Bildungsmonopol. Dem haben wir gen, in welchem Verhältnis wir die vorhandenen Gelder in Rechnung zu tragen. Und nach einem Urteil des Bundes- diesem Bereich ausgeben können und wollen. verfassungsgerichts wird dem Staat die Pflicht auferlegt, „das private Ersatzschulwesen neben dem öffentlichen (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD) Schulwesen zu fördern und in seinem Bestand zu schüt- Das Grundgesetz, auf das sich in diesem Zusammen- zen.“ hang alle zu Recht berufen, enthält in Artikel 7 Absatz 4 In der sehr umfänglichen Rechtsprechung des Bundes- die Anerkennung der Gründungsfreiheit und die Garantie verfassungsgerichts, über die heute ja schon öfter gere- der Privatschule als Institution. Diesem Anspruch haben det wurde, gibt es auch sehr klare Aussagen zu den wir mit Teil 11 des Schulgesetzes sowie der daraus abge- Ansprüchen der Privatschulen einerseits und der staatli- leiteten Privatschulordnung auch Rechnung getragen. chen Förderung andererseits. So hat der Gesetzgeber Dementsprechend hat sich von 1992 bis 1999 die Anzahl dem Staat bei der Befriedigung des gesetzlichen An- der Schulen in freier Trägerschaft von 24 auf 49, also um spruchs der Privatschulen auf Schutz und Förderung 104 Prozent, erhöht. Nach der Haushaltsplanung für das einen verfassungsrechtlich unstrittigen Gestaltungsspiel- Jahr 2000 werden es ab dem 01.08.2000 insgesamt sogar raum eingeräumt. Die Pflicht zur Förderung steht – wie bei 59 Schulen sein. Allein im Bereich der allgemeinbildenden allen Freiheitsrechten üblich – unter dem Vorbehalt des- Schulen in freier Trägerschaft wird sich die Anzahl von sen, was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartet 1997 mit 16 Schulen auf 41 Schulen oder eben um 156 Pro- werden kann. zent erhöht haben, meine Damen und Herren von der CDU. Der Gesetzgeber ist demnach verpflichtet, die anderen Die logische Folge davon ist auch, daß sich der Landes- Gemeinschaftsbelange und das gesamtwirtschaftliche zuschuß von knapp 23 Millionen DM in 1997 auf über Gleichgewicht zu berücksichtigen, und er hat ebenso das 40 Millionen DM erhöhen würde, wenn wir alles so belas- Recht, die begrenzten öffentlichen Mittel auch für andere sen würden, wie es momentan ist. Und da hätte ich dann Zwecke einzusetzen. Bei den notwendigen allgemeinen gerne von Ihnen, von der CDU nämlich, gewußt, wie wir Kürzungen aufgrund der finanzpolitischen Rahmenbedin- diese Erhöhung im Landeshaushalt kompensieren wollen. gungen ist er befugt, weniger Mittel für die staatlichen, (Marin Brick, CDU: Das geben wir Ihnen gerne.) aber auch die privaten Schulen zur Verfügung zu stellen. Er kann also bei notwendigen allgemeinen Kürzungen den Dazu haben Sie nämlich heute mal wieder nichts, aber Gesamtumfang der Finanzen für das gesamte Schulwe- auch gar nichts Konstruktives in diesem Hohen Hause ge- sen vermindern. sagt. Um jetzt Mißverständnissen vorzubeugen – das ist (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD) höchstrichterliche Rechtsprechung. Ob der Staat das Mit der erwähnten Gesetzesänderung wird in der Mit- allerdings tut, obliegt seiner Entscheidung. Ob das dann, telfristigen Finanzplanung dieser Zuschuß gedeckelt. Ich wenn er es tut, nützlich ist und damit nicht in beiden Fäl- denke, das müssen wir tun, weil, wie gesagt, der Topf nur len an der falschen Stelle gespart wird, ist eine Frage der einmal da ist und er nur einmal ausgegeben werden kann. Einstellung, der sachlichen Betrachtung und der Prioritä- Hervorheben möchte ich aber, daß dieser Zuschuß mit tensetzung von Politik. etwa 8.000 DM je Schüler in Privatschulen ungefähr dem (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) entspricht, was das immerhin wohlhabende Nordrhein- Westfalen auch ausgibt. Und bei den Ausgaben der Der Buchhalter mit dem Hang und der Pflicht zur aus- Schüler in öffentlichen Schulen liegen wir weit darunter. geglichenen Bilanz wird das bejahen, der Bildungspoliti- Aus Zeitgründen muß ich jetzt leider Schluß machen. Ich ker, die Eltern, Schüler und Lehrer werden das verneinen. hätte noch viel dazu zu sagen. – Ich bedanke mich. (Angelika Gramkow, PDS: (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Manchmal auch ein Finanzer.) Präsident Hinrich Kuessner: Das Wort hat noch ein- Und man kann diesen gordischen Knoten entweder mit mal der Abgeordnete Herr Bluhm von der PDS-Fraktion. der bildungspolitischen oder mit der finanzpolitischen Bitte sehr. Keule zerschlagen. Meine Damen und Herren, Sie werden es mir sicher nachsehen, wenn ich das mit der bildungs- Andreas Bluhm, PDS: Herr Präsident! Meine Damen politischen Keule bevorzuge. und Herren! Auf die prekäre Finanzsituation des Landes muß ich an Ja, Herr Rehberg, so ist das mit der Einheit von Allge- diesem Ort nicht noch mal eingehen. Sie ist Ihnen allen meinem und Konkretem. Wenn das Thema „Perspektive bekannt. Wir sind ja inzwischen der sprichwörtlich nackte der Schulen in freier Trägerschaft“ heißt, Mann, dem man nicht mehr in die Tasche fassen kann. Für (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: meine Fraktion allerdings muß ich sagen, wir haben uns Ist er überhaupt noch da?) nicht selbst und schon gar nicht freiwillig ausgezogen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1395

Aber gut, das von der CDU beantragte Thema dieser „Lieber Landtag, ich gehe sehr gern in die Waldorf- Aktuellen Stunde hat ja eigentlich die Änderung des schule und wäre traurig, wenn ich das nicht mehr könnte.“ Schulgesetzes hinsichtlich der Personalkostenzuschüsse – Georg Rollin, heute früh vor diesem Landtag. für die Schulen in freier Trägerschaft zum Inhalt, über das Herr Bildungsminister Kauffold, als ich Sie heute reden im Rahmen der Haushaltsberatungen in den Fachaus- hörte, dachte ich, wir hätten einen neuen Finanzminister. schüssen zu reden sein wird. Im Ausschuß für Bildung, Wissenschaft und Kultur ist eine Anhörung zu diesem (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Thema beschlossen. Meine Fraktion hat in den letzten Heike Lorenz, PDS: Das haben Sie vorher Wochen mit Vertretern von Schulen in freier Trägerschaft aufgeschrieben. Das ist überhaupt nicht wahr.) und ihren Verbänden intensive Gespräche geführt, ich möchte betonen, sehr sachliche und informative Ge- Und, Frau Bretschneider, Geld ist nur einmal ausgebbar spräche. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle aus- – da haben Sie recht. Aber wir können gerne mal den Be- drücklich bedanken. richt des Landesrechnungshofs gemeinsam durchgehen, und wir können gerne mal in den Haushalt 2000 hinein- Aus finanzpolitischer Sicht wäre eine Kürzung von zehn schauen, wo Geld sinnlos verpulvert wird. Prozent in Jahresscheiben von fünf Prozent, die allerdings nicht alle Schulen betrifft, natürlich eine Einsparung. Das (Beifall bei Abgeordneten der CDU) ist mathematisches Grundlagenwissen, egal wieviel Fall- Schulen in freier Trägerschaft, zahlen ich denn habe. Für den Gesamthaushalt ist das sich daraus ergebende Einsparvolumen am Gesamthaus- (Zuruf von Gerd Böttger, PDS) halt gemessen eher gering. Privatschulen sind das Thema der heutigen Aktuellen (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) Stunde. Privat ist dieser Landesregierung ein Greuel. Die Folgen allerdings für die Schulen und die Kinder (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: sind beträchtlich, insbesondere für die Schulen, deren Ach, das ist ja ...!) Träger Elterninitiativen sind und die über eine sehr gerin- Privatkapital muß beschnitten werden, Privatvermögen ge Finanzkraft verfügen. Wir halten deshalb das unter die- ist zu besteuern, sen Gesichtspunkten vorgelegte Gesetz für ein bildungs- politisch falsches Signal. (Angelika Gramkow, PDS: Richtig!) (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) Privatbesitz zu enteignen. Unstrittig ist, daß auch an den staatlichen Schulen ge- (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: kürzt wurde und wird, aber auch das ist bildungspolitisch Was haben Sie denn bloß für fatal. ideologische Kriegserklärungen?!) (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) Und in diese Reihe fügen sich Nun könnte man sich trösten und wenigstens eine (Unruhe bei einzelnen Abgeordneten Gleichbehandlung in der Not feststellen. Aber, meine der PDS – Glocke des Präsidenten) Damen und Herren, was nützen uns solidarische Notge- Schulen in freier Trägerschaft meinschaften? Wir brauchen Bildung für die Zukunft die- ses Landes. Und deshalb ist in den Beratungen auch zu (Sylvia Bretschneider, SPD: fragen, welche finanzpolitischen Aspekte sich ergeben, Wir haben doch keine Märchenstunde.) wenn die Schülerzahlen weiter zunehmen und die Basis in die Ideologie der Politik der Landesregierung nahtlos der Berechnung die Schülerkostensätze sind, und welche ein. Wirkungen sich daraus für den Bestand der Schulen erge- ben. Präsident Hinrich Kuessner: Entschuldigen Sie, Herr Riemann, die Unterbrechung. Ich bitte, dem Redner zu- Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Frak- zuhören. Es ist üblich in dieser Debatte, daß jemand seine tion der PDS wird in den Beratungen zum Haushalts- Meinung sagt, daß man ihm zuhört und anschließend rechtsgesetz die geplanten Regelungen kritisch hinter- seine eigene Meinung sagen kann. Bitte sehr. fragen und sie hinsichtlich ihrer Auswirkungen und Fol- gen kritisch prüfen. Vielleicht gelingt es ja doch noch, (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: fraktionsübergreifend eine Lösung in diesem Lande zu Aber man darf auch sein Mißfallen äußern!) finden. Herr Schoenenburg, ich gebe Ihnen einen Ordnungsruf. (Beifall bei Abgeordneten der PDS Wolfgang Riemann, CDU: Herr Schoenenburg, dieses und Dr. Berndt Seite, CDU) Mißfallen haben Sie in Moskau gelernt. Präsident Hinrich Kuessner: Das Wort hat der Abge- Präsident Hinrich Kuessner: Herr Riemann, bitte! ordnete Herr Riemann von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Riemann. Herr Schoenenburg, ich gebe Ihnen einen Ordnungsruf wegen Kritik an meinem Verhalten und meinen Äußerun- Wolfgang Riemann, CDU: Herr Präsident! Meine Da- men und Herren! gen. Ich bitte, künftig darauf zu achten, ich werde da stär- ker durchgreifen. Das habe ich vorhin schon mal gesagt. Herr Bluhm, die Worte hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Wolfgang Riemann Glaube. , CDU: Wer für Schulen, die nicht- staatlich sind, plädiert, ist der privaten Initiative verdäch- (Gerd Böttger, PDS: Das ist bei Ihnen ja nichts tig. Er ist verdächtig, der Allmacht staatlicher Schulpolitik Neues. – Zuruf von Andreas Bluhm, PDS) zu entfliehen. Chancen von Schülern, konfessionelle Bin- 1396 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 dung, ideologische Freiheit werden nicht geachtet. Des- 90 Prozent decken die tatsächlichen Kosten für einen halb ist diese Aktuelle Stunde wichtig, weil es um gleich- Schüler nicht ab. berechtigte, um gerechte Chancen für Kinder und Ju- (Angelika Gramkow, PDS: Das ist ja klar.) gendliche Praxiswerte zeigen, daß mit diesen 90 Prozent zum Teil (Zuruf von Dr. Arnold Schoenenburg, PDS) nur 50 bis 60 Prozent der tatsächlichen Kosten abgedeckt in der Ausbildung geht. Der Leistungsgedanke ist der werden. Daher ist es bewußte Augenwischerei, wenn in SPD und PDS fremd. diesem Land einige Kräfte suggerieren wollen, daß freie Schulen ja nur noch 10 Prozent drauflegen müssen, um (Zuruf von Reinhard Dankert, SPD) sämtliche entstehende Kosten einer Schule zu decken. Leistung ist nicht gewünscht, Eine solche Philosophie kann sich ein Bildungsminister (Zurufe von Andreas Bluhm, PDS, in seinem Bereich eigentlich nicht leisten. Das Beispiel – und Dr. Arnold Schoenenburg, PDS) und auch seine Rede heute früh – zeigt, daß er sich mit dieser Schulform noch gar nicht auseinandergesetzt hat, Gleichmacherei ist das Ideal von Rot-Rot. (Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD) (Andreas Bluhm, PDS: Mein Gott!) obwohl sie seine volle Aufmerksamkeit haben müßte, Ich schreibe meine Reden in der Regel selber, Herr denn in dieser Schulform wird Leistung erbracht – und Bluhm. Leistung will unser Bildungsminister ja angeblich auch. (Unruhe bei Abgeordneten der SPD und PDS – Aber über dieser Landesregierung klaffen Worte und Ta- Heiterkeit bei Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: ten des öfteren weit auseinander. Ja, das spricht für sich, spricht für sich. – (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Klaus-Michael Körner, SPD: Reinhard Dankert, SPD: In 98 Prozent der ande- Das merkt man.) ren Schulen werden auch Leistungen erbracht.) Herr Präsident, meine Damen und Herren, nach dem Meine Damen und Herren, die Schere zwischen den Grundgesetz Personalkostenzuschüssen und den tatsächlichen Kosten (Glocke des Präsidenten) läßt sich an einem eindrucksvollen Beispiel manifestieren. In Schleswig-Holstein wurde 1998 eine Volksinitiative und dem Land... „Schule in Freiheit“ abgelehnt. Die Begründung war ein- (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: deutig: Eine Vollkostenerstattung hätte das Land Schles- Dummheiten tun weh.) wig-Holstein 50 Millionen DM jährlich mehr gekostet, wenn es von seinen bisherigen Zuschußregelungen im Ja, Wahrheiten tun weh. Interesse der Initiative abgewichen wäre. Eine solche Rechnung sollten die Schulen in freier Trägerschaft in Nach dem Grundgesetz und dem Landesschulgesetz Mecklenburg-Vorpommern auch einmal aufmachen, und haben Schulen in freier Trägerschaft Anspruch auf Förde- so mancher hier im Saal könnte sehen, wieviel diese rung. Derzeit gewährt das Land Mecklenburg-Vorpommern Schulen dem Land wirklich ersparen. Personalkostenzuschüsse in Höhe von bis zu 90 Prozent. Die Höhe der Bewilligung der Zuschüsse hängt von einem Und – ich sehe, das Lämpchen leuchtet – Kriterienkatalog ab, der durch das Ministerium für Bil- dung, Wissenschaft und Kultur im Rahmen einer Privat- (Sylvia Bretschneider, SPD: Gott sei schulverordnung erstellt wird. Die Schule in freier Träger- Dank! – Volker Schlotmann, SPD: schaft hat keinen Anspruch auf die Erstattung von Bauko- Das sehen wir seit fünf Minuten.) sten. Sie kann einen Zuschuß zu den Baukosten beantra- das Land sollte sich dieser Verantwortung für die Schu- gen, der nach Maßgabe des Landeshaushaltsplanes len ... bewilligt werden kann, aber nicht muß. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, daß Schulen in freier Trägerschaft Präsident Hinrich Kuessner: Herr Riemann, wenn Sie kaum Baukostenzuschüsse erhalten haben. Mit dem das sehen, haben Sie zum Schluß zu kommen. Haushalt 1999 hat die Landesregierung die Schulbauför- Wolfgang Riemann, CDU: ... in freier Trägerschaft be- derung komplett eingestellt, so daß in absehbarer Zukunft wußt sein. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. die Chancen auf Baukostenzuschüsse gleich Null sind. (Beifall bei Abgeordneten der CDU) (Angelika Gramkow, PDS: Da haben wir noch 50 Millionen Präsident Hinrich Kuessner: Das Wort hat der Abge- IFG-Mittel für die kommunale Ebene.) ordnete Herr Körner von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Herr Körner. So stellt sich grob die Förderkulisse für die Schulen in freier Trägerschaft in Mecklenburg-Vorpommern dar, Frau Dr. Klaus-Michael Körner, SPD: Herr Präsident! Gramkow. Meine Damen und Herren Abgeordnete! Zwei Prozent ma- chen von sich reden, weil sie etwas zu sagen haben. Zwei Und das soll jetzt noch geändert werden. Die Personal- Prozent sind eine Minderheit, aber sie schaffen es, daß kostenzuschüsse werden auf maximal 80 Prozent be- wir, die wir ja nicht immer über Minderheiten ernsthaft grenzt. Neue Schulen bekommen im ersten Jahr gar keine reden, in diesem Hause uns eine ganze Stunde nehmen, Zuschüsse, womit weitgehend ausgeschlossen wird, daß um über ihre Probleme zu reden, und sie schaffen es auf in Mecklenburg-Vorpommern noch weitere freie Schulen eine Art und Weise, die unpolemisch ist, die differenziert entstehen. Aber auch die Begrenzung auf 80 Prozent der ist. Und wer das heute vor dem Schloß gesehen hat – das Personalkostenzuschüsse ist nicht hinnehmbar. Schon war schön anzuschauen. Es waren schon ganz andere Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1397

Veranstaltungen mit ganz anderen Intentionen hier vor ten, die weiterführt, das scheint mir die eigentliche Aufga- diesem Schloß. be. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – einzelnen Abgeordneten der PDS Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig.) und Renate Holznagel, CDU) Präsident Hinrich Kuessner: Das Wort hat noch mal Sie schaffen es, weil sie etwas zu sagen haben. Diese die Abgeordnete Frau Schnoor von der CDU-Fraktion. zwei Prozent sind eine enorme Bereicherung. Sie haben Bitte sehr, Frau Schnoor. ein Konzept, das abweicht von anderen, sie haben eine Steffie Schnoor, CDU: Herr Präsident! Meine sehr ge- differenzierte Leistungsorientierung, sie haben eine be- ehrten Damen und Herren! Frau Bretschneider, leider sondere Fähigkeit, integrativ zu wirken, sie haben eine habe ich jetzt in den fünf Minuten nicht die Zeit, auf Ihre besondere Atmosphäre von Lernen und Leben, ein bei- Ausführungen einzugehen. Ich kann nur das eine sagen: spielhaftes Miteinander von Kindern, Eltern und Pädago- Die Betroffenen wissen es besser. gen – damit bereichern sie. Wer bereichert, hat auch eine Bedeutung, eine pädagogische Bedeutung, eine soziale (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Bedeutung, eine wirtschaftliche, eine beispielgebende für Harry Glawe, CDU: Richtig.) öffentliche Schulen, aber vom Klima her durchaus auch für die Schule Landtag. Meine Damen und Herren, warum sagen wir „Schulen in freier Trägerschaft“ und nicht „Privatschulen“? Der Mythos (Reinhard Dankert, SPD: der Privatschule für Privilegierte, wie es so schön heißt, ist Die ist ja nun öffentlich-rechtlich.) längst Historie. In Deutschland firmiert diese Schulart im Grundgesetz zwar noch immer unter Privatschule, wobei Deshalb mein besonderer Dank an die CDU-Fraktion, der Begriff unter modernen Gesichtspunkten mehr als Pri- daß sie diesem Parlament die Möglichkeit gibt, daß alle vatinitiative im weitesten Sinne zu verstehen ist. Freie Eltern- Fraktionen – und so war mein Eindruck bisher – einver- initiativen – die bekanntesten sind übrigens die Waldorf- nehmlich sagen, wir wollen diese Schulen, schulen – prägen das Bild dieser Schulart in Mecklenburg- (Beifall bei Abgeordneten der SPD Vorpommern und bundesweit. Daher trifft der Begriff „Pri- und einzelnen Abgeordneten der PDS) vatschule“ schon längst nicht mehr die eigentliche Struktur dieser Schulart, und es ist höchste Zeit, sich von dieser und wir wollen damit den Eindruck korrigieren, als wenn Legende zu verabschieden und damit auch von der Mär, es in diesem Land irgendeine Fraktion gäbe, die diese daß bestimmte soziale Schichten von dieser Schulart von Schulen nicht will. vornherein ausgeschlossen seien. Jede Schule in freier (Beifall Heidemarie Beyer, SPD) Trägerschaft ist für jeden Schüler, aus welchem sozialen Umfeld auch immer, offen. Und damit, meine Damen und Herren von der CDU, aber auch von der PDS und von der SPD, diese Schulen (Gerd Böttger, PDS: Na ja.) haben Perspektive, sie werden gebraucht, denn sie sind In diesen Einrichtungen funktioniert das Solidarprinzip, eine Bereicherung, sie haben eine Bedeutung. Wir wollen ein Prinzip, das sich die Schulen selbst auferlegt haben. diese Schulen. Wir wollen auch diese Schulen neben und Selbst das von Frau Bretschneider argwöhnisch im Blick mit den öffentlichen Schulen. Und Sie wissen, daß man- gehaltene Schloßgymnasium Torgelow bietet Stipendien ches an den öffentlichen Schulen schwerfälliger und an. Hier wird soziale Gerechtigkeit gelebt. manchmal auch ein bißchen rückständiger ist. Aber gera- de deshalb wollen wir nicht, daß diese zarte Pflanze Meine Damen und Herren, schauen Sie sich bitte ein- „Schulen in freier Trägerschaft“ verkümmert. Wir wollen mal die Trägerstruktur der Schulen in freier Trägerschaft aber auch nicht, daß der alte Baum „öffentliche Schule“ an. In Mecklenburg-Vorpommern haben sich vor allem verdorrt. Elterninitiativen in diesem Bereich engagiert, die weder Gewinnmaximierung durch Schule betreiben noch ein Und hier sind in der Tat nicht nur Lippenbekenntnisse ausdrückliches Interesse daran haben, Schulen für Kinder gefordert. Hier geht es nicht nur darum zu sagen, hier ist der sogenannten oberen Zehntausend zu schaffen. doch eine Fraktion möglicherweise dafür oder dagegen, sondern es steht eine Arbeitsaufgabe, der sich unsere Diesen Anspruch erheben auch nicht die konfessionel- Kultusleute zu stellen haben. len Schulen. Die sind in Fragen sozialer Gerechtigkeit noch einen Schritt weiter gegangen. So sind die katholi- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten schen Grundschulen nicht reine katholische Grundschu- der SPD und PDS) len, sondern zu einem Drittel katholisch, zu einem Drittel Diese Arbeitsaufgabe lautet ganz konkret: Gibt es eine evangelisch und zu einem weiteren Drittel konfessionslos. Möglichkeit – und wenn ja, wie –, daß sich Schulen in frei- (Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS – er Trägerschaft in die Schulnetzplanung integrieren las- Gerd Böttger, PDS: So viele sen? Das ist eine ganz wesentliche Frage, mit der sich Katholiken gibt’s ja nicht.) dann auch Fragen von Förderung und Finanzierung mit erledigen. Und die zweite Frage: Wie läßt sich ein Konzept Diese Schulen sind keine geschlossene Gesellschaft, finden, in dem öffentliche und Schulen in freier Träger- ganz im Gegenteil. schaft in einer fruchtbaren Auseinandersetzung pädago- Meine Damen und Herren, in den meisten dieser Schu- gischer Art, leistungsorientierter Art, atmosphärischer Art len engagieren sich viele Eltern gemeinnützig. Da das in ein Miteinander treten? Land keine Baukostenzuschüsse mehr bereitstellt, sind Offensichtlich ist die Situation gegenwärtig so, daß ein viele Schulgebäude dieser Schulart in einem sehr ma- Nebeneinander beider Strukturen dazu führt, daß beide roden Zustand. Für die Außensanierung fehlen die Mittel, nicht richtig leben können. Hier an einer Struktur zu arbei- und für die Innensanierung greifen die Eltern noch einmal 1398 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 selbst tief in die Tasche, kaufen Tapeten und Farbe und zur nächsten Schule in freier Trägerschaft. Von Balow, gestalten nach Feierabend die Schulräume ihrer Kinder. einem der südlichsten Schulstandorte, jedoch dürften es etwa 60 Kilometer bis zur nächsten Schule in freier Trä- Es gibt kaum ein Anspruchsdenken gegenüber der gerschaft sein. Das sind die strukturellen Fakten im Schul- Schule. Es gibt vielmehr ein gezieltes Anspruchsdenken bereich eines ländlichen Kreises dieses Landes. gegenüber den Kindern und deren Lernbedingungen. Und diese beeinflussen die Eltern mit ihrem Engagement Ich wünschte mir für alle Schüler meines Landkreises direkt. Dabei werden sie unterstützt von Lehrern, die zu- Bedingungen wie zum Beispiel die Ausstattung und vor meist von 7.00 bis 17.00 oder 18.00 Uhr in der Schule prä- allem die Lehrer-Schüler-Relation freier Schulen. Diese sent sind. Die freien Schulen leisten mit ihrer Arbeit, mit betrug nach einer Antwort der Landesregierung an der dem Zusammenwirken von Eltern, Lehrern und Schülern Hauptschule in Krassow 18 Schüler auf 6 Lehrer, aller- einen unschätzbaren Beitrag zum demokratischen und dings Stand April 1998. Doch selbst im Landesdurch- selbstverwalteten Gemeinwesen. Dieser Beitrag läßt sich schnitt aller allgemeinbildenden freien Schulen liegt diese allerdings nicht in Zahlen messen. Oder vielleicht doch? nach den Angaben des Haushaltsplanentwurfes für 2000 Die ständig steigende Zahl nämlich derer, die ihr Kind an zwischen zwei und zehn Schülern je Lehrer niedriger als in einer Schule in freier Trägerschaft beschulen möchten, öffentlichen Schulen. Auch wenn es zumindest tendenzi- kann schon als ein Gradmesser für die Attraktivität dieser ell stimmt, daß dies auch von den Eltern über das Schul- Schulen herangezogen werden. geld mit bezahlt wird, so bin ich mir sicher, daß etliche Eltern bei uns auch hierzu beitragen würden, wenn nur die In den letzten 80 Jahren haben die freien Schulen einen grundsätzlichen Bedingungen dazu existieren würden. gewichtigen Beitrag zur Entwicklung von Erziehung und Bildung in Deutschland geleistet. Und ohne die Waldorf- Daß dies so nicht grundsätzlich geht, ist uns allen klar. schulen zum Beispiel wären die integrierten Gesamtschu- Das vor allem auch deshalb, weil selbst dann, wenn in den len in Deutschland undenkbar. Neue pädagogische For- zentralen Städten des Landkreises eine men werden zuerst in diesen Schulen erprobt, Schule in freier Trägerschaft vorhanden sein würde, damit noch längst nicht die unterschiedlichsten Wünsche hin- (Zuruf von Heike Lorenz, PDS) sichtlich des pädagogischen oder religiösen beziehungs- setzen sich dort durch und gelten dann als Modelle für weise weltanschaulichen Profils befriedigt werden könn- das staatliche Schulwesen. Die pädagogische Vielfalt an ten. Man bedenke, daß es allein in Schwerin acht und in diesen Schulen ist auch ein Garant dafür, daß an der staat- Rostock sechs Schulen in freier Trägerschaft gibt, die ein lichen Schule in Sachen Pädagogik kein Stillstand herrscht. ganz breites Angebot in kürzester Entfernung bieten. Unter anderem auch aus diesem Grunde muß der Staat Meine Damen und Herren, Schulen in freier Träger- dazu beitragen, daß allen Schülerinnen und Schülern, und schaft verdeutlichen wie keine andere Schulart die Vielfalt zwar auch denen im ländlichen Raum, im öffentlichen des Bildungswesens eines Landes. Finden sich Eltern und Schulwesen eine schulische Ausbildung geboten wird, die andere Initiativen, die mit besonderen pädagogischen ihnen gleiche Chancen einräumt. Konzepten und unter Einschluß erheblicher finanzieller Risiken eine Schule eröffnen möchten, dann sollte das (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS Land diese Initiativen begrüßen und maximal fördern, und Dr. Manfred Rißmann, SPD) ohne ihnen pädagogische Konzepte und Schulstrukturen zu diktieren, die den Einfallsreichtum dieser engagierten Ungeachtet dieses grundsätzlichen Auftrages gibt es Bürger staatlich beschränken. schon jetzt faktische Nachteile für die Kinder im ländli- chen Raum, und bei uns sind diese noch belastender als Der Staat sollte seine Aufsichtspflicht im Sinne des anderswo, wenn man sich angesichts der Weitflächigkeit Schulgesetzes und der entsprechenden Bildungsziele die Schulwege vor Augen führt. Aus diesem Grunde ist es wahrnehmen, dann aber den nötigen Spielraum ge- für mich nicht einsehbar, daß die Kinder in den größeren währen, um diese Ziele zu erreichen. Einer demokratisch Städten nicht nur objektiv günstigere Bedingungen im gewählten Regierung steht es gut an, seinen Wählern die- öffentlichen Schulwesen haben, sondern daß ihnen auch ses Vertrauen entgegenzubringen. noch zu Lasten des ländlichen Raumes zusätzliche und Und bitte noch einen Satz. Meine Damen und Herren, standardbezogen besonders gute Angebote unterbreitet lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, daß die ge- werden können. Mit der Änderung des Schulgesetzes plante Schulgesetzveränderung nicht umgesetzt wird und bezüglich der Schulen in freier Trägerschaft ist dieser die Schulen in freier Trägerschaft sich weiterhin gut ent- Aspekt natürlich nicht intendiert gewesen, aber ich gebe wickeln können! zu bedenken, daß wir das Verfassungsgebot, für relativ gleiche Lebensbedingungen im ganzen Land zu sorgen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU) auch in bezug auf den Nachteilsausgleich zwischen Stadt und Land achten müssen. Präsident Hinrich Kuessner: Als letzte Rednerin hat das Wort Frau Seemann von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Ich persönlich hätte grundsätzlich keine Bedenken ge- Frau Seemann. gen eine weitere pluralistische Ausdifferenzierung des Dr. Margret Seemann, SPD: Herr Präsident! Meine Da- inhaltlichen Schulangebots. Da das aber faktisch nicht men und Herren Abgeordnete! Nachdem meine Vorredner möglich ist, halte ich es für dringlich geboten, in den so etwa alles Grundlegende zum Thema der Schulen in frei- öffentlichen Schulen die Lehrkräfte so zu befähigen, die er Trägerschaft gesagt haben, möchte ich abschließend als unterschiedlichsten pädagogischen Konzepte zu probie- Abgeordnete eines durchweg ländlich strukturierten Land- ren beziehungsweise umzusetzen, um auch den Kindern kreises zu einem speziellen Aspekt sprechen. im ländlichen Raum breite Entfaltungsmöglichkeiten ent- sprechend ihren konkreten Veranlagungen einzuräumen. Von Wittenförden, dem nördlichsten Bereich des Land- Das setzt eine konzentrierte Fort- und Weiterbildung so- kreises Ludwigslust, ist es etwa zehn Kilometer weit bis wie eine Modifizierung der Ausbildung von Lehrern vor- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1399 aus. Aber in diesem Zusammenhang ist auch die Umset- Zukunft keinen finanziellen Spielraum, um überhaupt noch zung des Landesprogramms zur Qualitätssicherung und was im Kinder- und Jugendbereich zu machen. Und das -entwicklung von Bedeutung. sollten Sie sich, denke ich mal, vor Augen führen! (Angelika Gramkow, PDS: (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Das ist finanziell zu untersetzen.) Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU) Der Ausbau von Schulen in freier Trägerschaft wird Präsident Hinrich Kuessner: Ich schließe die Aus- aufgrund der von mir genannten Gründe in Verbindung sprache. mit der Tatsache, daß Schulen in freier Trägerschaft nicht – das ist heute schon gesagt worden – bei der Ich rufe auf den Zusatztagesordnungspunkt 1: Nach- Schulentwicklungsplanung berücksichtigt werden, ganz wahl einer Schriftführerin des Landtages. Hierzu liegt objektiv nur wenigen, und ich sage bewußt, nur wenigen Ihnen ein Wahlvorschlag der Fraktion der PDS auf Druck- Schülern zugute kommen, und damit meine ich nicht sache 3/766 vor. abhängig vom Geldbeutel der Eltern, sondern unter Nachwahl einer Schriftführerin des Landtages anderem auch abhängig von der Entfernung zu der jeweiligen Schule. Wahlvorschlag der Fraktion der PDS: Nachwahl einer Schriftführerin des Landtages Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Niemand, nie- – Drucksache 3/766 – mand in der SPD-Fraktion hat – so, wie es die CDU ver- sucht, es uns zu unterstellen – etwas gegen Schulen in Insoweit ist an unseren Beschluß in der konstituieren- freier Trägerschaft. den Sitzung am 26. Oktober 1998 zu erinnern, wonach für diese Wahlperiode festgelegt wurde, jeweils drei Schrift- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD) führer und drei stellvertretende Schriftführer zu wählen. Im Gegenteil, meine Fraktion hat immer wieder betont, Meine Damen und Herren! Nach Artikel 32 Absatz 4 un- daß sie eine wesentliche Bereicherung des Bildungsspek- serer Landesverfassung in Verbindung mit Paragraph 50 trums sind. Mich persönlich fasziniert vor allem das Enga- Absatz 5 unserer Geschäftsordnung muß bei Wahlen gement aller an Schule Beteiligten und vor allen Dingen geheime Abstimmung stattfinden. Sie erfolgt durch die auch der Eltern. Abgabe von Stimmzetteln. Nach Artikel 32 Absatz 1 unse- Es darf jedoch nicht zugelassen werden, daß allein im rer Landesverfassung in Verbindung mit Paragraph 48 öffentlichen Schulwesen Optimierungen und Einsparun- Absatz 1 unserer Geschäftsordnung wählt der Landtag gen erwartet werden. Meine Damen und Herren von der mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. PDS-Fraktion, Wir kommen zur Wahl. (Harry Glawe, CDU: Aha! Oh!) Den für die geheime Abstimmung allein gültigen das hat auch was mit Gerechtigkeit zu tun. weißen Stimmzettel erhalten Sie nach Aufruf Ihres Namens vom dafür zuständigen Schriftführer. Auf dem (Andreas Bluhm, PDS: Stimmzettel ist der Name der Kandidatin aufgeführt. Ich Na das haben wir doch gesagt.) bitte Sie, sich nach Erhalt des Stimmzettels in die Wahl- Und wenn Sie ankündigen, daß Sie eine Veränderung kabine zu meiner Linken zu begeben. Sie dürfen Ihren bei dem Gesetz wollen, dann hoffe ich, daß wir gemein- Stimmzettel nur in der Kabine ankreuzen und müssen sam in den Ausschüssen und vor allen Dingen Sie dann ebenfalls noch in der Kabine den Stimmzettel in den auch einen Vorschlag unterbreiten werden, aus welchem Umschlag legen. Bevor Sie den Umschlag mit Ihrem Topf das finanziert werden soll. Stimmzettel in die Abstimmungsurne, die sich hier vor mir befindet, geben, bitte ich Sie, Ihren Namen zu nen- (Angelika Gramkow, PDS: Ja, natürlich. – nen. Die Stimme ist ungültig, wenn der Stimmzettel nicht Harry Glawe, CDU: Das macht Herr Bluhm.) amtlich hergestellt ist, keine Kennzeichnung bei „ja“, Im übrigen brauchen wir auch keinen Hinweis darauf, „nein“ oder „Enthaltung“ enthält, außerhalb der Kabine daß in den Ausschüssen Veränderungen von Gesetzen gekennzeichnet wurde, einen Zusatz oder Vorbehalt erfolgen. Das ist doch schon mehr als einmal passiert, das enthält, zerrissen ist, den Willen des Abgeordneten nicht ist doch keine Besonderheit. zweifelsfrei erkennen läßt. (Beifall Dr. Manfred Rißmann, SPD – Bevor ich die Wahl eröffne, bitte ich die Schriftführer, sich Angelika Gramkow, PDS: Legen Sie davon zu überzeugen, daß die Abstimmungsurne leer ist. Ihre Vorstellungen mal auf den Tisch!) (Die Schriftführer überzeugen sich davon, Und, Frau Kollegin Schnoor, die Regierung Ringstorff daß die Wahlurne leer ist.) ist gerade dabei, Danke. (Angelika Gramkow, PDS: Ich habe es langsam satt, jedesmal dafür ange- Ich eröffne die geheime Abstimmung zur Nachwahl zählt zu werden. Das ist doch wahr!) einer Schriftführerin des Landtages Mecklenburg-Vor- mit ihrer Politik den Kindern und Jugendlichen eine Zu- pommern. Ich bitte den Schriftführer zu meiner Linken, die kunft zu bieten. Namen der Abgeordneten in alphabetischer Reihenfolge aufzurufen. (Zuruf von Harry Glawe, CDU) (Die geheime Wahl wird durchgeführt.) Wenn Sie auf Bundesebene, wo Sie uns 1.500 Milliar- den DM Schulden hinterlassen haben, und auf Landes- Haben alle Mitglieder des Hauses, die sich an der Wahl ebene so weitergewurstelt hätten, hätten wir nämlich in beteiligen wollen, ihre Stimme abgegeben? – Wenn dies 1400 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 der Fall ist, schließe ich die geheime Abstimmung und sind die Artikel 1 und 2 sowie die Überschrift in der Fas- unterbreche die Sitzung für etwa zehn Minuten für die sung des Gesetzentwurfes der Landesregierung auf Auszählung der Stimmen. Drucksache 3/437 einstimmig angenommen. Unterbrechung: 11.51 Uhr Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf im ganzen in der Fassung des Wiederbeginn: 11.58 Uhr Gesetzentwurfes auf Drucksache 3/437 zuzustimmen Präsident Hinrich Kuessner: Die unterbrochene Sit- wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenpro- zung ist wieder eröffnet. be. – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf auf Drucksache 3/437 einstimmig angenommen worden. Ich gebe das Ergebnis der Nachwahl einer Schriftführe- rin des Landtages Mecklenburg-Vorpommern bekannt. Es Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3: Zweite wurden 64 Stimmen abgegeben, davon waren 62 Stimmen Lesung und Schlußabstimmung des Gesetzentwurfes der gültig. Es stimmten für die Abgeordnete Gabriele Schulz Fraktionen der PDS und SPD – Entwurf eines Gesetzes 33 Abgeordnete mit „ja“, 23 Abgeordnete mit „nein“, über die Führung der Berufsbezeichnung „Restaurator“, 6 Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Drucksache 3/362, hierzu Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Ich stelle fest, daß die Abgeordnete Gabriele Schulz die Kultur auf Drucksache 3/760. nach Artikel 32 Absatz 1 der Landesverfassung erforderli- che Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf sich vereini- Gesetzentwurf der Fraktionen der PDS und SPD: gen konnte. Entwurf eines Gesetzes über die Führung der Berufsbezeichnung „Restaurator“ Ich frage Sie, Frau Schulz, nehmen Sie die Wahl an? (Restauratorgesetz – RG M-V) Gabriele Schulz, PDS: Ja, ich nehme die Wahl an. (Zweite Lesung und Schlußabstimmung) – Drucksache 3/362 – Präsident Hinrich Kuessner: Frau Schulz, ich über- mittle Ihnen die Glückwünsche des Hauses. Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, (Beifall bei Abgeordneten der PDS) Wissenschaft und Kultur Auch ich selbst wünsche Ihnen Glück und Erfolg für Ihr – Drucksache 3/760 – verantwortungsvolles Amt und uns eine gute Zusammen- Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht. arbeit. Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2: Zweite von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Wi- Lesung und Schlußabstimmung des Gesetzentwurfes der derspruch, dann ist das so beschlossen. Landesregierung – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Landesrichtergesetzes des Landes Meck- Ich eröffne die Aussprache. lenburg-Vorpommern, Drucksache 3/437, hierzu Be- Das Wort hat der Abgeordnete Herr Baunach von der schlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses SPD-Fraktion. Bitte sehr, Herr Baunach. auf Drucksache 3/727. Norbert Baunach, SPD: Herr Präsident! Meine Damen Gesetzentwurf der Landesregierung: und Herren! Mit dem heute zur Beschlußfassung anste- Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur henden Gesetzentwurf ist der Altkanzler Bismarck wohl Änderung des Landesrichtergesetzes deutlich widerlegt worden, des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Zweite Lesung und Schlußabstimmung) (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) – Drucksache 3/437 – denn Mecklenburg-Vorpommern ist das erste Bundes- Beschlußempfehlung und Bericht land, das den Kulturgutschutz im Restaurierungsbereich des Rechtsausschusses ernsthaft verstärkt, – Drucksache 3/727 – (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht. der Herr Gomolka hat recht behalten.) Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache Herr Schoenenburg, und das auch Standards an die nicht vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, zukünftige Ausbildung von Restauratoren definiert. Dies dann ist das so beschlossen. wurde vom Bundesverband der Restauratoren, der seit Jahren in dieser Richtung arbeitet, als besonders positiv Wir kommen zur Einzelberatung über den von der Lan- hervorgehoben. Und Mecklenburg-Vorpommern wird desregierung eingebrachten Entwurf eines Zweiten Ge- nach meinen Erkenntnissen auch keine Insellage bei die- setzes zur Änderung des Landesrichtergesetzes des Lan- ser Form des Kulturgutschutzes einnehmen. Es gibt be- des Mecklenburg-Vorpommern auf Drucksache 3/437. reits etliche Anfragen aus anderen Bundesländern, die Der Rechtsausschuß empfiehlt in seiner Beschlußemp- diese Initiative für ihre Länder erwägen. Daß es sich bei fehlung auf Drucksache 3/727, den Gesetzentwurf der diesem Gesetz nicht primär um ein Berufsstandsschutz- Landesregierung unverändert anzunehmen. gesetz, sondern um ein Gesetz zum Schutz des Kultur- Wir kommen zur Einzelabstimmung. gutes handelt, wird schon an den negativen Beispielen aus der Vergangenheit deutlich. Zu sehr sind mir die zahl- Ich rufe auf die Artikel 1 und 2 sowie die Überschrift in reichen Negativbeispiele vor Augen, die auch von uns der Fassung des Gesetzentwurfes der Landesregierung. Abgeordneten aus unseren Regionen genannt worden Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein sind oder auch in den Anhörungen von Restauratoren Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit deutlich aufgezeigt wurden, Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1401

(Vizepräsidentin Renate Holznagel stierenden Sonderausbildungswege und ihre Institutionen übernimmt den Vorsitz.) ein annehmbarer Kompromiß gefunden. wo am Kulturgut selbsternannte Restauratoren so sehr Ich wiederhole es noch einmal: Das Restauratorgesetz gepfuscht haben, daß der Bestand ernsthaft in Gefahr gera- ist kein Schutzgesetz vor unliebsamer Konkurrenz. ten beziehungsweise gar unwiederbringbar war und ist. Meine Damen und Herren, auch etwas anderes möch- Allerdings soll damit kein pauschaler Vorwurf gegen te ich hier noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Das den guten Willen der bisher auch mit Restaurierung befaß- Gesetz trägt nicht dazu bei, daß notwendige Restaurie- ten Personen verbunden werden. Jedoch Restaurierung rungen nicht in Angriff genommen werden. Wenn ein Bau- bedarf nicht nur des kunsthandwerklichen Geschicks, herr zu mir kommt und sagt, daß er sich die Beschäftigung sondern eben auch eines hohen gehörigen Maßes an kul- von Restauratoren nicht leisten kann, dann sage ich ihm turhistorischem und technischem Wissen. klipp und klar, daß ihn die Beschäftigung von Nichtfach- leuten viel teurer kommen wird. Meine Damen und Herren, man muß dieses Gesetz auch einmal im größeren Zusammenhang sehen. Wir re- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) den immer vom notwendigen wirtschaftlichen Auf- Langfristige Sicherung von Bauten kann nur von Fach- schwung, den wir ja alle wollen. Dazu gehört sicherlich leuten und sollte auch nur von diesen gemacht werden. auch vorrangig die Tourismuswirtschaft in unserem Unsachgemäße Restaurierung kostet auf Dauer einfach Lande. Gerade dieser Tage wurde ja allerorten betont, in mehr. Es nützt einem Bauherrn gar nichts, wenn er an der Auswertung der tollen Sommersaison, daß ein Motor der falschen Stelle spart, weil er dann dem schlechten Geld Wirtschaftsentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern der noch gutes hinterherwerfen muß. Das gilt im übrigen auch Tourismus ist und wohl auch bleibt. Die Gäste kommen oder gerade für die öffentliche Hand. Ich sehe auch oder nach Mecklenburg-Vorpommern neben vielen anderen gerade diese in besonderer Verantwortung, hier als Auf- schönen Dingen unter anderem auch gerade deshalb, traggeber vorbildlich zu wirken. Alle Restaurierungen im weil sie hier das echte, das fachmännisch Bewahrte öffentlichen Auftrag sollten fach- und sachgerecht ausge- sehen wollen. In Mecklenburg-Vorpommern können den führt werden. Besuchern noch einige, vielleicht zu wenige, wunderschö- ne Passagen geboten werden, ob in den Hansestädten (Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS) Rostock, Wismar, Stralsund oder anderswo. Hier und heute – das möchte ich nur einfügen – geht es ja vorwie- Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion begrüßt gend um das Restaurieren, um Restauratoren am Bau, den nunmehr vorliegenden Gesetzentwurf und stimmt aber, natürlich ebenfalls wichtig, auch um andere Kunst- diesem – das muß ich einmal sagen – nach den langen gegenstände, gerade in der Diskussion zum Beispiel Diskussionen und Anhörungen nicht nur in dieser, son- Bücher, die fachmännisch erhaltenswert sind. dern auch in der letzten Legislaturperiode zu. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Meine Damen und Herren, ebenfalls nur kurz bemerkt von mir sei, daß der mancherorts erweckte Eindruck, daß (Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS) sich mit den Restauratoren eine besonders gut organi- Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke, Herr Bau- sierte Lobby durchgesetzt hat, falsch ist. nach. (Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS) Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schnoor von der Fraktion der CDU. Daß sie recht aktiv sind, ist eine ganz andere Sache. Mit dem Gesetz wird die Verantwortung bei der Restaurierung Steffie Schnoor, CDU: Frau Präsidentin! Meine sehr auf hierfür speziell ausgebildete Restauratoren übertra- geehrten Damen und Herren! Nun ist es vollbracht. gen, wobei dies naturgemäß zwingend nur bei Kulturgut in (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – öffentlicher Hand zu erreichen ist. Damit werden die Dr. Gerhard Bartels, PDS: Jawohl.) Handwerker in den verschiedenen Restaurierungsberei- chen nicht ausgeschlossen. Ihnen werden weiterhin be- Die PDS hat für die bayerischen Landsleute ein Arbeits- stimmte Aufgaben übertragen. Die fachliche Verantwor- beschaffungsprogramm in Mecklenburg-Vorpommern per tung und damit Aufsicht kann aber nur ein Restaurator Gesetz geschaffen. haben, an dessen Anerkennung bestimmte Ausbildungs- formen gebunden sind. Selbsternannte Restauratoren (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: können sich nicht mehr länger diese Berufsbezeichnung Ganz so einfach ist es ja wohl nicht. – anmaßen, und das, denke ich, ist gut so. Zuruf von Reinhard Dankert, SPD) (Beifall Reinhard Dankert, SPD) Dagegen habe ich ja eigentlich nichts. Wenn nur die PDS sich dann in der Lage sähe, bei eben diesen So weit darf Deregulierung nun wieder nicht gehen, daß Landsleuten ein genau solches Entgegenkommen in sie auf Kosten von Denkmalen geht. Bayern auch für Mecklenburg-Vorpommern im Gesetz- gebungsbereich hervorzurufen, dann wäre doch alles Ich sehe uns hier alle in der Pflicht, die Schätze der Ver- in Ordnung. Die CDU hat da in dem Bereich schon eini- gangenheit für die Zukunft zu bewahren. Nicht mehr, aber ges erreicht, aber vielleicht könnten die Bayern auf An- auch nicht weniger wird mit diesem Gesetz angestrebt. trag und Initiative der PDS ja ein Berufsschutzgesetz Die Eintragung in die Restauratorenliste steht jedem zu, für Designabsolventen der Kunsthochschule Heiligen- der den Anforderungen genügt. Das gilt ausdrücklich damm verabschieden. Mitnichten werden das die auch für Restauratoren aus den alten Bundesländern oder Bayern tun. Sie taten es bisher nicht mal für die eige- aus den anderen Bundesländern. Um die Übergangszeit nen Absolventen. noch etwas zu erleichtern, wurden die entsprechenden Fristen verlängert. Insofern wurde auch für die derzeit exi- (Zuruf von Dr. Arnold Schoenenburg, PDS) 1402 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

Und da Mecklenburg-Vorpommern ja bekanntermaßen Das sage ich Ihnen jetzt, Frau Kassner. keine anderen Probleme hat, als die Berufsbezeichnung Es richtet sich auch nicht gegen das ungeteilte Bestre- „Restaurator“ zu schützen, nimmt man sich auch einmal ben aller hier vertretenen Parteien, das Kunst- und Kul- bayerischer Probleme an und versucht staatsmännisch, turerbe in Mecklenburg-Vorpommern in ganz besonderer als strukturschwächstes Bundesland bundesrepublikani- Weise zu schützen und zu erhalten. Auch das haben wir sche Probleme zu lösen. mehrfach deutlich gemacht. Und daher lehne ich es ab, (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: mir aufgrund der Ablehnung dieses einen sehr speziellen Es war eine Staatsfrau, Frau Schnoor.) Gesetzes einen schludrigen Umgang mit unserer Kunst und Kultur vorwerfen zu lassen. Herr Schoenenburg, darf ich weiterreden? (Beifall Gesine Skrzepski, CDU) (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Sie scheinen gar nicht zu wissen, wer das Meine Damen und Herren, auch wenn wir über die Jah- eingebracht hat. – Kerstin Kassner, PDS: re so unsere Differenzen miteinander hatten, Die Geschichte kennt sie nicht.) (Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU) Ich weiß schon, wer das eingebracht hat, darum rede in diesem Punkt stimme ich dem bayerischen Kultur- ich ja so. Informieren Sie sich mal bei Ihren Kollegen! minister Hans Zehetmair durchaus zu, der in einem (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Gerne, gerne.) Schreiben vom April 1997 an die Vereinigung Deutscher Restauratorenverbände seine Ablehnung gegen ein sol- Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser lobby- ches Gesetz deutlich machte. istische Aspekt pro Bayern hat sich mir erst in den letzten Ausschußberatungen zum sogenannten Restauratorge- (Kerstin Kassner, PDS: Dann sind sie wieder gut, setz erschlossen, denn in dieser Form der Hartnäckigkeit, die Bayern. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aha, daher weht der Wind!) (Dr. Gerhard Bartels, PDS: Ich weiß nicht, worüber Sie reden.) Ich darf zitieren: „Angesichts der hohen Qualität der von den beiden in Bayern bestehenden Fachakademien wie die PDS bayerische Argumente berücksichtigte für Restauratoren vermittelten Ausbildung fehlt mir jedes und vortrug, wurde das Gesetz in der vergangenen Legis- Verständnis für Ihre Forderung, daß nur Diplom-Restaura- laturperiode nicht diskutiert. toren und Restauratoren im Handwerk das Recht haben (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: sollen, sich Restauratoren zu nennen. Auch stellt ein Da haben Sie aber blockiert.) gesetzlicher Berufsbezeichnungsschutz einen Eingriff in das Recht der Berufsfreiheit nach Artikel 12 Absatz 1 Besonders ist aber auch – und das darf man nicht ver- Grundgesetz dar.“ gessen – die Metamorphose der SPD. Vor mehr als einem Jahr lehnte die SPD-Fraktion das PDS-Gesetz noch ab, (Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS) und heute stimmen Sie offensichtlich zu. „Verfassungsrechtliche Bedenken sind es aber nicht (Kerstin Kassner, PDS: Wir haben allein, die mich Ihren Vorstellungen nicht nähertreten las- gearbeitet und gearbeitet.) sen, vielmehr ist mir auch der Abbau von Staatsaufgaben und die Eindämmung staatlicher Intervention ein ord- Was haben Sie sich dafür eingekauft, Frau Kassner? nungspolitisches Anliegen erster Priorität.“ (Reinhard Dankert, SPD: Vielleicht hat Meine Damen und Herren, so wollen wir es eigentlich die bayrische SPD mit uns geredet.) auch halten – Deregulierung statt Bevormundung. Und Der Worte sind zahlreich gewechselt. auch Herr Baunach von der SPD hat dies im vergangenen Jahr so gesehen und eine Regelung unterhalb des Geset- (Dr. Gerhard Bartels, PDS: zes vorgeschlagen. Aber, Herr Baunach, ich kann nur mit So läuft das in dieser Koalition nicht.) dem Kopf schütteln, so ändern sich offensichtlich die Zei- Viermal insgesamt war das Gesetz jetzt auf der Tages- ten nach dem Motto „Was schert mich mein Geschwätz ordnung im Landtag. von gestern?“. (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber wir haben (Zurufe von einzelnen Abgeordneten der SPD – wirklich ganz dubiose Methoden gehabt.) Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der PDS) Bis auf die Tatsache, daß sich die PDS nun unumwun- Meine sehr geehrten Damen und Herren, die CDU- den zum Sachwalter bayerischer Interessen erklärt hat, ist Fraktion hat mehrfach hier im Hohen Hause ihre Position in der Argumentation nichts Neues hinzugekommen. zum vorliegenden Gesetz deutlich gemacht. Die Stellung- nahmen sind für jedermann in den Protokollen nachles- (Zuruf von Norbert Baunach, SPD) bar. Verabschieden Sie das Gesetz, und wir werden in Meine Damen und Herren, die CDU wird auch heute nicht so langer Zeit bei Ihnen nachfragen, inwieweit sich wieder dieses Gesetz ablehnen. die Hoffnungen, die wir ja eigentlich teilen, erfüllt haben, (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Haben Sie (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Dann doch jetzt bitte mal Achtung vor Franz Josef!) könnten Sie ja eigentlich auch zustimmen.) Und wieder möchte ich hier betonen, daß sich diese daß nämlich bei Bauvorhaben nicht mehr so viele Ablehnung nicht gegen die Restauratoren richtet. Kunstdenkmäler zerstört werden wie bisher. (Kerstin Kassner, PDS: Gegen wen denn dann? – Nach wie vor sind wir der Meinung, das Gesetz gebie- Dr. Gerhard Bartels, PDS: Gegen das Kulturgut.) tet den wahren Schluderianen am Bau keinen Einhalt. Die, Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1403 die nun geschützt werden, stehen nämlich tatenlos dane- (Steffie Schnoor, CDU: Dann ben und müssen zusehen, wie das, was von ihnen geret- gucken Sie mal Ihr Gesetz an!) tet werden könnte, den Bach runtergeht. Meine Damen Und, Frau Schnoor, wenn Sie denn unser Interesse tei- und Herren, in diesem Falle hoffe ich einmal, daß ich nicht len, dann hätten Sie doch bitte schön einen stärkeren recht behalte. Schutz des Kulturgutes in dieser Hinsicht vorgeschlagen. (Dr. Gerhard Bartels, PDS: Wir wären Ihnen sicher gefolgt. Wir hoffen das alle, Frau Schnoor.) (Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Wir werden das Gesetz ablehnen. Heiterkeit bei Norbert Baunach, SPD) (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Ich möchte Ihnen gern noch mal sagen – auch aus eige- Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: ner vierjähriger Erfahrung: Ach, Frau Schnoor!) (Dr. Ulrich Born, CDU: Dann wird es Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke, Frau doch noch besser, wenn wir das machen.) Schnoor. Opposition heißt nicht nur, nein zu sagen, sondern Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Bluhm von der Opposition heißt auch, Vorschläge zu machen. Und, Frau Fraktion der PDS. Schnoor, ich habe in der ganzen Debatte weder von Ihnen noch von Ihrer Fraktion einen konstruktiven Vorschlag ge- (Andreas Bluhm, PDS: Nein, Herr Bartels! – hört, wie wir in diesem Punkt wirksam werden können. Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Herr Bartels macht das.) (Zuruf von Steffie Schnoor, CDU) Bitte, Herr Bartels, dann haben Sie das Wort. Ich würde mir auch wünschen, daß wir ein Gesetz ver- abschieden könnten, das tatsächlich Schutzgarantien (Heiterkeit bei Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: gibt. Das ist nicht machbar. Aber dieses Gesetz ist ein Aber, Gerhard, wir stimmen zu, ne?) wichtiger Schritt, um wenigstens das zu tun für den Dr. Gerhard Bartels, PDS: Frau Präsidentin! Meine Da- Schutz von Kulturgütern, was wir tun können. men und Herren! Ich habe doch öfter immer mal den Ein- Meine Damen und Herren, Frau Schnoor hat eben druck, daß ich im falschen Film sei. davon gesprochen, daß wir ein bayerisches Arbeitsbe- (Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, schaffungsprogramm in Mecklenburg-Vorpommern auf- und Peter Ritter, PDS) gelegt hätten. Das verstehe ich nun überhaupt nicht. Es ist bekannt, daß wir im vergangenen Jahr sehr ausführlich in Ich würde erst mal Herrn Baunach zustimmen: Was einer Anhörung und in Ausschußdebatten über das lange währt, wird endlich gut. Und lange hat es gewährt in Grundanliegen gesprochen haben. Deshalb war es mög- diesem Landtag. Herr Baunach hat darauf schon hinge- lich, uns in diesem Jahr auf ein Problem zu konzentrieren, wiesen. Wir haben schon in der vergangenen Legislatur- das im vergangenen Jahr keine Rolle gespielt hat, weil im periode sehr intensiv über dieses Gesetz geredet. Lange vergangenen Jahr wohl dafür die bayerischen Damen und dauerten auch die Bemühungen der Restauratoren, aber Herren, die sich betroffen fühlten, davon ausgegangen nicht nur ihre Bemühungen, sondern auch die Bemühun- sind, daß ihre Schwesterpartei das hier schon verhindern gen von Denkmalschützern, von Kunstinteressierten, von wird und sie sich deshalb nicht zu kümmern brauchen. Künstlern, weil es ein gemeinsames Anliegen ist, hier ganz Diesmal haben sie sich zu Wort gemeldet. Das finde ich aktiv etwas zu tun. auch gut. Wir haben sehr intensiv im Expertengespräch (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Richtig.) mit den Damen und Herren aus Bayern über das Problem geredet. In diesem Zusammenhang möchte ich dann doch noch mal ein Wort an die Kolleginnen und Kollegen der CDU Gestatten Sie mir auch noch eine Vorbemerkung zum richten. Zustandekommen des vorliegenden Gesetzentwurfes, der ja nicht von der PDS erarbeitet wurde, Frau Schnoor, wie (Harry Glawe, CDU: Ja.) Sie natürlich wissen, sondern von der Vereinigung der Restauratorenverbände, der in der vergangenen Legisla- Als Ausgangspunkt möchte ich aus der Beschlußempfeh- turperiode von der PDS eingebracht wurde und in dieser lung zitieren, in der der mitberatende Ausschuß für Bau, Legislaturperiode von den beiden Koalitionsfraktionen, von Arbeit und Landesentwicklung Teile der Einwände der CDU PDS und SPD: Frau Schnoor, wir handeln da nicht, wir fixiert hat. Ich zitiere aus dieser Beschlußempfehlung: „Sei- haben dafür nichts erkauft oder verkauft. Da können Sie tens der Fraktion der CDU wird darauf hingewiesen, daß das ganz sicher sein. Dafür ist uns die Sache viel zu wichtig. ,subjektive Interesse’“ – das steht immerhin in Anfüh- rungsstrichen – „der Restauratoren und deren berufsständi- Die Arbeit der Restauratorenverbände war ganz we- scher Vertretungen allein noch nicht die Notwendigkeit einer sentlich davon geprägt, daß sie eine Einigung mit den gesetzlichen Regelung dieses Sachverhaltes begründet.“ Handwerkskammern herbeigeführt haben, indem sich beide darauf verständigt haben, daß bei Restauratoren Selbst bei Frau Schnoor klang ja eben an, daß sie in den vor allem die inhaltlich-wissenschaftliche Arbeit und er- Diskussionen erkannt hat, daß es nicht nur um Bayern gänzend dazu handwerkliche Fähigkeiten vorliegen, wäh- geht, sondern auch um den Kulturschutz, und zwar in rend es bei den Handwerkern vorrangig um handwerkli- erster Linie um den Kulturschutz. ches Können, unterstützt durch fachliches Wissen, geht. (Zuruf von Steffie Schnoor, CDU) Und dieser wesentliche Unterschied ist auch der Ansatz- punkt für die hohen Kriterien und die hohen Hürden, die in Es geht nicht um den Stand eines Berufsstandes, es diesem Gesetz für die Anerkennung oder für den Eintrag geht um den Erhalt von Kunst- und Kulturgütern. in die Restauratorenliste vorgelegt werden. 1404 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

(Beifall Norbert Baunach, SPD) empfehlung auf Drucksache 3/760, den Gesetzentwurf der Fraktionen der PDS und SPD entsprechend seiner Be- In dem Expertengespräch, das wir in diesem Jahr ge- schlußempfehlung anzunehmen. führt haben, wurde eins deutlich: Den Vertretern der bei- den privaten bayerischen Fachakademien geht es in Wir kommen zur Einzelabstimmung. erster Linie um ihre Einrichtung. Deutlich gesagt, es inter- Ich rufe auf die Paragraphen 1 bis 11 sowie die Über- essieren sie nicht so sehr die Interessen ihrer Schüler oder schrift entsprechend der Beschlußempfehlung. Wer dem ihrer Absolventen, sondern ihre Einrichtungen sollen be- zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzei- stehen bleiben. Dieses Interesse ist legitim. Aber – und da chen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit sind die verweise ich auch, Frau Schnoor, auf Ihren bayerischen Paragraphen 1 bis 11 sowie die Überschrift entsprechend Kollegen aus der CSU, auf den Kultusminister, der in sei- der Beschlußempfehlung auf Drucksache 3/760 mit den ner Stellungnahme, die Sie schon zitiert haben, dies sehr Stimmen der Fraktionen der PDS und SPD gegen die deutlich sagt – eine Hochschulausbildung, auch eine Stimmen der Fraktion der CDU angenommen. Fachhochschulausbildung findet an diesen Akademien nicht statt. Er hat auch darauf verwiesen, daß es an der Ich rufe auf den Paragraphen 12 entsprechend der bayerischen Technischen Universität München inzwi- Beschlußempfehlung. Wer dem zuzustimmen wünscht, schen einen Hochschullehrgang für die Ausbildung von den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Ent- Restauratoren gibt. haltungen? – Damit ist der Paragraph 12 entsprechend der Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Fraktionen Ich möchte betonen, daß die Interessen der Absolven- der PDS und SPD gegen die Stimmen der Fraktion der ten dieser Schulen durch die Restauratorenverbände ver- CDU angenommen. treten werden, denn dort sind sie weitgehend mit erfaßt und vertreten und können sich dort auch artikulieren. Und Ich rufe auf die Paragraphen 13 und 14 entsprechend deshalb haben wir hier kein bayerisches Arbeitsbeschaf- der Beschlußempfehlung. Wer dem zuzustimmen wünscht, fungsprogramm aufgelegt, sondern wir haben gesagt: Alle den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – diejenigen, die unter der Erwartung, sich Restaurator nen- Stimmenthaltungen? – Damit sind die Paragraphen 13 nen zu können, ihre Ausbildung angefangen oder sich und 14 entsprechend der Beschlußempfehlung mit den dafür beworben haben und in einem praktischen Jahr Stimmen der Fraktionen der PDS und SPD gegen die sind, sollen die Möglichkeit haben, am Ende dann auch Stimmen der Fraktion der CDU angenommen. wirklich die Chance zu haben, diesen Dingen nachzukom- men. Und deshalb haben wir gesagt, wir verlängern die Wir kommen zur Schlußabstimmung. Anerkennungszeiten auf acht Jahre, um alle, die mit einer Wer dem Gesetzentwurf im ganzen entsprechend der bestimmten Voraussetzung einen bestimmten Weg ange- Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung, Wis- fangen haben, die Chance zu geben, diesen Weg auch zu senschaft und Kultur auf Drucksache 3/760 zuzustimmen Ende zu gehen. Alle späteren Schüler müssen und können wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenpro- wissen, daß diese Möglichkeit dann verschlossen ist. In- be. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf wiefern sich das dann auf die Akademien auswirkt, wird entsprechend der Beschlußempfehlung des Ausschusses die Zukunft zeigen. für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf Drucksache Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine 3/760 mit den Stimmen der Fraktionen der PDS und SPD Abschlußbemerkung: Daß wir heute diese Beschlußemp- gegen die Stimmen der Fraktion der CDU angenommen. fehlung vorliegen haben und wir, wie ich hoffe, dieses Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 4: Zweite Le- Gesetz heute verabschieden – ich habe das schon bei der sung und Schlußabstimmung des Gesetzentwurfes der Einbringungsrede gesagt –, ist im wesentlichen ein Ver- Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes über das Ab- dienst des ungeheuren Engagements meiner früheren kommen zur Änderung des Abkommens über die Zentral- Kollegin Heide-Marlis Lautenschläger. stelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Medizinpro- dukten, Drucksache 3/436, hierzu Beschlußempfehlung (Beifall Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Richtig.) und Bericht des Sozialausschusses, Drucksache 3/714. Ich darf meine Freude artikulieren, daß wir ihr heute Gesetzentwurf der Landesregierung: sozusagen einen Nachschlag ihrer parlamentarischen Er- Entwurf eines Gesetzes über das Abkom- folgsbilanz geben können. Ich hoffe, so, wie Herr Baunach men zur Änderung des Abkommens über das gesagt hat, daß tatsächlich alles dafür spricht, daß die Zentralstelle der Länder für Gesund- Mecklenburg-Vorpommern diesmal eine Vorreiterrolle heitsschutz bei Medizinprodukten einnimmt, gerade durch das Engagement von Heide-Mar- (Zweite Lesung und Schlußabstimmung) lis Lautenschläger, und daß möglichst viele Bundesländer – Drucksache 3/436 – möglichst schnell folgen. – Danke. Beschlußempfehlung und Bericht (Beifall bei Abgeordneten der PDS des Sozialausschusses und Reinhard Dankert, SPD) – Drucksache 3/714 – Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke schön, Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht. Herr Dr. Bartels. Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache Ich schließe die Aussprache. nicht vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Wir kommen zur Einzelberatung über den von den Frak- tionen der PDS und SPD eingebrachten Entwurf eines Ge- Wir kommen zur Einzelberatung über den von der Lan- setzes über die Führung der Berufsbezeichnung „Restau- desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über rator“ auf Drucksache 3/362. Der Ausschuß für Bildung, das Abkommen zur Änderung des Abkommens über die Wissenschaft und Kultur empfiehlt in seiner Beschluß- Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Medi- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1405 zinprodukten auf Drucksache 3/436. Der Sozialausschuß durchgeführt. Die Liste der Anzuhörenden finden Sie in empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache meinem schriftlichen Bericht auf der Landtagsdrucksache 3/714, den Gesetzentwurf der Landesregierung entspre- 3/762 auf Seite 6. Ich denke, es wäre jetzt müßig, die Liste chend seiner Beschlußempfehlung anzunehmen. noch einmal vorzulesen. Wir kommen zur Einzelabstimmung. Von den Sachverständigen wurden dabei insbesonde- re die Schwerpunktthemen, Förderung und Anerkennung Ich rufe auf die Paragraphen 1 bis 3 sowie die Über- und hier insbesondere der Nachweis der praktischen Er- schrift entsprechend der Beschlußempfehlung. Wer dem fahrungen, das Anerkennungsverfahren und das Thema zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. Weiterbildung und Qualifizierung diskutiert. Alle Anzu- – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit sind die hörenden waren sich darüber einig, daß der Gesetzent- Paragraphen 1 bis 3 sowie die Überschrift entsprechend wurf schnellstmöglich in Zweiter Lesung verabschiedet der Beschlußempfehlung auf Drucksache 3/714 einstim- werden müsse, damit die anerkannten „geeigneten Stel- mig angenommen. len“ endgültig anerkannt werden können. Darüber hinaus Wir kommen zur Schlußabstimmung. bestand unter den Sachverständigen Einigkeit, daß den Beratungsfachkräften in den Einrichtungen auch zukünftig Wer dem Gesetzentwurf im ganzen entsprechend der eine berufsbegleitende Weiterbildung und Qualifizierung Beschlußempfehlung des Sozialausschusses auf Druck- angeboten werden müsse. sache 3/714 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Da- Während es von den Vertretern der Amtsgerichte und mit ist der Gesetzentwurf entsprechend der Beschluß- der Rechtsanwaltskanzleien für wünschenswert erachtet empfehlung auf Drucksache 3/714 einstimmig angenom- wurde, daß in einer Einrichtung eine Beratungsfachkraft men. mit der Befähigung zum Richteramt arbeitet, haben die Vereine und Verbände darauf verwiesen, daß dies nicht Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5: Zweite Le- grundsätzlich erforderlich sei. In den Fällen, in denen in sung und Schlußabstimmung des Gesetzentwurfes der der Einrichtung keine Beratungsfachkraft mit der Befähi- Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Ausfüh- gung zum Richteramt tätig ist, wurde es von den Anzu- rung der Insolvenzordnung, Drucksache 3/354, hierzu Be- hörenden für sinnvoll angesehen, daß eine feste Zusam- schlußempfehlung und Bericht des Sozialausschusses, menarbeit mit Angehörigen eines rechtsberatenden Beru- Drucksache 3/762, sowie Ergänzung zu dem Bericht, fes sichergestellt ist. Drucksache 3/765. Der Sozialausschuß hat in seiner 17. Sitzung am Gesetzentwurf der Landesregierung: 8. September 1999 die Ergebnisse der Anhörung beraten. Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung Soweit diese in die Ausgestaltung der Beschlußempfeh- der Insolvenzordnung (Insolvenzordnungs- lung des Sozialausschusses eingeflossen sind, wird auf ausführungsgesetz – InsOAG M-V) die entsprechenden Hinweise in den Erläuterungen der (Zweite Lesung und Schlußabstimmung) einzelnen Vorschriften verwiesen – zu finden in der Land- – Drucksache 3/354 – tagsdrucksache 3/762. Beschlußempfehlung und Bericht In seiner 18. Sitzung am 29. September 1999 hat der des Sozialausschusses Sozialausschuß den Gesetzentwurf abschließend beraten – Drucksache 3/762 – und dem Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der Stel- Ergänzung zu dem Bericht lungnahmen des Innenausschusses, des Finanzausschus- des Sozialausschusses ses, des Rechtsausschusses und des Wirtschaftsaus- – Drucksache 3/765 – schusses – hierzu liegt die Ergänzung des Berichtes auf Landtagsdrucksache 3/765 vor – einvernehmlich, bei Ent- Das Wort zur Berichterstattung hat die Vorsitzende des haltung von seiten der Fraktion der CDU, zugestimmt. Von Sozialausschusses Frau Dr. Seemann, Fraktion der SPD. seiten der Fraktionen der SPD und PDS wurden zu den Dr. Margret Seemann, SPD: Sehr geehrte Frau Präsi- Paragraphen 1, 3, 4 und 6 des Gesetzentwurfes Ände- dentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der Land- rungsanträge entsprechend der Beschlußempfehlung ge- tag hat den Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung der In- stellt. Darüber hinausgehende Änderungen des Gesetzent- solvenzordnung, Insolvenzordnungsausführungsgesetz, wurfes wurden im Sozialausschuß nicht beantragt. Drucksache 3/354, in seiner 18. Sitzung am 29. Mai 1999 Die Beschlüsse des Sozialausschusses sehen in Ab- in Erster Lesung beraten und federführend an den Sozial- weichung zum Gesetzentwurf der Landesregierung vor, ausschuß sowie zur Mitberatung an den Finanzausschuß, daß die Gründe für das Nichtvorliegen der Zulässigkeit im den Innenausschuß, den Rechtsausschuß und den Wirt- Sinne des Paragraphen 3 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzent- schaftsausschuß überwiesen. wurfes um die Straftatbestände der Vorteilsannahme, der Bestechlichkeit, der Vorteilsgewährung und der Beste- Dieser von der Landesregierung eingebrachte Gesetz- chung erweitert werden. entwurf schlägt im wesentlichen Regelungen über den Auf- gabenbereich einer als geeignet anerkannten Stelle, die Ferner ist vor der Anerkennung gemäß Paragraph 3 des Anerkennungsvoraussetzungen und die Grundzüge des An- Gesetzentwurfes das Benehmen zwischen der Anerken- erkennungsverfahrens vor. Dabei geht der Gesetzentwurf nungsbehörde und der jeweiligen kreisfreien Stadt oder davon aus, daß als geeignete Stellen die schon vorhande- dem Landkreis herzustellen. Im Abstand von drei Jahren nen Schuldnerberatungsstellen in Betracht kommen, die hat die Anerkennungsbehörde zu prüfen, ob die Voraus- von den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege, Verbrau- setzungen für die Anerkennung nach Paragraph 3 des cherzentralen, Körperschaften des öffentlichen Rechts Gesetzentwurfes noch vorliegen. Liegt eine der Anerken- und Gebietskörperschaften eingerichtet worden sind. nungsvoraussetzungen nicht mehr vor und kann eine Hierzu hat der Sozialausschuß eine öffentliche Anhörung Abhilfefrist nicht gesetzt werden oder ist eine Abhilfe in 1406 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 der gesetzten Frist nicht erfolgt, ist die Anerkennung zu wie ich eben zitiert habe: „Eine rechtskundige Beratung ist widerrufen. sicherzustellen.“ Durch den Paragraphen 6 des Gesetzentwurfes soll Wie sollte das nun passieren? Der Minister hat uns sichergestellt werden, daß das Land den anerkannten gesagt, jawohl, da machen wir eine Verordnung, und da Stellen nach Maßgabe des Haushaltsplanes auf Antrag steht alles drin, so, wie es vorgesehen ist im Absatz 4: Zuwendungen zu den Personal- und Sachkosten ge- „Das Nähere regelt das Sozialministerium im Einverneh- währt, soweit diese Zuwendungen zur Qualifizierung und men mit dem Justizministerium durch Rechtsverord- ausreichenden Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. nung.“ Das Nähere hierzu ist durch Förderrichtlinien des Sozial- Wir haben gebeten, uns diese Rechtsverordnung vorzu- ministeriums zu regeln. legen. Das ist auch geschehen. Ich will nicht noch mal die Im übrigen sehen die Beschlüsse des Ausschusses, gesamte Formulierung zitieren. Auch die ist nicht ganz ein- soweit sie Änderungen und Ergänzungen gegenüber dem deutig und läßt sich etwas gummimäßig interpretieren. Gesetzentwurf der Landesregierung beinhalten, vor allen Aber das Justizministerium hat uns noch einmal gesagt, Dingen Klarstellungen und Präzisierungen vor. und das Sozialministerium hat das bestätigt und bekräftigt, daß einheitlich in der Weise ausgelegt wird und auch ver- Die vorgelegte Entschließung unter Ziffer II der Be- fahren wird bei Anerkennung der Stellen, daß man sagt, schlußempfehlung hat der Sozialausschuß auf Empfeh- jawohl, es muß eine längerfristige vertragliche Bindung zu lung des Rechtsausschusses einstimmig angenommen, einem Anwaltsbüro oder zumindest zu einer Person, wie sie damit sichergestellt wird, daß die Verordnung gemäß Pa- im Paragraphen 1 als geeignete Person festgestellt ist, be- ragraph 3 Absatz 4 des Gesetzentwurfes so ausgestaltet stehen. Es muß also eine vertragliche Bindung auf Dauer wird, daß in Fällen, in denen in der Einrichtung keine Bera- existieren, das ist Voraussetzung für die Anerkennung. tungsfachkraft mit der Befähigung zum Richteramt tätig Das haben beide Ministerien bei uns im Ausschuß erklärt, ist, die Heranziehung eines Angehörigen eines rechtsbera- und das ist der, wenn Sie so wollen, vielleicht etwas tenden Berufes in der Weise sichergestellt wird, daß eine dünne und schmale Steg, über den wir als Opposition dauerhaft vereinbarte Zusammenarbeit nachgewiesen aber bereit sind mitzugehen, und wir sagen, das reicht wird. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. uns, wenn diese Auslegung und Verfahrensart sicherge- (Beifall bei Abgeordneten der SPD stellt ist, dann sind wir bereit und können mit diesem Text und einzelnen Abgeordneten der PDS) leben. Das war unser Hauptanliegen. Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke, Frau Dr. Wir glauben, daß wir aufgrund der Versicherungen, die Seemann. auch alle zu Protokoll gegeben worden sind, mit diesem Text leben können. Ansonsten hätten wir gerne gesehen, Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer daß der Text noch etwas geändert worden wäre. Aber wir von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen gehen über diese Brücke als Opposition und stimmen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. dem Gesamtwerk zu, wobei ich noch darauf hinweisen Ich eröffne die Aussprache. darf, daß wir am Schluß der Drucksache 3/762 unter II die Entschließung auch entsprechend haben: „Der Landtag Das Wort hat der Abgeordnete Herr Helmrich von der fordert die Landesregierung auf, die Verordnung gemäß Fraktion der CDU. § 3 Abs. 4 des Insolvenzordnungsausführungsgesetzes Herbert Helmrich, CDU: Frau Präsidentin! Meine sehr so auszugestalten, daß in den Fällen, in denen in der Ein- geehrten Damen und Herren! Wir haben aufgrund des richtung keine Beratungsfachkraft mit der Befähigung ausführlichen Berichtes gehört, worum es geht. Ich kann zum Richteramt tätig ist, die Heranziehung eines An- mich deshalb kurz fassen und brauche den Sachverhalt gehörigen eines rechtsberatenden Berufes in der Weise nicht noch einmal komplett zu wiederholen. Ich darf nur sichergestellt wird, daß eine dauerhaft vereinbarte Zu- herausstellen, daß wir hier letzten Endes einen nicht ganz sammenarbeit nachgewiesen wird.“ – Vielen Dank. einfachen Kompromiß gefunden haben als Opposition mit (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) der regierenden Mehrheit. Ich freue mich, daß dieser Kompromiß zustande gekommen ist, obwohl er uns Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke schön, eigentlich noch nicht so ganz reicht. Herr Helmrich. (Zuruf von Heinz Müller, SPD) Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Koplin von der Fraktion der PDS. Aber ich kann ankündigen, daß wir im Endergebnis zu- stimmen können. Torsten Koplin, PDS: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Vorsitzende des Sozialausschus- Ich darf noch mal betonen – und das ist immerhin für ses hat Inhalte und Zwecksetzung des Gesetzentwurfes unsere Arbeit in unserem Hause von Bedeutung –, daß wir dargestellt. Dabei geht es, und darauf möchte ich meine der Auffassung waren und nach wie vor sind, daß die For- Rede konzentrieren, um zutiefst wirtschaftspolitische und mulierung im Paragraphen 3, in dem es im letzten Satz soziale Fragen. heißt: „Eine rechtskundige Beratung ist sicherzustellen.“, zu schwammig war. Das ist der wesentliche Punkt gewe- Insolvenz – also Zahlungsunfähigkeit – ist ein Bestand- sen, zu dem wir die Anhörung beantragen wollten. Um teil der gegenwärtigen Produktions- und Lebensweise. schnell zu sein, hat es der Sozialausschuß vorgezogen Dreh- und Angelpunkt des Wirtschaftens ist das Geld. Die und hat gesagt, wir beantragen die Anhörung. Alles in Bedürfnisbefriedigung ist leider viel zu oft nur Mittel zum Ordnung. Dann haben wir die Anhörung gehabt, und es Zweck. Karl Marx schreibt in seinen Betrachtungen über hat sich in der Tat herausgestellt, daß bei den Beratungs- den tendenziellen Fall der Profitrate zu diesem Thema: stellen die juristische Beratung und der juristische Sach- „Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist verstand ergänzt werden muß. Hier heißt es im Gesetz, das Kapital selbst, ist dies, daß das Kapital und seine Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1407

Selbstverwertung als Ausgangspunkt und Endpunkt, als neue Lebensperspektive der von Überschuldung Betrof- Motiv und Zweck der Produktion erscheint.“ fenen undenkbar. Die Überschuldeten wären in der Mehr- zahl ohne jede Chance. Seitens der PDS sagen wir: Jeder Sehr geehrte Damen und Herren, wir brauchen eine hat ein Recht auf mehr als nur eine Chance im Leben. Ordnung des Umgangs mit der Zahlungsunfähigkeit und in Konsequenz dazu eine landesspezifische Ausführungs- Meine Damen und Herren! Insolvenzberatung ohne eine gesetzgebung. Die Zahl der Insolvenzen ist bundesweit Schuldnerberatung als Teil umfassender Lebensberatung von 8.300 im Jahre 1980 auf zuletzt 16.000 im Jahr gestie- kann zur Schuldenverwaltung verkommen. Es ist insofern gen. Die Forderungsausfälle der Gläubiger betrugen nach zu begrüßen, daß mit dem Ausführungsgesetz geeignete Angaben des Statistischen Bundesamtes 35 Milliarden DM, Personen und Stellen definiert werden, die befugt sind, eine gewaltige, das Wirtschaftsleben beeinträchtigende die für das Insolvenzverfahren erforderliche Bescheini- Summe. Insolvenz heißt in der Praxis Verlust von Arbeits- gung auszustellen. Diese Klärung ist insbesondere für die- und Ausbildungsplätzen, Verlust von Wertschöpfung, Ver- jenigen Schuldnerberatungsstellen wichtig, die bislang lust von Steuern und Verlust von Innovation. den Status einer vorläufig anerkannten Stelle innehatten. Diese Beratungsstellen leisten eine hochzuschätzende Die sozialpolitische Dimension der Insolvenz ist nicht Hilfe für ver- und überschuldete Verbraucher und gering- minder bedeutend. Arbeitslosigkeit, Probleme bei der fügig wirtschaftlich Tätige mit dem Ziel, die sozialen und Haushaltsführung, überschätzte Zahlungsfähigkeit, zu psychischen Folgeprobleme zu lindern. wenig Erfahrungen mit Waren- und Kreditangeboten, Niedrigeinkommen und aggressive Werbepraktiken sind Ehrlich gesagt, fand ich es aus diesem Grund bislang nach Erhebung der Schuldnerberatungsstellen in dieser etwas unredlich, den Beratungsstellen vorzuwerfen, daß Reihenfolge Hauptauslöser von Überschuldungen priva- ihre Arbeit auf dem Gebiet des neuen Insolvenzrechts zu ter Haushalte in den neuen Bundesländern. Die soziale unprofessionell wäre und sie bislang zu wenig Insolvenz- Tragik wird immer an Einzelbeispielen erkennbar. verfahren bei den Insolvenzgerichten angemeldet hätten. Darauf möchte ich erwidern, daß erstens die von den Das Ausmaß der Verschuldung ist unter anderem an Beratungsstellen nicht bestrittenen Schwierigkeiten in der der Höhe der Bankkredite der privaten Haushalte zu Natur der Sache liegen, weil Verbraucherinsolvenzverfah- erkennen. Sie stieg nach einer Veröffentlichung der Zeit- ren mit neuen Fragen und Problemen einhergehen, und schrift „Der Spiegel“ vom 27. September diesen Jahres zweitens sich die Zahl der eingereichten Verfahrensanträ- von 763,3 Milliarden DM 1990 auf 1.455 Milliarden DM im ge, geteilt durch die Anzahl der Beratungsstellen, im Ver- Jahr 1998. Betrachtet man die Entwicklung des Konsu- hältnis zu den eingereichten Anträgen, geteilt durch die mentenkreditvolumens über einen längeren Zeitraum, ist mit der Verbraucherinsolvenz befaßten Rechtsanwalts- festzustellen, daß sich dieses in den letzten 14 Jahren kanzleien, sehen lassen kann. verzwölffacht hat. Diese Zahlen erlauben einen quantitati- ven Überblick über die Verschuldungssituation privater Alle Experten sind sich einig, daß Insolvenzberatung Haushalte und zeigen insgesamt gefahrvolle Tendenzen, eine hohe Professionalität erfordert. Diese Professiona- wenn ein Teil der jetzigen Verschuldung zur Überschul- lität ist nur durch intensive und qualitativ hochwertige dung wird. Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet des Insolvenz- rechts möglich. Die Landesarbeitsgemeinschaft Schuld- Angesichts dieser Tatsachen und vor allem aufgrund nerberatung betont insbesondere die Notwendigkeit, der angestiegenen Massearmut der Insolvenzen, also der durch berufsbegleitende Weiterbildung die Kenntnisse zur Tatsache, daß nach der eingetretenen Zahlungsunfähig- Beratung gescheiterter Existenzgründer zu vertiefen. Im keit zugleich keine Mittel mehr vorhanden sind, um die übrigen schätzt sie ein, daß das Beratungspersonal durch Gläubiger in irgendeiner Weise zu befriedigen, galt es, das die mehrjährige praktische Erfahrung mit Gläubigern und Insolvenzrecht zu reformieren. Mit dieser Reform wurden Schuldnern die erforderlichen juristischen Grundlagen- sechs Ziele verfolgt: kenntnisse für die Beratungstätigkeit besitzt. 1. ein bundeseinheitliches und geordnetes Verfahren der Ich bin der Meinung, daß mittelfristig der Beruf des Liquidation, der Sanierung und des Umgangs nach Schuldnerberaters zu einem anerkannten Beruf werden eingetretener Zahlungsunfähigkeit einzuführen muß. Aus sozialpolitischer Sicht gilt es, den Raum zwi- 2. außergerichtliche Sanierungen und Regelungen zu för- schen Rechtsberatung und Lebenshilfe zu füllen. Ich bitte dern die Landesregierung, aus der Debatte die Möglichkeiten der berufsbegleitenden Ausbildung zum Schuldnerbera- 3. Maßnahmen gegen die Massearmut zu ergreifen ter im Interesse der Qualität der Beratungen in unserem 4. die Autonomie der Gläubiger zu stärken Land zu prüfen. Ebenso sollte über Fragen einer präventi- ven Arbeit weiter nachgedacht werden, die die Betroffe- 5. die Verteilungsgerechtigkeit bei der Befriedigung der nen dazu befähigen, einkommensadäquate Haushalts- Gläubiger zu erhöhen und Lebensplanung zu betreiben. 6. den Verbraucherkonkurs zu regeln und eine Rest- Fazit all des Gesagten ist aus Sicht der PDS-Fraktion: schuldbefreiung zu ermöglichen Der Gesetzentwurf ist zu befürworten. Es werden die Positionen derjenigen gestärkt, die für die gemeinschaftli- Das Insolvenzordnungsausführungsgesetz Mecklen- che Befriedigung der Gläubiger wirken und zugleich redli- burg-Vorpommerns soll nunmehr dazu dienen, daß die chen Schuldnern die Gelegenheit zur Restschuldbefrei- Verbraucher und geringfügig wirtschaftlich Tätige das ung geben wollen. Verbraucherinsolvenzverfahren sinnvoll nutzen und ihre Interessen sachgerecht wahrnehmen können. Die PDS- Abschließend noch ein Wort zur Opposition: Ihr Vor- Fraktion befürwortet das im Entwurf vorliegende Gesetz. wurf, die jetzige Regierung habe das Inkrafttreten des Ohne diese gesetzlichen Regelungen wäre diese Möglich- Gesetzes zeitlich verschleppt, stößt aus meiner Sicht ins keit einer Schuldenregulierung als Grundlage für eine Leere, wenn man bedenkt, daß der Bundesminister für 1408 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

Justiz 1978 eine Kommission für die Neugestaltung des In- Nun ist Herr Dr. König nicht hier. Ich hoffe, daß er sich solvenzrechts initiierte. Das Gesetz wurde am 21. April 1994 zur Zeit auch nicht im Pressezentrum befindet und in die- beschlossen. Dazwischen lagen 16 Jahre. Angesichts sem Zusammenhang wieder eine Pressemeldung heraus- derartiger Zeiträume für das Entstehen von Gesetzen ver- gibt, mute ich hinter den Verbalattacken gegen die SPD/PDS- (Dr. Ulrich Born, CDU: Nein.) Regierung in Mecklenburg-Vorpommern einen Teil Ihres Generalangriffs, von dem Frau Merkel in den ersten denn er war auch nicht am 8. September 1999 im So- Monaten diesen Jahres sprach. Ihr Tun ist durchschaut, zialausschuß anwesend, hat aber trotzdem diese un- meine Damen und Herren. Sie machen insofern einen glückselige Presseerklärung herausgegeben. Ich denke, neuen Fehler, weil Sie aus Ihren alten nichts lernen. Und das ist ein Verfahren, was unter uns Abgeordneten nicht noch eins an dieser Stelle, meine Damen und Herren von einreißen sollte. Ich würde jedenfalls darum bitten, daß wir der CDU, Lernen ist immer mit Verhaltensveränderungen uns lieber an der sachlichen Diskussion in den Ausschüs- verbunden. Insofern gilt für Sie: Verhalten nicht geändert, sen beteiligen, als daß wir hier über Medien miteinander also nichts gelernt. – Danke schön. konferieren, wo dann noch nicht einmal die Wahrheit in der Presse steht. Das ist kein Stil, meine Damen und Her- (Beifall bei Abgeordneten der PDS) ren von der CDU! Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke, Herr Koplin. Meine Damen und Herren! In der Ersten Lesung habe Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Seemann ich anhand konkreter Zahlen und Fakten auf die Notwen- von der Fraktion der SPD. digkeit dieses Gesetzes hingewiesen. Herr Kollege Koplin hat das eben untermauert. Ich will diese Fakten deshalb Dr. Margret Seemann, SPD: Sehr geehrte Frau Präsi- auch nicht noch mal wiederholen. Die Schuldnerberater dentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! In der haben in der Vergangenheit bereits anerkennenswerte Ar- Ersten Lesung des Insolvenzordnungsausführungsgeset- beit geleistet. Dafür sei allen in den Beratungsstellen Täti- zes in der 18. Sitzung des Landtages am 29. Mai des Jah- gen von dieser Stelle aus einmal gedankt. res hatte ich darauf hingewiesen, „daß der Gesetzentwurf schnellstmöglich und natürlich gründlich beraten wird, Neben ihrer alltäglichen Arbeit haben die Schuldnerbe- damit das von den Schuldnerberatungsstellen langer- rater sich auch noch weiterqualifiziert. Hierbei müssen sie sehnte Ausführungsgesetz unverzüglich in Kraft treten aber weiterhin vom Land unterstützt werden. Für den rich- kann.“ tigen Weg halte ich, daß Schuldnerberater und juristisch vorgebildete Personen eng zusammenarbeiten. Soziale Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat dann Kompetenz und juristisches Fachwissen sind in diesem auch darauf gedrängt, den Gesetzentwurf im federführen- komplizierten Verfahren, in dem Detailkenntnisse ebenso den Sozialausschuß schnellstmöglich zu beraten. Noch wie psychosoziale Beratung entscheidend für den Erfolg unmittelbar vor der Sommerpause am 14. Juli 1999 fand sind, von gleichwertiger Bedeutung. Die Qualifizierung auf Antrag von SPD und PDS in einer Sondersitzung des sollte gemeinsam mit allen Beteiligten in unserem Land Sozialausschusses eine Anhörung statt. Wer daran teilge- durchgeführt werden. Weiterhin sollten die Betroffenen nommen hat, konnte feststellen, daß die Sachverständi- grundsätzlich staatliche Prozeßkostenhilfe beanspruchen gen nicht nur um eine schnellstmögliche Verabschiedung können. gebeten, sondern ihre prinzipielle Zustimmung zum vorlie- genden Entwurf gegeben haben. Viele Schuldner, das wurde auch in der Anhörung deut- lich, können die Kosten von mehreren tausend Mark für Berufsständische Interessenvertretung war dabei na- ein Verfahren zur Klärung und Entschuldung nicht aufbrin- turgemäß unverkennbar. Es wurden einige Änderungsvor- gen, und die Gerichte lehnen häufig Prozeßkostenhilfe schläge unterbreitet, von denen eine nicht unerhebliche hierfür ab. Das wird allerdings auch sehr unterschiedlich Zahl durch Koalitionsanträge Berücksichtigung fanden. gehandhabt, das wurde in der Anhörung ganz deutlich. Diese sind von mir im Bericht bereits genannt worden. Daran scheitert dann oftmals die neu eingeführte Mög- lichkeit des „Verbraucherkonkurses“ für überschuldete Ich möchte allerdings noch etwas zum Verfahren sa- Privathaushalte. Bundeseinheitliche Rahmenbedingun- gen. Während die Koalitionsfraktionen versucht haben, gen sind hier sicherlich vonnöten. schnellstmöglich im federführenden Sozialausschuß das Insolvenzordnungsausführungsgesetz zu beraten, hat Meine Damen und Herren! Gemeinsam müssen wir da- sich die Opposition zumindest im Sozialausschuß an Än- für sorgen, daß die Schuldnerberatungsstellen auch in derungen nicht beteiligt, statt dessen auf altbewährte Ver- Zukunft fachlich und finanziell gesichert bleiben. Das Land unsicherungskampagnen über die Medien zurückgegrif- muß sich seiner sozialen Verantwortung bewußt sein. In fen. Nun ist leider der Kollege Dr. König nicht im Raume. 1999 wurde der Haushaltsansatz unter anderem für Unter der sicherlich von Herrn Dr. König nicht verantwor- Schuldnerberatungsstellen bereits um 1,9 Millionen DM er- teten Überschrift „Insolvenzordnung im Land vor der Plei- höht, für das Jahr 2000 wurde trotz der Finanzsituation te“ wurde von ihm im „Sonntagsblitz“ am 12. Septem- dieser Ansatz noch einmal leicht aufgestockt. Ich bin der ber 1999 der rot-roten Landesregierung unterstellt, sie Auffassung, daß wir mit dem uns heute vorliegenden Ge- würde die Verabschiedung des Gesetzes verhindern. Herr setzentwurf – inklusive den Änderungen – ein handhabba- Koplin hat gerade darauf hingewiesen. res Instrument zur Insolvenzausführung besitzen. Damit dieses Gesetz nun endlich in Kraft treten kann, bitte ich Vornehm verschwiegen wurde, daß im Finanzaus- alle Fraktionen um Zustimmung. – Vielen Dank. schuß, dessen Vorsitzender einer Ihrer Kollegen ist, meine (Beifall bei Abgeordneten der SPD Damen und Herren von der CDU, das Verfahren, vorsich- und Andreas Bluhm, PDS) tig gesagt, nun wirklich nicht befördert wurde – eine gute Choreographie, das gebe ich zu, aber auf Kosten der vom Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke, Frau Dr. Verbraucherinsolvenzverfahren profitierenden Bürger. Seemann. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1409

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Helmrich von der der Gesetzentwurf entsprechend der Beschlußempfeh- Fraktion der CDU. lung des Sozialausschusses auf Drucksache 3/762 ein- stimmig angenommen. Herbert Helmrich, CDU: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe vorhin dargelegt, In Ziffer II seiner Beschlußempfehlung empfiehlt der So- daß es uns gelungen ist, in einer gemeinsamen Anstren- zialausschuß, einer Entschließung zuzustimmen. Wer der gung einen Kompromiß zu finden, dem letztendlich alle Ziffer II der Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, Fraktionen zustimmen können. Nun hat Frau Seemann den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Ent- wieder einen völlig anderen Ton hier angeschlagen. haltungen? – Damit ist die Ziffer II der Beschlußempfeh- lung des Sozialausschusses auf Drucksache 3/762 ein- (Dr. Margret Seemann, SPD: stimmig angenommen. Das war aber so, Herr Helmrich.) Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 6: Erste Lesung Ich möchte dazu nur sagen: Zu der Diskussion, die wir des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines angestoßen haben, wäre es mit Sicherheit nicht gekom- Ersten Gesetzes zur Änderung der Landeshaushaltsord- men. Und wenn es diese Diskussion und diese Anhörung nung Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 3/722. nicht gegeben hätte, dann wären die Beratungsstellen nicht in der Weise zu Wort gekommen, Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Ersten Gesetzes zur (Dr. Margret Seemann, SPD: Was?) Änderung der Landeshaushaltsord- wie dies jetzt möglich geworden ist. nung Mecklenburg-Vorpommern (Erste Lesung) (Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD) – Drucksache 3/722 – Die Beratungsstellen und der Beratungsverband haben Das Wort zur Einbringung hat die Finanzministerin Frau dann darauf hingewiesen, daß ohne daß dieses Haus Keler. etwas davon wußte – was ja auch nicht unsere Sache ist – inzwischen eine Finanzierungsrichtlinie in Arbeit war und Ministerin Sigrid Keler: Frau Präsidentin! Meine Damen in dieser Finanzierungsrichtlinie Anerkennungseinschrän- und Herren! Jahrelang wird schon darüber geredet, daß kungen enthalten waren. Und als das dann durch unsere unser Haushaltsrecht den heutigen Bedingungen nicht Diskussion hochkam, ist noch etwas Geld draufgelegt mehr gerecht wird. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur worden. Änderung der Landeshaushaltsordnung wollen wir den For- derungen nach mehr Flexibilität und höherer Eigenverant- In der Tat, wenn Sie auf den Zeitungsartikel abheben, wortung im Haushaltswesen gerecht werden. war das die Auffassung der Beratungsstellen, sie würden das finanziell mit dem Personal überhaupt nicht durchhal- Der Bund hat mit dem Haushaltsrechtsfortentwick- ten, was sie machen sollen. Insofern wäre die Beratungs- lungsgesetz vom 22.12.1997 eine Reihe von Schritten in landschaft, will ich mal sagen, hier im Lande sehr getrof- Richtung auf eine effizientere öffentliche Haushaltswirt- fen gewesen, wenn nicht Geld nachgelegt worden wäre. – schaft getan. Dabei kam es darauf an, das parlamentari- Vielen Dank. sche Budgetrecht und die Vergleichbarkeit der öffentli- chen Haushalte zu wahren. Wir schlagen Ihnen mit dem (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) Gesetzentwurf zur Änderung der Landeshaushaltsord- Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke schön, nung vor, die Grundsätze des Bundesgesetzes zu über- Herr Helmrich. nehmen. Dies nicht nur deshalb, weil wir verpflichtet sind, unser Haushaltsrecht bis spätestens zum 1. Januar 2001 Ich schließe die Aussprache. nach den neuen bundeseinheitlichen Grundsätzen zu Wir kommen zur Einzelberatung über den von der Lan- regeln, wir sind auch davon überzeugt, daß wir mit dieser desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Haushaltsrechtsnovelle einen großen Schritt in Richtung Ausführung der Insolvenzordnung auf Drucksache 3/354. auf eine modernisierte Verwaltung gehen. Der Sozialausschuß empfiehlt in Ziffer I seiner Beschluß- empfehlung auf Drucksache 3/762, den Gesetzentwurf Änderungen der Landeshaushaltsordnung sind Grund- der Landesregierung entsprechend der Beschlußempfeh- lage und zugleich Umsetzung eines wichtigen Teils von lung anzunehmen. Verwaltungsreformen in unserem Land. Die Reform zielt auf mehr Haushaltsflexibilität, stärkere Eigenverantwor- Wir kommen zur Einzelabstimmung. tung der Bewirtschafter und mehr Kostentransparenz für Ich rufe auf die Paragraphen 1 bis 7 sowie die Über- öffentliche Dienstleistungen. Die wesentlichen Eckpunkte schrift entsprechend der Beschlußempfehlung des Sozial- des Gesetzes sind: ausschusses auf Drucksache 3/762. Wer diesen Vorschrif- – Die Deckungsfähigkeit zwischen verschiedenen Haus- ten sowie der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte haltsansätzen wird verstärkt. ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit sind die Paragraphen 1 bis 7 sowie die Überschrift – Die Übertragung nicht verbrauchter Haushaltsmittel in entsprechend der Beschlußempfehlung des Sozialaus- das nächste Haushaltsjahr wird erleichtert. schusses auf Drucksache 3/762 einstimmig angenom- men. – Die Anreize, Mehreinnahmen zu erzielen, werden aus- gebaut. Wir kommen zur Schlußabstimmung. – In geeigneten Bereichen sollen Kosten- und Leistungs- Wer dem Gesetzentwurf im ganzen entsprechend der rechnungen eingeführt werden. Beschlußempfehlung des Sozialausschusses auf Druck- sache 3/762 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein – Die Verwaltung hat alle finanzwirksamen Maßnahmen Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auf ihre Wirtschaftlichkeit zu prüfen. 1410 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

– Die doppelte Buchführung wird als zusätzliche Form Fachhochschulen und Universitäten hat, zum Beispiel bei der Rechnungslegung zugelassen. der Zweckbestimmung von Einnahmen oder bei der Auf- gabenübertragung, die nur durch Gesetz oder Haushalts- – Die Möglichkeit der Budgetierung wird eingeräumt – in plan möglich sein sollen. Ausnahmen beispielsweise be- Verbindung mit geeigneten Informations- und Steue- dürfen der Einwilligung dieses Landtages. Ministerien be- rungsinstrumenten. dürfen der Einwilligung des Finanzministeriums, bevor sie Mit dieser Änderung der Landeshaushaltsordnung wird Unternehmen, an denen das Land beteiligt ist, gestatten, ein richtungsweisender Schritt getan, um bei der Aufstel- Beteiligungen zu erwerben oder zu veräußern. Dieses lung der Haushalte künftig die Mittel leistungsbezogener kennzeichnet auch ein Mißtrauen des Finanzministeriums veranschlagen zu können. gegenüber den Fachministerien. Durch die Zusammenführung von Fach- und Finanzver- Was gibt es außerdem Neues in diesem Gesetzent- antwortung wollen wir außerdem künftig eine höhere Effi- wurf? Der Finanzminister wird zum Ministerium. „Er“ wird zienz erzielen. Das gelingt allerdings nur dann, wenn wir zu „es“. In der alten Haushaltsordnung festgelegte Männ- zugleich einen Reformprozeß in den Köpfen der Mitarbei- lichkeit wird zum Neutrum. Begrüßenswert ist, daß diese terinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung in Gang setzen. Formulierung Kosten, wie etwa neue Beschilderung bei Nicht mehr die maximale Ausschöpfung von Haushalts- Gesetzesänderung oder bei Amtswechsel von männli- ansätzen soll das Ziel sein, sondern die größtmögliche chen oder weiblichen Amtsinhabern, ausschließt. Be- Effektivität der Mittelverwendung im Sinne gewünschter grüßenswert ist ebenfalls, daß auch auf modische Neu- und definierter Leistungsziele. heiten wie FinanzministerInnen verzichtet wird. Meine Damen und Herren! Die LHO ist ein wichtiges (Angelika Gramkow, PDS: Regelwerk, in dem Rechte und Pflichten von Parlament Schade, daß Anne nicht da ist!) und Regierung in Finanzfragen niedergelegt sind. Jede Ich danke für die Aufmerksamkeit. Änderung kann von großer Bedeutung für das Verhältnis zwischen diesen Verfassungsorganen sein. Deshalb wün- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – sche ich der Beratung dieser Novelle im Ausschuß die Heiterkeit bei Reinhard Dankert, SPD) Aufmerksamkeit, Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke, Herr Rie- (Angelika Gramkow, PDS: Und im Parlament.) mann. die ihr zukommt – und im Parlament. Das Wort hat jetzt die Fraktionsvorsitzende der PDS Frau Gramkow. (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD) Angelika Gramkow, PDS: Frau Präsidentin! Meine Da- Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke, Frau Mini- men und Herren! Für die PDS-Fraktion ist eine der wich- sterin. tigsten Änderungen der Landeshaushaltsordnung die Fle- Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Rede- xibilisierung des Haushaltsrechtes. So wurde im Rahmen zeit von bis zu fünf Minuten für jede Fraktion vereinbart. für die Zulassung von Deckungsfähigkeiten und Übertrag- Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so barkeiten eine Erweiterung eingebracht. Das ermöglicht beschlossen. meiner Meinung nach, die Landesverwaltung deutlich auf die Erhöhung von Effektivität und Wirtschaftlichkeit und Ich eröffne die Aussprache. damit besser im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Das Wort hat der Abgeordnete Herr Riemann von der des Landes auszurichten. Denn gerade die Übertragung Fraktion der CDU. von Haushaltsmitteln in das nächste Haushaltsjahr kann zu wirtschaftlicherem Verwaltungshandeln beitragen. In Wolfgang Riemann, CDU: Frau Präsidentin! Meine Da- dem Zusammenhang sind wir natürlich schon dafür, daß men und Herren! Diese Landesregierung will die Landes- die Flexibilisierung, aber auch die Budgetierung im Rah- haushaltsordnung ändern. Warum? men des Haushaltsrechtes weiter Anwendung finden. Zunächst einmal die Formalitätsfrage: Da der Bund das Und nach wie vor ist schon etwas Phantasie für die fle- Haushaltsfortentwicklungsgesetz am 22.12.1997 be- xiblere Einsetzung im Haushaltsrecht gefragt, auch mit schlossen hat, sind auch die Länder in der Pflicht, ihr der Novelle der Landeshaushaltsordnung. Wir begrüßen Haushaltsrecht zu ändern. Darauf hat die Finanzministerin also diese generellen Möglichkeiten, insbesondere be- hingewiesen. Darüber hinaus aber sieht die Landesregie- züglich der Budgetierung. rung noch zusätzlichen Änderungsbedarf bei den Beteili- Und, Herr Riemann, lassen Sie es sich gesagt sein, daß gungen an privaten Unternehmen. einzig und allein – und das sage ich hier sehr deutlich – Flexibilisierung, Kosten- und Leistungsrechnung, Wirt- nach der Anhörung zum Modellprojekt es SPD und PDS schaftlichkeitsprüfung, kaufmännische Buchführung sind geschafft haben, daß auch der Personalkostenanteil zu Forderungen, die die CDU-Fraktion schon seit Jahren hier zehn Prozent im Modell in Neubrandenburg berücksich- im Landtag stellt. Leider wurde beispielsweise ein ent- tigt werden konnte. Wenn Sie hier sagen, daß wir das ver- sprechender Antrag der CDU für die Fachhochschule hindert haben, dann frage ich mich, wer die letzten zwei Neubrandenburg zum Haushalt ‘99 abgelehnt, abgelehnt Jahre eigentlich die Verantwortung in diesem Land bezüg- durch die Koalitionsfraktionen, die sich mit dem Gesetz- lich dieser Fragen gehabt hat. entwurf heute schmücken wollen. Ich denke, daß wir im Zuge der Budgetierung ganz ein- Der große Wurf ist mit diesem Gesetzentwurf wieder deutig auch in Umsetzung des Landeshaushaltes und da- einmal verfehlt worden. Leider ist es immer noch so, daß mit des neuen Haushaltsrechtes oder des veränderten das Finanzministerium ein großes Mißtrauen gegenüber gemeinsam arbeiten sollten. Ich hatte während der Haus- der Kompetenz von Organisationseinheiten wie etwa haltsrede bereits angemahnt, daß wir prüfen sollten zum Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1411

Beispiel die Budgetierung des Gestüts in Redefin oder (Wolfgang Riemann, CDU: Ich werde auch die Aufnahme in das Flexibilisierungs- und Budgetie- die Probleme schon noch benennen.) rungsverfahren der Hochschulen in Stralsund und Wismar. und stellt in Frage, was er früher selbst verfochten hat. Die Stufe 1 des Modellprojektes schwebt mir hier vor. Mit ernsthafter parlamentarischer Arbeit haben seine Show- Ich denke, das sind Diskussionspunkte, wo uns die ver- einlagen nicht mehr viel zu tun. änderte Haushaltslage recht gibt, indem wir auch gemein- (Beifall Heinz Müller, SPD) sam daran arbeiten, Flexibilisierung, Budgetierung in der Anwendung von effizientem Haushaltswesen und Haus- Es geht ums Miesmachen, Falschreden, Verleumden haltsrecht umzusetzen. Die Einführung der Kosten- und und Herabsetzen. Leistungsrechnung wird ihr übriges tun. Wir stimmen der Überweisung in die Ausschüsse zu. (Sylvia Bretschneider, SPD: Genauso ist es! – Unruhe bei Wolfgang Riemann, CDU) (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) Das darf keine Nachahmer finden in diesem Parlament. Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke, Frau Gramkow. (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU: Ich schließe die Aussprache. Ist das noch parlamentarisch?) Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Meine Damen und Herren! Die Ergänzung zu unserem Landesregierung auf Drucksache 3/722 zur federführen- Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2000 hat zwei Teile: den Beratung an den Finanzausschuß und zur Mitbera- Einmal geht es um die Auswirkungen des Zukunftspro- tung an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen. Wer grammes 2000 der Bundesregierung auf den Landes- diesem Überweisungsvorschlag zustimmen möchte, den haushalt von Mecklenburg-Vorpommern, soweit wir sie bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthal- schon hinreichend genau beziffern können. Soweit das tungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag einstim- noch nicht möglich ist, schlagen wir vor, finanzielle Vor- mig angenommen. sorge zu treffen. Dazu komme ich noch im einzelnen. Der zweite Teil umfaßt Änderungen aufgrund zwischenzeitlich Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 7: Beratung der gewonnener neuer Erkenntnisse. Beides ist nicht neu für Ergänzung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung – Sie. Ich habe Ihnen bereits in der Haushaltsrede vom Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung und Änderung 15. September einen recht ausführlichen Überblick über haushaltsrechtlicher Bestimmungen, Drucksache 3/724. den Inhalt der Ergänzung gegeben. Ergänzung zu dem (Beifall Angelika Gramkow, PDS) Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung und Zur Erinnerung die wichtigsten Punkte: Auf Grund des Änderung haushaltsrechtlicher Bestimmungen Zukunftsprogramms werden das Land mit netto 14,1 Mil- (Haushaltsrechtsgesetz 2000 – HRG 2000 –) lionen DM und die Kommunen mit netto 13 Millionen DM – Drucksache 3/600 – mehr belastet. Hinzu kommt eine Reihe von Änderungen, – Drucksache 3/724 – die sich bei den Empfängern als Mittelkürzungen nieder- schlagen, die aber in unserem Landeshaushalt nicht ins Das Wort zur Einbringung hat die Finanzministerin Frau Gewicht fallen, also haushaltsneutral sind. Zum Beispiel Keler. fallen 4 Millionen DM Bundesmittel für den „Goldenen Ministerin Sigrid Keler: Frau Präsidentin! Meine Plan Ost“ weg, Damen und Herren! Wie in vergangenen Jahren auch legt Ihnen die Landesregierung heute eine Ergänzung zum (Wolfgang Riemann, CDU: Sehr kurzlebig Haushaltsplanentwurf 2000 vor. Das ist ein ganz normaler war dieser Plan. – Angelika Gramkow, PDS: Vielleicht kann sie was dafür, oder was?) Vorgang, der im Paragraphen 32 der LHO seine Rechts- grundlage findet. Ergänzungen zum Haushaltsplanent- 2,6 Millionen DM für den Wohnungsbau und 7,9 Millio- wurf hat es auch schon zu Zeiten der CDU/F.D.P.-Koali- nen DM bei der GA-Wirtschaft. tion und zu Zeiten der großen Koalition gegeben, also nor- males Geschäft und nichts Neues. Wohltuend habe ich Positiv wirken sich in diesem Zusammenhang 1,8 Mil- diese Normalität in der ersten Sitzung des Finanzaus- lionen DM zusätzliche Bundesmittel für Kulturbauten aus. schusses über den Haushalt 2000 gespürt. Dort wurde der Die zunächst dem Land zugewiesenen zusätzlichen Vorabdruck der Ergänzung wie selbstverständlich in die Lasten aus pauschaliertem Wohngeld und Leistungen Beratung einbezogen. So haben wir es in früheren Jahren nach dem UVG wollen wir zur Hälfte an die Kommunen bereits gehalten, und so sollte es auch künftig sein. weiterreichen und ihnen gleichzeitig dafür einen Ausgleich zukommen lassen. Positiv hebt sich das ab von den destruktiven Spiel- chen, die der Abgeordnete Riemann offenbar zur Leitlinie (Beifall bei einzelnen Abgeordneten seiner Beiträge in diesem Landtag und in seinen Aus- der SPD und Angelika Gramkow, PDS) schüssen gemacht hat. Diese Lastenübertragung ist sachgerecht, weil die (Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU: Kommunen das pauschalierte Wohngeld und die Leistun- Zuviel der Ehre, zuviel der Ehre, Frau Keler!) gen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz seit jeher bewil- ligen und ein enger sachlicher Zusammenhang zur Sozial- Er verzögert, sieht Probleme, hilfe besteht, die ja auch von den Kommunen getragen (Wolfgang Riemann, CDU: wird. Er verzögert gar nicht.) Aus den neuen Erkenntnissen, die wir seit der Verab- wo keine sind, schiedung des Haushaltsplanentwurfes im Kabinett ge- 1412 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 wonnen haben, ergeben sich für unser Land per Saldo Drittens. Der Mißbrauch bei den sogenannten Zwei- Belastungen von knapp 70 Millionen DM. Darin enthalten und Mehrkontenmodellen wurde beseitigt. Dadurch wird sind die Auswirkungen aus dem Verfassungsgerichtsurteil die steuerwirksame Finanzierung privater Aufwendungen vom 28. April dieses Jahres zu den Zusatzversorgungs- über den Betrieb verhindert. systemen, die wir jetzt besser quantifizieren können. Die- Meine Damen und Herren! Die Ergänzung zum Haus- ses Urteil belastet uns allein mit 29,7 Millionen DM zusätz- haltsplanentwurf 2000 ändert nichts an den Strukturen lich. und nur wenig an den Eckzahlen des von mir im vorigen Die unsolidarische Haltung von Sachsen und Thüringen Monat vorgestellten Entwurfs. Vor allem ändert sie nichts in der Frage der Verteilung der EU-Strukturfondsmittel auf an dem Kreditbedarf von 650 Millionen DM. die neuen Länder habe ich Ihnen schon geschildert. Dar- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten aus ergibt sich die Gefahr, daß das operationelle Pro- der SPD und Angelika Gramkow, PDS) gramm für den Einsatz dieser Mittel mit Verspätung wirk- sam werden kann. Das hat zur Folge, daß möglicherweise 1995 und 1996 hat sich Mecklenburg-Vorpommern knapp 50 Millionen DM EFRE- und ESF-Mittel nicht in der noch mit mehr als jeweils 2 Milliarden DM neu verschul- Weise eingesetzt werden können, wie wir das geplant hat- det. Seit 1997 fahren wir den Kreditbedarf konsequent ten. Für diesen Fall muß jetzt Vorsorge getroffen werden. zurück, von knapp 1,5 Milliarden DM in 1997, über knapp 1,3 Milliarden DM in 1998 und auf 924 Millionen DM in die- Daneben enthält die Ergänzung eine Reihe kleinerer sem Jahr. Im Jahr 2000 werden wir zusammen mit der Änderungspositionen, die ich hier nicht im einzelnen er- PDS bei 650 Millionen DM landen. Ich weiß, diese erfolg- wähnen will. reiche Finanzpolitik ärgert Sie maßlos, deshalb wollen Sie Ich habe Ihnen bereits im September erläutert, daß wir den guten Eindruck mit kleinkarierten Nörgeleien zunichte die Mehrbelastungen auffangen können, weil wir mit Steu- machen. Ich denke, das lohnt sich nicht. Je früher Sie das ermehreinnahmen rechnen, die wir in der Haushaltsergän- begreifen, desto besser ist es für uns alle und vor allen zung mit 100 Millionen DM beziffert haben. Diese runde Dingen für das Land. Zahl soll deutlich machen, daß es sich dabei um eine Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist be- Schätzung handelt, die zwar gut begründet ist, die aber wußt, daß die Haushaltsberatungen in den Ausschüssen noch nicht auf einer bundesweiten feinteiligen Steuer- von Jahr zu Jahr schwieriger werden. Man mag das schätzung beruht. Wir sind auf Grund der bisherigen bedauern, aber es ist eben auch ein Zugewinn an Norma- Steuereinnahmen in diesem Jahr davon überzeugt, daß lität. – Vielen Dank fürs Zuhören. wir im kommenden Jahr 100 Millionen DM mehr einneh- men werden, als in der Steuerschätzung vom Mai errech- (Beifall bei Abgeordneten der SPD net. So wie es meine Pflicht ist, Ihnen die Ausgaben voll- und Angelika Gramkow, PDS) ständig darzulegen, genauso ist es meine Pflicht, abseh- bare Mehreinnahmen zu beziffern. Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke, Frau Mini- sterin. (Beifall Angelika Gramkow, PDS) Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer Wenn ich das versäumen würde, wären Sie, meine von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Damen und Herren von der Opposition, sicherlich die Widerspruch, dann ist das so beschlossen. ersten, die versuchen würden, mir daraus einen Strick zu drehen. Weil das nun nicht geht, versuchen Sie es anders- Ich eröffne die Aussprache. herum und werfen mir Luftbuchungen bei der Steuer vor. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Riemann von der Mein Eindruck ist: Ich kann machen, was ich will, Ihre Kri- Fraktion der CDU. tik ist mir in jedem Fall sicher. Wolfgang Riemann, CDU: Frau Präsidentin! Meine Die Steuereinnahmen wachsen zum ersten Mal seit Damen und Herren! 1994 bundesweit stärker als geschätzt. Ob es Ihnen ge- fällt oder nicht, das ist auch das Ergebnis der Steuerpoli- Frau Finanzministerin, es geht nicht ums Miesmachen tik der neuen Bundesregierung aus SPD und Grünen. oder Verzögern, es geht um Haushaltsklarheit und -wahrheit. (Beifall Heidemarie Beyer, SPD) (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Minister Till Backhaus) Wir haben versprochen, legale Steuerschlupflöcher zu schließen, und wir haben unser Versprechen gehalten. Schlagzeilen der Woche: „Landwirtschaftsminister Till Backhaus hält eine Rede zur Eröffnung des Waldlehr- (Beifall Heidemarie Beyer, SPD) pfades am Forsthof in Schildfeld“, Ich nenne nur drei Beispiele: (Dr. Gerhard Bartels, PDS: Schön vom Minister.) Erstens. Für außerordentliche Einkünfte muß jetzt der „Ministerpräsident Ringstorff nimmt teil an der Bundes- volle Steuersatz entrichtet werden, und die außerordentli- ratssitzung in Bonn“. chen Einkünfte aus Vergütungen für eine mehrjährige (Angelika Gramkow, PDS: Tätigkeit wurden auf fünf Jahre verteilt. Experten wissen, Ja, das ist doch seine Aufgabe.) die frühere Regelung war die Mutter aller Steuersparmo- delle. Infolge der Neuregelung lohnen sich diese Steuer- Das sind Banalitäten, in denen sich die Landesregie- sparmodelle nicht mehr. rung seit Wochen und Monaten erschöpft. Zweitens. Die Bildung von Rückstellungen wurde ein- (Angelika Gramkow, PDS: geschränkt. Dadurch werden ungerechtfertigte Vergünsti- Wenn sich mal Herr Seite im Bundesrat gungen insbesondere der Atomindustrie und der Versi- so engagiert hätte, wie wir das tun! – cherungswirtschaft beseitigt. Unruhe auf der Regierungsbank) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1413

Warum, Frau Gramkow, schmeiße ich diese Ereignisse obwohl er selber so formuliert war, ab. Treffender kann in einen Topf, ... man sich nicht isolieren, Frau Keler und Herr Ringstorff! Vizepräsidentin Renate Holznagel: Bitte keine Äuße- (Angelika Gramkow, PDS: Das ist nicht rungen von der Regierungsbank! wahr! – Zuruf von Peter Ritter, PDS) Wolfgang Riemann, CDU: ... obwohl sie eigentlich Ich habe andere Informationen. nicht zusammengehören? (Heidemarie Beyer, SPD: Von wem denn? – (Dr. Gerhard Bartels, PDS: Till Backhaus, SPD: Von wem Das ist eine gute Frage.) haben Sie die denn?) Warum sind diese Ereignisse kennzeichnend im Zu- Nun zur Ergänzungsliste: Warum, Frau Keler, haben Sie sammenhang mit der Ergänzungsliste zum Haushalt 2000 in dieser Liste nicht die Einsparungen der Bundesregie- der Landesregierung? rung in der Mittelfristigen Finanz- und Investitionsplanung deutlich gemacht? Erstens. Weil die Landesregierung Banalitäten zu Ereig- nissen aufbauscht, weil sie sich mit den Federn früherer (Till Backhaus, SPD: Herr Riemann Weichenstellungen schmückt, weil sie nichts, aber auch muß langsam mal auf den Lehrpfad! – gar nichts an eigenen Erfolgen vorzuweisen hat. Dr. Ulrich Born, CDU: Auf welchen? – Zuruf von Peter Ritter, PDS) (Siegfried Friese, SPD: Was sind denn Federn früherer Weichenstellungen?) Vielleicht, weil dadurch deutlich geworden wäre, daß der Osten, Herr Backhaus, besonders betroffen ist? Weil Was nun, meine Damen und Herren, ist der Anteil von dadurch deutlich geworden wäre, daß die CDU mit dem Landwirtschaftsminister Till Backhaus an der Eröffnung Volumen der Einsparungen, die dieses Land betreffen, des obengenannten Waldlehrpfades? 0,0 Prozent, sage recht hatte? Wo bleibt der Slogan von Ministerpräsident ich Ihnen. Ringstorff „Gerechtigkeit und Arbeit besonders im Zweitens. Gibt es wenigstens Aktivitäten der Landes- Osten“? Wo bleibt er, meine Damen und Herren? Mehr als regierung im Bundesrat gegen den Abbau Ost, manife- 5.000 Arbeitsplätze sind ab 2000 durch die Bundesregie- stiert im Sparpaket der Bundesregierung? Auch hier, rung im zweiten Arbeitsmarkt durch das Sparpaket von meine Damen und Herren, 0,0 Aktivitäten, 0,0 Aktivitä- Eichel und Schröder betroffen. 1,8 Milliarden DM sollen ten, die vielleicht im Interesse unseres Landes wären, eingespart werden. Warum schweigt der Ministerpräsi- 0,0 Aktivitäten unseres Ministerpräsidenten für die Inter- dent dazu? Warum wirft er Nebelkerzen auf die Südschie- essen unseres Landes, für die Interessen der Bürgerin- ne, wo es richtig weh tut für dieses Land, anstatt dort mit nen und Bürger. kräftiger Stimme die Interessen der Bürgerinnen und Bür- ger zu vertreten? (Sylvia Bretschneider, SPD: Ein Stuß, was Sie erzählen!) (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) Groß angekündigt hatte unsere formidable Landesre- Warum, meine Damen und Herren, ist in der Ergän- gierung einen Antrag im Bundesrat zum Sparpaket der zungsliste nicht aufgeführt, wie unser Land vom Sparpaket Bundesregierung. Was, meine Damen und Herren, ist dar- in den Folgejahren betroffen ist? Obwohl Sie, Frau Keler, aus geworden? Nachfragen im Finanzausschuß und im die Daten kennen – und sollten Sie sie nicht kennen, kön- Bundesrat haben eine jämmerliche Isolation der Landes- nen Sie sich diese Daten aus dem Internet runterladen –, regierung von Rot-Rot im Bundesrat ergeben. informieren Sie dieses Parlament nicht. (Angelika Gramkow, PDS: Was ist mit der GA-Ost im Bereich der Wirtschaftsför- Das ist gar nicht wahr!) derung, meine Damen und Herren? Minus 229 Millio- nen DM. Was ist mit der Forschungsförderung? Minus Nachdem der Passus 1 des Antrages durch die Mehr- 4,92 Milliarden DM. Was ist mit der GA im Bereich der Ver- heit, auch durch SPD-Länder, abgelehnt wird – der Pas- besserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes, sus 1 unseres eigenen Antrages, Herr Backhaus? Minus 319 Millionen DM. (Till Backhaus, SPD: Was meinen Sie (Till Backhaus, SPD: Stimmt nicht!) denn mit „unserem Antrag“? Was meinen Sie denn mit „unserem Antrag“?) Natürlich. der Passus, der nämlich die Sparbemühungen der Bun- (Till Backhaus, SPD: Nein.) desregierung begrüßt –, werden die folgenden Passagen Gucken Sie sich die Daten an! des Antrages von Mecklenburg-Vorpommern gar nicht erst eingebracht, weil sie gleichlautend mit dem Antrag (Till Backhaus, SPD: Unter Ihrer Führung von zehn Bundesländern formuliert sind. Aber anstatt die- ist das passiert, unter Führung der sem Antrag der zehn Bundesländer zuzustimmen, enthält CDU, unter Führung der CDU!) sich unsere Landesregierung der Stimme. Bis zum Jahr 2003 sind in Ihrem Bereich 319 Millio- (Angelika Gramkow, PDS: Das ist falsch.) nen DM weniger durch das Eichelsche Sparpaket. Nein, hat abgelehnt, lehnt unsere Landesregierung die- (Till Backhaus, SPD: Unter der sen Antrag, CDU 700 Millionen abgebaut!) Nein, das ist nicht wahr! (Unruhe bei Abgeordneten der SPD und PDS – Angelika Gramkow, PDS: Vizepräsidentin Renate Holznagel: Herr Abgeordne- Herr Riemann, daneben!) ter Backhaus, lassen Sie Herrn Riemann bitte ausreden. 1414 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

(Till Backhaus, SPD: (Till Backhaus, SPD: Das ist Der sagt aber die Unwahrheit!) ja ein Populist, ist das hier!) Wolfgang Riemann, CDU: Was ist mit dem Bereich der daß das Haushaltsvolumen von 14,4 Milliarden DM 1998 Wohnungsbauförderung? Minus 2,3 Milliarden DM, und auf 14 Milliarden DM 1999 abgesenkt wird. das bei einer besonders im Osten gebeutelten Bauindu- (Till Backhaus, SPD: Ein Glück!) strie. All dieses sind Verminderungen vom Jahr 2000 bis 2003. Im Jahr 2000 steigt es wieder. Und, Herr Backhaus, wenn Sie es nicht glauben, lade (Till Backhaus, SPD: Er sagt die Unwahrheit! ich Ihnen die Daten gerne noch mal aus dem Internet run- Er sagt wissentlich die Unwahrheit!) ter, und dann können Sie sie nachlesen. Was Sie verschwiegen haben, ist, daß neben dem Sozi- (Till Backhaus, SPD: Ich lade Sie aus dem alabbau – ich erinnere Sie hier gerne noch einmal an die Internet runter, so weit sind wir schon lange.) faktische Abschaffung des Landeserziehungsgeldes, an das Einfrieren des Blindengeldes, an das Abkassieren bei Dazu gibt es weder Aussagen der Finanzministerin den Rentnern in den Pflegeheimen – diese Absenkungen noch des Ministerpräsidenten. nur dadurch erreicht sind, daß Sie Mittel nicht mehr im (Heiterkeit bei Abgeordneten der PDS – Haushalt veranschlagen, sondern außerhalb, in Töpfen Till Backhaus, SPD: Laden Sie sich mal und Scheinhaushalten, diese Mittel veranschlagt sind. Als nicht auf, bevor Sie abgeladen werden!) Beispiel könnte man hier die Vertriebenenzuwendung nennen, Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Natürlich – und ich habe es hier wiederholt gesagt – brau- (Ministerin Sigrid Keler: Was?) chen wir den Solidarpakt II. Aber ich habe erhebliche die nicht mehr veranschlagt wird im Haushalt. Zweifel, daß unser Ministerpräsident Harald Ringstorff in dieser Beziehung durchsetzungsfähig ist. Der Bund ist in (Dr. Gerhard Bartels, PDS: Herr Riemann, erster Linie gefordert. Eichel und Schröder müssen in kon- haben Sie noch mal ‘ne Ahnung, kreten Zahlen sagen, was ist und was kommt. wie ein Haushalt aussieht?) Frau Finanzministerin Keler, Sie lassen sich gern als Ja, doch, das habe ich schon, Herr Bartels. Sparministerin feiern. Die Kreditaufnahme sinkt, aber ist dieses Ihr Verdienst, oder sind es nicht EU-Mittel, die die (Dr. Gerhard Bartels, PDS: Kreditaufnahme sinken lassen? Das scheint mir nicht so.) (Unruhe bei Ministerin Sigrid Keler, Dazu sage ich nur: Buchungstricks und nicht Haus- Angelika Gramkow, PDS, und haltsklarheit und -wahrheit. Dr. Gerhard Bartels, PDS) (Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das kann doch EU-Mittel, die eigentlich zusätzlich fließen, Frau Gram- nicht wahr sein, was Sie hier erzählen!) kow, um strukturschwache Regionen zu entwickeln, ... Was ist noch auffällig an der Ergänzungsliste? Mit wei- (Angelika Gramkow, PDS: Und zusätzlich teren 7,9 Millionen DM zieht sich der Bund aus der Chef- eingesetzt werden, was bei Ihnen nicht sache Aufbau Ost zurück. Der „Goldene Plan Ost“ über- förderfähig gewesen wäre!) dauerte nur das Wahljahr 1999. Wo ist die Interessenver- tretung unseres Ministerpräsidenten für den Sport unse- Sie können noch so viel krähen, das ist die Wahrheit. res Landes? Unterhaltsvorschuß und pauschaliertes (Kerstin Kassner, PDS: Oh, das ist charmant! – Wohngeld werden auf Länder und Kommunen abgewälzt. Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten In der Wohnungsbauförderung kürzt der Bund 2,6 Millio- der SPD und PDS) nen DM für Mecklenburg-Vorpommern, und Herr Holter, Herr Ringstorff und Frau Keler schweigen, aber das ... damit diese Regionen den Anschluß an die Wachs- wenigstens kraftvoll. tumsregionen gewinnen. Frau Keler, Sie substituieren mit diesen Mitteln Landesmittel und koppeln so die Entwick- (Dr. Gerhard Bartels, PDS: Sie sollten mal lung des Landes vom Bundes- und Europatrend ab. Es ist auch lieber schweigen, das wäre besser. – Ihr Verdienst, Frau Finanzministerin, daß wir in Mecklen- Zuruf von Volker Schlotmann, SPD) burg-Vorpommern gemeinsam mit Sachsen-Anhalt das Was ist noch wichtig? Das Land will sich mit 1 Milliarde DM Schlußlicht in der Bundesrepublik, aber auch in Europa zusätzlich an der NORD/LB beteiligen. bei der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes sind. (Ministerin Sigrid Keler: Mit 100 Millionen.) (Angelika Gramkow, PDS: Das ist gar nicht wahr! – Die Beteiligung soll aus steuerlichen Gründen über die Ministerin Sigrid Keler: Das ist gelogen. – Gesellschaft der Abfallwirtschaft und Altlasten vorgenom- Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU – men werden. Das Land will also Steuern sparen. Das ist ja Unruhe bei Dr. Ulrich Born, CDU) nicht verwerflich. Aber genau dieses haben Sie wortreich vor der Wahl den Hamburger Millionären vorgeworfen. Sie, Frau Finanzministerin Keler, ... Das ist genau das gleiche Verfahren, welches Sie heute Vizepräsidentin Renate Holznagel: Frau Keler, ich hier als Land praktizieren. bitte hier die Zwischenrufe zu unterlassen. Rechtzeitig vor der heutigen Plenartagung hat Frau Ke- Wolfgang Riemann, CDU: ... haben sich feiern lassen ler die Mittel für 416 Lehrstellen im Rahmen des Sonder- dafür, programmes freigegeben. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1415

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das war Ihnen Wolfgang Riemann, CDU: Sie waren dort zu einer Er- im Finanzausschuß angekündigt worden, öffnungsveranstaltung ... Herr Riemann! – Angelika Gramkow, PDS: Till Backhaus, SPD: Ich möchte Ihnen eine konkrete Das wissen Sie schon seit drei Wochen!) Frage stellen. Durch wen ist dieser Lehrpfad entstanden? Das konnte man gestern der Presse entnehmen. Der Sagen Sie mir das mal! Druck von links, von der PDS, von rechts, von der CDU, Wolfgang Riemann, CDU: Sicherlich nicht durch Sie, und den Arbeitsämtern war zu groß. Herr Backhaus. (Angelika Gramkow, PDS: Till Backhaus, SPD: Also, dann werde ich Ihnen das Wir mußten nicht drücken.) kurz noch mal erläutern. Oder fürchteten Sie heute hier die Debatte, Frau Finanz- (Dr. Ulrich Born, CDU: Nee, nee, nee, nee!) ministerin? Ich werde sie Ihnen nicht ersparen. Vizepräsidentin Renate Holznagel: Herr Backhaus, (Unruhe bei Volker Schlotmann, SPD – das ist nicht möglich. Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS – Till Backhaus, SPD: Er hat mir die Frage nicht beant- Zuruf von Karla Staszak, SPD) wortet. Auch hier war der Haushaltsentwurf 2000 nicht punkt- Vizepräsidentin Renate Holznagel: Sie haben nur das genau, sind für 2000 Mehrbedarfe von 2,3 Millionen DM Recht, ... zu notieren. Oder, Frau Ministerin, wollten Sie durch die zögerliche Freigabe der Lehrstellenmittel diese Jugendli- Till Backhaus, SPD: Ich war ja noch nicht fertig, ich chen ab Januar im Bundesprogramm zwischenparken habe noch eine andere Frage. (Till Backhaus, SPD: Wenn das hier Vizepräsidentin Renate Holznagel: Herr Abgeordne- nicht so traurig wäre, dann könnte ter Riemann, gestatten Sie ... ich ja jetzt hier wieder lachen.) Till Backhaus, SPD: Er redet einfach von Dingen, von und 2,3 Millionen heimlich in Ihrem Sparstrumpf ver- denen er keine Ahnung hat, dieser Mann. schwinden lassen? Das ist Politik zu Lasten der Jugendli- (Heinz Müller, SPD: Er redet oft von chen, das ist kein strukturelles Sparen. Dingen, von denen er nichts weiß.) Bei der Liberalisierung des Strommarktes glauben Sie, Vizepräsidentin Renate Holznagel: Herr Backhaus, Frau Keler, 1 Million DM einsparen zu können. Auch dieses bitte, jetzt ... entspricht nicht seriöser Haushaltspolitik. Bei nur 20 Pro- zent Ausgabenminderung – und dieses ist sehr vorsichtig Till Backhaus, SPD: Es ist unverantwortlich, Frau Prä- geschätzt – sind 4,6 Millionen DM einsparbar. Soweit zur sidentin, was der Mann hier leistet. Diskussion von heute früh, zu den Privatschulen und dem (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD) Finanzbedarf in diesem Bereich, Frau Bretschneider und Herr Bluhm. Vizepräsidentin Renate Holznagel: Herr Backhaus, ich entziehe Ihnen jetzt das Wort. Bei den Personalausgaben sieht die Landesregierung durch die Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge (Wolfgang Riemann, CDU: Backhaus hat um 0,4 Prozent einen Rückgang der Personalausgaben um ihn persönlich angelegt, den Lehrpfad!) 12 Millionen DM als möglich an. Ich sage Ihnen heute, Frau Das Wort hat jetzt der Ministerpräsident Herr Dr. Ring- Keler: Die Personalausgaben sind mit 40 Millionen DM storff. überveranschlagt, und wir werden die Diskussion dazu im Ausschuß führen. Sparen, meine Damen und Herren, muß (Reinhard Dankert, SPD: Es hören doch man richtig machen. Nichts davon findet sich im Haushalt sowieso nur sechs Leute von der 2000, CDU zu. Was soll denn das?!) Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff: (Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS) Herr Abge- ordneter Riemann, ich denke, der Stil Ihrer Vorträge sollte und nichts davon findet sich in der Ergänzungsliste, nicht Stil des Hauses werden. deshalb lehnen wir eine Überweisung ab. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS) (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Sylvia Bretschneider, SPD: Na, Sie haben ja Wenn man wissentlich die Unwahrheit sagt, gibt es auch nur Schulden gemacht. Es ist ja sehr dafür an und für sich nur ein Wort, es ist aber unparla- interessant, daß Sie uns Vorschläge zum mentarisch, das auszusprechen und Ihnen zu sagen, daß Sparen machen. Das ist sehr interessant!) Sie so ein Mensch sind, der so etwas tut. Wenn Sie sich informieren, würde ich Sie bitten, sich richtig zu informie- Vizepräsidentin Renate Holznagel: Herr Abgeordne- ren, auch was das Abstimmungsverhalten im Bundesrat ter Riemann, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordne- angeht. Sie wissen ganz genau, wie wir gestimmt haben, ten Backhaus? (Zustimmung) aber Sie behaupten hier vor diesem Parlament etwas anderes. Das ist für meine Begriffe ein ganz mieser Stil. Bitte, Herr Backhaus. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und Till Backhaus, SPD: Ja, Herr Riemann, ich möchte das PDS – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU) nicht ins Lächerliche ziehen, aber ich möchte von Ihnen mal wissen, durch wen dieser Forstlehrpfad in Schildfeld Und Sie wissen auch, Herr Riemann, daß für den Auf- entwickelt wurde? Erklären Sie mir das bitte mal! bau Ost im Jahr 2000 2,6 Milliarden DM mehr zur Verfü- 1416 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 gung stehen als im letzten Haushalt der Kohl-Regierung. (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Das wissen Sie auch, und Sie versuchen hier wissentlich Wolfgang Riemann, CDU: Ich habe nur nach einen anderen Eindruck zu erwecken. Auch das ist Ihrem Anteil gefragt, Herr Backhaus, nach Ihrem schlechter Stil. – Vielen Dank. Anteil. Ich habe nicht diese Sache diskreditiert.) (Beifall bei Abgeordneten der SPD Und das ist schlimm, das ist schlimm von der CDU, daß und einzelnen Abgeordneten der PDS) so was überhaupt unterstützt wird. Deswegen kann ich nur sagen: Ich erwarte von Ihnen, daß Sie sich vor diesen Ach, noch eine abschließende Bemerkung: Sie haben Menschen entschuldigen und daß Sie solche Aktivitäten sich geweigert, auf die Frage des Abgeordneten Back- in der Zukunft hoffentlich unterstützen. haus zu antworten. Er war nicht nur zur Eröffnung da, er ist der Initiator dieser Angelegenheit. (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS) Vizepräsidentin Renate Holznagel: Das Wort hat jetzt Ich weiß es nicht, aber ich nehme an, daß Sie auch das die Vorsitzende der Fraktion der PDS Frau Gramkow. wissen und hier wissentlich etwas anderes behaupten oder einen anderen Eindruck erwecken in der Öffentlich- Angelika Gramkow, PDS: Frau Präsidentin! keit. Das ist ein sehr schlechter Stil. Das hat mit konstruk- Herr Riemann, Sie sollten sich doch etwas vorsehen, tiver Opposition nichts zu tun. wenn Sie immer wieder darauf bestehen, daß das die (Beifall bei Abgeordneten der SPD Wahrheit ist. Es gab hier schon mal eine Partei, die mein- und einzelnen Abgeordneten der PDS) te, die Wahrheit gepachtet zu haben, und deshalb ist mit ihr auch die Idee kaputtgegangen. Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke, Herr Mini- sterpräsident. (Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS) Das Wort hat jetzt der Landwirtschaftsminister Herr Sie haben hier in der Haushaltsdebatte vor einigen Backhaus. Wochen erklärt, der Landeshaushalt ist Makulatur, er ge- hört in den Papierkorb, er ist das Papier nicht wert, auf Minister Till Backhaus: Sehr geehrte Frau Präsidentin! dem er steht, weil die Haushaltsklarheit und -wahrheit Ich will nur noch mal unterstreichen, daß hier Unwahrhei- nicht stimmt, weil Sie zu dem Zeitpunkt durch die Lan- ten gesagt worden sind. Der Forstlehrpfad – auch wenn desregierung über die Nachschiebeliste, die heute vor uns sich das ja gelegentlich am Wochenende immer wieder liegt, informiert worden sind und sie heute auch vor uns findet, was man denn so für Aktivitäten leistet – ist eine liegt. Aktivität von einer regionalen Arbeitsgruppe gewesen, die ich massiv unterstützt habe, und zwar eines Förderver- Worüber reden wir eigentlich bei diesen Korrekturen? eins. Und ich würde mir sehr, sehr wünschen, daß wir Die Veränderungen oder Verschlechterungen des Haus- mehr von diesen Aktivitäten aus den Regionen für die haltes betragen insgesamt saldomäßig 83 Millionen DM. Region hätten. Und im übrigen ist es so, daß dieser Forst- Das sind nicht mal sechs Prozent des Gesamthaushaltes. lehrpfad durch diesen Förderverein, dessen Mitglied ich Wenn man alles berücksichtigt – Haushaltsveränderun- unter anderem bin, Herr Riemann, gen, neutrale Einnahmen, Ausgaben, wie Frau Finanzmi- nisterin sie erläutert hat – sprechen wir von insgesamt (Wolfgang Riemann, CDU: mehr Einnahmen und Ausgaben von 41,3 Millionen DM, Das ist löblich. Das ist löblich.) was bei einem Gesamthaushalt von 14,3 Milliarden DM, finanziell unterstützt worden ist durch die Mitglieds- die alte Berechnungsgröße, nicht mal drei Prozent sind. beiträge, durch Sponsoring und daß insbesondere diese (Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff: 0,3.) Maßnahme durch die Beschäftigungsgesellschaft LEISA des Landkreises Ludwigslust als Trägergesellschaft um- Und hier könnte man genausogut die Frage stellen – gesetzt worden ist. Hier wurden gerade jungen Menschen und ich kenne das sehr wohl aus acht Jahren Politik der Perspektiven und eine sinnvolle Beschäftigung gegeben. anderen Landesregierung –, ob man das nicht auch mit Und diese Menschen hier so zu diskreditieren, was Sie Bewirtschaftungsmaßnahmen hätte machen können. Es hier veranstaltet haben, Herr Riemann, gab hier eine CDU-Finanzministerin, die Steuerminderein- nahmen in einer Größenordnung von 100 Millionen DM (Wolfgang Riemann, CDU: über Bewirtschaftung und Haushaltssperre umgesetzt Habe ich nicht gemacht.) hat, ohne das Parlament über einen Nachtragshaushalt das finde ich abscheulich, wenn ich das mal so sagen darf. einzubeziehen und hier die Möglichkeit von Korrekturen einzurichten. (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS) (Minister Till Backhaus: Sehr richtig.) Das haben Sie gemacht! Sie schmücken sich laufend mit Die Landesregierung legt hier eine Nachschiebeliste vor fremden Federn und tun so, als ob Sie der Größte sind. in einem Volumen von 43,1 Millionen DM. Und hier deut- lich zu erklären, das interessiert uns nicht, und das ist un- Und abschließend sage ich Ihnen nur noch eins: Sie wahr, das wollen wir nicht zur Kenntnis nehmen, dies wol- wissen ganz genau, in welcher Situation sich die Forst- len wir nicht beraten in den Ausschüssen, ist schon mehr partie des Landes Mecklenburg-Vorpommern befindet. als penetrant. Das sind Beispiele von Aktivitäten, wie man gerade in sinnvoller Weise für sinnvolle Beschäftigung innerhalb des Natürlich haben Sie kein Wort dazu verloren, daß die ländlichen Raumes sorgen kann. Und Sie machen durch Nettokreditaufnahme trotz dieser Belastungen gehalten Ihre Äußerungen solche Aktivitäten bewußt, sage ich werden konnte bei 650 Millionen DM. Und sie ist halbiert Ihnen, bewußt kaputt. im Vergleich zur letzten Nettokreditaufnahme, die Sie mit Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1417 zu verantworten hatten in diesem Land, die 1998 noch schen, immer vorsorglich die Protokolle zur Verfügung 1,2 Milliarden DM betrug. Wir haben sie halbiert. Leider, stellen, damit Sie wissen, was tatsächlich passiert ist, und Herr Riemann, können wir die jährlichen Zinsen von knapp den Populismus nicht noch weiter treiben können, wie Sie 840 Millionen DM nicht auch einfach halbieren, für die Sie es hier getan haben. hier hauptverantwortlich zeichnen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD Sie haben kein Wort darüber verloren – das finde ich und Dr. Gerhard Bartels, PDS – eigentlich schade –, daß die Landesregierung durch die Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU) realistische Veranschlagung von 100 Millionen DM an Natürlich, und das sage ich auch, es ist bitter für uns als Steuermehreinnahmen ihrer Verantwortung der kommu- PDS – weil es dabei bleibt, daß wir das Sparpaket für nalen Ebene nachkommt und die kommunale Finanzaus- unsozial und ungerecht halten –, daß die Begrenzung der stattung um 27,4 Millionen DM erhöht und damit gleich- Renten auf Inflationsausgleich, die Personalausgaben- zeitig das Konnexitäts... senkung durch die Senkung der Rentenversicherungs- (Wolfgang Riemann, CDU: beiträge über die nächsten Stufen der ökologischen Steu- Das ist Gesetz, Frau Gramkow.) erreform und die Begrenzung der Besoldungserhöhung auf Inflationsausgleich dem Land 14,6 Millionen Gute Das ist überhaupt noch nicht Gesetz. bringen. Aber wenn es dann so als Gesetz kommt, ist es (Wolfgang Riemann, CDU: Heute heißt es 28, ja.) umzusetzen, und es ist haushaltsrechtlich und haushalts- wahr auf der richtigen Seite. Ich gebe natürlich die Hoff- Das gegenwärtig geltende Gesetz läuft zum 31.12. nung trotzdem nicht auf, daß hier Korrekturen auf der nach dem Willen der Koalition aus. Wir sind in der Bera- Bundesebene möglich sind. tung zu diesem Gesetz, und Sie wissen genausogut wie ich, daß SPD und PDS sich aufgrund der Sparsituation des Sie können sich darüber aufregen, daß wir haushalts- Landes geeinigt haben, die Summe von 2,5 Milliarden DM rechtlich abgesichert haben, daß die 460 Ausbildungs- zu stabilisieren. Und es ist nicht etwas Normales, plätze finanziert werden. Es war unstrittig, daß sie finan- ziert werden. Und gleichzeitig sage ich hier deutlich, daß (Wolfgang Riemann, CDU: Vor der wir nicht so leichtfertig im Förderbereich der Ausbildungs- Wahl haben Sie anderes versprochen.) plätze handeln sollten und auch nicht den Druck von der wenn das Land hier deutlich sagt, wir sehen zwar die Wirtschaft und von den Bauunternehmen nehmen sollten, Lasten aus dem Sparpaket des Bundes, aber wir wollen dafür zu sorgen, daß weiterhin ausgebildet wird, auch dazu beitragen, diese Lasten gegenüber den Kommunen ohne Förderung. Denn das, was gegenwärtig vom Land abzufedern. Das ist ein Konnexitätsprinzip, das hier ange- aufgebracht wird – und wir sind bei 86 Millionen DM für die wendet worden ist, Förderung von Ausbildung –, läßt doch die Frage deutlich erkennen, ob die Wirtschaft ihrer Ausbildungsverantwor- (Beifall Erhard Bräunig, SPD, tung nachkommt oder nicht. Viele kleine und mittelständi- und Dr. Gerhard Bartels, PDS) sche Unternehmen tun das in diesem Land, aber große was eigentlich noch nicht mal kompatibel mit Konne- entziehen sich noch dieser Verantwortung. Deshalb wer- xität in der Landesverfassung von Mecklenburg-Vorpom- den wir weiter fördern, auch in großem Umfang, und mern wäre. Das will ich sehr deutlich erklären. Und ich gleichzeitig einfordern, daß die Wirtschaft, Bauwirtschaft denke, das ist ein Angebot und Handwerk, weiterhin ihrer Verantwortung zur Ausbil- dung gerecht werden muß. (Lorenz Caffier, CDU: Na, na, na, na!) Sie finden in diesem Gesetzentwurf etwas, was uns zur Zusammenarbeit des Landes mit der kommunalen nach wie vor Bauchschmerzen bereitet. Wir haben das Ebene, denn eins ist Fakt: Die Mehrbelastungen für das Landgestüt Redefin übernommen. Jetzt müssen wir dafür Wohngeld- und Unterhaltsvorschußgesetz in Höhe von 3,5 Millionen DM Altschulden zahlen. Wir haben zum 14,4 Millionen DM werden den Kommunen über allgemei- Glück das Landwirtschaftssondervermögen, weil die An- ne Zuweisungen des Finanzausgleiches und damit nicht lastung der Europäischen Union, das heißt, europäische zweckgebunden zur Verfügung gestellt. Und sollten sich Mittel zurückzuführen, in diesem Jahr 25,1 Millionen DM daraus Synergieeffekte realisieren lassen, dann landen sie bedeutet. Das sind alles Mittel und Gelder, die natürlich im Topf der Kommunen und bleiben nicht im Topf des der Entwicklung des Landes verlorengehen. Landes. Ich denke trotzdem, daß es sachdienlich ist, diese (Beifall Heidemarie Beyer, SPD) Haushaltsliste und den Gesamthaushalt zügig zu beraten, Das ist ein Angebot, das man sehr deutlich erklären um den Haushalt 2000 noch in diesem Jahr zu verab- muß. Und eins kommt hinzu, daß wir sehr deutlich ge- schieden und entsprechend der Arbeitsgrundlage des macht haben, und das finden Sie auch im Gesetzentwurf, Landes, der Landesverwaltung und der Kommunen die daß diese Mehrbelastungen per rechnungsfrei für die Planungssicherheit zu gewährleisten. Und deshalb sollten nächsten Jahre bleiben, was auch heißt, wir tragen ge- wir dringend weiterarbeiten in den Ausschüssen, denn, meinsam eine Last. Herr Riemann, diese Liste ist längst in der parlamentari- schen Bearbeitung, Ich will noch mal ergänzen: So penetrant ist dann eine rot-rote Regierung doch nicht, daß sie selbst einer Ent- (Wolfgang Riemann, CDU: Das ist wahr.) schließung zustimmen kann, die da lautet: Lieber Bun- und viele Seiten, Herr Riemann, haben mit dazu beige- destag und liebe Bundesregierung, ist ja alles gut und tragen, daß sie bereits abgearbeitet ist. – Ich danke Ihnen. schön mit Sparen, aber beachtet bitte, daß man sich nicht einseitig zu Lasten der Kommunen und Länder refinanzie- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS) ren kann, sondern daß hier ein Ausgleich gegeben ist. Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke, Frau Herr Riemann, ich würde Ihnen gerne, wenn Sie es wün- Gramkow. 1418 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Borchert von ren kann durch die Anpassung von Hochbaumaßnahmen der Fraktion der SPD. an den voraussichtlichen Mittelabfluß das kassenwirksa- me Volumen in diesem Falle um 7,1 Millionen DM verrin- Rudolf Borchert, SPD: Frau Präsidentin! Meine Damen gert werden. Bei der finanziellen Absicherung der schon und Herren! Die Geburtsstunde des Haushaltsplanes 2000, erwähnten 416 Ausbildungsplätze entsteht ein zusätzli- das heißt die Planaufstellung, war im März diesen Jahres. cher Bedarf von 2,3 Millionen DM, und bei den Einsparun- Zu diesem Zeitpunkt waren die Auswirkungen von Haus- gen, die sicherlich infolge der Liberalisierung des Strom- haltsentscheidungen des Bundes auf die Länder noch marktes entstehen werden, rechnet die Landesregierung nicht bekannt. Als die Landesregierung den Haushaltsent- momentan mit Einsparungen von circa 1 Million DM. Ob wurf am 15. September dem Parlament übergab, war allerdings dieses vorgeschlagene Einsparpotential bereits lediglich bekannt, daß eine Ergänzung erforderlich sein das Ende der Fahnenstange ist, werden wir im Finanzaus- wird. Die Finanzministerin hatte bereits in ihrer Einbrin- schuß noch zu beraten haben. Erfreulich sind natürlich die gungsrede am 15. September auf Eckpunkte der Er- Steuermehreinnahmen in Höhe von 100 Millionen DM. In gänzungsliste hingewiesen und dabei insbesondere auf diesem Zusammenhang ist es mehr als lobenswert, daß die die Auswirkungen des Haushaltssanierungsgesetzes der Kommunen durch das Zukunftsprogramm nicht zusätzlich Bundesregierung und auf Unsicherheiten, die sich mögli- belastet werden, denn sie erhalten aus diesen Steuermehr- cherweise aus der Aufteilung der Mittel aus den EU-Struk- einnahmen einen Ausgleich in Höhe von 27 Millionen DM. turfonds ergeben könnten. Der Finanzausschuß hat bereits Ergänzungen der Be- Die Ergänzungsliste zum Haushaltsplanentwurf 2000 reiche, die nicht von anderen Fachausschüssen begleitet liegt nun heute auf dem Tisch, und sie kann im Prinzip in werden, in seine Beratungen einbezogen. Das betrifft zum zwei Kategorien eingeteilt werden: erstens in die Katego- Beispiel die Baumaßnahmen des Landtages, die im näch- rie der Auswirkungen des Zukunftsprogramms der Bun- sten Jahr um 1,5 Millionen DM aufgestockt werden, oder desregierung und zweitens in die Kategorie der Verände- die Absenkung der Haushaltsansätze aus den Maßnah- rungen aufgrund neuer Erkenntnisse der Landesregierung megruppen 58 und 59, sprich IT-Bedarf, aus dem Einzel- in den letzten Monaten. plan des Finanzministeriums. Als erstes zu den Auswirkungen des Zukunftspro- In diesem Zusammenhang vielleicht auch noch mal die, gramms auf unseren Landeshaushalt, wobei folgende ich meine, wichtige Information, daß der Finanzausschuß besonders hervorzuheben sind: sogenannte General-LOPs, also die Liste der offenen 1. die veränderte Finanzierung beim Wohngeld mit insge- Punkte, die generalisiert werden können, beschlossen ha- samt minus 21 Millionen DM, die je zur Hälfte vom ben, und zwar sind das insbesondere die Kosten für Land und den Kommunen zu tragen sind – Fernmeldegebühren – hier sind natürlich mögliche Aus- 2. die Beteiligung der Länder und Kommunen an den wirkungen auf die Kostenansätze zu erwarten –, Lasten nach dem Unterhaltsvorschußgesetz mit insge- – Strom – hier habe ich bereits etwas dazu gesagt – und samt 7,7 Millionen DM, die je zur Hälfte auch vom Land und den Kommunen zu tragen sind – die Maßnahmengruppen 58 und 59, die für den IT- Bedarf stehen. In den nächsten Tagen erwarten wir ja 3. die Mittelbereitstellung für die Verbesserung der kultu- eine Unterrichtung des Parlaments zum IT-Gesamt- rellen Infrastruktur aus dem Bundesprogramm „Auf- plan, den wir dann sicherlich gemeinsam auf Einspar- bauprogramm in den neuen Ländern“, immerhin eine möglichkeiten noch einmal überprüfen werden. Aber Erhöhung von 12,9 Millionen DM das, wie gesagt, dann im Zuge der Beratung der Liste 4. die Reduzierung von GA-Mitteln für die Wirtschaft und der offenen Punkte Ende November. die Wohnungsbauförderung Meine Damen und Herren, in der vergangenen 5. Veränderungen bei den Polizeirenten und Personalaus- Woche ging die Meldung durch die Presse, daß das gaben infolge der Begrenzung der Rentenerhöhung Finanzministerium die Freigabe der Mittel für die beziehungsweise Absenkung der Rentenversicherungs- Lehrstellen blockieren würde. Die CDU-Fraktion warf beiträge auf den Inflationsausgleich Ministerin Keler Willkür und Ignoranz vor. Daß die Lan- Das heißt, infolge der vorgesehenen Begrenzung der desregierung bereits handelt und keine finanziellen Rentenerhöhung auf den Inflationsausgleich kann der Bremsen einbaut, hat der Bericht aus dem Finanzmini- bisherige Ansatz in Höhe von 167 Millionen DM für Po- sterium im Finanzausschuß am vergangenen Donners- lizeirenten um 2,6 Millionen DM abgesenkt werden, tag gezeigt. Bis spätestens Ende diesen Monats wird und durch die Absenkung der Rentenversicherungs- die Landesregierung das Parlament im Rahmen der beiträge um 0,4 Prozent können auch dort die veran- Haushaltsberatungen darüber informiert haben, wieviel schlagten Personalausgaben in Höhe von 3,8 Milliar- Ausbildungsplatzbewerber konkret versorgt bezie- den DM um 12 Millionen DM zurückgenommen wer- hungsweise nicht versorgt sind. den. Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, in dem Nun zu den Veränderungen aufgrund neuer Erkenntnis- Falle insbesondere Herr Riemann, derartige Informationen se der Landesregierung in den letzten Wochen und Mona- von der Landesregierung abzufragen halte ich absolut für ten. Hier wäre zu nennen, daß bei den Zusatzrenten nach legitim. Nicht für legitim halte ich die bewußte Verbreitung ehemaligem DDR-Recht aufgrund des Urteils des Bun- von Falschaussagen, desverfassungsgerichtes ein Mehrbedarf von 29,7 Millio- (Beifall Heike Lorenz, PDS) nen DM entsteht. Des weiteren wird bei der Veranschla- gung von Haushaltsmitteln für die Kosovo-Flüchtlinge, die zum Beispiel geschehen in der Einbringungsrede zum früher in ihre Heimat zurückkehren können, eine Haus- Haushaltsplanentwurf 2000 durch den Finanzexperten haltsentlastung von 1,4 Millionen DM möglich. Zum ande- der CDU-Fraktion, Herrn Riemann. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1419

(Heinz Müller, SPD: Experte! – zu streiten und eigene konstruktive Vorschläge einzubrin- Zurufe von Volker Schlotmann, SPD, gen. Ich vermute mal, so rein theoretisch haben wir da und Annegrit Koburger, PDS) auch den gleichen Ansatz. Er weiß sehr gut, daß beispielsweise die Haushaltspo- (Zuruf von Volker Schlotmann, SPD) sitionen Trennungsgeld und Umzugskosten im Erläute- Na gut, Theorie ist das eine, Praxis ist das andere. Sie rungsteil detailliert dargestellt werden – das ist ja Sinn und scheinen aber dort immer noch nicht angekommen zu Zweck von Erläuterungen –, so daß er auch unschwer er- sein. Im Gegenteil, Sie erwecken den Eindruck, dort wei- kennen müßte, daß der Ministerpräsident nicht das Tren- termachen zu wollen, wo Sie zum Beispiel bei der ’99er nungsgeld für seine Parteigänger, das war ja Ihre Rede, Haushaltsberatung angefangen haben, nämlich weiterhin aus den alten Bundesländern finanziert, sondern, so in Falschmeldungen zu verbreiten, ob es die Teeküchen den Erläuterungen nachzulesen, die Ansatzerhöhung mit oder die Spezialsonnenschutzverglasungen in der im Bau der Vergütung der Umzugskosten der Mitarbeiter der Lan- befindlichen Landesvertretung in Bonn waren, als Sie die desvertretung beim Bund vom Dienstort Bonn nach Berlin HU Bau nicht richtig lesen konnten oder wollten, oder begründet ist. aber die Falschmeldung, die Sie trotz Aufklärung immer (Peter Ritter, PDS: Das stand nicht auf seiner Inter- wieder parat hatten, 200 Stellen mehr hätte sich die neu- netseite. – Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS) gebildete Landesregierung geleistet. Des weiteren, natürlich, Herr Riemann, steigen die Auf- Fundamentalopposition und bewußte Verbreitung von wendungen für Repräsentationen und Betreuung von De- Falschmeldungen reichen Ihnen aber noch nicht aus. Sie legationen, wenn Mecklenburg-Vorpommern die Europa- setzen noch einen drauf, und zwar dann, wenn es darum Konferenz 1999 ausrichtet geht, unter die Gürtellinie zu gehen. Und hier, wie gesagt, bin ich persönlich an einem Punkt, Herr Riemann, wo ich (Wolfgang Riemann, CDU: ’98! ’98!) Sie auffordern möchte, daß Sie sich öffentlich bei unserer und wenn Mecklenburg-Vorpommern mit dem Vorsitz Finanzministerin entschuldigen. In Ihrer Einbringungsrede der Ministerpräsidentenkonferenz in 2000/2001 betraut am 15. September diesen Jahres haben Sie Finanzmini- wird. Herr Riemann, Sie sprachen von dreifach, ich sage, sterin Sigrid Keler persönlich für die Arbeitslosigkeit von zweifach, weil ich logischerweise den Haushaltsansatz 1.000 Bauarbeitern im Land verantwortlich gemacht, weil ‘99 mit 2000 vergleiche. Sie haben mit dem Ist ’98 vergli- die Abarbeitung im Staatshochbau zu zögerlich erfolgt. chen. Das halte ich für zweifelhaft, aber darüber kann man (Wolfgang Riemann, CDU: Ja.) ja auch noch streiten. Mir geht es um etwas anderes. Herr Riemann, Sie verschweigen bewußt bei Ihren Vorwürfen, Sie haben Frau Keler außerdem in diesem Zusammen- daß der ehemalige Ministerpräsident Herr Seite im Haus- hang für extremistisches Gedankengut und Nährboden haltsplan 1998 eben an dieser Stelle, genau an dieser für Kriminalität in unserem Land verantwortlich gemacht. Stelle seine Ansatzerhöhung mit dem Ausrichten des Tref- Dieser Vorwurf, Herr Riemann, der ist nicht nur absurd, er fens des Ostseerates und dem Vorsitz der Ostminister- ist unparlamentarisch und persönlich verletzend. präsidentenkonferenz begründet hatte. Herr Riemann, Sie (Volker Schlotmann, SPD: Geistlos.) sind doch des Lesens mächtig Vielleicht denken Sie bitte mal darüber nach. (Volker Schlotmann, SPD: Guck an!) Meine Damen und Herren, stimmen Sie bitte der Über- und können unschwer aus der Erläuterung herausle- weisung der Ergänzungsliste federführend in den Finanz- sen, daß eine pauschale Auszahlung unzulässig ist und ausschuß und zur Mitberatung in die Fachausschüsse zu. die Ausgaben einzeln zu belegen sind. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU) Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke, Herr Bor- Wenn das alles klar ist, Herr Riemann, chert. (Wolfgang Riemann, CDU: Vom Ist zum Plan.) Herr Abgeordneter Müller, Ihr Zwischenruf war ein per- warum vermitteln Sie dann in Ihrer Haushaltsrede – sönlicher Angriff auf Herrn Riemann. Ich erteile Ihnen oder Sie versuchen es zumindest – den Eindruck, als dafür einen Ordnungsruf. wenn der Ministerpräsident Gelder der Steuerzahler in die (Heiterkeit bei Sylvia Bretschneider, SPD: eigene Tasche wirtschaftet? Irgendwie ist die Welt aus den Fugen.) (Heinz Müller, SPD: ... in den Dreck werfen. – Das Wort hat jetzt noch einmal der Abgeordnete Herr Zuruf von Sylvia Bretschneider, SPD) Riemann von der Fraktion der CDU. Hauptsache populär, Hauptsache populistisch! Herr Wolfgang Riemann, CDU: Frau Präsidentin! Meine Da- Riemann, ob Ihre Aussagen wahrheitsgetreu sind, das ist men und Herren! für Sie völlige Nebensache. Völlige Nebensache! Im Fi- nanzausschuß reden Sie ständig von Haushaltswahrheit Herr Backhaus, ich habe nicht den Waldlehrpfad und und -klarheit. Sie aber nehmen es mit der Wahrheit nicht die daran beteiligten Arbeitslosen diskreditiert. so genau. Da sind Sie sehr großzügig. Immer gerade so, (Minister Till Backhaus: Natürlich.) wie Sie es brauchen. Schlechter Stil! Ich habe nach Ihrem ganz persönlichen Anteil gefragt. (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Sylvia Bretschneider, SPD: Ja, ja.) (Minister Till Backhaus: Das habe ich Ihnen erklärt.) Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, Opposi- tion bedeutet für mich, sachkompetent, politisch kulturvoll Und, Herr Ministerpräsident, ... 1420 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

Vizepräsidentin Renate Holznagel: Herr Backhaus, Und wenn man von neuen Stellen spricht, dann sollte ich bitte Sie, von der Regierungsbank ... man auch sagen, jawohl, wir haben ein neues Ministerium, und jawohl, wir mußten Stelleneinsparungen im Haushalt ’99 Wolfgang Riemann, CDU: ... ich habe die Äußerungen für neue Stellen durchführen. zum Verhalten der Landesregierung im Bundesrat so wie- dergegeben, wie sie im Finanzausschuß dargestellt wur- (Zuruf von Angelika Gramkow, PDS) den durch die Landesregierung. Und warum, Herr Mini- Auch das sollte man hier deutlich sagen. sterpräsident, lehnt die PDS das Sparpaket ab, wenn es doch mehr Geld für unser Land gibt, wie Sie es eben sug- Und die Freigabe der Lehrstellen ist keine Falschaussa- gerieren wollten? Diese Frage, meine Damen und Herren, ge. Die Freigabe der Lehrstellen, Herr Borchert, erfolgte muß der Ministerpräsident den Bürgerinnen und Bürgern erst durch Druck von außen. in unserem Land erläutern. (Angelika Gramkow, PDS: Das ist gar Die Ergänzungsliste ist nach wie vor nicht vollständig, nicht wahr! – Zuruf von Heike Lorenz, PDS) weil sie die Lasten des Sparpaketes für die Folgejahre nicht darstellt. Und ich glaube, das ist auch Aufgabe der Opposition, daß sie dann Druck macht. Und, Herr Ministerpräsident, ich habe nicht kurzatmig die Veränderung von einem Jahr zum anderen dargestellt – und (Reinhard Dankert, SPD: Machen Sie mal weiter das haben Sie auch genau gehört, Sie haben aber etwas Druck! – Zuruf von Volker Schlotmann, SPD) anderes versucht zu suggerieren –, sondern die Einspar- Und wenn man sagt, natürlich entstehen Umzugsko- ziele der Berliner Regierung bis einschließlich 2003. Und da ist von Gerechtigkeit und Arbeit besonders im Osten sten und Trennungsgelder durch den Bereich des Um- zugs der Landesvertretung, dann muß ich natürlich fra- wenig zu spüren. Da erwarte ich von Ihnen kein Schwei- gen, da erwarten die Bürgerinnen und Bürger dieses Lan- gen: Warum ist die Landesvertretung überhaupt schon umgezogen? Der Bundesrat befindet sich weiterhin noch des eine kraftvolle Interessenvertretung. in Bonn. Warum ist man, wenn man umgezogen ist, für Und es ist sicherlich richtig, daß die neue Steuerschät- einen Zwischenzeitraum nicht in ein Mietobjekt in Karls- zung noch nicht da ist, so daß man nur konstatieren kann, horst gezogen, wo man nämlich keine zusätzlichen es werden in etwa 100 Millionen DM mehr. Kosten hat? Aber auch da ist von Sparsamkeit nicht viel zu spüren. Wir werden das im Ausschuß beleuchten und Aber, Frau Keler, Sie verschweigen, wenn Sie sagen, auch weiterhin die Fehler der Landesregierung öffentlich Sie haben Steuerschlupflöcher geschlossen, Sie ver- machen. Das kann ich Ihnen garantieren. schweigen, daß genau der Petersberger Entwurf diese Steuerschlupflöcher schließen wollte und durch Sie, (Angelika Gramkow, PDS: Den Einzelplan hatten durch SPD-Länder im Bundesrat blockiert wurde. wir schon. Da haben Sie dazu keine Stellung genommen. – Volker Schlotmann, SPD: (Angelika Gramkow, PDS: Ach!) Tosender Beifall bei der CDU-Fraktion.) Und Sie verschweigen, daß die Wirtschaftsentwicklung Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke, Herr Rie- durch die Weichenstellung der alten Bundesregierung und mann. damit auch die Steuereinnahmen sich so entwickelt ha- ben. Das Wort hat jetzt der Wirtschaftsminister Herr Profes- sor Eggert. (Volker Schlotmann, SPD: Die Arbeitslosenzahlen auch.) Minister Dr. Rolf Eggert: Frau Präsidentin! Meine sehr Und ich will sehen, wie das nach ein oder zwei Jahren verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch mal eins richtigstellen: Wenn man über betriebliche Ausbildung, Rot-Grün in Bonn und Rot-Rot hier im Land aussieht. und wir reden ja auch noch über Ausbildung im Landtag, (Angelika Gramkow, PDS: Geben Sie einen aus!) aber wenn man über dieses Thema spricht mit den Tau- Und wenn Sie darstellen, daß diese 100 Millionen DM, senden unversorgten jungen Leuten hier im Lande, dann, glaube ich, ist es angebracht, das wirklich nüchtern und Frau Gramkow, zu mehr Mitteln für die Kommunen führen, so ist das ein gesetzlicher Anspruch und keine Gnade die- sachlich zu tun. ser Landesregierung. Es ist ein gesetzlicher Anspruch, (Beifall bei einzelnen Abgeordneten denn wir werden auch im nächsten Jahr ein Finanzaus- der SPD und PDS) gleichsgesetz haben, Und die Verabredung, die wir getroffen hatten, die (Angelika Gramkow, PDS: Richtig.) Finanzministerin und ich, war die, daß wir die Zahlen allerdings, Frau Gramkow, auf einem Niveau, das Sie einfach noch einmal überprüfen wollten, und zwar die nicht vor den Wahlen versprochen haben, realen Zahlen, wie sie sich auch in den letzten Monaten entwickelten. Diese exakten Zahlen liegen uns erst per (Angelika Gramkow, PDS: Das ist richtig.) 30.09.1999 vor. Und ab diesem Zeitpunkt konnten wir sondern auf einem Niveau, das um fast drei Prozent erst richtiggehend einschätzen, inwieweit sind denn darunter liegt im Vergleich zu dem, was Sie den Kommu- Jugendliche noch unterversorgt geblieben und wieviel nen vor den Wahlen versprochen haben. Und das ist n i c h t . Wahlbetrug, Frau Gramkow! Das ist Wahlbetrug! Und wenn ich mir mal überlege, wie wir früher über die- (Angelika Gramkow, PDS: Es ist genau die ses Thema debattiert hatten. Herr Riemann, da standen Finanzsumme garantiert, die Sie den Kommunen Sie auf der anderen Seite, da haben Sie immer kritisiert, im letzten Jahr gezahlt haben, und keine Mark daß wir praktisch den Betrieben die Ausbildung abneh- weniger. Jetzt sind es 27,4 Millionen mehr.) men, wenn wir vorzeitig ins Obligo gehen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1421

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD dieses so wichtige Gesetz entwickeln. Es lautet nämlich und PDS – Volker Schlotmann, SPD: Rinderkennzeichnungs- und Rinderetikettierungsüberwa- Chamäleon CDU.) chungsaufgabenübertragungsgesetz. Das ist in der Histo- rie der Entwicklung des Landes Mecklenburg-Vorpom- Und jetzt führen Sie die Diskussion plötzlich völlig an- mern das Gesetz mit dem längsten Namen. Es ist fälsch- dersherum. licherweise von den Medien gesagt worden, er trägt (Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU) 63 Buchstaben. Das stimmt nicht, es sind 83 Buchstaben. Nein, ich habe die Diskussion ... (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD) (Wolfgang Riemann, CDU: Ich will das Gesetz nicht lächerlich machen, es ist ja in Aber natürlich! Aber natürlich!) unserem Haus entstanden, und wir haben damit doch eine der wichtigsten Überwachungsaufgaben vor unseren Ach, hören Sie doch auf! Ich habe immer gesagt, man Augen. Insofern freue ich mich nicht unbedingt, das Ge- muß akzeptieren, daß wir hier exakte Zahlen vorliegen setz mit dem längsten Namen in der Titulierung einzu- haben müssen. Und nachdem die Zahlen vorlagen, war führen, aber dennoch ist es für uns eine sehr, sehr wichti- auch die Finanzministerin bereit, mit mir gemeinsam die- ge Aussage. Es handelt sich hierbei nämlich um die Rin- ses Problem zu lösen. Und das haben wir gelöst, und zwar derkennzeichnung und deren Überwachung. nicht auf Ihren politischen Druck hin, sondern nur auf- grund der Einschätzung und Analyse der konkreten Zah- Worum geht es nun eigentlich in diesem Gesetz, und len der Ausbildungssituation in Mecklenburg-Vorpom- wie ist es dazu gekommen? mern. Das wollte ich noch einmal klargestellt haben. Es war ja in aller Munde, die Situation um BSE und deren (Beifall bei Abgeordneten der SPD Diskussion. Durch die aufgrund dessen im Jahr 1997 erlas- und Angelika Gramkow, PDS) sene EU-Vorschrift mit der Nummer 820 wurde ein euro- paweites System zur Kennzeichnung und insbesondere Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke, Herr Mini- auch der Registrierung von Rindern und zusätzlich noch ster. zur Etikettierung von Rindfleisch eingeführt. Dieses Ich schließe die Aussprache. geschah vor allem deshalb, um das durch die BSE-Krise erschütterte Vertrauen der Verbraucherinnen und Ver- Der Ältestenrat schlägt vor, die Ergänzung auf Druck- braucher in die Qualität des Rindfleisches auf dem sache 3/724 zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung europäischen Markt möglichst wiederzugewinnen bezie- auf Drucksache 3/600 zur federführenden Beratung an hungsweise wenigstens ein Stückchen von dem Ver- den Finanzausschuß und zur Mitberatung an den Innen- trauen wieder zurückzuholen. ausschuß, an den Rechtsausschuß, an den Wirtschafts- ausschuß, an den Landwirtschaftsausschuß, an den Aus- (Vizepräsidentin Kerstin Kassner schuß für Bildung, Wissenschaft und Kultur, an den Aus- übernimmt den Vorsitz.) schuß für Bau, Arbeit und Landesentwicklung, an den Im übrigen ist es eben so, daß wir mit diesem Gesetz Sozialausschuß, an den Umweltausschuß sowie an den ein Bundesgesetz praktisch in Landesrecht überführen Tourismusausschuß zu überweisen. Wer diesem Über- und somit jetzt EU- und Bundesrecht in Landesrecht um- weisungsvorschlag zustimmen möchte, den bitte ich um setzen. Ich betone nochmals, 1997. Herr Riemann ist das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – auch nicht mehr da, Der Überweisungsvorschlag ist mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS, Teilen der Fraktion der CDU (Wolfgang Riemann, CDU: Doch, hier! Hier! – sowie bei zwei Enthaltungen der CDU angenommen. Dr. Ulrich Born, CDU: Doch, doch, da ist er!) Ich rufe auf denTagesordnungspunkt 8: Erste Lesung von der CDU ist ja nicht allzuviel übriggeblieben. Inso- des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf fern machen wir hier, Herr Riemann, auch noch die Schul- eines Gesetzes zur Übertragung der Aufgaben für die arbeiten der ehemaligen Regierung. Und ich mache das ja Überwachung der Rinderkennzeichnung und Rindfleisch- auch gerne. etikettierung, Drucksache 3/723. (Wolfgang Riemann, CDU: Wieso? Waren Sie Gesetzentwurf der Landesregierung: nicht mit in der Regierung, Herr Backhaus?) Entwurf eines Gesetzes zur Übertragung der Aufgaben für die Überwachung der Rinder- Ein paar Altlasten haben Sie uns ja wirklich mit Bravour kennzeichnung und Rindfleischetikettierung hinterlassen, und dazu gehört im übrigen auch dieses Ge- (Rinderkennzeichnungs- und Rindfleisch- setz. etikettierungsüberwachungsaufgaben- Im dritten Schritt nun ist also der Landesgesetzgeber übertragungsgesetz RkReÜAÜG M-V) gehalten, die zuständigen Behörden beziehungsweise die (Erste Lesung) zuständigen Stellen für die Durchführung der Aufgaben – Drucksache 3/723 – der Rinderkennzeichnung und -etikettierung zu benen- Das Wort zur Einbringung hat der Minister für Er- nen. Im Entwurf der Landesregierung ist vorgesehen, nährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei, Herr diese Aufgaben insbesondere auf die Landkreise und Backhaus. kreisfreien Städte zu übertragen. Das macht aus meiner Sicht auch einen sehr guten Sinn, weil die Landkreise und (Volker Schlotmann, SPD: Till, kreisfreien Städte bereits heute die Verantwortung gerade sprich Du das doch mal richtig aus!) für die Kontrollen sowohl nach dem Tierseuchenrecht als Minister Till Backhaus: Sehr geehrte Frau Präsidentin! auch nach dem Lebensmittelrecht des Landes Mecklen- Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich könnte mir burg-Vorpommern ausführen. Und ich betone an dieser natürlich auch vorstellen, daß wir einen neuen Namen für Stelle, ich bin sehr, sehr dankbar, daß wir mit den Lan- 1422 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 desveterinär- und Lebensmittelüberwachungsämtern so- oder auch aus konventioneller Tierhaltung unbedenklich wohl innerhalb des Landes als auch weit darüber hinaus ist und wir damit auch ein Signal senden. Es geht für den für Ordnung gesorgt haben, was die Überprüfungen von Verbraucher des Landes Mecklenburg-Vorpommern von Veterinärfragen und insbesondere auch der lebensmittel- Rindfleisch keinerlei Gefahr aus. Mecklenburg-Vorpom- rechtlichen Fragen betrifft, und die erfreuen sich auch mern ist im übrigen nach wie vor BSE-frei. Es hat hier größter Beliebtheit. noch keinen Fall von BSE gegeben, das heißt also, Sie können mit Genuß Rindfleisch aus Mecklenburg-Vorpom- Es ist also zweckmäßig, diese Stellen, also die Land- mern essen, kreise und kreisfreien Städte, auch mit der Überwachung zu beauftragen, weil erstens die Personal- und Organisa- (Der Abgeordnete Dr. Ulrich Born tionshoheit ohnehin dort liegt und zweitens das Personal meldet sich für eine Anfrage.) vor Ort die notwendige Kompetenz und Verwaltungser- und wir bieten Ihnen und den Verbraucherinnen und fahrung innerhalb des Landes nachgewiesen hat und die- Verbrauchern damit ein Stückchen mehr Sicherheit. Inso- ses auch weiterhin machen wird. Die Verknüpfung mit fern bitte ich um die Überweisung des Gesetzentwurfes in anderen Überwachungsaufgaben auf dieser Ebene ist die entsprechenden Ausschüsse. – Vielen Dank. also aus unserer Sicht rationell und kostengünstig zu- gleich. Der Kontrollaufwand wird mit den routinemäßigen (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD) Überprüfungen und der Überwachungstätigkeit weiter optimiert und somit eben auch die Möglichkeit der Kon- Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Herr Dr. Born, wir trolle von etikettiertem Rindfleisch innerhalb unseres Lan- sind bei der Einbringung des Antrages. Deshalb sind keine des klar umgesetzt. Fragen zulässig. Meine Damen und Herren, wir haben uns auch aus dem (Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU) Grunde dafür entschieden, diese Überwachungsaufga- Minister Till Backhaus: Das ist ja schade. ben an die Landkreise und kreisfreien Städte zu übertra- gen, weil das Land Mecklenburg-Vorpommern – da sind Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Ich danke dem Land- wir wieder bei der Haushaltsdiskussion – eben nicht über wirtschaftsminister Herrn Backhaus für die Einbringung zu ausreichend Personal verfügt und wir zum anderen auch diesem Gesetz. erreichen wollen, daß wir nicht unnötig eine aufwendige Ich eröffne die Aussprache. Parallelverwaltung einführen. Im Ältestenrat ist eine Redezeit für jede Fraktion mit bis Die Landesverfassung verlangt gemäß Paragraph 72 Ab- zu fünf Minuten festgelegt. Dazu sehe und höre ich keinen satz 3 zwingend, daß eine Übertragung neuer Aufgaben Widerspruch, dann ist es so beschlossen. an die Landkreise beziehungsweise kreisfreien Städte nur auf dem Gesetzeswege möglich ist. Deshalb haben wir Als erster hat das Wort der Abgeordnete Herr Scherin- diesen Gesetzentwurf erarbeitet und legen Ihnen diesen ger von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Scheringer. heute zur Beratung vor. Johann Scheringer, PDS: Frau Präsidentin! Meine Ich kann Ihnen auch berichten, daß wir selbstverständ- sehr geehrten Damen und Herren! Sachlich ist zu dem lich beide kommunalen Spitzenverbände zu diesem Ge- Gesetzentwurf herzlich wenig zu sagen, denn es geht, wie setz angehört haben und sowohl der Städte- und Gemein- gesagt, um die Umsetzung von EU-Recht und von Bun- detag als auch der Landkreistag diesem Gesetzentwurf desrecht, also um Dinge, wo die Messen in Brüssel und in förmlich zugestimmt haben. Auch die entsprechenden Berlin längst gesungen sind. Fachverbände sind natürlich angehört worden. Aus ihrer Auch jeder Laie weiß inzwischen – wenn nicht anders, Sicht ist die vorgesehene Aufgabenübertragung im übri- dann weiß er es durch die Horrormeldungen in den Me- gen als sehr sinnvoll deklariert worden. dien –, daß längst nicht mehr Rindfleisch gleich Rind- Was die spannende Frage der Kostendeckung betrifft, fleisch ist. Daher sind Schutzmaßnahmen angebracht, so kann ich Sie dahingehend beruhigen, daß wir die Vete- Schutzmaßnahmen, die dem Verbraucherwohl dienen rinärverwaltungskostenverordnung – auch nicht ganz ein- sollen. Das Gesetz überträgt nationale Aufgaben der fach – und die Kostenverordnung im Bereich der Er- Überwachung auf die Kreise und kreisfreien Städte. So nährungswirtschaft um die entsprechenden Gebühren- weit, so gut, könnte man sagen. Wir werden dem Gesetz stellen ergänzt haben und diese im übrigen, wenn Sie uns nach jedenfalls nur noch zweifelsfrei einwandfreies Sup- denn zustimmen, in Kürze auch im Amtsblatt veröffentli- penfleisch kaufen können, und in die Wurst kommt auch chen werden. Ich kann Ihnen also versichern, daß auf die wirklich nur noch das an Kalbs- und Rindfleisch hinein, Landkreise keine, ich betone, keine zusätzlichen Kosten was hineingehört. Wer Alzheimer hat oder bekommt, wird zukommen. Sehr wohl können aber tatsächlich Kosten bei das im Zweifelsfall nicht mehr aus dem Rindfleischverzehr festgestellten Ordnungswidrigkeiten beziehungsweise bei herleiten können. der Verfolgung von Ahndungen dieser Ordnungswidrig- Zwei kleine Anmerkungen möchte ich aber trotzdem keiten entstehen. Diese gehen dann aber zu Lasten des noch machen. Erstens lese ich in der Problembeschrei- Verursachers. bung mit einigem Erstaunen, es entstünden durch das (Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU) Gesetz keine zusätzlichen Kosten. Der Landwirtschafts- minister hat dazu eben auch noch einmal gesprochen. Die Gelder kriegt dann derjenige, der die Untersuchung Dem Land entstehen sicherlich keine Kosten, denn es vorgenommen hat, also die Landkreise beziehungsweise reicht die Aufgabe nach unten in die kommunale Ebene die kreisfreien Städte. durch. Aber in Paragraph 5 steht, daß wohl doch Kosten Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist natürlich durch das Gesetz entstünden. Diese sollten allerdings auch ein Ziel, mit diesem Gesetz zu dokumentieren, daß durch die Erhebung von Gebühren und Auslagen für die in Mecklenburg-Vorpommern Rindfleisch aus extensiver geführten Amtshandlungen gedeckt werden. Ich denke, Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1423 daß man bei der Beratung des Gesetzentwurfes prüfen Stellen Sie sich mal vor, wir würden das zum Beispiel muß, ob das real auch so ist oder ob es nicht doch so ist, beim Waldgesetz auch so machen. Was da alles drin der eine bestellt, und der andere, besonders der, der die wäre! Also ich hege meinen Zweifel, daß das so sein muß. Arbeit damit hat, muß auch noch zahlen. Wenn wir bei der Benennung bleiben, meine Damen Die zweite Bemerkung, und das kann ich mir nicht ver- und Herren, dann wage ich folgende Prognose: Dieses kneifen, meine Damen und Herren, betrifft den Titel, die Gesetz, wenn es so bleiben sollte, wird unweigerlich mit Bezeichnung dieses Gesetzes. Man muß es sich wirklich dem Namen im Gesetzgebungspanoptikum landen oder auf der Zunge zergehen lassen. Auch der Landwirtschafts- vielleicht sogar im Guinnessbuch der Rekorde als eines minister hat eben bei der Vorlesung einen Fehler gemacht. der schlechtesten Beispiele für einen Sprachexzeß und Und die Präsidentin hat bei der Ankündigung sinnigerwei- juristische Merkwürdigkeiten. Vielleicht sollten wir es, se gleich verschwiegen, wie das Gesetz in Wirklichkeit wenn es um eine Kurzbezeichnung geht, schlicht und ein- heißt. Es soll nämlich den Namen haben „Rinderkenn- fach als das Gesetz mit dem unaussprechlich längsten zeichnungs- und Rindfleischetikettierungsüberwachungs- Namen bezeichnen, und das wäre immer noch einfacher. aufgabenübertragungsgesetz“. (Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS – (Dr. Ulrich Born, CDU: Können Sie das Heiterkeit bei Minister Dr. Wolfgang Methling) noch mal in freier Rede wiederholen? – Wir haben fein geregelt, wer die Rinderkennzeichnung Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU) und die Rindfleischetikettierung überwacht, aber ich frage Rinderkennzeichnungs- und Rindfleischetikettierungs- mich schon seit längerem, wer ernstlich in diesem Land überwachungsübertragungsaufgabengesetz Mecklen- die Kennzeichnung und die Etikettierung von Gesetzen burg-Vorpommern. und die Gesetzeskultur überwacht, damit keine solchen Sprachungetüme, eigentlich so ein Blödsinn entsteht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Heiterkeit bei den Abgeordneten) Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und bitte Sie, den Gesetzentwurf in den Ausschuß zu überweisen. Wir Beim Rundfunk, Herr Dr. Born, Sie haben Ihre Frage werden uns dort darüber einen Kopf machen natürlich berechtigt gestellt, bin ich auch mal reingefallen. Und der Hessische Rundfunk hat mich gestern angerufen (Dr. Ulrich Born, CDU: Rindviechergesetz.) und hat mich gefragt, ob ich es richtig aussprechen kann. und uns einen anderen Namen einfallen lassen. – Ich Ich habe es dann abgelesen. Dann hat er mich dreimal bedanke mich für die Aufmerksamkeit. gefragt und einen Hörerpreis ausgestellt. Wer das Wort entsprechend dieser Übertragung meiner Originalstimme (Beifall bei Abgeordneten der PDS fehlerfrei nachsprechen konnte, der kriegte gestern vom und einzelnen Abgeordneten der SPD – Hessischen Rundfunk einen tollen Preis. Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber dadurch werden wir berühmt.) (Dr. Ulrich Born, CDU: Das hätte ich vorher wissen sollen. – Peter Ritter, PDS: Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Vielen Dank, Herr Ein Rindviech. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneter Scheringer. Abgeordneten der SPD, CDU und PDS) Da mir zu diesem Tagesordnungspunkt leider keine Und auch die Abkürzung selber heißt „RkRe...“, und weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließe ich die Aus- dann muß ich wirklich ablesen, das würde ich frei gar nicht sprache. hinkriegen, Herr Dr. Born, „RkReÜAÜG M-V“. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten Landesregierung auf Drucksache 3/723 zur federführen- der SPD, CDU und PDS) den Beratung an den Landwirtschaftsausschuß und zur Mitberatung an den Innenausschuß zu überweisen. Wer Meine Damen und Herren, ich denke, das ist doch zu stimmt diesem Überweisungsvorschlag zu? – Danke. viel des Guten, und mit ein bißchen Humor kann man dar- Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist dieser über auch richtig sprechen. Frau Präsidentin, Sie gestat- Überweisungsvorschlag einstimmig angenommen. ten das vielleicht? Man merkt mal wieder richtig, mit wel- Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9: Erste Lesung cher Akribie und Liebe hier Juristen am Werk waren. des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf Wieso denn einfach, wenn es auch umständlich geht – eines Gesetzes über die Steuerberaterversorgung in das ist hier wohl die Devise. Wenn der Landwirt oder der Mecklenburg-Vorpommern (Steuerberaterversorgungs- Veterinär oder sonst ein unbescholtener Mann das aller- gesetz), Drucksache 3/725. dings liest, wird er mit Erstaunen feststellen, daß eine Kurzbezeichnung des Gesetzes länger sein kann als die Gesetzentwurf der Landesregierung: Langbezeichnung, Entwurf eines Gesetzes über die Steuer- beraterversorgung in Mecklenburg- (Heiterkeit bei Minister Dr. Wolfgang Methling) Vorpommern (Steuerberaterversor- woran man sieht, daß eben alles relativ ist. Und er wird gungsgesetz – StBVG M-V) weiter feststellen, daß es möglich ist, an sich einfache, (Erste Lesung) überschaubare Sachverhalte – es geht da nur um sechs – Drucksache 3/725 – Paragraphen – ausschweifend und bis zum Exzeß in die Das Wort zur Einbringung hat die Finanzministerin. Überschrift des Gesetzes zu packen. Bitte sehr, Frau Keler. (Dr. Ulrich Born, CDU: Hätte man Ministerin Sigrid Keler: Frau Präsidentin! Meine Da- nicht sagen können: Rindviecher- men und Herren! Ein ganz so langer Name ist es nicht, gesetz? Rindviechergesetz, ja!) aber es ist immerhin auch ein relativ langer, doch es ist 1424 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 auch ein Gesetz, das, denke ich, nicht die Bedeutung hat erberaterversorgungswerks nach Maßgabe dieses Ge- wie viele andere Gesetze. Trotzdem, der vorliegende Ent- setzentwurfes und der Satzung stehen im Einklang mit wurf eines Gesetzes über die Steuerberaterversorgung den Vorschriften des Sozialgesetzbuches. Als Körper- schafft die Grundlagen einer sicheren Alters- und Hin- schaft des öffentlichen Rechts unterliegt das Versor- terbliebenenversorgung für Steuerberater und Steuerbe- gungswerk der Aufsicht des Landes. Die Satzung und vollmächtigte. deren Änderungen bedürfen der Genehmigung der Auf- sichtsbehörden. Sie werden fragen: Warum ist ein solches Gesetz nötig? Die Antwort ist einfach: Es gibt kein Argument dagegen. Ich bitte Sie, dem vorliegenden Gesetzentwurf zuzustim- Zum einen gibt es eine bundesgesetzliche Ermächtigung, men und ihn in die Ausschüsse zu überweisen. – Danke. derartige Versorgungswerke einzurichten. Zum anderen (Beifall bei Abgeordneten der SPD wäre es eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, und einzelnen Abgeordneten der PDS) wenn ein Bundesgesetz eine solche Lösung ausdrücklich zuläßt, Mecklenburg-Vorpommern dies auch schon in Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Vielen Dank, Frau anderen Fällen praktiziert hat und wenn ohne sachlichen Finanzministerin. Grund eine solche Lösung bei den Steuerberatern abge- lehnt würde. Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Rede- zeit von bis zu fünf Minuten je Fraktion beschlossen. Ich In einer Urabstimmung im Januar/Februar dieses Jah- höre und sehe dazu keinen Widerspruch, dann werden wir res haben sich 70 Prozent der beteiligten Steuerberater so verfahren. und Steuerbevollmächtigten für die Errichtung eines ei- genständigen Versorgungswerkes ausgesprochen. Sie Ich eröffne hiermit die Aussprache. haben auf diese Weise ihren Gestaltungsanspruch, den Das Wort hat die Abgeordnete Frau Gramkow von der ihnen Paragraph 76 Absatz 2 Nummer 6 Steuerbera- PDS-Fraktion. tungsgesetz einräumt, gegenüber dem Landesgesetzge- ber zum Ausdruck gebracht. Da die Steuerberaterkam- (Angelika Gramkow, PDS: mern selbst im Rahmen der Aufgabenzuweisung nicht Redet noch jemand anderes? Nein?) befugt sind, Altersvorsorgeeinrichtungen mit Pflichtmitglied- Bitte sehr, Frau Gramkow. schaft einzurichten, erfordert die Schaffung eines berufs- ständischen Versorgungswerkes ein Landesgesetz, das die Angelika Gramkow, PDS: Die PDS-Fraktion ist für die Pflichtmitgliedschaft verbindlich festlegt und den Leistungs- Überweisung des Gesetzentwurfes in die Ausschüsse. – anspruch im Interesse des Gemeinwesens sichert. Ich danke Ihnen. Das Versorgungswerk soll als Körperschaft des öffent- (Beifall und Heiterkeit bei lichen Rechts errichtet werden. Abgeordneten der SPD und PDS) Der vorliegende Entwurf bewegt sich im Rahmen der Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Vielen Dank, Frau Abgrenzung der berufsständischen Versorgungswerke Gramkow. von der gesetzlichen Rentenversicherung, wie sie in der Damit schließe ich die Aussprache. Neufassung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch im Jahre 1995 festgelegt ist. Der Bundesgesetzgeber hat im Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Konsens zwischen der damaligen Regierungskoalition Landesregierung auf Drucksache 3/725 zur federführen- aus CDU/CSU und FDP sowie den Oppositionsparteien den Beratung in den Finanzausschuß und zur Mitberatung SPD und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen, die Errich- in den Wirtschaftsausschuß zu überweisen. Wer stimmt tung von Versorgungswerken auf diejenigen Freiberufler für diesen Überweisungsvorschlag? – Danke schön. Ge- zu beschränken, deren Berufsausübung an die Zugehö- genprobe. – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall, rigkeit zu einer Kammer gebunden ist. Auf diese Weise damit ist der Überweisungsvorschlag angenommen. wurde das Befreiungsrecht auf die Angehörigen der klas- Wie bereits zu Beginn der Sitzung vereinbart, rufe ich sischen freien Berufe beschränkt und verhindert, daß eine nun den Tagesordnungspunkt 16 auf: Beratung des uferlose Ausdehnung des befreiungsberechtigten Perso- Antrages der Fraktionen der SPD und PDS – Langfristige nenkreises erfolgt. Der Gesetzentwurf hat auch zum Ziel, Verpachtung landeseigener Flächen vorrangig an Unter- die Steuerberater und Steuerbevollmächtigten anderer nehmen mit Tierproduktion oder anderem arbeitsintensi- Freiberufler, denen der Landesgesetzgeber bereits eigene ven Produktionsprofil, auf Drucksache 3/731. Versorgungswerke eingerichtet hat, gleichzustellen. Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: Die Entwurfsfassung lehnt sich weitgehend an die Langfristige Verpachtung landeseigener Strukturen vergleichbarer Versorgungswerke der Ärzte, Flächen vorrangig an Unternehmen mit Apotheker, Rechtsanwälte, Notare, Zahnärzte und Inge- Tierproduktion oder anderem arbeits- nieure in Mecklenburg-Vorpommern sowie die bereits be- intensiven Produktionsprofil stehenden Versorgungswerke in anderen Ländern an. – Drucksache 3/731 – Das Versorgungswerk der Steuerberater arbeitet völlig Das Wort zur Begründung des Antrages hat die Abge- eigenständig. Die Versorgung der Mitglieder wird nach ordnete Frau Schildt von der SPD-Fraktion. dem Anwartschaftsdeckungsverfahren finanziert. Seine (Erhard Bräunig, SPD: Ich hole sie. – Leistungen deckt das Versorgungswerk ausschließlich Ministerin Sigrid Keler: Auszeit! aus Beiträgen und Erträgen des angesammelten Vermö- Auszeit beantragen!) gens. Auswirkungen auf die Haushalts- und Finanzwirt- schaft des Landes Mecklenburg-Vorpommern sind aus- Jetzt haben wir Frau Schildt wohl überrascht, weil es so geschlossen. Die Voraussetzungen für die Pflichtmitglied- schnell vorwärtsging. Dann nehmen wir eine Auszeit von schaft, Beitragshöhe und den Leistungsumfang des Steu- fünf Minuten. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1425

Unterbrechung: 14.23 Uhr Wir wollen aber auch, daß die Betriebe, die im Moment und wohl auch zukünftig ökonomisch stabil sind, weil sie Wiederbeginn: 14.25 Uhr große Flächen haben, und die eigentlich das Potential haben, neu zu investieren in den Bereich der Veredelun- Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Meine Damen und gen, sich darüber Gedanken machen, diesen Schritt auch Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. zu gehen. Deshalb müssen wir ihnen sagen, wenn sie Zur Einbringung des Antrages erhält jetzt das Wort die nicht darüber nachdenken, müssen wir diese Flächen Abgeordnete Frau Schildt von der SPD-Fraktion. Bitte möglicherweise auch dahin verteilen, wo sie gebraucht sehr, Frau Schildt. werden. Ute Schildt, SPD: Frau Präsidentin! Meine Damen Und wir wollen mit diesem Antrag, daß wirklich erreicht und Herren! Wieder einmal steht die Landwirtschaft auf wird, daß im ländlichen Raum über diese Strukturentwick- der Tagesordnung. Im vergangenen Monat war die lung Arbeit geschaffen wird. Wir wollen nicht, und das ist MELA, und unser Ministerpräsident hat mitgeteilt, daß wichtig, daß diese langfristigen Pachtverträge, die zwi- den stärksten Wirtschaftszweig unseres Landes die schen 6 und 18 Jahren abgeschlossen sind, heute in Agrarproduktion und die nachgeordnete Verarbeitung Frage gestellt werden. Keiner der Landwirte, die diese darstellen. Es ist so, daß sich in den letzten zehn Jahren Flächen heute bewirtschaften, soll heute Angst haben, starke Landwirtschaftsbetriebe entwickelt haben mit daß ihnen morgen diese Fläche weggenommen wird. einer großen Fläche, ... Nein, wir wollen dieses Mittel Fläche gezielt einsetzen, um neu zu strukturieren, um zu gestalten. (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Deshalb bitte ich Sie, sehr geehrte Damen und Herren Vorher waren die auch schon stark. Abgeordnete, heute unserem Antrag zuzustimmen und Das wollen wir mal feststellen.) ihn in den Ausschuß für Landwirtschaft zu überweisen. – Ja. Danke. ... die wettbewerbsfähig sind und die sich natürlich auf (Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS) den Zweig orientiert haben, der gewinnbringend ist, näm- Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Vielen Dank, Frau lich die Marktfruchtproduktion. Auf der anderen Seite Schildt, für die Einbringung dieses Antrages und vielen haben sich natürlich Tierproduktionsbetriebe neu struktu- Dank auch, daß Sie noch schnell zu uns eilen konnten. riert, die es gilt zu stabilisieren. (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na, na!) Bei dieser Strukturierung der Landwirtschaft sind zahl- reiche Arbeitskräfte freigesetzt worden, viel zu viele, denn Ich eröffne die Aussprache. da ist das größte Potential an Arbeitslosen gegenwärtig, Es ist vereinbart worden eine Aussprachezeit von 30 Mi- für die wir Aufgaben finden müssen. nuten. Da ich dazu keinen Widerspruch sehe oder höre, ist Diese Entwicklung hat dazu geführt, daß wir in unserem es so beschlossen. Lande nicht mehr in der Lage sind, unsere Verbraucher Als erster hat ums Wort gebeten der Landwirtschafts- mit allen Veredlungsprodukten der Nahrungsgüterwirt- minister Herr Backhaus. Bitte sehr, Herr Backhaus, Sie schaft ausreichend zu versorgen. Das betrifft Fleisch, haben das Wort. Obst und Gemüse. Das heißt, die Veredlungsproduktion ist ein Wirtschaftszweig, der forciert werden muß. Freiwil- Minister Till Backhaus: Sehr geehrte Frau Präsidentin! lig, und das beobachten wir jetzt schon mehrere Jahre, Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist erklärtes passiert das nicht. Und auch Förderung wirkt nicht nach- Ziel der Agrarpolitik der Landesregierung, die Veredlungs- haltig. Sie ist eine einmalige Spritze, aber sie stabilisiert wirtschaft innerhalb unseres Landes besonders zu unter- diese Bereiche nicht. Deshalb müssen wir gemeinsam stützen. Das ist auch mein Anspruch, der prinzipiell im nachdenken, wie wir politisch Mittel finden können, so Agrarkonzept 2000 und im Leitfaden für Umwelt und tier- eine Entwicklung voranzutreiben. artgerechte Schweineproduktion dargestellt worden ist und den wir in den nächsten Monaten ganz klar durch För- Ein Mittel, das wir als Politiker in der Hand haben, sind derprogramme detailliert weiter ausgestalten werden. Flächen; Flächen, die uns gehören, in diesem Fall Lan- desflächen. Und ich hoffe, daß wir auch bald sagen kön- Der sinnvolle Wiederaufbau der Tierbestände insbe- nen, daß über das Preußenvermögen weitere landwirt- sondere bei Schweinen, aber auch die Erweiterung der schaftliche Nutzflächen in unsere Hand zurückkommen, Anbaufläche bei Kartoffeln, Feldgemüse oder Obst sind denn jeder Landwirtschaftsbetrieb ist bestrebt, sein Herausforderungen, denen wir uns gemeinsam offensiv Flächenpotential zu sichern. Insofern meine ich, daß es und kreativ stellen müssen. Gerade unter den Bedingun- sehr wichtig ist, dieses Instrument für die Strukturierung gen der Agenda 2000 braucht die Landwirtschaft in Meck- der Landwirtschaft in den Folgejahren zu nutzen. Aus die- lenburg-Vorpommern Alternativen, um Arbeitsplätze im sem Grund haben die Fraktionen der SPD und PDS einen ländlichen Raum zu sichern und zusätzlich Wertschöp- Antrag formuliert, den wir mit Ihnen gemeinsam bespre- fungspotentiale zu erschließen. Natürlich können und chen und im Ausschuß diskutieren möchten. werden wir den Unternehmen nicht die Entscheidung ab- nehmen, in welcher Weise sie sich engagieren und in wel- Wir möchten Betriebe stabilisieren. Das ist eine unserer chen Produktionsrichtungen sie investieren wollen, aber wichtigsten Aufgaben. Das heißt, wir müssen dafür sor- Rahmenbedingungen, meine sehr geehrten Damen und gen, daß Tierproduktionsbetriebe, Veredlungsbetriebe, Herren, werden wir dafür schaffen. Die Gestaltungsspiel- die es gibt, auch für die Zukunft stabil sind. Darum müs- räume sind eng, aber dennoch sind sie aus meiner Sicht sen wir dafür sorgen, daß sie eine gesicherte Flächenaus- klar vorhanden. Dazu zählt auch und gerade die Neuge- stattung bekommen. Das können wir natürlich nur dort, staltung der Bodenpolitik. Insofern, meine sehr geehrten wo wir diese Fläche in der Hand haben. Damen und Herren, bedanke ich mich ausdrücklich für 1426 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 diesen Antrag, bedeutet er doch, wenn ich ihn richtig ge- form und deren Struktur. Wir wollen Schwache mit unse- lesen und aufgenommen habe, daß der Landtag Meck- rer Politik stark machen, aber eben die Starken auch nicht lenburg-Vorpommern mittun möchte auf dem von mir unnötig schwächen. beschriebenen Weg. Drittens. Bei der Übergabe weiterer Flächen in das Lassen Sie mich zunächst einige Fakten darstellen. Eigentum des Landes Mecklenburg-Vorpommern – das Die Verpachtung der landeseigenen landwirtschaftli- gilt besonders für die bereits erwähnten Preußenflächen – chen Flächen erfolgt durch unsere Landgesellschaft. steigt das Land ganz klar in die laufenden Pachtverträge Das Land Mecklenburg-Vorpommern verfügt zur Zeit ein. Wir werden uns dennoch mit jedem einzelnen Pacht- über 45.749 Hektar landwirtschaftliche Flächen, die zu vertrag auseinandersetzen und dann mit den Pächtern circa 51 Prozent an Betriebe mit Tierhaltung und zu über Neuabschlüsse beziehungsweise Veränderungen 49 Prozent an reine Marktfruchtbetriebe verpachtet sind. der Pachtpreise und Verlängerung der Pachtdauer ver- Wenn das Preußenvermögen – und dazu sind die Ent- handeln. Es ist auch hier innerhalb des Landes wieder scheidungen ja im wesentlichen getroffen – demnächst an deutlich zu erkennen, daß wir uns dem privaten Pacht- das Land Mecklenburg-Vorpommern übertragen wird, markt durchaus annähern. sind weitere circa 17.000 Hektar landwirtschaftliche Nutz- Niemand – und das betone ich noch mal sehr deutlich – fläche in Landesbesitz. muß Angst haben, daß er von den landwirtschaftlichen Das Verhältnis von Marktfrucht- und Tierproduktion gilt Unternehmen oder der Landesregierung übervorteilt wird. es aus unserer Sicht in Richtung der Veredlungsbetriebe Der derzeitige Pachtpreis, der vom Land erhoben wird und zu verschieben beziehungsweise reine Marktfruchtbetrie- der zum Teil innerhalb des Landes sehr heftig diskutiert be zu unterstützen, die in die Veredlung einsteigen wollen. wird, liegt für Ackerland bei circa 6 Mark je Bodenpunkt Ich weise jedoch auch darauf hin, daß die meisten lan- und für Grünland bei circa 3 Mark je Bodenpunkt, aber nie deseigenen Flächen auf den besseren Standorten, wie – und das betone ich hier nochmals sehr deutlich – über zum Beispiel in den Bereichen Grevesmühlen, Bad Dobe- dem ortsüblichen Pachtzins. Unsere vornehmste und ge- ran, Güstrow oder auch Teterow, liegen. Dementspre- setzlich verbriefte Pflicht ist es, natürlich auch den Forde- chend ist der relativ hohe Anteil von Marktfruchtprodukti- rungen der Landeshaushaltsordnung nachzukommen, on durchaus nachvollziehbar, weil er auf diesen besseren aber das Land Mecklenburg-Vorpommern wird bei den Böden stattfindet. Auf den sogenannten Grenzstandorten, Neuverträgen nicht der Preistreiber am Pachtmarkt sein. die für die Veredlung aus fachlicher Sicht besonders Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend geeignet erscheinen, verfügt das Land jedoch nur über möchte ich noch einen Punkt ansprechen, der nicht direkt kleinere Flächen, die im übrigen sehr verstreut liegen. im Zusammenhang mit den landeseigenen landwirt- Was die laufenden Pachtverträge – und das ist ja immer schaftlichen Flächen steht, aber auf die Bewirtschaf- wieder eine Diskussion – betrifft, so sind diese in der tungssicherheit der jetzt tätigen landwirtschaftlichen Un- Regel als Landesflächen, also für zwölf Jahre, verpachtet ternehmen abzielt. Über das Landwirtschaftssonderver- worden. Das heißt aber auch, daß diese eine Restlaufzeit mögen wird die Landesregierung und damit das Land- von sehr unterschiedlicher Art und Weise haben. Zum Teil wirtschaftsministerium solchen Futterbau- beziehungs- liegt sie zwischen zur Zeit drei oder eben auch noch weise Veredlungsbetrieben helfen, die aus betriebsöko- zwölf Jahren. Meist jedoch sind noch eine ganze Reihe nomischen Gründen momentan am privaten Bodenmarkt von Jahren vorhanden, denn letzten Endes erfolgt der nicht mitbieten können. Die Landgesellschaft ist angewie- Restitutionsanspruch nach wie vor, und wir haben noch sen, als Käufer aufzutreten und an den heutigen Bewirt- nicht alle Flächen zurückerhalten. schafter als Landwirt weiter zu verpachten, wenn es für die Aufrechterhaltung seines – also der landwirtschaftli- Sie werden jetzt nicht von mir erwarten, daß ich an die- chen Unternehmen – Betriebskonzeptes erforderlich ist. ser Stelle ein absolut fertiges Konzept auf den Tisch lege, aber ich werde Ihnen sagen, was die Landesregierung in Vor Ablauf des Pachtvertrages sollen dann diese land- diesem Bereich unternimmt: wirtschaftlichen Unternehmen sinnvollerweise diese Flächen von der Landgesellschaft erwerben, das heißt Erstens. Ich habe die Landgesellschaft des Landes kaufen können. Weder dem Land noch dem Sonderver- Mecklenburg-Vorpommern angewiesen, bei allen Neuver- mögen entsteht dadurch irgendein Schaden. Darüber, pachtungen in den Folgejahren bei konkurrierenden was denn da mittlerweile an Entwicklungen vonstatten ge- Pachtanträgen den Veredlungsbetrieben grundsätzlich gangen ist, werden wir in der Zukunft sicherlich auch noch den Vorzug zu geben. An größere Marktfruchtbetriebe soll mal zu reden haben, aber es kann durch diese Maßnahme nur ein Teil der Landesfläche langfristig weiter verpachtet sehr, sehr vielen landwirtschaftlichen Unternehmen ge- werden. Dabei – und darauf weise ich hier sehr deutlich holfen werden. hin – werden wir Einzelfallüberprüfungen vornehmen und insbesondere natürlich die Eigentumsverhältnisse dieser Ich habe vernommen, daß die Opposition diese Vorstel- lung heftig kritisiert und meint, das Landwirtschaftssonder- Unternehmen insgesamt berücksichtigen. Das heißt, es werden auch die Anteile an Eigenland beziehungsweise vermögen verkomme somit. Die Landwirte des Landes Mecklenburg-Vorpommern finden diese Idee inzwischen die BVVG-Flächen an der Gesamtbetriebsfläche zu be- rücksichtigen sein. sehr, sehr gut, nämlich als Zwischenfinanzierung diese sehr charmante Entwicklung voranzubringen. Insofern lei- Zweitens. Der Teil der kurzfristig verpachteten Flächen sten wir einen aktiven Beitrag schon heute zur Veredlungs- soll vorrangig zur agrarstrukturellen Neugliederung in dem produktion innerhalb des Landes, und ich hoffe, daß Sie bereits genannten Sinne genutzt werden, das heißt, die mich dabei weiter unterstützen. – Vielen Dank. Veredlungsproduktion steht im Vordergrund. Unser (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD) Grundprinzip der Umverteilung – das will ich hier noch mal sehr deutlich unterstreichen – ist Fingerspitzengefühl und Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Vielen Dank, Herr die Beachtung der Spezifik der jeweiligen Unternehmens- Landwirtschaftsminister. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1427

Als nächster erhält das Wort der Abgeordnete Herr um in den Dörfern, im ländlichen Raum Arbeitsplätze zu Grams von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Grams. halten und zu schaffen. Die Bemühungen haben auch in der Vergangenheit darauf hingezielt. So spielte neben der Friedbert Grams, CDU: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Investorensuche die Standortfindung eine herausragende Damen und Herren! Der mit der Landtagsdrucksache Rolle. Daß es hier einer entsprechenden Akzeptanz unter 3/731 vorgelegte Antrag steht unseres Erachtens bisheri- der Bevölkerung bedarf, versteht sich von selbst. Jedoch gen Landtagsbeschlüssen und Regelungen zum Umgang daran mangelte es bisher, und daran mangelt es heute mit landeseigenen Flächen endgültig oder völlig entge- immer noch. gen. Mit diesem Antrag soll der bisherige Wille des Parla- ments, nämlich daß landeseigene Flächen zu privatisie- Wir brauchen in unseren Dörfern ein investorenfreund- ren, also zu verkaufen sind, unterlaufen werden. licheres Klima für einheimische wie auch für – ich sage es mal so schlicht – ausländische Investoren, damit diese Bereits in der Haushaltsberatung zum Agrarhaushalt nicht vertrieben werden oder gar fernbleiben, wie zum wurde deutlich, daß man künftig nur noch plakativ an Ver- Beispiel in Waldow, Klein Bünzow oder anderswo. Dies, käufen interessiert ist, weil man gleichzeitig durch die meine Damen und Herren, muß der vorrangige Ansatz- Änderung des Landwirtschaftssondervermögens Geset- punkt sein, um die arbeitsintensive Veredlungswirtschaft zesankäufe von landwirtschaftlichen Flächen mit der in unserem Land anzukurbeln. Die Bodenpachtung ist Begründung vornehmen will, solche Flächen Unterneh- dabei unseres Erachtens zweitrangig, denn ein Tierpro- men mit arbeitsintensivem Produktionsprofil, wie Schwei- duktionsbetrieb, der sich, aus welchen Gründen auch ne-, Obst- und Gemüseproduktion, anzubieten. Diese In- immer, in einer wirtschaftlich und finanziell desolaten tention – so scheint es – will der vorliegende Antrag fort- Situation befindet, wird durch die bevorzugte Verpach- führen. Wenn wir das richtig überblicken, will man die tung von 50 oder 100 Hektar landeseigener Fläche nicht noch vorhandenen landeseigenen Flächen an der Stelle gesunden. verkaufen, wo man kein Interesse an der Entwicklung des betreffenden landwirtschaftlichen Unternehmens hat, und Auch in der Landwirtschaft muß die Marktwirtschaft mit an anderer Stelle landwirtschaftliche Flächen ankaufen dem Gesetz von Angebot und Nachfrage Gültigkeit ha- und Unternehmen oder die Nebenunternehmen, in wel- ben. Einseitige staatliche Bevorzugung beziehungsweise cher Form auch immer, verfügbar machen. Das Land – so Benachteiligung kann nicht hingenommen werden und ist, scheint es – will quasi als weiterer Mitbewerber auf dem so meinen wir, eine direkte Wettbewerbsverzerrung. So Bodenmarkt auftreten und kann wohl nur Flächen von pri- muß jeder Betrieb anhand seiner konkreten Situation ent- vaten Bodeneigentümern ankaufen. Wir sagen Ihnen nur: scheiden – und Herr Backhaus hat es ja ausgeführt –, wel- Da kommt Freude bei unseren bestehenden Agrarunter- chen Weg er gehen will, ob er die Ausrichtung einseitig nehmen auf, gleich welcher Rechtsform! marktfruchtorientiert, ob er ein zweites Standbein in der Veredlungswirtschaft aufbauen möchte oder vielleicht in Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen. den Bereich von Sonderkulturen einsteigen wird. Dann Im Amtsbereich Krien sind die Vorbereitungen durch die wird jeder für sich entscheiden, welchen Intensitätsgrad Landgesellschaft so weit gediehen, daß durch zwei Inve- hinsichtlich des Ausmaßes je Arbeitskraft er wählt. Es ist storen zwei Schweineproduktionsanlagen am Standort ja wünschenswert, möglichst viele Arbeitskräfte in der Medow und am Standort Liepen errichtet werden können. Landwirtschaft zu beschäftigen, und sicher unser aller Ziel Das Begehren der Investoren, landwirtschaftliche Flächen hier im Parlament. Jedoch muß diese Entscheidung einzig zu besitzen, dürfte in zweierlei Hinsicht gegeben sein: zum und allein bei den Betrieben liegen. einen als Gülleverwertungsfläche und zum anderen, um das Unternehmen aus steuerlichen Gründen als Landwirt- Vor diesem Hintergrund bleibt für die CDU-Fraktion der schaftsbetrieb führen zu können. Beide werden in ihrem Zusammenhang zwischen der Umsetzung von Betriebs- Betriebskonzept deutlich machen, daß sie die entspre- konzepten und Pachtvertragskontrollen, wie von Ihnen, chenden Flächen benötigen. Über die Landgesellschaft sehr verehrte Kollegen von SPD und PDS, in Ihrem Antrag werden sie an das Land herantreten, um es in die Pflicht gefordert, völlig im Dunkeln. Welche Betriebskonzepte zu nehmen. Das Land wird dann nicht umhinkommen, meinen Sie? Die für die allgemeine Förderung hatten eine sich in dem entsprechenden Territorium um Landankäufe Laufzeit von bis zu sechs Jahren, die dürften also bereits von privaten Bodeneigentümern zu bemühen, und ent- überwiegend abgelaufen sein. Oder sollen neue Konzep- zieht anderen Agrarunternehmen Flächen und gefährdet te gefördert werden? Der Weg, meine Damen und Herren, damit bestehende Strukturen. den Sie als Koalitionäre beschreiten wollen, ist für uns unakzeptabel. Deshalb lehnen wir den Antrag ab. – Ich (Beifall Dr. Ulrich Born, CDU) danke für die Aufmerksamkeit. Wenn wir diesen sich abzeichnenden Weg den Agrar- (Beifall bei Abgeordneten der CDU – unternehmen in Medow und Neetzow oder anderswo ver- Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: deutlichen, was meinen Sie, wie wohltuend diese Betrie- Das hätten Sie lieber nicht sagen sollen.) be den staatlichen Bodenfonds gegenüberstehen wer- den?! Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Vielen Dank, Herr Grams. Wir haben uns, meine Damen und Herren, in den Jah- Als nächster erhält das Wort der Abgeordnete Herr ren 1997 und 1998 sehr intensiv um die Ansiedlung von Veredlungsbetrieben bemüht. Ich denke, wir unterstützen Scheringer von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Sche- ringer. hier sowohl die Ausführungen von Herrn Backhaus als auch die von Frau Schildt, daß wir sowohl für die weitere Johann Scheringer, PDS: Frau Präsidentin! Meine Entwicklung der Tierproduktion als auch der Veredlungs- sehr geehrten Damen und Herren! wirtschaft oder für Obst- und Gemüseanbau sind, Herr Grams, ich muß mich schon wundern, daß Sie hier (Beifall bei der CDU) so tun, als ob wir alle landeseigenen Flächen privatisieren 1428 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 wollen. Das stimmt gar nicht. Nach meinem Kenntnis- Die PDS-Fraktion stimmt für die Überweisung in den stand wird nur soweit privatisiert aus den Flächen der Landwirtschaftsausschuß. – Ich bedanke mich für Ihre Domänen, bis das landwirtschaftliche Sondervermögen Aufmerksamkeit. aufgefüllt ist, es sei denn, es handelt sich im Rahmen von (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) Strukturentwicklungen um notwendiges Bauland, das bereitgestellt werden muß. Das ist auch nicht Ziel dieses Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Vielen Dank, Herr Antrages. Abgeordneter Scheringer. Ziel dieses Antrages ist es, durch langfristigere Ver- Als letzter Redner erhält noch einmal das Wort die Ab- pachtung landeseigener Flächen an Unternehmen mit geordnete Frau Schildt von der SPD-Fraktion. Tierproduktion oder anderem arbeitsintensiven Produk- tionsprofil diese Unternehmen durch die Bereitstellung (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das ist ja nett.) von Flächen in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung zu stabi- Bitte sehr. lisieren. Das hat zwei Gründe: Ute Schildt, SPD: Frau Präsidentin! Meine Damen und Erstens sind in Mecklenburg-Vorpommern sehr häufig Herren! die Tierproduktionsbetriebe schlechter mit Flächen aus- gestattet als reine Marktfruchtbetriebe. Herr Grams, ich freue mich, daß wir wenigstens in der Richtung Konsens finden, daß wir Veredlung unterstützen Zweitens besteht das Anliegen des Antrages darin, wollen, daß wir Veredlung ansiedeln müssen, daß es eine Wertschöpfung aus der Landwirtschaft zu erhöhen, den wichtige Aufgabe ist. Ich glaube, ich habe bei der Ein- Eigenverbrauch an landwirtschaftlichen Produkten aus führung versucht klarzumachen, daß man dazu Instru- dem Land Mecklenburg-Vorpommern zu sichern und dem mente braucht. Es geht nicht freiwillig. Freiwillig ent- weiteren Abbau von Arbeitsplätzen entgegenzuwirken. wickelt sich der Markt dort, wo Geld verdient wird. Und Aus Sicht der Landwirtschaft und der landwirtschaftli- Geld verdient wird gegenwärtig in der Marktfruchtproduk- chen Betriebe muß ich aber auch zur Besonnenheit mah- tion. Jeder, der sich mit landwirtschaftlicher Produktion nen. Bei der Durchsetzung und Verwirklichung des Antra- auseinandersetzt, weiß, was für ein Urstromtal wir bei den ges gibt es eine Menge offener Fragen. Die meisten Schweinepreisen durchmachen, weiß, wie weit der Milch- Flächen sind langfristig verpachtet. Hier besteht also kaum preis runter ist. Das heißt, wir müssen solche Betriebe da die Möglichkeit, aus betriebswirtschaftlicher Sicht in beste- stabilisieren, wo auch Geld verdient werden kann. An die- hende Betriebskonzepte einzugreifen sowie aus juristi- sen Flächen, die Marktfruchtproduktion rechtfertigen, scher Sicht abgeschlossene Pachtverträge so einfach möglich machen, hängt natürlich jeder Betrieb. umzustoßen. Es stehen auch nur landeseigene Flächen zur Ich will mal aus der Praxis plaudern. Wenn ich die Ent- Disposition. Die BVVG verpachtet selbständig. Sicher be- wicklung großer Marktfruchtbetriebe seit 1990 verfolgt auftragt sie vielleicht die Landgesellschaft mit der Pachtsa- habe – und das habe ich getan –, dann sehe ich, daß da chenprüfung, aber die BVVG verpachtet ihre Flächen. eine Fläche von 1.000, 2.000, 3.000 Hektar gewachsen ist Wenn wir von landeseigenen Flächen sprechen, dann und Tierproduktion so nach und nach reduziert wurde. In sind das – das ist vom Minister richtig gesagt worden – diesen Betrieben sind in Größenordnungen Treuhand- erstens Neuzugänge von 17.000 Hektar aus der Übernah- flächen und zum Teil auch unsere landeseigenen Flächen me des Preußenwaldes. Zweitens haben wir eine ganze konzentriert. Wir haben aber auch – und das unter Ihrem Menge Neuzugänge an Flächen, die aus den Enteignun- Minister – Betriebe angesiedelt, wir haben Neueinrichter gen der kleinen Grundstücksbesitzer, also sprich Erben auf den Weg geschickt mit 60 Kühen, mit 100 Kühen, mit von Bodenreformland, resultieren. Hier war es eben doch Schweineställen, mit 60 Hektar, 100 Hektar und 200 Hek- so, daß von der Landgesellschaft die bestehenden Pacht- tar. Viele davon arbeiten professionell, aber die Betriebs- verträge in Höhe des Pachtzinses verändert worden und struktur stimmt nicht, und sie erwirtschaften unter dem jet- zum Teil über den ortsüblichen Pachtzins hinaus neue zigen Betriebskonzept auch nicht das Geld, um zu- Pachtpreise festgelegt worden sind. Drittens geht es über kunftssicher zu sein. Das heißt, sie können die Flächen andere landeseigene Flächen, wie zum Beispiel aus den nicht kaufen auf dem Markt im Wettbewerb mit den großen Domänen. Marktfruchtproduzenten. Und wenn wir die Gespräche mit diesen Praktikern suchen, dann kommt von diesen Land- Es ist aber Vorsicht geboten, meine Damen und Her- wirten die Forderung, tut etwas, daß Flächen, die dort sind ren. Es darf keinesfalls der Eindruck entstehen, daß das – nicht alle Flächen, sondern die, die in meinem Bereich Land alle Sorgen, die die Betriebe mit der Flächenaus- verfügbar sind –, auch einen Weg zu mir finden können und stattung haben oder bekommen können, heilen kann. nicht nur von meinem Geldbeutel abhängig sind. Denken Sie nur an das, was bei der Realisierung des Moorschutzprogrammes auf uns zukommen wird. Es ist Die großen Marktfruchtbetriebe – und das will auch zweifelsfrei richtig, daß im Sinne des Antrages ein Kon- deutlich sagen – wissen sehr wohl, daß sie begünstigt zept erforderlich ist. Ermessensentscheidungen darf es sind mit den Flächen, die sie im Moment bewirtschaften. nicht geben. Wir brauchen eine klare Zielstellung und Sie beobachten sehr wohl, was wir hier diskutieren, und klare Grundsätze bei der Verwertung von Flächen und die werden darüber nachdenken – denn da ist das Geld –, bei der Vergabe des Nutzungsrechtes von landeseige- ob sie sich an Tierproduktion beteiligen. Sie werden es nen Flächen. Dazu sollten auch die Verbände – ich tun, ich führe die Gespräche auch mit diesen Betrieben, denke hier an den Bauernverband sowie an den Genos- und wenn sie Anteile an so einem Betrieb erwerben, der senschaftsverband – gehört und einbezogen werden. letzten Endes Gülle ausbringt. Aber wir sollten uns keinem Diese Grundsätze sollten wir vor der Erarbeitung eines Weg verschließen, der dahin führt, Tierproduktion, Vered- Konzeptes zumindest im Landwirtschaftsausschuß be- lungsproduktion wieder zu stabilisieren und anzusiedeln. raten und meinetwegen auch von diesem Hohen Hause Deshalb möchte ich Sie noch mal bitten, diesem Antrag aus der Landesregierung vorgeben. zuzustimmen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1429

(Beifall bei der SPD und und Ausgleichsleistungsgesetzes. Gemäß Artikel 92 Ab- einzelnen Abgeordneten der PDS – satz 1 EG-Vertrag sind Beihilfen mit dem gemeinsamen Reinhard Dankert, SPD: Machen wir.) Markt vereinbar, soweit sie zum Ausgleich der durch die Teilung verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforder- Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Vielen Dank, Frau lich sind. Schildt. Nun ist es nicht verwunderlich, daß nach Ansicht der Damit schließe ich die Aussprache. Kommission der verbilligte Flächenerwerb nur für Altei- Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag der Fraktionen gentümer, Wiedereinrichter und juristische Personen mit der SPD und PDS auf Drucksache 3/731 zur federführen- mindestens einem Alteigentümer beziehungsweise einem den Beratung an den Landwirtschaftsausschuß und zur Wiedereinrichter im Gesellschafterkreis als Entschädi- Mitberatung an den Finanzausschuß zu überweisen. Wer gung für teilungsbedingte wirtschaftliche Nachteile be- stimmt diesem Überweisungsvorschlag zu? – Danke. trachtet werden könne. Bei Neueinrichtern und anderen Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Das juristischen Personen liege jedoch eine staatliche Beihilfe ist nicht der Fall. Damit ist der Überweisungsvorschlag mit im Sinne des EG-Vertrages vor, weil die Betreffenden den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS gegen die keine Enteignung oder einen gleichwertigen Schaden hät- Stimmen der Fraktion der CDU angenommen. ten hinnehmen müssen. Soweit, meine Damen und Her- ren, ein kurzer Exkurs zum rechtlichen Hintergrund dieses Vereinbarungsgemäß rufe ich an dieser Stelle den komplizierten Verfahrens. Tagesordnungspunkt 17 auf: a) Beratung des Antrages Die Gesamtproblematik zeigt wieder einmal, wieweit der Fraktion der CDU – Fortführung des Flächenerwerbs- das an sich notwendige EU-Beihilfenrecht von der Aufar- programmes nach dem Entschädigungs- und Ausgleichs- beitung der DDR-Vergangenheit entfernt ist. Es darf nicht leistungsgesetz, Drucksache 3/703, in verbundener Aus- vergessen werden, daß es einzig und allein das Verdienst sprache mit b) Beratung des Antrages der Fraktionen der der Kohl-Regierung ist, die Ausnahmeklausel, wonach PDS und SPD – Flächenerwerb gemäß Entschädigungs- Beihilfen zur Überwindung der Teilung Deutschlands er- und Ausgleichsleistungsgesetz, Drucksache 3/736. laubt sein können, zugunsten der neuen Länder im EG- Antrag der Fraktion der CDU: Vertrag zu verankern. Deshalb geht der Vorwurf der jetzi- Fortführung des Flächenerwerbspro- gen Bundesregierung, das EALG hätte 1994 in Brüssel grammes nach dem Entschädigungs- notifiziert werden müssen, völlig ins Leere. Man stelle sich und Ausgleichsleistungsgesetz das in der Praxis vor, wenn das EALG, das im Frühsom- – Drucksache 3/703 – mer 1994 nach vielen kontroversen Debatten und Diskus- sionen im Bundestag und im Bundesrat verabschiedet Antrag der Fraktionen der PDS und SPD: worden war, danach ein Notifizierungsverfahren in Brüs- Flächenerwerb gemäß Entschädigungs– sel hätte über sich ergehen lassen müssen. Ich denke, ein und Ausgleichsleistungsgesetz oder zwei Jahre hätte man warten müssen, bis die Notifi- – Drucksache 3/736 – zierung beendet worden wäre. Das Wort zur Begründung des Antrages auf Drucksa- Ausgleich für teilungsbedingte Schäden innerhalb che 3/703 hat der Abgeordnete Herr Rehberg von der Deutschlands, meine Damen und Herren, bedarf keiner CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Rehberg. Notifizierung. Darum sah sich die CDU-Fraktion in die Pflicht genommen, zur letzten Landtagssitzung einen Eckhardt Rehberg, CDU: Frau Präsidentin! Meine Da- men und Herren! Der Boden ist für die Existenz landwirt- Dringlichkeitsantrag vorzulegen, um schnellstmöglich für die Landwirte Rechtssicherheit zu erreichen. Aber Sie, schaftlicher Betriebe essentielle Voraussetzung. Das ist sicherlich eine Binsenweisheit, dennoch muß dies immer verehrte Koalitionsfraktionäre, sahen und sehen wohl diese Dringlichkeit nicht, so daß unser Tagesordnungs- wieder ins Gedächtnis zurückgerufen werden ebenso wie die Tatsache, daß er, wie Landwirtschaftsökonomen punkt erst heute als regulärer Antrag auf der Tagesord- nung erscheint. Und plötzlich fühlen Sie sich auch noch schon vor 200 Jahren feststellten, nicht vermehrbar ist und demzufolge nur in begrenztem Umfang zur Verfügung genötigt, einen eigenen Antrag vorzulegen, der besonders unter Punkt c) völlig abstruse Vorstellungen offenbart. steht. Deshalb ist der Zugang zu landwirtschaftlichen Flächen für den Fortbestand der Landwirtschaft in unse- Meine Damen und Herren, Herr Minister Backhaus, wol- rem Land so wichtig. len Sie das nun wirklich durchsetzen, auch im Bundesrat und im Bundestag, ich zitiere: „In diesem Falle soll die ab Die Europäische Kommission hat das Flächenerwerbs- dem 01.01.2000 gezahlte Pacht auf den Kaufpreis ange- programm auf der Grundlage des Entschädigungs- und rechnet werden, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt Ausgleichsleistungsgesetzes für die zwischen 1945 und der Kaufvertrag rechtskräftig wird.“? Wie verträgt sich denn 1949 enteigneten Agrar- und Forstflächen mit ihrer am das mit dem EU-Beihilferecht? Das heißt, wenn sie fünf 20. Januar 1999 im Amtsblatt verkündeten Entscheidung Jahre gepachtet haben, kriegen sie zum 1. Januar 2006 zum Hauptprüfverfahren als einen Verstoß gegen den EG- oder später das Land, das sie gepachtet haben, umsonst? Vertrag beanstandet. Hauptkritikpunkte der Kommissi- Sie meinen doch nicht im Ernst, daß Sie damit eine Chan- onsentscheidung sind ein Verstoß gegen das EU-Beihilfe- ce haben? Sie verschlechtern noch eher die Chancen. Sie recht und auch gegen den vertraglichen Grundsatz der sollten sich nach meinem Dafürhalten dafür einsetzen, Nichtdiskriminierung von EU-Ausländern. Dabei betont nachdem Sie so landwirtschaftsfördernde Maßnahmen wie die Kommission, daß sie die Privatisierung ehemals volks- die Ökosteuer oder die Streichung der Gasölverbilligung eigener Flächen in den fünf neuen Bundesländern nicht in unterstützt und begrüßt haben, daß sich der vergünstigte Frage stelle und auch die Schwierigkeiten anerkenne, Flächenerwerb nicht so drastisch verschlechtert. einen angemessenen Ausgleich zwischen teilweise kon- kurrierenden Interessenlagen zu erreichen. Damit be- Der Kaufpreis für landwirtschaftliche Flächen soll nach stätigt die Kommission das Prinzip des Entschädigungs- den Vorstellungen der Bundesregierung generell für alle, 1430 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 ich wiederhole, für alle Anspruchsberechtigten auf den auch noch mal daran erinnern, daß nur ehemals volksei- Verkehrswert abzüglich 35 Prozent angehoben werden. gene Flächen, also Flächen, die vor 1945 in Privathand Dieser Vorschlag wird von der CDU unter zweierlei Ge- waren, zwingend privatisiert werden müssen – alle ande- sichtspunkten abgelehnt: ren nicht. Keine landeseigene Fläche muß zwingend pri- vatisiert werden! Es gibt da auch keine Beschlußlage. Erstens werden dadurch Anspruchsberechtigte be- nachteiligt, die von den EU-Beanstandungen überhaupt (Eckhardt Rehberg, CDU: nicht tangiert werden, nämlich die Wiedereinrichter, die Sie sollte es aber, sie sollte es aber.) Alteigentümer und die juristischen Personen mit minde- Dazu gibt es keine Beschlußlage. stens einem Wiedereinrichter oder Alteigentümer in ihrem Gesellschafterkreis. Ich denke, der weitaus überwiegende Meine Damen und Herren, unsere Initiative, die sich Teil unserer juristischen Personen fällt unter diese Formu- heute erneut mit dem Thema Flächenerwerb nach Ent- lierung, wäre also gar nicht vom EU-Hauptprüfverfahren schädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz in diesem betroffen. Parlament beschäftigt, kommt nicht von ungefähr. Wir haben neue Bedingungen und auch Ursachen. Dazu las- Zweitens kann die Beihilfeintensität in benachteiligten sen Sie mich erläutern, welche. Gebieten – und wer es noch nicht wissen sollte, Mecklen- burg-Vorpommern ist in Gänze Ziel-1-Gebiet und somit Die gesamte Entwicklung um die Regelung von Aus- benachteiligtes Gebiet – bis zu 75 Prozent betragen. Ich gleichsleistungen für Alteigentümer und die Privatisierung frage mich, warum macht die Bundesrepublik keinen von ehemals volkseigenen Flächen in den neuen Bundes- Gebrauch davon zugunsten der neuen Länder und damit ländern fand einen Kompromiß im verabschiedeten Ent- auch zugunsten Mecklenburg-Vorpommerns. schädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz mit seinem Bestandteil, der Flächenerwerbsverordnung. Zwar hat die Herr Ministerpräsident Ringstorff, Herr Minister Back- PDS dieses juristische Regelwerk von Anfang an als unak- haus, diese Handlungsalternativen sollten, ja müssen Sie zeptablen Versuch abgelehnt, die Ergebnisse der Bodenre- gegenüber der Bundesregierung mit allem Nachdruck form auszuhöhlen, jedoch hatte die damalige Regelung den vertreten. Ansonsten nehmen weite Teile unserer Land- Vorteil, daß neben den früheren Eigentümern, den Altei- wirtschaft erheblichen Schaden. Lippenbekenntnisse und gentümern, auch andere landwirtschaftliche Unternehmen buntbedruckte Konzepte sind da wenig hilfreich. Ich berechtigt waren, Flächen vom Staat ermäßigt zu kaufen. befürchte, daß von der jetzt angestrebten Lösung vor allem der Bundesfinanzminister und sein Sparpaket durch Um diese Rechtsgrundlage zu sichern, wäre es nötig erhöhte Einnahmen für den Bundeshaushalt profitieren gewesen, daß die damalige Bundesregierung das Flächen- werden, und das einzig und allein auf dem Rücken der erwerbsprogramm bei der EU hätte notifizieren lassen. ostdeutschen Landwirtschaft. Hat sie aber nicht. Ich bin damals selbst in Brüssel gewe- sen und habe bestätigt gefunden, daß das Prüfverfahren Im übrigen, dies darf ich abschließend bemerken, kann durch die damalige Bundesregierung bis Mitte 1998 hätte die geplante Gesetzesnovelle des federführenden Bun- verhindert werden können. desfinanzministeriums auch zu erheblichen Mehrbela- stungen der Bundeskasse führen, wie die BVVG deutlich Wir haben jetzt die Konsequenz, daß die Alteigentümer machte. Eine Öffnung des berechtigten Kreises beim mit einer Beschwerde in Richtung Brüssel gezogen sind Waldkauf unter dem Stichwort „Streichung des Ortsan- und auf diesem Weg das Prüfverfahren erzwungen haben. sässigkeitsprinzips“ könnte im ungünstigsten Fall zu einer Die Beschwerde richtete sich vor allem dagegen, daß Belastung des Bundeshaushalts von 500 Millionen DM durch den verbilligten Verkauf von Agrar- und Forst- führen. Das nenne ich Gesetzessolidität. Hier frage ich flächen nicht nur Alteigentümer, sondern auch andere mich auch, wie sich diese Öffnung mit dem Anspruch ver- landwirtschaftliche Unternehmen begünstigt wurden be- einbart, Herr Backhaus, den gerade Sie immer vertreten ziehungsweise begünstigt werden sollten. Mit der Be- haben, Wald und Land insbesondere an Einheimische zu schwerde wurde die Bundesregierung außerdem bezich- verkaufen. tigt, gegen das EU-Beihilferecht verstoßen zu haben. Also hat die Europäische Kommission ein Hauptprüfverfahren Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Mini- eingeleitet. Das Ergebnis wurde am 20. Januar 1999 ver- sterpräsident! Herr Minister Backhaus! Hören Sie endlich öffentlicht. Sie kamen in etwa zu folgendem Urteil: auf, zu diesem Thema zu schweigen! Setzen Sie sich da- für ein, daß die rechtlichen Möglichkeiten, die nach EU- a) Die Berechtigung zur Teilnahme am Flächenwerb von Beihilferecht möglich sind, von der Bundesregierung um- der Ortsansässigkeit am 3. Oktober 1990 abhängig zu gesetzt werden zum Nutzen unserer Landwirtschaft! – machen ist unzulässig. Herzlichen Dank. b) Die Beihilfeintensität für landwirtschaftliche Flächen in (Beifall bei Abgeordneten der CDU) den nicht benachteiligten Gebieten übersteigt die zu- lässigen 35 Prozent. Als Konsequenz wurde Deutsch- Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Vielen Dank, Herr land verpflichtet, gewährte unzulässige Beihilfe zurück- Rehberg. zufordern. Das Wort zur Begründung des Antrages auf Drucksa- c) Es wurde der Teil von Nutznießern aus dem Flächener- che 3/736 hat der Abgeordnete Herr Scheringer von der werbsprogramm herausgestrichen, der auf der Grund- PDS-Fraktion. Bitte sehr. lage des Kompromisses aufgenommen worden war. Johann Scheringer, PDS: Frau Präsidentin! Meine Das war, meine Damen und Herren, ein glatter Sieg für sehr geehrten Damen und Herren! die Lobby der Alteigentümer und ein Problem für die deut- Herr Rehberg, Sie sind bei der Einbringung Ihres Antra- sche Regierung, für die jetzige Regierung in Deutschland, ges auf einen anderen Antrag eingegangen, der hier heute das sie nicht selbst verursacht, sondern von ihrer Vorgän- vorliegt. Das werde ich nicht machen. Und ich möchte Sie gerin geerbt hat. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1431

Meine Damen und Herren, ich verrate Ihnen mit Sicher- Das Sondervermögen ist mittlerweile aufgefüllt auf heit nichts Neues, wenn ich darauf verweise, daß die PDS 135 Millionen DM. Und wenn es zu Verkäufen kommt, grundsätzlich eine andere Auffassung zum Umgang mit meine Damen und Herren, dann sind das Infrastruktur- Grund und Boden hat, als es auch die neue Gesetzesvor- maßnahmen oder Verkäufe für gemeindliche Entwicklun- lage vorsieht – aber dazu nachher etwas mehr. Wir kön- gen. Ich will dieses nur noch mal unterstreichen, damit wir nen uns jedoch am praktischen Leben nicht vorbeimo- hier keinen verkehrten Zungenschlag hineinbekommen. geln. Es ist kein Fatalismus, der uns veranlaßt, sich mit Das war im übrigen auch immer die Vereinbarung. Wenn den Verhältnissen der Wirklichkeit zu arrangieren. Viel- ich mich da richtig entsinnen kann, war das der allgemei- mehr ist es eine Erfahrung, Politik auch als die Kunst des ne Konsens hier in diesem Landtag. Machbaren zu verstehen. (Beifall bei einzelnen Abgeordneten Die Entscheidung der Kommission der Europäischen der SPD und PDS) Union liegt auf dem Tisch. Sie ist keine höfliche Bitte, son- Herr Rehberg hat ja doch etwas andere Auffassungen dern eine knallharte Forderung, zu deren Durchsetzung zum Ausdruck gebracht. Na, ich will Sie jetzt nicht damit die Europäische Union, wenn nötig, geeignete Rechtsmit- ärgern, Herr Rehberg, aber Sie haben ja angedeutet, daß tel zur Verfügung hat. Dieses Ergebnis ist, ich erwähnte es Sie doch mehr dafür plädieren würden, mehr Flächen zu bereits, ein Sieg für all jene, die die Interessen der priva- verkaufen. ten Alteigentümer bedienen und denen die Bodenreform schon immer ein Dorn im Auge war. Das ist bedauerlich, (Zuruf von Johann Scheringer, PDS) aber es zeigt uns auch, daß wir keine Regelung finden, die eine der Interessengruppen ausschließt. Wir brauchen Ich betone hier noch mal: Wir verkaufen keine landesei- den Interessenausgleich. Zudem dürfen wir wohl davon genen Flächen über die Dinge hinaus, die ich eben be- ausgehen, daß es nicht der letzte Versuch der Alteigentü- nannt habe. mer war, die Bodenordnung in den neuen Bundesländern (Peter Ritter, PDS: Richtig.) zu attackieren. Und eins möchte ich auch noch mal geradestellen. Herr Also ist es jetzt ratsam, die Bedingungen wenigstens zu Rehberg, Sie haben gesagt, wir sind generell benachtei- stabilisieren, den schwachen Kompromiß zu sichern, um ligtes Gebiet. Was die Ziel-1-Gebiet-Förderung betrifft, zu verhindern, daß weitere Entwicklungen die Situation für das meinen Sie wahrscheinlich damit, da haben Sie unsere Agrarbetriebe verschlechtern. Unsere Landwirte recht. Aber was die landwirtschaftlichen Nutzflächen brauchen endlich sichere Rahmenbedingungen als betrifft, da ist es doch etwas anderes. Die benachteilig- Grundlage für ihr wirtschaftliches Handeln, Sicherheit, die ten Gebiete umfassen etwa 51 Prozent der landwirt- es auch erlaubt, langfristig zu investieren. schaftlichen Nutzfläche, und das bedeutet etwa eine Der Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministeri- Fläche von 748.000 Hektar. Es ist also nicht die gesamte um, Herr Dr. Thalheim, hat in der Beratung mit dem Land- landwirtschaftliche Nutzfläche, die davon betroffen ist. wirtschaftsausschuß dieses Hauses deutlich gemacht, Auch dieses ist noch mal wichtig, wenn wir über die be- daß der Spielraum bei der Umsetzung der EU-Beschlüsse nachteiligten Gebiete reden. ausgesprochen klein ist, aber diesen Spielraum auszunut- Aber nun noch mal zu der Gasölverbilligung und Öko- zen ist auf alle Fälle notwendig und deshalb auch Grund- steuer. Ich habe hier nicht hurra geschrien, sondern, Herr lage unseres Antrages, um den es hier heute geht. Es ist Rehberg, ich betone das an dieser Stelle erneut, wir ver- ein Versuch, die besonderen Bedingungen der Landwirt- suchen, alles zu unternehmen, um insbesondere für die schaft in den neuen Bundesländern soweit wie möglich zu Gasölverbilligung für die Landwirte in Mecklenburg-Vor- berücksichtigen und Benachteiligungen zu verhindern. Da pommern Entlastungen herbeizuführen. Das ist ja auch im der Bundesrat am Freitag dieser Woche das Flächener- Agrarausschuß, in dem Herr Dr. Thalheim als Staatsse- werbsprogramm im Paket des Vermögensrechtsände- kretär anwesend war, deutlich geworden. Insofern muß rungsgesetzes verabschieden will, bitte ich um Zustim- ich noch mal sagen, Sie sprechen immer vom Sparpaket. mung zu unserem Antrag auf Drucksache 3/703. – Ich be- Das sind die Schulden, die nun mal beglichen werden müs- danke mich für die Aufmerksamkeit. sen, meine Damen und Herren. Die 1.500 Milliarden DM, (Beifall bei einzelnen Abgeordneten die sind ja eine Hinterlassenschaft, die Sie weitgehend mit der SPD und PDS) zu verantworten haben. Das kommt mir immer wieder viel zu kurz. Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Scheringer. Wie Sie wissen, und nun komme ich zu dem EALG, gibt es in keinem anderen Bundesland so viele ehemals volks- Wir werden beide Anträge in verbundener Aussprache eigene Flächen wie in Mecklenburg-Vorpommern. Von diskutieren. Wenn es zu der im Ältestenrat vereinbarten rund 1,4 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche Diskussionsdauer von 45 Minuten keinen Widerspruch befinden sich derzeit – ich betone, derzeit – noch gibt, eröffne ich hiermit die Aussprache. 386.000 Hektar ehemals volkseigener Flächen in den Händen des Bundes beziehungsweise der BVVG. Das Als erster erhält das Wort der Landwirtschaftsminister sind nach wie vor 29 Prozent. Diese Werte sagen aus mei- Herr Backhaus. ner Sicht relativ wenig aus. Minister Till Backhaus: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Der Anteil der landwirtschaftlichen Fläche der BVVG Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will hier auch beträgt in unserem Bundesland, wie gesagt, 29 Prozent noch mal richtigstellen, was den Tagesordnungspunkt zu- und damit 386.000 Hektar. In Thüringen sind es 7,5 Pro- vor betrifft: Wir verkaufen keine Landesflächen mehr über zent, das sind 60.000 Hektar, in Sachsen sind es 10,5 Pro- das Sondervermögen hinaus. zent, 94.000 Hektar, in Sachsen-Anhalt sind es 15,6 Pro- (Beifall Johann Scheringer, PDS) zent mit 182.000 Hektar, und in Brandenburg sind es mit 1432 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

22,3 Prozent 300.000 Hektar. Daran wird doch deutlich, in berg, dafür tragen Sie auch irgendwo mit die Verantwor- welcher besonderen Situation sich das Land Mecklen- tung. Jetzt kommt es darauf an, wirklich konstruktive ... burg-Vorpommern befindet. Und klar ist damit auch, wir (Harry Glawe, CDU: Herr Rehberg sind das hauptbetroffene Land der Bundesrepublik schießt doch kein Eigentor für Deutschland in dieser Frage und in den neuen Bundes- Hansa. Das machen Sie doch jetzt.) ländern ja sowieso. Die Tatsache muß sich also in den Köpfen festsetzen, auch innerhalb des Bundesrates, daß Ich hoffe das ja auch nicht. Ich will das ja auch gar nicht wir die Hauptbetroffenen sind. abwerten, was Sie an Initiativen entwickeln. Das gilt es deutlich zu machen. Und, Herr Rehberg, ich (Harry Glawe, CDU: Sie können betone das an dieser Stelle auch, ich habe mittlerweile nicht mal den Ball treffen.) zweimal im Bundesrat dazu gesprochen und werde auch am Freitag im Bundesrat zu dieser Debatte sprechen, wo Ich sage noch mal, es kommt auf konstruktive Lösun- ich vehement die Interessen des Landes Mecklenburg- gen an, und der Bogen darf diesbezüglich nicht über- Vorpommern vertreten werde. Ich glaube, daran wird spannt werden. Gewisse parteiübergreifende Realitäten auch deutlich, daß ich das nicht auf die leichte Schulter sind eben mal zur Kenntnis zu nehmen. Und Sie kennen ja nehme, denn entscheidend ist aus unserer Sicht ganz die Mehrheiten im Bundesrat, Herr Rehberg. Die Altei- klar, die Bewirtschaftungssicherheit für die landwirt- gentümer, die ja auch Lobbyisten gerade Ihrer Fraktion schaftlichen Betriebe hat eine elementare Bedeutung, sind, mit denen werden wir uns auseinandersetzen müs- meine sehr geehrten Damen und Herren. sen. Ich bin dazu bereit. Machen Sie sich doch bitte selbst ein Bild darüber, welche Klippen im Bundesrat letzten Die alten Bundesländer mögen eben auch, und da wäre Endes zu umschiffen sind und im übrigen auch innerhalb ich Ihnen dankbar, wenn Sie sich alle mit einbringen wür- des Deutschen Bundestages. den, zum Teil billigend in Kauf nehmen, wenn unsere In den bisherigen Gesprächen zwischen dem Bund und Betriebe wegen der nach wie vor zumeist geringen Eigen- den neuen Ländern hat das Bundesfinanzministerium keine kapitaldecke nur eingeschränkt am Flächenerwerb teil- Lösung für eine Veränderung der 35-Prozent-Lösung ange- nehmen können. Ich denke, daß es in den nächsten Tagen deutet. Es gibt aber nach den neuesten Erkenntnissen – und ausdrücklich darauf ankommt, auch Sympathien für unse- Mecklenburg-Vorpommern war hier federführend verant- re Anträge innerhalb des Bundesrates zu bekommen. wortlich – doch Mehrheiten, so, wie sich das abzeichnet, Aber genau diese Einstellung beschwört natürlich auch um am Freitag auch für die benachteiligten Gebiete auf entscheidende Wettbewerbsnachteile für unsere einhei- 75 Prozent zu kommen. Ich hoffe, wir erreichen das. mischen Betriebe und ist gleichsam eine Erklärung gegen Der Bund zeigt im übrigen nach wie vor eine geringe Nei- die Landwirte und den Agrarstandort Mecklenburg-Vor- gung, von einheitlichen Beihilfesätzen abzurücken. Der Bund pommern, und das können wir uns überhaupt nicht erlau- sieht im Flächenerwerbsprogramm zunehmend die alleinige ben. Verwirklichung des Privatisierungsauftrages und immer we- Was nun die Opposition in diesem Lande beziehungs- niger die damit verbundenen agrarstrukturellen Verpflichtun- weise einige davon und die Operation Flächenerwerb gen gegenüber der ostdeutschen Landwirtschaft. betrifft, gilt es doch einiges entgegenzuhalten. Sie bitten Ich würde mich sehr freuen, wenn wir zu einem partei- mich oder die Landesregierung ja darum, erstens schnell übergreifend geschlossenen Auftreten der neuen Bundes- zu handeln, zweitens den Glauben an die sofortige Privati- länder kommen würden. Im übrigen ist das mittlerweile sierung als Allheilmittel zu sehen und drittens die Hoffnung auch nicht mehr der Fall. Gerade Thüringen oder auch auf die Beachtung der benachteiligten Gebiete durchzuset- Sachsen weichen leider zum Teil von diesen Kompro- zen, und – und das erschüttert mich nach wie vor, und das mißlösungen ab. Die tendenziell alteigentümerfreundli- ist nun einmal Ihr Grundgedanke – um das Bekenntnis zu chen alten Bundesländer haben uns damit natürlich auch den Alteigentümern, meine Damen und Herren. das Problem mit beschert. Die Landwirte in unserem Bundesland werden nach Nach einer jüngsten Presseerklärung ist im übrigen die meiner Überzeugung begeistert sein von diesem Vier- Kommission, Herr Rehberg, und das wissen Sie auch, klang aus Konstruktivität und Einfallsreichtum. Diese un- bereits mit dem vorgelegten Entwurf nicht einverstanden. differenzierte Haltung ist weder mehrheitsfähig noch Die Alteigentümerlobby hat wieder ihren Einfluß geltend sachgerecht innerhalb des Bundesrates. Die nur noch von gemacht und auf die angeblich diskriminierende Wirkung der Landes-CDU beziehungsweise Opposition geforderte des Anknüpfungskriteriums der Verpachtung der ehema- pauschale Ablehnung ist destruktiv und mit der Gefahr ligen volkseigenen Flächen aus der Zeit 1991 oder 1992 verbunden – und die Experten innerhalb Ihrer Fraktion, hingewiesen. Sie wissen doch hoffentlich noch, Herr Reh- Herr Rehberg, werden das sehr genau wissen –, daß am berg, wer 1991/92 für die Verpachtung verantwortlich war. Ende der begünstigte Flächenerwerb, der gemeinsame Wir haben diesen gemeinsamen kleinsten Nenner auch Nenner von 1994, völlig ins Wanken gerät. Und das kann mitgetragen und müssen jetzt aufpassen, daß uns dieses auch nicht Ihr Ziel sein. Diese Haltung ist im übrigen auch nicht völlig aus den Fugen gerät. deshalb nicht nachvollziehbar, weil es die damalige Bun- desregierung, Sie haben es ja selber schon angedeutet, Sie sehen also, in welcher tosenden Brandung der ost- schlichtweg verschlafen oder eben nicht ernstgenommen deutsche Agrardampfer seinen Weg finden muß. Ich hat, das EALG in Brüssel notifizieren zu lassen. hoffe, wir finden hier einen gemeinsamen Nenner. (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD) (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU) Das war im übrigen das Eigentor für die Landwirte in In dieser Phase kommen Äußerungen zur Abwicklung Mecklenburg-Vorpommern, daß die CDU, um bei Hansa der Bodenreform, meine sehr geehrten Damen und Her- Rostock zu bleiben, tatsächlich geschossen hat. Herr Reh- ren, ... Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1433

Ja, darüber mögen Sie ja lachen, aber das wird jetzt Wahrnehmung ist in dieser Frage jedoch leider der Schul- noch mal ganz interessant. terschluß von PDS und Alteigentümern erfolgt. Wer seiner- zeit für die Vergesellschaftung des Bodens die Lanze ... gerade recht. Ich bin nicht nur stocksauer, meine gebrochen hat und nun so agiert, ist aus meiner Sicht wirk- sehr geehrten Damen und Herren, sondern ich habe mitt- lich mit politischer Blindheit geschlagen. Ich muß das im lerweile auch eine richtige Wut im Bauch, wenn trotz einer Interesse unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der eindeutigen, mehrfach – mehrfach, betone ich – höchst Landgesellschaft und auch des Hauses ganz klar so sagen. richterlich bestätigten Rechtslage bestimmte Zeitgenos- sen den Menschen immer wieder falsche Versprechungen Nun aber wieder zum EALG zurück. Die Landesregie- mit übelstem Populismus machen, und das sind insbe- rung ist ihrer Verpflichtung nachgekommen und hat sich sondere komischerweise jetzt auch CDU-Kollegen. vehement – ich sage, vehement – im Bundesrat innerhalb der Ausschüsse für einen Kaufpreisabschlag von 75 Pro- Die CDU, aber auch zum Teil – und ich hoffe, Herr zent des Verkehrswertes in den benachteiligten Gebieten Scheringer, Sie verzeihen mir das und werden dazu noch ausgesprochen. Ich darf darauf hinweisen, meine sehr etwas sagen – die PDS bereichern damit eben nicht die geehrten Damen und Herren, daß die Verlängerung der Diskussionen um einen kleinsten gemeinsamen Nenner. Pachtverträge auf 18 Jahre nur durch die Initiative Meck- Wir handeln in dieser Frage schlichtweg nach Recht und lenburg-Vorpommerns zustande gekommen Gesetz. Eine Rechtsbeugung ist mit mir jedenfalls inner- halb dieser Landesregierung nicht zu machen, auch wenn (Beifall bei Abgeordneten der SPD) die ewig Gestrigen zu DDR-Zeiten darin sicherlich Erfah- und damit Bewirtschaftungssicherheit entstanden ist. rungen sammeln konnten. Ich kann es nicht akzeptieren, Unter anderen Bedingungen, meine sehr geehrten Damen wenn eine Landgesellschaft des Landes Mecklenburg- und Herren, hätten wir dieses nie erreicht. Mecklenburg- Vorpommern – und das mag ja auch wieder zum Lachen Vorpommern hat auch als einziges Bundesland die Strei- sein – als Diebesgesellschaft beschimpft wird, ohne deren chung der gesetzlichen Regelung zur Rückgängigmachung schwere Arbeit auch mal zu würdigen und dadurch die der Altverträge gefordert. Zugleich ist Mecklenburg-Vor- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Mißkredit zu bringen. pommern Meinungsführer für den Ansatz, der eine Kom- Im Rahmen der geltenden Rechtslage werden hier wirk- promißlösung zwischen dem Gesetzentwurf sowie der lich alle Augen zugedrückt. Das ist eben auch die andere weitgehenden Haltung des Bundes einerseits und des Be- Qualität unserer Arbeit, wenn es darum geht, insbesonde- rufsstandes andererseits darstellt. Zur Förderung der be- re Härtefälle als solche zu deklarieren, um im Sinne der nachteiligten Gebiete fordere ich allerdings die volle Aus- Bürgerinnen und Bürger des Landes Mecklenburg-Vor- nutzung aller Möglichkeiten, die uns das EU-Recht und das pommern zu handeln. Im übrigen weise ich darauf hin, Prüfverfahren einräumen, und das sind 75 Prozent. daß wir bisher 231 Härtefallprüfungen vorgenommen Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Änderung haben. Von diesen wurden immerhin, das war vorher nicht des EALG darf die Situation der ostdeutschen Landwirte möglich, 43 zugunsten der betroffenen Bodenreformer- nicht einseitig verschlechtern. Um eine Verschlechterung ben entschieden. Ich glaube, das signalisiert auch, daß zu verhindern, werde ich im Bundesrat vehement für un- wir diese Sorgen und Nöte der Menschen sehr ernst neh- sere agrarstrukturellen Besonderheiten werben und diese men. auch einbringen. Wir wollen den Grund und Boden nicht (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD) in den Händen von wenigen, meine Damen und Herren, sondern das gemeinsame Ziel muß sein, das breitge- Bezeichnend an dieser Stelle ist für mich auch die In- streute Eigentum zu erreichen. kompetenz angeblicher und selbsternannter Retter und Verteidiger der Bodenreform, wenn sie gemeinsame Sache (Martin Brick, CDU: Ist er doch schon.) mit denen machen, die nicht eher Ruhe geben werden, meine sehr geehrten Damen und Herren, bis die Bodenre- Nee, ist er eben zum Glück nicht. Wir haben jetzt noch formflächen bis zum letzten Quadratmeter zur symboli- mal die Chance, Herr Minister a. D., tatsächlich die Wei- schen Mark oder umsonst übereignet worden sind oder bis chenstellung in Richtung von breitgestreutem Eigentum insbesondere den Alteigentümern jeder Quadratmeter zu entwickeln. Wir brauchen die Beschäftigung und zu- ihres Eigentums rückübertragen worden ist. kunftsfähige Entwicklung in unserem Bundesland. (Beifall Volker Schlotmann, SPD) Über alle Parteipolitik hinweg, es geht um Bewirtschaf- tungssicherheit der einheimischen landwirtschaftlichen Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen Unternehmen. Die Bewirtschaftungssicherheit kann nicht schon jetzt voraus, daß nach den Beschwerden der Altei- nur für solche Betriebe gelten, die es sich heute leisten gentümer, und das ist ja von bestimmten Kreisen hier können, Grund und Boden zu erwerben. Deshalb muß ei- immer wieder unterstützt worden, vor dem Europäischen genkapitalschwachen Betrieben der Flächenerwerb durch Gerichtshof noch heftigere Klagen aus diesem Lager kom- niedrige Bodenkaufpreise insbesondere im Veredlungs- men werden. Es entspricht der blanken Heuchelei, wenn bereich ermöglicht werden. Wenn es um ein breitgestreu- heute Frau Merkel mit den Betroffenen der Bodenreform tes Eigentum geht und wir es wirklich ernst meinen, müs- um die Wette weint. Wer hat denn in der Vergangenheit in sen derzeit finanziell schwache Unternehmen auch zu den Arbeitsgruppen zur Verbesserung der Situation der einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit erhalten, Grund Alteigentümer mitgeholfen beziehungsweise mitgearbei- und Boden erwerben zu können. Deshalb ist es aus unse- tet? Das kann keine klare und verantwortungsbewußte rer Sicht sehr sinnvoll, und wir haben bereits in der Volks- Politik sein, meine sehr geehrten Damen und Herren. kammer darüber diskutiert, die Privatisierung zeitlich zu Herr Scheringer hat sich zwar in der Versammlung im strecken, um somit Kaufoptionen einzuräumen. Es geht Neustädtischen Palais von der ARE, wie sie ja genannt hier um die Zukunft des Agrarstandortes Mecklenburg- wird, der Arbeitsgemeinschaft Recht und Eigentum, das Vorpommern, und es geht letzten Endes um Gerechtigkeit sind also die Alteigentümer, distanziert. In der öffentlichen nach über 40 Jahren Unrecht im Bereich der Bodenpolitik. 1434 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD) was haben sie eigentlich erreicht? Das Gesetz wurde auf- gemacht, ihnen wurde zum Teil recht gegeben, und wir Wir müssen jetzt klug vorgehen, denn die Gefahr ist mußten verändern. Verändern heißt, ein neues Gesetz groß, daß man im Bestreben, alles zu verlangen, eben schaffen oder novellieren. Die Bundesregierung hat sich alles verliert, meine Damen und Herren. Und das können zu einer Novellierung entschlossen. Jetzt liegt ein Entwurf Sie auch nicht wollen. vor. Herr Backhaus hat gesagt, am Freitag wird er verab - (Harry Glawe, CDU: Ja, genau schiedet werden, und er findet unsere Unterstützung, das kann passieren, noch verlieren.) denn es muß Handlungsfähigkeit erreicht werden. Ja, vielleicht haben wir denn ja ... Was ist nun anders? (Harry Glawe, CDU: Das kann Erstens. Im EALG von 1994 wurde der dreifache Ein- passieren, Herr Minister.) heitswert von 1963 als Preisbasis herangezogen. Das ist eine gewisse Gleichmacherei. Heute muß bei der Novel- Wir sind nicht ... lierung der Verkehrswert herangezogen werden. Der Ver- (Zuruf von Martin Brick, CDU) kehrswert richtet sich nach der Bodengüte, dem Verwer- tungszustand des Bodens, und berücksichtigt – das ist Nein, die Rede habe ich ganz wichtig – ein 20jähriges Wiederverkaufsverbot. Das (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU) macht natürlich den Preis etwas niedriger als den Tages- preis. Das alles spielt eine wesentliche Rolle, den Boden zum überwiegenden Teil tatsächlich selbst geschrieben. realistisch zu bewerten. Damit orientiert sich der Preis ein- (Dr. Armin Jäger, CDU: Es gab schon bessere.) deutig am tatsächlichen Wert. Wer also guten Boden kauft, hat einen höheren Preis als der, der eine Sandkiste Wir sind nicht beim fröhlichen Pokerspiel. Insofern kauft. komme ich auf die Ernsthaftigkeit zurück. Zweitens hat die Europäische Kommission angemahnt, Deshalb kann ich davon ausgehen, daß sich alle Partei- daß ein bestimmter Personenkreis diskriminiert wurde, en des Landtages Mecklenburg-Vorpommern geschlos- und es ist tatsächlich so. In der Novellierung wird das sen für die Wahrung der ostdeutschen Interessen im Rah- Prinzip der Ortsansässigkeit mit Stichtag 03.10.1990 auf- men des begünstigten Flächenerwerbs einsetzen werden. gegeben. Wir hatten ursprünglich vor, gerade einheimi- Ich werde nochmals dieses neue Modell des Pachtkaufs sche ostdeutsche Landwirte zu begünstigen. Inzwischen des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat vor- wissen wir aber, Ost und West wächst zusammen, und stellen. Ich gehe davon aus, und die Signale sind nicht die wer hier lebt und auch bereit ist, hier aktiver Landwirt zu schlechtesten, daß wir eine Mehrheit für die Überweisung sein, seinen Wohnsitz bei uns hat, ob nach zwei, drei, vier innerhalb der Bundesregierung erfahren werden. Ich oder fünf Jahren nach der Wende, sollte in diesem Pro- hoffe, Sie unterstützen mich dabei. – Vielen Dank. gramm Berücksichtigung finden. (Beifall bei der SPD und (Beifall Volker Schlotmann, SPD) einzelnen Abgeordneten der PDS) Insofern begrüßen wir das Gleichbehandlungsprinzip Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Ich danke dem aktiver Landwirte. Herrn Minister. Als nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Schildt Drittens ist die Höhe der Kaufpreisverbilligung durch von der SPD-Fraktion. die Europäische Kommission für bestimmte Gruppen für zu hoch befunden worden. Die Bundesregierung reagiert Ute Schildt, SPD: Frau Präsidentin! Meine Damen und in der Novellierung wieder mit einer Gleichbehandlung, so Herren! Ich glaube, es ist überflüssig, an dieser Stelle zu daß alle Betroffenen mit 35 Prozent Preisnachlaß rechnen erwähnen, wie steinig der Weg zu einem EALG in der Fas- können. Das empfinden wir als gerecht. Es ist ein Gleich- sung von 1994 war. Es haben viele von uns daran mitge- stellungsprinzip, das wir durchgesetzt wissen möchten – arbeitet, diesen Konsens endlich zu finden. Mit dem Ziel und ich sage es immer wieder – im Interesse aktiver Land- einer breiten Eigentumsstreuung haben die politisch Ver- wirte in unserem Land. Wir wollen mit einer breiten Streu- antwortlichen versucht, Neueinrichter, Wiedereinrichter ung von Eigentum dafür sorgen, daß aktive Landwirte sich und juristische Personen ebenso wie Alteigentümer in ein auf ihre Aufgaben konzentrieren können, daß sie die Flächenerwerbsprogramm mit einzubeziehen und einen Sicherheit des Bodens im Rücken wissen. Deshalb wollen begünstigten Verkauf zu veranlassen. wir sie gleichbehandeln mit Alteigentümern, die eine Ent- Die Notifizierung dieses Gesetzes gegenüber der Euro- schädigung bekommen sollen. päischen Union hätte bewirkt, daß es unantastbar gewe- Alteigentümer beklagen ihre Ungleichbehandlung ge- sen wäre und daß hätte gehandelt werden können. Das ist genüber den Anspruchsberechtigten, indem sie sagen, nicht geschehen – ein großer Mangel. Dabei war es 1994 Neueinrichter, Wiedereinrichter, juristische Personen er- zweifellos noch möglich, sich auf der Grundlage von Arti- halten Boden im Wert von 6.000 Bodenpunkten, während kel 92 des EU-Vertrages auf teilungsbedingte Probleme Alteigentümer 3.000 Bodenpunkte als Basis erhalten plus zu beziehen. Heute ist es natürlich aufgrund des Zeitab- 1.000 Hektar Land. Ich muß aber sagen, daß es beim standes zur Wiedervereinigung ein wirkungsloses Argu- Alteigentümer um Sicherung von Kapital geht, wenn er ment. nicht hier produziert, während der aktive Landwirt die Immer wieder waren es die Alteigentümer, die mit Flächenausstattung für seine betrieblichen Entwicklungs- Unterstützung zahlreicher Mitglieder der CDU-Bundes- möglichkeiten einfach benötigt. Und deshalb stehen wir tagsfraktion das bestehende Gesetz attackierten, sich un- hinter dieser Novellierung und können überhaupt nicht gerecht behandelt fühlten und Klage bei der Europäischen verstehen, warum Sie in Ihrem Antrag diese Novellierung Kommission einreichten. Und sie wurden gehört. Aber ablehnen wollen. Aus diesem Grunde können wir Ihrem Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1435

Antrag, meine Damen und Herren von der CDU, nicht immerhin besser. Entgegen der damaligen Behauptung zustimmen. Ihrer Partei hat die CDU-geführte Bundesregierung noch zu den Bauern in Ostdeutschland gestanden. Der Beweis Besonderes Augenmerk richten wir natürlich auf die ist eben das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungs- Ausstattung von Betrieben in benachteiligten Gebieten, gesetz in der heutigen Fassung, das Sie heute retten müs- und deshalb freut mich das, was der Minister gesagt hat, sen. nämlich daß er sich auch am Freitag für die 75prozentige Förderung einsetzen will. Im übrigen findet natürlich mit Ich will mich auf einen Punkt besonders konzentrieren, der neuen Preisgestaltung der schwache Boden in den weil ich glaube, hier kann man am ehesten einen Konsens benachteiligten Gebieten auch eine Berücksichtigung, über die Fraktionen voraussetzen. Die heutige Bundesre- und ich hoffe, daß sich das letzten Endes auch positiv in gierung nutzt die Kommissionsentscheidung aus meiner der absoluten Preisgestaltung sichtbar machen wird. Da Sicht schamlos aus, weitere Einsparungen bei den Bauern ein zusätzlicher prozentualer Preisnachlaß gegenwärtig vorzunehmen. Statt in den Grenzen der Kommissionsent- nicht möglich ist, vertreten wir die Auffassung, daß der scheidung zu bleiben, also 75 Prozent Verbilligung in be- Verkehrswert unbedingt regional zu ermitteln ist, also nachteiligten Gebieten, wird dieser Rahmen noch mal nicht pauschal. Wir werden das auch gegenüber der Bun- deutlich unterschritten. destagsfraktion so weiter vertreten. Die Vorwände dafür sind einfach unredlich. Behauptet Bereits abgewickelte Verträge nach 1994 hätten wir wird, man wolle einem entsprechenden Richterspruch gern unangetastet gelassen. Europäisches Recht bricht des Bundesverfassungsgerichtes zuvorkommen. Das aber leider nationales Recht, und so wird es erforderlich Bundesverfassungsgericht gebietet gar nicht die Gleich- sein, sie noch einmal aufzumachen und aufgrund der behandlung um jeden Preis, und ich frage Sie, verehrte neuen Bedingungen nachzuverhandeln. Es wird sicherlich Damen und Herren Abgeordnete, welche Anhaltspunkte Klagen geben, aber dann wird es keine politische, son- gibt es, daß die Differenzierung, die von der Kommission dern eine rechtliche Entscheidung sein. Ich hoffe, daß wir ausdrücklich gebilligt wird, vom Bundesverfassungsge- für die betroffenen Betriebe eine sachliche zukunftsträch- richt angezweifelt würde. Ich sehe keine. Demgegenüber tige Lösung finden können. gibt es viele Anhaltspunkte, daß es der Bundesregierung nicht mehr um die besondere Situation der ostdeutschen Die Pachtkaufvertragsgestaltung – das ist auch durch Landwirtschaft geht. Statt dessen steht nur noch der den Minister angesprochen worden – ist eine Chance für möglichst hochpreisige Verkauf der landwirtschaftlichen Landwirtschaftsbetriebe, die hier ihre Produktion sichern Flächen im Osten im Vordergrund, und dabei wird verges- wollen, dann auch Land für ihr Produktionsprofil zu sen, die ehemals volkseigenen Flächen sind nicht frei ver- sichern, das sie heute nicht käuflich erwerben können. Wir fügbar. Es handelt sich ja hier nicht um geschleifte Indu- haben einen Markt für Grund und Boden, und wir haben strieanlagen oder aufgegebene Handwerksbetriebe, nein, nicht immer dort das Geld, wo die Produktion stattfindet. es handelt sich um die wichtigste Grundlage der einzigen Deshalb wollen wir diesen Prozeß weiter unterstützen. Wir Wachstumsbranche in diesem Land, der Wachstums- bitten Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke branche, die mit enormen öffentlichen Mitteln gefördert schön. wurde und der man nun ausgerechnet von seiten der (Beifall bei Abgeordneten der SPD öffentlichen Hand den Boden im wahrsten Sinne des Wor- und einzelnen Abgeordneten der PDS) tes unter dem Hintern wegzuziehen versucht. Ich sagte bereits, Herr Minister, Sie tun mir leid mit dieser Bundes- Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Danke sehr, Frau regierung, aber jeder hat die Bundesregierung, die er ver- Abgeordnete Schildt. dient. Als nächster hat das Wort der Abgeordnete Herr Brick von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Brick. (Beifall und Heiterkeit bei einzelnen Abgeord- neten der CDU – Volker Schlotmann, SPD: Martin Brick, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Da haben Sie recht, da haben Sie recht. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Dis- Die haben Sie sich doch verdient.) kussion zeigt, der Boden hat seine Bedeutung als erstran- giges agrarpolitisches Thema nicht verloren. Er ist eben Kein Bauer wäre in den alten Bundesländern in der unerläßlichste Grundlage des Wirtschaftens landwirt- Lage, den Boden zu kaufen, auf dem er wirtschaftet, und schaftlicher Betriebe. Aber vorweg gleich eine Einlassung, das, obwohl er nach 50 Jahren Landwirtschaft Eigentum meine Damen und Herren: Pachtkauf macht den Boden an Hof und Anlagen erwirtschaften konnte. Die Bauern billig, und ich glaube nicht, Herr Minister, daß man dafür im Osten sollen jetzt schon in der Lage sein, eine Kauf- eine Mehrheit bekommen wird, weil dies nämlich aus preisreduzierung um ein Drittel als großzügig anzusehen. Wettbewerbsgründen nicht möglich ist. Natürlich, das weiß auch ich, gibt es Betriebe, die bei Hintanstellung anderer wichtiger Belange Boden auch zu Wenn wir heute erneut, aber eben unter umgekehrten verschlechterten Bedingungen erwerben können – aber Machverhältnissen über das Thema EALG streiten, dann eben nicht alle. erfüllt mich dies natürlich mit ein wenig Genugtuung. Man sieht sich eben zweimal im Leben, Herr Minister. Jetzt Wir haben damals gemeinsam für das EALG gestritten, sind Sie es, der zeigen muß, daß er es besser macht. Ich Herr Minister, auch wenn Ihre Partei den Bürger damals erinnere an dieser Stelle noch einmal an das Kesseltrei- das nicht recht wissen lassen wollte. Damals war einer der ben, das damals, wie sich übrigens hinterher herausstell- wichtigsten Grundsätze Chancengleichheit für alle. Was te, völlig zu Unrecht stattfand, weil angeblich in Bonn ist heute mit der Chancengleichheit? Heute versteht die nicht gut genug verhandelt worden war. Ich vergesse SPD in Berlin darunter Chancengleichheit auf dem nied- nicht, daß dies damals in einem Entlassungsantrag hier im rigsten gemeinsamen Nenner, nämlich 35 Prozent. Das ist Landtag endete. Dies vor Augen möchte ich heute nicht, eine makabere Philosophie, ausgerechnet von Sozialde- Herr Minister, in Ihrer Haut stecken. Damals hatte ich es mokraten. War es nicht Brecht, ein Sozialist, der anklagte, 1436 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 die Gleichheit nur in dem gemeinsamen Recht zu sehen, mit denen nichts am Hut haben. Wenn die Presse dann unter der Brücke schlafen zu können? natürlich was anderes daraus macht, kann ich nicht dafür geradestehen. Herr Minister, das müssen Sie verstehen, (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: das ist Ihnen ja auch schon mal so gegangen. Das war nicht Brecht.) Ich möchte dazu noch ergänzen, daß ich erstens ein Alle Bauern haben das Recht, nur zwei Drittel des Ver- ganz eifriger Vertreter derer bin, die den Artikel 233 Ein- kehrswertes für einen Teil ihres Bodens zu zahlen. Letzt- führungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch ersatzlos ge- lich eine zweifache Kürzung: zum einen im Prozentsatz 35 strichen haben wollen, und das auch nach wie vor vertre- statt 50 und zum anderen, Frau Schildt, in der Wertbe- te, so, wie ich auch vertrete, daß es möglich gewesen rechnungsmethode, nämlich vom bisherigen Einheitswert wäre – zumindest bis alle Rechtsfragen dazu geklärt sind –, von 1935 auf den in vielen Fällen weit ungünstigeren Ver- im Land Mecklenburg-Vorpommern ein Moratorium bei kehrswert. Da werden genau diejenigen zu kurz kommen, der Durchsetzung dieses Artikels zu erreichen. Dafür denen das Hauptanliegen der Agrarpolitik in diesem Land haben wir aber die Mehrheiten nicht gekriegt. Zweitens gelten sollte, nämlich den Tierproduktionsbetrieben. Sie teile ich die Auffassungen derer, die eine Gefahr, die von verfügen nicht über das Eigenkapital, um in gleicher den Alteigentümern ausgeht, in bezug auf die Agrarpolitik Weise am Flächenerwerb teilzunehmen. Das Flächener- insgesamt in den neuen Bundesländern sehen. Denn sie werbsprogramm, das von der alten Bundesregierung nur haben sich, die Herren von der ARE, ganz eindeutig dazu zur Unterstützung der neuen Bundesländer gedacht war, geäußert, daß sie nach wie vor die durchgeführten Ver- wird nun von der neuen Bundesregierung zum Kuh- mögensauseinandersetzungen angreifen und attackieren, schlächterprogramm umfunktioniert. also die Substanz des Landwirtschaftsanpassungsgeset- Herr Minister, das sind keine kleinen Windmühlen, ge- zes, daß sie weiter mit den gegenwärtigen Regelungen gen die Sie da anrennen. Um es Ihnen aber nicht noch zum Flächenerwerb nicht einverstanden sind und daß sie schwerer zu machen, hat die CDU einen konstruktiven auch die Fragen, das hat der Minister richtig gesagt, der Antrag formuliert, weit konstruktiver, weil weniger weitge- Verpachtung, insbesondere der langfristigen Verpachtung hend, als der Antrag Ihrer eigenen Regierungskoalition, anzweifeln und dort Rechtsschritte einzuleiten gewillt wie Ihnen sicher aufgefallen sein wird. Der Antrag der sind. CDU verlangt Ihnen nicht viel ab, sondern läßt Ihnen noch Hieraus ist wirklich noch einmal zutreffend festzustellen Spiel zum Verhandeln, weit mehr, als mir damals von der für unser Land, meine Damen und Herren, sehr geehrte Opposition zugestanden wurde. Also, Herr Minister, Frau Präsidentin, Bodenpolitik ist für Mecklenburg-Vor- machen Sie was daraus! Übermorgen gilt es, und kom- pommern die Grundlage der Agrarpolitik überhaupt. Und men Sie nicht mit weniger nach Hause! deshalb hat sich dieses Hohe Haus auch häufig und inten- Am Ende bitte noch zwei Einlassungen: Hier wird immer siv mit bodenpolitischen Fragen beschäftigt. Die PDS hat so viel von Versäumnissen der alten Bundesregierung in dazu immer folgende Grundsätze vertreten: bezug auf die Notifizierung gesprochen. Die SPD hat mei- 1. Die Ergebnisse der Bodenreform sind unantastbar. nes Wissens zugestimmt, aber sich nie gemeldet mit dem Anliegen, daß doch erst noch notifiziert werden müsse. 2. Die PDS ist gegen die Privatisierung von land- und Und dazu hat sie ja wohl nun lange genug Zeit gehabt. forstwirtschaftlichen Flächen. Und noch etwas: Ich will auf den Antrag der Koalition nicht 3. Bei der Vergabe des Nutzungsrechtes an Grund und länger eingehen, nur, hier kam der Vorwurf, wir würden uns Boden ist Chancengleichheit für alle Betriebsformen zu für Alteigentümer einsetzen. Das können Sie mir ja nun wahren. ganz und gar nicht unterstellen. Im Gegenteil, wenn ich den Punkt a) Ihres Antrages lese, dann habe ich eher den Ein- Aus diesen Gründen hat die PDS damals auch das druck, daß Sie die Alteigentümer nicht vergessen haben Flächenerwerbsprogramm im Entwurf abgelehnt, weil und daß bei ihnen, wenn das dann durchkommt, große über den subventionierten Landerwerb die Alteigentümer Freude aufkommen wird. Da steht nämlich: „Sicherung den direkten Zugriff zu Bodenreformflächen erhalten gleichwertiger Chancen für alle Gruppen von Kaufberech- haben. Das ist nun mal so. Wir wären aber schlechte De- tigten“. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren. mokraten, wenn wir nicht wenigstens akzeptieren würden, daß es eine Reihe von Zeitgenossen gibt, die dies alles (Beifall bei Abgeordneten der CDU – ganz anders sehen. Wir haben dazu ja heute verschiede- Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU) ne Standpunkte gehört. Natürlich ist uns klar, daß wir Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Danke, Herr Abge- unseren Anspruch im gesellschaftlichen Kontext sehen ordneter Brick. müssen. Man braucht für alles, was man will, Mehrheiten. Und trotzdem sage ich auch nach zehn Jahren Parla- Das Wort hat als nächster der Abgeordnete Herr Sche- mentserfahrungen, daß ich keinen Grund habe, mich von ringer von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Kollege. meiner Grundhaltung zur Bodenpolitik zu verabschieden, Johann Scheringer, PDS: Frau Präsidentin! Meine und die PDS hat schon gleich gar keinen. sehr verehrten Damen und Herren! (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Dafür muß man sich auch überhaupt nicht entschuldigen!) Gestatten Sie, daß ich ganz kurz auf das eingehe, was mir der Herr Landwirtschaftsminister vorgeworfen hat. Aber zurück zum Entschädigungs- und Ausgleichslei- Also ich habe da an einer Pressekonferenz teilgenommen, stungsgesetz, ... nicht an einer Beratung, und hatte dort allerdings Gele- Ich entschuldige mich ja auch nicht. genheit, den Standpunkt der PDS ganz unverblümt aus- zusprechen. Und wir haben uns ganz eindeutig von den ... das wir nicht wollten, aber auch nicht verhindern Vorstellungen der ARE, dieser Arbeitsgemeinschaft Recht konnten. Deshalb ist unser Ziel, es wenigstens so weit zu und Eigentum, distanziert. Wir haben gesagt, daß wir da beeinflussen, daß seine Auswirkungen auf die Landwirt- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1437 schaft, auf die Agrarstrukturen erträglich bleiben. Bezo- einem gut organisierten, voll ausgestatteten Betrieb sind gen auf unseren Antrag heißt das, daß wir uns in Berlin da sicher 800 bis 1.000 DM pro Hektar nicht zu hoch ge- stark machen wollen dafür, daß die Besonderheiten in den griffen. Was passiert denn sonst mit den Restwerten zum neuen Bundesländern mit ihren Agrarstrukturen und Ver- Ende der Pachtzeit? hältnissen auch Berücksichtigung finden müssen. Für Meine Damen und Herren, ebenso sind juristische Fein- Mecklenburg-Vorpommern müssen alle Möglichkeiten arbeiten erforderlich für die von uns eingebrachte Forde- ausgeschöpft werden, die das Entschädigungs- und Aus- rung nach einer Kaufpachtoption. Ich glaube nicht, daß es gleichsleistungsgesetz zur Förderung in benachteiligten sinnvoll ist, das als so unmöglich hinzustellen. Es würde Gebieten zuläßt, die auch von der Europäischen Union besonders unseren finanziell schwachgestellten Agrarbe- akzeptiert werden. Wenn es dann zwangsläufig zum Ver- trieben entgegenkommen. Es ist richtig gesagt worden, kauf von BVVG-Flächen kommen wird, dann sollten unse- es sind hauptsächlich die Futterbaubetriebe, um die es re Landwirte wenigstens die Chance haben, mittels der hier geht, wo also auch die Option auf Kauf von Flächen Ermäßigung beim Flächenerwerb an der Neuordnung, über das Flächenerwerbsprogramm hinaus nach diesen Neuaufteilung des Bodeneigentums teilzuhaben. Denn Grundsätzen die finanzielle Situation bedeutend entlasten eine Besonderheit in Mecklenburg-Vorpommern oder in würde. Meine Damen und Herren, ähnlich wie es zwi- den neuen Bundesländern besteht darin, daß der Anteil schen privatrechtlichen Vertragspartnern heute schon von Eigentumsflächen an den bewirtschafteten Flächen üblich ist, würde bei der Ausübung der Kaufoption die bis sehr gering ist. Eine weitere Besonderheit – das hat Mar- zu einem bestimmten Zeitpunkt eingezahlte Pacht auf den tin Brick auch noch mal klargestellt – der landwirtschaftli- Kaufpreis anzurechnen sein. Das würde eine deutliche chen Betriebe liegt in ihrer Kapitalschwäche, so daß sie Hilfe für diese Betriebe darstellen. sich eigentlich den Flächenerwerb, auch den subventio- nierten, gar nicht leisten können. Und die Eigenkapitalbil- Meine Damen und Herren, da wir uns für eine verbun- dung wird auch aus verschiedenen Gründen immer dene Aussprache entschieden haben, noch einige Bemer- schwieriger. Ich nenne einige Gründe: kungen zu dem Antrag der CDU. Man könnte ihn vielleicht sogar als Begehren der Opposition ablegen, gemäß ihrer – Sonderabschreibungen für Erstinvestitionen sind auf- parlamentarischen Bestimmung zu versuchen, die Initiati- gebraucht. ve der regierenden Parteien zu verhindern. Aber ganz so – Freijahre für Kredite sind vorüber. einfach stellt es sich nun doch nicht dar, weil es eben doch ein Gestern gibt. Und ich weiß gar nicht so genau, – Ersatzinvestitionen machen sich für Erstausstattungen ob ich über den wiederholten Gedächtnisschwund meiner auch notwendig. Kolleginnen und Kollegen bei der CDU eher amüsiert oder – Und nicht zuletzt wirkt die Agenda 2000 jetzt schon so, eher erbost sein soll. Es waren eben doch Ihre Partei- daß trotz Rekordernte 1989 die Erlöse rückläufig sind, freunde in Bonn, meine Damen und Herren von der Oppo- sition, die – egal aus welchem Grund – durch konsequen- (Minister Till Backhaus: ’99.) te Inaktivität die jetzige Situation heraufbeschworen ’99, danke schön, Herr Minister, haben. (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Aber nicht von der Regierungsbank!) Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Richtig!) daß also trotz Rekordernte ’99 die Erlöse rückläufig Es ist so. sind. Inhaltlich geht der Antrag der Opposition in einem Teil Meine Damen und Herren, es ist einfach so, viele mit unserem Antrag auf, sofern er die Benachteiligung un- Unternehmen leiden derart stark unter den Liquiditäts- serer Landwirte verhindern will. Diesbezüglich ist er also problemen, daß sie sich auch an der Flächenausschrei- überflüssig. Darüber hinaus lehnen wir ihn auch ab, weil er bung zum ermäßigten Preis nur sehr schwer beteiligen eine Verschleierung, zumindest eine Verklärung bisheriger können, eigentlich gar nicht. Aus diesem Grund bleiben Verantwortlichkeiten darstellt. wir auch bei unserer Forderung nach Anerkennung lang- Meine Damen und Herren, die Regierung von Mecklen- fristiger Verpachtung als alternative Privatisierungsform. burg-Vorpommern kann, wenn unser Antrag, der Antrag Mit der Ausdehnung der Pachtzeiten auf 18 Jahre ist der Fraktionen der PDS und SPD, heute die Mehrheit des nach unserer Ansicht hier ein wichtiger Schritt gegangen Hauses findet, in einem Antrag zum Paket des Vermö- worden. Die Initiative ist wirklich von Mecklenburg-Vor- gensrechtsänderungsgesetzes, das am Freitag im Bun- pommern ausgegangen, das ist unbestreitbar. Das Ziel desrat zur Abstimmung steht, im Sinne dieses Antrages ist allerdings nicht erreicht. Unsere Überlegungen rei- sehr viel für die Landwirtschaft von Mecklenburg-Vor- chen von Pachtzeiten von 30 Jahren, was einer Genera- pommern erreichen. Stimmen Sie also diesem Antrag zu! tion entspricht, bis hin zu der rechtlichen Möglichkeit, – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Erbbaupacht einzuführen. Neben den von mir zu Beginn erwähnten PDS-Grundsätzen entsprächen lange Pacht- (Beifall bei Abgeordneten der PDS laufzeiten auch dem Bedürfnis der Bewirtschafter nach und Reinhard Dankert, SPD) Sicherheit ihrer Existenzgrundlage. Sie könnten langfri- Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Vielen Dank, Herr stige Investitionen tätigen, um die Effizienz ihrer Unter- Scheringer. nehmen zu steigern. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Monegel von Darüber hinaus ergeben sich hinsichtlich der Pachtdau- der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Frau Kollegin. er schon heute eine Reihe ganz praktischer Fragen, die gelöst werden können, insbesondere bezüglich der Rest- Hannelore Monegel, SPD: Frau Präsidentin! Meine werte langlebiger Anlagen wie Gebäude, bauliche Anla- Damen und Herren! Flächenerwerb nach dem Entschädi- gen oder Meliorationen nach dem Auslaufen der Pacht. In gungs- und Ausgleichsleistungsgesetz bestimmen die 1438 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 vorliegenden Anträge der Fraktionen des Landtages. che empfohlen, für benachteiligte Gebiete einen Abschlag Worin unterscheiden sie sich? Die CDU lehnt den Entwurf von 75 Prozent vorzunehmen. Wir haben schon gehört, der Bundesregierung zur Novellierung ab. Sie begründet daß es maßgeblich auf die Initiative unseres Landwirt- diese Ablehnung mit der Sinnhaftigkeit des vorhandenen schaftsministers geschehen ist. Diesen Antrag hat unsere Gesetzes. Dieses stellt das Ergebnis eines zähen Ringens Landesregierung gemeinsam mit den anderen ostdeut- um Ausgleich verschiedener Interessen dar. Ich kann Sie schen Bundesländern im Bundesrat durchgesetzt. Aber in dieser Meinung, meine Damen und Herren der CDU- wenn sich dieses im weiteren Gesetzgebungsverfahren Fraktion, nur unterstützen, denn endlich war 1994 durch später doch nicht durchsetzen läßt, dann sollte wenig- gesetzliche Regelung die Verunsicherung der Landwirte stens eine zeitliche Streckung für die Betroffenen erreicht beendet. werden, die jetzt auf diesen Flächen wirtschaften. So weit, so gut oder nicht gut, denn nun müssen Sie Sehr zu begrüßen ist in diesem Zusammenhang die sich jedoch daran erinnern lassen – und die Debatte zeigt, Entscheidung der Bundesregierung, auf Rückabwicklung Sie lassen sich ungern daran erinnern –, warum eine der Verträge zum Walderwerb zu verzichten. Das bedeu- Novellierung notwendig wurde. Hätte die damalige CDU- tet jedoch auch, daß künftig EU-weit ausgeschrieben wer- geführte Bundesregierung nicht durch sehr zögerliche den muß und die Waldverkäufe ebenfalls vergünstigt Arbeitsweise und nicht gründlich vorbereitete Stellung- erfolgen. nahmen der EU-Kommission gegenüber den Prozeß ver- (Präsident Hinrich Kuessner schleppt – und das läßt sich auch nachweisen –, hätte das übernimmt den Vorsitz.) Hauptprüfverfahren vermieden werden können. Mit der Notifizierung wäre die Änderung des Gesetzes nicht not- Abschließend möchte ich ein weiteres Problem anspre- wendig gewesen. chen, welches besonders die neuen Bundesländer betrifft und möglichst mit der Gesetzesnovelle geregelt werden Ich betone also noch einmal, durch die Arbeitsweise sollte, denn derzeit ist unser Land bemüht, den EU-rechtli- der damaligen CDU-geführten Bundesregierung und auf chen Forderungen nach Ausweisung der FFH-Gebiete Beschwerde der Alteigentümer hat die EU-Kommission nachzukommen. Bei der Privatisierung dieser Flächen entschieden, daß das Ausgleichsleistungsgesetz und die ohne Berücksichtigung des zukünftigen Schutzstatus Flächenerwerbsverordnung in Teilen nicht mit dem könnte auf unser Land eine erhebliche Entschädigungs- gemeinsamen Markt vereinbar sind. Es ist also gewisser- pflicht zukommen. Ein Teil der ausgewiesenen Flächen maßen eine Altlast, die durch die neue Bundesregierung wird durch die BVVG zum Kauf angeboten. Die Ausweisung abzuarbeiten ist. der Gebiete und der Verkauf dieser Flächen erfolgen gleich- Die Bundesregierung wurde aufgefordert, die Entschei- zeitig, denn es ist mit der Aufhebung des Verkaufsstops zu dung der EU-Kommission allen betroffenen Begünstigten rechnen. Der Aufwand zur Ausweisung der FFH-Flächen ist mitzuteilen. Sie hat es der BVVG übertragen, die in einem sehr hoch. Es ist daher dafür Sorge zu tragen, daß zusätz- Schreiben den Betroffenen unter anderem mitteilte: „Ob liche finanzielle Belastungen durch zwischenzeitliche Pri- und gegebenenfalls inwieweit sich aus ihr“ – gemeint sind vatisierung dieser Flächen vermieden werden. die Veränderungen der Flächenerwerbsverordnung – „auch Zum Abschluß betone ich noch einmal: Die SPD stellt Konsequenzen für den Vertrag ergeben, den sie mit der sich den Problemen. Das kommt in unserem Antrag, im ge- BVVG geschlossen haben, kann noch nicht abschließend meinsamen Antrag zum Ausdruck und wirkt mit an der not- beurteilt werden. Die Fragen, die sich aus der Kommis- wendigen Lösung für die Betroffenen. Der Antrag der CDU sionsentscheidung ergeben, werden derzeit in der Bundes- belegt nur Verweigerungshaltung und ist daher abzuleh- regierung intensiv geprüft.“ nen. Von Konstruktivität in diesem Antrag kann ich leider Ich meine, es ist bedauerlich, daß diese Verunsicherung nichts erkennen, Herr Kollege Brick. – Danke schön. der Erwerber infolge der fehlenden Notifizierung und neu- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) erlichen Überprüfung wieder aufgetreten ist. Vorrangiges Ziel der Novellierung muß es deshalb sein, das wachsen- Präsident Hinrich Kuessner: Ich schließe die Aus- de Vertrauen in den Rechtsstaat bei den ostdeutschen sprache. Landwirten nicht zu erschüttern. Im Gegensatz zu der CDU-Fraktion stellen wir uns diesen Verfahren und Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der blockieren nicht durch Verweigerungshaltung die notwen- Fraktion der CDU auf Drucksache 3/703. Wer diesem An- digen Veränderungen. trag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzei- chen. – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Der Antrag Die Bundesregierung hat nun den Entwurf eines Geset- der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/703 ist mit den zes zur Änderung und Ergänzung vermögensrechtlicher Stimmen der SPD- und PDS-Fraktion gegen die Stimmen und anderer Vorschriften, das Vermögensrechtsergän- der CDU-Fraktion abgelehnt. zungsgesetz, vorgelegt, welches die von der EU-Kommis- sion geforderten Änderungen beinhaltet. Das betrifft fol- Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der gendes: Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/736. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um Erstens. Die Erwerbsvoraussetzung der Ortsansässig- ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der keit zum Stichtag 3. Oktober 1990 wird aufgehoben. Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache Zweitens. Der Kaufpreis für landwirtschaftliche Flächen 3/736 ist mit den Stimmen der PDS- und SPD-Fraktion wird generell auf den Verkehrswert abzüglich 35 Prozent gegen die Stimmen der CDU-Fraktion angenommen. angehoben in nicht benachteiligten Gebieten. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11: Erste Le- Zur Kaufpreisneuregelung ist die Festlegung für die be- sung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der SPD und nachteiligten Gebiete zu ergänzen. Der Agrarausschuß PDS – Entwurf eines Gesetzes zur Öffnung von Standards des Bundesrates hat bereits gemäß Bundesratsdrucksa- für kommunale Körperschaften, Drucksache 3/730. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1439

Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und PDS: die Frage, wie denn mit einem solchen Antrag umgegan- Entwurf eines Gesetzes zur Öffnung von gen wird, eine entscheidende Frage ist, und deshalb sehe Standards für kommunale Körperschaften ich sehr wohl relevante Unterschiede zwischen diesen (Standardöffnungsgesetz – StöffG M-V) beiden Entwürfen. Dann von einer erbärmlichen Politik zu (Erste Lesung) sprechen, Herr Rehberg, das halte ich hier an diesem – Drucksache 3/730 – Punkt nicht für berechtigt. Ich weiß nicht, wo Sie diese Position hernehmen. Aber wie gesagt, darüber möchte ich Das Wort zur Einbringung hat der Abgeordnete Herr mich jetzt auch nicht weiter auslassen. Müller von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Herr Müller. Auslassen möchte ich mich allerdings zu einem Ihrer Heinz Müller, SPD: Herr Präsident! Meine Damen und Vorschläge, den Sie in dem Zeitungsartikel von heute ge- Herren! Vor einer ganzen Reihe von Monaten haben wir macht haben. Es sei doch alternativ zu überlegen, erstens hier in diesem Hause einen Gesetzentwurf der Fraktion die Normen nicht mehr in den Gesetzen, sondern in unter- der CDU vorliegen gehabt. Wir haben ihn in den Innen- gesetzlichen Vorschriften festzulegen, so zumindest steht ausschuß überwiesen, und dort liegt er nach wie vor und es in dem besagten Artikel, und zweitens vorsichtiger zu harrt der Behandlung. sein mit der Zahl der Normen, die man erläßt. Seit diesem Zeitpunkt – ich habe auch damals zu dem Zum Vorschlag eins: Selbstverständlich sind Gesetze Thema gesprochen – sind eine ganze Reihe von Monaten schwerer zu ändern als Rechtsverordnungen und Erlasse. vergangen. Aber unser Problem, über das wir reden, ist Aber für den Betroffenen, für die Gemeinde, die geltendes seither nicht kleiner geworden, sondern ich wage die Be- Recht anwenden muß, ist es relativ gleichgültig, ob dieses hauptung, daß mit jedem Tag, an dem Regierungen, Par- geltende Recht in einem Gesetz oder in einer Rechtsver- lamente, Gerichte, Versicherungen, aber auch kommuna- ordnung oder in einem Erlaß kodifiziert ist. Zunächst ein- le Entscheidungsträger handeln, das Problem größer mal muß sie sich, zumindest beim derzeitigen Stand der wird, weil die Neigung, neue Normen und Standards den Dinge, an diese Vorschrift halten, denn alle diese Vor- bestehenden hinzuzufügen, ungebrochen ist und von die- schriften, gesetzlich wie untergesetzlich, sind für die Ge- ser Möglichkeit ausgiebig Gebrauch gemacht wird. meinde in gleicher Weise verbindlich. Ich habe in meiner damaligen Rede auf Einzelfälle hin- Und zweitens zu der Anregung, man möge doch mit gewiesen. Ich möchte das hier nur noch mit einem Bei- dem Festsetzen von Normen und Standards ein bißchen spiel ergänzen, einem Beispiel, das zum Glück nicht aus sparsamer sein: Ja, die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir Mecklenburg-Vorpommern stammt, das aber meines fehlt der Glaube, wenn ich mir ansehe, wie derartige Erachtens sehr schön illustriert, mit was für einem Pro- Appelle in der Vergangenheit immer wieder – von den blem wir es zu tun haben. Da gibt es, wie gesagt zum unterschiedlichsten Seiten erlassen – im Raum verhallt Glück nicht in Mecklenburg-Vorpommern, eine Kinderta- sind, ohne daß sie große Wirkungen gezeigt haben. gesstätte, in der man feststellt, daß der Gruppenraum für die Zahl der dort betreuten Kinder um einige wenige Qua- Ich glaube, das, was Sie vorgeschlagen haben, ist dratzentimeter zu klein ist keine wirkliche Alternative zu einem Standardöffnungsge- setz, sondern es muß konsequent zu Ende gedacht wer- (Heike Lorenz, PDS: den und konsequent umgesetzt ein Standardöffnungsge- Immer auf die Kitas, Herr Müller!) setz ergänzen. Es geht doch in unserem Gesetzentwurf – und nicht der gegebenen Norm entspricht. Und so er- und da haben wir von der Zielsetzung her überhaupt kei- wägt der Träger der Kindertagesstätte allen Ernstes, den nen Unterschied zum Gesetzentwurf der CDU – als Ziel- Putz von den Wänden zu schlagen, setzung darum, Ausnahmeregelungen von vorhandenen Normen und Standards den Gemeinden zu ermöglichen. (Heike Lorenz, PDS: War das Dieses Ziel ist beiden Entwürfen gemeinsam, und dieses in Schilda, oder wo war das?) Ziel sollten wir verfolgen. weil man damit die notwendigen Quadratzentimeter ge- Ich sehe es aber unabhängig von diesem Ziel sehr wohl winnen würde, um der Norm Rechnung zu tragen. auch als notwendig an, daß wir uns langfristig damit be- Angesichts solcher Auswüchse, meine Damen und fassen, die vorhandenen Normen und Standards Stück für Herren, frage ich mich: Ist das eigentlich im Sinne des Stück zu überprüfen, zu durchforsten, auf Abschaffbarkeit Normengebers, oder wird hier nicht ein Schildbürger- hin zu überprüfen streich in einem Ausmaß betrieben, der jeder Beschrei- (Beifall Erhard Bräunig, SPD) bung spottet? oder zumindest daraufhin, ob man hier eine Verände- Doch nun zu unserem eigenen Entwurf, der Ihnen vor- rung vornehmen kann. Das eine schließt das andere nicht liegt. Zunächst wird jedem, der diesen Entwurf liest, auf- aus, sondern beides ist in meinen Augen eine sinnvolle fallen, daß er in einer ganzen Reihe von Textpassagen Ergänzung. Und wenn ich eben gesagt habe langfristig, große Ähnlichkeiten mit dem Entwurf hat, den uns die dann heißt das nicht, daß ich das auf die lange Bank CDU hier vorgelegt hat, und teilweise auch identisch ist. schieben will, sondern nur, daß ich realistischerweise da- Dies hat bereits zu Äußerungen des Fraktionsvorsitzen- von ausgehe, daß angesichts der großen Zahl von Nor- den der CDU geführt, die ich hier in einer Einbringungsre- men und Standards eine lange Zeit benötigt werden wird, de lieber nicht kommentieren möchte. Aber – und Herr bis wir hier tatsächlich zu greifbaren Erfolgen kommen Rehberg hat dankenswerterweise selbst darauf hingewie- werden. sen – an entscheidenden Punkten unterscheiden sich die beiden Gesetzentwürfe. Und entscheidend sind insbe- Weil das aber so ist, meine Damen und Herren, daß wir sondere die Fragen, wie denn verfahren wird, wenn eine hier greifbare Erfolge erst in einem langen Zeitraum errei- Gemeinde, ein Kreis oder ein Amt einen Antrag auf Befrei- chen werden, halte ich ein Standardöffnungsgesetz, das ung von solchen Standards stellt. Ich glaube, daß gerade es Gemeinden erlaubt, im Ausnahmefall von vorhandenen 1440 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

Normen und Standards, die ansonsten nicht verändert Kommunalpolitik und der kommunalen Selbstverwaltung werden, abzuweichen, für dringend notwendig. Und da gut meint und wer nicht. Und deswegen nur ein höflicher, sehe ich ja auch Übereinstimmung mit der Zielsetzung aber wenig überzeugter Applaus. des Gesetzentwurfes der CDU. (Siegfried Friese, SPD: Ich schätze, Ich schlage deshalb vor, daß wir diesen Gesetzentwurf Ihnen wird das genauso gehen.) dorthin überweisen, wo bereits der CDU-Antrag liegt, Ihre Landesregierung, Herr Ministerpräsident, meine nämlich in den Innenausschuß. Ich sage ganz bewußt, Damen und Herren des Kabinetts, der Innenminister ist ja daß wir diese beiden Gesetze nicht gegeneinander legen da, hat uns mit dem Entwurf für die Novelle des kommu- sollten, sondern nebeneinander legen sollten, denn ich nalen Finanzausgleichs eine Regelung vorgelegt, die den denke, es sollte hier möglich sein, zu einem von allen ge- gesamten kreisangehörigen Raum benachteiligt. Und mit tragenen vernünftigen Lösungsansatz zu kommen. Es ist Ihrer ebenfalls vorgelegten Mittelfristigen Finanzplanung nur ein Ansatz, es ist nicht die Lösung des Problems ins- nehmen Sie den Kommunen einen erheblichen Betrag aus gesamt, aber es ist ein notwendiger Ansatz, zu einem Lö- den ihnen zustehenden finanziellen Beteiligungen an den sungsansatz zu kommen, damit wir für die Gemeinden Einnahmen des Landes. hier tatsächlich Entlastung schaffen. Was unseren Entwurf zum Konnexitätsprinzip angeht, Zum Verfahren, denke ich, werden wir im Innenaus- weise ich nur darauf hin, daß die Mitglieder der Landesre- schuß beschließen, eine Anhörung der kommunalen Ver- gierung und auch die Mitglieder der Fraktionen von SPD bände und weiterer Fachleute durchzuführen. Und ich und PDS ihn nur mit spitzen Fingern bisher angefaßt hoffe, daß wir dann in Kürze – es schmort schon viel zu haben. Die Debatte ist sicher noch in Ihren Ohren. Der lange – ein vernünftiges breit getragenes Gesetz haben, Innenminister hat sich sogar zu der Aussage verstiegen, damit es tatsächlich zu einer Kostenreduzierung für unse- es genüge doch die Aufnahme in die Kommunalverfas- re Städte und Gemeinden kommt. – Vielen Dank. sung. Und auf die naheliegende Frage, was denn nun sei, (Beifall bei Abgeordneten der SPD wenn diese Garantie, die wir ja wollen mit dem Konnexi- und einzelnen Abgeordneten der PDS) tätsprinzip nach dem Prinzip „Wer bestellt, zahlt“, durch das nächste, nachfolgende Gesetz verletzt wird ... Präsident Hinrich Kuessner: Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten verein- (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: bart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das Das ist aber neu bei Ihnen.) so beschlossen. Für mich ist es nicht neu, aber Sie kennen vielleicht Ich eröffne die Aussprache. unsere Historie nicht so gut, wie das sein müßte. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Jäger von der (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber ich CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Dr. Jäger. kenne Ihre Tätigkeit als Minister hier. – Götz Kreuzer, PDS: Das zu tun Dr. Armin Jäger, CDU: Herr Präsident! Meine sehr hatten Sie viele Jahre Zeit.) geehrten Damen und Herren! Der „Nordkurier“ titelt: „Die Koalition schmückt sich mit fremden Federn.“ Herr Müller Richtig. Da bin ich allerdings an dem jetzigen Sprecher – hat fairerweise gesagt, daß ein Antrag meiner Fraktion Entschuldigung –, an dem damaligen Sprecher für Innen- zum Standardanpassungsgesetz nun seit fast zehn Mo- politik in der SPD gescheitert. Aber Sie haben mich her- naten im Innenausschuß schmort und daß dieses Stan- ausgefordert. dardöffnungsgesetz – herzlichen Glückwunsch für eine (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Was, seit neue Überschrift – nun in etwa das gleiche will. wann scheitern Minister an Sprechern?!) Aber ich möchte doch einige Worte zur Entstehungsge- Na ja, Sie kennen das ja in der Koalition. Sie können schichte machen, weil bei seinem Festvortrag vor der Mit- sich ja auch nicht durchsetzen. gliederversammlung des Städte- und Gemeindetages am 7. Oktober – einige von uns, die kommunale Vertreter (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: sind, waren ja dabei – der Herr Ministerpräsident stolz ver- Da sind Sie ja Vorbild wieder mal.) kündet hat, man habe soeben einen Gesetzentwurf einge- Aber lassen Sie mich weiter fortfahren. bracht, nämlich diesen, und dies zeuge zusammen mit dem in der Beratung befindlichen Entwurf zur Einführung (Angelika Gramkow, PDS: Komisch, bei des Konnexitätsprinzips von dem großen Verständnis sei- uns setzen sich die Minister immer durch.) ner Regierung für die Sorgen und Nöte der Gemeinden, Die Konnexität wird nun – wie ich auch heute der Zeitung Städte und Landkreise. entnehme, das freut mich sehr – von der SPD als ein wich- (Gerd Böttger, PDS: Recht hat der Mann.) tiges Thema angesehen. Sie haben, wie ich gehört habe, sogar beschlossen nach der Anhörung der Sachverständi- Ja. gen, und die war ja nun wirklich überzeugend, daß eine sol- Herr Ministerpräsident! – Oh, ja ... che Regelung in die Landesverfassung gehört. (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD) (Götz Kreuzer, PDS: Dazu hatten Sie vier Jahre Zeit.) Der Herr Ministerpräsident ist nicht da, aber vielleicht Meine Damen und Herren, es ist manchmal schwer für richtet es ihm jemand aus, denn ich denke, er wird sich eine Opposition, die Regierungskoalition und die ganze über den sehr dünnen Beifall der Kommunalpolitiker nicht Landesregierung zum Jagen zu tragen. gewundert haben. Sollte er es getan haben, dann richten Sie ihm das doch bitte aus. Wir sind alle sehr höflich als (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Noch schlim- Kommunalpolitiker, aber wir wissen auch, wer es mit der mer ist es, die Opposition zum Jagen zu tragen.) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1441

Aber zum Gesetzentwurf. Er ist – Herr Müller hat das Überschrift. Ich glaube, da werden wir uns schnell einig. gesagt – nahezu gleich mit dem, was wir im Januar hier Und dann haben Sie noch entdeckt, daß es bei den Stan- eingebracht haben. Daß er jetzt nun fast zehn Monate im desämtern vielleicht ein Problem geben könnte. Das ist Ausschuß schmort, ist bedauerlich, aber wir werden ja jetzt nicht das Putzabkratzen, aber die Ausstattung der weiter beraten, hoffe ich. Jetzt geht’s ja wohl, nachdem Standesämter. Herzlichen Glückwunsch für diese harte Sie sich aufgerappelt haben. Karrenarbeit in zehn Monaten! Wenn das das Ergebnis ist, läßt das hoffen. Damals hatte der Innenminister gesagt, er wehre sich gegen eine Art Ermächtigungsgesetz. Er kündigte an, daß (Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU) er einen neuen Gesetzentwurf, nämlich einen eigenen vor- Allerdings haben wir es hier mit einem Gesetzesantrag bringen werde. Da kam nichts, da kam überhaupt nichts. der beiden Koalitionsfraktionen zu tun. Und nun wird es Wir hatten uns bereit erklärt, uns zu gedulden, weil wir sehr ernst. Damit bleibt die eigentlich spannende Frage wollten, daß es eine einvernehmliche Regelung gibt, eine offen. Hätten wir eine Kabinettsbefassung gehabt, hätten Regelung, die in den Ausschüssen beraten wird. Aber wir wir einen Entwurf der Landesregierung, hätte sicher der hatten nicht damit gerechnet, daß es zehn Monate dauert. Justizminister ... Die einzige kommunale Aktivität des Innenministers in der Sommerzeit war eine etwas andere. (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Hätt’ der Hund nicht ...) (Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU) Also jetzt wird es ein bißchen platt, das traue ich Ihnen Er hat in seiner Eigenschaft als stellvertretender Landes- gar nicht zu. vorsitzender die berühmten Feuerwehrbriefe geschrieben, (Heiterkeit bei Dr. Arnold Schoenenburg, PDS) (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU) ... hier etwas zu der für mich spannenden Frage gesagt, und wir hatten in zwei Sitzungen des Innenausschusses und zwar, in welchem Umfang wir als der Landtag mit unsere Not, die Wahrheit, wer denn welche Adressen be- einem generellen Gesetz die Ermächtigung aussprechen schafft hat, ans Licht zu bringen. können, daß mit Zustimmung der Kommunalaufsicht, hier (Beifall Eckhardt Rehberg, CDU – der obersten Kommunalaufsicht, von Landesgesetzen Gerd Böttger, PDS: Sie packen abgewichen werden kann. Das ist die spannende Frage, aber auch alles in Ihre Rede rein!) das müssen wir nun in den Ausschüssen ... Ja, natürlich. Herr Böttger, wenn die Landesregierung (Siegfried Friese, SPD: in Sachen, die die Kommunen angehen, nichts tut, son- Das steht doch in Ihrem Gesetz drin!) dern nur Wahlkampf betreibt, dann muß man das von hier Ja, richtig. Wir hätten erwartet, daß eine Landesregie- aus sagen. Vielen Dank für den Zwischenruf! rung, die ihre Verantwortung ernst nimmt, sich darüber in (Gerd Böttger, PDS: Aber doch nicht zehn Monaten, lieber Herr Friese, einen Kopf macht alles in dieser Rede zu diesem Thema!) (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Am 16.09.1999 mußte ich dann noch mal an den Herrn Eckhardt Rehberg, CDU: Genauso sieht das aus.) Vorsitzenden des Innenausschusses schreiben, weil mir und nicht uns hier sitzen läßt. Herr Friese, Sie haben jetzt endlich auch der Geduldsfaden ein bißchen riß. Und, das Problem erkannt, nur Sie haben zur Lösung nichts Herr Friese, es war schon richtig nett, daß wenige Tage beigetragen. danach nun ein Gesetzentwurf auf den Tisch kam. Respekt, meine Damen und Herren! (Zuruf von Götz Kreuzer, PDS) (Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU) Ich hätte mir gewünscht, daß der Justizminister heute das Wort ergriffen hätte und zu dieser wirklich zentralen Aber zum Gesetzentwurf ... Frage etwas Klärendes zu sagen gehabt hätte. Tut er (Siegfried Friese, SPD: Herr Jäger, nun seien nicht, aber ich hoffe, wir bekommen in den Ausschußbe- Sie mal nicht so kleinkariert hier, und reden ratungen dazu Hilfe. Sie mal zur Sache, so, wie sich das gehört! – (Siegfried Friese, SPD: Der Gesetzentwurf liegt Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU) doch beim Landtag, und nicht in der Zuständigkeit der Landesregierung. Begreifen Sie das doch mal!) Ja, Ihr Gesetzentwurf ist derartig zwillingshaft, daß es nur wenige Punkte gibt. Deswegen nutze ich meine Zeit Wenig überzeugend ist allerdings, Herr Kollege Müller, auch dazu, um noch mal ein bißchen um politische Kor- eine weitere Abweichung im Gesetz. Sie haben gesagt, im rektheit zu bitten. Diese Mogelei wird Ihnen auf Dauer Gegensatz zu der CDU hätten Sie das Verfahren damit nichts helfen. geregelt. Das wollen wir gar nicht. Ich möchte gern, daß das Verfahren im Gesetz geregelt wird, und zwar aus zwei (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Gründen. Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig, genauso ist das. – Sigrid Keler, SPD: Der eine ist folgender: Ich glaube, daß Ihre Verord- Das werden wir sehen.) nungsermächtigung sehr zweifelhaft ist, weil Sie dem Be- stimmtheitsgebot nicht genügt. Was soll denn werden, Es gibt zu dem Gesetzentwurf wenig zu sagen. Ich wenn zum Beispiel ein Widerspruchsverfahren anhängig könnte mich eigentlich auf die Ausführungen vom ist oder wenn sogar schon über diese Frage bestands- 27.01.1999 von diesem Pult aus beschränken, so, wie kräftig entschieden ist? Das könnte sein im Bereich der Herr Müller ja auch Bezug genommen hatte. Wir haben unmittelbaren Selbstverwaltung. Soll der Innenminister nahezu Gleiches gesagt, das ist ja auch positiv. Aber Ihre etwa durch eine Verfahrensvorschrift diese Rechtsfrage Änderungen beschränken sich im wesentlichen auf die regeln? Das wird er wohl nicht tun können. 1442 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

(Angelika Gramkow, PDS: Na ja.) Ich stelle mir die Frage: Ist dieser Zustand einer wach- senden Gesetzesflut und von immer mehr Standards Aus- Ich habe aber noch einen anderen Unsicherheitsfaktor druck einer generellen Reformunfähigkeit, oder hat dieser an Ihrem Gesetzentwurf zu bemängeln, und das ist – Ent- Zustand Methode? schuldigung – der Herr Innenminister selbst. Wenn er sich nämlich in der Debatte am 27.01. dieses Jahres mit großer (Beifall Angelika Gramkow, PDS) Ängstlichkeit dagegen gewehrt hat, daß er ein Ermächti- Nutzt er möglicherweise jemandem? Obwohl angeblich gungsgesetz, wie es hier genannt wurde, aufgedrängt keiner eine Überreglementierung will, bleibt sie, ja sie bekomme, dann kann man sich bei einer solchen Zurück- wächst sogar noch. Mir scheint, daß wir uns gründlicher haltung gegenüber kommunaler Selbstverwaltungsfreiheit mit der Frage nach den Ursachen und Bedingungen für wohl kaum vorstellen, daß er den Gestaltungsspielraum, diesen Zustand beschäftigen müssen, bevor wir die weni- den Sie ihm einräumen wollen, zugunsten der Kommunen gen Bestimmungen in diesem Gesetzentwurf etwas näher ausnutzt, nämlich daß praxisbezogen und schnell ent- debattieren. Ich will deshalb einige rückschauende Be- schieden wird. merkungen zu den bisherigen Aktivitäten der in unserem Und da fällt mir noch etwas auf: Sie verzichten auf eine Lande agierenden politischen Kräfte machen. Regelung, die ich für wichtig halte, nämlich wir haben in Ich habe mir nochmals die Veröffentlichung über eine unseren Entwurf hineingeschrieben, es entstehen für der- Fachtagung zur Hand genommen, die fast taggenau vor artige Anträge und für diese Entscheidungen keine Ver- vier Jahren, am 12. Oktober 1995, an der Fachhochschule waltungsgebühren. Ich halte das nach wie vor für erfor- derlich. (Angelika Gramkow, PDS: In Güstrow stattfand.) (Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.) für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Güstrow stattfand. Dort hatte sich die politische Elite des Landes Wollen Sie denn den Kommunen etwa auch noch eine versammelt, es referierten namhafte Professoren. Das Kostenlast dafür aufdrücken, daß sie als unsinnig emp- einleitende Referat hielt der damalige CDU-Ministerpräsi- fundene Standards im Endergebnis dann nicht einhalten dent Dr. Berndt Seite müssen? Wollen Sie sie mit Kosten belasten für Fehler, die möglicherweise der Gesetzgeber, also wir oder ande- (Peter Ritter, PDS: Da hat er re Normengeber gemacht haben? Das nur zu Ihrem Ent- noch gesprochen damals.) wurf. Er ist keine Verbesserung. zu dem vielversprechenden Thema „Vom Aufbau zum Umbau – neue Herausforderung für die Verwaltung in (Angelika Gramkow, PDS: Na, dann sollten Mecklenburg-Vorpommern“. wir das Gesetz gleich von vornherein ändern.) (Gerd Böttger, PDS: Der Applaus war mäßig, Wir sollten gemeinsam – und das, was ich jetzt aufgrei- Herr Jäger. – Heiterkeit bei Abgeordneten der fe, ist das, was Sie gesagt haben, Herr Müller, die zehn SPD und PDS und Dr. Armin Jäger, CDU) Monate müssen wir leider vergessen, da sind die vielen Dinge passiert, die Sie ja angesprochen haben, viele Ent- Ich will in bezug auf unser heutiges Thema zwei Fest- scheidungen sind getroffen worden, die vor Ort so getrof- stellungen aus der Rede von Herrn Seite hervorheben, die fen werden mußten, weil die Kommunen keinen Spielraum zugleich, denke ich, ein Schlaglicht darauf werfen, was hatten – ganz zügig in die Beratungen in den Ausschuß CDU-Politik bedeutet. Ich zitiere Herrn Seite: „Fünf Jahre gehen. Und ich bitte Sie herzlich, machen Sie es nicht nach der deutschen Wiedervereinigung haben die neuen immer so, daß, wenn aus unserer Bank etwas kommt und Bundesländer die Rechts- und Verwaltungsstrukturen der Sie es nicht ganz wegdrücken können, Sie dann einfach alten Länder in weiten Bereichen übernommen. Dazu auf die Zeitschiene fahren. Lassen Sie uns gemeinsam für bestand in den ersten Jahren nach der Bildung der neuen die Kommunen etwas tun, und lassen Sie es uns schnell Länder faktisch auch gar keine Alternative.“ tun! – Vielen Dank. Daraus leitet sich für mich die erste Fragestellung ab. (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) Gesetzesflut, unnötige Reglementierung und Standards sind von der CDU-Landesregierung bewußt und kritiklos Präsident Hinrich Kuessner: Das Wort hat die Abge- übernommen worden, obwohl buchstäblich schon ordnete Frau Schulz von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, damals alle Welt wußte, daß gerade in der Bundesrepublik Frau Schulz. die Bürokratie und die unübersehbare Zahl von Gesetzen Gabriele Schulz, PDS: Herr Präsident! Meine Damen und Verordnungen die größten Blüten treibt. und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf, von den (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Koalitionsfraktionen eingebracht, berührt ein wahres Phä- Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Richtig, nomen der Gesellschaft der Bundesrepublik. Buchstäb- Herr Helmrich hat ganz vergebens gekämpft. – lich alle Wissenschaftler, Politiker, Kommunalvertreter Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS) und natürlich die Bürgerinnen und Bürger selbst beklagen einen immer größer werdenden Dschungel von Gesetzen, Ich kann dazu nur sagen, daß die Schaffung einer an- Verordnungen und Erlassen und darunter viele Standards geblich modernen Verwaltung in Mecklenburg-Vorpom- für alle und alles, und niemand scheint in der Lage zu sein, mern weitestgehend ideologisch der Losung folgte: Von das zu ändern. den Altbundesländern lernen heißt siegen lernen. Daß diese Entwicklung auch durch den zahlreichen Einsatz von Beam- Da die CDU-Fraktion zu diesem Tagesordnungspunkt ten vorwiegend aus CDU-regierten Bundesländern nur als reichlich Redezeit beantragt hat, bietet sich mir die Mög- Nachahmung erfolgen konnte, ist geradezu logisch. Übri- lichkeit, etwas ausführlicher über die Vorgeschichte zur gens, die von Herrn Seite erwähnte Formulierung, wonach Verwaltungsreform und auch zur Öffnung kommunaler es dazu keine Alternativen gibt, scheint eine immer wieder- Standards zu sprechen. kehrende Begründung für hilflose Politiker zu sein. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1443

Die zweite Feststellung, die ich aus der genannten Re- Von mehreren namhaften Professoren wurde auf der de hervorheben will, ist die von ihm formulierte Zielrich- damaligen Konferenz über wissenschaftliche Erkenntnisse tung und ebenso bezogen auf unser heutiges Thema. Ich bezogen auf eine moderne Verwaltung referiert. Eine mehr- zitiere daher Herrn Seite nochmals: fache Aussage beziehungsweise Schlußfolgerung bestand darin, ein entscheidender Engpaß der bisherigen Be- (Andreas Bluhm, PDS: Das wird aber jetzt mühungen um eine Reform der öffentlichen Verwaltung war langsam ... – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: bisher weder ein Mangel an grundlegenden Problemanaly- Das ist zuviel der Ehre. – Heiterkeit bei sen der Defizite der herkömmlichen Verwaltung noch ein einzelnen Abgeordneten der PDS) Mangel an Ideen für Reformvorschläge und Alternativen, „Zielrichtung ist dabei erstens die Reduzierung der Viel- sondern der entscheidende Engpaß liegt seit vielen Jahren zahl von Detailregelungen in Gesetzen und Verordnungen, in der Umsetzung dieser Analysen und Vorschläge. zum Teil auch in Verwaltungsvorschriften unseres Landes, Anders ausgedrückt, das Problem der Verwaltungsre- zweitens die Zurückführung nicht unbedingt erforderlicher form einschließlich der Verringerung und Veränderung gesetzlicher Standards und drittens die Vereinfachung von Standards ist also nicht die Wissensebene, sondern und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungs- ist letztlich die Handlungsebene. Mit dieser Aussage sind verfahren. Schon jetzt zeigt sich, daß einige Fachressorts wir meines Erachtens auch beim Kerngedanken, was die angesichts der engagierten und pragmatischen, an Frage der Verringerung beziehungsweise differenzierten Ergebnissen orientierten Überprüfung der wichtigsten Handhabung von kommunalen Standards betrifft. Die Fachgesetze des Landes kalte Füße bekommen. Ich bin Notwendigkeit von Änderungen betonen fast alle, die aber guten Mutes, daß wir innerhalb der Landesregierung Realisierung ist aber ohne ernsthaften politischen Willen in konstruktiven Gesprächen letztlich zu vernünftigen und ohne erhebliche Kraftanstrengungen schwer möglich. Kompromissen fähig sein werden.“ Mit Blick auf den Gegenstand unserer Beratungen und Meine Damen und Herren, ich führe zunächst die politi- dessen Vorgeschichte möchte ich des weiteren einige Be- sche Situation dieses CDU-Ministerpräsidenten – wohlge- merkungen zur Unterrichtung der Landesregierung über merkt aus dem Jahre 1995 – an, weil sie auch CDU-Posi- die Vorbereitung der Verwaltungsreform in Mecklenburg- tionen klarstellt im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vorpommern vom 29. Mai 1996, Drucksache 2/1611, Gesetzentwurf. Sie tun so, meine Damen und Herren von machen. Zu Recht wurde damals das Thema „Kostenin- der CDU, als wenn Ihnen das Verdienst zukommt, mit tensive Standards im kommunalen Bereich“ auf die Ihrem Gesetzentwurf Bewegung in die Standarddiskus- Tagesordnung gesetzt. Die betreffende Unterarbeitsgrup- sion gebracht zu haben. pe hatte ihren Arbeitsauftrag wie folgt formuliert: „Es ist zu (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – ermitteln, wo konkrete, möglichst konsensfähige und Dr. Armin Jäger, CDU: Genau das.) rasch umsetzbare Maßnahmen zum Abbau kostenintensi- ver kommunalrelevanter Standards ergriffen werden kön- Nein, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, Sie nen. Es sind Verfahrensregeln zur Verhinderung neuer haben in Ihrer achtjährigen Regierungszeit erst die heuti- belastender Standards zu entwickeln.“ ge Situation maßgeblich herbeigeführt und dann wohlklin- gende Phrasen zur notwendigen Veränderung von sich Bei der Bestandsaufnahme kam die damalige Arbeits- gegeben. gruppe zu der Feststellung, und zwar unter Einbeziehung der Fachressorts, daß zur Zeit neben EU- und Bundes- (Beifall bei Abgeordneten der PDS vorschriften in 182 landesrechtlichen Vorschriften Stan- und einzelnen Abgeordneten der SPD) dards enthalten sind. In einer Reihe von Landesgesetzen Ich denke, da reicht es auch nicht – wie Herr Rehberg und Verwaltungsvorschriften vom Denkmalschutzgesetz heute im „Nordkurier“ – zu sagen, daß dabei viel Mist ver- bis zu den Schulbaurichtlinien gab es seinerzeit schon zapft wurde. Detailerörterungen. Wie Sie wissen, wurde damals auch die von der CDU-Fraktion und nunmehr von den Koaliti- Woran aber letztlich politischer Wille zu messen ist, onsfraktionen erörterte gesetzliche Generalklausel zur sind die Ergebnisse in der Praxis, und diese waren und Abweichung von Standards erörtert. Ich stelle also fest, sind bisher weitestgehend gleich Null. Ich will ja nicht seit dieser Zeit hat sich kaum etwas bewegt. Als Parla- nach Ihren Vorwürfen bezogen auf die PDS verfahren und ment machen wir deshalb einen neuen Anfang. Ihnen die Legitimation absprechen, an der Veränderung dieses Zustandes mitzuwirken, aber ein bestimmtes Maß Dieser neue Anfang, meine Damen und Herren, ist in an Selbstkritik und Bescheidenheit wäre doch wohl ange- beiden vorliegenden Gesetzentwürfen bescheiden. Ich bracht angesichts Ihrer Regierungsfehlleistungen. verhehle nicht, daß meine Fraktion nur im Interesse der Ingangsetzung der parlamentarischen Debatte der Ein- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD bringung des vorliegenden Gesetzentwurfes zugestimmt und Dr. Gerhard Bartels, PDS) hat. Die grundlegenden Vorbehalte hat meine Fraktion Übrigens lohnt es sich auch, die Rede von Ex-CDU- bereits in der Ersten Lesung vorgetragen. Unsere Zustim- Innenminister Rudi Geil nachzulesen, die unter Bezug auf mung ging positiv von der Überlegung aus, daß es einen Bismarck in der Feststellung gipfelte: „Mit schlechten ernsthaften Versuch wert ist, die Kommunen mit diesem Gesetzen und guten Beamten läßt sich immer noch regie- Gesetzentwurf herauszufordern, bezogen auf die Stan- ren. Bei schlechten Beamten aber helfen die besten dards zu signalisieren, was alles in den Landesvorschrif- Gesetze nichts.“ ten unnötig und zugleich kostenintensiv ist. Daß wir mit diesem Gesetzentwurf Impulse von der kommunalen Ich kann daran nur anschließen, es ist offensichtlich Basis erzeugen wollen, ist positiv, offenbart allerdings geradezu eine Katastrophe, wenn schlechte Beamte auch auch, daß die Landesregierung und die Landespolitik noch schlechte Gesetze haben. nicht in der Lage sind, gegenwärtig deutlichere Zeichen zu (Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS) setzen. 1444 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

Daß das nicht so sein muß, haben eine Reihe von Bun- Nun zu den aufzuwerfenden Fragen: desländern in den letzten Jahren bewiesen. Solche Erfah- Erstens wäre zu prüfen, ob es ausreichend ist, daß die rungen liegen besonders in Rheinland-Pfalz, Hessen, im Gesetz sehr allgemein gehaltene Definition über Per- Schleswig-Holstein und anderen Ländern vor. Ich will nur sonal- und Sachstandards den Kommunen in genügen- auf ein paar Ergebnisse in Schleswig-Holstein verweisen. dem Maße Anregungen vermittelt, bei welchen Standards Dort werden seit 1994 Verordnungen und Verwaltungs- sie Befreiungen beantragen sollen. Ich rege deshalb an zu vorschriften auf Vereinfachung, Straffung und Zusam- prüfen, ob als Anlage eine Liste von Gesetzen, Rechtsver- menfassung oder sogar Streichung anhand einer konkre- ordnungen und Verwaltungsvorschriften des Landes ver- ten Prüfliste überprüft. So wurden schon 1996/97 von öffentlicht wird, die wir als Gesetzgeber besonders im 1.097 überprüften Verordnungen des Landes 166 – das Auge haben bei der Befreiung von kommunalen Stan- sind immerhin 15 Prozent – als bereinigungsbedürftig dards. festgestellt. 127 wurden dann tatsächlich bereinigt, auf- gehoben, neu gefaßt oder geändert. Bei den überprüften Ich führte ja bereits schon an, daß 1995/96 dazu in Verwaltungsvorschriften lag der Änderungsbedarf sogar Arbeitsgruppen der Landesregierung Detailerörterungen bei 33 Prozent. stattgefunden haben. Für mich stellt sich auch in der wei- teren Behandlung die Frage, weshalb neben Personal- Die Erfahrungen besagen also, bei Gesetzen, Rechts- und Sachstandards nicht auch Verfahrensstandards in verordnungen und Verwaltungsvorschriften des Landes Ausnahme- beziehungsweise Befreiungsregelungen ein- ist es notwendig, diese Vorschriften und Standards mit bezogen werden müßten. dem Ziel der Reduzierung regelmäßig zu überprüfen, so- weit es die vergangenen Regelungen betrifft, und bei (Beifall Angelika Gramkow, PDS) neuen unnötige Schriften und Standards gar nicht erst zu- zulassen. Ich sage deutlich, dazu fordern die beiden vor- Zweitens will ich erneut Fragen der verfassungsrechtli- liegenden Gesetzentwürfe nicht zwingend heraus. chen Korrektheit dieses Gesetzentwurfes aufwerfen, die darin bestehen, ob ein Innenministerium oder der Innen- Meine Damen und Herren, zum vorgelegten Gesetzent- minister berechtigt ist, Ausnahmen von Landesgesetzen wurf will ich folgendes sagen: Vergleicht man den Gesetz- zu genehmigen. Dabei will ich darauf hinweisen, daß die- entwurf der Koalition mit dem der CDU-Fraktion, so stellt ser Gesetzentwurf weitestgehend lediglich die Standards man zunächst in Paragraph 1 nur relativ geringfügige Un- in Landesgesetzen berühren kann. Ein solches Gesetz be- terschiede fest. Beide Gesetzentwürfe wollen, daß Kom- nötigen wir im Grunde nicht, wenn es um die eigenverant- munen von Personal- und Sachstandards, die in Landes- wortliche Änderung von Rechtsverordnungen des Landes gesetzen sowie Rechtsverordnungen des Landes und den und um Änderungen von Verwaltungsvorschriften geht. In Verwaltungsvorschriften enthalten sind, befreit werden diesen Fällen ist die Landesregierung beziehungsweise können. die betreffende oberste Landesbehörde jederzeit zum eigenverantwortlichen Handeln aufgefordert. Insofern ist Wer aufmerksam liest, erkennt, daß die inhaltliche Defi- für diese Bereiche der Gesetzentwurf als Signal zum nition von Standards bei der CDU-Fraktion auf die dort Tätigwerden zu betrachten. genannten sechs Standardgruppen festgelegt ist, wäh- rend die Koalitionsfraktionen mit der Formulierung in Zusammenfassend will ich feststellen: Meine Fraktion Paragraph 1 Absatz 3, ich zitiere: „Insbesondere von fol- sieht es als vorrangigen positiven Aspekt an, daß der vor- genden Personal- und Sachstandards in Gesetzen, liegende Gesetzentwurf die Debatte um die Begrenzung Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften kön- der Gesetzes- und Verordnungsflut und von kommunalen nen Befreiungen vorgenommen werden“, eine weiterge- Standards neu belebt. hende Befreiung von nichtdefinierten Standards zulassen. (Beifall Angelika Gramkow, PDS) Was den Paragraphen 2 betrifft, ist Gemeinsames und Unterschiedliches festzustellen. Beide regeln, daß Es wird erforderlich sein, daß angefangen bei uns als die Befreiung von Standards auf Antrag einer Gemeinde, Landesparlament über die Landesregierung und jedes Res- eines Amtes, eines Landkreises oder Zweckverbandes sort der tatsächliche politische Wille zur Überprüfung und möglich sein soll. Beide sehen vor, daß die Befreiung erforderlichen Einschränkung sowie Beseitigung von kom- vom Innenministerium im Benehmen mit der jeweils munalen Standards entwickelt wird. Dazu wird es meines fachlich zuständigen obersten Landesbehörde erfolgt. Erachtens kein Patentrezept geben. In diesem Sinne setze Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen enthält dann ich auf eine gründliche Beratung in allen Ausschüssen unter als einzige Bedingung, daß trotz Befreiung die Erfüllung aktiver Einbeziehung vor allen Dingen der kommunalen des Gesetzesauftrages sichergestellt sein muß. Der Ebene, aber auch von Experten. – Ich danke Ihnen. CDU-Entwurf schreibt darüber hinaus den Nachweis der (Beifall bei Abgeordneten der PDS erheblichen Kostenersparnis und weitere Detailbegrün- und einzelnen Abgeordneten der SPD) dungen vor. Präsident Hinrich Kuessner: Das Wort hat der Frak- Ich will im folgenden einige Fragen aufwerfen, die mei- tionsvorsitzende der CDU Herr Rehberg. Bitte sehr, Herr nes Erachtens der weiteren gründlichen Erörterung be- Rehberg. dürfen. Insofern setze ich und setzen die Mitglieder mei- ner Fraktion auf die durchzuführende Anhörung. In die- Eckhardt Rehberg, CDU: Herr Präsident! Meine Da- sem Zusammenhang will ich auch feststellen, daß der men und Herren Abgeordnete! Vorschlag zu unterstützen ist, diesen Gesetzentwurf nicht Frau Schulz, wir hätten schon, wenn Sie weiter als Re- nur im Innenausschuß zu behandeln, sondern in allen gierungsfraktion dieses Gesetz im Ausschuß hätten Ausschüssen des Landtages, denn in allen Bereichen gibt schmoren lassen, mit Ihnen die Probe aufs Exempel ge- es Standards. macht. Wir hätten eine Novellierung zum Denkmalschutz- (Siegfried Friese, SPD: Na, dann viel Spaß!) gesetz eingebracht, eine Novellierung zum Naturschutz- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1445 gesetz, zum Kindertagesstättengesetz, zum Landeswas- Erstens. Soll der Versuch unternommen werden, sämt- sergesetz – und ich kann die Liste weiter fortführen –, auf- liche Standards in einem Gesetz auszuführen und im Ein- bauend auf den Vorschlägen der Arbeitsgruppen aus den zelfall von oben zu entscheiden, wo befreit wird? Oder soll Jahren 1995 und 1996, die ja gerade im kommunalen mittels einer Generalklausel auf Antrag von unten die Bereich eine große Zustimmung gefunden haben. Standardbefreiung vorgenommen werden? Frau Schulz, einen Doppelweg gibt es hier nicht. Sie in Ihrem Gesetz- Herr Kollege Müller, ich will das heute mal sehr friedlich entwurf und wir entscheiden uns für den Weg von unten, machen, der von Ihnen beklagte erbärmliche Stil sind die ganz klar und eindeutig. zehn Monate. Ich nehme zur Kenntnis, daß Sie sich dafür halbwegs entschuldigt haben, ich muß Ihnen aber sagen, Zweitens. Entscheidet über die Befreiung die Rechts- daß wir hier zehn Monate Zeit verloren haben. Ich habe oder die Fachaufsicht? Wir entscheiden uns beide für die mal angemalt, was denn anders ist an Ihrem Gesetz Rechtsaufsicht. Das halte ich auch für richtig. gegenüber unserem. Gucken Sie sich mal den Paragra- Drittens. Ist eine endgültige Regelung erforderlich, oder phen 1 an, das ist eine komplette Kopie. Das ist der An- sollte ein Standardanpassungs-, Öffnungs- oder Befrei- wendungsbereich bis auf die Standesämter, über das ins- ungsgesetz zeitlich befristet werden? Wir entscheiden besondere können wir uns streiten. Und ob das bei 2. uns beide für eine zeitliche Befristung. wirklich angemessen ist, so viele Möglichkeiten gerade im Verfahren über Rechtsverordnungen zu regeln und nicht Sie haben jetzt einen zehnmonatigen Erkenntnisprozeß Eckpunkte setzen sollte als Parlament, ich denke, darüber hinter sich, das will ich gar nicht weiter kritisieren. Ich sollte man noch mal trefflich diskutieren. habe noch mal nachgelesen bei Herrn Böttger in seiner Rede zum 27. Januar 1999 – rundweg Ablehnung der Wissen Sie, Sie haben sich ja selber unter Druck gesetzt. ganzen Geschichte. Ich kann den Innenminister zitieren aus seiner Rede. Herr Timm, da haben Sie schon von Ermächtigung gesprochen. (Gerd Böttger, PDS: Lesen Sie das alles noch mal ein bißchen nach. Da sagt Ich komme ja nachher noch. – Herr Timm, wir arbeiten gründlich und zügig an einem Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS) Gesetzentwurf, der den Anspruch erfüllt, ein tatsächliches Lesen Sie nach in Ihrer Rede von damals! Ja, ja, es ist Modernisierungsgesetz für die kommunale Ebene in Meck- schon interessant. Und Frau Schulz spricht davon, den lenburg-Vorpommern zu sein. Und Sie können weiter von Diskussionsprozeß anzuschieben. durchpeitschen und ankündigen reden, wir arbeiten an der Sache. Herr Timm, dann hätten Sie heute als Landesregie- Nein, das einzige wäre der Brief von Herrn Jäger gewe- rung den Gesetzentwurf einbringen müssen! sen und daß man endlich mal als Ausschußvorsitzender, Herr Friese, reagieren müßte. Es ist traurig, muß ich (Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.) sagen, daß Ihr Fraktionsvorsitzender uns in der Debatte Herr Müller, ich komme noch mal auf Ihre Kritik zurück. zum Landeshaushalt 2000 Arbeitsverweigerer schimpft. Sicher, bei uns steht landesrechtliche Vorschriften, das Und es ist schon traurig, daß im Innenausschuß unter gebe ich zu. Bei Ihnen steht explizit Gesetz. Ich rede Ihrer Führung seit dem Januar ein Gesetz liegt, das von schon von einem gravierenden Problem, denn wir müssen Ihnen nicht auf die Tagesordnung gesetzt wurde, wo uns hier fragen als Landtag, als Gesetzgeber in diesem keine Anhörungen vereinbart worden sind, wo im Prinzip Land, ob es a) inhaltlich geboten ist und b) verfassungs- nichts getan wurde. Und das ist für mich, darüber können rechtlich unbedenklich, wenn ein Minister im Benehmen Sie urteilen, wie Sie wollen, ein erbärmliches Politikspiel, mit dem Fachminister Gesetze, die wir verabschiedet das muß ich Ihnen so sagen. haben – also Standards, ich denke mal an das Kinderta- Der Ministerpräsident hat hier angekündigt, als er ge- gesstättengesetz –, verändern kann oder sollte oder ob wählt worden ist, konstruktive Vorschläge der Opposition wir nicht lieber darangehen und bei den aufgezählten Ge- aufzunehmen, und diesen Vorschlag können Sie ja wohl setzen, Frau Schulz, die Nagelprobe machen sollten. Ich nicht als inhaltlich abwegig, als nicht konstruktiv ansehen, höre sie noch genau, Frau Lautenschläger, hier an diesem wenn Sie – Sie können die Silben nachzählen – zu 90 Pro- Pult. Wir haben dort Änderungen eingebracht oder wollten zent einen deckungsgleichen Entwurf einbringen. Wir hät- Änderungen einbringen, Verfahrensverkürzungen, Abbau ten uns doch unterhalten können über die Standesämter, von Doppelzuständigkeiten. Dann machen wir hier mitein- und insbesondere gilt das für diese Gruppen. Das ist doch ander die Probe aufs Exempel. Wir müssen es deswegen kein Thema. Oder ist Ihr einziges Ziel, daß nachher dar- kritisch hinterfragen, weil es natürlich keine Ressortab- überstehen muß im Gesetz- und Verordnungsblatt: Ge- stimmung gegeben hat. Vielleicht ist es auch gut so. setzentwurf oder Gesetz von SPD und PDS? Herr Friese, Sie haben einen Zwischenruf getätigt: „Oh (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Gott, wenn das noch in die anderen Ausschüsse geht!“ Das steht doch da gar nicht drüber.) Vielleicht wäre es genauso gelaufen in der Ressortabstim- mung. Es ist übrigens die große Leistung der alten Lan- Wenn es mit Ihnen soweit gekommen ist, dann müssen desregierung, daß das zumindest teilweise durch die Res- Sie es hier laut und deutlich sagen. Das trägt jedenfalls sortabstimmung gekommen ist. Nur das gehört auch zu nicht dazu bei, daß wir in diesem Land vorankommen. dieser Wahrheit. Dieses Gesetz von uns hätten wir schon Frau Schulz, noch ein Satz zu den Standards. Zu 80 bis 1998 im Januar, im Frühjahr in dieses Parlament einbrin- 90 Prozent wird das von EU-Standards übrigens zuneh- gen können. Verhindert hat das damals die SPD-Fraktion. mend bestimmt (Beifall Dr. Armin Jäger, CDU: So ist (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Richtig.) es gewesen. Das ist die Wahrheit.) und von Bundesstandards. Das ist die Wahrheit. Also wir hätten schon sehr viel weiter sein können. Drei Grundfragen tun sich auf. (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Auch richtig.) 1446 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

Wenn ich mal in Ihre Programmatik hineingucke bei den (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Sozial- und Umweltstandards, dann sind Sie ja eher dafür, Herr Friese auch.) diese noch zu erhöhen, und freue mich dann, immer noch mal nachzulesen, (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.) welche Forderungen auch Sie gerade im Innenbereich ge- stellt haben. Sie hatten sogar mal gefordert, daß der als daß wir zumindest den Status quo halten oder uns Innenminister dafür zuständig sei, welche Reifen auf den hinterfragen, ob das alles richtig ist, was wir in den letzten Polizeiwagen sind. Ich kann Ihnen noch die Pressemittei- Jahren getan haben. Ich würde mir dann wünschen, daß lung zeigen. Es war zum ungünstigsten Zeitpunkt, als zwei Sie in gleicher Art und Weise hinterfragen, ob denn a) das Polizisten bei mir in der Nähe auf Glatteis verunfallt sind. Verfahren, was Ihr Umweltminister zum Bereich FFH ge- wählt hat, das richtige ist, und b) daß das, wie es jetzt vor Wissen Sie, ich denke, wir sollten uns alle selbstkritisch Ort abläuft ohne Verwaltungsvorschrift, also ein sogenann- hinterfragen und gegebenenfalls auch korrigieren. Viel- tes Beteiligungsverfahren, auch Ihre Zustimmung findet. leicht kommt es ja dazu – durch finanzielle Zwänge, natür- lich auch hervorgerufen durch die Politik der Landesregie- Übrigens, meine sehr verehrten Damen und Herren rung –, daß wir gemeinsam den Kommunen auf der Aus- Kommunalpolitiker, ... gabenseite eine Entlastung beibringen und daß wir, das (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: halte ich für ganz besonders wichtig, mit dem Konnexitäts- Aber vor allen Dingen interessant war das prinzip, mit dem Standardanpassungsgesetz Verwaltung Verfahren der letzten Regierung zur FFH.) und Regierung dazu anhalten, sich zu überlegen, Kosten- standards im Personal- und Sachbereich zu erlassen oder Ja, das kann ich Ihnen ganz genau sagen, das werden lieber die Finger davon zu lassen. – Herzlichen Dank. Sie morgen noch mal hören, die 39 Gebiete hätten Sie melden können. Sie sind nur deswegen nicht gemeldet (Beifall bei Abgeordneten der CDU) worden im Jahr 1998, weil andere Länder überhaupt Präsident Hinrich Kuessner: Das Wort hat der Abge- nichts gemeldet hatten. ordnete Herr Müller von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Herr (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Müller. Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist so. – Heinz Müller, SPD: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das stimmt Damen und Herren! Bei der Frage von Normen und Stan- erstens nicht, und zweitens war nichts dards – ich glaube, das ist uns allen mehr oder weniger mit den Kommunen abgestimmt.) bewußt – gibt es nicht nur die Konfliktlinie zwischen ver- Sie müssen sich hier mal fragen, ob andere Länder drei schiedenen Parteien und ihren unterschiedlichen Auffas- oder vier Prozent ihrer Fläche melden, und wir melden mit sungen, sondern es gibt eine nicht minder relevante Kon- Vogelschutzgebieten 25 Prozent. Das müssen Sie sich fliktlinie, die innerhalb der politischen Parteien verläuft. doch mal fragen, wenn Ihre Kollegin Schulz davon redet, (Beifall Gerd Böttger, PDS) daß wir nicht neue Normative, Standards und Behinde- rungen schaffen sollen. Auf der einen Seite dieser Konfliktlinie stehen die Kom- munalpolitiker oder jene Landespolitiker, die sich in (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das sind besonderer Weise den Kommunen verpflichtet fühlen und doch nicht die Standards. Sie reden jetzt über deren Anliegen es ist, zu Regelungen zu kommen, die die Äpfel und Birnen und Pflaumen und sonstwas. – Kommunen entlasten, die ihnen mehr Spielräume geben, Dr. Gerhard Bartels, PDS: Beschäftigen die die kommunale Selbstverwaltung stärken und aus- Sie sich doch erst mal mit dem Thema!) bauen und die deshalb, um bei diesem konkreten Fall zu Natürlich sind FFH-Gebiete Standards. Gucken Sie bleiben, für die Reduzierung, für die Öffnung von Normen sich das doch mal ganz genau an! und Standards sind. Sehr häufig werden diese Kommu- nalpolitiker unterstützt von den Finanzpolitikern, die sich Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich begrüße, hier Einsparungen erhoffen und die auf diese Art und daß in Auswertung zur Anhörung zum Konnexitätsprinzip Weise den Kommunen helfen wollen. gestern die SPD-Fraktion mit großer Mehrheit beschlos- sen hat, der Änderung der Landesverfassung zuzustim- Auf der anderen Seite finden wir Fachpolitiker, die aus men. Wenn es jetzt – und darüber, denke ich, sollte man ihrem fachpolitischen Denken heraus natürlich den Wert sich im Ausschuß unterhalten – über die Streit- und von Umweltstandards, von Sozialstandards und so weiter Knackpunkte Einvernehmen gibt, dann würde es diesem kennen, hochhalten und in ihrer Argumentation selbstver- Land guttun, fraktionsübergreifend ein Standardanpas- ständlich auf deren Wert hinweisen. Und so, meine Da- sungs-, Öffnungs- oder Befreiungsgesetz zu verabschie- men und Herren, bekommen wir teilweise eine Schlacht- den und gleichzeitig das Konnexitätsprinzip in der Lan- ordnung, um dieses militärische Wort zu nehmen, das desverfassung einzuführen. sich nicht deckt mit den klassischen Linien Regierung– Opposition, Partei A– Partei B–Partei C, sondern es geht Ich habe gestern, und da bin ich richtig zitiert worden, oft quer hindurch. gesagt, daß man in den letzten Jahren viel Mist verzapft hat. (Gerd Böttger, PDS: Genauso ist es, Herr Müller.) (Siegfried Friese, SPD: Und weil das so ist, Herr Böttger und Herr Jäger, denke Wer ist „man“, wer ist „man“?) ich, die Kommunalpolitiker oder die Landespolitiker, die sich den Kommunen in besonderer Weise verpflichtet Es ist besser, sich kritisch selbst zu hinterfragen. fühlen, sollten hier versuchen, gemeinsam tragfähige Lö- Wissen Sie, Herr Friese, ich habe nun den Nachteil, seit sungen zu finden, die dann auch von den Fachpolitikern Oktober 1990 hier im Parlament zu sein. Und ich nehme akzeptiert werden können. Das haben wir bei der Diskus- ab und zu noch mal alte Reden zur Hand sion zu Ihrem Gesetzentwurf hier schon einmal erörtert. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1447

Und gerade wir beide, Herr Dr. Jäger, haben das auch im (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.) privaten Gespräch miteinander sehr wohl so herausgear- Diese Regelung enthält unser Gesetzentwurf – und ich beitet. Um so mehr weiß ich nicht, was ich mit Ihren Aus- sage dazu – bewußt nicht. Und da haben wir doch durch- führungen hier und heute zu diesem Tagesordnungspunkt aus relevante Unterschiede. anfangen soll. Aber vor allen Dingen, und das ist für mich der ent- (Dr. Armin Jäger, CDU: scheidende Punkt, hat mich die gesamte Linie Ihrer Argu- Sie wissen das, Sie wissen das!) mentation – und da darf ich Herrn Rehberg mit ein- Also bei dieser Krümelsuche, nun partout noch den schließen – nicht klüger gemacht, denn auf der einen Seite Dissenspunkt zu finden – und dann bis hin zu den Feuer- wird wortreich hervorgehoben, ihr schreibt ja nur unseren wehrbriefen alles, was zum Thema gehört und alles, was Gesetzentwurf ab, nicht zum Thema gehört, zusammenzusuchen, (Dr. Armin Jäger, CDU: Stimmt.) (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) das ist ja der gleiche, den wir gestellt haben. damit man nur ja einen Konflikt aufmachen kann –, (Dr. Armin Jäger, CDU: Fast.) frage ich mich wirklich, Und dann geht Herr Rehberg an die Zeitung und sagt, (Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU) euer Gesetzentwurf ist ja nur abgeschrieben, so heute im was die Funktion eines solchen Redebeitrages ist „Nordkurier“. Das ist verfassungsrechtlich höchst proble- matisch. (Gerd Böttger, PDS: Das wurde standardisiert.) Ja, meine Damen und Herren, entweder haben wir Ihren und warum Sie hier partout einen Konflikt suchen. Gesetzentwurf faktisch abgeschrieben, Aber kommen wir noch mal zum Inhalt Ihres Gesetz- (Wolfgang Riemann, CDU: entwurfes. Schlecht abgeschrieben, schlecht.) Herr Jäger, ich habe mit großem Interesse zur Kenntnis oder wir haben etwas anderes gemacht, was sich an genommen, daß Sie es als einen der großen Vorzüge Ihres relevanten Punkten unterscheidet, und dann könnten Sie Entwurfes gegenüber unserem Entwurf herausstellen, daß von einer verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit reden. es in Ihrem Entwurf ganz klar geregelt ist, daß das Land von den Kommunen in dem hier zur Rede stehenden Ver- (Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU) fahren keine Verwaltungsgebühren nimmt. Aber beides gleichzeitig argumentativ aufzutischen (Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.) geht nicht, es sei denn, Sie würden davon ausgehen, daß Ihr Entwurf ebenfalls verfassungsrechtlich äußerst be- Ja, nach meiner Kenntnis ist das ohnehin bereits gere- denklich ist. gelt, weil nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz das so- wieso nicht funktioniert, (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Nee, zumindest (Dr. Armin Jäger, CDU: Nein.) erheblich weniger als der Ihre.) daß das Land in solchen Fragen für Verwaltungshandlun- Und so dumm werden Sie nicht sein, sich selbst zu gen Gebühren von den Gemeinden für Antragstellungen attestieren, verfassungsrechtlich bedenkliche Entwürfe nimmt. Ich kenne das aus anderen Bereichen auch nicht, vorzulegen. Also nur eines geht: Entweder wir haben (Dr. Armin Jäger, CDU: Aber ja.) abgeschrieben, oder wir haben etwas verfassungsrecht- lich Bedenkliches gemacht. Hier fehlt bei Ihnen die Logik. aber Sie können mir da sicherlich auf die Sprünge helfen. Deswegen frage ich mich, warum Sie so argumentieren (Dr. Armin Jäger, CDU: Gerne.) und ob hier nicht schon klammheimlich der Rückzug der CDU Ich halte dies jedenfalls für eine pure Selbstverständ- lichkeit, und es ist nicht unbedingt ein besonderes Ver- (Dr. Armin Jäger, CDU: Nein. Nein, nein.) dienst, dieses hier noch einmal zum Ausdruck zu bringen. von dem ganzen Thema vorbereitet werden soll. Am Auch die weiteren Dinge, die Sie zur Differenz zwischen Ende heißt es dann, ja, der Koalitionsentwurf ist ja Gegen- unseren beiden Gesetzentwürfen genannt haben, haben stand der Diskussion, und der ist verfassungsrechtlich mich ehrlich gesagt nicht sehr überzeugt. Deshalb lassen bedenklich, und das wollen wir nicht. Ich habe die Be- Sie mich vielleicht mal auf einen Dissenspunkt oder auf fürchtung, hier bereiten Sie Ihren eigenen Rückzug vor. einen Unterschied hinweisen: (Siegfried Friese, SPD: In Ihrem Gesetzentwurf gehört es zum Antrag der be- Den Eindruck hatte ich auch.) troffenen Gemeinde, zum Amt oder Kreis, daß ein Nach- weis geführt wird, daß es zu einer erheblichen Kostener- Meine Damen und Herren, Herr Dr. Jäger hat hier sparnis kommt. sinngemäß gesagt, die Opposition müsse offenkundig die Regierung zum Jagen tragen. Herr Dr. Jäger, ich will nicht (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.) immer wieder darauf verweisen, daß Sie lange Zeit Gele- Das ist in Ihrem Gesetzentwurf expressis verbis enthalten, genheit hatten, politische Vorstellungen, (Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.) (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ja, zum Glück war es nicht zu lange.) daß dieses eine Conditio sine qua non ist, und von daher muß ich darüber einen Nachweis führen, ansonsten die Sie uns jetzt als die Ihren präsentieren, daß Sie wäre ein Antrag unvollständig. lange genug, ... 1448 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

Es war lange genug, Herr Schoenenburg. In der Frage Norm und Standard waren das nicht Sie und war das nicht ich, sondern diese Frage von Norm und ... weiß Gott lange genug Zeit und Gelegenheit hatten, Standard wird so lange diskutiert, daß man überhaupt (Sylvia Bretschneider, SPD: nicht mehr feststellen kann, wer das Erstgeburtsrecht hat. Viel zu lange! Viel zu lange!) (Dr. Armin Jäger, CDU: Das sehe ich anders.) diese Vorstellungen auch in die Praxis umzusetzen. Und ich habe auch gar kein Problem damit, gute Ideen Und wenn Sie jetzt mit solchen Vorstellungen kommen, von anderen zu übernehmen. Ob das von den kommuna- dann frage ich: Wo haben Sie denn abgeschrieben? Herr len Verbänden kommt, ob das unmittelbar von der kom- Rehberg zitiert doch gerne die Koalitionsvereinbarung, munalen Ebene kommt, das ist mir relativ Wurscht. Wich- und das ist auch völlig legitim. tig ist mir, daß wir zu einer Politik kommen, die tatsächlich (Dr. Armin Jäger, CDU: Nein, nein. Nein, nein. eine Politik für die Kommunen ist. Und an einer solchen Fragen Sie Herrn Timm! Fragen Sie Herrn Politik hat es in diesem Land acht Jahre lang bitter ge- Timm, der weiß, woher der Entwurf ankommt.) mangelt, und wir haben uns in der Tat, Herr Rehberg, unter Druck gesetzt. Wir geben uns ein ehrgeiziges Pro- Und da kann man gerne reingucken. In der Ziffer 191 gramm, und wir versuchen, dicke Bretter zu bohren steht: „Zur Gewinnung weiterer Finanzspielräume soll es den Kommunen ermöglicht werden, Standards flexibler (Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig, das anzuwenden.“ Genommen den alten Gesetzentwurf, der haben Sie hier und heute bewiesen. – damals im Innenministerium unter Ihrer Führung schon Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) mal erarbeitet worden war, und eine Politik zu machen, die tatsächlich im Interesse (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.) der Kommunen ist, was Sie acht Jahre lang hätten tun können, aber nicht getan haben. – Ich danke Ihnen. flugs zum eigenen Fraktionsgesetzentwurf gemacht und in die Diskussion eingebracht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – (Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.) Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) 192: „Das Konnexitätsprinzip wird in der Kommunalver- Präsident Hinrich Kuessner: Das Wort hat der Abge- fassung festgeschrieben.“ Dann kommt eine inhaltliche ordnete Herr Böttger von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Füllung. Koalitionsvereinbarung gelesen, genommen, und Herr Böttger. die Fraktion, die sich lange Zeit immer gegen das Konne- xitätsprinzip gesträubt hat, nimmt es, nimmt einen Ge- Gerd Böttger, PDS: Herr Präsident! Meine sehr verehr- setzentwurf vom Wortlaut her, der in einem kommunalen ten Damen und Herren! Ich möchte hier keine Diskussion Spitzenverband entstanden ist, über Urheberrecht und Zeitverzug führen. Wir sind uns sicherlich alle einig, es gibt hier ein reales Problem, und es (Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.) muß gelöst werden. setzt noch eins obendrauf und sagt: Wir werden jetzt Herr Rehberg, Sie haben gesagt, Sie haben es 1998 mal zeigen, schon versucht, und es ging nicht. Und Sie wissen natür- (Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU) lich ganz genau, wenn man eine Koalition hat, muß man auch innerhalb der Koalition über bestimmte Dinge disku- daß wir das, was wir selbst jahrelang verhindert haben, tieren. Ich bin darüber sehr zufrieden, denn eine absolute doch jetzt endlich mal fordern, damit wir zeigen, daß wir Mehrheit einer Partei, wo es einfacher wäre in der Sache, die kommunalfreundliche Partei sind. wünschen wir uns ja wohl alle nicht in diesem Hause, Und, meine Damen und Herren, wenn Ihnen die Koali- (Zurufe von einzelnen Abgeordneten tionsvereinbarung ausgegangen ist, wir können Ihnen der CDU: Doch!) gerne noch ein Exemplar zur Verfügung stellen. Ich warte dann mit großem Interesse und mit großer Spannung. jedenfalls ich nicht. Also, wenn Sie hier eine absolute Herr Jäger, wir haben hier noch ein paar andere Punkte, Mehrheit hätten, die wir angekündigt haben und die wir im Laufe der vier Jahre, die wir Zeit haben, umsetzen werden, (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) (Dr. Armin Jäger, CDU: oh Schreckgespenst für dieses Land! Ich glaube Ihnen das nicht mehr!) (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – aber Sie können ja, um ein eigenes Erstgeburtsrecht gel- Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS – tend zu machen und um uns Verzögerung vorzuwerfen, Zuruf von Volker Schlotmann, SPD) noch ein paar andere Gesetze vorlegen. Hier steht was von Aber es ist doch in der Tat so, und das ist das Schizo- Verwaltungsreform, hier steht was von Überprüfung der phrene, meine Damen und Herren, wir diskutieren hier Stadt-Umland-Beziehungen und einige weitere, übrigens über ein hausgemachtes Problem. teilweise sehr schwierige Materien, wo ich sehr gespannt wäre, dann ebenfalls Ihren Gesetzentwurf zu sehen. Ich (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja!) habe keine Angst davor, daß Sie sich in die Öffentlichkeit Wir beschließen hier in diesem Hause – und nun sage ich stellen und sagen: Das ist doch alles auf unserem Mist mal, die Mehrheiten, aber ich meine uns irgendwie alle – gewachsen, wir waren doch die ersten. Mir geht es nicht darum, wer hat als erster eine kluge Idee gehabt. (Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU) (Eckhardt Rehberg, CDU: Aha! – Gesetze, die Minister erlassen Verordnungen, und jetzt Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU) diskutieren wir stundenlang, wie wir das, was wir selbst Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1449 beschlossen haben, im Interesse der Kommunen wieder dem Fall vom Standard ab oder nicht. Und hier verstehe öffnen. Und da gibt es in der Tat doch eigentlich nur zwei ich Sie nun gar nicht, und da will ich doch noch mal nach- Wege, Herr Rehberg, Sie haben völlig recht, zwei Wege: stoßen, Herr Rehberg. In Ihrem Gesetzentwurf in Para- Entweder wir entscheiden hier, daß wir jedes einzelne graph 2, ich will es noch mal ein bißchen deutlicher ma- Gesetz auf den Prüfstand nehmen. chen, steht drin, daß auf Antrag der Gemeinden und so weiter die oberste Rechtsaufsichtsbehörde für die Kreise (Dr. Armin Jäger, CDU: Viel Vergnügen!) und kreisfreien Städte und überhaupt, also der Innenmini- Das kann man tun – viel Vergnügen, das wird lange ster, dauern –, aber ich bezweifele, daß wir dafür die Kraft und (Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.) vielleicht auch den Willen aufbringen. sozusagen im Benehmen mit dem jeweiligen Fachmini- (Eckhardt Rehberg, CDU: Wir haben die schon. – ster Dr. Armin Jäger, CDU: Wir machen das gern.) (Eckhardt Rehberg, CDU: Ja, auch richtig.) Denn eins ist doch klar, Herr Müller ist nicht hier, aber da hat er völlig recht, wenn er sagt, es geht doch bei die- die Entscheidung trifft. ser Frage nicht so sehr darum, (Dr. Armin Jäger, CDU, und (Dr. Ulrich Born, CDU: Das geht Eckhardt Rehberg, CDU: Ja.) aber nicht, er hat gerade geredet.) Und im „Nordkurier“ steht heute – und Sie haben ja in welcher Partei wir sind, sondern hier geht es in der Tat eben gesagt, das stimmt sogar –, daß Sie gesagt haben zwischen Fachpolitikern, Kommunalpolitikern und anderen sollen, daß Sie das sozusagen als eine Ermächtigung mal ganz durcheinander, übrigens auch bei Ihnen. sehen (Eckhardt Rehberg, CDU: Wenn Sie (Eckhardt Rehberg, CDU: Sie müssen alles uns noch länger reizen, dann bringen lesen, Herr Böttger! Sie müssen alles lesen!) wir die Gesetze zur Novellierung ein. – und als verfassungswidrig. Und da muß ich sagen, in Angelika Gramkow, PDS: Na los doch!) dieser Frage unterscheidet sich das, was Sie wollen, und Übrigens auch bei Ihnen! Mit Herrn Jäger könnte man das, was der jetzige Entwurf will, überhaupt nicht. sich da sicherlich eher einigen als mit anderen von Ihnen. (Beifall Angelika Gramkow, PDS) (Peter Ritter, PDS: Oh, oh!) Und ich sage wirklich, meiner Meinung nach ist das der Und ich sage auch an der Stelle, ... Versuch, sich zumindest bei Ablehnung unseres Entwurfes den Rückzug freizuhalten und zu sagen: Das ist der Punkt, (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: und deshalb können wir das nicht machen. Also so einfach Also, glaub doch das nicht!) können Sie aus der Sache hier nicht rauskommen. Ich habe Ich glaube das sogar. damals gesagt, ich lade Sie ein, meine Damen und Herren von der CDU, hier mitzuwirken, hier mit zu diskutieren. An (Zurufe und Heiterkeit bei einzelnen dem Punkt sind wir, und wir sollten es jetzt tun. Abgeordneten der CDU und PDS) Allerdings noch mal zurück zu dem einen Punkt, der Ja, ich glaube auch manchmal etwas. Benehmensregelung. Hier wird allerdings die Anhörung (Angelika Gramkow, PDS: Ja, wo Du recht hast, Klarheit verschaffen, und deshalb vertraue ich auf den Rat hast Du recht. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: der Experten wie übrigens auch beim Konnexitätsprinzip. Du machst ihn aber ganz nervös.) Die Anhörung war hervorragend Aber ich sage Ihnen, jeder der beiden hat möglicher- (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, die war toll, ja. – weise gute Argumente. Ich stelle mich nicht hin als einer, Dr. Ulrich Born, CDU: Ja.) der Kommunalpolitik betreibt und glaubt, daß die Fach- und hat sicherlich auch etwas befördert. Wenn An- politiker das alles falsch sehen, nur wir nicht. Ich möchte hörungen so etwas schaffen, machen sie auch einen ganz diese Trennung nicht. Wir machen eine einheitliche Lan- bestimmten Sinn. despolitik, die eigentlich von allen, von Fachpolitikern und von denen, die für Innen- und Kommunalpolitik zuständig (Dr. Ulrich Born, CDU: Deshalb sind, kommunal freundlich sein müßte. Insofern sage ich, beantragen wir die ja auch immer.) wir haben diese beiden Wege. Den ersten Weg habe ich Das gilt übrigens nicht nur für eine Partei, sondern für genannt. Ich glaube, der wird nicht funktionieren, weil er alle, sage ich auch mal. Aber ich bin dafür, daß wir, wenn zu lange dauert und weil er möglicherweise auch nicht wir nun schon bei diesem Weg bleiben, Einzelantrag der den entsprechenden Konsens bringt. Dann haben wir Kommunen, aus dem Benehmen auf alle Fälle ein Einver- bloß noch den zweiten Weg, sozusagen ein Öffnungsge- nehmen machen sollten. setz, auf Antrag der Kommunen, der Weg von unten. Ich persönlich stehe dazu. (Dr. Armin Jäger, CDU: Nö.) Und, Herr Rehberg, jetzt kommt genau der Punkt, den Ja. ich kritisiert habe und auch heute noch kritisiere. Eigent- (Eckhardt Rehberg, CDU: Nee. – lich habe ich nur einen ganz entscheidenden Punkt kriti- Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist feige.) siert. Ich habe gesagt, ich möchte nicht, daß der Innenmi- nister, egal wer er ist und wie er heißt, eine Ermächtigung Wenn wir das nicht machen, sind wir ja genau da, daß bekommt, nämlich sozusagen die Ermächtigung, als der Innenminister permanent in einer Situation ist, wo er Rechtsaufsichtsbehörde zu entscheiden, weiche ich in immer überlegen muß, 1450 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

(Zuruf von Minister Dr. Gottfried Timm) Sicht jedenfalls erheblichen Bedenken gegenüber der Formulierung, die Sie von den Verbänden übernommen verstoße ich sozusagen gegen ein vom Landtag be- haben, ausgeräumt werden können. Ich habe in der SPD- schlossenes Gesetz in diesem Falle. Also ich möchte Fraktion gestern gesagt, ich bin für die Änderung der Lan- dann nicht derjenige sein, der die Entscheidung trifft. desverfassung, aber nur dann und nicht ohne Bedenken, (Dr. Armin Jäger, CDU: In die Gefahr wenn wir eine wirklich saubere und wasserdichte Formu- werden Sie nie kommen, Herr Böttger.) lierung für die Verankerung des Konnexitätsprinzips im Grundgesetz des Landes finden. Und darüber wird man weiter diskutieren müssen. (Siegfried Friese, SPD: Genau das ist der Punkt.) (Zuruf von Dr. Arnold Schoenenburg, PDS) Das ist die Frage gewesen. Und ich hoffe, nach den De- Ich sage an der Stelle noch mal, meine Damen und Her- batten, die wir bislang geführt haben, an dieser Stelle ren von der CDU, ich lade Sie herzlich ein, zu dieser Frage jedenfalls, daß wir wirklich eine einvernehmliche, über alle weiter mit zu diskutieren. Es wäre schön, wenn wir zum Fraktionen greifende Formulierung für die Änderung der Schluß eine Lösung finden, die für die Kommunen im Landesverfassung finden. Lande die beste Lösung ist, denn die Kommunen im Lande gehören weder der CDU noch der SPD, noch der (Gerd Böttger, PDS: Das wissen wir PDS, es sind frei gewählte Vertretungen. auch. Wir brauchen zwei Drittel.) (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber die Frage war ja ... Gemeinschaften der Bürger.) (Angelika Gramkow, PDS: Ist das das Thema? Und da, meine ich schon, haben wir alle eine Verant- Dann möchte ich auch noch dazu reden.) wortung, egal wer wir sind und wo wir herkommen, meine Präsident Hinrich Kuessner: Herr Minister, erlauben Damen und Herren. – Danke schön. Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jäger? (Beifall bei Abgeordneten der PDS) Minister Dr. Gottfried Timm: Ich würde gerne zum Präsident Hinrich Kuessner: Das Wort hat jetzt der Schluß auf Fragen antworten. Innenminister Herr Timm. Bitte sehr, Herr Minister. Die Frage bei der Versammlung des Städte- und Ge- Minister Dr. Gottfried Timm: Herr Präsident! Meine meindetages war, warum die Opposition erst so spät hin- Damen und Herren! zugelernt hat. Vielleicht ist es immer ganz gut, man ruht sich mal aus auf den Oppositionsbänken. Herr Dr. Jäger, auch ich war am 7. Oktober bei der Mit- gliederversammlung des Städte- und Gemeindetages. (Dr. Armin Jäger, CDU: Aber nicht, wenn Sie gar nichts tun, Herr Timm.) (Dr. Armin Jäger, CDU: Sie durften nur nicht reden. Ja, ja.) Jedenfalls meine ich, daß wir in diesem Bereich jetzt einen Schritt vorankommen. Ich wurde zum Beispiel gefragt, ob die CDU sich auf 20 Jahre Opposition eingerichtet habe im Landtag. Meine Damen und Herren, es gab einen bedeutsamen französischen Staatsmann Montesquieu, der gesagt hat: (Dr. Armin Jäger, CDU: Warum? – „Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, ein Gesetz zu Minister Helmut Holter: Auch nicht schlecht.) erlassen, dann ist es unbedingt notwendig, kein Gesetz zu Weiß’ ich nicht, könnte ja sein, erlassen.“ Und das ist die Frage, um die es geht, wenn wir über das Standardöffnungsgesetz reden. Ich meine, daß (Dr. Armin Jäger, CDU: Sie haben wir jetzt, wo wir über zwei Gesetze im Landtag beraten, immer die falschen Gesprächspartner. – die dieselbe Richtung angeben, aber, wie Herr Rehberg Zuruf von Harry Glawe, CDU) feststellt, gravierende Unterschiede haben sollen, letztlich denn es wurde mir die Frage gestellt, warum eigentlich sicherlich zu einer Lösung kommen, die auch fraktions- erst, als die CDU in der Opposition war, dieser Antrag zum übergreifend von möglichst vielen Abgeordneten getra- Konnexitätsprinzip in der Landesverfassung kam. gen wird. Denn es geht tatsächlich um eine erhebliche Ausnahmeregelung, die die Landesregierung bekommen (Beifall bei Abgeordneten der SPD – soll, bei der Genehmigung von Anträgen der Kommunen, Siegfried Friese, SPD: Richtig.) bestimmte Standards oder Normen nicht anwenden zu Die vier Vorgänger, die ich hatte und die der CDU an- müssen, gehören, haben das stets bekämpft. (Gerd Böttger, PDS: Nicht die (Dr. Armin Jäger, CDU: Dafür stehen wir, ja.) Landesregierung, der Innenminister!) Wir haben, meine Damen und Herren, zum ersten Mal auch dann, ... übrigens, im Koalitionsvertrag Ende 1998 dieses Prinzip (Gerd Böttger, PDS: Nicht die Landesregierung!) politisch verankert und waren uns nicht gewiß, ob wir eine Zweidrittelmehrheit im Landtag bekommen für die Ände- Ich komme gleich darauf, Herr Böttger. rung der Landesverfassung, ... wenn die Aufgabe, die die Kommune erfüllen muß, (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Im Gegenteil, ebensogut ohne erzielt werden kann. Das ist ja sozusagen wir haben gedacht, wir kriegen sie nicht. – das Ziel der ganzen Maßnahme. Dr. Ulrich Born, CDU: Das hatten Sie gehofft.) Im übrigen wurde dieses Gesetz, das in der letzten Le- die wir jetzt allerdings offensichtlich kriegen können. gislaturperiode beraten worden ist, aber nie den Landtag Nur, die entscheidende Frage ist die, ob die aus meiner erreicht hat, eben gerade nicht im Innenministerium erar- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1451 beitet. Vielleicht wäre es damals auch schon ein wenig Ich sage nur, der amtierende Innenminister würde sich, anders ausgefallen. und zwar auch sehr gerne, unter der Zielstellung dieses Gesetzes diese Benehmensregelung zumuten und die Meine Damen und Herren, wo liegen die Änderungen? Anträge, die von den Kommunen kommen, auch anneh- Ich würde sie zwar nicht als gravierende Änderungen be- men. zeichnen, die die SPD-Fraktion gemeinsam mit der PDS- Fraktion eingebracht hat und an denen ich mitgewirkt Und ich sage noch etwas. In der Debattenbeitragsrede habe, es sind aber Änderungen. zu Ihrem Gesetzentwurf habe ich gesagt, ich wünschte mir, daß eine kommunale Initiative zur Modernisierung der Die eine Änderung betrifft die Überschrift. Und eine Kommunalverwaltungen erfolgt, und zwar unter anderem Überschrift ist eben nicht nur Schall und Rauch, sie soll auch auf der Grundlage des Paragraphen 42a der Kommu- den Inhalt des Gesetzes bezeichnen. Standardanpassung nalverfassung, der eine Ausnahmeregelung, sozusagen würde ja heißen, hier werden in dem Gesetzentwurf der einen Öffnungskorridor für kommunales Haushalts- und CDU Standards angepaßt. Aber es wird kein Standard Organisationsrecht darstellt. Leider haben wir bislang nur angepaßt. Statt dessen werden neue errichtet, darauf eine einstellige Zahl von Anträgen. Und bei den Anträgen, komme ich gleich. Standardöffnung heißt, es wird ein Kor- die in meiner Amtszeit eingereicht wurden, haben wir nicht ridor geschaffen. Er eröffnet die Möglichkeit, bestimmte nur dagesessen und unterschrieben, sondern erhebliche Standards, die nicht angepaßt sind, außer Kraft zu setzen Beratungsarbeit, sozusagen Dienstleistungsarbeit gegen- oder zu umgehen, um eine kommunale Aufgabe, ohne alle über dem Antragsteller geleistet. Auch darin sehe ich eine Standards anwenden zu müssen, erledigen zu können. wichtige Aufgabe, und das geht nur, meine ich jedenfalls, Das ist der Sinn unseres Gesetzes, der wie gesagt in vie- wenn ein Haus federführend ist und nicht verschiedene lerlei Hinsicht deckungsgleich ist mit Ihrem Entwurf. Aber Häuser mehr oder weniger abhängig oder unabhängig ich meine, die Überschrift bezeichnet das Anliegen, um voneinander diese Aufgabe wahrnehmen würden. das es geht, genauer. Man kann es auch Befreiung nen- nen, Herr Rehberg, oder Flexibilisierung, wie auch immer. Also, ich bitte den Landtag an dieser Stelle, einem Mini- Aber angepaßt wird jedenfalls bislang nichts, wobei ich ster die Federführung für diese Aufgabe zu erteilen. Ich mich freuen würde, wenn wir es schaffen würden, Stan- meine, es kann nur der kommunal zuständige Innenmini- dards tatsächlich anzupassen. ster sein. Und ich sage Ihnen, man sollte es probieren und nicht von vornherein Hürden errichten, die in Wirklichkeit (Eckhardt Rehberg, CDU: Sie sollten für vielleicht keine sind. andere Dinge mehr Zeit verwenden als für die Überschrift. – Dr. Armin Jäger, CDU: Ich komme zu einem dritten Punkt, in dem der Antrag Wenn das Ihre ganze Sorge ist.) von SPD und PDS von der CDU-Formulierung abweicht. Das ist Paragraph 2 unter der Überschrift „Befreiung von Ich würde mich freuen, wenn nach Ablauf der Frist, Standards“. Dieser Paragraph 2 ist meiner Meinung nach (Eckhardt Rehberg, CDU: Wenn das so wichtig sehr wichtig. Wir haben vorgeschlagen, daß man das, was ist für Sie, die Überschrift, dann ist es ja gut.) die CDU-Fraktion hier regeln will, nicht im Gesetz regelt. Ich werde Ihnen mal vorlesen, was Sie zum Beispiel vor- Herr Rehberg, wenn nach Ablauf der Frist dieser beiden schlagen unter der Überschrift „Befreiung von Stan- Gesetzentwürfe, die zu einem werden sollen, nach Ablauf dards“: „Ist ein Standard, von dem eine Befreiung ... be- dieser Frist tatsächlich in Landesgesetzen, die Standards antragt worden ist, bereits Gegenstand eines laufenden angepaßt sind. Wenn wir dieses Ziel erreichen – das ist Zulassungsverfahrens oder eines anderen Verwaltungs- eine Aufgabe, die meiner Meinung nach bedeutet, ein verfahrens, kann ein Antrag nach diesem Gesetz nur bis dickes Brett zu bohren –, wenn wir dieses Ziel erreichen, zum Erlaß des Widerspruchsbescheides in dem anderen dann hätten wir wirklich ein Ziel erreicht. Verfahren gestellt werden.“ Die zweite Frage ist die, ob eine Benehmensregelung (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, na klar!) oder eine Einvernehmensregelung in das Gesetz einge- „Das andere Verfahren ist auszusetzen, bis eine Ent- fügt werden soll, oder ich lese im „Nordkurier“ jetzt auch scheidung nach diesem Gesetz ergangen ist. Anträge, die was von Ermächtigung. Wie auch immer, ich meine, und sich auf einen Sachverhalt erstrecken, zu dem bereits ein das will ich deutlich sagen, daß der Innenminister, und bestandskräftiger Verwaltungsakt vorliegt, sind nicht zwar nur er – unabhängig von der Person – in der Lage ist, statthaft.“ diese Anträge im Benehmen mit den Fachressorts zu ent- scheiden, aber bitte sehr nicht im Einvernehmen. Ich (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.) meine, sonst kommt es zu keiner einzigen Entscheidung. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, keine neuen (Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig. Ja.) Standards zu errichten, sondern ein möglichst einfach handhabbares Gesetz zu verabschieden, Das ist meine Vermutung. Und ich sage nur, der amtie- (Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist Rechtssicher- rende Innenminister ist in der Lage, Herr Böttger, diese heit, Herr Innenminister. Rechtssicherheit.) Verantwortung wahrzunehmen im Sinne der Anträge, die von den Kommunen gestellt werden, und im Sinne des das es uns ermöglicht, auch in einem geordneten, und Gesetzes, das ja ein bestimmtes Ziel verfolgt. zwar einfachen Verfahren die Anträge zu genehmigen. Das ist meine Bitte als Innenminister. Demzufolge würde (Gerd Böttger, PDS: Aber damit unterstellen ich mir wünschen, es würde den Vorschlägen der SPD- Sie doch dem Fachminister, daß er und PDS-Fraktion gefolgt. kommunal unfreundlich wäre.) (Zuruf von Gerd Böttger, PDS) Das haben Sie gesagt. Meine Damen und Herren, wenn zwei in vielerlei Hinsicht (Gerd Böttger, PDS: Das sagen Sie.) gleichlautende Gesetzentwürfe, jedoch in einigen aus mei- 1452 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 ner Sicht wichtigen Punkten voneinander abweichende das ist nicht egal. Und wenn wir in den Beratungen dazu Gesetzentwürfe vorliegen, kann es ja nicht schwerfallen, zu kommen, daß auch die Verbände meinen, daß das nicht einem Ergebnis zu kommen. Ich wünschte, wir haben eine egal ist, dann würde es uns in der Debatte zu diesem konstruktive Debatte im Innenausschuß, ich will auch gerne Gegenstand sehr helfen, meine ich. – Vielen Dank. daran mitwirken, und dann ein zügiges Verfahren. Ich hoffe (Angelika Gramkow, PDS: Sie nicken.) jedenfalls, daß wir zu einem Gesetz kommen, Standardöff- nungsgesetz will ich es auch nennen, das nicht neue Stan- Sie nicken, ja. Zu welchem Punkt, das wollen wir doch dards errichtet, sondern alte Standards öffnet, um sie letzt- mal feststellen. lich auch abbauen zu können. Ich wünsche für die Bera- tungen viel Erfolg. – Vielen Dank. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Beifall Volker Schlotmann, SPD – (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Gerd Böttger, PDS: Sie nicken immer.) Präsident Hinrich Kuessner: Sind Sie jetzt bereit, eine Präsident Hinrich Kuessner: Das Wort hat der Frakti- Frage des Abgeordneten Jäger zu beantworten? onsvorsitzende der CDU Herr Rehberg. Bitte sehr, Herr Rehberg. Minister Dr. Gottfried Timm: Ja, selbstverständlich. Eckhardt Rehberg, CDU: Scheinbar will man mich Dr. Armin Jäger, CDU: Danke schön, Herr Minister. mißverstehen, und deswegen noch einmal eine Klarstel- Herr Innenminister, Ihre Ausführungen zeigen, daß bei lung, weil auch Herr Dr. Timm zum Schluß darauf einge- uns allen offenbar ein Erkenntnisprozeß stattgefunden gangen ist sowie auf den Artikel im „Nordkurier“, den ich hat. Und ich frage jetzt zum Konnexitätsprinzip: Mich hat gar nicht vorher gelesen hatte. gefreut, klar, daß Ihre Fraktion nun offen dafür ist, aber Erstens. Wir sind eindeutig für eine Benehmensrege- jetzt haben Sie wieder Bedenken geäußert. lung und dafür, daß die Entscheidung beim Innenminister (Siegfried Friese, SPD: Darum geht’s liegt. Was anderes kann ich mir auch nicht vorstellen. doch jetzt überhaupt nicht.) (Heinz Müller, SPD: Da sind wir einer Meinung.) Darf ich Sie fragen, ob Sie die Regelungen in Branden- Wir oder ich oder Teile der CDU-Fraktion haben aber burg und in Schleswig-Holstein für verfassungsgemäß ein Problem, das sich in unserem Entwurf nicht so strin- halten? gent darstellt, in Ihrem aber sehr stark. Wir sagen „lan- (Siegfried Friese, SPD: Tagesordnung!) desrechtliche Vorschriften“. Sie sagen „Gesetze“. Und ich komme noch mal auf diesen Punkt. Ich habe das vorhin Wenn das so sein sollte, wo sehen Sie dann Unter- schon einmal gesagt, man muß sich als Parlament sehr schiede zu unserer Landesverfassung, daß Sie jetzt ver- gut überlegen, ob man hier Gesetze verabschiedet hat, fassungsrechtliche Bedenken haben, wie Sie es eben mit welchen Mehrheiten auch immer, Gesetze verab- ausgedrückt haben? schieden wird, ganz gleich, mit welchen politischen Mehr- (Siegfried Friese, SPD: Tagesordnung!) heiten, und dann einem Minister, in diesem Falle dem Innenminister, das Recht gibt, Standards an oder in die- Minister Dr. Gottfried Timm: Ich habe Ihnen bereits sen Gesetzen zu öffnen. Das ist die entscheidende Frage. bei der Debatte zu dem Antrag, Herr Dr. Jäger, den Sie Ich habe überhaupt keine Probleme, damals einbrachten, gesagt, daß ich Bedenken habe, keine verfassungsrechtlichen Bedenken, aber Bedenken (Angelika Gramkow, PDS: Ich bin dafür, daß in der Praktikabilität der Anwendung dieser Vorschrift in wir sie erst gar nicht ins Gesetz schreiben.) der Landesverfassung. Da das jetzt nicht Gegenstand die- ser Tagesordnung ist, will ich nur darauf hinweisen, ich ich persönlich und auch Teile meiner Fraktion, wenn es habe dieses mit etlichen meiner Innenministerkollegen er- um Verordnungen, Normen, Normative oder Erlasse geht. örtert, auch mit Herrn Innenminister Wienholtz zum Bei- Das ist überhaupt nicht der Punkt. Und übrigens, da lie- spiel. gen auch die größten Probleme, die liegen nicht unbe- dingt im Gesetzesbereich. Deswegen muß man darüber Dr. Armin Jäger, CDU: Auch mit Herrn Ziel? noch mal diskutieren. Minister Dr. Gottfried Timm: Nicht nur mit Herrn Ziel, Das andere Problem habe ich schon angesprochen. Es auch mit anderen Innenministern, aber eben speziell mit gab keine Ressortanhörung, der Justizminister hat nicht Herrn Innenminister Wienholtz, weil ich, wenn ich das dazu Stellung genommen. Und man muß auch noch mal – richtig sehe, vermuten darf, daß die Formulierung, die Sie die Landesregierung ist bei Ihnen ja offenbar überhaupt eingebracht haben, möglicherweise über den Umweg nicht zu Wort gekommen – die Fachminister fragen, ob sie eines Landesverbandes – die Herren sitzen ja da hinten –, mit dieser Regelung einverstanden sind. relativ nah an der Formulierung von Schleswig-Holstein ist. Nur, es gibt auch dort erhebliche Probleme zur Zeit. Ich sage noch einmal klar unsere Haltung: Wir sind Und ich möchte gerne, daß wir darüber sprechen, aber ich gegen das Einvernehmen, wir sind für das Benehmen. Wir denke, wir schaffen das. haben nur das Fragezeichen – und das ist schon ein Un- Im übrigen, wenn ich das noch sagen darf, ich habe ja terschied –, ob es sich auch ohne Wenn und Aber auf auch den Vortrag des Vorsitzenden des Städte- und Ge- Gesetze beziehen sollte, die wir hier verabschieden. Das meindetages in Neubrandenburg gehört, der zu der Frage hat auch was mit der Stellung des Parlaments zu tun. Standardanpassung oder Standardöffnung gesagt hat, (Angelika Gramkow, PDS: ihm sei es völlig egal, welcher Minister die Bewilligung Aber nur dann macht es doch Sinn!) ausspricht. Ich habe es so verstanden, als ob ihm das völ- lig egal sei. Vielleicht meint er auch, es sei egal, wie viele Präsident Hinrich Kuessner: Herr Rehberg, der Abge- daran mitwirken, ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, ordnete Böttger will eine Frage stellen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1453

Eckhardt Rehberg, CDU: Ja, Frau Gramkow, passen (Dr. Gerhard Bartels, PDS: Ach, Sie Armer! – Sie mal auf, ich bin ja sehr offen. Kerstin Kassner, PDS: Der ewig Mißverstandene!) (Angelika Gramkow, PDS: Dann sagen Sie Gerd Böttger, PDS: Ja, das haben Sie aber eben ... mir doch, welche Standards Sie meinen!) Eckhardt Rehberg, CDU: Sie wollen mich wirklich wie- Und wenn Sie sagen ... der falsch verstehen. Ich wiederhole das noch mal. Erstens haben Sie sich als Regierungsfraktionen schein- Ja, Entschuldigung! Passen Sie mal auf! bar unter erheblichem Zeitdruck, verursacht durch einen (Angelika Gramkow, PDS: Nee. – Brief des Kollegen Jäger, dazu entschlossen, ein Gesetz Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS) einzubringen, das in dem Punkt klar und deutlich sagt: Der Innenminister entscheidet im Benehmen mit dem Der amtierende Innenminister hat gesagt, bei ihm ist Fachressort auch über Standards, die in Gesetzen stehen. das alles in guten Händen. Das mag ja sein. Aber wenn Das haben Sie explizit drin. Bei uns steht „landesrechtli- eine Kommune nach dem Kita-Gesetz Abweichungen von che Vorschriften“. Das kann man etwas weiter fassen, Öffnungszeiten und Gruppenregelgrößen hinterfragt, das obwohl da auch durchaus Gesetze mit gemeint sein kön- ist ein Gesetz, das hier verabschiedet worden ist, 1996, nen. (Annegrit Koburger, PDS: Die Gruppen- (Angelika Gramkow, PDS: Na also! – größenregelung ist doch schon im Gesetz Zuruf von Siegfried Friese, SPD) drin, auch die Abweichungsmöglichkeiten.) Und Sie haben sich als zweites, das will ich noch mal wenn ich mich richtig erinnere, oder 1995 unter CDU- klar und deutlich sagen, überhaupt nicht bemüht, das und SPD-Koalition, oder Standards im Denkmalschutzge- rechtlich abzuklären. setz, in Verfahrensfragen. Ich bin schlichtweg dafür, daß da Einvernehmensregelungen rausmüssen. Da würde ich (Angelika Gramkow, PDS: Herrn Timm immer unterstützen. Das heißt, trotzdem ist Das wissen Sie doch gar nicht.) die Frage zu stellen, ob das der richtige Weg ist. Und Herr Ja, dann legen Sie das vor, Frau Gramkow! Dann legen Timm hat sich da ja selbst in ein Licht gestellt als amtie- Sie an dieser Stelle vor, render Innenminister, da braucht man keine Sorgen zu haben. Herr Timm, ich würde da ein bißchen vorsichtiger (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) sein. Was Sie selber an Pleiten, Pech und Pannen oder daß das verfassungsrechtlich absolut unbedenklich ist andere für Sie in der letzten Zeit fabriziert haben, das ist ja an diesem Punkt! Dann legen Sie das vor! nun nicht ganz wenig. Ich sage Ihnen noch mal, Herr Böttger, wenn das ge- Und zu den 20 Jahren Opposition – wissen Sie, ich sa- klärt ist und wenn wir hier der Meinung sind mit großer ge immer: Hochmut kommt vor dem Fall. qualifizierter Mehrheit, daß ein Minister Dinge abändern (Beifall Rainer Prachtl, CDU – kann, die hier der Landesgesetzgeber beschlossen hat, Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.) gut, dann gehen wir miteinander diesen Weg. Dann müs- sen wir ihn aber auch mit Konsequenzen gehen, auch mit Also wenn die Zeit kommt, dann schauen wir mal alle den Ergebnissen, daß gegebenenfalls dann von einem miteinander. Minister, egal, wie er heißt, Meyer, Möller, Niemand, Timm (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) oder was weiß ich, dann eben so verfahren wird, in seiner eigenen Entscheidung, und daß wir dann dabeisitzen Ich würde auch ein bißchen vorsichtiger sein an Ihrer müssen und zugucken. Das ist der Punkt. Stelle. Gerd Böttger, PDS: Darf ich noch eine Nachfrage stel- Also, ich wollte das nur noch mal zur Klarstellung len? sagen. Herr Böttger, Sie können gerne die Frage stellen, Eckhardt Rehberg, CDU: Gerne. und wir werden hier, Herr Friese, auch keine unüberwind- liche Hürde aufbauen. Ich sage Ihnen eines: Wenn das Präsident Hinrich Kuessner: Herr Rehberg, er darf rechtlich unproblematisch zu sein scheint, dann werden noch eine Frage stellen? (Zustimmung) wir das noch mal in der Fraktion diskutieren, und dann Gerd Böttger, PDS: Herr Rehberg, ich habe Sie immer werden wir da auch eine Entscheidung für uns selber tref- noch nicht richtig verstanden, und ich bin mir nicht ganz fen. Aber das ist dann eine Entscheidung, die muß auch sicher, ob es wirklich nur an mir liegt. Bestand haben für die Zukunft, denn man kann nicht immerzu qua politischer Mehrheit an diesem Gesetz rum- (Heiterkeit bei einzelnen arbeiten. Wenn man dieses Gesetz einmal verabschiedet Abgeordneten der SPD und PDS – hat, dann muß es zumindest so lange gelten, wie die zeit- Siegfried Friese, SPD: Frag ihn doch mal! – liche Befristung gilt. Dr. Armin Jäger, CDU: Ich glaub’ schon.) Präsident Hinrich Kuessner: So, Herr Böttger, jetzt Nein, also wenn Ihr Gesetzentwurf keine Landesgeset- können Sie Ihre Frage stellen. Bitte sehr. ze beinhaltet, dann stellt sich natürlich wirklich die Frage, ob wir dieses Gesetz dann überhaupt machen müssen, Gerd Böttger, PDS: Herr Rehberg, habe ich Sie eben denn Vorschriften, Verordnungen und so weiter, die kann richtig verstanden, daß Sie grundsätzlich mit diesem an- der Minister doch selbst ändern. Dazu braucht man doch zustrebenden Gesetz nur Standards öffnen wollen, die keine Landtagsentscheidung. nicht in Gesetzen festgeschrieben sind? Eckhardt Rehberg, CDU: Ja, aber entschuldigen Sie, Eckhardt Rehberg, CDU: Sie wollen mich wieder sehr geehrter Kollege Böttger, der Minister ist ja vielleicht falsch verstehen. noch gar nicht mal das Problem. Ich sehe die beiden Ver- 1454 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 treter der kommunalen Landesverbände, die Geschäfts- und Bericht des Petitionsausschusses auf Drucksache führer, dahinten sitzen. Was glauben Sie, welche Freude 3/719(neu). diese mit dem Landesjugendamt haben, Unterrichtung durch den Landes- (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja. – beauftragten für den Datenschutz: Zuruf von Andreas Bluhm, PDS) Dritter Tätigkeitsbericht des Landes- beauftragten für den Datenschutz gemäß Betriebserlaubnisse, Verfahren und so weiter. § 29 Absatz 1 des Landesdatenschutzgesetzes (Angelika Gramkow, PDS: Da brauche von Mecklenburg-Vorpommern (DSG MV) ich doch kein Standardöffnungsgesetz zu.) – Drucksache 2/3531 – Das heißt, es geht doch gar nicht um den Minister an Beschlußempfehlung und Bericht sich, aber die Masse von Standards wird doch in den des Petitionsausschusses unteren Landesbehörden festgelegt, wird über Erlasse, – Drucksache 3/719(neu) – (Sylvia Bretschneider, SPD: Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Da sitzen doch aber Ihre Leute drin. – Herr Grams von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Grams. Zuruf von Angelika Gramkow, PDS) Friedbert Grams, CDU: Herr Präsident! Sehr geehrte über Verordnungen gegeben und steht doch gar nicht Damen und Herren! Mit der Drucksache 3/719(neu) liegen in Gesetzen drin. Die sind doch in der Regel Ausflüsse von Ihnen nunmehr die Beschlußempfehlung und der Bericht Verordnungsermächtigungen aus Gesetzen. Und deswe- des Petitionsausschusses zum Dritten Tätigkeitsbericht gen, ich wiederhole das deshalb noch mal, es gibt zwei des Landesbeauftragten für den Datenschutz vor. Damit Wege: Entweder wir entscheiden uns dafür, daß ein Mini- kommt der Petitionsausschuß seinem Auftrag entspre- ster Gesetze ändern kann, oder wir haben den Mut, und chend Artikel 35 Absatz 1 der Landesverfassung in Ver- dazu fordere ich auch auf, daß wir hier im Landtag bindung mit dem Paragraphen 14 des Petitions- und Bür- bestimmte Gesetze kritisch hinterfragen. Wir sind bereit gerbeauftragtengesetzes nach. dazu. – Herzlichen Dank. Bereits die Drucksachennummer des Tätigkeitsberich- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) tes, den der Landesbeauftragte am 16. Februar 1998 für die Jahre 1996 und 1997 vorlegte, zeigt, daß die Vorlage Präsident Hinrich Kuessner: Das Wort hat noch ein- der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses nicht mal der Abgeordnete Herr Müller von der SPD-Fraktion. gerade zeitnah erfolgte. Dies ist nicht der Arbeitsweise Bitte sehr, Herr Müller. des Landtages oder gar des Petitionsausschusses ge- Heinz Müller, SPD (zur Geschäftsordnung): Herr Präsi- schuldet, sondern hängt mit dem Ende der zweiten Wahl- dent! Meine Damen und Herren! Ich beantrage, den Ge- periode, den Neuwahlen zum Landtag und der Neukonsti- setzentwurf zusätzlich zu den in der auf den Tischen lie- tuierung des Landtages Ende letzten Jahres zusammen. genden Vorlage genannten Ausschüssen in den Rechts- Aufgrund des Zeitverlaufes haben sich – dies hat der Lan- ausschuß zu überweisen. desbeauftragte für Datenschutz dem Petitionsausschuß während der Beratung bestätigt – bereits einige im Tätig- (Beifall Angelika Gramkow, PDS) keitsbericht angesprochene Probleme geklärt. Andere Präsident Hinrich Kuessner: Ich schließe die Aus- Sachverhalte werden den Landesbeauftragten auch wei- sprache. terhin beschäftigen. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Der Landtag der dritten Wahlperiode hat die Unterrich- Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 3/730 zur tung des Landesbeauftragten für den Datenschutz zum federführenden Beratung an den Innenausschuß und zur Dritten Tätigkeitsbericht auf Drucksache 2/3531, wie es Mitberatung an den Finanzausschuß, an den Wirtschafts- auch der Landtag der zweiten Wahlperiode empfohlen ausschuß, an den Ausschuß für Bildung, Wissenschaft hatte, in seiner 10. Sitzung am 03.03.1999 beraten und und Kultur, an den Ausschuß für Bau, Arbeit und Landes- federführend an den Petitionsausschuß sowie mitbera- entwicklung, tend an den Innenausschuß, den Rechtsausschuß, den Finanzausschuß, den Wirtschaftsausschuß, den Land- (Minister Dr. Gottfried Timm: Das stimmt doch wirtschaftsausschuß, den Ausschuß für Bildung, Wissen- gar nicht. Das ist ein Irrläufer hier. Ist das schaft und Kultur, den Ausschuß für Bau, Arbeit und Lan- wirklich so? – Angelika Gramkow, PDS: Ja.) desentwicklung, den Sozialausschuß, den Umweltaus- an den Sozialausschuß, an den Umweltausschuß und, schuß sowie den Tourismusausschuß überwiesen. eben ist zusätzlich der Antrag gestellt worden, an den Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich bei den mitbe- Rechtsausschuß zu überweisen. Wer stimmt für diesen ratenden Ausschüssen für ihre Stellungnahmen bedan- Überweisungsvorschlag? – Gegenprobe. – Enthaltungen? ken, die eine der Grundlagen der Beratungen im Peti- – Der Überweisungsvorschlag ist mit den Stimmen der tionsausschuß waren. Der Petitionsausschuß hat die Un- SPD- und PDS-Fraktion bei einer Stimmenthaltung von terrichtung in seinen Sitzungen am 9. Juni 1999, am der SPD-Fraktion und Stimmenthaltung von der CDU- 1. September 1999 und am 8. September 1999 beraten. Fraktion angenommen. Die vorgelegte Beschlußempfehlung wurde mehrheit- Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12: Beratung lich beschlossen. Zur Sprache kamen im Rahmen der Be- der Unterrichtung durch den Landesbeauftragten für den ratung im Petitionsausschuß der Paragraph 60 Absatz 6 Datenschutz – Dritter Tätigkeitsbericht des Landesbeauf- des Schulgesetzes, eine Ergänzung der Abgabenordnung tragten für den Datenschutz gemäß § 29 Absatz 1 des zu Datenschutzvorschriften und der Erlaß einer Rechts- Landesdatenschutzgesetzes von Mecklenburg-Vorpom- verordnung zur Regelung des Verfahrens zum automati- mern, Drucksache 2/3531, hierzu Beschlußempfehlung schen Abruf von Steuerdaten sowie die Gebührenfestset- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1455 zung bei Einleitung von Niederschlagswasser in das Ka- fünf Änderungsanträge der Fraktion der CDU auf den nalnetz. Drucksachen 3/776, 3/777, 3/778, 3/779 und 3/780(neu) vor. Im Ergebnis der Beratungen beschloß der Petitionsaus- schuß mehrheitlich mit den Stimmen der Fraktionen der Unterrichtung durch den Bürgerbeauftragten SPD und PDS gegen die Stimmen der Fraktion der CDU, des Landes Mecklenburg-Vorpommern: dem Landtag zu empfehlen, den Dritten Bericht des Lan- Vierter Bericht des Bürgerbeauftragten desbeauftragten für Datenschutz auf Drucksache 2/3531 gemäß § 8 Absatz 7 des Petitions- und Bürger- zur Kenntnis zu nehmen und verfahrensmäßig für erledigt beauftragtengesetzes des Landes Mecklenburg- zu erklären. Vorpommern (Petitions- und Bürgerbeauf- tragtengesetz – PetBüG M-V) für den Zeit- Ein Antrag der Fraktion der CDU, die Landesregierung raum vom 1. Januar bis 31. Dezember 1998 aufzufordern, den Vorschriften des Landesdaten- – Drucksache 3/279 – schutzes konsequent Rechnung zu tragen, die Landes- regierung zu ersuchen, sich für eine bundesweit einheit- Beschlußempfehlung und Bericht liche Regelung in der Abgabenordnung für den automa- des Petitionsausschusses tischen Steuerdatenabruf einzusetzen sowie durch den – Drucksache 3/755 – Erlaß einer angemessenen Rechtsverordnung die Über- Änderungsantrag der Fraktion der CDU mittlung von pesonengebundenen Daten gemäß Para- – Drucksache 3/775 – graph 15 Landesdatenschutzgesetz konkret zu regeln und die Landesregierung aufzufordern, in einer geson- Beschlußempfehlung und Bericht derten Stellungnahme auf das Problem der Gebühren- des Petitionsausschusses gemäß § 10 Abs. 2 festsetzung bei der Einleitung von Niederschlagswasser des Gesetzes zur Behandlung von Vorschlägen, in das Kanalnetz einzugehen, fand keine Mehrheit im Bitten und Beschwerden der Bürger sowie Petitionsausschuß. über den Bürgerbeauftragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Petitions- und Abschließend möchte ich, das glaube ich für alle Mit- Bürgerbeauftragtengesetz – PetBüG M-V) glieder des Petitionsausschusses hier sagen zu können, – Drucksache 3/763 – dem Landesbeauftragten für Datenschutz für seine kon- struktive Zusammenarbeit mit dem Petitionsausschuß bei Änderungsantrag der Fraktion der CDU der Bearbeitung von Petitionen danken. Der Petitionsaus- – Drucksache 3/776 – schuß hatte den Landesbeauftragten in der Vergangen- heit mehrmals um Unterstützung gebeten und diese auch Änderungsantrag der Fraktion der CDU immer erhalten. Dafür herzlichen Dank. – Ich danke für die – Drucksache 3/777 – Aufmerksamkeit. Änderungsantrag der Fraktion der CDU (Beifall bei einzelnen Abgeordneten – Drucksache 3/778 – der SPD und CDU) Änderungsantrag der Fraktion der CDU Präsident Hinrich Kuessner: Eine Aussprache ist – Drucksache 3/779 – nicht vorgesehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, Änderungsantrag der Fraktion der CDU dann ist das so beschlossen. – Drucksache 3/780(neu) – Wir kommen zur Abstimmung. Das Wort zur Berichterstattung zur Drucksache 3/755 Der Petitionsausschuß empfiehlt in seiner Beschluß- hat der Abgeordnete Herr Grams von der CDU-Fraktion. empfehlung auf Drucksache 3/719(neu), den Dritten Be- Bitte sehr, Herr Grams. richt des Landesbeauftragten für den Datenschutz auf Friedbert Grams, CDU: Herr Präsident! Sehr geehrte Drucksache 2/3531 zur Kenntnis zu nehmen und verfah- Damen und Herren! Mit der Drucksache 3/755 legt der rensmäßig für erledigt zu erklären. Wer der Beschlußemp- Petitionsausschuß dem Landtag die Ergebnisse seiner fehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Beratungen sowie der Beratungen der mitberatenden Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist Ausschüsse über den Vierten Bericht des Bürgerbeauf- die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf tragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern vor. Damit Drucksache 3/719(neu) einstimmig angenommen. ist der Petitionsausschuß seinen gesetzlichen Verpflich- Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 13: a) Beratung tungen nachgekommen. der Unterrichtung durch den Bürgerbeauftragten des Lan- Der Petitionsausschuß hat die Unterrichtung des Bür- des Mecklenburg-Vorpommern – Vierter Bericht des Bür- gerbeauftragten, die der Landtag dem Petitionsausschuß gerbeauftragten gemäß § 8 Absatz 7 des Petitions- und federführend sowie mitberatend dem Innenausschuß, Bürgerbeauftragtengesetzes des Landes Mecklenburg- dem Wirtschaftsausschuß, dem Landwirtschaftsaus- Vorpommern für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. De- schuß, dem Ausschuß für Bau, Arbeit und Landesent- zember 1998, Drucksache 3/279, hierzu Beschlußemp- wicklung, dem Sozialausschuß und dem Umweltaus- fehlung und Bericht des Petitionsausschusses, Drucksa- schuß überwiesen hat, in seiner 17. Sitzung am 29. Sep- che 3/755, in Verbindung mit b) Beschlußempfehlung und tember 1999 abschließend beraten und der vorgelegten Bericht des Petitionsausschusses gemäß § 10 Abs. 2 des Beschlußempfehlung mehrheitlich zugestimmt. Und auch Gesetzes zur Behandlung von Vorschlägen, Bitten und hier möchte ich mich bei den mitberatenden Ausschüssen Beschwerden der Bürger sowie über den Bürgerbeauf- recht herzlich bedanken. tragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Drucksa- che 3/763. Zum Tagesordnungspunkt 13 a) liegt Ihnen ein Ein Antrag der Fraktion der CDU, der sich mit verschie- Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache denen auch von den mitberatenden Ausschüssen ange- 3/775 vor. Zum Tagesordnungspunkt 13 b) liegen Ihnen sprochenen im Bericht des Bürgerbeauftragten aufge- 1456 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 führten Problemen auseinandersetzt, fand im Petitions- einigen unserer Bürger doch schwerfällt, ihr Anliegen ausschuß nicht die erforderliche Mehrheit. zu Papier zu bringen. 60 Prozent mündliche Petitionen belegen dies. Hier sehe ich vor allem die Aufgabe des Der Petitionsausschuß beschloß mehrheitlich, dem Bürgerbeauftragten, Menschen die Möglichkeit zu ge- Landtag zu empfehlen, der Landesregierung den Bericht ben, ohne große bürokratische Hemmnisse zu Wort zu des Bürgerbeauftragten sowie die Stellungnahmen der kommen. mitberatenden Ausschüsse zur Berücksichtigung zuzulei- ten. Die Koalitionsfraktionen und die Oppositionsfraktion Der Petitionsausschuß versucht in gleicher Weise tätig konnten sich im Petitionsausschuß nicht darüber verstän- zu werden, ist aber an die Schriftlichkeit der Petition ge- digen, die Landesregierung aufzufordern, dem Petitions- bunden. Gerade in den Außensprechstunden kann es dem ausschuß eine Stellungnahme zu den im Bericht ange- Bürgerbeauftragten am besten gelingen, Sprachrohr und sprochenen Problemen zuzuleiten. Ohr des Bürgers zu sein, denn der Bürgerbeauftragte ist direkt vor Ort. Hier fehlt die Hemmschwelle, sich an einen Der Bürgerbeauftragte hat im Petitionsausschuß be- für den Bürger anonymen Ausschuß zu wenden. Ich würde dauert, daß aufgrund des Verzichts des Petitionsaus- em p f e h l e n , daß der Bürgerbeauftragte seine Außensprech- schusses, dem Landtag die Beauftragung der Landesre- st u n den weiterhin erhöht. gierung zur Abgabe einer Stellungnahme vorzuschlagen, die Chance vertan worden sei, daß an den von ihm ange- Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht ins Detail sprochenen Problemen konkret weitergearbeitet werde. gehen, was die einzelnen Punkte angeht. Das haben die fachlich zuständigen Ausschüsse bereits getan. Die Aus- (Annegrit Koburger, PDS: schüsse haben dabei interessante Stellungnahmen abge- Dem haben wir widersprochen.) geben, die die Landesregierung berücksichtigen sollte. Ich möchte auch hier unserem Bürgerbeauftragten und Ich möchte kritisch anmerken, es kann nicht sein, daß seinen Mitarbeitern im Namen des Petitionsausschusses der Bürgerbeauftragte einseitig auf die Aussagen der danken, denn die Beratungen haben im Ausschuß deut- Petenten eingeht. Mißstände versucht er ebenso wie der lich gemacht, daß von dem Bürgerbeauftragten und den Petitionsausschuß zusammen mit der beteiligten Verwal- Mitarbeitern eine engagierte Arbeit sowie eine gute Zu- tung und den Petenten zu lösen. Gerade aus diesem sammenarbeit mit dem Petitionsausschuß erfolgte. Der Grund sollten in dem Bericht beide Seiten zu Wort kom- Bericht wurde als gut und informell angesehen. – Ich men. danke für die Aufmerksamkeit. Der Petitionsausschuß versucht stets, die Aussagen (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) der Petenten zu objektivieren. Gerade auf diese Art und Präsident Hinrich Kuessner: Im Ältestenrat wurde Weise ist allen am besten geholfen. Ein Ausschuß, der nur eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten verein- einen Part zu Wort kommen läßt, verspielt seine Ein- bart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es flußmöglichkeiten. Das gilt sicherlich auch für den Bürger- so beschlossen. beauftragten. Ich eröffne die Aussprache. Polemische Äußerungen wie diejenige, die der Stadt Schwerin vorwirft, sie kümmere sich nicht um die Peanuts Das Wort hat die Abgeordnete Frau Mahr von der SPD- von 40 Millionen DM, dienen nicht der Sache. Sie ver- Fraktion. Bitte sehr, Frau Mahr. schärfen lediglich die Kontroverse, die schon lange Jahre Beate Mahr, SPD: Herr Präsident! Meine Damen und vor sich hin schmort. Eine Landesregierung, die Konflikte Herren Abgeordnete! Der Bürgerbeauftragte hat seinen derart lange auf sich beruhen läßt, steht meines Erachtens Bericht für das Jahr 1998 vorgelegt. Ich möchte mich hier richtigerweise in der Kritik. Der Bürgerbeauftragte sollte ausdrücklich im Namen der SPD-Landtagsfraktion für die aber nicht noch Öl auf das Feuer gießen. Hier sind ande- Vorschläge in diesem Bericht bedanken. Die Gliederung re zuständig. ist klarer als in den Vorjahren und damit weitaus lesbarer. Meine Damen und Herren! Der Bürgerbeauftragte gibt Sehr gut gefallen haben mir auch die kursivgesetzen Vor- natürlicherweise nur einen Ausschnitt aus der Behör- schläge und Anregungen des Bürgerbeauftragten. Diese dentätigkeit des Landes wieder. Manche Fälle lesen sich sollten sich die Entscheider in der Landesregierung zu wie Stücke aus dem Tollhaus. Herzen nehmen. Dennoch möchte ich Herrn Jelen und seinen Mitarbeitern auf den Weg geben, daß er im näch- (Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS) sten Bericht berücksichtigten möge, was aus seinen Vor- Aber ich denke, daß die Verwaltung auch einmal be- schlägen und Hinweisen geworden ist. Er sollte sich nicht greift, daß sie für den Bürger Dienstleistungen zu erbrin- damit begnügen, sie jedes Jahr neu zu formulieren. Papier gen hat. ist geduldig, worauf es ankommt, sind jedoch die Verän- derungen, die der Bürgerbeauftragte erreichen kann. (Beifall Thomas Nitz, CDU – Reinhard Dankert, SPD: Ja.) Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß möglichst viele Menschen diesen Bericht lesen. Er wird jedes Jahr Der Bürgerbeauftragte trägt mit seiner Beharrlichkeit besser. Was leider nicht besser wird, ist der Grad der Zu- dazu bei, daß sich diese Haltung hoffentlich durchsetzt. friedenheit vieler Bürgerinnen und Bürger mit dem Verhal- Dafür unseren Dank. ten einzelner Behörden. Ich bedauere das als SPD-Obfrau im Petitionsausschuß sehr. Der Bericht dokumentiert also Nun zu den Änderungsanträgen der CDU, zuerst die Bürgerunfreundlichkeit einzelner. Drucksache 3/775. Hier trifft „Wer schreibt, der bleibt“ nicht zu. Die Taten, nicht die Schriftsätze der Regierung Erfreulich zu lesen, daß der Bürgerbeauftragte die Zahl werden für sich sprechen. Wir empfehlen also Ablehnung. seiner Außensprechtage von 1995 bis 1998 auf 86 Sprech- Dieses gilt für die Drucksachen 3/376 bis 3/380 ebenso. tage steigern konnte. Das ist besonders wichtig, weil es Ich habe sie mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1457

Sollen jetzt alle Petitionen, die nicht einstimmig im Aus- sem Gremium kann ich dem nur entgegenhalten: „Gut schuß beraten wurden, ins Parlament gehen? – Danke. Ding will Weile haben“ und in etwas abgewandelter Form: „Was lange währt, wird manchmal gut.“ Manch längere (Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS) Bearbeitungszeit ist somit der Tatsache geschuldet, daß Präsident Hinrich Kuessner: Das Wort hat die Abge- in zahlreichen Gesprächen mit den Petentinnen und ordnete Frau Koburger von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Petenten mit Verantwortlichen in Verwaltungen auf kom- Frau Koburger. munaler, kreislicher und Landesebene um Probleme gerungen wird, bis zu zahlreichen Ortsterminen, die wir Annegrit Koburger , PDS: Meine Damen und Herren! vornehmen. Ergebnis dessen ist, daß in den jetzt vorlie- Herr Präsident! Zum vierten Mal liegt uns der Bericht des genden Empfehlungen circa 45 Prozent im Interesse von Bürgerbeauftragten vor. Er ist sehr detailliert und unter- Petentinnen und Petenten entschieden werden konnten. scheidet sich daher sehr wohltuend von den ersten, da er zielgerichtet Unzulänglichkeiten in Gesetz und Verord- Nun noch einige Worte zu den Änderungsanträgen sei- nung beziehungsweise in deren Umsetzung und damit tens der CDU. Auch ich war etwas verblüfft über diese Handlungsbedarfe für die Politik aufzeigt. neue Form der Beratung von einzelnen Petitionen. (Angelika Gramkow, PDS: (Volker Schlotmann, SPD: Das ist ein Novum.) Woran das wohl liegt?) Doch mich hat das sehr verwundert, da wir im Aus- Dies gilt es nun zu überprüfen und kontinuierlich an schuß auch die Ablehnung der Anträge der CDU dahinge- dem Abbau der Unzulänglichkeiten zu arbeiten. Zu ver- hend begründet bekamen von Angestellten aus Verwal- zeichnen ist mittlerweile, daß in einigen Bereichen an Pro- tungen, die in den Bereichen tätig sind, beziehungsweise blemlösungen ressortübergreifend gearbeitet wird. Hier aus eigenen Erfahrungen, daß bestimmte höchstrichterli- möchte ich beispielhaft den Kampf gegen rechtsextremi- che Entscheidungen durch den Petitionsausschuß ein- stische Tendenzen nennen. Ausgehend von unserer fach nicht über Bord geworfen werden und wir auch vom Koalitionsvereinbarung werden neue Schwerpunktset- Petitionsausschuß keine Gesetze ändern können. Das be- zungen in der politischen Bildung, im Bildungsbereich darf allerdings dann eines Antrages der CDU, dieses oder selbst sowie in der polizeilichen und juristischen Arbeit jenes Gesetz zu ändern, ob nun im Bund oder hier im Schritt für Schritt umgesetzt. In anderen Bereichen sind Land. wir schon ein ganzes Stück weiter, wie es auch die Tages- Besonders deutlich wird das für mich an dem Antrag ordnung für diese Landtagssitzung beweist. 3/780(neu). Die Petentin hat hier, Bezüglich der Verbesserung der Teilhabemöglichkeiten (Volker Schlotmann, SPD: Zurückgezogen.) von Menschen mit Behinderungen sind erste Schritte ge- tan, wie das Integrationsfördergesetz, und weitere sind in wer das in den Beschlußempfehlungen nachliest, kann Arbeit sowie die Änderung von Gesetzen und Verordnun- das erfahren, die Petition selbst zurückgezogen, und hier gen, die im Augenblick noch erhebliche diskriminierende darf laut dem Petitionsgesetz der Petitionsausschuß über- Elemente für Menschen mit Behinderungen enthalten. haupt nicht mehr daran weiterarbeiten. Gerade hier wird der Ausspruch zur traurigen Wahrheit (Volker Schlotmann, SPD: „Wir sind nicht behindert, sondern wir werden behindert Ein Schelm, der Böses dabei denkt.) durch unsere Umwelt.“ Um an den durch den Bürgerbe- Das hat auch datenschutzrechtliche Gründe. – Danke auftragten erarbeiteten Empfehlungen und Vorschlägen schön. weiter arbeiten zu können, sollte der Bericht der Landes- regierung zur Berücksichtigung überwiesen werden. Das (Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS) halte ich auch für den richtigeren Weg, als noch einmal eine Stellungnahme abzufordern. Frau Mahr ist darauf Präsident Hinrich Kuessner: Das Wort hat der Abge- schon eingegangen. Nicht „Wer schreibt, der bleibt“, son- ordnete Herr Nitz aus Stralsund – Pardon! –, ich meine dern Taten zählen. natürlich aus der CDU-Fraktion. Aber Stralsund stimmt auch, ne? Das gilt ebenso für die Empfehlungen, die die einzelnen Fachausschüsse in Auswertung des Berichts des Bürger- (Heiterkeit bei den Abgeordneten – beauftragten beschlossen haben. Wichtig wäre jedoch Angelika Gramkow, PDS: Das ist aber ganz neu.) auch, einen Kontrollmechanismus zu finden. Die Fraktio- Thomas Nitz, CDU: Ja, wenn Sie schon sagen, wo wir nen der SPD und PDS haben diesbezüglich vorgeschla- herkommen, vielleicht kann man dann auch bei diesen gen, daß der Bürgerbeauftragte in seiner Berichterstat- Tagesordnungspunkten die Abgeordneten schon persön- tung demnächst mit aufnimmt, wie an seinen Empfehlun- lich ansprechen. Das werden immer weniger, gerade jetzt gen gearbeitet wird und welche Veränderungen sich dar- bei diesem Thema. aus ergeben haben. Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich (Heike Lorenz, PDS: Genau. – aufgrund der weitestgehenden Übereinstimmung zwi- Reinhard Dankert, SPD: schen den Inhalten von Petitionen über den Bürgerbeauf- Aber wir sind da, Herr Nitz.) tragten einerseits und den Petitionsausschuß anderer- Taten zählen, das wurde gesagt, wer schreibt, der seits noch einige Anmerkungen zu den Beschlußempfeh- bleibt. lungen des Petitionsausschusses vornehme. (Heike Lorenz, PDS: Und Ihre Fraktion Wer sich die Jahresdaten einzelner Petitionen genauer interessiert sich gar nicht dafür.) betrachtet, könnte den Eindruck gewinnen, die Aus- schußmitglieder verschleppen diese, bis sie hinfällig Ich füge hinzu „Ohne Dampf keine Leistung“. Deshalb geworden sind. Doch nach circa fünfjähriger Arbeit in die- ist vielleicht etwas Druck ganz sinnvoll. Frau Mahr hat 1458 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 gesagt, die Landesregierung soll sich diesen Bericht des cherheit, so eine Angst, so einen Schutzwall, der sich darum Bürgerbeauftragten sehr zu Herzen nehmen. Damit sie aufbaut. Es geht doch nur darum, die entsprechenden Behör- sich den auch richtig zu Herzen nimmt und damit das den zu zwingen, sich dieses Themas, was angesprochen auch richtig tiefgeht, wollen wir doch ein bißchen Ver- wurde in verschiedenen Punkten, noch einmal anzunehmen. bindlichkeit, eine Stellungnahme, auf die man zurückgrei- (Volker Schlotmann, SPD: Aber, Herr Nitz, fen kann. Wir wollen wissen, was mit den Hinweisen aus Lernfähigkeit hat nichts mit Vergeßlichkeit dem Bericht passiert. Werden sie angenommen? Werden zu tun, oder sollte es zumindest! sie umgesetzt? Wird das nicht getan? Und wenn nicht, Fragen Sie mal Ihre Ex-Ministerin!) warum nicht? Ich denke, das ist so unlegitim nicht. Wieso? Ich denke, wenn man nach vorne guckt und (Volker Schlotmann, SPD: Warum haben sich dabei erinnert, was in der Vergangenheit möglicher- Sie denn das in der letzten Legislatur nicht weise falsch gelaufen ist, dann ist es vollkommen richtig. gemacht? Können Sie uns das mal sagen?) Ich sehe jedenfalls, daß hier eine gewisse Unsicherheit Wir lernen, wir lernen dahintersteht. Es könnte ja sein, daß so ein Oppositionel- ler daherkommt, sich an Details festbeißt und eben hier (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten auch ein bißchen an den Schlaf der Welt rührt. der SPD und PDS) (Angelika Gramkow, PDS: Na, na, na!) aus unseren Erfahrungen und auch möglicherweise aus Versäumnissen und Fehlern. Jedenfalls möchte ich Sie ganz herzlich bitten, noch einmal zu überdenken, ob nicht eine Stellungnahme zu (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – den aufgeworfenen Fragen im Sinne der Bürger, im Sinne Volker Schlotmann, SPD: Das freut uns.) der Bearbeitung dieser Probleme doch angebracht wäre. In der Opposition sieht man auch manchmal Sachen Zu den Petitionen – da fange ich mal mit der letztge- deutlicher. nannten an: Frau Koburger hatte gesagt, die Dame hat (Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD das Ding zurückgezogen. und PDS – Volker Schlotmann, SPD: Oh! – (Annegrit Koburger, PDS: Ja.) Kerstin Kassner, PDS: Ah ja? Späte Erkenntnis!) Das stimmt, und genau das ist das Problem. Das muß man ehrlich sagen. Ich frage mich auch, was ist denn an einer Stellungnahme – es sind ja ganz konkre- (Annegrit Koburger, PDS: Weiß ich. – te Fragen aufgeworfen worden – so dramatisch, und was Angelika Gramkow, PDS: Also können Sie es ist daran so furchtbar? nicht gegen ihren Willen weiter bearbeiten.) (Annegrit Koburger, PDS: Sie ändert nichts.) Es geht nicht darum, daß wir diese Petition nicht mehr weiter bearbeiten können. Diese Dame haben wir auch – Jeder, der hier sitzt, sitzt doch hier für Leute, die ihn zumindest glaube ich das bei diesen Leuten, die jetzt ent- auch bezahlen und für die er letztlich auch hier sitzt. täuscht ihre Petition zurückziehen – für den Aufbau einer (Volker Schlotmann, SPD: demokratischen Zukunft verloren. Darum geht’s doch gar nicht.) (Zuruf von Annegrit Koburger, PDS) Manchmal habe ich den Eindruck, daß vielleicht eine Diese Leute sind so enttäuscht und resigniert, sie krie- gewisse Routine, die eingezogen ist, das vergessen läßt, gen letztendlich vom Petitionsausschuß oder beziehungs- für wen wir hier sitzen. weise von der Landesregierung über den Ausschuß die- (Beifall Heike Lorenz, PDS) selben Antworten, die sie schon vorher erhalten haben, die sie praktisch zu der Petition veranlaßt haben. Es geht um den Bürger und darum, seine Probleme zu lösen. (Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Heike Lorenz, PDS: (Beifall Heike Lorenz, PDS: Richtig, Herr Nitz.) Da hat doch aber der Ausschußvorsitzende ‘ne ganz wichtige Verantwortung.) Ich verstehe nicht, warum eine Landesregierung unbe- dingt unter eine Käseglocke gesetzt werden muß. Auch Die Landesregierung soll nur in Kenntnis gesetzt wer- die Mitarbeiter in den Behörden sind doch sonst so tapfer, den beispielsweise. Das ist Ziel dieser Überweisung. wenn es darum geht, irgend etwas abzulehnen und die Diese Landesregierung soll in Kenntnis gesetzt werden, Leute zu drangsalieren. daß hier Leute resignieren. (Beifall Wolfgang Riemann, CDU – (Beifall Wolfgang Riemann, CDU – Volker Schlotmann, SPD: Oh, oh! – Angelika Gramkow, PDS: Vielleicht Heike Lorenz, PDS: Das ist gemein.) hat sich aber das Problem gelöst.) Warum diese Angst vor ein bißchen Verbindlichkeit, vor Das Problem hat sich nicht gelöst, das wissen Sie. allem vor einer schriftlichen Sache, wo man auch mögli- (Angelika Gramkow, PDS: Aha.) cherweise noch einmal darauf zurückkommen kann? Warum diese Angst? Ich kann leider hier keine Details erzählen. (Volker Schlotmann, SPD: Wer hat denn (Angelika Gramkow, PDS: Genau deshalb sollten Angst? Ich hab’ doch gar nichts gesagt.) wir das nicht machen. – Harry Glawe, CDU: Da können Sie ja Frau Gramkow dazu animieren. – Ich sehe hier immer wieder eine Landesregierung, die sich Zuruf von Volker Schlotmann, SPD – mit Erfolgen schmückt, und dann sehe ich wieder so eine Unsi- Glocke des Präsidenten) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1459

Aber vielleicht können Sie sich da an Ihre Obleute im (Beifall Wolfgang Riemann, CDU – Ausschuß wenden und sich informieren lassen, Gesine Skrzepski, CDU: Richtig, Thomas!) (Angelika Gramkow, PDS: Das haben wir getan.) Dann haben wir noch eine Rehabilitierungsgeschichte. Da ging es einfach nur darum, noch mal eine zweite Stel- wie die Sache ausgegangen ist, und auch ungefähr dar- lungnahme einer anderen Behörde einzuholen – in diesem über, wie der Wortlaut dieser Rücknahme ist. Fall steht es drin, des Beauftragten für die Unterlagen der Es ist die blanke Verbitterung, die blanke Enttäu- Staatssicherheit –, weil möglicherweise dasselbe Problem schung. Und das ist der Grund dafür, daß wir der Landes- von verschiedenen Leuten auch verschieden gesehen regierung diese Petition noch einmal zur Befassung über- werden kann. Darum geht es in dieser Petition. Warum weisen wollen, daß man nämlich genau so mit den Leuten kann man dem nicht zustimmen? nicht umgehen darf. (Beifall Wolfgang Riemann, CDU) (Beifall Lutz Brauer, CDU – Heike Lorenz, PDS: Man darf aber auch keine Und letztendlich möchte ich noch sagen, daß die Abge- falschen Hoffnungen wecken, Herr Nitz.) ordneten eine Kontrollpflicht gegenüber der Landesregie- rung und den Landesbehörden haben. Zur nächsten Petition. Ich wollte eigentlich nicht im ein- zelnen darauf eingehen, aber Sie haben mich dazu ge- (Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU) zwungen. Jetzt habe ich meine Rede beiseite gelegt und Die Abgeordneten des Landtages gehe auf die einzelnen Petitionen ein. (Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.) (Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.) haben eine Kontrollpflicht und sind kein parlamentari- scher Abschirmdienst. – Herzlichen Dank. Wir haben hier eine Petition dabei, dazu die Drucksache 3/778, da geht es um Arbeitsplätze. Da geht es um (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) Arbeitsplätze, die, ja, mit einer Begründung praktisch weggewischt werden. Da wird gesagt, in diesem Fall ist es Vizepräsidentin Renate Holznagel: Herr Abgeordne- eine Verkaufseinrichtung – ich kann es jetzt nur ganz grob ter, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Schlot- beschreiben –, die die Sicherheit und Leichtigkeit des Ver- mann? kehrsflusses beeinträchtigt. Thomas Nitz, CDU: Ja, wenn ich sie beantworten (Angelika Gramkow, PDS: Hier geht es um einen kann, gerne. Imbißwagen. Das steht in unserer Drucksache.) Vizepräsidentin Renate Holznagel: Bitte sehr, Herr Ich bin jetzt ein bißchen unsicher, weil wir mit den Peti- Schlotmann. tionen sehr vorsichtig sein müssen. Jedenfalls wird gesagt, (Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU) er gefährdet die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Daneben stehen Toiletten. Die machen das nicht. Was Volker Schlotmann, SPD: Herr Nitz, das kann ich unterscheidet nun den Imbißwagen von den Toiletten? Ihnen vorher natürlich auch nicht sagen. (Volker Schlotmann, SPD: Das ist Wissen Sie, Herr Nitz, Ihnen selber glaube ich das En- Bundesgesetzgebung, meine Güte!) gagement, mit dem Sie Ihre Fragestellungen bezüglich Und letztendlich geht es um Arbeitsplätze, auch wenn Ihrer Änderungsanträge vorgebracht haben, das nehme es möglicherweise lustig klingt. ich Ihnen hundertprozentig ab. Aber einige Kommentare aus Ihrer Fraktion lassen mich einfach diese Fragen stel- Dann haben wir die 3/776. Bei dieser Petition geht es len, um das hier mal richtigzustellen. um Bundesrecht, und zwar um eine Reha-Angelegenheit. Der Petitionsausschuß des Bundestages befaßt sich lau- Ich fange an mit der Drucksache 3/780. Stimmen Sie fend mit solchen Themen, und es ist sicherlich nicht ver- mir da zu, auch in bezug auf die Äußerungen von Frau kehrt, den Petitionsausschuß des Bundestages auch mal Koburger, daß die Petentin diese Petition zurückgezogen auf die Probleme, die wir hier vor Ort haben, hinzuweisen. hat und diese damit nicht mehr gegenstandslos ist für den Nichts anderes war mit dieser Geschichte beabsichtigt. Petitionsausschuß und für den Landtag? Stimmen Sie mir Und ich weiß nicht, warum man da nicht zustimmen kann, da zu? Die ist gegenstandslos für uns hier im Parlament. was daran nun wieder so verkehrt sein soll. Stimmen Sie mir zu? (Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.) (Wolfgang Riemann, CDU: Nicht mehr gegenstandslos?) Die 3/777: Bei dieser Petition geht es um eine Proble- matik, die wir schon mehrfach angesprochen hatten, und Ich habe den Kollegen Nitz gefragt, und wir reden jetzt zwar um Vertriebene, die deshalb keine Entschädigung miteinander. erhalten, weil sie zwischenzeitlich nicht im Bundesgebiet Thomas Nitz, CDU: Ja, ja, ich habe es richtig verstan- gewohnt haben. Da gibt es zum Beispiel auch diesen sel- den. Diese Petition ... tenen Fall, daß jemand noch kurz vor dem Ende der DDR ausgebürgert wurde, praktisch zweimal vertrieben wurde, Volker Schlotmann, SPD: Formal, formal! aber nicht einmal Entschädigung kriegt. Das ist aus mei- ner Sicht ein purer Verstoß gegen den Gleichheitsgrund- Thomas Nitz, CDU: Diese Petition ist gegenstandslos, satz des Grundgesetzes. Auf jeden Fall ist diese Stich- ohne Frage. Ganz klar. tagsregelung ein Thema auch im Bundestag und im Peti- Volker Schlotmann, SPD: Gut. tionsausschuß des Bundestages, und da sollte dieses Thema auch hin. Was ist daran verkehrt? Thomas Nitz, CDU: Ja, bloß ... 1460 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

Volker Schlotmann, SPD: Darf ich noch eine weitere wenn solche Petitionen keinen Erfolg haben. Und geben Frage stellen? Sie mir recht, daß Teile Ihrer Fraktion dies als Vehikel nut- zen, um die Landesregierung wieder vorzuführen? Thomas Nitz, CDU: Ja, aber dann lassen Sie mich auch den zweiten Satz sagen. Das Problem besteht aber (Beifall Heidemarie Beyer, SPD – weiter – ich habe es vorhin gesagt –, daß Leute sich aus Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU) Enttäuschung und Frust praktisch von allem abwenden, Thomas Nitz, CDU: Dazu habe ich nun mehrfach was denn sie wenden sich mit großen Hoffnungen an den Peti- gesagt, tionsausschuß, weil sie meinen, dort erfahren sie Hilfe, und bekommen dann teilweise dieselben Antworten, weil (Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU) es manchmal auch gar nicht anders geht, das will ich ja gar nicht verhehlen. Das ist das Problem. zu dieser Gluckenfunktion, die Sie sich hier selber auf- erlegen. Es geht doch nicht darum, die Landesregierung (Angelika Gramkow, PDS: Das hat Frau Kozian hier vorzuführen. Es geht allerdings auch nicht darum, die acht Jahre lang erlebt in diesem Parlament.) Landesregierung hier zu loben. Für gute Arbeit gibt es gutes Geld, auf Fehler muß man hinweisen, und sie müs- Volker Schlotmann, SPD: Gut, aber das war nicht sen abgestellt werden. meine Frage, weil ich da Ihre Auffassung teile. Darf ich noch eine zweite Frage stellen? Die erste Frage war die nach der eigenen Fraktion. Ja, Vizepräsidentin Renate Holznagel: Herr Abgeordne- ob die Petitionen hier nun keinen Erfolg haben werden, ter, gestatten Sie noch eine weitere Frage? (Zustimmung) das werden wir jetzt an Ihrem Abstimmungsverhalten sehen. Bitte, Herr Schlotmann. (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Volker Schlotmann, SPD: Zu der Drucksache 3/778, Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD – da ging es um die Genehmigung – so ist es in der Druck- Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.) sache zu lesen, von daher ist es an der Stelle nicht geheim – eines Imbißwagens. Sie haben die Umstände ein wenig Und dann werden wir in der Fraktion weitersehen, wie beschrieben. Stimmen Sie mir zu, wenn ich zitiere, daß wir damit verfahren. der Betrieb dieses Imbißwagens aufgrund einer bundes- Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke, Herr Nitz. gesetzlichen Regelung untersagt worden ist? Ich schließe die Aussprache. Thomas Nitz, CDU: Nein, dem stimme ich nicht zu. Nein, und zwar, ... Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußemp- fehlung auf Drucksache 3/755. Volker Schlotmann, SPD: Sondern? Thomas Nitz, CDU: Ja, das kann man, so meine ich, Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der auch in den Stellungnahmen des Petitionsausschusses CDU auf Drucksache 3/775 vor, über den ich zunächst des Bundestages nachlesen, daß diese Wagen, die vor abstimmen lasse. Wer dem zuzustimmen wünscht, den allem in der ersten Zeit nach der Wende zunächst mal die bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthal- Versorgung entlang den Straßen – da ging es mehr um die tungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der Bundesautobahn, das ist hier nicht so ein Fall, aber es ist CDU auf Drucksache 3/775 mit den Stimmen der SPD- ähnlich gelagert – gewährleistet haben, die eine wichtige Fraktion und PDS-Fraktion sowie einer Stimmenthaltung Versorgungslücke gefüllt haben, ein preiswertes Angebot der PDS-Fraktion gegen die Stimmen der CDU-Fraktion bereithalten, wenn sie wirklich weg müssen, weil sie mög- abgelehnt. licherweise nach der Auslegung des Gesetzes die Sicher- Ich rufe auf die Ziffer 1 der Beschlußempfehlung. Der heit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen, daß Petitionsausschuß empfiehlt unter Ziffer 1 seiner Be- man dies zumindest auf ganz lange Sicht sozial abfedert. schlußempfehlung, den Bericht des Bürgerbeauftragten Praktisch müssen Sie sich vorstellen, das ist wie ein lang- auf Drucksache 3/279 sowie die einzeln aufgeführten fristiger kw-Vermerk. Sie wissen, sie müssen irgendwann Empfehlungen der mitberatenden Ausschüsse der Lan- da weg, aber es wird ein sozialverträglich langfristiger Ter- desregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Wer min gesetzt. Und es ist aus meiner Sicht sehr rigide, wie der Ziffer 1 der Beschlußempfehlung zuzustimmen hier vorgegangen wird. Es sind immerhin zwei Arbeits- wünscht, den bitte um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – plätze, die damit verbunden sind. Enthaltungen? – Damit ist die Ziffer 1 der Beschlußemp- Volker Schlotmann, SPD: Darf ich noch eine letzte fehlung auf Drucksache 3/755 mit den Stimmen der Frak- Frage stellen? tionen der SPD und PDS sowie der Fraktion der CDU bei vier Gegenstimmen der CDU-Fraktion angenommen. Vizepräsidentin Renate Holznagel: Herr Abgeordne- ter, gestatten Sie noch eine letzte Frage? (Zustimmung) In Ziffer 2 seiner Beschlußempfehlung empfiehlt der Petitionsausschuß, den Vierten Bericht des Bürgerbeauf- Volker Schlotmann, SPD: Herr Nitz, ich habe gerade tragten zur Kenntnis zu nehmen und verfahrensmäßig für gesagt, daß ich Ihnen das ganz persönlich abnehme, daß erledigt zu erklären. Wer der Ziffer 2 der Beschlußemp- Sie mit echtem Engagement dahinterstehen. fehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Hand- Thomas Nitz, CDU: Danke. zeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Volker Schlotmann, SPD: Eine zweigeteilte Frage. Ha- (Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD, ben Sie in Ihrer eigenen Fraktion keine Mehrheit dafür CDU und PDS – Wolfgang Riemann, CDU: bekommen, diese Petition über den Weg der Fraktion wei- Bei uns herrscht eben kein Fraktionszwang. – terzuleiten zum Beispiel an den Bundestag? Denn das Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten machen viele Fraktionen dieses Landtages von Beginn an, der SPD, CDU und PDS) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1461

Damit ist die Ziffer 2 der Beschlußempfehlung auf stimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Drucksache 3/755 mit den Stimmen der Fraktionen der Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Änderungs- SPD und PDS, einigen Stimmen der Fraktion der CDU, antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/777 mit vier Gegenstimmen der CDU und drei Stimmenthaltungen den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS bei Zu- der CDU angenommen. stimmung der CDU abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußemp- Wer der Empfehlung des Petitionsausschusses zur fehlung auf Drucksache 3/763. In Ziffer 1 seiner Beschluß- Petition 45/99 entsprechend der Sammelübersicht zuzu- empfehlung empfiehlt der Petitionsausschuß, die in der stimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Sammelübersicht aufgeführten Petitionen entsprechend Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist die den Empfehlungen des Petitionsausschusses abzu- Empfehlung zur Petition 45/99 entsprechend der Sam- schließen. melübersicht mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS gegen die Stimmen der Fraktion der CDU ange- Es ist beantragt worden, über die Empfehlungen zu den nommen. Petitionen 399/98, 443/98, 45/99, 153/99, 169/99 und 195/99 einzeln abstimmen zu lassen. Ich lasse sodann über die Empfehlung zur Petition 153/99 abstimmen. Ich lasse über die Empfehlung zur Petition 399/98 abstimmen. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/778 vor, über den ich zunächst Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der abstimmen lasse. Wer dem zuzustimmen wünscht, den CDU auf Drucksache 3/780(neu) vor, über den ich zu- bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltun- nächst abstimmen lasse. Wer dem zuzustimmen gen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – CDU auf Drucksache 3/778 mit den Stimmen der Fraktio- (Wolfgang Riemann, CDU: nen der SPD und PDS bei Zustimmung der Fraktion der Jetzt aber hoch die Arme!) CDU abgelehnt. Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Ände- Wer der Empfehlung des Petitionsausschusses zur Peti- rungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache tion 153/99 entsprechend der Sammelübersicht zuzustim- 3/780(neu) mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und men wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – PDS bei einer Enthaltung bei der PDS und Gegenstimmen Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Empfehlung der CDU abgelehnt. zur Petition 153/99 entsprechend der Sammelübersicht mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS gegen (Angelika Gramkow, PDS: Jetzt stimmen wir die Stimmen der Fraktion der CDU angenommen. das alles einzeln ab. – Heidemarie Beyer, SPD: Das ist wie beim Haushalt, Frau Gramkow.) Wir kommen zur Abstimmung über die Empfehlung zur Petition 169/99. Wer der Empfehlung des Petitionsausschusses zur Petition 399/98 entsprechend der Sammelübersicht zuzu- Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der stimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – CDU auf Drucksache 3/779 vor, über den ich zunächst Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Empfehlung abstimmen lasse. Wer dem zuzustimmen wünscht, den zur Petition 399/98 entsprechend der Sammelübersicht bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthal- mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS gegen tungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der die Stimmen der Fraktion der CDU angenommen. CDU auf Drucksache 3/779 mit den Stimmen der Fraktio- nen der SPD und PDS bei Zustimmung der Fraktion der Ich lasse jetzt über die Empfehlung zur Petition 443/98 CDU abgelehnt. abstimmen. Wer der Empfehlung des Petitionsausschusses zur Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der Petition 169/99 entsprechend der Sammelübersicht zuzu- CDU auf Drucksache 3/776 vor, über den ich zunächst stimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – abstimmen lasse. Wer diesem Änderungsantrag zuzu- Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Empfehlung stimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – zur Petition 169/99 entsprechend der Sammelübersicht Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Änderungs- mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS gegen antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/776 mit die Stimmen der Fraktion der CDU angenommen. den Stimmen der SPD-Fraktion und der PDS-Fraktion bei Zustimmung der CDU-Fraktion abgelehnt. Ich lasse über die Empfehlung zur Petition 195/99 abstimmen. Wer der Empfehlung des Petitionsausschus- Wer der Empfehlung des Petitionsausschusses zur ses zur Petition 195/99 entsprechend der Sammelüber- Petition 443/98 entsprechend der Sammelübersicht zuzu- sicht zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Hand- stimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – zeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Empfehlung Empfehlung zur Petition 195/99 entsprechend der Sam- zur Petition 443/98 entsprechend der Sammelübersicht melübersicht mit den Stimmen der Fraktionen der SPD mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS gegen und PDS gegen die Stimmen der Fraktion der CDU sowie die Stimmen der CDU bei einer Stimmenthaltung bei der einer Stimmenthaltung der CDU angenommen. CDU angenommen. Ich lasse nunmehr über die übrigen in der Sammel- Ich lasse nun über die Empfehlung zur Petition 45/99 übersicht aufgeführten Empfehlungen abstimmen. Wer abstimmen. dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Hand- Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der zeichen. – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist CDU auf Drucksache 3/777 vor, über den ich zunächst die Ziffer 1 der Beschlußempfehlung auf Drucksache abstimmen lasse. Wer diesem Änderungsantrag zuzu- 3/763 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS 1462 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 sowie der Fraktion der CDU bei einer Stimmenthaltung Ich lasse nun über die Entscheidung in Anlage 5 der der PDS, einer Gegenstimme der Fraktion der CDU und Beschlußempfehlung abstimmen. Wer dem zuzustimmen einer Stimmenthaltung bei der CDU angenommen. wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Entscheidung in Anlage 5 der Wer der Ziffer 2 der Beschlußempfehlung auf Drucksa- Beschlußempfehlung auf Drucksache 3/752 mit den Stimmen che 3/763 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein der Fraktionen der SPD und PDS gegen sieben Stimmen der Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist CDU-Fraktion und drei Stimmenthaltungen angenommen. die Ziffer 2 der Beschlußempfehlung auf Drucksache 3/763 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS Damit ist die Beschlußempfehlung angenommen. sowie der Fraktion der CDU bei sieben Gegenstimmen Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Beratung der CDU angenommen. des Antrages der Fraktion der CDU – Familienförderungs- Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Beschluß- gesetz der Bundesregierung, Drucksache 3/743. empfehlung und Bericht des Wahlprüfungsausschusses Antrag der Fraktion der CDU: zu den gegen die Gültigkeit der Wahl zum Landtag Meck- Familienförderungsgesetz der Bundesregierung lenburg-Vorpommern eingegangenen Wahleinsprüchen, – Drucksache 3/743 – Drucksache 3/752. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Beschlußempfehlung und Bericht Dr. Gehring von der Fraktion der CDU. des Wahlprüfungsausschusses zu den gegen die Gültigkeit der Wahl zum Dr. Hubert Gehring, CDU: Frau Präsidentin! Meine Landtag Mecklenburg-Vorpommern Damen und Herren! Nach Restauratorgesetz, Landes- eingegangenen Wahleinsprüchen haushalt, Landwirtschaft und Standardanpassungsgesetz – Drucksache 3/752 – beziehungsweise Standardöffnungsgesetz Das Wort zur Berichterstattung wurde nicht gewünscht. (Dr. Margret Seemann, SPD: Kommen wir jetzt zur Familie.) Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache nicht vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, kommen wir jetzt zu den Familien als letzten Tagesord- dann ist das so beschlossen. nungspunkt. Nichtsdestotrotz freut es mich, daß der harte Kern der – ich gehe mal davon aus – Mütter und Väter Wir kommen zur Abstimmung. dann auch hier anwesend ist. Der Wahlprüfungsausschuß empfiehlt in seiner Be- (Dr. Gerhard Bartels, PDS, und schlußempfehlung auf Drucksache 3/752, die aus den An- Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Und Großväter.) lagen 1 bis 5 ersichtlichen Entscheidungen zu treffen. Entschuldigung, Herr Schoenenburg, Großväter Es ist beantragt worden, über die in den Anlagen 1 bis 5 (Kerstin Kassner, PDS: der Beschlußempfehlung abgedruckten Entscheidungen Die Omas sind auch noch da.) gesondert abzustimmen. und Großmütter, ich weiß es nicht. Ich lasse zunächst über die Entscheidung in Anlage 1 der Beschlußempfehlung abstimmen. Wer dem zuzu- Ich hoffe auch, meine Damen und Herren, daß die stimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Familienpolitik allgemein, nachdem sie in den letzten Jah- Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Entschei- ren im Streit um Steuer-, Spar- und Zukunftsprogramme dung in Anlage 1 der Beschlußempfehlung auf Drucksa- nicht immer den Stellenwert zugeordnet bekommen hat, che 3/752 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und den sie verdient, PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU ange- (Dr. Margret Seemann, SPD: Hört, hört!) nommen. künftig wieder mehr in den Mittelpunkt unserer Arbeit Ich lasse nun über die Entscheidung in Anlage 2 der Be- rückt. schlußempfehlung abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenpro- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – be. – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Entscheidung in Harry Glawe, CDU: Richtig.) Anlage 2 der Beschlußempfehlung auf Drucksache 3/752 Und, meine Damen und Herren, dies merken wir ja nicht einstimmig angenommen. zuletzt an unserer Tagesordnung für heute und morgen, Ich lasse nun über die Entscheidung in Anlage 3 der Be- wo uns die Fragen von Kindern, Frauen, Vätern, also auch schlußempfehlung abstimmen. Wer dem zuzustimmen Familien mehrmals begegnen. Und ich bin da durchaus wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenpro- selbstkritisch genug festzustellen, daß die Politik sich in be. – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Entscheidung in den vergangenen Jahren durchaus besser in der Famili- Anlage 3 der Beschlußempfehlung auf Drucksache 3/752 enpolitik hätte engagieren müssen und dann auch wichti- einstimmig angenommen. ge Entscheidungen nicht dem Bundesverfassungsgericht hätten überlassen werden dürfen. Ich lasse nun über die Entscheidung in Anlage 4 der Beschlußempfehlung abstimmen. Wer dem zuzustimmen (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenstim- Sylvia Bretschneider, SPD: Soviel Selbstkritik. – men? – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Entscheidung Zuruf von Heidemarie Beyer, SPD) in Anlage 4 der Beschlußempfehlung auf Drucksache Nun, 3/752 mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der PDS, der Fraktion der CDU und sieben Gegenstim- (Heidemarie Beyer, SPD: Selbsterkenntnis men angenommen. ist der erste Weg zur Besserung.) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1463

man kann auch aus Fehlern lernen, und, Frau Beyer, wir dann sind wir an ihrer Seite, und deshalb dieser Antrag. – tun dies auch, um dann ebenso konstruktiv wie modern Herzlichen Dank. und gerecht die Familienpolitik der nächsten Jahre anzu- (Beifall bei Abgeordneten der CDU) packen, damit wir moderne Arbeitswelt und harmoni- sches Familienleben dann nicht nur unter demographi- Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke, Herr Dr. schen Gehring. (Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer Frau Merkel ist was eingefallen, man hört’s.) von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. und versicherungstechnischen Gesichtspunkten unter einen Hut bekommen. Man kann aber auch, meine Damen Ich eröffne die Aussprache. und Herren, wie es die derzeitige Bundesregierung tut, öffentlichkeitswirksam – und man kann es ihr da prinzipi- Das Wort hat die Sozialministerin Frau Dr. Bunge. ell auch nicht verdenken – das Verfassungsgerichtsurteil Ministerin Dr. Martina Bunge: Frau Präsidentin! Sehr in Sachen Steuerpolitik umsetzen, 20 DM Kindergeld für geehrte Abgeordnete! das erste und zweite Kind mehr ausloben, Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, (Dr. Margret Seemann, SPD: Ja, Sie es ist ja höchst löblich, daß Sie sich in Ihrer künftigen Poli- wollten ja nicht mal 200 haben.) tik, wie zu Ihrem nächsten Parteitag angezeigt, aber über die komplizierten Finanzierungsschlüssel (Dr. Ulrich Born, CDU: Ja.) hintenrum die Familien auch wieder schädigen. verstärkt der Familienpolitik zuwenden wollen. (Dr. Ulrich Born, CDU: Tja. – Zuruf von Harry Glawe, CDU) (Vizepräsidentin Kerstin Kassner übernimmt den Vorsitz.) Denn was heißt es denn letztendlich, den Finanzie- rungsschlüssel beim Kindergeld zu Lasten der Kommu- Doch zu Ihrem Antrag bezüglich des Gesetzentwurfes nen und der Länder zu ändern? Ländern und Gemeinden der Bundesregierung zur Familienförderung kann ich wird Geld weggenommen, das an anderen Stellen einge- eigentlich nur sagen: Wer zu spät kommt, spart werden muß. Und wenn es dann so käme, daß der (Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU) Bund letztendlich Gelderlasten auf die Länder abschiebt und in unserem Land, wenn es denn wahr sein sollte, die den bestraft – Punkt, Punkt, Punkt. Elternbeiträge für Kindergärten heraufgesetzt werden, (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – dann wäre es schon eine einigermaßen schizophrene Dr. Margret Seemann, SPD: Jawohl. – Situation. Dr. Ulrich Born, CDU: Deswegen (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) kommen wir rechtzeitig.) Und, meine Damen und Herren, wenn dem so wäre, Aber wissen Sie, wenn ich den heutigen Tag verfolgt dann wäre es weder Finanz- noch Familienpolitik aus habe, Herr Riemann, so frage ich mich, wieso die CDU einem Guß. überhaupt diesen Antrag stellt. (Dr. Ulrich Born, CDU: Ja, das stimmt.) (Dr. Ulrich Born, CDU: Na!) Und wenn wir aus den Fehlern der Vergangenheit ler- Wenn Sie die Aktivitäten der Landesregierung im Bun- nen wollen, dann müßten wir den Tunnelblick ablegen und desrat hier als Banalität bezeichnet haben, so hat mich zu einem koordinierten Vorgehen kommen, das doch sehr erschüttert, was für ein Demokratiever- ständnis Sie haben. (Harry Glawe, CDU: Koordiniert heißt soziale Gerechtigkeit.) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Zuruf von Harry Glawe, CDU) und koordiniert sehe ich hier natürlich unter dem Ge- sichtspunkt positiv koordiniert. Zur Sache: Durch die Neuregelung des Familienlasten- (Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD) ausgleichs ist die Lastentragung im bisherigen Verhältnis festgeschrieben worden. Danach trägt der Bund 74 vom Deshalb, denke ich, ist es notwendig, in Zukunft kon- Hundert und die Länder und Kommunen 26 vom Hundert. struktiv und streitig auch zur Thematik Familienpolitik zu Infolge der Einbindung dieser Leistungen in das Einkom- diskutieren. menssteuerrecht ergeben sich jedoch davon abweichen- de Belastungsanteile. Und davon gehen Sie wohl in Ihrem (Zuruf von Harry Glawe, CDU) Antrag aus. Aktuell gilt es jedoch, Harry auch für Dich, (Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.) (Heiterkeit bei den Abgeordneten – Nachdem sich zeigte, daß der entsprechende finanzi- Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD, elle Ausgleich zugunsten der Länder durch die Ge- CDU und PDS – Zuruf von Harry Glawe, CDU) währung von zusätzlich 5,5 Punkten an der Umsatzsteu- in Details falsche Weichenstellungen der Bundesregie- er nicht zutreffend gesichert wurde und somit der finanzi- rung zu korrigieren. Und um hier einen vernünftigen An- elle Ausgleich bei den Änderungen des Familienlasten- fang zu machen, sollte zunächst einmal der Finanzie- ausgleichs nicht voll erfaßt worden ist, haben hier die rungsschlüssel beim Kindergeld modifiziert werden. Und Länder ihren Ausgleichsanspruch gegenüber der Bun- ich sage, wenn die Landesregierung hier in die Bütt geht, desregierung mehrfach nachdrücklich geltend gemacht. 1464 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

(Harry Glawe, CDU: Ist das schon da? – Eines Antrages wie des Ihren bedarf es also nicht. Dr. Ulrich Born, CDU: Aber nicht durchgesetzt.) (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) Zuletzt schickte der Bundesrat am 24.09. den Entwurf Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Vielen Dank, Frau eines Gesetzes zur Familienförderung mit der Stellung- Ministerin. nahme auf den Weg, daß der Bundesrat erwartet, daß der Deutsche Bundestag im weiteren Gesetzgebungsverfah- Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Seemann ren über das Gesetz zur Familienförderung eine Regelung von der SPD-Fraktion. Bitte sehr. beschließt, die eine Kompensation der Einnahmeausfälle bei den Ländern und Gemeinden sicherstellt. Ihr Auftrag, (Dr. Ulrich Born, CDU: Auweia, sehr verehrte Damen und Herren von der CDU, zielt damit jetzt werden wir verprügelt.) ins Leere. Dr. Margret Seemann, SPD: Sehr geehrte Frau Präsi- (Dr. Ulrich Born, CDU: Nee! – dentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Also ich Harry Glawe, CDU: Das glauben muß wirklich sagen, wenn es zu so später Stunde nicht so wir nun wirklich nicht.) traurig wäre, daß hochbezahlte Abgeordnete mit solchen Anträgen, wie sie von Ihnen gestellt werden, Die Landesregierung kann sich im Moment im Bundes- rat vom parlamentarischen Ablauf her für eine Änderung (Harry Glawe, CDU: Oh!) der Lastenverteilung gar nicht mehr einsetzen, denn das beschäftigt werden, könnte man eigentlich lachen. Wenn Gesetz ist im Moment im Bundestag und im weiteren ich Sie wäre, meine Damen und Herren von der CDU, dann Gesetzgebungsverfahren. Und wir haben das, was Sie würde ich mich ausgerechnet bei dem Thema Familienför- heute hier fordern, bereits nachhaltig gefordert. derung lieber ganz still in eine Ecke zurückziehen, (Dr. Ulrich Born, CDU: Aber Sie haben doch (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD Kontakte zum Deutschen Bundestag. – und PDS – Zuruf von Harry Glawe, CDU) Zuruf von Harry Glawe, CDU) zum einen deshalb, weil Sie bei der Antragserarbeitung Der Bundestag macht seine Aufgaben, und wir sind wohl wieder einmal nach der Methode „Ein Gedächtnis vertreten im Bundesrat. Vielleicht lernen Sie mal, in wel- wie ein Sieb“ vorgegangen sind. chen parlamentarischen Gremien ein Land wirken kann. (Harry Glawe, CDU: Ach so.) (Dr. Ulrich Born, CDU: Ah!) Zur Gedächtsnisauffrischung einige Stichworte zu dem, Zu Ihrer zweiten Forderung. Mit einem Kindergeld von was Ihre Partei ... 270 DM für das erste und zweite Kind, für das dritte 300 DM und für das vierte 350 DM ist ein Stand erreicht, der sicher (Harry Glawe, CDU: Ja, Sie haben ja gerade noch nicht der wünschenswerte ist. Bei allem muß man das Landeserziehungsgeld abgeschafft.) aber bedenken, daß diese Regelung erst die erste Stufe der Da scheinen Sie ja auch ein Gedächtnis wie ein Sieb zu Neuregelung des Familienleistungsausgleichs ist. Eine haben. zweite Stufe folgt ab dem Jahre 2002. In diese kommende Änderung ist der zum Existenzminimum gehörende Erzie- (Harry Glawe, CDU: Das haben Sie doch hungsbedarf unbedingt mit einzubeziehen. hingekriegt! Ach, hören Sie doch auf!) Ich kann Sie darüber informieren – vielleicht hören die ... in 16 Jahren für einen Scherbenhaufen in der Famili- drei Herren in der ersten Reihe der CDU mal zu –, enpolitik hinterlassen hat. (Dr. Ulrich Born, CDU: Das machen wir, (Wolfgang Riemann, CDU: das machen wir. – Harry Glawe, CDU: Sie haben nur ein Jahr gebraucht.) Wir hören immer zu. Das ist ganz spannend.) Zur Haushaltskonsolidierung und Wachstumsförde- daß die Aktivitäten, die das Sozialministerium auf der rung wurde das Kindergeld für Hunderttausende Jugend- Jugendministerkonferenz im Juni dieses Jahres gestartet liche in der beruflichen Ausbildung gestrichen. Zwischen hat, dazu geführt haben, daß eine Länderarbeitsgruppe 1993 und 1995 wurde über 800.000 Familien der Kinder- eingerichtet worden ist unter Federführung des Sozialmi- geldzuschlag vorenthalten. 1997 wollten Sie die Anhe- nisteriums Mecklenburg-Vorpommern. Diese Arbeits- bung des Kindergeldes auf 200 DM verhindern. Nur durch gruppe soll die zweite Stufe des Familienlastenausgleichs Handeln der SPD haben wir das erreicht. nicht nur begleiten, sondern eigenständige Vorschläge (Beifall Heidemarie Beyer, SPD) erarbeiten. Ich erwarte Ihre Vorschläge dazu. Das Bundesverfassungsgericht mußte erst ein Urteil für (Harry Glawe, CDU: Haben Sie uns dazu schon einen gerechten Familienlastenausgleich fällen. Schlimmer eingeladen? – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU) konnte die Ohrfeige für Ihre Familienpolitik ja wohl kaum sein. Daher ist zu resümieren, daß die Landesregierung (Beifall bei einzelnen Abgeordneten Mecklenburg-Vorpommern sich aktiv in die Familienför- der SPD und PDS) derungsgesetzgebung eingemischt hat Gleichzeitig haben Sie dem Steuerzahler einen Schul- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) denberg von 1.500 Milliarden DM hinterlassen, und das auch weiterhin tun wird. (Harry Glawe, CDU: Ah ja!) (Harry Glawe, CDU: Aber Ergebnisse und wenn wir den nicht konsequent abtragen, können sind nicht da. – Dr. Ulrich Born, CDU: wir mit Sicherheit in den nächsten Jahren im freiwilligen Mit Erfolg müssen Sie sich einsetzen.) Bereich nichts mehr für die Familienförderung tun. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1465

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU) Herr Riemann, ich glaube, Ihre Platte hat langsam auch einen Sprung, daß Sie immer das gleiche wiederholen. Ich denke, das ist Ihnen selbst auch klar. (Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der (Harry Glawe, CDU: Nein. Wir wären hinter SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – der Mauer geblieben, das wäre für Sie besser Zuruf von Harry Glawe, CDU) gewesen. – Zuruf von Heidemarie Beyer, SPD – Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS) Bereits vor dem Entwurf des Familienförderungsgesetzes hat die rot-grüne Koalition das Kindergeld ab Januar 1999 Was ich allerdings für bemerkenswert halte, ist, daß Sie von 220 DM auf 250 DM monatlich erhöht, nachdem die offenbar überhaupt keine Ahnung haben, was unter ande- SPD – das hatte ich schon gesagt – gegen den erbitterten rem auch CDU-geführte Bundesländer so im Bundesrat Widerstand der alten Bundesregierung zuvor über den treiben. Ansonsten wüßten Sie nämlich, daß Ihr Antrag Bundesrat eine Erhöhung des Kindergeldes von 200 DM sich weitestgehend schon erledigt hat. Darauf hat Frau auf 220 DM ab Januar 1997 durchgesetzt hatte. Ministerin Bunge schon hingewiesen. (Harry Glawe, CDU: (Harry Glawe, CDU: Sie ziehen Sozial- Gucken Sie mal nach vorne!) mauern hoch. Wir beschweren uns gleich.) Mit dem nun vorliegenden Entwurf des Familienförde- Ich kann Ihnen als Lesehilfe mal eine Pressemitteilung rungsgesetzes wird die verfassungswidrige Familienbe- aus dem Bundesrat vom 24.09.1999 zur Verfügung stellen. steuerung der alten Bundesregierung berichtigt. CDU/ Doch nun im einzelnen. Zum ersten Punkt des Antrages CSU und FDP hatten es während ihrer langen Regie- hat Frau Ministerin Bunge sich im wesentlichen bereits ge- rungszeit von 16 Jahren nicht zustande gebracht, äußert. Das will ich jetzt auch nicht unbedingt wiederholen. (Wolfgang Riemann, CDU: Die Platte hat noch keinen Sprung, nicht, Frau Seemann?) (Zuruf von Harry Glawe, CDU) Familien mit Kindern gerecht zu besteuern. Neben der Der Bundesrat hat sich mit diesem Thema befaßt, das verfassungsrechtlich gebotenen Reparatur der Versäum- hatte ich gesagt, und bereits am 18.12.1998 seine Forde- nisse der Regierung Kohl enthält der Gesetzentwurf zu- rung nach einem Ausgleich bis zum 01.01.2000 ausge- dem eine Förderung für einkommensschwächere Famili- sprochen. Zudem hat der Finanzausschuß des Bundesra- en. Die monatliche Anhebung des Kindergeldes für das tes diese Erwartung in seiner Sitzung am 17.09.1999 erste und das zweite Kind um 20 DM soll dazu führen, daß nochmals bekräftigt. Sie, meine Damen und Herren von Familien weiter entlastet werden. Für das dritte Kind wird der CDU, kommen also wieder einmal zu spät. monatlich ein Kindergeld in Höhe von 300 DM und für das (Beifall Heidemarie Beyer, SPD – vierte und jedes weitere Kind in Höhe von 350 DM gezahlt. Harry Glawe, CDU: Was?) Das ist eine Besserstellung gegenüber dem ersten und zweiten Kind und erfüllt auch die Vorgaben des Bundes- Eine erneute Antragstellung im Bundesrat wäre völlig verfassungsgerichtes. unsinnig. Sie sollten sich in Zukunft erst einmal informie- ren, bevor Sie Anträge stellen, die schon lange im Verfah- (Wolfgang Riemann, CDU: Das sehen ren sind. Anmerken möchte ich allerdings noch, daß die die Familienexperten aber anders.) Länder ihren Ausgleichsanspruch bereits im Jahre 1997 Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU, sich gegenüber der Regierung Kohl erhoben hatten. wirklich sozialpolitisch hätten engagieren wollen, dann (Angelika Gramkow, PDS: Richtig.) hätten Sie sich in eine Diskussion um eine Lösung des Problems, das Kindergeld auch bei Sozialhilfeempfängern Das entsprach der Verfassungslage, weil der Artikel 106 den Kindern zugute kommen zu lassen, eingebracht. des Grundgesetzes eine Sonderregelung enthält, nach der Verschiebungen bei den Kindergeldlasten auszugleichen (Beifall Torsten Koplin, PDS: Richtig.) sind. Dieser Ausgleichsanspruch der Länder ist aber vom Davon habe ich leider bei Ihnen nichts gemerkt. damaligen Bundesfinanzminister Herrn Dr. Waigel abge- Trotz der Kompliziertheit, das System der Sozialhilfe wiesen worden. Der jetzige SPD-Bundesminister der Finanzen stimmt dieser Kompensation grundsätzlich zu, mit dem Anspruch in Übereinstimmung zu bringen, nur würden die Länder davon kaum profitieren, (Harry Glawe, CDU: Und, haben Sie es geändert?) (Harry Glawe, CDU: Früher hatten wird daran derzeit auf Bundesebene gearbeitet, und dar- wir Kohl, jetzt haben wir Salat.) über bin ich persönlich sehr froh – übrigens ein weiterer Beleg dafür, daß soziale Gerechtigkeit in der SPD-Regie- da der zentrale Grundsatz der Umsatzsteuerverteilung rungspolitik nach wie vor einen hohen Stellenwert hat. darin besteht, gleiche Deckungsquoten zu sichern. (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten (Angelika Gramkow, PDS: der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Ja, das ist eben schade, ne?) Das glaubt Ihnen doch keiner mehr, Zum zweiten Punkt des Antrages: Nach dem neuen das glaubt Ihnen doch keiner mehr!) Familienförderungsgesetz wird das Kindergeld für das Meine Damen und Herren! Die SPD wird zudem für das erste und das zweite Kind ab dem 1. Januar 2000 jeweils Jahr 2002 eine zweite Stufe der Familienentlastung in An- von 250 DM auf 270 DM erhöht. Der bestehende Kinder- griff nehmen. freibetrag wird um einen Betreuungsfreibetrag von circa 3.000 DM für jedes Kind ergänzt. (Wolfgang Riemann, CDU: Und die vierte Stufe der Ökosteuer. – (Wolfgang Riemann, CDU: Und das Geld wird Harry Glawe, CDU: Die soziale über die Ökosteuer gleich wieder einkassiert.) Gerechtigkeit haben Sie aufgegeben.) 1466 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

Diese wird unter anderem durch einen Erziehungsfrei- (Angelika Gramkow, PDS: Dann hätten betrag in Höhe von 2.000 DM pro Kind die Familien weiter sie die Abschaffung des Ehegatten- entlasten. splittings reinschreiben müssen.) Meine Damen und Herren von der CDU, von Ihnen Ja. brauchen wir also wirklich keine Aufforderung, um soziale Denn ich frage Sie: Wo waren Ihre Konzepte und politi- Familienpolitik zu machen. schen Ideen zur finanziellen Sicherstellung der Familien in (Zuruf von Harry Glawe, CDU) den letzten 16 Jahren? Wir konnten sie nicht erkennen, im Gegenteil. Zu allen noch so kleinen Veränderungen, gera- Wenn Sie heute die Zeitung gelesen haben, dann haben de im familienpolitischen Bereich, mußte Ihre Regierung in Sie dort eine sehr schöne Überschrift finden können: Bonn über das Bundesverfassungsgericht gezwungen „Merkel kopiert SPD-Wunschzettel. Die SPDisierung der werden. Nicht einmal die eindringlichen Warnungen und CDU schreitet voran, nun auch in der Familienpolitik“ (TAZ Forderungen der Kirchen in der Bundesrepublik Deutsch- vom 30.10.99). land waren es Ihnen wert, beachtet zu werden, geschwei- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – ge denn die Hinweise und Forderungen von Familienver- Dr. Ulrich Born, CDU: Oh, das wäre ja schlimm.) bänden. Wenn Sie in den 16 Jahren nur halb soviel für Familien In diesem Zusammenhang teile ich die Auffassungen getan hätten, wie wir allein in einem Jahr, dann bräuchten von Verfassungsexpertinnen und -experten sowie von wir uns heute auch nicht über dieses Thema zu unterhal- Politikwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, die ten. Sie sind als Opposition aus meiner Sicht eigentlich beklagen, daß es schlecht bestellt ist um das demokrati- aus der Übungszeit heraus und sollten ab und an Anträ- sche System des Rechtsstaates, wenn das gesetzgeben- ge stellen, die uns nicht blockieren, sondern voranbrin- de Organ, wenn Politik immer erst aktiv wird, wenn eine gen. Ich lehne diesen Antrag im Namen der SPD-Fraktion höchstrichterliche Instanz sie dazu zwingt. aus den genannten Gründen ab. – Danke. (Dr. Ulrich Born, CDU: Ja, das ist auch schlecht.) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Die neue Bundesregierung hat nun angesichts der Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Vielen Dank, Frau katastrophalen Hinterlassenschaft, insbesondere auch im Dr. Seemann. Haushaltsbereich, Als nächstes in der Aussprache hat das Wort Frau (Harry Glawe, CDU: Die Ruinen Koburger von der PDS-Fraktion. Bitte sehr. sind zu sehen, das stimmt.) Annegrit Koburger, PDS: Meine Damen und Herren! dies geradezubiegen. Um diese Aufgabe ist sie wahr- Frau Präsidentin! Als ich in der ersten Übersicht zu dieser lich nicht zu beneiden. Allerdings – und das hat die PDS Landtagssitzung den Titel Ihres Antrages sah, war ich schon bei dem Einkommenssteuergesetz 1996/97 deut- sehr gespannt auf dessen Inhalt. lich gemacht – ist eine gerechte und den Leistungen der Familien angemessene finanzielle Sicherstellung keine (Dr. Ulrich Born, CDU: Das glaub’ ich nicht.) unlösbare Aufgabe, auch nicht unter den vorhandenen Ich stellte mir die Frage: Will uns die CDU wieder Ihre Gegebenheiten. alten Kamellen präsentieren, Meine Damen und Herren! Analog der Einschätzung von Familienverbänden und Initiativen zur Sicherung der (Sylvia Bretschneider, SPD: Rechte von Kindern bewerten wir das Urteil des Bundes- Was will uns die CDU damit sagen?) verfassungsgerichts zur finanziellen Sicherstellung von oder sind die Kolleginnen und Kollegen vielleicht doch Familien als eine schallende Ohrfeige für die Familienpoli- einmal zu der Einsicht gekommen, daß erhebliche Ver- tik der CDU-Koalitionen seit Anfang der achtziger Jahre. säumnisse in den vergangenen Legislaturperioden zu kor- Auch der jetzige Antrag zeigt, daß nichts substantiell rigieren sind und entsprechende Vorschläge auf den Tisch Neues aus Ihren Reihen zu erwarten ist. Mehr noch, er gehören? Pädagogin, wie ich bin, glaube ich ja immer an erinnert mich an eine Losung, die ich lediglich aus man- das Gute im Menschen chen Geschichtsbüchern kenne, vielen von Ihnen ist sie bekannt: Überholen ohne einzuholen. (Dr. Ulrich Born, CDU: Was? Aber doch nicht bei der CDU, das stimmt aber nicht. – (Dr. Ulrich Born, CDU: Harry Glawe, CDU: Bei uns doch nicht.) Vorwärts immer, rückwärts nimmer. – Claus Gerloff, SPD: Ja, das ging ja schief.) und an seine Lernfähigkeit – doch weit gefehlt. Wir Die Überlegungen, die Ihrem Antrag, meine Damen und haben einen Antrag von der Opposition vorliegen, mit Herren der CDU, zugrunde liegen, sind fast ausschließlich dem die CDU ihre gerade entdeckte soziale Ader doku- struktureller Natur. mentieren will. Wenn Ihre Anträge, meine Damen und Her- ren von der CDU, tatsächlich Ansätze für eine neue Fami- (Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU) lienpolitik zum Ausdruck bringen sollen, dann könnten wir und die Einwohnerinnen und Einwohner dieses sehr wohl- An den eigentlichen Problemlagen gehen sie völlig vorbei. wollend zur Kenntnis nehmen. Wir können daher nur konstatieren: Sie sind nach wie vor nicht in der Lage oder willens, die eigentlichen Probleme (Harry Glawe, CDU: wahrzunehmen. Diese Probleme sind für uns zu sehen in Die CDU steht eben mitten im Leben.) 1. der immer noch unzureichenden Festsetzung des Aber ich denke, es sind hier mehr Populismus und Heu- sächlichen Existenzminimums in diesem jetzigen Ge- chelei zu finden. setzentwurf, Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1467

2. der nach wie vor vorhandenen vertikalen Ungleichbe- vor? Die neuen Vorschläge heißen Rückkehr zum System handlung von Familien und der Kinderfreibeträge als steuersystematisch sauberste Lösung, so Herr Merz, als wäre die Zielrichtung des Bun- 3. der Subventionierung der Ehe. desverfassungsgerichts die Sauberkeit des Steuersy- Das wird deutlich in folgendem: Bis heute wird das stems gewesen. Nein, meine Damen und Herren, darum durch die EU definierte Existenzminimum, 50 Prozent des ging es eben nicht. Ziel gemäß dem Urteil ist es, das säch- durchschnittlichen Nettoeinkommens eines Landes, nicht liche Existenzminimum, den Betreuungs- und Erziehungs- als Grenzgröße akzeptiert. Kindergeld, trotz aller Be- aufwand sicherzustellen. Dabei hat das Bundesverfas- mühungen bisher, wird Sozialhilfeempfängerinnen und sungsgericht zwar die finanzielle Größenordnung und den -empfängern als Einkommen gegengerechnet. Zeitraum vorgegeben, jedoch nicht den Lösungsweg. Somit hat die Politik das Heft wieder in der Hand. Im übri- (Angelika Gramkow, PDS: Das ist ein Skandal!) gen deckt sich die jetzige Rechtsprechung mit den jahr- Bei Alleinerziehenden wird das Kindergeld hälftig vom zehntelangen Forderungen von Familienverbänden, Kir- Unterhalt beziehungsweise Unterhaltsvorschuß abgezo- chen und anderen Initiativen. Allerdings – auch das möch- gen. Familien mit Spitzeneinkommen erfahren durch die te ich nicht verhehlen – sind einige Positionen des Urteils Freibetragsregelung wesentlich mehr Entlastung als sol- auch nach Auffassung verschiedener Juristinnen und Juri- che mit Durchschnittseinkommen. sten, Steuerrechtlerinnen und Steuerrechtler wider- sprüchlich. (Angelika Gramkow, PDS: Richtig.) (Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU) Ehepaare, insbesondere bei sogenannten Hausfrauen- ehen, erhalten eine steuerliche Entlastung, eine erhebliche Deutlich wird das insbesondere an dem Kern des Be- steuerliche Entlastung qua Trauschein. schlusses. So wird hier in der Sache wie auch quantitativ zwischen Erziehungs- und Betreuungsaufwand unter- Diese Fakten sind zu berücksichtigen, wenn es darum schieden. Das ist aber sachlich und fachlich nicht haltbar. geht, Konzepte und Lösungsansätze für einen sozial ge- Unabhängig davon, ob durch Eltern in Kindereinrichtun- rechten und auskömmlichen Familienleistungsausgleich gen oder im Sportverein, ist Betreuung nicht ohne Erzie- zu entwickeln. Aber wie schon in der Debatte zum Neun- hung und umgekehrt ebensowenig Erziehung ohne ten Kinder- und Jugendbericht der BRD haben ebenfalls Betreuung zu haben. Unverständlich ist daher auch die in einer der letzten familienpolitischen Debatten im Bun- Quantifizierung von 4.000 DM für den Betreuungsauf- destag Vertreterinnen und Vertreter der CDU behauptet, wand und 5.616 DM für den Erziehungsaufwand. Nichts- in der Bundesrepublik Deutschland gebe es keine Armut, destotrotz bietet die Urteilsfindung eine Reihe von Mög- auch keine Kinderarmut. Nach wie vor verschließen Sie lichkeiten zur Förderung von Kindern und für das Zusam- sich, verschließen Sie die Augen und leugnen generell menleben mit Kindern. Armut in Deutschland, insbesondere auch die von Kin- dern, und das in unserer reichen BRD. (Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU) (Harry Glawe, CDU: Sie kürzen Dabei ganz wesentlich scheint uns, daß abweichend die Zuschüsse für die Verbände.) von der früheren Rechtsprechung des Bundesverfas- sungsgerichts neben dem sächlichen Existenzminimum Vielleicht hilft Ihnen die von Frau Merkel verordnete auch der Erziehungs- und Betreuungsaufwand dem Exi- Linie: Runter an die Basis in Kontakt zu Vereinen und Ver- stenzminimum zuzurechnen ist, somit Einkommen der bänden, um Realität wahrnehmen zu können. Eltern ist, auf das der Staat keinen Zugriff haben darf. (Harry Glawe, CDU: CDU mitten im Leben, sag’ Damit ist auch klargestellt, daß es nicht zu einer ich doch. – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU) Manövriermasse für das Finanzministerium in Not werden darf. Ausgehend von den jetzt vorhandenen Vorgaben Manchmal reicht auch schon das Lesen von zahlrei- und den sich daraus ergebenden Möglichkeiten haben chen Studien und Untersuchungen, die im Laufe der letz- sich Verbände, Gewerkschaften, das Deutsche Institut für ten Jahre – man kann schon sagen Jahrzehnte – erarbei- Wirtschaftsförderung und Parteien, so auch die PDS, tet wurden. Gedanken zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfas- (Dr. Ulrich Born, CDU: Das reicht nicht.) sungsgerichts gemacht. Hier möchte ich nur auf die Thematik der Landesar- (Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist rühmlich.) mutskonferenz zur Kinderarmut oder auf die Sozialbe- Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen, einige dieser richterstattung unseres Landes verweisen. Vorschläge vorzustellen. Der Deutsche Frauenrat hat den (Dr. Ulrich Born, CDU: Vorschlag unterbreitet, ganz dezidiert – ich möchte hier Lesen allein reicht nicht. Tun!) aber nur einige Stichpunkte nennen –, für alle Kinder ein einheitliches Kindergeld in Höhe von 800 DM, davon Danach sind in unserem Land 41 Prozent aller Alleiner- 450 DM für das sächliche Existenzminimum und 400 DM ziehenden einkommensarm, und etwa ein Viertel der Kinder für den Erziehungs- und Betreuungsaufwand zu zahlen. sind auf Sozialhilfe angewiesen. Sagen Sie jetzt bitte nicht, Sozialhilfe verhindere Armut. Nein, meine Damen und Her- (Wolfgang Riemann, CDU: Dann sollten ren der CDU, wer auf die derzeitige Sozialhilfe angewiesen die das doch in den Bundesrat einbringen.) ist, der ist arm, weil diese Sozialhilfe völlig unzureichend ist. Das schließt die Freibetragsregelungen aus. Zur Ge- (Wolfgang Riemann, CDU: Dann ändern Sie genfinanzierung ist die Abschaffung des Ehegattensplit- doch was, Sie wollen doch alles besser machen!) tings gedacht. Meine Damen und Herren, was schlägt nun die CDU als Die GEW schlägt vor, auf die Auszahlung der Erhöhung Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts des Kindergeldes und des Betreuungsfreibetrages zu ver- 1468 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 zichten und statt dessen diese Gelder zur Finanzierung (Reinhard Dankert, SPD: Na ja, bei einer kostenlosen flächendeckenden Kindertagesbetreu- „Wünsch dir was“ sind wir ja auch nicht.) ung zu nutzen. Die Vorstellung von SPD und Bündnis 90/ haben wir Ihrerseits keinerlei Aktivitäten feststellen kön- Die Grünen liegt als Gesetzentwurf auf dem Tisch. nen. Lediglich in der zweiten Beratung der Arbeitsgruppe (Wolfgang Riemann, CDU: Das macht der „Familienleistungsausgleich“ im Juli, die übrigens vom Müller im Saarland, und der ist von der CDU.) Landeselternrat initiiert wurde, war ein Vertreter der CDU zugegen, ohne jedoch Substantielles beizutragen. Das DIW hat sich schon im Februar dezidiert dazu ge- äußert. Danach sollte der Staat ein einheitliches Kinder- (Harry Glawe, CDU: geld zahlen, weil das zielgerichteter ist. Die hätten mich mal einladen sollen.) (Wolfgang Riemann, CDU: Ja, hier könnten Meine Damen und Herren der CDU, Ihr Antrag kann ab- Sie das doch auch verwirklichen für das Land.) solut nicht unsere Zustimmung erhalten. Außerdem wurde die Problematik bereits – und das ist hier schon erwähnt Für das Jahr 2002 wären für das erste Kind monatlich worden – im Bundesrat behandelt. 660 DM zu zahlen. Ausgangspunkt für diese Berechnung sind Studien zur Einkommenssituation von Haushalten (Harry Glawe, CDU: Sie haben mit und ohne Nachwuchs. Die Daten des sozioökonomi- unseren Antrag ja gar nicht gelesen.) schen Panels für 1996 zeigten, daß Familien mit Kindern Die weiteren Gesetzesbesprechungen laufen im Bun- ökonomisch schlechter gestellt sind als vergleichbare destag. Paare ohne Nachwuchs. Sie haben im Schnitt 29 bis 34 Prozent weniger Einkommen bei einem beziehungs- Meine Damen und Herren! Die Familie, unabhängig ob weise zwei Kindern. als Ehe im herkömmlichen Sinne oder in unterschiedlich- sten Zusammensetzungen, bedarf einfach der Fürsorge (Angelika Gramkow, PDS: Ja, des Staates. Da sind wir uns, glaube ich, alle einig. Von da hören die Männer wieder nicht zu. – daher ist es unser aller Aufgabe, die Rahmenbedingungen Dr. Ulrich Born, CDU: Doch, doch.) so auszugestalten, daß Kinderwunscherfüllung nicht nach Alleinerziehende sind noch ungünstiger dran und verfü- finanziellen Erwägungen erfolgt, sondern wirklich indivi- gen nur über die Hälfte des Einkommens kinderloser Ehe- duell als auch gesamtgesellschaftlich gewollt wird, dem- paare. Da die Kinderfreibeträge die wenigsten Familien entsprechend beachtet und gefördert werden muß. Und mit mehreren Kindern betreffen, würde die Anerkennung von der Warte her bin ich wirklich sehr gespannt, wie sich von Erziehungsleistungen daher nur partiell greifen, und der CDU-Bundesparteitag zu den Vorstellungen des neue Ungleichheiten würden geschaffen. Diese Lösung neuen Familienkonzeptes, das ich mit Verwunderung, würde aber eine massive Veränderung in der familienpoli- aber auch Wohlwollen gelesen habe, entscheiden wird. tischen Leistungs- und Finanzstruktur nach sich ziehen. (Zuruf von Harry Glawe, CDU – Dabei müßte der Schwerpunkt der Förderung vom Tatbe- Dr. Margret Seemann, SPD: Sie wollen es ja stand eher zugunsten der Kinder verschoben werden. auch nicht umsetzen, sondern nur vorstellen.) Daneben gilt es, bei der künftigen Berücksichtigung des Betreuungsaufwandes auch die Leistungen des heutigen Wir sind gespannt. – Danke schön. Erziehungsgeldes, 7 Milliarden DM per anno, einzubezie- hen. (Beifall bei Abgeordneten der PDS – Zuruf von Angelika Gramkow, PDS) (Beifall Angelika Gramkow, PDS) Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Vielen Dank, Frau Die finanziellen Spielräume sieht das Institut vor allem Koburger. beim Ehegattensplitting, durch das der Fiskus auf 60 Mil- liarden DM verzichtet. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Riemann von der CDU-Fraktion. (Harry Glawe, CDU: Hat sie da jetzt die Bundesmittel mit reingerechnet?) (Heiterkeit bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD – Das Konzept der PDS geht von einer höheren Auf- Zurufe von der PDS: Oh!) stockung des Kindergeldes auf 400 DM mit einem Kinder- geldzuschlag für Sozialhilfeempfängerinnen und -emp- Bitte sehr, Herr Riemann. fänger aus. Ausgangspunkt ist für uns ein Existenzmini- Wolfgang Riemann mum des Kindes von 10.600 DM im Jahr. Wir sind von , CDU: Ich freue mich, daß mein 8.000 DM Existenzminimum plus Inflationsausgleich und Auftreten hier soviel wohlwollende Begleitung findet. Erziehungsbedarf ausgegangen und weiterhin von einem (Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD Recht auf kostenlose Kinderbetreuung. Die Finanzierung und einzelnen Abgeordneten der PDS – sehen wir ebenfalls durch eine konsequente Individualbe- Dr. Gerhard Bartels, PDS: Sie haben Ihre steuerung gesichert, das heißt also die Abschaffung des Probleme mit der Realität schon immer gehabt.) Ehegattensplittings. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben (Beifall Angelika Gramkow, PDS) auf der 10. Sitzung am 3. März dieses Thema übrigens Ergänzend wären nun die Vorschläge der CDU zu schon einmal debattiert. benennen, doch leider Fehlanzeige. Seit der Kindergeld- (Dr. Margret Seemann, SPD: Da war erhöhung im Januar 1999, die von CDU-Bundestagsab- das im Bundesrat aber auch schon.) geordneten als nachträgliches Weihnachtsgeschenk dif- famiert und als zusätzliche Belastung des Staatshaushal- Wer dort nachgelesen hat, der wird Teile der Aussage von tes abqualifiziert wurde, Ihnen, Frau Sozialministerin Bunge, im Bericht des Abgeord- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999 1469 neten Nolte finden, nämlich die Zusammenhänge zwischen Ich will nur daran erinnern, es gibt Vorschläge, bei- Einkommenssteuer und Umsatzsteueranteilen. Damals sagte spielsweise die Anrechnung der Kinder auf die Rentenbe- die Frau Finanzministerin Keler: Wir kämpfen weiter. züge und die Einführung eines neuen demographischen Faktors. Auch das sind Vorschläge der CDU. Der Peter (Ministerin Dr. Martina Bunge: Müller ist dabei, im Saarland Kindertagesstätten kosten- Ja, haben wir ja auch gemacht.) los für die Eltern bereitzustellen. Auch das sind Vorschlä- Ja, aber das Resultat, meine Damen und Herren, bis ge von CDU-geführten Regierungen. heute Null. (Heike Lorenz, PDS: Das werden wir erst (Dr. Margret Seemann, SPD: Sie haben doch noch sehen. – Angelika Gramkow, PDS: auch 16 Jahre lang gegen Windmühlen gekämpft.) Wir müssen erst mal eine Liste machen.) Lafo ist weg, der ja auch noch versprochen hatte, für eine Da möchte ich doch mal Ihre Vorschläge hier im Lande Entlastung der Länder zu sorgen. Das Resultat ist Null. Ich sehen, und da möchte ich Ihren Einfluß, sowohl den der sage es deutlich, damals ist von einer Mehrbelastung der SPD als auch der PDS, in Berlin sehen. Länder von 1,8 Milliarden DM ausgegangen worden. Ich sage eine Belastung von mehr als 3 Milliarden DM der Länder und (Heike Lorenz, PDS: Kommunen voraus. Es ist leicht, Wohltaten zu verteilen, die Darauf können Sie sich verlassen.) zu überwiegenden Teilen dann andere bezahlen müssen. Sie haben dort noch nicht ganz die Regierung in Berlin. (Dr. Margret Seemann, SPD: Es ist noch leichter, (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten alles zu fordern und gar nichts zu zahlen. – der SPD, CDU und PDS) Zuruf von Annegrit Koburger, PDS) Der Abgeordnete Gehring hat unser Anliegen, glaube Aber wenn ich Lafontaine und Schröder richtig gelesen ich, hier deutlich gemacht. Am 09.09.1999 hat die rot- habe, ist man auch bereit, mit Ihnen in Berlin zu koalieren, grüne Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Fami- und dann möchte ich mal sehen, wie die Sozialpolitik ein- lienförderung in den Bundestag eingebracht. Deshalb ist gerissen wird unter Ihrer Regie. – Danke. der Anlaß da, mit unserem Antrag die Landesregierung (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – zum Handeln aufzufordern. Und, Frau Bunge, wenn Sie Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Gott, ach Gott! – sagen, am 24. hat der Bundesrat hierzu eine Ent- Angelika Gramkow, PDS: Menschenskinder, schließung verabschiedet, hat er sich dann auch auf das sonst haben Sie doch nicht so ‘ne Angst.) dritte Kind und weitere Kinder in dieser Entschließung mit bezogen? Denn das ist ja auch ein Teil unseres Anliegens. Vizepräsidentin Kerstin Kassner: Vielen Dank, Herr Das haben Sie hier nicht deutlich machen können. Abgeordneter Riemann. Wenn man sagt, die haben einen Länderarbeitskreis, Ich schließe hiermit die Aussprache. eine Länderarbeitsgruppe gebildet, dann erinnert mich Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Frak- das an DDR-Zeiten, wo man gesagt hat, wenn ich nicht tion der CDU auf Drucksache 3/743. Wer dem zuzustimmen mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis. wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. (Angelika Gramkow, PDS: Gegenprobe. – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Damit Das ist doch Blödsinn!) ist der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/743 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS gegen Frau Seemann, Sie haben der CDU vorgeworfen, die Stimmen der Fraktion der CDU abgelehnt. (Zuruf von Andreas Bluhm, PDS) Meine Damen und Herren! Entgegen anderslautenden wir hätten in 16 Jahren mit einer alten abgespielten Voraussagen sind wir damit doch schon am Ende der Platte einen Scherbenhaufen hinterlassen. Frau Seemann, heutigen Tagesordnung. Mir kommt wieder einmal die Sie haben innerhalb eines Jahres mit der Abschaffung des Aufgabe zu, Ihnen einen schönen Abend und eine gute Landeserziehungsgeldes den Scherbenhaufen hier im Nacht zu wünschen. Land hinterlassen. (Heiterkeit bei den Abgeordneten – (Zuruf von Dr. Gerhard Bartels, PDS) Zurufe aus dem Plenum: Oi! – Und wenn ich die Aktuelle Stunde heute früh betrachte, Dr. Ulrich Born, CDU: Na, sind Sie weiter dabei, gute Gefäße, die wir aufgebaut das machen Sie immer gut.) haben, hier im Land zu zerdeppern und die Sozialpolitik, Ich möchte Sie auffordern, diese Zeit zu nutzen, damit die Familienpolitik kaputtzumachen. wir morgen entspannt und voller Energie weiter diskutie- Frau Koburger, Ihren Ausdruck Heuchelei weise ich zu- ren können. rück. 80 Prozent der Sozialgesetzgebung sind von CDU- (Beifall und Heiterkeit bei den Abgeordneten – Regierenden in Bonn erlassen worden, 80 Prozent! Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Guck dir die alten Gockel da an! – Zuruf von Annegrit Koburger, PDS) Dr. Ulrich Born, CDU: Wir nehmen Sie beim Wort.) Und Rot-Grün in Bonn ist derzeit gerade dabei, diese Sozialgesetzgebung zum Nachteil der sozial Schwachen, Dazu berufe ich die nächste Sitzung auf Donnerstag, der Kinder und Familien zu zerdeppern. den 14. Oktober 1999, um 9.00 Uhr ein. Bis dahin auf Wie- dersehen! (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Da denke ich Schluß: 19.03 Uhr nur mal an den Rechtsanspruch auf den Es fehlten die Abgeordneten Bärbel Kleedehn, Dieter Kindergarten. Und wer bezahlt das eigentlich?) Markhoff, Georg Nolte und Birgit Schwebs. 1470 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 3. Wahlperiode – 27. Sitzung am 13. Oktober 1999

Alphabetisches Namensverzeichnis

der Abgeordneten, die an der Nachwahl einer Schriftführerin des Landtages teilgenommen haben – Drucksache 3/766 –

1. Backhaus, Till SPD 33. Koplin, Torsten PDS 2. Dr. Bartels, Gerhard PDS 34. Kreuzer, Götz PDS 3. Baunach, Norbert SPD 35. Kuessner, Hinrich SPD 4. Beyer, Heidemarie SPD 36. Lorenz, Heike PDS 5. Bluhm, Andreas PDS 37. Mahr, Beate SPD 6. Böttger, Gerd PDS 38. Monegel, Hannelore SPD 7. Borchardt, Barbara PDS 39. Müller, Detlef SPD 8. Borchert, Rudolf SPD 40. Müller, Heinz SPD 9. Dr. Born, Ulrich CDU 41. Müller, Irene PDS 10. Bräunig, Erhard SPD 42. Muth, Caterina PDS 11. Brauer, Lutz CDU 43. Nitz, Thomas CDU 12. Bretschneider, Sylvia SPD 44. Prachtl, Rainer CDU 13. Brick, Martin CDU 45. Rehberg, Eckhardt CDU 14. Dr. Bunge, Martina PDS 46. Riemann, Wolfgang CDU 15. Caffier, Lorenz CDU 47. Dr. Ringstorff, Harald SPD 16. Dankert, Reinhard SPD 48. Dr. Rißmann, Manfred SPD 17. Dr. Eggert, Rolf SPD 49. Ritter, Peter PDS 18. Friese, Siegfried SPD 50. Schädel, Monty PDS 19. Dr. Gehring, Hubert CDU 51. Scheringer, Johann PDS 20. Gerloff, Claus SPD 52. Schier, Klaus SPD 21. Glawe, Harry CDU 53. Schildt, Ute SPD 22. Gramkow, Angelika PDS 54. Schnoor, Steffie CDU 23. Grams, Friedbert CDU 55. Dr. Schoenenburg, Arnold PDS 24. Helmrich, Herbert CDU 56. Schulz, Gabriele PDS 25. Holter, Helmut PDS 57. Dr. Seemann, Margret SPD 26. Holznagel, Renate CDU 58. Seidel, Jürgen CDU 27. Kassner, Kerstin PDS 59. Dr. Seite, Berndt CDU 28. Keler, Sigrid SPD 60. Skrzepski, Gesine CDU 29. Dr. Klostermann, Henning SPD 61. Staszak, Karla SPD 30. Koburger, Annegrit PDS 62. Thomas, Reinhardt CDU 31. Dr. König, Arthur CDU 63. Dr. Timm, Gottfried SPD 32. Dr. Körner, Klaus-Michael SPD 64. Vierkant, Jörg CDU

Herstellung: cw Obotritendruck GmbH Schwerin 991667/1999