Friedrich-Ebert-Stiftung Landesbüro Mecklenburg-Vorpommern

Wolf Karge

Agrarpolitik und Ländlicher Raum in Mecklenburg-Vorpommern nach 1989

Unter Mitarbeit von Gerhard Rudolphi Wolfgang Röhl Martin Just

Reihe Beiträge zur Geschichte Mecklenburg-Vorpommern Nr. 15 © Copyright by Friedrich-Ebert-Stiftung Mecklenburg-Vorpommern Arsenalstr. 8 D-19053

Layout: uwe-sinnecker.de Fotos: H. Kienscherf, G. Rinas Druck: Altstadt-Druck GmbH

1. Auflage ISBN 978-3-86872-862-0

Schwerin November 2011 | 3 Inhaltsverzeichnis Seite Seite 5 Zum Geleit: Till Backhaus Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern 6 In eigener Sache:35 Politische Bildungsarbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung für die Landwirtschaft und den Ländlichen Raum von Mecklenburg-Vorpommern – Ein Rückblick auf Aktivitäten und Akteure (M. Just) 13 1. Nichts bleibt, wie es war35 – Wendezeit und Neuorientierung 1989 bis 1992 28 2. Agrarpolitik und Landwirtschaft sind zwei verschiedene Dinge – Reformen der Marktordnung aufgrund der EU-Agrarstruktur ab 1993 bis 2000 42 3. Europa regiert die Agrarwirtschaft Agenda 2000 und die Folgen 49 4. Gemeinsame Agrarpolitik und Ankunft in Europa – GAP-Reform 2003 68 5. Kurzvorstellung ausgewählter Vereine, Verbände und Initiativen 73 6. Zusammensetzung des Landwirtschafts- bzw. Agrarausschusses im Landtag Mecklenburg-Vorpommern 76 Personenregister 78 Die Autoren 79 ANHANG, Faksimiles 106 Gründung und Geschichte des LAND-FRAUENVERBANDES Mecklenburg-Vorpommern 110 Dr. Hans Schwiderski: Erinnerungen an die Jahre des Aufbaus der Arbeitsgemeinschaft für Urlaub und Freizeit auf dem Lande M/V e. V. (2005 umbenannt in “Landurlaub M/V”) 114 Prof. Dr. Peter Kauffold - Zeitzeugenbericht 120 Stellungnahmen zu Fragen der Entwicklung des Ländlichen Raums in MV Dr. Lutz Laschewski, Sozialwissenschaftler, 122 Corinna Cwielag, Geschäftsführerin des BUND Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 124 Angus Fowler, Kunsthistoriker, Bauforscher, Marburg 125 Dr. Sibylle Berger, Landwirtin und Kunsthistorikerin, Venze auf Rügen 126 Karin Johannsen, Museumsleiterin, Dishley 127 Karin Kaspar, Diplomökonomin, Grüssow 129 Solveig Leo, Diplomagraringenieur, Banzkow 130 Wolfgang Kniep, Lehrer, Liedermacher, Leisterförde 131 Hans-Thomas Sönnichsen, Diplomagraringenieur(FH), Dissau 132 Dr. Jürgen Walter, Hochschulprofessor, 133 Dr. Gerhard Rudolphi, Diplomagraringenieur, 135 Zu empfehlende weiterführende Literatur

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Ich bin den Autoren dieser Schrift sehr dankbar, dass sie sich dieses wichtigen Themas deut- scher Geschichte nach der Wiedervereinigung angenommen haben. Auf Fakten und Untersu- chungen basierend, ergänzt durch persönliche Erlebnisse und Erfahrungen am Prozess Beteilig- ter sowie politischer Beobachter wird ein umfas- sendes Bild einer beeindruckenden Entwicklung gezeichnet. Die Land – und Ernährungswirt- schaft hat sich zu einem der erfolgreichsten Wirtschaftsbereiche entwickelt. Wettbewerbsfähig, ja durchaus wettbewerbsbestimmend was die Arbeitsproduktivität in Deutschland anbelangt, umweltgerecht und nachhaltig wirtschaften die Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern. Sie ha- ben sich veränderten Bedingungen gestellt und diese gemeistert und sie stehen wieder vor Verän- derungen im Hinblick auf die Neuausrichtung der gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik.

Für mich war das Lesen dieses Werkes wie Zum Geleit ein Streifzug in die eigene Vergangenheit. Zu DDR-Zeiten als Abteilungsleiter in einer LPG Von Dr. Till Backhaus, Pflanzenproduktion tätig, habe ich in der ersten Minister für Landwirtschaft, Umwelt freigewählten Volkskammer am Landwirt- und Verbraucherschutz schaftsanpassungsgesetz mitgearbeitet. Später als Abgeordneter des Landtags von Mecklenburg-Vor- pommern und Vorsitzender des Agrarausschusses In keinem anderen Bereich hat sich nach der beschäftigte mich z.B. der Flächenerwerb nach Wende ein solch tiefgreifender Strukturwandel Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz. vollzogen wie in der ostdeutschen Landwirt- Seit 1998 als Minister für die Landwirtschaft und schaft. In kaum einem anderen Bereich spitzten die ländlichen Räume zuständig, habe ich all sich ideologische Auseinandersetzungen um die im Buch dargestellten Entwicklungen mit Eigentum, Unternehmensstruktur und Herkunft begleitet. Dabei ging es mir stets darum, die auf derart zu wie in der ostdeutschen Landwirtschaft. europäischer Ebene eingeleiteten Reformen in Alteigentümer, Wiedereinrichter, kleinbäuerliche Mecklenburg-Vorpommern so umzusetzen, dass Landwirtschaft, Genossenschaft, Agrarfabrik – sie der heimischen Landwirtschaft Wettbewerbs- Begriffe, die aufeinander prallten und polari- fähigkeit und Entwicklungsspielräume sichern. sierten. In den Medien wurde mache Schlacht Darum wird es auch in Zukunft gehen. ausgetragen, oftmals sehr emotional. Denn – und auch das stellt eine Besonderheit Dr. Till Backhaus dar - die Beziehung zum Grund und Boden, zum Acker, aus dem die Frucht gedeiht, zu den Tieren, für deren Wohl man sorgt, ist auch immer eine stark emotionale. 6 | POLITISCHE BILDUNGSARBEIT In eigener Sache: richtern“ , wovon in den nächsten Kapiteln später eingehender berichtet wird. Aus dem Politische Bildungsarbeit Westen drängten Enteignete der Bodenreform der Friedrich-Ebert-Stiftung auf den Markt der Begehrlichkeiten. Bauern, die vor der mit Zwang verbundenen Kollektivie- für die Landwirtschaft und rung und wegen des hochgeschraubten Abga- den Ländlichen Raum von Meck- bensolls in den frühen DDR-Jahren ihre Höfe lenburg-Vorpommern – verließen, meldeten ihre Ansprüche auf deren Ein Rückblick auf Aktivitäten Rückübertragung an und bekamen sie zurück, durch die Bodenreform-Enteignete bekanntlich und Akteure (M. Just) zum größten Teil nicht. Sie konnten, gesetzlich gesteuert bevorzugt als „Alteigentümer“ einen Teil ihrer Flächen zum Teil preisbegünstigt Unser Landesbüro begann mit seiner Arbeit zurückkaufen. Dieser Prozess setzt sich bis im Januar 1991. Das erste Büro befand sich in heute fort, dabei gibt es Streit zwischen den Schwerin am Großen Moor Nr. 6. Gemeinsam Interessenten an lukrativem Pachtland. Ab mit dem ersten Landesbüro des ZDF bezogen Mitte der 90er Jahre meldeten sich die sog. wir die Oberetage eines denkmalgeschützten „Kreispachtgeschädigten“, deren „Arbeitseigen- Bürgerhauses. tum“, erworben in der Bodenreform, nach dem Es lag in der Natur dieses Bundeslandes: Ag- Ausscheiden aus der Landwirtschaft wieder in rarpolitik war von Anfang an ein Schwerpunkt den staatlichen Bodenfonds zurückfiel. unserer Arbeit. Mecklenburg-Vorpommern als Überall gab es also Baustellen und Konflikte. historisch gewachsenes Agrarland bildete dafür Diese in die politische Bildung eines Landes- günstige Voraussetzungen. büros einzubeziehen, war und ist nicht leicht, Es gab dramatische Veränderungen in den eben wegen dieser angedeuteten Interessen- ersten Jahren nach der friedlichen Revolution. konflikte zwischen den Personengruppen. Diese öffentlich zu diskutieren und mögli- Und dann wegen der Zuständigkeiten, die che Alternativen und Lösungen anzubieten, zwischen der EU, dem Bund und dem Land stand auf unserer Tagesordnung. Es ging um aufgeteilt sind: der Löwenanteil der Beihilfen Erklärungen von Trends, die einer umge- der Marktordung kommt aus Brüssel , wie der kehrten „Hockeyschlägerkurve“ glichen. Am größte Teil der agrarsozialen Sicherung aus schlimmsten war wohl der radikale Abbau der dem Bundeshaushalt kommt, da bleibt für die Arbeitskräfte von rund 189.000 AK in der Land- Landesebene oft nur ein enger Spielraum. Es und Forstwirtschaft 1989 auf rund 35 000 im verlangt politisches Geschick, diese Spiel- Jahre 1993, leicht degressiv bis heute. Arbeitslos räume optimal zu nutzen. Und dann gibt es wurden Tausende Betriebsschlosser, Betriebs- den Grundkonflikt zwischen Landwirtschaft handwerker, Traktoristen und Tierpfleger, mit und Umweltschutz. Diese Ressorts sind in der und ohne Facharbeiterabschluss. Diese abgelaufenen Legislaturperiode in MV unter teilweise schlecht bezahlt, aber zu DDR-Zeiten einem Dach vereint. Eine Harmonisierung der sicher ein Arbeitsleben lang unter dem Dach widerstrebenden Kräfte ist also eine ständige der Genossenschaften und volkseigenen Güter Aufgabe, die wir versucht haben zu begleiten. aufgehoben. Unsere erste agrarpolitische Veranstaltung im Die Rechtsformen und Betriebsstruktu- Lande war im Juni 1991 mit Till Backhaus und ren änderten sich infolge des Wirkens des dem damaligen Landwirtschaftsminister von Landwirtschaftsanpassungsgesetzes der letzten Brandenburg Edwin Zimmermann. Till Back- Volkskammer und seiner Novellierungen hin zu haus war damals als SPD-Mitglied des ersten einer Vielfalt von juristischen und natürlichen Landtages und als Abgeordneter der letzten frei Personen, „Neueinrichtern“, und „Wiederein- gewählten Volkskammer der DDR gemeinsam | 7 mit seinem Landtagskollegen Peter Kauffold, persönlichen Engagement und ihrer Ausdauer Staatssekretär im letzten Agrarministerium sind die Veränderungen im politischen Raum zu der DDR, prädestiniert, die Agrarfrage aus verdanken, sie sind nicht ersetz- oder austausch- sozialdemokratischer Sicht in Mecklenburg- bar. Im folgenden kommt eine Auswahl , wie sich Vorpommern zu behandeln. die Bildungsarbeit unseres Büro zum Thema Landwirtschaft und Ländlicher Raum entwickelt An zentraler Stelle standen Tagungen und der und aufgefächert hat. sich später ab 1995 etablierte „Agrarpolitische Die tabellarische Darstellung kann das besser Gesprächskreis“ zu verschiedenen Themen, als eine verbale Reihung widerspiegeln. Die mit die den Anforderungen der aktuellen Debatte einem Sternchen ergänzten Personen haben auf Ebene der EU, Bund und Land angepasst eine eigene Website oder werden auf Wikipedia waren. Sehr wichtig für uns war die möglichst beschrieben. gute Einbeziehung der Entscheidungsträger und Akteure. Ihrer Individualität und ihrem

Jahr Datum Ort Themenschwerpunkte, Beiträge von … 1992 14.11. Lübtheen Agrarpolitik, Bodenfrage, Edwin Zimmermann*, Till Backhaus* 1993 06.03. Schwerin Strukturwandel und Chancengleichheit Harald Röpke1, Karl Eigen*, Lilly Wiebensohn2, Heiner Iversen3 12.11. Gülzow Dorferneuerung, Michael Succow*, Horst Möhring4, Detlev Simons5, Heidrun Bartel6 03.12. Grambin Landwirtschaft und Umwelt, Herbert Brückner* 1995 12.05. Schwerin Ökologischer Landbau, Harald Röpke, Georg Janßen7, Heide-Dörte Matthes8, 1996 12.01. Rostock Die Agrarfrage in der Sozialdemokratie - Geschichte und gegenwärtige Diskussion, Adolf Weber9, Horst Sielaff*, Peter Kauffold*, Ulrike Hoefken*, Ulrike Mehl*, Jochen Dettmer10, Karl-Heinz Funke*, Helmuth Rehhahn* 20.09. Schwerin Förderung der Veredlungswirtschaft, Hans-Wilhelm Windhorst*, Heinz Schremmer11, Horst Wagner12, Sabine Lehmkuhl13 22.11. Schwerin Nachwachsende Rohstoffe, Andreas Schütte14, Karsten Pellnitz15, Holger Hanselka16, Fritz Tack*, Rolf Kröchert17 1997 08.01. Schwerin Agrarpolitische Leitlinien EU-Bund-Land Karl-Heinz Funke*, Klaus Rehder18, Thomas Griese*, Ulrike Höfken*, Horst Sielaff*, Gerald Thalheim*, Heinz Kindermann* 22. und Langhagen EU-Förderprogramme für die Dorfentwicklung 23.08. Gerda Stachowitz19, Renate de Veer20, Detlev Símons.

1 Erster Präsident des Bauernverbandes M-V 11 Akademieprofessor für Tierzüchtung (†) 2 Erste Vorsitzende des LAND-FRAUENVERBAND M-V e.V. 12 damalig Abteilungsleiter im Agrarministerium MV 3 damals Landesvorsitzender Schleswig-Holstein der Arbeits- 13 Referentin beim Bauernverband MV gemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (AbL) 14 Dr.-Ing., Geschäftsführer der Fachagentur Nachwachsende 4 damals Betriebsleiter eines landwirtschaftlichen Betriebes Rohstoffe, Gülzow. in Lenzen/ 15 Referatsleiter im Agrarministerium MV 5 Universitätsprofessor für Siedlungsplanung und Dorfent- 16 Universitätsprofessor für Maschinenbau wicklung 17 Dr. agr., Referent für Pflanzenschutz 6 Redakteurin und Journalistin, NDR 18 damals MdEP 7 Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche 19 Architektin und NGO- Aktivistin für den Erhalt ländlicher Landwirtschaft (AbL) e.V Baukultur 8 Akademieprofessorin, damals Vorsitzende des Anbauverban- 20 Architektin und NGO-Aktivistin für den Erhalt von Guts- des BIOPARK e. V. anlagen und Gutshäusern in Mecklenburg-Vorpommern s. 9 Universitätsprofessor für Agrarökonomie († 2011) www.a-dv.de 10 Landwirt, derzeit Bundesgeschäftsführer vom NEULAND e.V 8 | POLITISCHE BILDUNGSARBEIT

Jahr Datum Ort Themenschwerpunkte, Beiträge von … 1998 08.01. Schwerin Agenda 2000 - Europäische Agrarpolitik für die Regionen Rudolf Wendt21, Karl-Heinz Funke*, Wilhelm Graefe zu Baringdorf*, Hartmut Vogtmann*, Heinz Kindermann* 09.05. Lietzow Tourismus und Landwirtschaft auf Rügen, mit Angelika Peters* 25.06. Klink Agenda 2000, Rudolf Borchert* 1999 07.01. Schwerin GATT und WTO - Folgen für die deutsche Landwirtschaft Till Backhaus*, Karl Heinz Funke*, Rudolf Buntzel-Cano* 29.10. Groß- Regionalisierung als Antwort auf Globalisierung Potrems Ingo König22, Manfred Helzer23, Thorsten Permien24 12.02. Lohmen Reiter- und Pferdehöfe in Mecklenburg-Vorpommern - Eine tragende Säule für die touristische Infrastruktur – Hans Schwiderski25, Ulrich Täuber26, 2000 05.01. Schwerin Mit Visionen ins nächste Jahrtausend ?, Till Backhaus*, Karl-Heinz Funke*, Lutz Ribbe27, Heide-Dörte Matthes, Manfred Helzer 31.03. Warne- Tage der Innovativen und Nachhaltigen Landwirtschaft in Mecklenburg- münde Vorpommern, Inge Broer28, Manfred Schwerin29, Christian Gienapp30, Fritz Tack*, Michael Succow*, Konrad Ott* 2001 03.01. Schwerin Landwirtschaftliche Sozialpolitik, Till Backhaus*, Peter Mehl31, Gerald Thal- heim*, Harald Deisler32, Werner Melzer33 09.02. Vertrauen in unsere Lebensmittel – gläserne Produktion, Ute Schildt*, Gerd-Heinrich Kröchert34 06.09. Bömitz Ökoregion Vorpommern - Für ein Reinheitsgebot in Landwirtschaft und Tourismus, Hendrik Fulda35, Wilfried Götz36, Henning Holst37, Helmut Klüter38, Svenja Tidow39 2002 03.01. Schwerin Agrarpolitischer Gesprächskreis: Wende ohne Ende? Christel Deichmann*, Jochen Dettmer, Thomas Dosch40, Karl-Heinz Funke, Jörg Gerke41, Dietmar Schulze42, Manfred Helzer 05.06. Poggendorf Landwirtschaft 2002 bis 2006 - Verlässliche Rahmenbedingungen für eine sichere Perspektive im ländlichen Raum, Lilly Wiebensohn, Till Backhaus 14.06. Tellow 50 Jahre Agrarproduktivgenossenschaften in Deutschland - Geschichte und Gegenwart, Till Backhaus*, Arnd Bauerkämper43, Tanja Busse*, Siegfried Kuntsche44, Barbara Schier* 15.10. Schwerin Ökologischer Landbau im Konsens zur europäischen Agrarpolitik - Entwicklungspotenziale und Perspektiven der Zusammenarbeit mit Osteuropa Karl-Otto Kreer*, Gottfried Marth45 21 Dr. , Ministerialrat Bundesministerium für Ernährung, lichen Sozialversicherungsträger Landwirtschaft und Verbraucherschutz 33 damals Landwirtschaftliche Sozialversicherung Berlin 22 Akademieprofessor für Fortpflanzungsbiologie 34 damals Präsident des Landesbauernverbandes MV 23 Universitätsprofessor für Agrar- und landw. Betriebslehre 35 Kommunalpolitiker B90/Die Grünen 24 Dr., Referatsleiter im Ministerium für Landwirtschaft, 36 Biolandwirt in Vorpommern Umwelt und Verbraucherschutz MV 37 Diplomagraring., Landwirtschaftsberater 25 s.a.a.O. 38 Universitätsprofessor für Regionale Geographie 26 damals Vorsitzender des Landesverbandes Reiten, Fahren, 39 Dr., Dipl.Biologin, Umweltberaterin Voltigieren 40 damals Präsident des Anbauverbandes BIOLAND 27 Agrarpolitiker und Naturschützer s. http://www.euronatur. 41 Landwirt, Landesvorstand der AbL org/Lutz-Ribbe.1252.0.html 42 Dr., damals Staatssekretär im Agrarministerium Branden- 28 Universitätsprofessorin für Agrobiotechnologie burg 29 Universitätsprofessor für Tierzucht 43 Universitätsprofessor für Geschichte 30 Universitätsprofessor für Pflanzenzüchtung und - pro- 44 Akademieprofessor für Geschichte und Archivwissenschaf- duktion ten 31 Agrar- und Sozialwissenschaftler s. http://www.vti.bund.de 45 Landwirt, Vorstandsmitglied BIOPARK e. V. 32 damals Vors. der Bundesverbände der Landwirtschaft- 46 Universitätsprofessor für Moor- und Paläoökologie | 9

Jahr Datum Ort Themenschwerpunkte, Beiträge von … 23.11. Greifswald Alternative Nutzungsformen für Moorstandorte in Mecklenburg-Vorpommern Hans Joosten46, Wendelin Wichtmann47, Michael Succow*, Tiemo Timmermann48, Konrad Ott* 2003 26.02. Demmin Die EU-Agrarpolitik nach 2006, Ute Schildt*, Till Backhaus* 30.10. Energetische Nutzung von Biomasse, Hans Joachim Hacker*, Michael Müller* 13.12. Tellow Landschaftspflegeverbände als Partner bei der Umsetzung europäischer Agrar- und Umweltpolitik in Mecklenburg-Vorpommern, Wolfgang Methling*, Hannelore Monegel* 2004 7.01- Schwerin Die Umsetzung der EU-Agrarreform - Eine Halbzeitbewertung mit Ausblick in die Zukunft, Till Backhaus, Theodor Fock49, Lutz Laschewski50, Hannelore Monegel*, Fritz Tack*, Waltraud Wolff*, Gerald Thalheim* 04.02. Demmin Nationale Beschlüsse zur EU-Agrarreform, Ute Schildt* 21.05. Grimmen Was bringt die Biotechnologie für die Zukunft unserer Landwirtschaft? Inge Broer, Lilly Kühnel 2005 05.01. Schwerin Agrobiotechnologie - Wege in die Zukunft Till Backhaus, Inge Broer, Manfred Schwerin, Lorenz Franken52, Andreas Hensel53, Joachim Schiemann54, Harald Seulberger55, Gerd Spelsberg56 14.04. Krakow Innovative Strategien für den ländlichen Raum Till Backhaus, Ralf Bokermann57 13.06. Schönfeld Was bringt die Biotechnologie für die Zukunft unserer Landwirtschaft? Harald Nitschke58, Inge Broer, Lilly Kühnel 2006 03.04. Leyerhof Chancen und Potentiale der energetischen Nutzung von Biomasse Till Backhaus, Lilly Kühnel 2007 03.01. Schwerin Agrar- und Ernährungsmarketing, Tierseuchenprophylaxe und -therapie Lebensmittelqualität und-sicherheit Till Backhaus, Maria Dayen59, Frerk Feldhusen60, Christian Grugel61, Rolf Heidenberger62, Thomas Mettenleiter*, Gottfried Marth, Uta Nehls63, Eike Schön- Petersen64, Klaus-Dieter Wilke65, Holger Vogel66, Edgar Offel67 2008 03.01. Schwerin Klimaschutz und Landwirtschaft, Biokraftstoffe, Wertschöpfung im Ländlichen Raum Karl-Otto Kreer*, Franz-Josef Löpmeier68, Peter Sanftleben69, Christiane Opitz70, Torsten Gabriel71, Johann Scheringer*, Bertold Meyer72, Günter Rhein73

47 Dr., Agrarwissenschaftler, s. http://www.uni-greifswald. 58 Landwirt, GF der Agrar GmbH Ramin de/~laoekon/ps_wendelin.htm 59 Dr., Abteilungsleiterin im Agrarministerium MECKLEN- 48 Dr., Diplom-Biologe, Wissenschaftlicher Mitarbei- BURG-VORPOMMERN ter, s. http://www.botanik.uni-greifswald.de/index. 60 Universitätsprofessor, Erster Direktor des Landesamtes php?id=timmermann0 für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei 49 Hochschulprofessor für Agrarwirtschaft und Lebensmittel- Mecklenburg-Vorpommern wissenschaften 61 Dr., damalig Präsident des Bundesamtes für Verbraucher- 50 s.a.a.O. schutz und 51 s.a.a.O. Lebensmittelsicherheit 52 Dr., Regierungsdirektor , Bundesministerium für Ernäh- 62 damals Geschäftsführer EDEKA Nordfrischezentrum rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) Valluhn 53 Universitätsprofessor, Präsident des Bundesinstitutes für 63 Mitarbeiterin Neue Verbraucherzentrale in Mecklenburg Risikobewertung (BfR) in Berlin, und Vorpommern e.V 54 Universitätsprofessor, Biochemiker, Sicherheitsforschung 64 Landwirt, s. www.haffwiesenhof.de in der Grünen Gentechnik 65 damals Geschäftsführer der Erzeugerorganisation Meck- 55 Dr., Vorstand der Deutschen Industrievereinigung Biotech- lenburger Ernte GmbH nologie (DIB) 66 Dr., Amtstierarzt Landkreis Ostvorpommern 56 Dipl.-Ing., Projektleitung www.transgen.de. Redaktionslei- 67 Journalist tung www.biosicherheit.de. Projektentwicklung, Autor 68 Leiter der agrarmeteorologischen Forschungsstelle des 57 Universitätsprofessor, FB Ökologische Agrarwissenschaften DWD 10 | POLITISCHE BILDUNGSARBEIT

Jahr Datum Ort Themenschwerpunkte, Beiträge von … 07.03. Lösungsstrategien für die zukünftige Gestaltung der Daseinsvorsorge im Ländlichen Raum - Das Beispiel Galenbeck Dietrich Daedelow74, Johann Kaether75, Claudia Neu76 10.11. Berlin Moore: Nutzungsmöglichkeiten im Kontext ihrer Klimarelevanz Till Backhaus, Michael Succow, Wendelin Wichtmann, Thomas Freund77, Micha- el Müller*, Thorsten Permien, Hans Joosten, Eike Schön-Petersen, Martin Piel78, Stefan Zerbe79, Cornelia Dührsen80 28.05. Vilm Raum- und Landschaftsplanung - Vom Konflikt zum Ausgleich? Beispiele aus Nordostdeutschland, Stefan Kerth81, Hans Dieter Knapp82 2010 07. – Schwerin Agrarpolitik, Agrarsozialpolitik und Politik für den Ländlichen Raum im 08.01. 20ten Jahr der Wiedervereinigung Karl Otto Kreer* , Peter Mehl83, Rainer Tietböhl84, Henning Bombeck85, Peter Dehne86 69 Dr., Leiter des Instituts für Tierproduktion der Landes- BURG-VORPOMMERN forschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei in 79 Universitätsprofessor für Botanik und Landschaftsökolo- Dummerstorf. gie 70 Vorstandsvorsitzende der LWPG Grimmen-West e.G., 80 Redakteurin für Natur und Umwelt beim NDR Hörfunk Leyerhof 81 Bürgermeister der Stadt Barth 71 Dr., Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe, Gülzow 82 Universitätsprofessor, Direktor der dem Bundesamt für 72 ehrenamtlicher Bürgermeister , Initiator des Naturschutz unterstehenden Internationalen Naturschutz- Projekts „Bioenergiedörfer MV“ akademie Insel Vilm. 73 Bürgermeister der Stadt Waren/Müritz 83 s.d. 74 damals ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde 84 Präsident des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpom- Schwichtenberg mern 75 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HS Neubranden- 85 Universitätsprofessor für Siedlungsgestaltung und ländli- burg che Bauwerke 76 Hochschulprofessorin für allg. Soziologie 86 Hochschulprofessor für Planungsrecht/Baurecht 77 Dr., Bevollmächtigter des Landes Mecklenburg-Vorpom- mern beim Bund 78 Hauptgeschäftsführer des Bauernverbandes MECKLEN-

Man wird bemerken, dass die agrarpolitische Kühnel, die abwechselnd über die letzten 12 Prominenz der Landes- aber auch Bundesebene Jahre unsere Gesprächskreise souverän mode- auf diesen Veranstaltungen nicht fehlte und rierten.. wir kompetente Referentinnen und Referenten Von drei der oben erwähnten Gesprächskreise aus der Wissenschaft und Praxis sowie den wurden Dokumentationen als Broschüren Verbänden gewinnen konnten. angefertigt: Vorrangiges Ziel insbesondere der Gesprächs- • Im Jahr 2000 zum Thema kreise war die Verknüpfung von Politik, Mit Visionen ins nächste Jahrtausend? Beruf­stand und Wissenschaft und der kritische ISBN 3-86077-946-X Dialog zwischen diesen Gruppen. • Im Jahr 2001 zum Thema: Ein verlässlicher und kompetenter Moderator Landwirtschaftliche Sozialpolitik wohin unserer Gesprächskreise war Jochen Dettmer. ISBN 3-89892-010-0 Er streitet heute als Bundesgeschäftsführer von • Im Jahr 2004 zum Thema : NEULAND e. V. für eine ökologische und tierge- Die Umsetzung der EU-Agrarreform - Eine rechte Ausrichtung der Produktionsverfahren. Halbzeitbewertung mit Ausblick in die Wir konnten auch sehr gut zusammenarbeiten Zukunft mit unseren Landtagsabgeordneten Ute Schildt, ISBN 3.89892-259-6 Hannelore Monegel, Angelika Peters und Lilly | 11

Es muss selbstkritisch erwähnt sein, dass Man kann einschätzen, dass wir die Sachkom- diese Tagungsdokumentationen leider nicht petenz der Seminarteilnehmer für ihr verant- fortgesetzt wurden. Die Gründe dafür liegen wortungsvolles Ehrenamt nachhaltig gestärkt auch darin, dass die guten Vorträge zunehmend haben. Besondere Verdienste auf diesem Gebiet nicht mehr als Fließtext, sondern als Präsen- haben sich unsere Seminarleiter Heinz Müller, tation in POWERPOINT vorlagen, was einer Gunter Albert, Dietmar Vogel und Uwe Menke Veröffentlichung in klassischer Form nicht erworben. dienlich war. Eine Auswahl der bei uns gehaltenen agrarpoli- Als Fazit hoffen wir, dass wir dem Ziel, tischen Beiträge in den Gesprächskreisen finden Menschen im ländlichen Raum mit unseren Sie als download auf unserer Website Veranstaltungen ein ordentliches Bildungs- und www.fes-mv.de. Diskussionsangebot gemacht zu haben, gerecht geworden sind. Politik für den Ländlichen Das „Stöbern“ in diesen über 15 Jahre gesam- Raum zu begleiten, wird für unser Büro in melten Dokumenten eröffnet einen guten Blick Mecklenburg-Vorpommern eine bleibende und sowohl auf unser „Tagesgeschäft“ als auch vorrangige Aufgabe sein. Es ist wichtig für uns, die perspektivischen Ansichten und Thesen der nochmals zu betonen, dass wir allen hauptamt- Protagonisten unserer Veranstaltungen. lichen und insbesondere den ehrenamtlichen und freiberuflichen Akteuren aller Ebenen die entscheidende Rolle im Prozess der Transfor- mation zubilligen. Ohne Ihr Handeln und persönlichen Einsatz für die Sache würde vieles anders, gar nicht oder schlechter gelaufen sein. Entsprechend werden sie auch an geeigneter Stelle genannt und man kann sie im Personen- register finden. Damit komme ich zu einem Schwerpunkt dieser Publikation: Um den Umwandlungsprozessen in der Land- wirtschaft und im Ländlichen Raum auch eine subjektive Bewertung zu geben, wurden Akteu- Einen nicht unbeträchtlichen Anteil an der re, Betroffene, Politiker, Landwirte, Lobbyisten, Stärkung des ländlichen Raums hatten unsere Berater oder Beobachter dieser Umwandlungen Aktivitäten zur Weiterbildung im kommu- befragt. Das Muster war bei allen gleich. Es gab nalpolitischen Bereich. Unter dem Obertitel vier Fragen mit der Bitte um Beantwortung: „Handwerkszeug für ehrenamtliche Kommu- nalpolitikerInnen“ veranstalteten wir in den 1. Wann, wie und ggf. wo konnte ich mich ein- vergangenen 20 Jahren eine große Zahl von bringen bei der Entwicklung des Ländlichen Seminaren mit hunderten Ehrenamtlern. Dabei Raums von Mecklenburg-Vorpommern? konzentrierten wir uns auf die Mandatsträger 2. Was ist in den vergangenen 20 Jahren im der amtsangehörigen Gemeinden, also der Dör- Ländlichen Raum von Mecklenburg-Vorpom- fer und Kleinstädte: Bürgermeister, Ausschuss- mern sehr gut gelungen? mitglieder, Amtsvorsteher. Die Themen waren 3. Was ist in den vergangenen 20 Jahren ist im breit gefächert: Dazu gehörte Grundlagen- und Ländlichen Raum von Mecklenburg-Vorpom- Aufbauwissen zu den Stichpunkten : mern überhaupt nicht gelungen? Sitzungen, Satzungen, Wahlen und Wahl- 4. Was wünsche ich mir vorrangig für die verfahren, Baurecht und Bauplanungsrecht, weitere Entwicklung des Ländlichen Raums Haushaltsrecht, Umweltrecht, , Kommunikati- in Mecklenburg-Vorpommern ? on/Rhetorik u.a.m.. 12 | POLITISCHE BILDUNGSARBEIT

Von 80 Anfragen bekamen wir rund 30 Antworten, die im folgenden unsystematisch in den Text eingefügt wurden. Ausführlichere Stellungnahmen haben wir in den ANHANG gesetzt. Es sind persönliche Sichten aus dem jeweiligen Betroffenheitsgrad oder aus der jeweiligen Kenntnis heraus, die möglicherweise von der Auffassung der Autoren dieser Studie abweichen können. Sie dienen der Dokumenta- tion momentaner Beurteilungen. Gleichzeitig erhellen sie schlaglichtartig die verschiedenen Möglichkeiten, Absichten oder Wege für eine alternative Entwicklung der Landwirtschaft und des Ländlichen Raums in Mecklenburg- Vorpommern.

Unser Dank geht an Wolf Karge, der die folgen- den Kapitel erarbeitet hat. Dabei unterstützte ihn bei den Recherchen Gerhard Rudolphi und Wolfgang Röhl. Dank auch ihnen. Mein beson- derer Dank gilt auch Gerd Rinas, Landesredak- teur der Bauernzeitung und Harald Kienscherf, Pressereferent beim Landesbauernverband, für die Bereitstellung treffender Fotos aus ihren Archiven. Wir wünschen der Broschüre ein gute Aufnah- me.

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1. Nichts bleibt, wie es war –

Wendezeit und Neuorientierung 1989 bis 1992

Das „Gesetz über die strukturelle Anpassung der Reparatur und Bau arbeiteten 29.764 Menschen. Landwirtschaft an die soziale und ökologische 22.546 waren in der Leitung und Verwaltung Marktwirtschaft in der Deutschen Demokrati- tätig. Der kulturell-soziale Bereich wies 9.726 schen Republik“ (Landwirtschaftsanpassungs- Beschäftigte aus. gesetz) wurde am 29.6.1990 von der letzten und demokratisch gewählten Volkskammer Bis Ende 1991 musste nach dem Landwirt- der DDR verabschiedet. Es stellte einerseits das schaftsanpassungsgesetz jede LPG umgewandelt Privateigentum an Grund und Boden wieder sein, andernfalls waren sie aufgelöst. Doch das vollständig her und sicherte andererseits die war lediglich die formaljuristische Seite. Dieses Gleichbehandlung aller bäuerlichen Betriebs- Gesetz stand im wiedervereinigten Deutschland formen, einschließlich der Genossenschaften. unter heftiger Kritik aus den alten Bundes- Die LPG sollten die Möglichkeit haben, in die ländern und der Bundespolitik. EG-Normen, Rechtsform einer „eingetragenen Genossenschaft bundesdeutsches Recht oder ein ganz anderes (eG)“ überführt zu werden. Damit hatten alle Steuersystem bildeten weitere Herausforderun- Betriebsformen, die das Gesellschaftsrecht der gen an die Landwirte der neuen Bundesländer, BRD kennt, von der Personengesellschaft über die sich den veränderten Bedingungen stellen den Familienbetrieb bis hin zu den Kapital- wollten, um ihre Arbeit fortzusetzen oder neu gesellschaften und Genossenschaften, oft als zu beginnen. Das Hauptproblem waren sehr Nachfolgeeinrichtung der LPG, formaljuristisch unterschiedliche Wahrnehmungen von Recht eine Chance, sich in der Marktwirtschaft zu und Unrecht in der DDR in Bezug auf die etablieren. Landwirtschaft. Die durch die Bodenreform In der DDR war seit dem Abschluss der enteigneten Landwirte mit Betrieben, die größer Kollektivierung 1960 einerseits eine starke als 100 ha waren, sahen sich in der Sowjetischen Konzentration der Betriebe und andererseits Besatzungszone ihrer Habe beraubt und wollten eine Spezialisierung in Tierproduktion und nach 1990 und nach bundesdeutschem Recht Pflanzenproduktion erfolgt. Die Situation in den in ihr Eigentum wieder eingesetzt werden. Die drei Nordbezirken der DDR – Schwerin, Rostock durch die Bodenreform mit diesem enteigneten und Neubrandenburg zeigte 1989 folgende Land „beschenkten“ Neubauern sahen sich Struktur in der Landwirtschaft: 126 Volkseigenen ebenfalls als rechtmäßige Eigentümer dieser Gütern (VEG) standen 876 LPG gegenüber. In Flächen und hatten dabei den Einigungsvertrag beiden Eigentumsformen war die Trennung der auf ihrer Seite. Etliche Altbauern, die in der DDR Produktionsbereiche vollständig durchgesetzt. ihre landwirtschaftlichen Nutzflächen bis 100 ha So wirtschafteten 295 Betriebe im Bereich der behalten konnten, die sie oft schon in mehre- Pflanzenproduktion und 714 in der Tierproduk- ren Generationen bewirtschafteten, sahen sich tion (darunter auch 19 Zwischenbetriebliche durch den Druck zur Kollektivierung bis 1960 Einrichtungen). Von 180.027 Beschäftigten ebenfalls entrechtet. Etliche Bauernfamilien waren 117.991 direkt in der Produktion tätig. waren in den Westen geflüchtet und danach in In den Dienstleistungsbereichen Werkstatt, der DDR enteignet worden. Für diese Familien 14 | NICHTS BLEIBT, WIE ES WAR

war die Rechtslage am günstigsten. Sie erhielten nach 1945 noch übertrafen. Die Arbeitslosigkeit überwiegend recht schnell ihre bäuerlichen Wirt- trat in ihrer Massenerscheinung als völlig neues schaften zurück, sahen sich dann aber oft mit Problem in den ländlichen Alltag. Viele ältere komplizierten Grundstücksveränderungen und Berufstätige standen der Situation hilflos gegen- Bebauungen durch die LPG konfrontiert. Hinzu über. Zahlreiche Jugendliche und Höherqualifi- kamen die LPG-Nachfolgegenossenschaften, zierte wanderten ab. die argwöhnisch beobachtet wurden, da sie in Erstmals wurde in der Dorfbevölkerung die der Öffentlichkeit teilweise als „Überlebensform Bindung an die landwirtschaftliche Produktion kommunistischer Strukturen“ galten. nicht mehr als die dominierende Struktur des eigenen Lebens empfunden. Die Menschen wur- Rechtsunsicherheit, Gerichtsverfahren, langwie- den mehrheitlich ihrem früheren Erwerbsumfeld rige Klagen bis vor den Europäischen Gerichtshof entfremdet. Landwirtschaft als Lebensinhalt für Menschenrechte, unsachliche Polemik oder rückte aus dem Zentrum der dörflichen Sozial- unzureichend informierte Medienberichte waren struktur. Die verbleibenden landwirtschaftlichen die Folgen. Produzenten gerieten in die Situation einer Ein besonderes wirtschaftliches Problem waren die dörflichen Minderheit und damit vielfach auch Altschulden, die sich teilweise aus der Übernahme in eine Rechtfertigungsposition besonders in Um- kommunaler Aufgaben außerhalb der eigentli- weltfragen. Die Entkoppelung des größten Teils der chen wirtschaftlichen Belange durch die LPG in Dorfbevölkerung von der ländlichen Agrarproduk- der DDR aufgehäuft hatten. Das hatte nur selten tion führte zu völlig neuen Spannungsfeldern. etwas mit wirtschaftlichem Vermögen oder Unver- Die soziale Differenzierung nahm trotz allge- mögen der Nachfolgeeinrichtungen zu tun. mein steigender Lebensqualität zu. Wuchsen Insgesamt bestanden 1991 in Mecklenburg- einerseits die technischen Erleichterungen im Vorpommern 3.176 landwirtschaftliche Betriebe. Haushalt und erfolgte eine erhebliche Verbesse- Diese Zahl wuchs in den folgenden Jahren um rung der Motorisierung, nahm andererseits Angst über ein Drittel bei einer Verkleinerung der vor Verarmung und Kriminalität zu. Die in der durchschnittlichen Betriebsgrößen. DDR sozial sehr stark verknüpfte und sich auch Der komplizierte Strukturwandel ist besonders teilweise stark kontrollierende Dorfgemeinschaft für ein stark im Agrarsektor produzierendes Land individualisierte sich zunehmend. Mit der Um- wie Mecklenburg-Vorpommern von herausra- wandlung oder dem Verkauf von früheren LPG gender politischer Bedeutung gewesen und im und VEG brach auch deren sozial-kommunales Vergleich zu anderen Bereichen der Wirtschaft Engagement im Dorf weg. 1993 hatten bereits relativ erfolgreich verlaufen. Die Veränderun- 23% der Dorfläden geschlossen. gen sind in verschiedenen temporären Stadien 35 % der Poststellen und 39 % der Kindertages- abgelaufen. Dieser Wandel war von äußeren stätten waren aufgelöst. Dienstleistungsangebote politischen Faktoren wie der EG-Agrarpolitik und gingen um die Hälfte zurück und die hauptamt- der darauf basierenden agrarpolitischen Förder- lichen Gemeindeverwaltungen hatten in 61 % oder Entlastungspolitik der Bundesrepublik der Fälle die Arbeit eingestellt. Gemeindeschwes- Deutschland für die Landwirte einerseits und den tern verschwanden aus dem Dorfbild und auch einschneidenden sozialen Umbrüchen für die die Abschnittsbevollmächtigten der Polizei. Menschen auf dem Lande andererseits geprägt. Die Menschen im ländlichen Raum trafen die In stadtnahen Dörfern gab es einen starken politischen Veränderungen und die deutsche Zuzug in Verbindung mit neuen Einfamilien- Wiedervereinigung 1989/90 im neu entstehen- haussiedlungen, deren Bewohner oft lange keine den Bundesland Mecklenburg-Vorpommern am gemeinsame Sprache mit der ortsansässigen härtesten. Bevölkerung fanden. Hier blieben die Freiwillige Das hatte nachhaltige Wirkungen auf die Sozi- Feuerwehr, die Schule, Sportgemeinschaften alstruktur in den Dörfern, die die Veränderungen oder Chöre oft zunächst die einzigen Kontinu- | 15

itäten und sozialen Bindeglieder. Erst mit der hältnisse durch Fortbildungen und zunächst Schaffung neuer Verbände mit sozialpolitischen temporäre Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Zielstellungen, den Karnevals-, Heimat- und 25 speziell für dieses Projekt intensiv ausgebil- anderen Vereinen im Freizeitbereich und in dete Beraterinnen waren in einem mobilen Netz der Traditionspflege keimten neue kommunale im Land unterwegs.1 Strukturen. Die Neuorientierung der Menschen Die Landjugend organisierte sich seit 1990 als in politischen Parteien polarisierte andererseits. Zusammenschluss ländlicher Jugendinitiativen Überkommene Strukturen der DDR im sozialen ebenfalls besonders im sozialen und Bildungs- Bereich, wie der DFD, der sich 1990 in Demokra- bereich. tischer Frauenbund e.V. (dfb) umbenannt hatte, Eine Verbindung zwischen Agrarwirtschaft und blieben aktiv. Auch die Volkssolidarität mit den ländlichem Tourismus als neuem Wirtschafts- Senioren als Zielgruppe wandelte sich zeitgemäß. zweig auf dem Lande vermittelt der 1991 ge- Der neuen bzw. öffentlich geförderten Arbeit gründete Verband Landurlaub in Mecklenburg- stellte sich sehr schnell die Kirche mit hohem Vorpommern e.V. Engagement in ihren karitativen Aufgaben in Die Zahl der direkt in der Landwirtschaft den Dörfern – besonders auch in der Familien-, Beschäftigten sank in Mecklenburg-Vorpommern Frauen-, Kinder- und Jugendarbeit. 1990 zunächst dramatisch von 158.000 inner- Der Landfrauenverband Mecklenburg-Vorpom- halb von zwei Jahren auf 71.000. 1992 hatte sie mern begann seine Tätigkeit 1991 mit Initiativen sich noch einmal auf 36.000 halbiert und sank im sozialen Sektor für die aus dem landwirt- weiter. Von den 158.000 Menschen, die noch schaftlichen Arbeitsprozess gedrängten Frauen in der DDR direkt in der landwirtschaftlichen auf den Dörfern. Es war der erste Landfrauenver- Produktion tätig waren, wurden bis 1992 31,6 % band auf Landesebene in den neuen Bundeslän- Rentner oder Vorruheständler, 18 % wurden dern. Das erste große Projekt dieses Landesver- arbeitslos (meist auch langzeitarbeitslos). bandes „Beratung von Frauen im ländlichen 14,4 % erhielten zunächst ABM-Plätze und Raum“ wurde vom Landwirtschaftsministerium Umschulungsmöglichkeiten. Von diesen unterstützt. Dabei ging es besonders um die Letztgenannten wanderten schließlich 36 % in psychologische Hilfe und die Wiedereingliede- [1) http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok rung von arbeitslosen Frauen in Dauerarbeitsver- DS 1/1806, S. 22. (15.1.2011). 16 | NICHTS BLEIBT, WIE ES WAR

andere Berufe ab. Die Arbeitslosigkeit auf dem Der Rückgang der Beschäftigtenzahlen hatte Lande war zu einem ernsten politischen Problem seine Ursache zunächst in der oft durch die geworden. In manchen Dörfern waren mehr äußeren Umstände erzwungenen gesunkenen als die Hälfte der arbeitsfähigen Bürger ohne Produktion. Dienstleistungsbereiche z.B. im Erwerbsmöglichkeiten im ersten Arbeitsmarkt. Bau- und Reparatursektor oder in der saisonalen Alle Fraktionen des Landtages von Mecklenburg- Bereitstellung von Technik, der ganze sozial- Vorpommern beschlossen deshalb im Januar kulturelle Bereich und auch Teile der Verwaltung 1991 über politische Gegensätze und Parteig- wurden ausgegliedert oder geschlossen, da gut renzen hinweg gemeinsam einen Antrag, eine organisierte Anbieter aus den alten Bundeslän- Bundesratsinitiative zur Lage der Bauern in den dern auf diesen Markt drängten oder die fünf neuen Bundesländern zu starten, die eine marktwirtschaftlichen Zwänge das forderten. den besonderen Verhältnissen in den fünf neuen Doch auch neue Möglichkeiten der Automatisie- Bundesländern geschuldete und gesonderte rung und Mechanisierung der Arbeiten bildeten Vorruhestandsregelung für die zuvor auf dem eine weitere Ursache für den Rückgang. Land Arbeitenden zum Ziel haben sollte.2 Diese Die Viehwirtschaft zeigte die Veränderungen Initiative fand im Bundesrat keine politische deutlich. Die Rinderbestände gingen um die Mehrheit. Hälfte und die Schweinebestände um 80 % zurück. Als erstes wirkte sich die Milchquo- [2) http://www.dokumentation.landtag-mv.de /parldok tenregelung der Europäischen Gemeinschaft DS 1/123.

Tab.1: Viehbestand in 1.000 Stück in Mecklenburg-Vorpommern1

Jahr Rinder dar. Milchkühe Schweine Schafe 1989 1.278 2.748 383 1990 1.106 345 1.970 195 1991 731 248 1.153 77 1992 592 222 970 73 ���� Historischer und geographischer Atlas von Mecklenburg und Pommern, Band 1 Mecklenburg-Vorpommern. Das Land im Überblick. Schwerin 1995, S. 67.

Tab. 2: Landwirtschaftliche Nutzflächen in Mecklenburg-Vorpommern1

Nutzungsart 1989 1990 1991 1992 1.000 ha % 1.000 ha % 1.000 ha % 1.000 ha % LF 1.508,7 100,0 1.560,8 100,0 1.299,1 100,0 1.275,2 100,0 dav. Ackerland 1.129,7 74,9 1.131,6 75,0 1.011,8 77,9 1.008,9 79,1 dav. Dauergrünland 343,9 22,8 341,1 22,6 280,8 21,6 261,1 20,5 dav. Wiesen 142,0 (41,3) 140,3 (41,1) 96,3 (34,3) 100,5 (38,5) dav. Weiden 182,9 (53,3) 178,9 (52,4) 174,3 (62,2) 154,1 (59,0) Obstlagen 5,6 0,3 6,0 0,4 4,3 0,3 3,3 0,3 Sonst. Flächen 29,5 1,9 29,6 2,0 2,2 0,2 1,5 0,1 (Anm.: Die Flächenveränderungen bei der LF 1991 zu 1990 sind auf eine veränderte territoriale Zuordnung einiger Kreise und Gemeinden zu Ländern Brandenburg und Niedersachsen zurück zu führen) ������������������������������������������������������������������������������������������������������� Historischer und geographischer Atlas von Mecklenburg und Pommern, Band 1 Mecklenburg-Vorpommern. Das Land im Überblick. Schwerin 1995, S. 65. | 17

reduzierend auf die Produktion aus, die bis zum Gruppe der Genossenschaftsbauern mit Landbe- Milchwirtschaftsjahr 1991/1992 auf 80 % der sitz eine differenzierte neue Bauernschaft als 1989 verarbeiteten Milchmenge gesenkt werden Familienbetrieb mit deutlich größeren Flächen musste. Das führte zum Wegfall von Arbeitsplät- als in den alten Bundesländern. Etwa 20.000 zen und hatte eine drastische Reduzierung des dieser Produzenten waren vorher bereits Ge- Milchviehbestandes zur Folge. nossenschaftsbauern und wurden damit auch wieder Eigner oder Anteilseigner. Einige be- Im Ackerbau sanken besonders die Flächen trieben ihre landwirtschaftliche Tätigkeit nun und damit die Erträge für die arbeitsintensiven im Nebenerwerb. Die traditionelle bäuerliche Kartoffel- und Zuckerrüben in dramatischen Identität von Eigentümer und Produzent war Größenordnungen. Weitere Rückgänge traten für sie wieder hergestellt. Ein Hemmnis für die durch die von der europäischen Gemeinschaft Entscheidung zur Selbständigkeit dieser Land- vorgeschriebene Flächenstilllegungen ein. wirte war oft ihre in der DDR einseitig erfolgte Ausbildung für die Bereiche Tierproduktion Landbesitzer, die ihr Eigentum nicht selbst oder Pflanzenproduktion. bewirtschafteten, gerieten unter den Einfluss Diese Betriebe wurden als „Wiedereinrichter“ von Lobbyträgern und Pächtern mit sehr un- bezeichnet. Das sind Landwirte, die ihr in die terschiedlichen Interessen und Betriebsformen. LPG eingebrachtes Land wieder zurück erhalten Viele ehemalige Genossenschaftsbauern mit haben, um als Bauern einen Neuanfang zu Landbesitz, die ihre Flächen aus den verschie- beginnen. Wiedereinrichter konnten auch densten Gründen nicht mehr selbst bewirtschaf- ehemalige LPG-Bauern im Nebenerwerb sein, teten, schlossen teilweise Pachtverträge mit den die zum Teil als Rentner den Familienacker Nachfolgeunternehmen oder Wiedereinrichtern von wenigen Hektar bewirtschafteten. Es waren ab. Diese Nachfolgeunternehmen bestanden aber ebenso viele jüngere Bauern darunter, die auch aus den „Neueinrichtern“ – ortsansässi- mit zusätzlichem Pachtland und moderner gen Landwirten, die ihre Nutzflächen überwie- Technik mehrere Hundert Hektar bewirtschaf- gend pachteten. In den Auseinandersetzungen teten und in ihrer Effizienz den Nachfolge- zwischen diesen Bauern und den LPG-Nachfol- betrieben der LPG nicht nachstanden. Sie gebetrieben stand immer wieder die Herausgabe erhielten pro Betrieb 23.500 DM Starthilfe oder der Vermögens- und Inventaranteile kontrovers Bürgschaften durch das Land. Das Verhält- und oft sehr emotionsgeladen zur Diskussion. nis zwischen Wiedereinrichtern und LPG- Nachfolgebetrieben war oft aus historischen Aus den verbleibenden Beschäftigten in der Gründen belastet. Fragen der Bodenreform von Landwirtschaft entstand besonders aus der 1945, die abschließende Zwangskollektivierung 18 | NICHTS BLEIBT, WIE ES WAR

bäuerlicher Wirtschaften im Jahre 1960 – die alten Differenzen zwischen „Altbauern“ und „Neubauern“ aus den frühen Jahren der DDR – aber auch die in der DDR nie richtig erfassten Grundstücksfragen z.B. bei der Bebauung von privaten Grundstücken mit LPG-Gebäuden (Ställen, Werkstätten, Technikhallen, Sozi- aleinrichtungen, befestigten Straßen oder Verwaltungsgebäuden) belasteten bei der nun erforderlichen Zusammenführung von Boden- und Gebäudeeigentum den Neubeginn zustehenden oder zugesagten Fördermitteln, landwirtschaftlicher Produzenten. da diese durch das Bundesministerium für Neu trat die Gruppe der aus den alten Bundes- Landwirtschaft erfolgte. Erst ab 1991 verbesserte ländern und besonders auch aus den Nieder- sich diese Situation, als die Länder die Hoheit landen zugezogenen landwirtschaftlichen über einzelbetriebliche Investitionsförderungen Unternehmen auf. Sie hatten teilweise Land für im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbes- reine Marktfruchtbetriebe gekauft oder gepach- serung der Agrarstruktur und des Küstenschut- tet und betrieben andererseits Viehwirtschaft. zes“ erhielten. Auch die konkrete Anwendungs- Teilweise wurden ganze ehemals volkseigene möglichkeit der Investitionszulagenverordnung Güter oder Zwischenbetriebliche Einrichtungen als Anreiz z.B. für die Tierhaltung war zunächst (ZBE) von der BVVG ausschließlich für die unklar. Milchproduktion erworben. Einige von ihnen Die Flächenausstattung der Genossenschaf- waren Nachfahren früherer und nach 1945 ten lag erheblich über dem Durchschnitt der enteigneter Eigentümer, die teilweise ehemali- landwirtschaftlichen Betriebe insgesamt. In ges Eigentum zurückerwarben oder Landwirt- Mecklenburg-Vorpommern betrug der Durch- schaftsbetriebe von der Treuhand und aus der schnitt an landwirtschaftlicher Nutzfläche 1991 Liquidation ehemaliger LPG kauften. etwa 410 ha, darunter Ackerland 318 ha. Schleppend verlief gleichermaßen für Neu- gründer und Wiedereinrichter trotz bestätigter Konzepte zunächst die Ausreichung von

Tab. 3: Leistungsfähigkeit der Agrargenossenschaften3 Durchschnittswerte 1991 / 1992 1992 / 1993 Arbeitskräfte gesamt 62 40,3 Arbeitskräfte/100 ha 3,5 2,6 LN in ha 1.767 1.561 Anbaufläche in ha 1.371 1.241 Eigentumsfläche in ha 18 6 Pachtfläche in ha 1.589 1.379 von Treuhand/BVVG 692 586 Milchreferenzmenge in kg 2.020.867 1.956.151 Zuckerrüben-Lieferrechte in dt 23.840 22.896

������������������������ Wie Anm. 1, S. 31. | 19

Den Agrargenossenschaften als Rechtsnachfolger durch Auflösung und anschließende Neu- der LPG standen seit der deutschen Wiederver- gründung von Personengesellschaften und einigung, und eigentlich bereits schon mit dem Einzelbetrieben sinnvoll umgestaltet werden.“6 Beginn der Vorverhandlungen dazu, erhebliche Die Protagonisten dieser Meinung zweifelten die Widerstände entgegen. Till Backhaus formulierte Wertstellung der Bilanzen und die Kriterien ihrer rückblickend, dass man den „Rechtsnachfolgern Aufstellung an. Doch die Vermögensauseinan- der LPG Steine – ich sage wohl besser: Felsen dersetzung und die Ausweisung der Inventar- – in den Weg legte“.4 Ihre Vorsitzenden, die beiträge war die Voraussetzung, um überhaupt in diesen Funktionen bereits in der DDR tätig kreditwürdig zu werden. Die in der Bundesre- waren, wurden als „Rote Barone“ diffamiert. publik Deutschland bis dahin kaum etablierte Sie waren fast alle sehr gut ausgebildet, besaßen Rechtsform landwirtschaftlicher Betriebe wurde aber oft kein eigenes Land. Die Lebensfähigkeit insgesamt mit großer Skepsis und mit Miss- der Genossenschaften war prinzipiell angezwei- trauen betrachtet. Das entsprang einer teilweise felt. Im Leitfaden zum 1991 und 1992 novellier- kuriosen Mischung aus einer auf die früheren ten Landwirtschaftsanpassungsgesetz, das nun LPG projizierten Überideologisi�����������������������������erung��������������� und Über- die freie Wahl zur Betriebsform offen ließ und politisierung in den alten Bundesländern, der die Intentionen des alten in der Volkskammer Unkenntnis dort über den hohen Bildungsstand beschlossenen Gesetzes weitgehend aushebelte5, bei den LPG-Vorständen am Ende der DDR und lautete die vernichtende Prognose 1992: „Die der Vermischung dieses Themas mit den Enteig- Agrargenossenschaften befinden sich in einer nungen im Zuge der Bodenreform. Hinzu kam hoffnungslosen Rechtslage und können nur als Problem vor Ort in den neuen Bundesländern [4) Backhaus, Till, die Transformation der Agrargenossen- die völlig gerechtfertigte Einforderung der Inven- schaften in Mecklenburg-Vorpommern, in: Ilona Buchstei- tarbeiträge durch die ehemaligen und nun nicht ner und Siegfried Kuntsche (Hrsg.), Agrargenossenschaften mehr produzierenden Genossenschaftsbauern. in Vergangenheit und Gegenwart. Rostock 2004, S. 14. Der Beratungsbedarf für die Entscheidung zur [5) Scheringer, Johann, Die gesetzlichen Grundlagen der passenden Betriebsform war unter diesem zusätz- Transformation der ostdeutschen Landwirtschaft, in. Ilona lichen politischen Druck hoch. Buchsteiner und Siegfried Kuntsche (Hrsg.), Agrargenossen- schaften in Vergangenheit und Gegenwart, Rostock 2004, [6) Leitfaden zum Landwirtschaftsanpassungsgesetz. Bonn S. 177f. 1992. 20 | NICHTS BLEIBT, WIE ES WAR

Notwendige pragmatische Entscheidungen Mecklenburg-Vorpommern zusammen. Zum wurden oft ideologisch überfrachtet. Vielfach Vorsitzenden wurde der Landwirt Harald Röpke orientierte sich die Wahl der Rechtsform nicht aus Löcknitz im damaligen Kreis Pasewalk an Sachkriterien, sondern an Empfehlungen gewählt. Das war die erste geeinte berufsstän- von Beratern aus den alten Bundesländern. Ein dische Vertretung dieser Art in den fünf neuen Versuch der CDU in Mecklenburg-Vorpommern Bundesländern.11 Die Akteure waren in vielen bereits im November 1990, nach dem Vorbild der Fällen zuvor Mitglieder der Vereinigung der IHK eine Landwirtschaftskammer für die drin- gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) in der DDR. gend erforderliche Beratung und Qualifizierung, Mit dem Motto „Einheit der Vielfalt“ beruft sich für wissenschaftliche Untersuchungen und auch die Interessenvertretung der Landwirte bis heute die Förderung von Jugendlichen und Frauen auf auf ihre breit gefächerte Mitgliedschaft und dem Lande zu schaffen,7 8fand deshalb zunächst deren unterschiedliche Interessen. Der Verband auch im Landwirtschaftsausschuss unter der sieht seine Hauptaufgabe in der Einflussnahme Leitung von Prof. Dr. Peter Kauffold (SPD) auf agrarpolitische, agrarwirtschaftliche und Zustimmung.9 Im Januar 1992 verhinderte aber agrarsoziale Entscheidungen auf Landes-, Bun- der Bauernverband des Landes endgültig die des- und europäischer Ebene. Dazu unterhält er Landwirtschaftskammer. Stattdessen entstand ein weit gespanntes Netzwerk für die Interes- die Landwirtschaftsberatung Mecklenburg- senvertretung. Er leistet für seine Mitglieder Vorpommern/Schleswig-Holstein GmbH (LMS) juristische und soziale Hilfe oder unterstützt die mit einer Geschäftsstelle in Rostock. Über die Verbände der Landjugend und Landfrauen. In angeschlossene Landwirtschaftliche Untersu- der Landespolitik ist der Verband hoch geachtet chungs- und Forschungsanstalt (LUFA) leistete und auch gefürchtet. sie in den folgenden Jahren auch die notwendige Bis 1992 gingen 391 der 1989 noch existierenden wissenschaftliche Analytik und Beratung.10 landwirtschaftlichen Betriebe in Liquidation, Daneben entstanden auch in Mecklenburg-Vor- Konkurs oder sie lösten sich durch den Zusam- pommern eine Reihe von berufsständischen und menschluss mit anderen Genossenschaften der sozial engagierten Verbänden und Vereinen, die Pflanzen- und Tierproduktion auf. Lediglich sich für die Belange im landwirtschaftlichen und eine LPG hatte keinen Umstrukturierungs- dörflichen Bereich einsetzten. Zunächst hatten antrag eingereicht und wurde dadurch per sich sehr schnell und spontan ein Mecklenbur- Gesetz zwangsaufgelöst. Entstanden waren gischer Bauernverband, nach dem 3.10.1990 ein darunter 279 eingetragene Genossenschaften, Landesbauernverband Mecklenburg-Vorpom- 268 GmbH und 79 GmbH & Co KG. In diesen mern und ein Genossenschaftsverband der LPG Zahlen spiegeln sich auch die unterschiedlichen und GPG Mecklenburg-Vorpommern gebildet. Beratungsideologien wider. Aktiengesellschaften Als Arbeitsgemeinschaft waren sie bereits früh auf oder Kirchengüter spielten eine eher unterge- Landes- und Bundesebene gemeinsam aufgetre- ordnete Rolle. Die Größe dieser insgesamt 858 ten. Am 22. März 1991 schlossen sie sich auf dem Betriebe in Form juristischer Personen lag im ersten Landesbauerntag zum Bauernverband Schnitt bei 1.500 ha, während die Betriebsgröße der Familienunternehmen bzw. natürlichen [7) http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok Personen bei nur etwa 130 ha durchschnittlich DS 1/32. [8) Benutzungshinweis: Online kommen Sie zur Parla- lag. Letztere machten über 2.500 der Betriebe in mentsdatenbank, danach über DS= Drucksache über die Mecklenburg-Vorpommern aus. Ziffer =Wahlperiode, über die letzten Ziffern = - Dokument- Insgesamt hat die BBVG den ihr übertragenen nummer zum Dokument Auftrag der Vermarktung dieser Flächen erfüllt, [9) http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok aus deren Erlösen ein erheblicher Beitrag für die DS 1/81. Finanzierung der deutschen Wiedervereinigung [10) Chronik des Landesbauernverbandes Mecklenburg- Vorpommern, in: 10 Jahre Bauernverband Mecklenburg- generiert werden sollte. Vorpommern e.V., Schwerin 2001, S. 114. [11) Bauernzeitung, Sonderbeilage [2001]. | 21

Die LPG-Nachfolgeunternehmen als Rechts- –––––––––––––––––––––––––––––– nachfolger blieben auf den Altschulden sitzen. Dr. Heinrich Graf von Bassewitz, Das traf auch für Maßnahmen zu, die als Landwirt, Gut Dalwitz Kreditlast z.B. für Melioration oder allgemeinen Wegebau entstanden, und mit den Flächen bereits in den Besitz der TLG oder neuer Eigen- Ich war beteiligt an Gründungen und in tümer übergegangen waren. Obwohl durch den leitender Tätigkeit diverser Vereine und Kör- Landwirtschaftsausschuss des Landtages unter perschaften wie z.B. der Erzeugergemeinschaft Leitung von Prof. Dr. Peter Kauffold (SPD) BIOPARK, der BIOPARK Markt GmbH, der schon im Dezember 1990 eine Änderung des Grundschule Walkendorf, des Mecklenburger Einigungsvertrages in dieser Frage angemahnt Agrarkultur e. V., der Stiftung „Parkland“. wurde, blieb diese Regelung von Bestand. Hinzu Ich sehe folgende Fortschritte im Ländli- kamen Auswirkungen der Bestellungskredite im chen Raum: Aufbau des Landtourismus, der laufenden Anbaujahr, die im ersten Halbjahr ländlichen Infrastruktur (Straße und Wege, 1990 noch in DDR-Mark erfolgte, aber zum Ende DSL, dörfliche Einrichtungen von Feuerwehr des Jahres nach der Währungsunion in D-Mark bis Kinderspielplatz), Aufbau von Attraktionen bei völlig veränderten Erlösverhältnissen zurück- von Vogelpark Marlow bis Musikfestspiele. gezahlt werden musste. Nicht gelungen sind der Aufbau der Verar- Die SPD stellte als einen ihrer ersten Anträge beitung landwirtschaftlicher Produkte, eine im Landtag die Forderung, eine landeseigene Diversifizierung der Landwirtschaft und eine Land- und Siedlungsgesellschaft zu gründen, „Schandfleckbeseitigung“ - sprich der Abriss weil abzusehen sei, „dass die unmittelbar alter Gebäuderuinen. Zum letzteren wünsche anstehenden dringenden Landesaufgaben der ich mir von der Politik die Auflage eines Investitionsförderung, der Kommunalentwick- Schandfleckbeseitigungsprogramms. lung insbesondere im Bereich der Infrastruktur, der Anpassung der Markt- und Agrarstrukturen sowie des Umwelt- und Landschaftsschutzes lichen polemischen Schärfe formulierte Dr. Harald nur dann bestmöglich gelöst werden können, Ringstorff für die SPD-Fraktion während der wenn die Verwertung der bisher volkseigenen Einbringung des Antrages die Forderung für die Flächen dezentralisiert wird“.12 Der Treuhand- Aufwertung der Landgesellschaft: „Für die liegenschaftsgesellschaft (TLG) wurde darin Privatisierung des bisher volkseigenen Grund und eine Mitgesellschafterfunktion zugedacht. Diese Bodens sind Landgesellschaften geeigneter als die Gesellschaft verwaltete im Herbst 1990 über zwei Treuhandanstalt Berlin jetzt ist. Der Grund und Millionen Hektar landwirtschaftliche Flächen in Boden von Mecklenburg-Vorpommern ist zu Mecklenburg-Vorpommern. Darunter 1.670.000 wertvoll, um mit diesem wertvollen Gut Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche.13 1991 Spekulationen zu betreiben. Besonders Geschäfte- wurde dann die „Landgesellschaft Mecklen- machern ist das Handwerk zu legen, um damit burg-Vorpommern mbH“ als gemeinnütziges auch zu stabilen Bodenpreisen zu kommen.“15 Siedlungsunternehmen des Landes Mecklen- Am 1. Februar 1992 nahm die bundeseigene burg-Vorpommern gegründet. Sie führt seitdem Bodenverwertungs- und -Verwaltungsgesellschaft Maßnahmen zur Siedlung, zur Agrarstrukturver- (BVVG) ihren Betrieb auf. Sie übernahm den besserung und zur Regionalentwicklung durch.14 größten Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche In einer für eine Beschlussvorlage ungewöhn- von der TLG mit dem Ziel der Weiterverwertung durch Verkauf oder Verpachtung. Die Flächen der [12) http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok in Besitz der BVVG übergegangenen Volkseige- DS 1/30. nen Güter (VEG) wurden (im Gegensatz zu den ����� http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok DS 1/4716, S. 1. ����� http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok [14) http://www.lgmv.de. DS 1/270. 22 | NICHTS BLEIBT, WIE ES WAR

früheren LPG) schuldenfrei verkauft, obwohl für Mecklenburg-Vorpommern sehr unterschiedlich auch sie über Kredite finanzierte kommunale in den Regionen des Landes ausgeprägt. Ganz Aufgaben in der DDR übernommen hatten. Die offensichtlich war ein West-Ost-Gefälle vorhanden. SPD kritisierte noch 1993 im Landtag, dass bei Besonders gefragt waren Flächen in den Gebieten den Ausschreibungen zur Verwertung dieser entlang der früheren innerdeutschen Grenze wegen Güter einheimische Landwirte ausgeschlossen der geringen Entfernung zu den verarbeitenden Be- wurden.16 trieben. Nordwestmecklenburg im Einzugsgebiet des Sorge bestand auch für die SPD in der Frage der damaligen Landwirtschaftsamtes Wismar mit seinen bevorzugten Verpachtung von landwirtschaftlicher hohen Ackerzahlen (Bodenpunkte) stand hoch in Nutzfläche durch die BVVG an Neueinrichter aus der Gunst. Vorpommern scheint dagegen nicht so den alten Bundesländern bzw. der Europäischen attraktiv für eine Zuwanderung aus dem Westen Gemeinschaft. Diese Situation zeigte sich allerdings gewesen zu sein, insbesondere in Gemarkungen, wo die Böden hier auch teils von geringerer Güte sind. [16) http://www.dokumentation.landta≠g-mv.de/parldok DS 1/3108. (14.1.2011).

Tab. 4: Verpachtete landwirtschaftliche Nutzflächen 1991 Landwirtschaftsamt angezeigte Pachtverträge ha dav. aus alten BL + EG in ha Prozent Demmin 55.990 3.152 5.63 Wismar 77.651 18.344 23.62 Rostock 87.360 10.396 11.90 Neubrandenburg 145.300 19.000 13.08 Güstrow 120.009 10.885 9.07 Neustrelitz 61.339 3.784 6.17 Anklam 171.220 3.082 1.80 Stralsund 110.807 5.161 4.67 Schwerin 140.807 16.490 11.71 Parchim 56.134 5.151 9.18 Zusammen 1.026.344 95.445 9.30

Ein weiteres Problem war die Absatzmöglichkeit ter marktwirtschaftlichen Bedingungen. Die sich der einheimischen Produkte. Der Markt wurde rasant ausbreitenden Supermarktketten verfüg- von Erzeugnissen aus der EG überschwemmt. ten über eigene Herstellerstrukturen, die kaum Mit der Mitte 1990 einsetzenden Wirtschafts-, Interesse an Produzenten und Produkten aus Währungs- und Sozialunion im wiedervereinig- den neuen Bundesländern zeigten. Der Absatz ten Deutschland gingen die bis dahin in der DDR regionaler einheimischer Produkte stockte und staatlich hoch subventionierten Erzeugerpreise kam teilweise ganz zum Erliegen. Die landwirt- drastisch zurück. Sie wurden nur zum Teil durch schaftlichen Produzenten blieben auf ihrer Ernte die Ausgleichszahlungen der EG aufgefangen. oder den Schlachttieren sitzen. Das verschärfte Die verarbeitenden Betriebe für landwirtschaft- wieder die ohnehin angespannte Schuldensitua- liche Produkte in Mecklenburg-Vorpommern tion. Liquidationen von Betrieben war die Folge. steckten selbst in erheblichen Problemen. Ihre oft Die Landespolitik war gefragt, stand aber auch schleppende Privatisierung durch die TLG, ein vor einem Dilemma. Zur Entschärfung dieser für erheblicher Modernisierungsstau und ein hoher die Landwirte bedrohlichen Situation forderte die Personalbestand erschwerten einen Neustart un- SPD-Fraktion im April 1991 ein Gütesiegel für | 23

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Dr. Andre Bönsel, Biologe, Naturschützer und Landschaftsplaner, sorgen sich zunehmend um den Schwund der Marlow Artenvielfalt und versuchen mit einfachsten praktischen Mitteln ihren Anteil zum Aufhal- ten des rapiden Rückgangs zu leisten (z.B. durch Schwalbenbäume auf den Landwirt- schaftlichen Hofstellen.

Überhaupt nicht gelungen ist im ländlichen Raum die Integration von meist dezentral gelegenen Naturschutzgebieten in die heutige Form der landwirtschaftlichen Nutzung. Viele Naturschutzgebiete werden nicht mehr genutzt, die Artenzahlen gehen gerade dort Von 2006 bis 2008 erarbeitete ich mit rapide zurück, weil gerade die administrative meinem Büro für Landschaftsplanung für Naturschutzebene den Zusammenhang von die Kommunen Marlow, Eixen und Semlow Störungsbiologie und Erhalt der Kulturland- Landschaftspläne mit ökologisch orientierten schaft noch nicht verstanden hat und alten Zielstellungen (z.B. den Erhalt von aktueller Zwängen unterliegt (z.B. Ablehnung von jegli- Artenvielfalt in der Kulturlandschaft vor dem chen Veränderungen in Raum und Zeit). Dass Hintergrund der Störungsbiologie) sowie Ziele einzige, was die administrative Naturschutze- für landschaftlich ökonomische Fragestel- bene umtreibt, sind die postulierte Klimaver- lungen z.B. zum Erhalt der natürlichen änderung und die Folgen auf die Arten. Bodenfruchtbarkeit, Feuchtigkeitspools als Ich wünsche mir vorrangig, dass auf allen Ausgleich bei zunehmender Sommertrocken- Ebenen einer Demokratie (Legislative, Admi- heit (durch Anlegen von kleinen Gewässern bis nistrative & Exekutive) die Veränderung in hin zu Seen). Auch touristisch soziale Themen Raum und Zeit endlich anerkannt wird, und wurden in den Landschaftsplä���������������nen�������������� aufgegrif- sich danach die Zielstellungs- und Handlungs- fen, wie die Vernetzung der Recknitztal- muster ausrichten. Für Mecklenburg-Vorpom- Gemeinden, zwischen alten (z.B. Kirche Pant- mern wäre neben der Landwirtschaft auch der litz) und neuen (Recknitztal-Hotel in Marlow) Tourismus als ein Mittel zur Integration von Infrastruktur-Elementen. mäßigen Störungen zu prüfen, um nach den Kenntnissen aus der Störungsbiologie doch Sehr gut gelungen ist in den vergangenen 20 deutlich mehr Arten in der Kulturlandschaft Jahren die zunehmende Integration von alt zu erhalten wären. Vor allem muss in den ansässigen landwirtschaftlichen Nutzbetrieben dezentralen Naturschutzgebieten etwas passie- im zentralen Naturschutz; trotz der gleichsam ren, ansonsten sind alle Schutzbemühungen zunehmenden Industrialisierung durch die für die Arten umsonst. Zwänge der EU. Alte ortsansässige Landwirte

Produkte der Agrar- und Ernährungswirtschaft ist geboten, weil gleiche marktwirksame Aktivitäten aus Mecklenburg-Vorpommern, die besonderen in anderen neuen Bundesländern bestehen.“17 Die Qualitätsanforderungen gerecht werden sollten. in Mecklenburg-Vorpommern in einer Koalition mit „Die Zurückgewinnung und Behauptung von der FDP regierende CDU lehnte aber die staatliche Marktpositionen erfordert offensives Handeln, das Einflussnahme in diesem Zusammenhang ab staatlich flankiert werdenmuß. Dazu gehören [17) http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok Qualitätszertifikate für einheimische Produkte. Eile S I/390. 24 | NICHTS BLEIBT, WIE ES WAR

und stellte darüber hinaus fest, dass nach diesen Kommission Programme mit einem Gesamtvo- Vorstellungen „80 % der bisherigen Produktion lumen von über 2 Milliarden D-Mark bis 1993 nicht gütesiegelfähig wäre“.18 auf den Weg. Bis zum 31.12.1991 waren bereits 579 Anträge Doch trotz aller Hemmnisse und Probleme zur Förderung der Wiedereinrichtung landwirt- wurden auch die neuen Möglichkeiten durch schaftlicher Betriebe in Mecklenburg-Vorpom- Förderinstrumente in der Landwirtschaft bereits mern bewilligt worden. früh erkannt. Zur Förderung der Agrar- und Operationelle Programme des Landes Meck- Ernährungswirtschaft brachte die Europäische lenburg-Vorpommern wurden dazu erarbeitet, die als Basis für die Umsetzung im Bundesland ����� http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok dienten. DS 1/440.

Tab. 5: Förderung landwirtschaftlicher Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern 1990/9119 Förderart Summe in DM Starthilfe (23.500 D-Mark je Betrieb) 11.961.500 zinsverbilligte Kapitalmarktdarlehen 103.986.620 kapitalisierte Zinszuschüsse 198.632 Zuschüsse für den Wiedereinrichtungsplan 303.687 Öffentliche Darlehen 61.269.000 Zuschüsse für Grünlandbetriebe 8.911.684 Zuschüsse im Agrar-Kreditprogramm 5.625.055 Zuschüsse für Energieträgerumstellung und Einsparung l.174.332 Betreuergebühren 3.766.990 Zusammen 197.197.500 [19) http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok DS 1/1806. (15.1.2011).

Für juristische Personen wurden im gleichen vier Jahren gefördert.20 Im Mai 1991 beantragte Zeitraum nur 19 Bewilligungen ausgesprochen. die SPD-Landtagsfraktion für die Förderung Das entsprechende Mittelvorhaben betrug insge- des ökologischen Landbaus in Mecklenburg- samt 29.727.600 DM, davon für zinsverbilligte Vorpommern die gleichen Fördermaßnahmen Kapitalmarktdarlehen 29.706.000 DM und an vorzusehen wie in den alten Bundesländern. Zuschüssen für den Sanierungsplan 21.600 DM. Die Begründung lautete: „Die Agrarpolitik ist Darüber hinaus wurden für Wiedereinrichter der Entwicklung des ökologischen Landbaus in Ausfallbürgschaften in Höhe von 20.335.800 Mecklenburg Vorpommern unter den Gesichts- DM und für juristische Personen in Höhe von punkten der Umweltverträglichkeit der Land- 4.864.000 DM zugesagt. wirtschaft, der Produktmengenreduzierung 1992 wurden nach den Grundsätzen für die und der Marktstrukturförderung besonders Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermark- verpflichtet. Bisher sind Landwirte in etwa 18 tungsbedingungen der Ernährungswirtschaft Betrieben unseres Landes mit 15.000 ha bereit, und durch ein zweites operationelles Pro- sich auf ökologischen Landbau umzustellen, gramm 26 Investitionsvorhaben mit ca. 500 sofern durch Zugang zu Fördermitteln die Mio. DM und einem Zuwendungsvolumen von [20) http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok 95 Mio. DM bei einer Laufzeit von maximal DS 1/2375 (14.1.2011). | 25

gleichen Wettbewerbschancen wie in den alten Windkraft als zusätzliches wirtschaftliches Bundesländern eingeräumt werden.“21 Diese Standbein im ländlichen Raum auf: „Das Größenordnung war zu der Zeit vielleicht Land Mecklenburg-Vorpommern ist gegenüber etwas optimistisch dargestellt. Die Förderung anderen Bundesländern mit einem natürlichen betrug damals 300 - 450 DM/ha. Im Sinne des Windenergieaufkommen bevorzugt. Die alter- bundesdeutschen Marktstrukturgesetzes in der native Energieerzeugung aus Windkraft wird Fassung von 1990 entstanden aber bereits die im Rahmen der EG gefördert. Eine schnelle ersten Erzeugergemeinschaften in Mecklen- Nutzbarmachung ermöglicht dem Land die burg-Vorpommern, die „gemeinsam den Zweck Erschließung seiner natürlichen Ressourcen bei verfolgten, die Erzeugung und den Absatz den der Lösung der komplizierten Energielage.“23 Erfordernissen des Marktes anzupassen.“22 Ein erstes verhalten optimistisches Fazit der tra- Der bundesweit agierende Verband „BIOPARK ditionellen Kraft und neuen Leistungsfähigkeit e.V.“ hatte sich auch in ersten Ansätzen in landwirtschaftlicher Betriebe in Mecklenburg- Mecklenburg-Vorpommern etabliert und Vorpommern zog die 1. Landwirtschafts- versuchte über seine Mitglieder ökologischen ausstellung „MeLa“ im September 1991 in Landbau entsprechend den „Richtlinien für Mühlengeez bei Güstrow. 24 Diese Leistungs- Tierhaltung, Pflanzenbau, Verarbeitung, schau etablierte sich als jährlich wiederkeh- Vermarktung sowie für das Beratungs-, rende viertägige Messe im Spätsommer und Vertrags- und Kontrollwesen“ zu betreiben. Für als „Fachausstellung für Landwirtschaft und das Bundesland förderlich waren auch die vom Ernährung, Fischwirtschaft, Forst, Jagd und Landwirtschaftsministerium 1991 erlassenen Gartenbau“ für das Bundesland Mecklenburg- „Richtlinien für die Förderung der Extensivie- Vorpommern. Die Verbindung von Fachmesse rung der landwirtschaftlichen Erzeugung durch und Publikumsschau sicherte ihr seit Beginn Bewirtschaftung des gesamten Betriebes nach eine hohe Besucherresonanz. Verschiedene den Regeln des ökologischen Landbaus“. Doch Tierschauen münden in einer abschließenden handelte es sich zunächst um ein Nischenda- großen Landestierschau mit der Präsentation sein dieser Initiativen. der besten Zuchtergebnisse. Etabliert hat sich in Die Partei Linke Liste/PDS nahm im Dezem- ber 1990 im Landtag bereits das Thema der [23) http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok DS 1/73. [21) http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok [24) Chronik des Landesbauernverbandes Mecklenburg- DS 1/474 (12.1.2011). Vorpommern, in: 10 Jahre Bauernverband Mecklenburg- [22) Bundesgesetzblatt Teil I, S. 2134. Vorpommern e.V., Schwerin 2001, S. 113. 26 | NICHTS BLEIBT, WIE ES WAR

–––––––––––––––––––––––––––––– diesem Zusammenhang auch der wissenschaft- Rudolf Borchert, lich geprägte MELA-Kongress für Landwirte Lehrer, Mitglied des Landtages, und andere Experten der Agrarbranche. Zu Waren/Müritz einem (auch kontroversen) Austausch dient der ebenfalls in Mühlengeez stattfindende Landes- bauerntag, bei dem die Bauern ihre Positionen präsentieren und die Politiker mit ihren Proble- men und Forderungen konfrontieren.25

Zu einem damals ebenfalls kontrovers disku- tierten Thema wurde die Agrarforschung, die durch die DDR eine starke Konzentration in den drei Nordbezirken erfahren hatte. Die Fortfüh- rung der universitären Forschung und Lehre in Rostock an der Agrarwissenschaftlichen Fakultät Seit 1994 konnte ich mich als Kommunalpo- war durch die Regierungskoalition aus CDU und litiker und seit 1998 als Landtagsabgeordneter FDP gefährdet. Hier konnte sich die SPD für den insbesondere in der Müritzregion bei der Erhalt durchsetzen. Sie favorisierte dabei eine Entwicklung des Ländlichen Raums einbrin- Profilierung in den Richtungen „Landeskultur gen. Dazu gehörte z. B. mein Einsatz für die und Umweltschutz“ und „Agrarökologie“.26 Entwicklung von Bioenergiedörfern und eines Dagegen standen die Institute und Einrichtun- naturnahen Tourismus. gen besonders der Akademie für Landwirtschafts- Sehr gut gelungen sind die Entwicklung der wissenschaften der DDR auf dem Prüfstand Infrastruktur (Straßen, Gebäude) u. a. durch und vor der Gefahr der Abwicklung. Sie waren Förderung von Dorferneuerungsmaßnahmen laut Einigungsvertrag nur bis zum 31.12.1991 und der touristischen Infrastruktur (z. B. in ihrer Existenz gesichert. Konkurrierende Radwegenetz, Hotels, Pensionen etc.) . Auch Situationen mit gleichgelagerten oder ähnlichen die deutliche Verbesserung des Umwelt- und Instituten in den alten Bundesländern erschwer- Naturschutzes und damit auch eine Verbes- ten den Erhalt zusätzlich. Eine Evaluierung zur serung der Wohn- und Lebensqualität ist Empfehlung einer Weiterführung als Bundesfor- hervorzuheben. im Ländlichen Raum von schungsinstitute wurde kritisch gesehen. Es ging Mecklenburg-Vorpommern ist es leider über- um die Frage der Schließung von Einrichtungen haupt nicht gelungen, die Bevölkerungsverluste wie dem Institut für Öl- und Futterpflanzenzüch- durch Abwanderung insbesondere von jungen tung in auf der Insel Poel oder dem Menschen im ländlichen Raum zu verringern Institut für Kartoffelforschung in Groß Lüsewitz. und ausreichend gute Arbeitsplätzen mit großer Auch hier setzte sich die SPD vehement für den Wertschöpfung zu schaffen Erhalt ein.27 Was wünsche ich mir vorrangig für die weitere Zunächst gab es in der Landespolitik den Gedan- Entwicklung des Ländlichen Raums in ken zur Etablierung einer „Landesforschung für Mecklenburg-Vorpommern? Agrarwissenschaften“. Schließlich konnte für Groß Lüsewitz die Ansiedlung von Teilinstituten • Eine noch bessere Nutzung der Potentiale der der Bundesforschungseinrichtungen durch- Erneuerbaren Energien für die Kommune, die gesetzt werden, während die Liegenschaften Bürgerinnen und Bürger, um damit die Chan- [25) Bei uns in Mecklenburg-Vorpommern. Landschaft – cen für Arbeitsplätze, regionaler Wertschöp- ländlicher Raum – Landwirtschaft, Berlin 2005, S. 34f. fung und sozialer Teilhabe zu verbessern. [26) http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok DS 1/974. [27) http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok DS 1/1089. | 27 in Malchow/Poel der Fachhochschule Wismar • Eine moderne, zukunftsfähige Landwirtschaft angeschlossen wurden. mit Ökolandbau, artgerechter Tierhaltung Das Forschungszentrum für Tierproduktion und Gentechnikfreiheit. Dummerstorf sollte laut Kabinettsbeschluss vom 24. September 1991 zu einer öffentlich rechtli- • Die verbesserte Erzeugung, Verarbeitung und chen „Stiftung Forschungsinstitut für die Biolo- Vermarktung regionaler Produkte, die Ent- gie landwirtschaftlicher Nutztiere“ umgewandelt wicklung eines naturnahen Tourismus unter werden. Als gemeinsame Forschungseinrichtung Einbeziehung der Potentiale der Gesundheits- von Bund und Land sollte es in die „Blaue Liste“ wirtschaft. aufgenommen werden. Die offizielle Gründung erfolgte dann erst im Januar 1993.28 Hinzu kam auf der Insel Riems das Friedrich- Loeffler-Institut, das1985 als „VEB Friedrich- Loeffler-Institut“ Bestandteil des „VEB Kombinat Veterinärimpfstoffe Dessau“ geworden war. Die Forschung wurde bei dieser Umwandlung in der DDR der Produktion untergeordnet. 1990 übernahm das Land Mecklenburg-Vorpommern das „Friedrich-Loeffler-Institut für Tierseuchen- forschung Insel Riems“. 1992 erfolgte nach der Ausgliederung der Impfstoffproduktion die Überführung des Instituts in die Bundesfor- schungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Verbindung mit der Gründung der „Friedrich- Loeffler-Institute Insel Riems“ für Zelluläre und Molekulare Virologie, für Virusdiagnostik und für Angewandte Virologie (BFAV). Damit war sein Erhalt gesichert.29

����������������������������������� http://www.fbn-dummerstorf.de [29) Hinz-Wessels, Annette; Thiel, Jens, Das Friedrich- Loeffler-Institut 1910-2010 : 100 Jahre Forschung für die Tiergesundheit. Berlin, 2010. - Steffens, Sabine, Wiege der Vi- rusforschung. Eine Ausstellung zur 100-jährigen Geschichte des Friedrich-Loeffler-Instituts. Greifswald-Riems [2010]. 28 |

2. Agrarpolitik und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) konnten besonders auch personalpolitische Fragen und Landwirtschaft sind Förderungen im ländlichen Raum abgedeckt werden. Von herausragender Wichtigkeit für die zwei verschiedene Landwirtschaft war aber der Europäische Aus- gleichs- und Garantiefonds für Landwirtschaft Dinge – (EAGFL), der noch einmal in verschiedene Abteilungen gegliedert war. Allein daraus er- Reformen der Marktordnung hielt Mecklenburg-Vorpommern 1,4 Milliarden DM. Die Abteilung „Ausrichtung“ war darin für aufgrund der EU-Agrarstruktur die „sonstigen Ausgaben“ mit der Zielrichtung ab 1993 bis 2000 auf die weniger gut entwickelten Regionen zuständig. Im Mittelpunkt stand die Verbesse- rung der ländlichen Infrastruktur, was nicht Langsam begann sich die Landwirtschaft in nur landwirtschaftliche Belange betraf, sondern Mecklenburg-Vorpommern in die neuen Ver- auch touristische oder kulturelle Bereiche, hältnisse einzufügen. Produzenten und Landei- sofern sie die wirtschaftliche Situation auf dem gentümer hatten sich mit den neuen Bedingun- Lande verbessern konnte. Großer Wert wurde gen arrangiert – oder aufgegeben. Trotz immer auf die Nachhaltigkeit dieser Maßnahmen zur noch vorhandener zahlreicher Unklarheiten im Schaffung dauerhafter Arbeitsplätze gelegt. Detail und verschiedener anhängiger Klagen Das Kriterium einer weniger gut entwickelten waren die formaljuristischen Rahmenbedin- Region traf auch im europäischen Vergleich gungen 1993 einigermaßen überschaubar. Die für Mecklenburg-Vorpommern in besonderem Anpassung der Landesgesetze an die bundes- Maße zu. Dabei spielten die hohe Arbeitslosen- deutsche und europäische Gesetzgebung war zu quote im ländlichen Bereich und die Probleme großen Teilen abgeschlossen. In dieser schein- als relativ dünn besiedeltes Flächenland eine bar beruhigten Situation kam bereits eine neue entscheidende Rolle für die besonders her- Herausforderung auf die Landwirte zu. ausgehobene Förderung des Bundeslandes im Im Dezember 1992 wurden in Edinburgh Nordosten Deutschlands.30 drei wichtige Beschlüsse durch den Rat der Europäischen Gemeinschaft beschlossen, die für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum von großer Tragweite waren. Mit dem [30) http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok Europäischen Regionalfonds (EFRE) und DS 1/3679. AGRARPOLITIK UND LANDWIRTSCHAFT … | 29 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Dr. Heinrich Cuypers, die Potentiale der modernen Genetik als un- Biologe, Greifswald verzichtbares Instrument für die Pflanzen- und Tierzüchtung im Land bewusst zu machen und die Chancen auch gentechnisch veränderter Pflanzen sachlich zu thematisieren. Mit verein- ten Kräften, u.a. im „Verein zur Förderung in- novativer und angewandter Agrobiotechnologie finab e.V.“, dem „BioCon Valley Mecklenburg- Vorpommern e.V.“ und dem Rat für Agrarwis- senschaften, wurden Konzepte für die moderne Agrarforschung weiter entwickelt und realisiert. Sichtbar wird dies unter anderem durch das 2004 in Groß-Lüsewitz eröffnete AgroBioTech- Die Agrarforschung ist – neben der medizini- nikum, dem Kompetenz- und Gründerzentrum schen Forschung – eine der wesentlichen Säu- für Biotechnologien in der Landwirtschaft. len der wirtschaftlichen Nutzung moderner Bio- Genveränderte Bakterien sind für die Entwick- technologien in Mecklenburg-Vorpommern. Als lung und Produktion lebensrettender Medika- Projektmanager mit fachlichem Hintergrund mente unverzichtbar und sind in der Bevöl- (Promotion am Kölner Max-Planck-Institut für kerung anerkannt. Genveränderte Pflanzen Pflanzenzüchtungsforschung) erleichtern mir werden jedoch eher als Bedrohung und nicht die Experten des Landes seit 1996, die Konzep- als Chance gesehen. Dies ist verständlich bei terstellung „BioRegio Greifswald-Rostock“, die einer derzeitigen Überproduktion in der Land- Zusammenarbeit in der Region. Die Agrarfor- wirtschaft in Europa. Aber schon jetzt müssen schung hat in Mecklenburg-Vorpommern eine wir uns den Herausforderungen der steigenden über 100-Jährige Tradition: die NPZ Norddeut- Weltbevölkerung stellen und Konzepte für eine sche Pflanzenzüchtung Hans-Georg Lembke KG noch intensivere und dabei dennoch umwelt- wurde als das erste Unternehmen der Branche und klimaschonendere Landwirtschaft erarbei- 1897 auf der Insel Poel gegründet und das Fried- ten als Basis für die Produktion von gesunden rich-Loeffler-Institut - Bundesforschungsinsti- Lebensmitteln wie auch von nachwachsenden tut für Tiergesundheit (FLI) hat am 10.10.1910 chemischen Rohstoffen. Nutzen wir darüber auf der Insel Riems seine Forschung gestartet. hinaus noch intensiver die Chancen der EU und Trotz der seit 20 Jahren noch immer nicht abge- die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern schlossenen Meinungsbildung ist es gelungen, an der Ostsee – der Baltic Sea Region!

Tab. 6: Verteilung des EAGFL 1993 auf die neuen Bundesländer31 Bundesland Anteil am EAGFL, Abt. Ausrichtung (in %) Mecklenburg-Vorpommern 25,30 Brandenburg 22,03 Sachsen-Anhalt 20,39 Sachsen 17,65 Thüringen 14,33 Berlin 0,33

���������� Ebd. 30 | AGRARPOLITIK UND LANDWIRTSCHAFT …

Zur Kofinanzierung des EAGFL stand weiterhin men Möglichkeiten für Investitionen und an- das Instrument der Bund-Länder-Gemein- dere weitreichende Maßnahmen bot. Besonders schaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur die Verbesserung der ländlichen Infrastruktur und des Küstenschutzes“ zur Verfügung, das erhielt dadurch einen erheblichen Schub, der dafür 1993 entsprechend angepasst wurde.32 sich bald in sanierten Wegen, Straßen und Als Zuarbeit für einen „Regionalentwicklungs- einem sichtbar verschönerten Dorfbild zeigte. plan“ für die fünf neuen Bundesländer wurde ein „Operationelles Programm des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Entwicklung des ländlichen Raumes und zur Förderung der Verarbeitung und Vermarktung von land-, forst- und fischwirtschaftlichen Erzeugnissen für den Zeitraum 1994 bis 1999“ erstellt. Damit entstand auf Landesebene ein erstes langfristi- ges Planungs- und Finanzierungsinstrument für die Landwirtschaft nach den politischen Veränderungen von 1989/90, das auch den Landwirten in den verschiedenen Betriebsfor- ���������������������������������������������� Bundesgesetzblatt 1993, Teil I, S. 1865.

Tab.7: Operationelles Programm M-V 1994-199933 Maßnahme- Bezeichnung Zuständigkeit EG-Beteiligung komplex Mio. DM I ländlicher Wegebau, Dorfer­neuerung, Landwirtschaftsminister 571,14 Agrartourismus und agrartouristische Infrastruktur, umweltverträgliche Land- und Forstwirtschaft, Forstwe­ gebau, Flurneuordnung, freiwilliger Landtausch II Trinkwasserversorgung/Ab-wasserent- Umweltminister 284,20 sorgung, wasserwirtschaftliche­ und kulturbau-technische Maßnahmen, Umwelt- und Naturschutz/Land­ schaftspflege, Erhaltung wertvoller Kulturlandschaften III Technische Hilfe Landwirtschafts- 5,88 minister IV Maßnahmen zur Entwicklung Landwirtschaftsminister 527,24 der Landwirtschaft, der Forstwirt- dar. 137,2 FIAF schaft und der Fi­scherei sowie zur Umstruktu­rierung der Lebensmittel- industrie I-IV Summe 1.388,46

����������������������������������������������������������������� http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok/ DS I/3679. | 31

Tab. 8: Finanzplan 1994 bis 1999 Mecklenburg-Vorpommern34 (in TDM) Öffentliche Aufwendungen Maßnahme- davon: EG davon: Gesamt Eigenanteil Gesamt-in- komplex Bund/Land off. und priv. vestsumme Investoren I 571,144 190,381 761,525 380,761 1 142,286 II 284,200 284,200 568,400 378,933 947,333 III 5,880 1,960 7,840 2,613 10,453 IV 527,240 ** ** ** 1066,975 Summe 1388,464 476,541 1337,765 762,307 3167,047 ���������� Ebd.

Hinzu kamen die Möglichkeiten, die das dann allerdings nicht immer in eine Kontinui- LEADER-Programm (Liaison entre actions de tät und Selbständigkeit mündete. développement de l‘économie rurale – Aktion zur ländlichen Entwicklung auf Initiative der ––––––––––––––––––––––––––––– Europäischen Kommission) der europäischen Dr. Renate de Veer, Gemeinschaft zur Verbindung zwischen ver- Kunsthistorikerin, Stralendorf/Darze schiedenen Initiativen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft bot und mit dem seit 1991 modellhaft innovative Aktionen im länd- lichen Raum gefördert wurden. Das Programm ging erheblich über die Landwirtschaft hinaus und förderte auch touristische, handwerkliche oder kulturelle Aktivitäten. Deshalb war es auch in die Maßnahmen des EAGFL eingebunden. Lokale LEADER-Aktionsgruppen, die nicht zwingend an Kreisgrenzen gebunden waren, erarbeiteten gemeinsam mit den lokalen Ak- teuren Entwicklungskonzepte für ihre Region. Es war 1992 nicht abzusehen, wie aktuell und Eingebunden waren auch regionale Touris- brisant das Thema werden sollte, den ländlichen musverbände und andere Organisationen. Ziel Raum als geschichtlich geprägte Kulturland- war, die benachteiligten ländlichen Regionen schaft zu erhalten. Seit dieser Zeit befasse ich in Europa nachhaltig auf dem Weg zu einer mich in der Publikation „Steinernes Gedächtnis“ eigenständigen wirtschaftlichen Entwicklung – eine Arbeit zur Agrar-, Kultur-, Kunst-, und Bau- zu unterstützen. Die autarken lokalen Aktions- geschichte – mit den Gutsanlagen in Mecklen- gruppen sollten besonders die Zielgenauigkeit burg und Vorpommern und ihren die Landschaft der Förderung in den sehr kleinteiligen Regio- prägenden Bauten; dazu gehört gleichermaßen nen erhöhen. In Kombination mit der Denk- die Komponente Dorf. malförderung des Landes (in starkem Maße Schon damals gab es Gründe, besorgt zu sein, begleitet durch die Deutsche Stiftung Denk- dass nicht die Traditionslinie einer bedachtsa- malschutz) wurden dadurch auch Gutshäuser, men (langsamen) Entwicklung dieser ländlich Dorfkirchen oder denkmalgeschützte Wirt- geprägten Regionen, sondern durch die neue schaftsgebäude erhalten und für eine ständige Wachstumsphase das auf schnellen Gewinn zie- Nutzung saniert. Auch hier stand die Schaffung lende Wuchern den Vorrang bekäme. dauerhafter Arbeitsplätze im Vordergrund, was 32 | AGRARPOLITIK UND LANDWIRTSCHAFT …

Durch maßgebliche Organisation einer Tagung 1994 waren in Mecklenburg-Vorpommern noch (12.-13. November 1993) unter der Ägide der 61 % der Nutzflächen von Unternehmen in der Friedrich-Ebert-Stiftung hoffte auch ich dazu Rechtsform juristischer Personen bewirtschaf- beizutragen, diesen ländlichen Raum als einen tet, davon 24 % durch Agrargenossenschaften, genius loci sichtbar zu machen – sichtbar zu 25 % als Agrar-GmbH und 11 % als GmbH & machen, dass eben nicht überall auf die gleiche Co. KG. Weise gebaut werden kann. Insgesamt entwickelten sich die Größenver- Dem ehrenamtlichen Engagement eines hältnisse für die Erfordernisse an eine moderne „Arbeitskreises Dorferneuerung“ stand das Agrarproduktion in Mecklenburg-Vorpommern staatlich aufgelegte „Landesverschönerungs- außerordentlich günstig. 1993 bewirtschafteten programm“ konträr gegenüber – nach fast 92 % der Betriebe landwirtschaftliche Flächen zwanzig Jahren prägen nicht mehr, wie noch über 200 ha.36 vielfach bis 1995, die Silhouetten der Gutsan- lagen die Regionen; die meisten Dörfer sind Ein weiteres eigentumsrechtliches Problem verstört, sie haben sich vollständig gewandelt, neben der latenten Bodenreformproblematik ihre harmonische Einbettung in die Landschaft war die Rückübertragung von Grundeigentum verloren; viele sind gesichts- und geschichtslos an Alteigentümer. Vor 1945 und nach 1949 und damit beliebig austauschbar geworden. zwangsenteigneter Boden konnte durch die Der zudem stattgefundene Abbruch allzu vieler enteigneten Familien zurückgefordert werden. landwirtschaftlicher Bauten (vor 1953 entstan- Das war im „Gesetz über die Entschädigung dene) war eine politische Entscheidung – bleibt nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermö- zu wünschen, dass der immer noch großarti- gensfragen und über staatliche Ausgleichslei- ge Fundus, namentlich an Gutshäusern, we- stungen für Enteignungen auf besatzungsrecht- nigstens seinen terminus technicus, das Wort licher oder besatzungshoheitlicher Grundlage“ „Gutshaus“, im offiziellen Sprachgebrauch be- (Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsge- wahren kann: wenn ein Wort stirbt, sterben tau- setz - EALG) am 27. September 1994 festgelegt send Gedanken ... z.B. das Wort „Gutsanlage“. worden.37 Dieses Gesetz hatte besonders für Das Wegräumen von Architektur bedeutet ein den ländlichen Raum und die Landwirtschaft Wegräumen von sichtbarer Geschichte: Nie- sehr nachhaltige Wirkung. Denn darauf baute mandem kann etwas fehlen, wovon er nichts neben anderen eigentumsrechtlichen Fragen weiß. auch die Flächenerwerbsverordnung vom 30. Dezember 1995 auf, wonach als Entschädi- Bis zum Jahr 2000 veränderten sich durch diese gungskompromiss für besatzungshoheitliche verschiedenen nationalen, europäischen oder Entscheidungen Alteigentümer und deren regionalen Förder- und Entwicklungsinstru- Nachkommen, LPG-Nachfolgebetriebe und mente und durch den Wandel, verbunden mit ortsansässige Wiedereinrichter Vergünstigun- einer Konsolidierung der inneren Struktur, die gen beim Flächenerwerb erhalten sollten.38 landwirtschaftlichen Betriebe in Mecklenburg- 1999 stoppte die Europäische Kommission Vorpommern erheblich. diese Möglichkeit des verbilligten Bodenkaufs wegen der Unvereinbarkeit mit den europä- Die absolute Zahl der Betriebe stieg von 3.176 ischen Wettbewerbsregeln und forderte eine im Jahre 1991 auf 5.226 im Jahre 2000. Die Novellierung des Gesetzes. Das ließ zahlreiche durchschnittliche Betriebsgröße sank von 410 Aktivitäten in diesem Bereich wieder stagnie- ha landwirtschaftlicher Nutzfläche auf 262 ha. ren. Die seit 1998 in Deutschland erstmalige Davon verringerte sich der durchschnittliche 35 ������������������������������������������������������������ Historischer und geographischer Atlas von Mecklenburg Anteil an Ackerland von 318 ha auf 207 ha. und Pommern, Band 1 Mecklenburg-Vorpommern. Das Land im Überblick. Schwerin 1995, S. 60. ���������������������������������������������������� www.statistik-mv.de/cms2/STAM_prod/STAM/de/la/ �������������������������������� BGBl. I, 1994, S. 2624 ff. index.jsp. �������������������������������� BGBl. I, 1995, S. 2072 ff. | 33 rot/rote Landesregierung aus SPD und PDS Während schließlich die Klausel zur Ortsansäs- wurde deshalb durch die Abgeordneten der sigkeit gestrichen wurde, konnte der 35 %ige Regierungskoalition im Landtag Mecklenburg- Preisnachlass zum Verkehrswert beim Flächen- Vorpommerns dazu aufgefordert, die wegen kauf erhalten werden.40 dieser „Wettbewerbsverzerrung“ im Bundestag Heftige und kontroverse Debatten, die teilweise geplante Änderung des Entschädigungs- und auch durch die Medien noch zugespitzt wurden, Ausgleichsleistungsgesetzes im Bundesrat ab- löste immer wieder die Frage der Rechtmäßigkeit zulehnen, um die Rechts- und Planungssicher- der Bodenreform aus. Die Auseinandersetzungen heit nicht zu gefährden. Auch die Option auf kulminierten öffentlich zum 50. Jahrestag dieser Pachtkauf wurde gefordert, um die finanziellen landwirtschaftlichen „Umverteilung“, 1995. Belastungen der Landwirte zu verringern.39 ������������������������������������������������������� Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Dritte Wahlperi- �������������������������������������������������� Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache ode. Bericht zur Arbeit des Landtages Mecklenburg-Vorpom- 3/736. mern 1998 bis 2002. Schwerin 2003, S. 461. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Christel Deichmann, 1998 – 2002 ordentliches Mitglied im Um- Diplomingenierin(FH), weltausschuss , Berichterstatterin der SPD- Mitglied des Bundestages 1994 - 2002 Bundestagsfraktion u.a. für Novellierung Bun- desnaturschutzgesetz 2001, stellv. Mitglied im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Weitere allgemeine Schwerpunkte: Frauen im ländlichen Raum; Unterstützung Existenzgründerinnen; Gesetz zu der Europä- ischen Charta der Regional- oder Minderhei- tensprachen; Mitwirkung in Verbänden: insbesondere Landschaftspflegeverbände (LPV) = Mitbe- gründerin des LPV Krakow a. See; Mitglied im Bundesvorstand, 2002 – 2008: Vorsitzende der 1. Wann, wie und ggf. wo konnte ich mich ein- Stiftung Umwelt- und Naturschutz MV bringen bei der Entwicklung des Ländlichen Raums von MV? 2. Was ist in den vergangenen 20 Jahren im Kommunalpolitisch: seit 1990 als Gemeinde- Ländlichen Raum von MV sehr gut gelungen? vertretungsmitglied in Holthusen, seit 1997 Die Verbesserung der Infrastruktur im ganzen bis heute als Bürgermeisterin der Gemeinde Land bis hin zum Ausbau des Wanderweg- Holthusen netzes; die Bewahrung bzw. Instandsetzung In der Bundespolitik :1994 – 2002 als Bun- unserer natürlichen Lebensgrundlagen – MV destagsabgeordnete, 1994 – 1998 ordentli- ist nicht nur das Bundesland mit den meisten ches Mitglied im Ausschuss für Ernährung, Nationalparken / Bioshärenreservaten usw., Landwirtschaft und Forsten, Berichterstatterin sondern auch außerhalb der Schutzgebiete der SPD-Bundestagsfraktion u.a. für Klär- sind Natur und Landschaft in einem guten bis schlammverordnung und für Agrarsozial- sehr guten „Zustand“; Die Förderung des ge- reform 1997, die besonders für die Alterssi- meinschaftlichen Lebens – auch über Vereine cherung der Frauen einen großen Fortschritt und Verbände hinaus brachte; Mitarbeit bei Flächenerwerbsverord- 3. Was ist in den vergangenen 20 Jahren im nung, stellv. Mitglied im Umweltausschuss Ländlichen Raum von MV überhaupt nicht ge- u.a. 1998 gegen Flächenverkäufe in Natur- lungen? Ich finde nicht, dass in diese Rubrik schutzgebieten an kapitalkräftige Bewerber, etwas fällt 34 | AGRARPOLITIK UND LANDWIRTSCHAFT …

4. Was wünsche ich mir vorrangig für die wei- Im Gegenzug fasst die Landeshauptstadt trotz tere Entwicklung des Ländlichen Raums in ihrer überproportionalen Förderung durch das MV? Land immer mehr in unsere Taschen) Die bessere Finanzausstattung der Kommu- Eines muss immer mehr in den Blickpunkt nen und einen gerechteren Finanzausgleich. der Diskussion rücken: die ländlichen Räume (Für die Gemeinde Holthusen fällt 2011 die sind mehr als nur Ausgleichsräume für die Schlüsselzuweisung weg, weil 2009 die Gewer- Ballungszentren, sondern sie sind eigentlich besteuereinnahmen gut waren – Gewerbesteu- die Räume, in denen die Zukunft stattfinden errückzahlungen wurden schon nicht mehr wird, weil dort die größten Potentiale vorhan- berücksichtig!!! Gleiches gilt für die Berück- den sind, wenn man weiter in die Zukunft fort sichtigung des Altersaufbaus – als rel. junge denkt. und bewusst kinderfreundliche Kommune hat diese Gemeinde u.a. hohe Kinderbetreuungs- kosten und Schullastenbeiträge zu tragen….

Die PDS-Fraktion hatte 1995 eine aktuelle Stun- besatzungsrechtliche und besatzungshoheitliche de im Landtag zum 50. Jahrestages des Beginns Grundlage der Bodenreform anzweifelten. 1998 der Bodenreform initiiert. Die Fraktionen nutzten lud der Rechtausschuss des Landtages zu einem die Stunde für unterschiedliche Stellungnah- Expertengespräch ein, und auf Antrag der SPD men. Die PDS betonte die Schaffung eines breit fand am 24. Februar 1998 eine Sondersitzung gestreuten Bodeneigentums. Die CDU versuchte des Parlaments zum Thema „Bodenreform, zwischen der „historischen Tatsache“ und dem insbesondere zu den Empfehlungen der CDU/ „groben Unrecht“ zu relativieren und die SPD CSU zum Flächenerwerb“ statt. Die CDU/CSU- näherte sich dem Thema sachlich-chronologisch Bundestagsfraktion hatte über eine Arbeitsgruppe an, ausgehend vom Reichssiedlungsgesetz der einen Zwischenbericht zu „Enteignungen 1945 Weimarer Republik bis zur Bodenverwertung bis 1949“ erarbeiten lassen, der erneute Debatten über die Treuhandgesellschaft.41 auslöste. Das Thema eskalierte, als Michail Ein Jahr später brachte der Landtag Mecklen- Gorbatschow erst 1994 und dann 1998 noch burg-Vorpommerns fraktionsübergreifend eine einmal erklärte, mit Lothar de Maizière 1990 in „Entschließung gegen neuerliche Versuche Vorbereitung auf die deutsche Wiedervereinigung zur Aushebelung der Bodenreform“ ein, um nicht über die Bodenreform als unveränderliche zur Beruhigung und zur Rechtssicherheit im besatzungsrechtliche Maßnahme gesprochen zu ländlichen Raum beizutragen. Darin heißt es, haben. Damit wäre der Passus im Einigungsver- dass es erforderlich sei, „allen Bestrebungen der trag angreifbar gewesen.43 Interessenvertreter der Alteigentümer, die darauf Schließlich kam auch noch die Europäische gerichtet sind, die Bodenreform ohne Restituti- Kommission zu dem Schluss, dass das Entschä- onsanspruch aus besatzungshoheitlichen Enteig- digungs- und Ausgleichsleistungsgesetz in der nungen der Jahre 1945 bis 1949 rückgängig zu Frage der Flächenerwerbungen unzulässig sei. machen, mit Nachdruck entgegenzutreten“.42 Das konnte erst Ende 1999 korrigiert werden.44 Doch damit war die Diskussion noch lange Erst damit war weitgehend eine Rechtssicher- nicht beendet. Immer wieder flammten die heit für die Eigentümer von Bodenreformland Ansprüche der Alteigentümer auf, die die eingetreten, obwohl noch eine weitere Be- ������������������������������������������������������ Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Zweite Wahlperi- ode. Bericht zur Arbeit des Landtages Mecklenburg-Vorpom- ����������������� Gorbatschow sagt die Unwahrheit, in: DER SPIEGEL mern 1994 bis 1998. Schwerin 1998, S. 273f. 11/1998, S. 72. ������������������������������������������������������ Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Zweite Wahlperi- ������������������������������������������������������ Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Dritte Wahlperi- ode. Bericht zur Arbeit des Landtages Mecklenburg-Vorpom- ode. Bericht zur Arbeit des Landtages Mecklenburg-Vorpom- mern1994 bis 1998. Schwerin 1998, S. 274. mern 1998 bis 2002. Schwerin 2003, S. 460f. | 35 schwerde in dieser Angelegenheit vor das Bun- davon verwaltete die Tochter BVVG allein 1,14 desverfassungsgericht getragen wurde. Offen Mio. ha. 516.647 ha waren davon verpachtet blieb weiterhin die Frage eines Vorkaufsrechts und nur 20.298 ha waren im Wesentlichen an von Alteigentümern bei der Privatisierung von Wiedereinrichter und Neueinrichter verkauft ehemals volkseigenen Flächen – sprich: beson- worden. ders der Flächen ehemals Volkseigener Güter. Pächter waren damit in erster Linie die großen Zuvor waren bereits vielfach durch die Eigen- landwirtschaftlichen Betriebe in der Betriebs- tümer von Bodenreformland Flächenverkäufe form der juristischen Personen. Sie standen zu viel zu niedrigen Preisen erfolgt, um einer damit in erheblicher Abhängigkeit zur BVVG eventuellen Enteignung zuvorzukommen. und waren aber gleichzeitig am meisten ge- Anders verhielt es sich mit dem in Treuhand- fährdet durch einen eventuellen Verkauf der verwaltung übergegangenen ehemaligen volks- Flächen. Für einen Erwerb der Flächen durch eigenen Boden besonders aus dem Bereich der die Pächter fehlte die Kapitaldecke. Ein spekta- früheren Volkseigenen Güter. Erst seit 1993 war kulärer Verkauf durch die BVVG war 1995 das das Landwirtschaftsministerium Mecklenburg- frühere Kombinat für industrielle Mast (KIM) Vorpommern auch beratend und begleitend in Ferdinandshof, das 1990 mit dem örtlichen den Verkauf von ehemaligen VEG und anderen VEG verschmolzen wurde, an den Augsburger ländlichen Liegenschaften durch die Treuhän- Getreidehändler A. Osterhuber. Ferdinandshof der eingebunden. war schon in der DDR mit 18.000 Bullen zum Per 30. Juni 1994 befanden sich noch 1,4 Mio. größten europäischen Rindermastbetrieb ha landwirtschaftliche Flächen Mecklenburg- geworden und wurde nun auf 23.000 Bullen Vorpommerns in der Hand der Treuhandanstalt, erweitert.

Tab.9: Verpachtete Flächen in Mecklenburg-Vorpommern 199445 Betriebsform Treuhandanstalt BVVG ha Prozent ha Prozent Wiedereinrichter ohne Restitutionsanspruch 21.760 39,58 23.799 5,16 Ortsansässige Neueinrichter 11.333 20,61 6.317 13,68 Nicht ortsansässige Neueinrichter 14.055 25.56 26.357 5,70 Juristische Personen 7.032 12,79 274.012 59,35 Sonstige (Nebenerwerb u.a.) 51 0,09 5.796 1,26

����������������������������������������������������������������������� http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok/ DS 1/4716,���������� S. 2. Für die Agrargenossenschaften war es die Phase laufenden Zinsen aufgezehrt wurde. Eine Klage des Überlebenskampfes. Sie hatten sich neben vor dem Bundesverfassungsgericht endete 1997 den täglichen Aufgaben der Produktion mit mit der Bestätigung der Altschulden, aber auch Fragen der Rechtmäßigkeit der juristischen mit der Auflage an die Politik, die Möglichkeit Umwandlung, Vermögensauseinandersetzung für eine Entschuldung nachzubessern. 46 mit ehemaligen LPG-Mitgliedern, Entlastung Hinzu kam eine ständige polemische Diffa- von den Altschulden, der Sicherung der Pacht- mierung dieser LPG-Nachfolgebetriebe und verträge mit den Bodeneigentümern und der ihrer Führungskräfte überwiegend aus den Kreditbeschaffung für den laufenden Betrieb zu alten Bundesländern. Wortmeldungen, wie beschäftigen. 1994 wurden die Altschulden in die folgende aus dem Büro des renommierten Mecklenburg-Vorpommern für die Genossen- Wirtschaftsprüfers Dr. Werner Kuchs in Kirch- schaften immer noch mit 860 Mio. DM ausge- ������������������������������������������������������ Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Zweite Wahlperi- wiesen. Das Problem bestand besonders darin, ode. Bericht zur Arbeit des Landtages Mecklenburg-Vorpom- dass die Tilgung fast vollständig durch die auf- mern1994 bis 1998. Schwerin 1998, S. 276. 36 | AGRARPOLITIK UND LANDWIRTSCHAFT …

heim, waren nicht dazu angetan, die aufge- die Aufrechterhaltung dieses Unrechts gefördert heizte Situation zu entschärfen: „Alljährlich, hat.“47 Derartige Polemik, die auch noch wenn die Agrarberichte des Bundes und der nach 2000 nicht aufhörte, unterstellte eine Bundesländer vorgelegt werden, sind in den generelle Zwangskollektivierung aller Bauern Medien, insbesondere der landwirtschaftlichen in der DDR, eine generelle Verweigerung der Fachpresse der neuen Bundesländer ‚Erfolgs- Rückgabe von Inventarbeiträgen einschließlich berichte‘ zu lesen, die glauben machen wollen, einer Verzinsung für die Nutzung durch die die LPG-Unternehmen hätten sich stabilisiert LPG an die Bauern oder die Kapitalisierung und dass der Agrarstrukturumwandlungsprozeß der Altschulden als Eigenkapital (und nicht als nach dem Zusammenbruch der LPG-Wirtschaft Investition in öffentliche kommunale Aufgaben im wesentlichen abgeschlossen sei.“ Schon außerhalb des Landwirtschaftsbetriebes) in den diese konjunktivische Formulierung suggeriert Nachfolgegenossenschaften. Das Problemati- das Gegenteil. Die unrechtmäßige Aneignung sche daran war, dass derartige Äußerungen, wie fremden Vermögens und die unzulässige Sub- im zitierten Fall, von Spezialisten für Landwirt- ventionierung mit Steuergeldern vermittelt schaftsrecht kamen. die Aussage auf der Homepage des Büros, dass Es ist auch den Regierungen und Parlamenten „die LPG-Unternehmen unverändert – bis in Mecklenburg-Vorpommern hoch anzurech- zum heutigen Tag – ganz überwiegend von nen, dass sie sich von derartiger Polemik nicht der Substanz leben, der Substanz, die sich von der Richtigkeit der Entscheidung für die die LPGs bei ihrer Gründung im Zuge der Möglichkeit der gleichberechtigten Einrichtung Zwangskollektivierung durch Übernahme des agrarischer Genossenschaften in der bewussten Bauernvermögens angeeignet haben, das nach Nachfolge der LPG neben den anderen recht- der Wende nur zum Bruchteil gemäß LwAnpG lichen Formen landwirtschaftlicher Unterneh- zurückgezahlt wurde und wodurch der Staat men abbringen ließen. durch jährliche Millionensubventionen, Alt- schuldenentlastung und Verzicht auf Zinsen ����������������������������������������� www.kuchs.de/7_1_Agrarberichte_des_ bezüglich der Altschulden nunmehr seit 1991 Bundes_u.85.0.html –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Prof. Dr. Theodor Fock, chen Raum interessiert mich seit langem und Agrarwissenschaftler, Neubrandenburg für Mecklenburg-Vorpommern wurde in meiner Arbeitsgruppe im Jahr 1996 die erste Studie (im Auftrag des damaligen Sozialministeriums) angefertigt, die den zukünftigen Arbeitskräfte- bedarf in der Landwirtschaft untersuchte, eine Fragestellung, die nach dem drastischen Abbau in den ersten Jahren nach der Wende wieder aktuell wurde. Seitdem hat mich diese Frage- stellung in allen ihren Facetten nicht mehr losgelassen.

Landwirtschaft und ihre Betriebe haben sich in Seit Anfang der 1990er Jahre bin ich an der beeindruckender Weise an komplett veränderte Hochschule Neubrandenburg im Studiengang Verhältnisse angepasst. Heute gibt es viele Be- Agrarwirtschaft tätig. In meiner Professur Ag- triebe, von klein bis groß, konventionell oder rarpolitik spielen ländliche Räume zwangsläu- ökologisch, die modern, effizient und meistens fig eine große Rolle, heute eher mehr als vor auch umweltgerecht produzieren. Wichtig ist fünfzehn Jahren. Der Arbeitsmarkt im ländli- vor allem, dieses sehr wettbewerbsstark im eu- | 37

Tab.10: Leistungsfähigkeit der Agrargenossenschaften48 Durchschnitt pro Genossenschaft 1998/1999 2000/2001 Arbeitskräfte gesamt 24,7 22,7 Arbeitskräfte/100 ha 1,69 1,52 LN in ha 1.472 1.493 dav. Ackerland in ha 1.222 1.243 Eigentumsfläche in ha 121 142 Pachtfläche in ha 1.431 1.412 von BVVG 398 360 von Privat 1.034 1.043 Milchreferenzmenge in kg 2.153.242 2.306.471 Zuckerrüben-Lieferrechte in dt 19.059 18.948

������������������������ Wie Anm. 1, S. 31. Völlig neue Herausforderungen für alle Land- in vielen Fällen eine konstruktive und ver- wirte, egal in welcher juristischen Form sie trauensvolle Zusammenarbeit mit beratenden tätig waren, stellten die Fördermöglichkeiten Gremien und Unternehmen. aus den verschiedensten Bereichen der Euro- päischen Gemeinschaft, des Bundes oder des Doch die EG brachte für die Landwirte in Landes Mecklenburg-Vorpommern dar, die in Mecklenburg-Vorpommern auch gravierende der ungewohnten Bürokratie der Antragstel- Probleme. Zum Hauptproblem im Marktfrucht- lung, Abwicklung und Gegenfinanzierung mit bau wurde die Basisflächenfestlegung der Eu- Eigenmitteln auch eine neue Kreativität der ropäischen Gemeinschaft. Deshalb appellierte Antragsteller erforderten. Hier entwickelte sich der Landtag fraktionsübergreifend an die EG

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– ropäischen Vergleich. Im Unterschied zu vielen weniger in Straßen, Kanäle und Hausfassaden Bereichen in Industrie oder Handel gibt es auch als bisher; vielleicht gelingt es so, bedrohli- eine vielfältige Eigentümerstruktur, vor allem che Abwärtsspiralen zu stoppen. Es wäre auch aber zahlreiche Landwirte, die sich für „ihre“ wünschenswert, mehr auf die Fähigkeiten und Region mitverantwortlich fühlen. Ressourcen der Menschen vor Ort zu setzen als auf externe Investoren. Als Hochschulleh- Leider hat ein (zu großer) Teil der Bevölkerung rer will ich natürlich auch nicht vergessen im ländlichen Raum an diesen erfreulichen zu erwähnen, dass Bildung – als berufliche Prozessen nicht teilhaben können. Viel zu viele Bildung, im Studium und besonders auch die Menschen leben heute in Dörfern (oder leben Weiterbildung – eine ganz wichtige Vorausset- nicht mehr dort, weil sie schon weg sind), die zung bleiben wird, um Herausforderungen der zwar von der Bausubstanz nahezu perfekt durch Zukunft zu meistern. Man sollte auch nicht zu renoviert wurden, aber Lebens- und Arbeitspers- sehr auf scheinbar unabänderliche demografi- pektiven fehlen. Es ist zu wenig gelungen, neue, sche „Fallbeile“ starren, sondern im kleinen vor attraktive Arbeitsplätze zu schaffen. Ort, in jedem Dorf, wie auf Landesebene und in Was wünsche ich mir für die weitere Entwick- Zusammenarbeit mit den Nachbarn Chancen lung? und unkonventionelle Lösungen suchen. Dafür Hier sollte angesetzt werden, eine stärkere För- ist es wichtig, dass Politik und Verwaltung den derung von Menschen und sozialen Aktivitäten, Bürgern vor Ort mehr Verantwortung geben. 38 | AGRARPOLITIK UND LANDWIRTSCHAFT …

und den Agrarministerrat, die Agrarreform für Ableitung statistischer Aussagen.“49 Die vor- Mecklenburg-Vorpommern unverzüglich zu geschriebene Basisflächenregelung gefährdete korrigieren, um den Anbau für 1993/94 auf die erst begonnene langsame Konsolidierung verlässlicher Grundlage vornehmen zu können. der Landwirtschaft erheblich. Etwa 13 % der Die Basisflächen - im Sprachgebrauch der landwirtschaftlichen Nutzflächen waren bereits EG Grandes Cultures: Getreide, Ölsaaten und stillgelegt. Der Landtag resümierte und forderte Eiweißpflanzen und der Anteil der stillgelegten deshalb weiter: „Von 955.000 ha beihilfefähi- Flächen - sollten den realen Gegebenheiten an- ger Flächen werden 144.000 stillgelegt. Über gepasst werden. „In Mecklenburg-Vorpommern 100.000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche ist die Einbeziehung von weiteren 126.000 werden extensiv bewirtschaftet. Durch die ha unerläßlich. Der Landtag Mecklenburg- Bemessung der Quoten ist die Produktion der Vorpommern stellt fest, dass die 1992 vom jeweiligen landwirtschaftlichen Erzeugnisse EG-Agrarministerrat getroffene Entscheidung ohnehin auf niedrigem Niveau festgeschrieben. den besonderen Verhältnissen des Landes nicht Um die positive strukturelle Entwicklung der gerecht wird, da die zugrunde gelegten Anbau- Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern verhältnisse nicht den realen Bedingungen nicht zu unterbinden und den Landwirten ihre des Landes entsprechen. Die Ausdehnung der Zukunftsperspektive nicht zu nehmen, ist die Basisflächen ist das Ergebnis der grundlegen- Korrektur der Basisflächen notwendig.“50 den Umstrukturierung der landwirtschaftlichen Unternehmen, der sich daraus ergebenden weitreichenden Umgestaltung der Anbau- [49) http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok verhältnisse, des dramatischen Rückgangs DS 1/3468 (19.1.2011) [50) http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok der Tierbestände sowie der unzureichenden DS 1/3468 (19.1.2011).

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Prof. Dr. Christian Gienapp, in seiner regionalen Wirtschaftskraft und Ver- Agrarwissenschaftler, Gülzow sorgungsstruktur; die ökonomische Existenz der landwirtschaftlichen Unternehmen im Land unter Anwendung umweltgerechter Pro- duktionsverfahren langfristig abzusichern und wettbewerbsfähig zu gestalten und alternative Produktionsverfahren für die Landwirtschaft zu entwickeln, um neue Einkommensquellen für den ländlichen Raum zu schaffen (Bioenergie, Aquakultur) Diese Zielrichtung ist von immenser Bedeutung, da sie zur Stärkung des ländlichen Raumes und zur Sicherung von Arbeitsplätzen auf dem Land Der Aufbau der angewandten Agrarforschung führt. Die Landesforschungsanstalt als Ressort- für den Bereich Landwirtschaft, Gartenbau und forschung des Landwirtschaftsministeriums des Fischerei war für ein Hauptziel meiner Aktivitä- Landes MV bietet dafür gute Voraussetzungen, ten nach der Wende. Dieses Ziel wurde erreicht an der Schnittstelle zwischen Grundlagenfor- mit der Gründung der Landesforschungsanstalt schung und Praxis anwendungsbereite Produk- für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg- tionslinien zu entwickeln und dabei gezielt auf Vorpommern Gründung 1992, deren Direktor agrarpolitische Rahmenbedingungen des Lan- ich bis heute bin. Diese Anstalt verfolgt die des, des Bundes und der EU zu reagieren. Kom- Zielrichtung Stärkung des ländlichen Raumes munalpolitisch tätig war ich nach der Wende | 39

An diese Phase der erfolgreichen Intervention Die Entwicklung der Beschäftigtenzahlen in und Korrekturbestrebungen europäischer Vorga- der Landwirtschaft zeigte für Mecklenburg- ben bzw. an ihre kreative Umsetzung schloss sich Vorpommern eine weiter anhaltend rückläufige die Phase der Konsolidierung der Landwirtschaft Tendenz, die zwar am Ende im gesamtdeutschen seit etwa 1995 an. Im Mittelpunkt der Probleme Trend lag, aber im Vergleich mit den anderen standen dabei die Altschuldentilgung und die neuen Bundesländern in der absoluten Zahl am langfristige Finanzierung der Genossenschaf- stärksten abnahm. Umgerechnet auf die LF sank ten. die Zahl von 9,7 Beschäftigten/100 ha LF im

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– als erster Kreistagspräsident und Abgeordneter Die Agrarforschung befasst sich mit der elemen- des Landkreises Güstrow und als Bürgermeister tarsten Lebensgrundlage des Menschen – der von 1990 bis 2003 der Gemeinde Gülzow Ernährung. Die Bekämpfung von Hunger, die Verlagerung von Anbauzonen durch den glo- Sehr gut ist gelungen der Ausbau der Infra- balen Klimawandel, die Optimierung von Er- struktur des Landes, der Erhalt und Ausbau der trägen bei sinkender Ressourcenverfügbarkeit Kultur- und Naturlandschaften, der Aufbau der bei gleichzeitiger Verbesserung des Verbrau- Tourismusregionen und die Neustrukturierung cherschutzes, der Erhalt von Biodiversität und der landwirtschaftlichen Unternehmen im Bodenfruchtbarkeit und die Perspektiven für die Land. Menschen im ländlichen Raum sind die drin- gendsten Aufgaben, die zurzeit von der Gesell- Nicht gelungen ist der Erhalt der mittelständi- schaft zu lösen sind. Die Ressortforschung des schen Unternehmen außerhalb der Landwirt- Landes, die Landesforschungsanstalt, hat sich schaft als entscheidender Arbeitgeber im länd- der Aufgabe angenommen, regionale Teillösun- lichen Raum, der Abriss und die Entsorgung gen zu erarbeiten. Damit leistet die Agrarfor- alter, nicht mehr genutzter Produktionsstätten schung wichtige Aufgaben für die Gesellschaft und die Einigung darauf, nur einen zentralen und trägt gleichzeitig zur Stärkung der Agrar- Flughafen im Land zu fördern und auszubauen wirtschaft und des ländlichen Raumes bei. Ich wünsche mir für den landwirtschaftlich ge- prägten Raum MV den Erhalt der angewandten Agrarforschung. Dabei darf es nicht darum gehen, „freiwillige Leistung“ oder „Pflichtaufgaben“. 40 | AGRARPOLITIK UND LANDWIRTSCHAFT …

Jahre 1989 bereits bis 1993 auf 2,1 Beschäftig- Verschiedene Forschungseinrichtungen des te/100 ha LF.51 Der sicherlich in großen Teilen Landes engagierten sich im Bereich der „Nach- auch notwendige Arbeitskräfteabbau in der wachsenden Rohstoffe“. Das Institut für Stress- Landwirtschaft fand aber für die in den Dörfern physiologie und Rohstoffqualität Groß Lüsewitz lebenden Menschen keine alternative Kompen- der damaligen Bundesforschungsanstalt für sation in anderen Bereichen des Arbeitsmarktes. Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Das Problem der Arbeitslosigkeit auf dem Lande Gatersleben bearbeitete ein vom Bundesmini- wuchs in Mecklenburg-Vorpommern zu einem sterium für Bildung, Wissenschaft, Forschung politischen Problem. Bis 1995 schieden 86 % und Technologie gefördertes dreijähriges For- der 1989 in der Landwirtschaft Beschäftigten schungsthema „Biochemische Grundlagen und aus ihrer Tätigkeit aus. Danach stabilisierte sich Methoden zur Erhöhung des Gehaltes und der zwar die Zahl der verbleibenden Arbeitskräfte, Qualität von Getreidestärke für die industrielle aber die sozialen Fragen der auch nicht zur Verwertung durch züchterische und agrartech- Abwanderung bereiten verbleibenden Arbeitslo- nische Methoden“. sen traten als Langzeitproblem immer deutlicher Zur Bündelung und Kooperation der verschie- hervor. Maßnahmen der Beschäftigung im denen Vorhaben wurde ein Facharbeitskreis zweiten Arbeitsmarkt fanden kaum Verstetigung „Nachwachsende Rohstoffe“ bei der Inno- und konnten überwiegend nur zeitweilig Abhilfe vationsagentur Mecklenburg-Vorpommern schaffen. Neue ländliche Wirtschaftszweige im gegründet. Bereich des Tourismus zeigten nur vereinzelt Erfolgsaussichten. Seit 1993 wurde das Innovationszentrum für 1996 beschloss die Landesregierung eine nachwachsende Rohstoffe INZENARO in Pa- „Konzeption zum Anbau, zur Markteinführung sewalk durch das Wirtschaftsministerium als und zur Verarbeitung von nachwachsenden Schulungsorganisation und Netzwerk gefördert. Rohstoffen sowie deren energetische Nutzung“. Projekte zur Herstellung von Dämmmaterial Obwohl zu dem Zeitpunkt bereits 7 Projekte aus Flachsfasern oder die Verarbeitung von zur Biomasse- bzw. Pflanzenölverbrennung in Pflanzenfasern und Stärke zu Formteilen, die Blockheizkraftwerken vorlagen, konnte wegen Sanierung degradierter Niedermoore durch der hohen Eigeninvestitionen keins davon Schilfanbau und -verwertung oder die Massen- umgesetzt werden. Im Landkreis Güstrow wurde produktion volatiler Öle wurden in der Pla- ein Pilotprojekt zum Einsatz von Schmierstof- nung bearbeitet und begleitet. Eine besondere fen auf biogener Basis durchgeführt und an Förderung erfuhr auch der Versuchsanbau von über 150 Maschinen und Geräten positiv gete- Chinaschilf (Miscanthus sisensis), der sich stet. Eine Spitzenposition in Deutschland nahm allerdings als Fehlschlag erwies.52 Mecklenburg-Vorpommern 1996 mit einem Im Juni 1999 wurde die Gut Dummerstorf Anbaupotenzial von 190.000 ha Ölpflanzen GmbH insbesondere auf Initiative der SPD- bei der Herstellung und Anwendung biogener Fraktion als 100%ige Tochter der mehrheit- Treibstoffe ein. Verarbeitungsanlagen konnten lich dem Land gehörenden Landgesellschaft aber im Bundesland aufgrund der ungünstigen Mecklenburg-Vorpommern mbH gegründet. Ihr Förderbedingungen trotz verschiedener Initiati- Profil beinhaltet seitdem: die Produktion und ven nicht errichtet werden. Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, Mecklenburg-Vorpommern blieb in diesen die kostenpflichtige Bereitstellung von Flächen, Feldern zunächst ausschließlicher Rohstofflie- Betriebseinrichtungen und Dienstleistungen für ferant. Forschung und Lehre sowie die Erzeugung von erneuerbarer Energie (Elektro und Wärme). Damit war auch wieder ein Praxisbetrieb für die ������������������������������������������������������������ Historischer und geographischer Atlas von Mecklenburg und Pommern, Band 1 Mecklenburg-Vorpommern. Das Land ������������������������������������������������� Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache im Überblick. Schwerin 1995, S. 55. 2/1962. | 41

Agrarforschung und –lehre als experimentelle finden sind.“54 Zwar hatte sich das Verbrau- Basis vorhanden. cherverhalten in den neuen Bundesländern 1997 fiel die politisch und wirtschaftlich geändert und durchaus eine Sensibilisierung weitreichende Entscheidung des Bundesfor- für arbeitsplatzerhaltendes Kaufverhalten her- schungsministeriums, die Insel Riems zum vorgebracht, aber das Angebot derartiger Pro- Hauptsitz des Bundesforschungsinstituts für dukte in den Supermärkten war überwiegend Viruskrankheiten der Tiere zu entwickeln. von anderen Faktoren abhängig. Besonders der Wissenschaftsstandort im Umfeld der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald erhielt dadurch einen gravierenden und nach- haltigen Impuls.53 Im Jahre 2000 stellte das Friedrich-Loeffler-Institut erstmals offiziell und amtlich einen BSE-Fall bei einem Rind fest. Das führte zum BSE-Skandal, der 2001 eska- lierte. Die darauf entwickelten Methoden hatten seit 2002 eine kontinuierliche Abnahme der Fälle zur Folge.

Agrarpolitisch schloss das Millenium mit hef- tigen Protesten der Bauern gegen die ersten Entwürfe der „Agenda 2000“. Der Landesbau- ernverband machte gemeinsam mit den Lan- despolitikern mobil gegen die Pläne aus Brüs- sel, die zunächst die größten Gefahren für die besonderen Bedingungen der Landwirtschaft in den neuen Bundesländern bedeutet hätten. Diese Proteste führten zu Überarbeitungen und Anpassungen in der Agenda.

Ein wesentliches Problem der Agrarproduktion blieben die Absatzmärkte. Dem sollte 1994 durch die Gründung einer Agrarmarketing- gesellschaft Abhilfe geschaffen werden. Damit griff die CDU eine Idee der SPD aus dem Jahre 1991 auf. Die Begründung spiegelt die dama- lige Situation in Mecklenburg-Vorpommern: „Der Verbraucher griff zu den vermeintlich besseren, den westlichen Produkten, die oftmals vor allem durch ihre Aufmachung auffielen. Dieses Verbraucherverhalten änderte sich zwar bis zum heutigen Tage entscheidend, das Pro- blem besteht aber weiterhin darin, dass land- wirtschaftliche Produkte und deren Erzeugnisse in den großen Handelsketten nur spärlich zu

���������������������� Steffens, Sabine, Wiege der Virusforschung. Eine Aus- stellung zur 100-jährigen Geschichte des Friedrich-Loeffler- ����������������������������������������������������� http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok/ Instituts. Greifswald-Riems [2010]. DS 1/4749 (14.1.2011). 42 |

3. Europa regiert liche Mechanismen waren damit außer Kraft gesetzt. Schon seit Mitte der 1980er Jahre führte die Agrarwirtschaft – das zur Überproduktion von Lebensmitteln. Die Überschüsse wurden dann stark subventioniert Agenda 2000 und die Folgen auf dem Weltmarkt verkauft, vernichtet oder eingelagert. Die Unsinnigkeit dieses Umgangs mit Lebensmitteln wurde angesichts des Hun- gers in der Dritten Welt auch zu einem politisch So gingen die Landwirte mit unsicheren Zu- immer dringender werdenden Problem. Die kunftserwartungen in die Jahrtausendwende Osterweiterung der Europäischen Gemein- und in das 21. Jahrhundert. Dass sich in der schaft, durch die besonders landwirtschaftlich Subventionierung der Landwirtschaft mit den geprägte Staaten hinzukamen, machte die Mitteln der Europäischen Gemeinschaft drin- Notwendigkeit einer Reform schließlich un- gend etwas ändern müsste, war allen Beteilig- übersehbar und unaufschiebbar, sollten die ten klar. Die Osterweiterung der Europäischen bisherigen Ausgleichs- und Fördermechanis- Staatengemeinschaft gab dann den letzten men nicht kollabieren. Anstoß zu grundsätzlichen Reformen. Wesentliche Bestandteile der im März 1999 Die bisher fließenden umfassenden Subventio- beschlossenen Reformen waren die „Erhöhun- nen waren noch auf die Landwirtschaftspolitik gen der Ausgleichzahlungen für Ackerkultu- der Europäischen Gemeinschaft der 1950er ren zur Abmilderung von Preissenkungen, die Jahre zurückzuführen. Um die Produktion zu Festschreibung der obligaten Flächenstillle- steigern, wurden damals die Preise für die land- gungen für den Zeitraum 2000 bis 2006, die wirtschaftlichen Produkte von der EG garan- Verschiebung der Reform der Milchmarktord- tiert. Nicht abgesetzte Erzeugnisse wurden von nung auf das Wirtschaftsjahr 2005/2006, die staatlichen Stellen aufgekauft. Die EG über- Erhöhung der Plafonds für prämienbegün- nahm eine Abnahmegarantie für alle landwirt- stigte Rinder sowie der Verzicht auf markt- schaftlichen Produkte. Einfuhrabgaben glichen stabilisierende Interventionsaufkäufe bei die Differenzen zu den Weltmarktpreisen aus. Getreide (ab dem Wirtschaftsjahr 2000/2001 Für die Einführung landwirtschaftlicher Pro- und in zwei Schritten um 15%), Butter und dukte galt eine Obergrenze. Marktwirtschaft- Magermilchpulver (ab dem Wirtschaftsjahr EUROPA REGIERT DIE AGRARWIRTSCHAFT | 43

2005/2006 in drei gleichen Schritten –––––––––––––––––––––––––––––– um 15 %)“.55 Prof. Dr. Mathias Grünwald, Zoologe, Neubrandenburg Die gestützten Preise für Rindfleisch sollten um etwa 30 %, für Getreide um 20 % und Milch um 15 % gesenkt werden. Die Entkopplung der Preise sollte ab 2007 erfolgen. Dabei blieb es den Mitgliedsstaaten freigestellt, bereits im Jahre 2005 damit zu beginnen. Die EG wollte ländliche Regionen stärker fördern. Die Zah- lungen zwischen 2000 und 2006 wurden auf 213 Milliarden Euro begrenzt. 195 Milliarden Euro entfielen auf die Strukturfonds, die in Deutschland alle neuen Bundesländer betrafen, um Entwicklungsdefizite auszugleichen. 18 Wo konnte ich mich einbringen? Milliarden entfielen auf die Kohäsionsfonds, • Als Mitglied im Beirat für Natur und Umwelt durch die Projekte für die Umwelt und die Inte- des Landes Mecklenburg-Vorpommern, des gration in die transeuropäischen Verkehrsnetze wissenschaftlichen Beirats des (früheren) gefördert werden sollten. Umweltministeriums, in themenbezogenen Der Landtag führte zu dem Thema am 16. Arbeitskreisen der Landesverwaltung und in März 1999 eine Sondersitzung durch. Während vielen Verbändegesprächen mit Mitgliedern die Regierungskoalition aus SPD und PDS die der Landesregierung Agenda 2000 als „anspruchsvolle Herausforde- • im Bund für Umwelt- und Naturschutz rung für die Landwirtschaft in Mecklenburg- Deutschland (BUND) e.V., seit 2002 auch als Vorpommern“ bezeichnete und die Regierungs- Vorsitzender des Landesverbandes Mecklen- arbeit dazu lobte,56 lehnte die CDU-Fraktion burg-Vorpommern, oft in Zusammenarbeit in einer Entschließungsvorlage die Vorschläge mit anderen Verbänden und Bürgerinitia- der EU-Kommission in den entscheidenden tiven Passagen ab und forderte eine grundlegende • durch Betreuung, Anleitung und Durchfüh- Überarbeitung.57 Schließlich wurde im Mai rung wissenschaftlicher und planerischer 1999 durch die Regierungskoalition der Be- Arbeiten und Projekte zu Einzelfragen der schluss gefasst, dass die Landesregierung sich Entwicklung des ländlichen Raumes beim Bund dafür einsetzen solle, die Wettbe- • nicht zuletzt durch praktische Maßnahmen werbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Un- des Naturschutzes und der Landschaftspfle- ternehmen durch mehr Marktanpassung und ge, die ich mit meinen Studierenden und Anpassung der Betriebsstrukturen zu fördern, in Zusammenarbeit mit vielen Partnern die Einkommenseinbußen für die Landwirte durchführe zu minimieren und die Funktionsfähigkeit der ländlichen Räume zu verbessern. Dazu sollten Was ist gut gelungen? auf Landesebene die entsprechenden Förderins- •Gründung der Nationalparke, Biosphärenre- trumente und besonders auch die Beratung der servate, Naturparke neuer Prägung, Einrich- Landwirte verbessert werden.58 tung von Naturschutzgebieten Agrarpolitisches Hauptthema wurde für die • Ausweisung des Schutzgebietsnetzes „Natura ������������������������������������������������������ Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Vierte Wahlperi- 2000“ (FFH- und EU-Vogelschutzrichtlinie), ode. Bericht zur Arbeit des Landtages Mecklenburg-Vorpom- wenngleich auch in einem mühevollen Pro- mern 2002-2006. Schwerin 2007, S. 508. zess, der unnötigerweise vier Tranchen zur ������������������������������������������������������� Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 3/245. Erreichung des fachlich gerade ausreichen- ���������������������������� Ebd. Drucksache 3/253. ���������������������������� Ebd. Drucksache 3/365. den Gebietsumfangs benötigte. 44 | EUROPA REGIERT DIE AGRARWIRTSCHAFT

Was ist überhaupt nicht gut gelungen? Folgezeit die Anpassung nationaler Bedin- Es fehlt nach wie vor eine in sich konsisten- gungen an die Vorstellungen und Gesetze der te Strategie des Landes zur Entwicklung des Europäischen Gemeinschaft und speziell für ländlichen Raumes, da man von allem etwas Mecklenburg-Vorpommern die nationale und will. So passen z.B. Agrogentechnik und we- europäische Sensibilisierung für den immer nig tier- und umweltgerechte Massentierhal- noch nicht abgeschlossenen Übergang aus den tung nicht zusammen mit dem Anspruch, sozialistischen in die marktwirtschaftlichen Be- Tourismus- und Gesundheitsland Nummer 1 dingungen im Agrarsektor. Daher hieß das The- werden zu wollen. Hier wären u. a. wirklich ma für eine Aktuelle Stunde am 10. Dezember konsequente Maßnahmen des Natur- und 2003 im Landtag auch folgerichtig: Nationale Umweltschutzes, stärkere Förderung des Öko- Beschlüsse zur Umsetzung der EU-Agrarreform Landbaus und qualitätsvolle Premiummar- – Perspektiven für unser Land“.59 kenprodukte die passenden Antworten. In Mecklenburg-Vorpommern sah die Situation Was wünsche ich mir für die weitere in der Landwirtschaft noch problematischer aus Entwicklung des ländlichen Raumes als in den anderen deutschen Bundesländern. •Eine Politik mit klarer Schwerpunktsetzung, die an den Stärken des Landes ansetzt und auf eine Bündelung der Kräfte ausgerichtet ist, erscheint Erfolg versprechender als eine Politik, die es ohne eigenes Profil allen recht machen will. •Dass der demographische Wandel verstärkt auch als Chance begriffen wird. ������������������������������������������������������ Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Vierte Wahlperi- ode. Bericht zur Arbeit des Landtages Mecklenburg-Vorpom- mern 2002-2006. Schwerin 2007, S. 510.

Tab.11: Landwirtschaftliche Produktion in Mecklenburg-Vorpommern60 Einheit 1991 2000 2003 Landwirtschaftliche Betriebe Anzahl 3.176 5.226 5.229 LF in: 1.000 ha 1.297 1.367 1.350 davon: Ackerland in: 1.000 ha 1.012 1.082 1.073 Getreide in: 1.000 t 2.869 3.940 3.472 Kartoffeln in: 1.000 t 673 640 544 Zuckerrüben in: 1.000 t 1.507 1.420 1.381 Raps und Rübsen in: 1.000 t 377 726 757 Gemüse in: 1.000 t 36 44 32 Milch in: 1.000 t 1.258 1.350 1.360 Eier in Mill. Stück 434 379 438 Schweine (Bestandszahl) in: 1.000 Stück 1.153 636 688 Rinder (Bestandszahl) in: 1.000 Stück 731 594 567 Schlachtmenge in: 1.000 t 125 92 94

������������������������������������������������������������������������������ www.statistik-mv.de/cms2/STAM_prod/STAM/de/la/index.jsp (10.12.2010); Agrarbericht 2004 des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Tabellenanhang. Schwerin 2004. | 45

Diese Zahlen machen einige signifikante Ver- 2000 auf 262 ha. Diese Entwicklung bekommt änderungen deutlich. Zunächst erhöhte sich eine zusätzliche Brisanz, wenn berücksichtigt die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe bis wird, dass die Agrargenossenschaften von der 2000 um etwa ein Drittel und blieb dann auf Gesamtfläche 18,4 % bewirtschafteten und in dieser Zahl stabil. Da die landwirtschaftliche dieser Betriebsform die durchschnittliche Größe Nutzfläche nur geringfügig wuchs (durch der LF bei 1.400 ha lag. veränderte regionale Gliederung), bedeutete Die flächenbezogenen Ausgleichszahlungen an das gleichzeitig eine durchschnittliche Verklei- die Landwirte betrugen in den Jahren 2000 bis nerung der Betriebe. Lag die durchschnittliche 2003 für Mecklenburg-Vorpommern insgesamt Größe 1991 noch bei 408 ha, schrumpfte sie bis weit über eine Milliarde Euro.

Tab.12: Flächenbezogene Ausgleichszahlungen in Mecklenburg-Vorpommern (in Mio Euro)61 Ausgleich für 2000 2001 2002 2003 Getreide 210,8 222,0 214,3 215,6 Eiweißpflanzen 7,7 7,6 7,3 7,1 Öllein 6,1 1,7 0,4 0,3 Stilllegung 40,6 44,1 43,5 45,4 Ölsaaten 127,6 81,5 67,0 63,6 ����������������������������������������������������������������������������������������������� Agrarbericht 2004 des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Tabellenanhang. Schwerin 2004, S. 1.

Während der Anbau von Zuckerrüben und Kar- der Anbau von Raps und Rüben weitere Steige- toffeln bis 2000 leider nicht ausgedehnt werden rungsraten aufweist. In letzterem Fall liegt die konnte, sondern einen leichten Rückgang Ursache eindeutig in der Verwendung des Öls verzeichnete, stieg die Getreideerntemenge um für die Herstellung von Biokraftstoffen, die den fast ein Viertel und die Raps- und Rübenernte Ölpflanzen, die im Anbau stark subventioniert verdoppelte sich sogar. Zwischen 2000 und 2003 wurden, seit dem Ende der 1990er Jahre einen ist dann ein weiterer Rückgang im Bereich der enormen Schub verliehen. Rapsöl wird haupt- Kartoffelproduktion zu beobachten, während sächlich als Kraftstoff bzw. zur Kraftstoffherstel- 46 | EUROPA REGIERT DIE AGRARWIRTSCHAFT

lung verwendet. Die Vor- und Nachteile werden Lediglich die Zuckerrübenerträge lagen über immer noch kontrovers diskutiert. Zum einen den Vorjahresergebnissen.62 erhofft man sich durch die Nutzung von Bio- Auch die bereits ökologisch arbeitenden Betriebe kraftstoffen eine Substitution von Kraftstoffen litten unter Ertragseinbußen, die außerdem noch fossiler Herkunft. Damit dies in nennenswertem durch ungünstige Standortfaktoren verstärkt Umfang geschehen kann, müssen aber nach- wurden. Nach der Verordnung über die ökologi- wachsende Rohstoffe in erheblichem Umfang sche Landwirtschaft der EG Nr. 2092/91 waren angebaut werden. Das führt andererseits zu aus Mecklenburg-Vorpommern 2003 bereits 699 einer Verarmung der Fruchtfolge und auch zu Unternehmen entsprechend zertifiziert. Davon einer erhöhten Nutzungs- und Flächenkonkur- waren 619 in der landwirtschaftlichen und gärt- renz bei der Lebensmittelerzeugung oder beim nerischen Produktion tätig. 80 weitere gehörten Umweltschutz (Erhaltung der Biodiversität). zu den Verarbeitungs- und Importbetrieben.63 Das zeugt von einem Umdenken bei vielen Drastisch rückläufig ist dagegen die Schweine- Landwirten, einer neuen mitunter alternativ haltung, die sich im Zeitraum der betrachteten denkenden Erzeugergeneration, aber auch von 10 Jahre um fast die Hälfte verringerte. Zwi- einer erfolgreichen Förderpolitik. Interessant ist schen 2000 und 2003 wurde dieser Rückgang auch die Erscheinung, dass gerade aus dem Kreis nur geringfügig wieder aufgeholt. dieser Produzenten immer wieder neue Ideen für Ganz anders stellt sich die Entwicklung des touristische oder soziale Projekte in Verbindung Rinderbestandes dar. Hier haben wir zwar mit kulturellen Initiativen und Projekten entwi- auch einen Bestandsrückgang von 20 % zu ckelt und umgesetzt werden. Leider ist dadurch verzeichnen, der aber primär auf die enorme mitunter eine Verzettelung zu beobachten, da Milchleistungssteigerung und die Quotierung ähnliche Initiativen gleichzeitig beginnen und der Gesamterzeugungsmenge zurück zu führen dann längere Zeit bis zur gemeinsamen Aktion ist. Insgesamt lagen die Betriebsergebnisse im benötigen. Jahre 2003 sichtbar unter den Resultaten des Vorjahres. Ganzjährig geringe Niederschläge ������������������������������������������������������ Agrarbericht 2004 des Landes Mecklenburg-Vorpom- beeinflussten die Erträge. Dadurch ging auch mern, Zusammenfassung. Schwerin 2004, S. 1. die Rentabilität zurück. Das konnte nicht durch ������������������������������������������������������ Agrarbericht 2004 des Landes Mecklenburg-Vorpom- gestiegene Erzeugerpreise ausgeglichen werden. mern. Schwerin 2004, S. 31. | 47

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Hans-Joachim Hacker, Ein großer Erfolg der Agrarpolitik des Bundes Rechtsanwalt, und des Landes Mecklenburg-Vorpommern Mitglied des Deutschen Bundestages, sind die Sanierung der dörflichen Wohnbe- Schwerin reiche und der ländliche Wegebau. Durch die erheblichen finanziellen Fördermittel konnte das historische Antlitz der Dörfer erhalten und verschönert werden. Im Zuge der Umstrukturierung der Landwirt- schaft ist es leider nicht gelungen, eine breite Streuung des Produktivvermögens zu erreichen. Dies wäre z.B. auf dem Wege von Genossen- schaften auf freiwilliger Basis theoretisch mög- lich gewesen. Die Folgen der Zwangskollekti- vierung in der DDR und die damit verbundene Abwanderung von „Hofnachfolgern“ waren ein Für die Entwicklung des Ländlichen Raumes in Hemmnis, ebenso wie die konservative Agrarpo- Mecklenburg-Vorpommern waren Gesetze der litik der Bundesregierung nach der Wiederver- demokratischen Volkskammer und des Deut- einigung . schen Bundestages die entscheidende Voraus- Ein Defizit ist auch, dass eine erhebli- setzung. An den entsprechenden gesetzlichen che Zahl von nicht mehr genutzten bau- Regelungen der Volkskammer wie Landwirt- lichen Anlagen der früheren LPG als schaftsanpassungsgesetz und Vermögensgesetz Schandflecke in der Landschaft stehen. habe ich als Parlamentarier mitgewirkt. Ebenso Ich wünsche mir eine Fortsetzung der Förder- bei den Beratungen und Entscheidungen des programme für den Ländlichen Raum und Deutschen Bundestages zu offenen Vermögens- Fördermaßnahmen zur Ansiedlung von mittel- fragen, die sich auch im Ländlichen Raum von ständischem Gewerbe. Damit können Arbeits- Mecklenburg-Vorpommern stellten. plätze geschaffen und kann der Abwanderung entgegengewirkt werden

Tab. 13 Zahl und Fläche der ökologisch arbeitenden Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern 200364 Anbau-, Kontrollverband Anzahl der Davon: Fläche in ha Unternehmen Landwirtschaft BIOPARK e.V. 387 364 80.837 Bioland e.V. 28 27 5.238 Demeter e.V. 10 10 569 Naturland e.V. 6 6 2.270 Gäa e.V. 15 15 905 Ohne Verband 253 197 17.593 gesamt 699 619 107.412

������������������������������������������������������������������������������������������ Agrarbericht 2004 des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Tabellen. Schwerin 2004, S. 27. 48 | EUROPA REGIERT DIE AGRARWIRTSCHAFT

Ein Wandel vollzog sich im Bereich der Be- Diese Zeit bis zum Jahre 2003 kann als eine schäftigten. Die Zahl hatte sich seit 1999 bei Übergangszeit in der Landwirtschaft betrachtet etwa 23.000 (davon etwa 15.500 vollbeschäf- werden, in der die Ziele der Agenda 2000 dis- tigt) stabilisiert,65 zeigte aber bereits den kutiert, modifiziert und schließlich weitgehend Trend zur Überalterung. Die Ergebnisse für die angewendet wurden. An der Notwendigkeit der Heranbildung eines ausgebildeten Nachwuch- Veränderung bestand kein Zweifel. Die konkrete ses lagen aber unter den Erfordernissen für die Umsetzung traf viele Landwirte aber auch in kommenden 10 Jahre. bereits verinnerlichten Gewohnheiten, und die Subventionen gehörten bereits zur jährlichen 2001 erreichte die Bruttowertschöpfung in der betrieblichen Planung. Landwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns den deutschen Höchstwert von über 1,3 Mrd. Euro. Die landwirtschaftlichen Betriebe profi- tierten von den Ausgleichszahlungen. Durch die Entkoppelung der EU-Subventionen von der Produktion ging dieses Ergebnis in den Folgejahren mit Schwankungen, aber doch ten- denziell zurück. Das ist andererseits durchaus erstaunlich, da die Flächenproduktivität durch den geringen Viehbesatz je ha in Mecklenburg- Vorpommern auf hinteren Plätzen zu finden war.66

Eine Erfolgsgeschichte begann im Bereich des gemeinsamen und koordinierten Marketings durch die Gründung des „Agrarmarketing Mecklenburg-Vorpommern e.V.“ auf rein pri- vatwirtschaftlicher Grundlage im Jahre 2000. In den Aufgabenbereich fallen Messebeteiligun- gen, Marktrecherchen oder temporäre Projekte mit anderen Partnern.

������������������������������������������������������ Agrarbericht 2004 des Landes Mecklenburg-Vorpom- mern, Tabellen. Schwerin 2004, S. 1. ���������������������������������������������������������� Klüter, Helmut, Das Spannungsfeld zwischen Landwirt- schaft, Agrarindustrie und Tourismus, in: Beleites, Michael; Graefe zu Baringdorf, Friedrich Wilhelm; Grünbaum Robert, Klassenkampf gegen die Bauern. Die Zwangskollektivierung der ostdeutschen Landwirtschaft und ihre Folgen bis heute. Berlin 2010, S. 137. | 49

zungen von bis zu einem Viertel der Prämien 4. Gemeinsame geahndet werden.

Agrarpolitik und –––––––––––––––––––––––––––––– Ankunft in Europa – Hannelore Monegel, Diplom-Lehrerin, GAP-Reform 2003

Ein wesentlicher Schritt auf dem Weg der Umsetzung der Agenda 2000 der Europäischen Gemeinschaft war die Entkoppelung der Prämienzahlung von der Produktion in der Landwirtschaft, die von dem SPD-geführten Landwirtschaftsministerium von Beginn an positiv begleitet wurde. Die Gestaltung und Erhaltung der Kulturlandschaft oder die nach- Als Abgeordnete des Landtages MV von 1998- haltige Nutzung natürlicher Ressourcen wurde 2006 war ich Mitglied des Landwirtschaftsaus- zur förderfähigen Prämisse erhoben und ersetz- schusses und Sprecherin der SPD- Fraktion te die ausschließliche Förderung agrarischer für Forst ,Fischerei und Jagd. Außerdem leite Produktion. Damit wurde der Blick auf den ich seit 1999 den Landschaftspflegeverband Agrarsektor erheblich erweitert. , Mecklenburger Schweiz. Auf 2002 konkretisierte die Europäische Kommis- Landesebene bin ich eine von 4 SprecherInnen sion die Veränderungen in der mit der Agenda der Landschaftspflegeverbände. Seit Januar 2000 begonnenen Landwirtschaftspolitik. Der 2011 bin ich wieder in der Landespolitik aktiv Paradigmenwechsel von Produktförderung zur als Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion für Unterstützung der Produzenten (Entkoppelung Fischerei-, Verbraucher- und Tierschutzpolitik. der Ausgleichzahlungen von der Produktion) als Kernelement hatte sich nach umfassenden Sehr gut gelungen ist die Organisation der Diskussionen und Modifizierungen durchsetzen Forstwirtschaft im Rahmen der Forstanstalt können. Für die bisherigen Direktzahlungen in . MV hat ein sehr gutes Jagdgesetz, traten die betriebsgebundenen entkoppelten welches den Wildschadensausgleich regelt. Beihilfen in Kraft. Hege und Pflege der Tier- und Pflanzenwelt sind Die Leistungen der Landwirte für die Pflege und ausgewogen geregelt. Die Landschaftspflegever- den Erhalt der Kulturlandschaft rückte damit bände konnten durch ihre Tätigkeit eine sanfte in den Mittelpunkt der Förderpolitik. An Stelle Erschließung der Natur für Einheimische und von Zahlungen für eine produzierte Menge Besucher unterstützen. Sehr gut gelungen ist sollten die Landwirte im Gegenzug höhere auch der Ausbau der Infrastruktur durch Ver- Auflagen im Bereich der Umweltziele einhalten. zahnung von Landwirtschaft und Tourismus, Tier-, Umwelt- und die Lebensmittelsicherheit Die Tierhaltung in MV hat sich in Qualität und traten als Kriterien für die Zahlungen in den Quantität nicht gleichmäßig gut entwickelt. Zu Vordergrund („Cross Compliance“). Der Land- geringer Tierbestand insgesamt steht den zu gro- wirt sollte sich unter Beibehaltung seiner Rolle ßen Anlagen gegenüber. Die damit verbundene bei der Erzeugung von Nahrungsmitteln und Abfallentsorgung ist für das Umfeld und die Rohstoffen zum Landschaftspfleger wandeln. Humusqualität der Böden nicht gut verträglich. Verstöße gegen diese Auflagen sollten mit Kür- Ich wünsche mir eine wirtschaftliche Entwick- 50 | GEMEINSAME AGRARPOLITIK UND ANKUNFT IN EUROPA

lung im ländlichen Raum, die auf Agrarwirt- Fälle einer gestiegenen Marktinstabilität, die schaft basiert, und durch Ganzjahresbeschäf- durch den Klimawandel häufig noch verschärft tigung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird, lassen diese Tendenzen und Belastungen mit entsprechender Entlohnung die Motivation noch deutlicher zutage treten. Die Fähigkeit, für ein aktives und kulturelles Leben befördert. für Ernährungssicherheit zu sorgen, ist für Europa eine wichtige langfristige Aufgabe und kann nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Unterstützung von landwirtschaftlichen Die Entwicklung des ländlichen Raumes als Gemeinschaften, die die Europäer mit hochwer- „zweite Säule“ der GAP sollte durch eine einheit- tigen und vielfältigen Qualitätsnahrungsmitteln liche Umverteilung der Kürzungen in Höhe von beliefern, die auf nachhaltige Weise im Einklang 3 % der Ausgleichszahlungen europaweit gestärkt mit unseren Anforderungen in Bezug auf werden. Die konkrete Umsetzung der Maßnah- Umwelt, Gewässer, Tiergesundheit, Tierschutz, men wurde den Mitgliedsstaaten weitgehend Pflanzengesundheit und öffentliche Gesundheit freigestellt. Die von der Europäischen Kommis- produziert werden. Die aktive Bewirtschaftung sion vorgegebenen Eckdaten der GAP bildeten der natürlichen Ressourcen durch die Landwirte lediglich den Rahmen.67 ist ein wichtiges Instrument, das zur Erhaltung Bis 2013 soll die Reform der Gemeinsamen Ag- des Landschaftsbilds, zur Minderung des Bio- rarpolitik (GAP) abgeschlossen sein. Nach einer diversitätsverlusts und zum Klimaschutz sowie breiten öffentlichen Debatte hat die Europäische zur Anpassung an den Klimawandel beiträgt, Kommission einen Entwurf vorgelegt, in dem eine wesentliche Grundlage für langfristige Optionen für die künftige GAP dargestellt werden und die Debatte mit den anderen Organen und –––––––––––––––––––––––––––––– mit Interessengruppen eingeleitet wird. Die Renate Holznagel, Unterbreitung von Rechtsvorschlägen ist für das Dipl. Veterinärmedizinerin, Jahr 2011 vorgesehen. Im Laufe der Erörterun- Demmin gen wurde von der Mehrheit die Auffassung vertreten, dass auch die künftige GAP eine starke gemeinsame, in zwei Säulen gegliederte Politik sein sollte. Die Nachhaltigkeit all dieser Maß- nahmen wurde zu einer zentralen Forderung. Im Mittelpunkt stehen die Ernährungssicherheit, die Versorgung mit hochwertigen und vielfälti- gen Nahrungsmitteln, sowie die Sicherung von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft. Zusammen- gefasst wurden die folgenden strategischen Ziele empfohlen: „Erhaltung des Potenzials für die Erzeugung 1. Wann, wie und gegebenenfalls wo von Nahrungsmitteln auf einer nachhalti- konnte ich mich einbringen bei der gen Grundlage in der gesamten EU, um die Entwicklung des Ländlichen Raums langfristige Ernährungssicherheit in Europa zu von Mecklenburg-Vorpommern? gewährleisten und zur Deckung des wach- senden weltweiten Nahrungsmittelbedarfs Seit 1991 bin ich Mitglied des Landtages Meck- beizutragen, der nach Schätzungen der FAO bis lenburg-Vorpommern und habe mich besonders 2050 um 70 % ansteigen dürfte. Die jüngsten in den Bereichen Landwirtschaft und Umwelt für die Entwicklung des ländlichen Raumes in ������������������������������������������������������ Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Vierte Wahlperi- Mecklenburg-Vorpommern stark gemacht. Als ode. Bericht zur Arbeit des Landtages Mecklenburg-Vorpom- mern 2002-2006. Schwerin 2007, S. 508. Mitglied der Evangelischen Synode konnte ich | 51 weiterhin die Interessen des ländlichen Rau- 4. Was wünsche ich mir vorrangig für mes vertreten. Sowohl im Landesfachausschuss die weitere Entwicklung des ländlichen Landwirtschaft und Umwelt der Landes-CDU Raumes in Mecklenburg-Vorpommern? Mecklenburg-Vorpommern als auch im Bun- desfachausschuss der CDU konnte ich die Be- Ich wünsche mir für die weitere Entwicklung lange des ländlichen Raumes vertreten. des ländlichen Raumes in Mecklenburg-Vor- Als Mitglied des Kreistages Demmin konnte ich pommern, dass der ländliche Raum auch in mich ebenfalls für die Entwicklung des ländli- Zukunft für alle Generationen eine lebenswerte chen Raumes einsetzen. Umwelt- und Lebensperspektiven bietet. Hierzu Gerade Anfang der 90er Jahre wurden zahl- gehören insbesondere die Möglichkeit der Ein- reiche Gesetze erarbeitet (Landeswassergesetz, kommenserzielung, aber auch der Ausbildung Landesnaturschutzgesetz, Abfallgesetz des Lan- und der Erhalt der natürlichen Lebensgrund- des M-V und verschiedene Haushaltsgesetze). lagen. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze und der 2. Was ist in den vergangenen Erhalt bestehender Arbeitsplätze sind die 20 Jahren im ländlichen Raum von vordringlichsten Aufgaben der Zukunft. Mecklenburg-Vorpommern sehr gut Ich wünsche mir, dass unser Land für Jung und gelungen? Alt als attraktives Lebensumfeld erhalten bleibt.

In den zurückliegenden 20 Jahren sind im ländlichen Raum Mecklenburg-Vorpommerns wirtschaftliche Rentabilität. meines Erachtens blühende Landschaften ent- Ein zentrale Ziel ist der Erhaltung lebensfähiger standen. Sowohl die Infrastruktur (Straßen-, ländlicher Gemeinschaften, für die die Landwirt- Wasser und Abwasserversorgung) als auch die schaft eine wichtige wirtschaftliche Tätigkeit ist, Umwelt (Wasserqualität, Ausweisung von Na- mit der lokale Arbeitsplätze geschaffen werden. turschutz- und Landschaftsschutzgebieten) hat Hieraus ergibt sich eine Vielzahl wirtschaftlicher, sich hervorragend entwickelt. sozialer, ökologischer und gebietsbezogener Die Landwirtschaft mit ihren vor- und nachge- Vorteile. Ein signifikanter Rückgang der lokalen lagerten Bereichen hat sich in Mecklenburg- Erzeugung hätte auch Folgen in Bezug auf Vorpommern sehr gut entwickelt und ist heute Treibhausgase (THG) und charakteristische wettbewerbsfähig. Ebenso hat sich auf Grundla- örtliche Landschaften und würde das Angebot, ge der hohen naturräumlichen Ausstattung der aus dem die Verbraucher auswählen können, Tourismus auf den Platz 1 innerhalb der Bun- verringern.“68 Diese zunächst eher wie ein desrepublik Deutschland entwickelt. Appell wirkende Zielstellung setzte eine völlig neue Einstellung der ländlichen Produzenten 3. Was ist in den vergangenen gegenüber der bereits seit Jahrzehnten geübten 20 Jahren im ländlichen Raum von Praxis der Subventionierung voraus. Dieser Um- Mecklenburg-Vorpommern überhaupt denkungsprozess erforderte Zeit und viel Geduld. nicht gelungen? Deutschland präferierte die schnelle europaweite Einführung der Entkoppelung der Direktzah- Große Aufgaben stehen meines Erachtens im lungen von der Produktion. Eine Prämierung Rahmen des demografischen Wandels und der Schaffung von Arbeitsplätzen im ländlichen ��������������������������������������������������� Mitteilung der Kommission an das europäische Raum für die kommenden Jahre an. Hier hätte Parlament, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und ich mir in den vergangenen 20 Jahren eine dy- Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Die GAP bis 2020: Nahrungsmittel, natürliche Ressourcen und namischere Entwicklung gewünscht. ländliche Gebiete – die künftigen Herausforderungen, Brüssel 201, in: eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ. do?uri=COM:2010:0672:FIN:de, S. 2f. 52 | GEMEINSAME AGRARPOLITIK UND ANKUNFT IN EUROPA

nach dem „Regionalmodell“ je Hektar unter Landessausstellung für Landwirtschaft, Ernäh- Einhaltung von Umweltstandards für die Kul- rung, Fischwirtschaft, Forst, Jagd und Gar- turlandschaft in Einheit mit der Bereitstellung tenbau in Mecklenburg-Vorpommern (MeLa) sicherer und hochwertiger Agrarprodukte wurde ausführlich diskutiert. In der Folge ließ sich der favorisiert. Damit sind die Direktzahlungen im Landtag vom Landwirtschaftsministerium über Sinne des „Cross Complience“ an die Einhaltung die Ausführungsbestimmungen zur Bindung von Umwelt-, Tierschutz und Qualitätsvorschrif- der Direktzahlungen an den Umwelt-, Verbrau- ten gebunden. cher- und Tierschutz und die damit verbunde- Eine neue Situation für die Landwirtschaft in nen Kontrollen und Strafen informieren.70 Europa ergab sich aus dem Beitritt von acht mittel- und osteuropäischen Ländern (MOEL) Die Landwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns im Jahre 2004 zur Europäischen Union. Die hatte sich bis 2002 zum stabilsten Wirtschafts- hohen Beschäftigtenzahlen in der Landwirtschaft zweig des Landes entwickelt und lag mit 4,7 der osteuropäischen Länder, ihre schwa- Mrd. Euro Umsatz und 1,1 Mrd. Euro Brut- che technische Ausstattung, das Fehlen von towertschöpfung immer noch weit vor allen Lebensmittelnormen in vielen Bereichen und anderen Branchen. Die maritime Wirtschaft als ihre oft noch auf Selbstversorgung orientierte nächstgrößter Wirtschaftsfaktor im produzie- Produktion sollten schrittweise an die Standards renden Sektor erreichte davon nicht einmal ein in der EU herangeführt werden.69 Das erinnert Viertel. In Mecklenburg-Vorpommern betrug in vielen Bereichen sehr stark an die Situation in der Anteil der Land- und Ernährungswirtschaft den neuen Bundesländern in den ersten Jahren stabil bis 2004 etwa 4,0 % an der Bruttowert- nach 1990. schöpfung des Landes. Das war das Dreifache des Bundesdurchschnitts. In den Folgejahren Im September 2004 wurde die EU-Agrarreform sank dieser Wert, wie in der Bundesrepublik auf dem Landesbauertag im Rahmen der 14. insgesamt, ständig. 2006 lag er nur noch bei 2,6 % mit einer Bruttowertschöpfung von 0,7 ������������������� Weber, Gerald, Neue Perspektiven für die Agrarpolitik durch die EU-Osterweiterung, in: Hrsg. Friedrich-Ebert- Stiftung, Landesbüro Mecklenburg-Vorpommern, Die ������������������������������������������������������ Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Vierte Wahlperi- Umsetzung der EU-Agrarreform. Eine Halbzeitbewertung mit ode. Bericht zur Arbeit des Landtages Mecklenburg-Vorpom- Ausblick in die Zukunft, Schwerin 2004, S. 47-65. mern 2002-2006. Schwerin 2007, S. 511. | 53

Mrd. Euro.71 In den beiden Folgejahren erholte wieder den Stand von 2001 erreicht. Die Zahl sich die Landwirtschaft etwas und sank 2009 der Betriebe in der Form der juristischen Perso- aber wieder auf einen Wert von 759 Mill. Euro nen hat in dieser Zeit eine konstante Zunahme Bruttowertschöpfung.72 erfahren. Interessant ist die Erscheinung, dass Die Anzahl der landwirtschaftlichen Unter- sich dabei die eingetragenen Genossenschaften nehmen auch in ihren unterschiedlichen von 181 auf 159 bei etwa gleichbleibenden Be- Rechtsformen war zu einer gewissen Stabilität triebsgrößen verringerten, während die Zahl der gelangt. Allerdings ist eine langsame, aber GmbH von 396 im Jahre 2001 auf 518 im Jahre stetige Zunahme der Anzahl der Betriebe in 2007 stieg, teils durch Betriebsaufspaltungen. der Rechtsform einer juristischen Person zu Allerdings sank bei den GmbH gleichzeitig die verzeichnen, während die der natürlichen durchschnittliche Betriebsgröße deutlich von Personen sich nur unwesentlich veränderte. 790 Hektar auf 603 Hektar. Auch die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe im Nebenerwerb hat nach einer Phase der ständigen Abnahme bis 2005 im Jahre 2007 fast ��������������������������������������������������� Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum Mecklenburg-Vorpommern 2007-2013, Schwerin 2009, S. 33. ���������������������������������������������������������� Klüter, Helmut, Das Spannungsfeld zwischen Landwirt- schaft, Agrarindustrie und Tourismus, in: Beleites, Michael; Graefe zu Baringdorf, Friedrich Wilhelm; Grünbaum Robert, Klassenkampf gegen die Bauern. Die Zwangskollektivierung der ostdeutschen Landwirtschaft und ihre Folgen bis heute. Berlin 2010, S. 139.

Tab.14: Landwirtschaftliche Unternehmen nach Rechtsformen in Mecklenburg-Vorpommern 2001 bis 200773 Rechtsform 2001 2003 Zahl Betriebs- Fläche/ davon Zahl Betriebs- Fläche/ davon größe/ ha LFN % größe/ ha LFN % ha - Ø ha - Ø Natürliche Personen 4.482 146 653.424 48,1 4.455 148 657.576 48,8 Dav.: Einzelunternehmen 3.774 98 370.632 27,3 3.766 100 376.998 28,0 Dav.: Haupterwerb 1.266 233 295.138 21,7 1.460 218 318.095 23,6 Nebenerwerb 2.504 29 73.385 5,4 2.306 26 58.903 4,4 Personengesellschaften 708 399 282.792 20,8 689 407 280.578 20,8 Dav. GbR 634 381 241.266 17,8 618 379 233.949 17,3 KG 56 735 41.153 3,0 64 678 43.407 3,2 Juristische Personen 744 948 705.252 51,9 774 893 691.017 51,2 Dav.: jur. Pers. D. öff. Rechts 8 165 1.316 0,1 6 128 769 0,1 Jur. Pers. D. priv. Rechts 736 956 703.936 51,8 768 899 690.248 51,2 Dav.: e.V. 23 31 722 0,1 32 27 855 0,1 e.G. 181 1.384 250.491 18,4 173 1.400 242.155 18,0 GmbH 396 790 312.785 23,0 430 736 316.420 23,5 GmbH & Co KG 118 1.049 123.768 9,1 113 995 112.450 8,3 AG 17 937 15.923 1,2 19 954 18.120 1,3 gesamt 5.226 260 1.358.675 100,0 5.229 258 1.348.593 100,0

��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� Agrarbericht 2004 des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Berichtsjahr 2003). Schwerin 2004, S. 4; Agrarbericht 2009 des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Berichtsjahr 2008). Schwerin 2009, S. 17. 54 | GEMEINSAME AGRARPOLITIK UND ANKUNFT IN EUROPA

Rechtsform 2005 2007 Zahl Betriebs- Fläche/ davon Zahl Betriebs- Fläche/ davon größe/ ha LFN % größe/ ha LFN % ha - Ø ha - Ø Natürliche Personen 4.348 156 677.415 49,9 4.581 154 704.423 52,0 Dav.: Einzelunternehmen 3.649 107 391.428 28,8 3.849 104 401.194 29,6 Dav.: Haupterwerb 1.307 238 310.687 1.362 242 329.414 24,3 Nebenerwerb 2.287 32 72.486 2.487 29 71.779 5,3 Personengesellschaften 699 409 285.987 21.1 732 414 303.229 22,4 Dav. GbR 613 385 236.020 17,4 599 378 226.181 16,7 KG 73 627 45.777 3,4 115 593 68209 5,0 Juristische Personen 803 848 680.703 50,1 851 765 651.411 48,0 Dav.: jur. Pers. D. öff. Rechts 9 112 1.006 0,1 6 149 891 0,1 Jur. Pers. D. priv. Rechts 794 856 679.679 50,0 845 770 650.520 48,0 Dav.: e.V. 34 26 898 0,1 39 23 896 0,1 e.G. 168 1.392 233.812 17,2 159 1.411 224.279 16,5 GmbH 451 698 314.606 23,2 518 603 312.599 23,1 GmbH & Co KG 121 923 111.675 8,2 110 869 95.623 7,1 AG 17 972 18.459 1,4 18 938 16.878 1,2 gesamt 5.151 264 1.358.119 100,0 5.432 250 1.355.834 100,0

Die Beschäftigtenzahl hatte sich in der land- wirtschaftlichen Produktion weitgehend stabi- lisiert und sank zwischen 2001 und 2007 ledig- lich um 1,4 % von 22.296 auf 21.348. Darunter stieg der Anteil weiblicher Beschäftigter sogar um 2,5 %, was aber immer noch nur etwas über ein Viertel der ländlichen Gesamtbeschäftigten- zahl ausmachte.74 Der Anteil an der Gesamtbe- schäftigtenzahl in Mecklenburg-Vorpommern lag mit 4,4 % über dem Bundesdurchschnitt.75 Auch die Erwirtschaftung von Gewinn lag bei den Agrarbetrieben des Landes mit 54.600 Euro erheblich über dem Bundesdurchschnitt von etwa 25.000 Euro. Das war auf die günstige Ausstattung mit Betriebsflächen zurückzufüh- ren. Auch darin lag das Land bundesweit an der Spitze. Ebenso liegt die Arbeitsproduktivität lum das 1,4fache höher als der gesamtdeutsche Durchschnitt.76

������������������������������������������������������ Agrarbericht 2009 des Landes Mecklenburg-Vorpom- mern (Berichtsjahr 2008). Schwerin 2009, S. 17. ��������������������������������������������������� Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum Mecklenburg-Vorpommern 2007-2013, Schwerin 2009, S. 32. ������������������ Ebd., S. 33. | 55 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Wolfgang Jaeger, Die landwirtschaftlichen Strukturen, die in M-V Diplomlandwirt, in den letzten 300 bis 400 Jahren entstanden, konnten zu großen Teilen erhalten bleiben, was wirtschaftlich vernünftig war. Dadurch wurde die Entwicklung der Landwirtschaft auch nach der Wende eine Erfolgsstory und nicht wie die Industrie im Osten Deutschlands weitgehend demontiert.

Die Schaffung neuer sozialversicherungspflich- tiger Arbeitsplätze konnte den Arbeitsplatzabbau in der Landwirtschaft von 1989 bis ca. 2005 um bis zu 90% nicht ausgleichen. Damit wuchsen Mit der politischen Wende habe ich mich nach Unzufriedenheiten bei vielen Menschen im über 20jähriger Berufspraxis in der ostdeut- ländlichen Raum und der Frust „wegen nicht schen Landwirtschaft der Arbeit für den land- gebraucht werden“ nahm zu. wirtschaftlichen Berufsstand und dessen Inter- Ich wünsche mir, dass Wirtschaft (speziell essenvertretung verpflichtet und eingesetzt. Ich Landwirtschaft), Politik, Umweltverbände und wurde Gründungsmitglied und erster Hauptge- Initiativen ihrer gemeinsamen Verantwortung schäftsführer des ersten einheitlichen Bauern- für unser Bundesland besser gerecht werden. verbandes in den neuen Bundesländern. Dieser Naturschutz, Tourismus und Wirtschaft bedin- Verband versteht sich als Anwalt des ländlichen gen einander, das gegenseitige Verständnis sollte Raums und hat seine Rolle nach bestem Wissen wachsen, dabei muss Wissen und Bildung eine und Gewissen ausgefüllt. Dabei versuchte ich größere Rolle spielen als Ideologien. mich federführend einzubringen.

Tab.15: Landwirtschaftliche Produktion in Mecklenburg-Vorpommern77 2004 2005 2006 2007 Landwirtschaftliche Betriebe 5.229 5.151 5.432 LF (in ha) 1.357,2 1.349,2 1.368,6 1.355,8 davon: Dauergrünland 270,4 265,9 273,4 Ackerland 1.083,4 1.080,6 1.091,7 1.076,2 Davon: Getreide 596,3 587,9 571,5 574,3 Davon: Ölsaaten 235,4 234,5 244,9 257,6 Davon: Hackfrüchte 43,1 39,8 37,8 39,1 Davon: Ackerfutter 93,8 118,1 137,2 148,6 Davon: Silomais 73,4 78,7 87,8 99,2 Rinderbestand (1.000) 556,2 536,7 537,4 541,0 Davon: Milchkühe (1.000) 181,4 177,8 170,8 171,0 Milchproduktion (1.000 t) 1.352,3 1.362,6 1.349,3 Schweine (1.000) 668,4 677,1 709,9 740,1

���������������������������������������������������������������������������������������������������������� Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum Mecklenburg-Vorpommern 2007-2013, Schwerin 2009, S. 40. 56 | GEMEINSAME AGRARPOLITIK UND ANKUNFT IN EUROPA

Entgegen diesen Einschätzungen blieb die produzierte Milchmenge stabil. Die Geflügelproduktion wurde Anfang des Jah- res 2006 durch die Feststellung des Vogelgrip- pevirus H5N1 bei einem Schwan nach seiner Untersuchung im Friedrich-Loeffler-Institut schwer getroffen. Die Vogelgrippe breitete sich rasant aus. 16.000 gesunde Puten, Gänse und Hühner mussten daraufhin vorsorglich getötet werden. Der Rinderbestand und die Milchproduktion 2010 erhielten in Mecklenburg-Vorpommern waren damit seit 2000 etwa gleich und damit etwa 4.800 landwirtschaftliche Betriebe (davon stabil geblieben. Die Milchquote wurde voll etwa 2.500 im Haupterwerb) 403 Millionen ausgeschöpft. Bei der Schweinehaltung war so- Euro Direktzahlungen aus dem Fonds der Ge- gar eine Aufwärtsentwicklung zu verzeichnen, meinsamen Agrarpolitik der Europäischen Uni- was besonders auf den Bau neuer Stallanlagen on. Das waren bereits 15 Millionen weniger als und die entkoppelten Prämienzahlungen zu- zuvor. Für konkrete Agrarumweltmaßnahmen rückzuführen ist. flossen in Mecklenburg-Vorpommern allerdings Der Anbau von Getreide hat durch die Ent- darüber hinaus 49 Millionen Euro, für Öko- koppelung bis 2006 deutlich abgenommen, Landbau 13,5 Millionen, als Ausgleichszahlung sich aber danach durch die Nachfrage auf in benachteiligten Gebieten sechs Millionen, dem Bioenergiesektor wieder stabilisiert. Der acht Millionen für umwelt- und tiergerechte Anbau von Ölsaaten zeigte eine kontinuierlich Haltungsverfahren und knapp sieben Millionen steigende Tendenz. Hier ist die Verwertung zur Euro für die naturschutzgerechte Grünland- Herstellung von Biokraftstoffen maßgebend nutzung. Ab 2012/13 wird durch diesen Wandel gewesen. Eine geradezu explosionsartige Ent- eine einheitliche Flächenprämie von 318 Euro wicklung nahm der Anbau von Futterpflanzen, je Hektar LN für Mecklenburg-Vorpommern der sich um die Hälfte erweiterte, darunter legte erreicht. der Anbau von Silomais um ein Viertel zu. Hier Ein wichtiges branchenpolitisches Ereignis war ist die Ursache im Betrieb von Biogasanlagen der Deutsche Bauerntag des Deutschen Bau- zu sehen.78 ernverbandes 2005 in Rostock, der damit erst- Das Hauptproblem jener Jahre waren die Erzeu- mals in Mecklenburg-Vorpommern tagte. Die gerpreise für Milch und Schweinefleisch. Selbst Mitgliederversammlung beschloss auf dieser leistungsstarke Betriebe konnten kaum die Veranstaltung Leitlinien für die deutsche Land- Kosten decken. Durch Sachverständige wurde und Ernährungswirtschaft als „Rostocker Er- dazu bereits 2004 bei einer Anhörung im Land- klärung“. Sie umfasst einen wettbewerbs- und tag dargelegt, dass der schnelle Strukturwandel marktbezogenen Orientierungsrahmen bis zum etwa einem Drittel der Milchbauern die Exi- Jahre 2013. Dem war eine umfassende Diskus- stenz nehmen würde. Dieser Prozess wurde für sion über Chancen und Risiken der deutschen Mecklenburg-Vorpommern in beschleunigter Landwirtschaft im Bauernverband, den Landes- Form vorhergesagt. Geringe Eigenkapitaldecke, verbänden und abschließend unter den Dele- hohe Lohnkosten in Betrieben mit Arbeitneh- gierten des Bauerntages vorausgegangen. Die merverfassung seien die Ursachen, stellten die „Rostocker Erklärung“ wurde zu einem klaren Sachverständigen heraus.79 Bekenntnis der deutschen Bauern zur EU- Agrarpolitik. Die deutsche Regierung wurde zu ���������� Ebd. einem grundlegenden Richtungswechsel in der ������������������������������������������������������ Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Vierte Wahlperi- nationalen Agrarpolitik aufgefordert, der die ode. Bericht zur Arbeit des Landtages Mecklenburg-Vorpom- mern 2002-2006. Schwerin 2007, S. 516. Stärkung der bäuerlichen Unternehmen und | 57 ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft zum Ziel Agrargenossenschaften in den ostdeutschen haben sollte. Auf nationale Alleingänge sollte Bundesländern von der langjährigen Doppel- verzichtet, bürokratische Hürden abgebaut, belastung. eine fördernde Steuerpolitik und eine verläss- In Mecklenburg-Vorpommern sank zwar die liche Agrarsozialpolitik des Bundes eingeleitet Zahl von fast 200 Agrargenossenschaften auf werden. Dazu wurden konkrete Vorschläge für etwa 150. Sie bewirtschaften aber nur leicht eine entsprechende Haushalts-, Steuer- und abnehmend etwa 17 % der landwirtschaftli- Sozialpolitik unterbreitet. Spektakulär und be- chen Nutzfläche. Wichtiger ist aber, dass ihre sonders medienträchtig war die Demonstration durchschnittliche Betriebsgröße konstant etwa der Milchbauern vor der Rostocker Stadthalle 1.400 ha beträgt. Damit sind sie mit Abstand gegen den ruinösen Preisverfall bei Milch und die größten landwirtschaftlichen Unterneh- Milchprodukten.80 Neben dem Ministerprä- men in Mecklenburg-Vorpommern und liegen sidenten von Mecklenburg-Vorpommern, Dr. auch über dem ostdeutschen Durchschnitt von (SPD), und Spitzenpolitikern etwa 1.000 ha. Noch wichtiger ist, dass sie fast der Bundesrepublik Deutschland trat auch der die Hälfte (45 %) der tierischen Produktion französische Landwirtschaftsminister, Domini- tragen.81 Die Spezialisierung im Bereich der que Bussereau, auf der Tagung auf. Tierhaltung, aber auch die Erschließung neuer Wirtschaftsfelder, wie der Erzeugung von Bio- Für die Agrargenossenschaften begann sich ein gas, ermöglichten neue Investitionen. Letzteres Ende der Altschuldenproblematik abzuzeich- betraf die gesamte Landwirtschaft. nen. Unter besonderer Initiative des Parlamen- tarischen Staatsekretärs im Bundesministerium Als völlig neuer Wirtschaftszweig auf dem für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Lande hat sich die Energieerzeugung etabliert. bzw. Verbraucherschutz, Ernährung und Land- Sie bindet besonders durch den gezielten Anbau wirtschaft von 1998 bis 2005, Gerald Thalheim, energietechnisch verwertbarer Kulturpflanzen gelang es, die noch vorhandenen Altschulden ����������������������������������������������������������� Backhaus, Till, Die Transformation der Agrargenossen- zu halbieren und schließlich durch günstige schaften in Mecklenburg-Vorpommern, in: Ilona Buchsteiner Kredite abzulösen. Das befreite die noch tätigen und Siegfried Kuntsche (Hrsg.), Agrargenossenschaften in Vergangenheit und Gegenwart. 50 Jahre nach der Bildung �������������������������� www.bauernverband.de von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften in der /?suchbegriff2=Bauerntag+2005. DDR. Rostock 2004, S. 17.

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Prof. Dr. Horst Klinkmann, Wo konnte ich mich einbringen, Arzt, Rostock was sollte gut gelingen? Mitwirkung an dem Pilotvorhaben „Gesund alt werden auf dem Lande“:

Ausgangsbedingungen: demografische Entwicklung nimmt insbeson- dere im ländlichen Raum zum Teil gravierende Formen an • starke Überalterung der Kommunen und Gemeinden • junge Leute ziehen in die Oberzentren, insbesondere junge Frauen im reprodukti- onsfähigem Alter - dadurch verschärft sich die Situation erneut. 58 | GEMEINSAME AGRARPOLITIK UND ANKUNFT IN EUROPA

Fachkräftesituation, insbesondere in den Pfle- barrierefreie Umgestaltung von vorhandenem geberufen entwickelt sich dramatisch und die entsprechende Gestaltung von neuem • Kaufkraft und wirtschaftliches Potential Wohnraum nimmt ab, d.h. Dienstleistungen und Gewer- • ortsansässiges Handwerk kann durch be ziehen sich aus der Fläche zurück Qualifizierung auf diese Nachfrage hin • Anzahl der Singlehaushalte nimmt zu / vorbereitet werden, erhält neue Aufträge und Familienstrukturen ändern sich kann durch die Erfahrungswerte auch in • fehlende Sozialkontakte der Alten werden anderen Regionen Märkte erschließen (auch u.a. beim Arzt kompensiert, was wiederum die Wartung von technischen Anlagen und zur Belastung des sozialen Sicherungssys- Geräten zählt hierzu) tems führt (in Deutschland hat jeder Bürger • Infrastruktur in den Gemeinden kann durch durchschnittlich 18 Arztkontakte p.a. in die höhere Auslastung aufrecht erhalten wer- Schweden 3). den (Kitas, Schulen, Einkaufsmärkte etc.) • durch die Entwicklung neuer Dienstleistun- ABER: gen i.S.d. „Daseinsvorsorge“ können Ge- ohne das es ein spezielles Produkt oder meinden / Kommunen in Kooperationen mit Bewerbung (Marketing) gibt, gibt es Zuzug anderen Gemeinden / Kommunen auch die der Generation 55+ nach MV (Küste und medizinische Versorgung der Bevölkerung Seenplatte) und es wird überwiegend Wohnei- flankieren (bspw. Aufbau eines Fahrservice gentum erworben. zum und vom Arzt) • kann durch Integration bspw. touristischer Deswegen: Angebote auch Neugierigen die Möglichkeit soll das Pilotvorhaben Erkenntnisse darüber offeriert werden, ihren Lebensabend in MV bringen, ob neue Formen des Zusammen- zu verbringen (Länderstrukturausgleich, lebens in speziellen Siedlungen, die in die Erhöhung der Einwohnerzahlen ...) urbane Fläche einer Gemeinde / Kommune • ein MV Produkt entstehen, das geeignet ist, integriert werden, geeignet sind, dem Ansin- in den Quellmärkten auf MV als Alterwohn- nen / Bestreben der Alten gerecht zu werden, sitz aufmerksam zu machen so lange wie möglich selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden zu leben Was ist nicht gelungen ? • dabei sollen soziale, kulturelle, medizinische Es ist in den vergangenen 20 Jahren nicht und bildungsorientierte Dienstleistungen die gelungen, das Verbleiben der jungen Genera- Lebensqualität in der Gemeinde erhöhen, das tion zu sichern. Ehrenamt einen besonderen gesellschaftli- chen Status erhalten und jungen Menschen / Was wünsche ich mir? Familien eine berufliche Perspektive eröffnet Ich wünsche mir, den ländlichen Raum werden so zu gestalten, dass er bei Beibehaltung • letzteres bspw. durch die Aufnahme neuer seiner natürlichen Schönheit ein attraktiver Technologie in die Planung und Umsetzung Wirtschaftsstandort für die Ernährungs-, (AAL Technologien), die das „Alleine Leben“ Gesundheits- und Tourismuswirtschaft wird. unterstützen (Baukastensystem) oder die

in zunehmendem Maße landwirtschaftliche Landwirtschaft für immer größere politische Nutzfläche und entzieht sie damit der Nah- Diskussionen über Sinn und Unsinn dieser rungsgüterproduktion. Andererseits sind diese Maßnahmen und in dem Zusammenhang erneuerbaren Energien ein Beitrag zum Um- auch über die Sinnhaftigkeit der umfassenden weltschutz durch die Ablösung fossiler Brenn- Förderung für den Anbau energietechnisch stoffe. Generell sorgt dieser junge Bereich der verwertbarer Kulturpflanzen. | 59

.Tab.16: Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien in Mecklenburg-Vorpommern (in MW)82 Energieträger 2001 2005 Feste Biomasse 21,0 50,0 Gasförmige Bioenergie 14,8 51,3 Windkraft 664,0 1000,0 Wasserkraft 2,6 2,8 Fotovoltaik 1,8 6,0 ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� Tack, Fritz, Erzeugung und Nutzung biogener Kraftstoffe im ländlichen Raum, in: Friedrich-Ebert-Stiftung, Landesbüro Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.), Die Umsetzung der EU-Agrarreform. Eine Halbzeitbewertung mit Ausblick in die Zukunft, Schwerin 2004, S. 80.

Mecklenburg-Vorpommern wurde dadurch zungswürdige Projekte der Nachhaltigkeit im schon bis zum Jahre 2004 zum bedeutendsten Lande ausfindig zu machen und entwickeln zu Rapsanbauland Deutschlands mit einer Fläche helfen.“ Unter dem Slogan „Bioenergiedörfer“ von etwa 220.000 ha. Das sind bereits 20 % sind Energiegenossenschaften mit dem Ziel der Gesamtackerfläche des Bundeslandes. der Autarkie in kleineren ländlichen Regionen Das zeigt eine besorgniserregende Tendenz geplant.83 zu einer Monokultur in einigen Landwirt- Andererseits ist ein Rückgang der Grünland- schaftsbetrieben. Ein sehr geringer Teil wird flächen zu verzeichnen, wobei Mecklenburg- davon im Kaltpressverfahren zur Herstellung Vorpommern an der Spitze liegt. Zwischen 2003 von Speiseöl eingesetzt. Der größte Teil wird und 2007 gingen hier die Grünlandflächen zu Kraft- und Schmierstoffen verarbeitet. Nur um 4,8 % zurück. Das ist doppelt so viel wie im ein kleiner Nebenaspekt ist dabei die sichtbar Bundesdurchschnitt. Konkret sind das 15.000 zunehmende Werbung der Tourismuswirtschaft ha weniger Grünland, die überwiegend der mit den blühenden Rapsfeldern. Die damit Milchviehhaltung entzogen sind. Von Kritikern auch zunehmende Produktion von Rapshonig der Grünlandreduzierung werden zusätzlich der überwiegend im Nebenerwerb tätigen Imker noch die Umweltaspekte wie Wasserbindung ist ein volkswirtschaftlich eher zu vernachlässi- und Bodenregenerierung angeführt. In der gender Faktor. Argumentation wird auch der umweltbelasten- Die 2002 gegründete Stiftung Akademie für de Methananstieg durch die Rinderhaltung Nachhaltige Entwicklung Mecklenburg-Vor- relativiert.84 pommern in Güstrow hat sich für den Einsatz Im Agrarbericht 2009 des Ministeriums für von Bioenergie in den Dörfern engagiert. Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Biomasse, Geothermie, Solar- und Windenergie Mecklenburg-Vorpommern stehen die Krisener- sollen zur Versorgungssicherheit mit Energie scheinungen im Vordergrund, die auch die beitragen und die Umwelt sauber halten oder Landwirtschaft trafen. Landwirtschaftsminister sauber werden lassen. Klimaschutz, Erneuerba- Dr. Till Backhaus (SPD) resümiert dazu in re Energien, der steigende Bedarf nach hoch- seinen Vorbemerkungen: „Die aktuelle Situa- wertigen regionalen Lebensmitteln oder klima- tion ist jedoch davon gekennzeichnet, dass die freundliche Tourismusangebote finden sich im Auswirkungen der globalen Wirtschafts- und Fokus der Stiftung. Der Vorstandsvorsitzende Finanzkrise sowie heftige Schwankungen der der Akademie, Prof. Dr. Peter Adolphi meint: Agrarpreise an den Weltmärkten auch den „Nachhaltigkeit ist ein Entwicklungsziel, das immer wieder und auch nach wie vor an der ����������������������������������������� http://www.nachhaltigkeitsforum.de. �������������� Ruppaner, Marion, Zukunft für Wiesen und Weiden. Sprödigkeit des Begriffes selbst zu scheitern Plädoyer für eine Umkehr im Umgang mit Grünland, in: droht. Die Akademie hat dies viele Jahre lang Landwirtschaft 2010. Der kritische Agrarbericht. Schwer- gespürt, wenn sie unterwegs war, unterstüt- punkt: Boden, Konstanz/Hamm 2010, S. 29f. 60 | GEMEINSAME AGRARPOLITIK UND ANKUNFT IN EUROPA

Agrarsektor in Mecklenburg-Vorpommern voll Demgegenüber stehen die gestiegenen Kosten erfasst haben. für Futtermittel und Energie, was insbesondere Seit dem Sommer 2008 gibt es einen Abwärt- bei tierhaltenden Betrieben negativ zu Buche strend bei internationalen Preisnotierungen für schlägt. Der deutsche und europäische Milch- Getreide und Milchprodukte von bis zu 50 %. markt zeigt sich seit Monaten in sehr schwa- cher Verfassung. Die Milcherzeugerpreise sind –––––––––––––––––––––––––––––– auf einen historischen Tiefststand gefallen.“85 Dr. Ernst-Jürgen Lode, Zu einem Dauerthema in den fünf neuen deut- Landwirt, Woldeck schen Bundesländern wurde die Bodenpolitik in der Frage der Besitzverhältnisse resultierend aus der Bodenreform, der Arbeit der BVVG und der begünstigte Flächenerwerb nach dem Ent- schädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) von 1994 mit den damit verbundenen Klagen. Besonders die sogenannte „Nach- schlagsregelung“ ließ die Diskussionen nicht verstummen. Danach konnten bereits begün- stigte Bodenkäufer noch einmal in begrenztem Umfang subventionierten Boden erwerben. Eine aktuelle Stunde des Landtags führte fast Durch meine Tätigkeit als Geschäftsführer zu einem Eklat, weil die CDU-Fraktion das von der Rinderzucht M-V und damit verbundenen der PDS-Fraktion formulierte Thema „Das Verbänden, als Präsident der Deutschen Ge- Bodenreformurteil des EuGH – Auswirkungen sellschaft für Züchtungskunde, Bonn und als für Mecklenburg-Vorpommern“ als sachlich Bürgermeister der Stadt war bzw. bin falsch erkannte und deshalb absetzen wollte. ich jederzeit in die Entwicklung des ländlichen Tatsächlich ging es nicht um ein Urteil des Raums eingebunden. Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sondern Mecklenburg-Vorpommern ist für mich der um ein Urteil der Dritten Kammer des Europä- modernste, am besten strukturierte und zu- ischen Gerichtshofs für Menschrechte (EGMR). kunftsorientierte Agrarstandort Deutschlands, Danach waren die Rechte der Erben von Bo- wahrscheinlich Europas. Produktion, ökologi- denreformgrundstücken gestärkt worden. Der sche und naturschutzrechtliche Belange wur- Ältestenrat klärte zugunsten der Sache. Die den ausgewogen einbezogen - Ergebnis klarer SPD unterstützte die Bundesregierung in einer politischer Entscheidungen in Abstimmung mit geplanten Revision, während PDS und CDU das den Landwirten. Vorgehen gegen das „Neubauernurteil“ ablehn- Begrenzt gelungen ist die Wertschöpfung. Die ten. 2005 fällte der EGMR zwei Urteile in dieser Landwirte haben zu wenig Anteil an der Vered- Sache. Danach wurde im „Alteigentümerurteil“ lung. die Bodenreform als rechtmäßig anerkannt. Die Kombination von Agrarforschung (M-V Das „Neubauernurteil“ wurde allerdings re- verfügt über weltweit modernste Einrichtun- vidiert und damit die Enteignung von 70.000 gen) und –produktion und Beachtung der Erben von Bodenreformland rechtskräftig.86 Verantwortung für die Daseinsvorsorge sollten Weiteres Thema im Landtag war die Verpach- die Prämissen für die Zukunft sein. Den Agrar- tungspraxis der BVVG, die durch Verkaufsbestre- wissenschaften kommt in der Lehre wieder eine wachsende Rolle zu, sollen die Herausforderun- ������������������������������������������������������ Agrarbericht 2009 des Landes Mecklenburg-Vorpom- gen der Welternährung gelöst werden. Wer den mern (Berichtsjahr 2008). Schwerin 2009. Mut zum Titel Diplomingenieur in der Hoch- ������������������������������������������������������ Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Vierte Wahlperi- ode. Bericht zur Arbeit des Landtages Mecklenburg-Vorpom- schulausbildung hat, sollte sich auch Gedanken mern 2002-2006. Schwerin 2007, S. 513 ff. | 61 bungen eine ständige Bedrohung für die Päch- machen, ob eine moderne Agrarfakultät in M-V, ter darstellte. Die Landwirte waren mit einem dem Land nicht gut zu Gesichte stehen würde. Kauf überfordert. Dieser Unsicherheit versuchte Zurzeit dominiert der Westen. der Landtag mit teilweisem Erfolg entgegenzu- Ich wünsche mir volle Ausschöpfung der Wis- wirken, um die Liquidität und Wettbewerbsfä- senschaften, insbesondere der Genetik, als higkeit der Landwirtschaft zu sichern. Grundlage unseres Wohlstandes, und keine In jüngster Zeit zeigten sich immer stärkere Angst der Politiker vor modernen wissenschaft- Bestrebungen zum Landkauf durch nicht aktiv lichen Ergebnissen und Verfahren. Unsere Väter wirtschaftende, teils international agierende waren hier aufgeschlossener, weil sie Hunger Investoren, die möglichst große zusammen- kannten. hängende Flächen erwerben wollen und Bodenpreise zahlen, die oft von den hiesigen Landwirten nicht aufgebracht werden können. Im Januar 2010 gab es eine Einigung zwischen –––––––––––––––––––––––––––––– BVVG und den ostdeutschen Bundesländern als Prof. Dr. Wolfgang Methling, Kompromiss zwischen Verkauf und wirtschaft- Veterinärmediziner, Rostock licher Sicherheit für die bisherigen Pächter. Danach wurde für die Privatisierung der letzten 420.000 Hektar festgelegt, dass sie ohne Aus- schreibung an die bisherigen Pächter verbilligt abgegeben werden können. Das kritisierten eine Reihe kleinerer Landwirte als Übervorteilung von „Großagrariern“, worunter besonders die LPG-Nachfolgebetriebe erhebliche Subventions- gewinne ziehen würden.87 Gleichzeitig nutzen Großinvestoren nach der internationalen Finanzkrise 2009 den Boden- kauf als sichere Geldanlage. Damit werden die Die ländlichen Räume sind das schöne und vi- Bodenpreise unnatürlich in die Höhe getrieben tale Gesicht des Landes. und können von Landwirten kaum noch ge- Meine (Die Linke) Fraktion im Landtag hat sich zahlt werden, da der Ertrag aus den Böden den eine zukunftsfähige Entwicklung der ländli- Kaufpreis nicht mehr decken kann. Besonders chen Räume und die Unterstützung der einhei- die BVVG gerät in diesem Zusammenhang mischen Landwirte auf die Fahnen geschrieben. verschärft in die Kritik, da sie versucht, die So setzen wir uns z.B. dafür ein, dass der Boden restlichen Flächen abzustoßen und dabei diese jenen gehören soll, die ihn bewirtschaften, ih- Konjunktur auf dem Bodenmarkt nutzt. ren Lebensunterhalt davon bestreiten und vielen Menschen Beschäftigung geben. Zahlreiche gut ausgebildete und motivierte Landwirtinnen und Landwirte haben den schmerzhaften Transfor- mationsprozess gut gemeistert und leiten heute hochmoderne Betriebe. Die Entwicklung der Er- träge für Lebensmittel und Rohstoffe, auch im ������������������������������������������������������� Gerke, Jörg, die Auswirkungen der DDR-Agrarstruk- Bereich der erneuerbaren Energien, die Vielzahl turen auf Landwirtschaft und ländliche Regionen in kultureller Aktivitäten, gepflegte Kulturland- Ostdeutschland nach 1990,wangskollektivierung der schaften, Dorferneuerung und ländlicher Tou- ostdeutschen Landwirtschaft und ihr in: Beleites, Michael; rismus sind nur einige Stichworte und beredte Graefe zu Baringdorf, Friedrich Wilhelm; Grünbaum Robert, Beispiele für die Rolle der Landwirtschaft bei Klassenkampf gegen die Bauern. Die Ze Folgen bis heute. Berlin 2010, S. 87 f. der zukunftsfähigen Entwicklung der ländli- 62 | GEMEINSAME AGRARPOLITIK UND ANKUNFT IN EUROPA

chen Räume. Entscheidungskompetenzen und die Mittel in Zugleich stehen die ländlichen Regionen gro- die Regionen gegeben werden. Die Menschen ßen Problemen gegenüber, wie Abwanderung, vor Ort wissen am besten, was gut ist für eine fehlende Erwerbsmöglichkeiten, schlechte zukunftsfähige Entwicklung ihrer Region. So Verkehrsanbindung und fehlende Einkaufs- können leistungsfähige Agrarbetriebe die An- möglichkeiten sowie andere infrastrukturelle reize für ein nachhaltiges Wirtschaften nutzen Defizite am Ort. und beispielsweise durch regionale Stoff- und Wir meinen, die ländlichen Räume können Energiekreisläufe Arbeitsplätze schaffen. So Aushängeschild des Landes für intakte Natur, können unternehmerische Landwirte zu länd- hohe Wertschöpfung und gute Daseinsvorsor- lichen Unternehmern werden und Zukunft im ge sein. Dazu ist aber einerseits ein komplexes, ländlichen Raum sichern helfen. 1 ressortübergreifendes Handeln der Landesregie- rung nötig, und es müssen andererseits mehr ����������������������������������������������� Schweriner Volkszeitung, 8.).1.2011, S. 3.

Diese nüchterne Abwägung der Situation ohne Vernetzung und hohe Qualifikation, ökologi- Polemik, Schuldzuweisung, Verdächtigungen scher Landbau und leistungsfähige Vermark- oder Parteinahme zeigt die gegenwärtige Posi- tungseinrichtungen, leistungsfähige regionale tion mit allen Möglichkeiten und auch darin Wertschöpfungsketten sind die wichtigsten enthaltenen Risiken. Soll die Landwirtschaft in Säulen für die zukünftige Landwirtschaft. Mecklenburg-Vorpommern eine Zukunft haben, muss sie diese Einschätzung berücksichtigen. Zu den positiven Erscheinungen der neuen Spezialisierung und Großbetriebe, regionale europäischen Agrarpolitik gehört die ganzheit-

Tab. 17: „SWOT-Analyse“ [engl. Akronym für Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Oppor- tunities (Chancen) und Threats (Bedrohungen] nach vier gegeneinander abgewogenen Handlungs- feldern im Bereich der Land- und Ernährungswirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern 200988

Stärken Schwächen •Stark ausgeprägter, im Bundesvergleich aufgrund • Eigenkapitalschwäche vieler landwirtschaft- von Spezialisierung und Größenvorteilen hoch licher Betriebe; Kapitalausstattung der Betriebe produktiver Agrarsektor. bezogen auf die Fläche ist sehr gering (20 bis 30 • Hoher Grad regionaler Verflechtung der land- % des bundesdeutschen Durchschnitts). wirtschaftlichen Betriebe lässt hohen regionalen • Geringe Investitionstätigkeit landw. Betriebe. Multiplikatoreffekt landwirtschaftlichen Einkom- • Noch nicht abgeschlossene Bodenneuordnung. mens erwarten. • Geringere inländische Verarbeitungstiefe land- • Professionelle Betriebe, hohes Qualifikationsni- wirtschaftlicher Produkte. veau von Betriebsleitern und Beschäftigten. • Der Anteil M-V an der landwirtschaftlichen • Gute Entwicklung des ökologischen Landbaus. Wertschöpfung Deutschlands ist für nahezu alle • Große Rolle des Ernährungsgewerbes für Wert- Produkte deutlich geringer als der Anteil bewirt- schöpfung mit hohem Wachstum von Umsatz schafteter Flächen. und Beschäftigung. • Defizite in der Veredlung und Vermarktung • Leistungsfähige Vermarktungs- und Verarbei- land- und forstwirtschaftlicher Produkte: Produk- tungseinrichtungen. tinnovationen. • Landwirtschaft verfügt Großteils über eine ausreichende Netzdichte an ländlichen Wegen.

���������������������������������������������������������������������������������������������������������� Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum Mecklenburg-Vorpommern 2007-2013, Schwerin 2009, S. 65. | 63 liche Sicht auf den ländlichen Raum. Sie folgt –––––––––––––––––––––––––––––– der späten Erkenntnis, dass die Entkoppelung Prof. Dr. Thomas C. Mettenleiter, der meisten Dorfbewohner von der landwirt- Biologe und Virologe, Insel Riems schaftlichen Produktion nicht nur soziale Defizite mit sich gebracht hat, sondern auch Verwerfungen in der Kulturlandschaft mit sich bringt, da mitunter wirtschaftlich einseitig ausgerichtete Landwirtschaftsbetriebe ihre wirt- schaftlichen Interessen über die des Natur- und Umweltschutzes stellen. Die auch für Menschen bedrohlichen Tierseuchen und die Lebensmit- telskandale haben als Nega- tiverfahrungen der ökologischen Wirtschafts- weise und (mit Abstrichen) auch den erneuer- baren Energien eine höhere Akzeptanz einge- Eingebracht habe ich mich primär bei der Eta- bracht, als diese Bereiche je mit Positivwerbung blierung und dem Ausbau des deutschlandweit hätten erreichen können. größten infektionsmedizinischen Forschungs- zentrums auf der Insel Riems . Die Arbeiten hier Ziel der finanziell geförderten Dorferneuerung haben auch direkten Einfluss auf die Landwirt- ist daher auch die Erhaltung und Gestaltung schaft in MV, ich denke nur an die Impfstudie typischer Dorf- und Landschaftsstrukturen oder zur Blauzungenkrankheit (BT). ihre Erneuerung und Fortentwicklung gemäß Zur Frage, was im ländlichen Raum unseres den modernen Anforderungen an das Wohnen Bundeslandes sehr gut oder gar nicht gelungen und Wirtschaften in ländlichen Räumen. ist, maße ich mir kein Urteil an. Hinsichtlich Gemeinden, Gemeindeverbände, Wasser- und meines Kompetenzbereichs als Präsident des Bodenverbände oder Teilnehmergemeinschaf- schon erwähnten Friedrich-Loeffler-Instituts ten nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz (FLI) ist mit dem Fernhalten der BT der Era- und dem Flurbereinigungsgesetz, natürliche dikation der klassischen Schweinepest und der

Chancen Risiken • Anstieg der Nachfrage nach landwirtschaft- • Änderungen der allgemeinen Rahmenbedin- lichen Produkten (v. a. durch Weltmarkt und gungen der Agrarpolitik. Nutzung landwirtschaftlicher Produkte zur Ener- • Stärkerer Konkurrenzdruck gerade für kleine gieerzeugung). und mittlere Betriebe. • Neue Exportmärkte für Ernährungsgewerbe. • Stagnierender Absatz des Ernährungsgewerbes • Neue Marktchancen für Ernährungsgewerbe auf dem inländischen Markt (Wellness, Convenience). • Absatzprobleme für Unternehmen des Ernäh- • Ausbau der Wertschöpfungskette (v. Verede- rungsgewerbes mit traditioneller Produktpalette. lung). • Preisdruck durch zunehmende Marktmacht von Einzelhandelsunternehmen • Zunehmender Wettbewerbsdruck für kleine Anbieter. 64 | GEMEINSAME AGRARPOLITIK UND ANKUNFT IN EUROPA

Kontrolle der aviären Influenza ein guter Stand rismus, der im engen Zusammenhang mit zu verzeichnen. der ganzheitlichen Sicht auf den ländlichen Ich wünsche mir eine weitere enge Interaktion Raum steht. 2005 wurde die Landwirtschaft in zwischen den Erntscheidungsträgern im Minis- Mecklenburg-Vorpommern vom Gastgewerbe terium, den Landwirten und dem FLI, um so überholt. In den Beschäftigtenzahlen war dieser zeitnah und ohne Reibungsverluste wichtige Punkt bereits 1999 erreicht.89 Möglicherweise Entscheidungen zu realisieren. Mecklenburg- führte auch das zu Nachdenklichkeiten im Vorpommern hat mit dem FLI auf der Insel ländlichen Raum. Das Neue daran ist der An- Riems eine Forschungsstätte von internationa- satz, die geologischen Formationen der eis- lem Rang, die zwar als Bundesoberbehörde pri- zeitlichen Hinterlassenschaften in Verbindung mär zur Politikberatung des Bundes, aber auch mit der landwirtschaftlichen Nutzung und der als Institut vor Ort auch als Ratgeber regionaler forstlichen Kulturlandschaft mit der Architektur Stellen fungiert. Diese Stellung sollte zum bei- der Dörfer bis hin zu immateriellen Traditionen derseitigen Nutzen weiterhin gepflegt werden. und Bräuchen zu vermitteln. Das geht weit Dazu noch ein „gefühltes“ Letztes: Ich fühle über den „Urlaub auf dem Bauernhof“ hinaus. mich sehr wohl hier in MV und ganz besonders Der Landschaftspflegeverband „Mecklenburger auf der Insel Riems! Agrarkultur e.V.“ entstand 2005 unter dem Vorsitz des Landwirts Dr. Heinrich Graf von Bas- sewitz. Ziel war die Erhaltung und Entwicklung und juristische Personen sowie Personen- der historischen Kulturlandschaft mit Blick auf gemeinschaften des privaten Rechts sind die Verwirklichung des Landes-Naturschutz- berechtigt, Anträge zu stellen. Voraussetzung gesetzes Mecklenburg-Vorpommern. Diese für eine Förderung ist, dass die Maßnahmen Verbindung zwischen Landwirten, die oft als die Gemeinden oder in Ortsteilen mit ländlicher größten Umweltsünder gescholten werden, der Siedlungsstruktur, Weiler, landschaftsbe- Politik und dem Naturschutz war neu. Der Ver- stimmende Gehöftgruppen oder Einzelhöfe ein widmet sich landschaftspflegerischen und betreffen. Auch Dorfentwicklungsplanungen gestalterischen Maßnahmen, die aus Gründen und investive Maßnahmen zur Umsetzung des Naturschutzes und der Landschaftspfle- von Dorfentwicklungskonzepten sind im Fokus ge veranlasst sind, besonders auf land- und der Dorferneuerung. Im Zeitraum von 1991 forstwirtschaftlichen Flächen. Er fördert natur- bis 2006 wurden in die ländliche Entwicklung raumbezogene Landnutzungskonzepte mit dem in Mecklenburg-Vorpommern rund eine Mil- Ziel ökologischer Nachhaltigkeit. Die Arbeit liarde Euro investiert. Für die Förderperiode des Vereins zielt auf die „Förderung von Maß- 2007-2013 hat die Landesregierung erklärt, nahmen die der nachhaltigen Erschließung, die Dorferneuerung, Flurneuordnung und die Entwicklung und Erhaltung der Agrarkultur Entwicklung des ländlichen Raums insgesamt (Gutsanlagen, Dörfer, historische und ländliche mit mehr als 400 Millionen Euro zu fördern. Industrieanlagen, Gärten, Parks, Alleen und Gut 200 Millionen Euro davon sind für die Landschaftskunst, historische Haustierras- Dorferneuerung und -entwicklung vorgesehen. sen sowie Leben und Kultur auf dem Land) Bund und Land tragen die Finanzierung ge- dienen.“ Er arbeitet für „die Schaffung eines meinsam im Rahmen der Gemeinschaftsauf- geeigneten und ausreichenden Biotopverbund- gabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des systems durch Neuanlage naturnaher Lebens- Küstenschutzes“(GAK) sowie mit Mitteln aus räume und die vernetzende Flächensicherung“, dem EU-Landwirtschaftsfonds zur Entwicklung ���������������������������������������������������������� Klüter, Helmut, Das Spannungsfeld zwischen Landwirt- ländlicher Räume (ELER). Auch privates Enga- schaft, Agrarindustrie und Tourismus, in: Beleites, Michael; gement soll dadurch gestärkt werden. Graefe zu Baringdorf, Friedrich Wilhelm; Grünbaum Robert, Eine neue Dimension der Nutzung ländlicher Klassenkampf gegen die Bauern. Die Zwangskollektivierung der ostdeutschen Landwirtschaft und ihre Folgen bis heute. Regionen als Wirtschaftsfelder bildet der Tou- Berlin 2010, S. 151. | 65 um „auf eine flächendeckend naturverträgliche –––––––––––––––––––––––––––––– Landnutzung hinzuwirken.“ Die Ziele reichen Dr. Heike Mikschofsky, bis in den kulturellen Bereich zur „Erhaltung Biologin, Rostock tradierter Bräuche, ländlichem Handwerk und dörflichem Leben“. Landtourismus soll durch den Verein als wich- tiges Standbein im Mecklenburger ParkLand etabliert, gleichzeitig jedoch auch das hierfür ausschlaggebende Kapital, die einzigartige, historische Kulturlandschaft, erhalten und entwickelt werden.90 ParkLand bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Mecklenburg- Vorpommern flächendeckend die Verbindung natürlicher Schönheit mit land- und forst- wirtschaftlicher Tätigkeit als Zusammenspiel Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl sowohl für Naturnutzer, Naturschützer und Agrobiotechnologie und Begleitforschung zur Naturgenießer betrachtet wird. Bio- und Gentechnologie von Frau Prof. Broer an der Universität Rostock konnte ich mich in Mit dem Gesetz zur Neuordnung der Ressort- den letzten 10 Jahren zur Gestaltung des länd- forschung im Bereich des Bundesministeriums lichen Raumes einbringen. Durch mehrjährige für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Freisetzungsversuche mit gentechnisch-verän- cherschutz (BMELV) wurden bisher sieben derten Kartoffeln sowie zahlreichen Seminaren Bundesforschungsanstalten ab 2008 zu vier zum Thema Gentechnik trug ich zur Mitgestal- Bundesforschungsinstituten zusammengeführt. tung des Ländlichen Raums von Mecklenburg- Sie bearbeiten die Schutzziele Pflanze, Tier, Vorpommern bei. So sind auch wir leider nicht Ernährung und Lebensmittel sowie Ländliche von Feldzerstörungen verschont geblieben, Räume, Wald und Fischerei. Die Bundesanstalt was ich sehr bedauere und zutiefst verurteile. für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen Nichtsdestotrotz konnten wir hervorragende (BAZ) wurde gleichzeitig mit Teilen der Bun- Ergebnisse aus diesen Freisetzungsversuchen desforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) gewinnen, die derzeit veröffentlicht werden. zusammengeführt und in Julius Kühn-Institut, In meinen zahlreichen Diskussionen mit Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen Landwirten, Landfrauen und interessiertem umbenannt. Das Institut ist für das Schutzziel Fachpublikum konnte ich meine Ideen und „Kulturpflanze“ in seiner Gesamtheit zustän- Vorstellungen zur Nutzung gentechnisch- dig. Dazu gehören auch zwei Institute in Groß veränderter Pflanzen einbringen. Hierbei war Lüsewitz. Das Institut für Züchtungsforschung der Austausch verschiedener Meinungen zum an landwirtschaftlichen Kulturen beschäftigt Thema Grüne Gentechnik sehr informativ und sich mit Fragestellungen zur Agrobiodiversität. aufschlussreich. Ich sehe eine große Chance Im Mittelpunkt stehen der Schutz, die Erhaltung in einer angepassten Nutzung der Grünen und Inwertsetzung von pflanzengenetischen Gentechnik an die Standortbedingungen in Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft Mecklenburg-Vorpommern. (PGREL), die Beschreibung genetischer Diversi- Für die Zukunft wünsche ich mir einen tät sowie vernachlässigte oder neue Kulturarten. neutralen, wissensbasierten Umgang mit Die Forschung zur genetischen Anpassung von neuartigen Technologien und deren Nut- Kulturarten an Produktions- und Umweltbedin- zung im Ländlichen Raum in Mecklenburg gungen, Qualitäts- und Ertragsanforderungen Vorpommern. Meiner Meinung nach behindert ein hauptsächlich auf Misstrauen gegründetes ����������������������������������������������� http://www.mecklenburger-agrarkultur.de/ (11.12.2010) Leben den Fortbestand der Menschheit! 66 | GEMEINSAME AGRARPOLITIK UND ANKUNFT IN EUROPA

–––––––––––––––––––––––––––––– Für die Entwicklung des Ländlichen Raumes Prof. Dr. Manfred Schwerin, in M-V, den ich nicht nur als landwirtschaftlich Biologe, Rostock/Dummerstorf genutzten Raum , sondern auch als Kulturland- schaft und Grundlage für die Lebensqualität des Gemeinwesens verstehe, wünsche ich mir wis- senschaftlich begründete, gesamtgesellschaftli- che integrierte Ansätze und ausreichend gefüllte „Fördertöpfe“ mit klaren ergebnisorientierten Förderrichtlinien, welche (i) die Einkommen- sperspektiven und Arbeitsplatzsituation im Lande nachhaltig verbessern helfen, (ii) die Rahmenbedingungen für Wertschöpfung und gleichzeitig umweltgerechter Entwicklung si- chern, (iii) gleichwertige Lebensverhältnisse Als Vorstand des FBN Dummerstorf konnte ich wie in der Stadt anstreben und (iv) die de- mich bisher durch meinen Beitrag zur Entwick- mokratisch politische Identität im ländlichen lung des Institutes zu einem leistungsfähigen, Raum stärken.1 international anerkannten Forschungsins- titut, wichtigsten Arbeitgeber, bedeutendem Wirtschaftsfaktor und wichtigem Ausbilder ������������������������������������������������ http://www.fbn-dummerstorf.de (14.1.2011). agrarischer Berufe in der Region einbringen. Auch in meiner Funktion als stellvertretender sowie an neue Nutzungsrichtungen ist das zweite Vorstandsvorsitzender der „Teilnehmergemein- Gebiet. Ein drittes Feld ist die Entwicklung und schaft des Bodenordnungsverfahrens“ durch Bewertung von Züchtungsmethoden für die Se- die aktive Mitwirkung bei der Dorferneuerung, lektion nach Eigenschaften (Phänotypisierung), Dorfentwicklung und dem ländlichen Wegebau nach DNA-Markern (Genotypisierung) oder zur in der Gemeinde Dummerstorf konnte ich einen Erzeugung und Identifizierung von Genotypen. Beitrag leisten.. Das Institut für Resistenzforschung und Stressto- Unter Maßgabe der Tatsache, dass m. E. die Zu- leranz erarbeitet wissenschaftliche Grundlagen kunftsfähigkeit des ländlichen Raumes in M-V für eine Stabilisierung der Kulturpflanzen gegen- u. a. auch von der Zukunft der Agrarwirtschaft über biotischem und abiotischem Stress.91 abhängt, zähle ich die erfolgreiche Etablierung 2008 wurden die Institute für Tierernährung einer wettbewerbs- und marktfähigen Agrar- (Braunschweig), für Tierschutz und Tierhal- wirtschaft in M-V zum größten Erfolg in den tung (Celle) und für Nutztiergenetik (Marien- vergangenen 20 Jahren. see) in das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Es ist leider in den vergangenen 20 Jahren nicht Insel Riems eingegliedert. Damit bestand das gelungen (i) einen nachhaltigen alternativen FLI aus 11 Instituten an 7 Standorten mit mehr regionalen Arbeitsmarkt für die infolge der Mo- als 800 Beschäftigten. Im selben Jahr begann dernisierung und Intensivierung freigesetzten der Neubau für die Forschungseinrichtung Arbeitskräfte im ländlichen Raum zu schaffen, auf der Insel, der mit einem Volumen von 300 (ii) die Attraktivität der ländlichen Räume (in- Millionen Euro am historischen Ort das mo- klusive Grundversorgung und Daseinsvorsor- dernste Tierseuchenforschungsinstitut Europas ge) unter sich verändernden demografischen erstehen lässt. 92 Bedingungen (Abwanderung, Veralterung) zu Das Forschungsinstitut für die Biologie land- sichern und (iii) der abnehmenden Verbrau- cherakzeptanz und zunehmend ablehnenden ����������������������������������� www.jki.bund.de (22.2.2011). ���������������������� Steffens, Sabine, Wiege der Virusforschung. Eine Aus- Haltung z.B. gegenüber der Nutztierhaltung in stellung zur 100-jährigen Geschichte des Friedrich-Loeffler- der Bevölkerung entgegen zu wirken. Instituts. Greifswald-Riems [2010]. | 67 wirtschaftlicher Nutztiere (FBN) mit Sitz in Dummerstorf als gemeinnützige Stiftung des öffentlichen Rechts des Landes Mecklenburg- Vorpommern wurde im Dezember 2009 auf einstimmigen Beschluss des Landtages Meck- lenburg-Vorpommern in Leibniz-Institut für Nutztierbiologie umbenannt. 68 | 5. Kurzvorstellung Ebene. Dazu unterhält er ein weit gespanntes Netzwerk. Er leistet für die Mitglieder juristische ausgewählter Vereine, und soziale Hilfe oder unterstützt die Verbände Verbände und der Landjugend und Landfrauen. Initiativen Landurlaub Mecklenburg- Vorpommern e.V. Bauernverband Der Verband entstand 1991 und zählt heute 325 Zunächst hatten sich ein Mecklenburgischer Mitglieder mit unterschiedlichen landtouristi- Bauernverband, ein Landesbauernverband schen Angeboten. Mitarbeit auf dem Hof, Jagen, Mecklenburg-Vorpommern und ein Genossen- Fischen oder Fahrradtouren gehören zum schaftsverband der LPG und GPG Mecklenburg- Profil. Er unterhält mehrere Regional- und Vorpommern gebildet. Als Arbeitsgemeinschaft Projektbüros in Mecklenburg-Vorpommern. waren sie bereits auf Landes- und Bundesebene Sein Ziel als Fachverband ist der sanfte länd- gemeinsam aufgetreten. Am 22. März 1991 liche und ökologisch integrierte Tourismus. schlossen sie sich auf dem ersten Landesbau- Besondere Aufmerksamkeit wird der ländlichen erntag zum Bauernverband Mecklenburg-Vor- Traditionspflege bei Vermittlung der erhalte- pommern zusammen. Zum Vorsitzenden wurde nen Kulturlandschaft gewidmet. Der Verband der Landwirt Harald Röpke aus Köcknitz im versteht sich als Multiplikator, Berater, Organi- damaligen Kreis Pasewalk gewählt. Das war die sator, Mittler und Fortbildungseinrichtung im erste geeinte berufsständische Vertretung dieser Sinne dieser Ziele. Art in den fünf neuen Bundesländern.93 Mit dem Motto „Einheit der Vielfalt“ beruft sich die Interessenvertretung der Landwirte auf ihre Landfrauenverband breit gefächerte Mitgliedschaft und deren unter- schiedliche Interessen. Der Verband sieht seine Hauptaufgabe in der Einflussnahme auf agrar- Der Landfrauenverband begann seine Tätigkeit politische, wirtschaftliche und soziale Entschei- 1991 mit dem sozialen Engagement für die dungen auf Landes-, Bundes- und europäischer aus dem landwirtschaftlichen Arbeitsprozess ������������������������������������������ Bauernzeitung, Sonderbeilage [2001]. gedrängten Frauen auf den Dörfern. Damit war KURZVORSTELLUNG | 69 er der erste ländliche Landesfrauenverband in den neuen Bundesländern. Erste Vorsitzende wurde Lilly Wiebensohn. Sie wurde 2002 von Heidemarie Becker abgelöst. 2010 übernahm Angela Peters dieses Amt. Zu den Aufgaben des Verbandes gehört es, „die wirtschaftlich, sozial-, bildungs- und gesellschaftspolitischen Interessen der Frauen im ländlichen Raum wahrzunehmen“. Ihr erstes Projekt „Beratung von Frauen im ländlichen Raum“ wurde vom Landwirtschaftsministerium unterstützt. Dabei ging es um psychologische Hilfe und den. Elektronische Tanzmusik steht im Fokus Wiedereingliederung in Arbeitsbeschaffungs- des 1997 gegründeten Projektreises Tribal Zone maßnahmen und Dauerarbeitsverhältnisse. 25 mit Veranstaltungen in Neustrelitz, Schillers- intensiv ausgebildete Beraterinnen waren in dorf und Hohenzieritz. In den Jahren 2002 und einem mobilen Netz im Land unterwegs.94 In 2003 wurden Veranstaltungen im Neustrelitzer den Folgejahren entwickelte sich die Tätigkeit Forstamt und in der Kachelofenfabrik, sowie besonders in den Bereichen Bildung, Frauenpo- Open-Air’s in Hohenzieritz, bei Klein Trebbow litik, Ernährungsberatung, soziales und poli- und durchgeführt. Ein weiteres Projekt tisches Engagement in den Dörfern für Kinder, ist die „Laju-Feuercrew“, die als Show seit 2005 Jugendliche und Senioren. Gegliedert ist der von Jugendlichen aus dem Raum Teterow, Landesverband in Kreis- und Ortsverbände. Rostock, Güstrow, Röbel/Waren Müritz und Neubrandenburg öffentlich auftritt.

Landjugend Mecklenburg- Agrarmarketing Mecklenburg- Vorpommern e.V. Vorpommern e.V. Der Verband der Landjugend Mecklenburg- Im Jahre 2000 wurde dieser Verbund von land- Vorpommern entstand 1990 als selbständige wirtschaftlichen Produzenten gegründet. In den Jugendorganisation und Zusammenschluss Aufgabenbereich fallen Messebeteiligungen, verschiedener Initiativen und Vereine im länd- Marktrecherchen oder temporäre Projekte lichen Raum. Er unterstützt Unternehmens- mit anderen Partnern. Seitdem vernetzt der gründungen oder ländliche Berufswettbewerbe Agrarmarketing Mecklenburg-Vorpommern genauso wie kulturelle Aktivitäten. Seit 2000 ist e.V. (AMV) die Produzenten der einheimischen das Kinderensemble Dorf Mecklenburg zu ver- Agrar- und Ernährungsbranche. Das sind schiedensten Anlässen wie z.B. Dorf- und Stadt- die Hersteller von Fleisch- und Wurstwaren, festen präsent. Das „Kompetenzzentrum für Fischprodukten, Getränken, Milch und Mol- Jugendarbeit Mecklenburgische Seenplatte“ war kereiprodukten, Obst, Gemüse und Kartoffel- ein temporäres Projekt von 2007 bis 2010. Mit erzeugnissen sowie Backwaren und weiteren dem Projekt sollten in den Landkreisen Müritz, Produktgruppen. Zunehmend engagiert sich Mecklenburg-Strelitz und Demmin neue Ange- hier auch die Biobranche. bote für Jugendliche initiiert sowie die regiona- len Akteure der Jugendarbeit zur Entwicklung und Durchführung von Angeboten für und mit jungen Menschen unterstützt und begleitet wer- ����������������������������������������������������� http://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok/ DS 1/1806, S. 22. (15.1.2011). 70 | KURZVORSTELLUNG

dotierten „Ludwig-Wegener-Preis“ für vorbild- liche Leistungen auf diesem Gebiet und begann die Herausgabe der Zeitschrift „hierzulande“. Der Verein erstellte eine „Rote Liste“ bedrohter Anlagen.

Thünengesellschaft Die Thünengesellschaft e. V entstand 1990 in Tellow, am früheren Wirkungsort von Johann Heinrich von Thünen als Zusammenschluss von wissenschaftlich und an der Arbeit des großen Nationalökonomen Interessierter. Seither bemüht sich die Gesellschaft um die Bewahrung, Aufarbeitung und Verbreitung des umfangreichen wissenschaftlichen Nachlasses Johann Heinrichs von Thünens. Neben Kolloquien und Tagungen fördert die Thünengesellschaft e. V. die Veröffentlichung von Arbeiten über Thünen oder unterstützt die Verein zur Förderung Edition seiner Briefe. der Kulturlandschaft e.V. Seit 2006 erscheint das Thünen-Jahrbuch mit verschiedenen Ansätzen zur Beschäftigung mit 2006 entstand der Verein, um in speziellen dem Werk Johann Heinrich von Thünens. Es Feldern ländlicher Bauweise und Landschafts- soll eine intensivere Auseinandersetzung mit gestaltung professioneller arbeiten und agieren seinen Ideen anregen. zu können. Alle Themen im Zusammenhang Darüber hinaus sieht sich die Thünengesell- mit Reetdächern werden hier gebündelt. Ein schaft e. V. als Mittler für Schulen und Universi- anderer Schwerpunkt ist die beratende Tätigkei- täten, um die Rezeption der immer noch aktu- ten zur Pflege, Nutzung und Anlage von Knicks. ellen Thünenschen Modelle zur Raumtheorie Außerdem sollen Projekten gefördert werden, und zur Lösung der sozialen Frage wieder die durch Erlebnis, Bildung und Kooperation stärker in das Bewusstsein zu rücken. zur Erhaltung und Entwicklung der ländlichen Kulturlandschaft beitragen. Gartenroute Mecklenburg- Vorpommern Kultur-Landschaft e.V. 1999 wurde der Verein von 13 Gründungs- 2008 schlossen sich Eigentümer von Parks und mitgliedern in Lansen gegründet. In Zu- Gärten zusammen und kreierten die Gartenrou- sammenarbeit mit der “Arbeitsgemeinschaft te Mecklenburg-Vorpommern. Die Palette reicht Erhaltung und Nutzung der Gutsanlagen in vom Schlossgarten bis zum Kräutergarten. Mecklenburg-Vorpommern” und der “Deut- Rosengärten, Bauerngärten, künstlerische Gar- schen Stiftung Denkmalschutz” kümmert sich teninstallationen bis zu den Landschaftsparks der Verein besonders um den Erhalt der vom der Güter Mecklenburg-Vorpommerns sind Verfall bedrohten Gutsanlagen und Bauernhöfe. gleichermaßen gefragt. Die Gärten sind nach 2001 stiftete der Verein den mit 3.000 Euro Attraktivität, Qualität sowie Service und ihre AUSGEWÄHLTE VEREINE | 71 touristische Aufbereitung ausgewählt worden. –––––––––––––––––––––––––––––– Schönheit und Produkte der Gärten sollen auch Gerda Stachowitz, im Sinne der Slow Food-Philosophie regionaler Dipl. Ing. Architektin, Bielefeld Genusskultur öffentlich erlebbar werden. Alle Natur- und Kulturinteressierten sind als Besu- cher eingeladen.

Mecklenburger Agrarkultur e.V. Das Neue an der Arbeit des 2005 gegründe- ten Vereins ist der ganzheitliche Ansatz, die geologischen Formationen der eiszeitlichen Hinterlassenschaften in Verbindung mit der landwirtschaftlichen Nutzung und der forstli- chen Kulturlandschaft mit der Architektur der Ich bin Mitglied von ECOVAST, des Europäi- Dörfer bis hin zu immateriellen Traditionen schen Verbandes für den Ländlichen Raum. und Bräuchen zu vermitteln. Der Landschafts- (Europaen Council for the Village and Small pflegeverband „Mecklenburger Agrarkultur Town). e.V.“ entstand 2005 unter dem Vorsitz des Auf einer Tagung Anfang der 90ger Jahre stieß Landwirts Dr. Heinrich Graf von Bassewitz. Ziel ein Architekt aus Güstrow zu uns und berichtete war die Erhaltung und Entwicklung der histori- von den neuen Entwicklungen und Herausfor- schen Kulturlandschaft mit Blick auf die Ver- derungen in den mecklenburgischen Dörfern: „ wirklichung des Landes-Naturschutzgesetztes Die reißen uns hier alles ab – Ihr müsst hel- Mecklenburg-Vorpommern. Diese Verbindung fen!“, klagten sie.. So machten wir uns denn zwischen Landwirten, die oft als die größten auf, um Mecklenburg zu retten! Umweltsünder gescholten werden, der Politik Wir hatten die Erfahrungen und Kompetenzen und dem Naturschutz war neu. Der Verein unserer Mitglieder zu bieten, die wir zunächst in widmet sich landschaftspflegerischen und sog. „Bürgermeistergesprächen“ in den Dörfern gestalterischen Maßnahmen, die aus Gründen im Kreis Güstrow weitergaben. Dabei ging es da- des Naturschutzes und der Landschaftspfle- rum, die vorhandenen Werte zu erkennen und ge veranlasst sind, besonders auf land- und auf Fehlentwicklungen im westen aufmerksam forstwirtschaftlichen Flächen. Er fördert natur- zu machen. raumbezogene Landnutzungskonzepte mit dem So kamen wir ins Gespräch und es zeigte sich, Ziel ökologischer Nachhaltigkeit. Die Arbeit dass sich die Erfahrungen im Westen nicht ein- des Vereins zielt auf die „Förderung von Maß- fach übertragen ließen. Man sagte uns: „Könnt nahmen die der nachhaltigen Erschließung, ihr nicht mal was schreiben, was man den Entwicklung und Erhaltung der Agrarkultur Leuten in die Hand geben kann?“ und – „Oh (Gutsanlagen, Dörfer, historische und ländliche Schreck“ – es fiel mir zu, eine Broschüre zu ver- Industrieanlagen, Gärten, Parks, Alleen und fassen – ich fühlte mich in der Pflicht! Landschaftskunst, historische Haustierras- Die Broschüre „Mecklenburger Dörfer – Was sen sowie Leben und Kultur auf dem Land) kommt – was bleibt“ wurde ein Erfolg bei ver- dienen.“ Er arbeitet für „die Schaffung eines einen, Bürgern und Initiativen. Sie vetrat das geeigneten und ausreichenden Biotopverbund- Anliegen, den Wert des Erbes bewusst zu ma- systems durch Neuanlage naturnaher Lebens- chen und zu ermutigen, es mit den neuen Mög- räume und die vernetzende Flächensicherung“, lichkeiten in die Entwicklung einzubringen. um „auf eine flächendeckend naturverträgliche Gegängelt werden wollte und sollte niemand Landnutzung hinzuwirken.“ Die Ziele reichen mehr! 72 | KURZVORSTELLUNG, AUSGEWÄHLTE VEREINE

In der folgenden Zeit veranstalteten wir zusam- entwickelt werden. ParkLand bedeutet in men mit Martin Just von der Friedrich-Ebert- diesem Zusammenhang, dass Mecklenburg- Stiftung etliche Seminare zur Dorfentwicklung, Vorpommern flächendeckend die Verbindung zum Natur- und Denkmalsschutz und ähnli- natürlicher Schönheit mit land- und forst- chen Themen, die großen Anklang fanden. wirtschaftlicher Tätigkeit als Zusammenspiel Zur gleichen Zeit gründeten wir in Tellow mit sowohl für Naturnutzer, Naturschützer und Rolf-Peter Bartz, Leiter des dortigen Thünen- Naturgenießer betrachtet wird. Museums, den Verein „Arbeitsgemeinschaft zur Erhaltung und Nutzung der Gutsanlagen in M-V“. Verein AG Gutsanlagen Höhepunkte waren um die Jahrtausendwende die sog. „Venzer Gespräche“ auf den Landgut 1995 wurde auf Initiative des Thünen- „Venz-Hof“ von Sibylle Berger auf der Insel Museums Tellow und ECOVAST (Europäischer Rügen. Verband für den ländlichen Raum) im Mu- Ein Nimbus „Mecklenburg und Vorpommern“ seumsdorf Tellow der Verein AG Gutsanlagen hat sich bis heute in ganz Deutschland ver- gegründet mit dem Zweck, die Erhaltung und breitet: Intakte Natur, stille Seen, dunkle Wäl- Nutzung der Schlösser, Guts- bzw. Herrenhäuser der, schöne Dörfer, Backsteingotik, Gutshäuser, und ihrer Anlagen einschließlich des Umfeldes Schlösser und freundliche Menschen. Der sanfte in Mecklenburg-Vorpommern zu fördern sowie Tourismus funktioniert, das äußere Bild Meck- deren kulturelle, politische und historische lenburg-Vorpommerns hat sich hervorragend Bedeutung im Bewusstsein der Bürger lebendig entwickelt. zu machen. Anlässlich eines internationalen Es ist aber nicht gelungen, die Abwanderung im Symposiums 2009 wurde dann eine Tellower Lande zu stoppen. Der aus meiner Sicht über- Erklärung „Gutsanlagen im Ostseeraum - ein zogenen Straßenbau hat nicht zur Ansiedlung gemeinsames europäisches Erbe“ verabschie- von Arbeitsplätzen geführt. Es ist auch nicht det mit dem Ziel, durch länderübergreifende gelungen, die Landwirtschaft überwiegend Zusammenarbeit die Erhaltung und Nutzung ökologisch zu bewirtschaften. Das hätte mehr des europäischen Kulturerbes „Gutsanlagen Arbeitskräfte gebunden und den wachsenden im Ostseeraum“ unter programmatischer städtischen Bedarf nach Bio-Produkten besser Sicht und durch Bündelung aller Kräfte befriedigen können Das wird nun auf langen nachhaltig zu sichern.. Darin waren Themen Transportwegen durch andere Länder besorgt wie Kooperation und Bündelung der Kräfte, und schadet der Umwelt. Öffentlichkeitsarbeit, Einflussnahme auf die Ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen Raumordnungs- und Regionalentwicklung, die den wunderschönen Norden entdecken, dass landwirtschaftliche, museale, touristische und die Politik ein Entwicklung fördert, die die andere Nutzung der Gutsanlagen, die Schaf- Menschen im Lande hält und die Dörfer nicht fung einer Denkmalwacht nach dem Vorbild sterben lässt!. der niederländischen Monumentenwacht oder die Verhinderung von Abriss insbesondere von Wirtschaftsgebäuden zusammengefasst. bis in den kulturellen Bereich zur „Erhaltung Eine „Ostseestraße der Gutsanlagen“ war in der tradierter Bräuche, ländlichem Handwerk und Diskussion, die Stiftung eines Preises für her- dörflichem Leben“. ausragende Leistungen bei der Erhaltung und Landtourismus soll durch den Verein als wich- Nutzung von Gutsanlagen im Ostseeraum und tiges Standbein im Mecklenburger ParkLand die Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze für die etabliert, gleichzeitig jedoch auch das hierfür Erforschung, Erhaltung und Vermarktung des ausschlaggebende Kapital, die einzigartige, europäischen Kulturerbes „Gutsanlagen“. historische Kulturlandschaft, erhalten und | 73 6. Zusammensetzung des Landwirtschafts- bzw. Agrarausschusses im Landtag Mecklenburg-Vorpommern

Erste Legislaturperiode 1990 bis 1994 Landwirtschaftsausschuss Vorsitzender (1990-1993): Prof. Dr. Peter Kauffold (SPD) Vorsitzender (1993-1994): Till Backhaus (SPD) Stellv. Vorsitzender (1990-1994) Dr. Helmut Nieter (CDU) Ordentliche Mitglieder Stellv. Mitglieder CDU Dr. Christian Gienapp (1990-1992) Lorenz Caffier (1990-1994) Peter Haeske (1991-1994) Heinz Fuhrmann (1993-1994) Jürgen Leiblein (1990-191) Renate Holznagel (1991-1994) Dieter Markhoff (1990-1994) Prof. Dr. Friedrich Täubrich (1990-1993) Dieter Quaas (1990-1991) Dr. Heinrich Schlingmann (1990-1991) Dr. Annemarie Seite (1992-1994) Dr. Siegfried Zahn (1990-1994) SPD Till Backhaus (1990-1993) Siegfried Friese (1990-1994) Hans-Joachim Braun (1990-1994) Dr. Henning Klostermann (1990-1994) Gerlinde Schnell (1990-1994) Horst Stolt (1990-1994) LL/PDS Lothar Meier (1991-1994) Catharina Muth (1990-1994) Johann Scheringer (1990-1994) Dr. Ingrid Tschirch (1990-1994) F.D.P. Stefanie Wolf (1990-194) Walter Goldbeck (1990-1994)

Zweite Legislaturperiode 1994 bis 1998 Ausschuss für Landwirtschaft und Naturschutz Vorsitzender: Till Backhaus (SPD) Stellv. Vorsitzender: Dr. Christian Beckmann (CDU) Ordentliche Mitglieder Stellv. Mitglieder CDU Hermann Bollinger Jürgen Andrees Friedbert Grams Lorenz Caffier Dieter Markhoff Prof. Dr. Lothar Panicke

SPD Angelika Peters Dr. Henning Klostermann Volker Schlotmann Beate Mahr Gerlinde Schnell LL/PDS Johann Scheringer Gerd Böttger Dr. Ingrid Tschirch Prof. Dr. Gerhard Poppei (1996-1998) Prof. Dr. Gregor Putensen 74 | AGRARAUSSHÜSSE IM LANDTAG

Dritte Legislaturperiode 1998 bis 2002 Landwirtschaftsausschuss

Vorsitzender (1998-2001) Johann Scheringer (PDS) Vorsitzende (2001-2002) Birgit Schwebs (PDS) Stellv. Vorsitzender: Martin Brick (CDU) Ordentliche Mitglieder Stellv. Mitglieder CDU Dr. Christian Beckmann (2000-2002) Harry Glawe (1998-2000) Martin Brick Friedbert Grams (2000-2002 Dr. Berndt Seite (1998-2000) Renate Holznagel (2000-2002) Dieter Markhoff SPD Hannelore Monegel Rudolf Borchert Detlef Müller Dr. Henning Klostermann Ute Schildt Dr. Margret Seemann LL/PDS Peter Ritter (2001-2002) Gerd Böttger Birgit Schwebs Dr. Arnold Schoenenburg

Vierte Legislaturperiode 2002 bis 2006 Landwirtschaftsausschuss

Vorsitzende: Hannelore Monegel (SPD) Stellv. Vorsitzende: Renate Holznagel (CDU) Ordentliche Mitglieder Stellv. Mitglieder CDU Beate Schlupp Ilka Lochner-Borst Martin Brick Andreas Petters Dr. Henning von Storch Udo Timm SPD Hannelore Monegel Hans-Heinrich Jarchow Angelika Peters Beate Mahr Ute Schildt Detlef Müller Lilly Kühnel (vormals Wiebensohn) LL/PDS Dr. Martina Bunge (2005) Angelika Gramkow (bis 2004) Linkspartei Konrad Döring (ab 2005) Gabriele Mêšt´an (vormals Schulz) (ab Birgit Schwebs (bis 2004) 2005) Alexa Wien Peter Ritter (bis 2005) AGRARAUSSCHÜSSE IM LANDTAG | 75

Fünfte Legislaturperiode 2006 bis 2011 Ausschuss für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz (Landwirtschaftsausschuss)

Vorsitzender: Udo Timm (CDU) Stellv. Vorsitzender: Prof. Dr. Fritz Tack (DIE LINKE) Ordentliche Mitglieder Stellv. Mitglieder CDU Beate Schlupp Dr. Ulrich Born Dr. Henning von Storch Renate Holznagel Burkhard Lenz Ilka Lochner-Borst Marc Reinhardt Peter Stein Wolfgang Waldmüller SPD Hannelore Monegel Rudolf Borchert Ute Schildt Jörg Heydorn Dr. Gottfried Timm Detlef Müller Thomas Schwarz LL/PDS Wolfgang Griese Dr. Marianne Linke Peter Ritter FDP Sigrun Reese Michael Roolf Toralf Schnur NPD Raimund Frank Borrmann Birger Lüssow 76 |

Personen- Döhler, Petra 106 Iversen, Heiner 7 register Döring, Konrad 74 Jaeger, Wolfgang 55 Dosch, Thomas 8 Janßen, Georg 7 Dührsen, Cornelia 10 Jarchow, Hans-Heinrich 74 Eggers, Ulrike 106 Johannsen, Karin 126 Adolphi, Peter 59 Eigen, Karl 7 Joosten, Hans 9, 10 Albert, Gunter 11 Etzrodt, Erika 106 Just, Martin 1, 6 78, 111, 124 Andrees, Jürgen 73 Evert, Rüdiger 112 Kaether, Johann 10 Backhaus, Till 4, 6, 7, 8, 9, 10, 57, Feldhusen, Frerk 9 Karge, Wolf 1. 78, 135 59, 73 Fischer, Brigitte 106 Kaspar, Karin 127 Balzer, Angelika 106 Florida, Richard 133 Kauffold, Peter 7, 20, 21, 73, 78, Bartel, Heidrun 7 Fock, Theodor 36, 135 78, 114 Bartz, Sibylle u. Rolf-Peter 72, 125 Fowler, Angus 110, 111, 124 Kerth, Stefan 10 Bauerkämper, Arnd 8 Franken, Lorenz 9 Kienscherf, Harald 2, 12 Becker, Heidemarie 69, 106 Freund, Thomas 10 Kindermann, Heinz 7, 8 Beckmann, Christian 73, 74 Friese, Siegfried 73 Kirmes, Günter 124 Beleites, Michael 37, 48, 53, 61, Fuhrmann, Heinz 73 Klinkmann, Horst 57 64, 135 Fulda, Hendrik 13 Klostermann, Henning 73, 74 Berger, Sibylle 72, 125 Funke, Karl-Heinz 7, 8 Klüter, Helmut 8, 48, 53, 64 Blum, Gisela 106 Gabriel, Torsten 9 Knapp, Hans Dieter 10 Böhnke, Bent 124 Gerke, Jörg 8, 61 König, Ingo 8 Bokermann, Ralf 9 Gienapp, Christian 8, 38, 73 Kosin, Heinz 111 Bollinger, Hermann 73 Glawe, Harry 74 Kraus, Birgit 106 Bombeck, Henning 10 Goldbeck, Walter 73 Krebs, Christa 106 Bönsel, Andre 22 Gorbatschow, Michail Kreer, Karl Otto 8, 9, 10 Borchert, Rudolf 8, 25, 74, 75 Sergejewitsch 34 Krille, Edda 106 Born, Ulrich 75 Götz, Wilfried 8 Kröchert, Gerd-Heinrich 8 Borrmann, Raimund Frank 9, 75 Gramkow, Angelika 74 Kröchert, Rolf 7 Böttger, Gerd 73, 74 Grams, Friedberg 73, 74 Krüger, Kersten 114 Braun, Hans-Joachim 73 Gresshoff, Maria-Meier 110 Krüger, Leni 106 Brick, Martin 74, 117 Griese, Thomas 7 Kuchs, Werner 35 Broer Inge 8, 9, 65 Griese, Wolfgang 75 Kühnel, Lilly 74, 106 Brückner, Herbert 7 Grugel, Christian 9 Kuhz, Angelika 106 Buchsteiner, Ilona 19, 57, 135 Grünbaum, Robert 48, 53, 61, Kuntsche, Siegfried 57 Bunge, Martina 74 64, 135 Laschewski, Lutz 9, 120, 135 Buntzel, Rudolf 8 Grünwald, Mathias 43 Ledge, Ulrike 106 Busse, Tanja 8 Hacker, Hans-Joachim 47 Lehmkuhl, Sabine 7 Caffier, Lorenz 73 Haeske, Peter 73 Leiblein, Jürgen 73 Canditt, Charlotte 106 Hanselka, Holger 7 Lenz, Burkhard 75 Cuypers, Heinrich 29 Heidenberger, Rolf 9 Leo, Solveig 129 Cwielag, Corinna 122 Helmig, Gudrun 106 Linke, Marianne 75 Daedelow, Dietrich 10 Helzer, Manfred 8 Lochner-Borst, Ilka 74, 75 Dayen, Maria 9 Hensel, Andreas 9 Lode, Ernst-Jürgen 60 de Veer, Renate 7, 31 Heydorn, Jörg 75 Löpmeier, Franz-Josef 9 Deichmann, Christel 8, 33 Höfken, Ulrike 7 Lüssow, Birger 75 Deisler, Harald 8 Holst, Henning 8 Mahr, Beate 73, 74 Dettmer, Jochen 7, 8, 10 Holznagel, Renate 73, 74, 75, 111 Markhoff, Dieter 73, 74 PERSONEN REGISTER | 77

Marscheider, Silvia 106 Rinas, Gerd 2,12 Täubrich, Friedrich 73 Marth, Gottfried 8, 9 Ringstorff, Harald 21, 57, 118 Thalheim, Gerald 7, 8, 9, 57 Matthes, Heide Dörte 7, 8 Ritter, Peter 74, 75 Thünen, Johann Heinrich 70, 72 Mehl, Peter 8, 10 Röhl, Wolfgang 1, 78 Tietböhl, Rainer 10 Mehl, Ulrike 7 Roolf, Michael 114 Timm, Gottfried 75 Meier, Lothar 73 Röpke, Harald 7, 20, 68 Timm, Udo 74, 75 Melzer, Werner 8 Rudolphi, Gerhard 1, 32, 78, 133 Timmermann, Tiemo 9 Mêšt´an, Gabriele 74 Ruppaner, Marion 59 Tschirch, Ingrid 73 Methling, Wolfgang 9, 61 Sanftleben, Peter 9 Vogel, Dietmar 11 Mettenleiter, Thomas 9, 63 Scheringer, Johann 9, 19, 73, 74 Vogel, Holger 9 Meyer, Bertold 9 Schiemann, Joachim 9 Vogtmann, Hartmut 8 Mikschofsky, Heike 65 Schier, Barbara 8 von Bassewitz, Heinrich Graf Möhring, Horst 7 Schildt, Ute 8, 9, 74, 75 21, 64, 71 Monegel, Hannelore 9, 10, 49, Schlingmann, Heinrich 73 von Storch, Henning 74, 75 74, 75 Schlotmann, Volker 73 Wacker, Alfred 125 Müller, Detlef 74, 75 Schlupp, Beate 74, 75 Wagner, Horst 7 Müller, Heinz 11 Schmedemann, Anke 106 Walter, Jürgen 132 Müller, Michael 9, 10 Schmidt, Helmut 118 Weber, Adolf 7 Muth, Catharina 73 Schneider, Raimund 118 Weber, Gerald 52, 136 Nehls, Uta 9 Schnell, Gerlinde 73 Wendt, Rudolf 8 Neu, Claudia 10, 135 Schnur, Toralf 75 Wichtmann, Wendelin 9, 10 Nieter, Helmut 73 Schoenenburg, Arnold 74 Wien, Alexa 74 Nitschke, Harald 9 Schön-Petersen, Eike 9, 10 Wilke, Klaus-Dieter 9 Offel, Edgar 9 Schremmer, Heinz 7 Windhorst, Wilhelm 7 Ohls, Frauke 106 Schulze, Dietmar 8 Wolf, Stefanie 73 Opitz, Christiane 9 Schütte, Andreas 7 Wolff, Waltraud 9 Ott, Konrad 8, 9 Schwarz, Thomas 75 Woltemath, Käthe 115 Panicke, Lothar 73 Schwebs, Birgit 74 Wulff, Silke 106 Pellnitz, Karsten 7 Schwerin, Manfred 8, 9, 66, 117 Zahn, Siegfried 73 Permien, Thorsten 8, 10 Schwiderski, Hans 8, 110, 111, 125 Zerbe, Stefan 10 Peters, Angela 10, 106 Seemann, Margret 74 Zimmermann, Edwin 6 Peters, Angelika 8, 69, 73, 74 Seite, Annemarie 73 zu Baringdorf, Wilhelm Gräfe Peters, Frank 111 Seite, Berndt 74 48, 53, 61, 64, 135 Petters, Andreas 74 Seulberger, Harald 9 Piel, Martin 10 Sielaff, Horst 7 Pitschmann, Thomas 131 Simons, Detlev 7, 125 Poppei, Gerhard 73 Sönnichsen, Hans-Thomas 131 Putensen, Gregor 73 Spelsberg, Gerd 9 Quaas, Dieter 73 Stachowitz, Gerda 7, 71,111, Reese, Sigrun 75 112, 125 Rehberg, Karsten 111 Steffens, Sabine 27, 41, 66, 136 Rehder, Klaus 7 Stein, Peter 75 Reimer, Monika 111 Stolt, Horst 73 Reinhard, Marc 75 Stratenwerth, Ursula 111 Rhein, Günter 9 Succow, Michael 7, 8, 9, 10 Ribbe, Lutz 12 Tack, Fritz 7, 8, 9, 59, 75 Richter, Ingo 115 Täuber, Ulrich 8 78 |

Die Autoren

Dr. Wolf Karge Dr. Gerhard Rudolphi Jg. 1951, aufgewachsen in Heiligendamm und Jg. 1945, aufgewachsen in Ehmkenhagen bei Schulbesuch in . Studium des Ribnitz-Damgarten auf der elterlichen Neu- Archivwesens in Potsdam und der Geschichte bauernstelle.1962 bis 1965 Besuch der land- an der Humboldt-Universität zu Berlin. wirtschaftlichen Fachschule in Stralsund. 1965 Arbeit im Staatsarchiv Schwerin. 1978-1991 – 1971 Fernstudium an der Universität Rostock am Kulturhistorischen Museum Rostock tätig zum Diplomagraringenieur und 1972 – 1977 (zuletzt als Direktor). 1986 Promotion mit außerplanmäßige Aspirantur zum Dr. agr.. regionalgeschichtlichem Thema an der Ro- 1971 -1977 Berater für Körnerfruchtanbau bei stocker Universität, ab 1991 freier Publizist, ehemaligen Getreidekombinat des Bez. Schwe- 1997-2007 Geschäftsführer im Technischen rin und 1978 – 1988 Mitarbeiter in der Land- Landesmuseum Mecklenburg-Vorpommern in wirtschaftsverwaltung Bez. Schwerin. Schwerin/Wismar. on 1991 – 1999 Leiter der Abteilung Agrarbe- Lehraufträge an den Universitäten Rostock ratung beim Norddeutschen Genossenschafts- und Lüneburg. verband und danach bis 2010 (Eintritt in die Seit 2007 wieder als freier Publizist Altersrente) Leiter der Abteilung Landwirtschaft, und Berater tätig. Ernährungswirtschaft und Fischerei im Land- wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpom- mern. Gegenwärtig freier Mitarbeiter beim Dr. Wolfgang Röhl Genossenschaftsverband als Agrarberater. Jg. 1958, geboren und aufgewachsen in Lübz. Studium der Pflanzenproduktion in Rostock Dr. Martin Just und Zusatzstudium in Prag. Promotion 1988. Wissenschaftlicher Assistent und Aspirant an Jg. 1947, geboren im Harz, aufgewachsen in der Universität Rostock. 1990 Mitarbeiter des Berlin. 1965 –1970 Studium der Landwirtschaft Volkskammerabgeordneten und Parl. Staats- an der Humboldt-Universität Berlin. Planmä- sekretärs Prof. Dr. Peter Kauffold. Seit 1991 ßige Aspirantur zum Dr. agr. an der Akademie Sekretär des für den Agrarbereich zuständigen der Landwirtschaftswissenschaften der DDR / Fachausschusses des Landtages Mecklenburg- Forschungszentrum für Tierproduktion Dum- Vorpommern. merstorf/Rostock. Bis 1984 dort wissenschaft- licher Mitarbeiter. 1985 – 1986 freiberuflicher Musiker, 1986 – 1987 Heizer und Handwerker in einer Dresdner GPG. 1987 - Mitte 1990 Abtei- lungsleiter in der LPG „Schönfelder Hochland“ Dresden-Bühlau. Bis Ende 1990 Büroleiter des Vereins für Politische Bildung und Soziale Demokratie in Dresden. 1991 – 2011 Referent im Landesbüro Mecklenburg-Vorpommern der Friedrich-Ebert-Stiftung mit Sitz in Schwerin. Anfang 2012 Eintritt in die Altersrente. FAKSIMILES | 79 80 | ANHANG FAKSIMILES | 81 82 | ANHANG FAKSIMILES | 83 84 | ANHANG FAKSIMILES | 85 86 | ANHANG FAKSIMILES | 87 88 | ANHANG FAKSIMILES | 89 90 | ANHANG FAKSIMILES | 91 92 | ANHANG FAKSIMILES | 93 94 | ANHANG FAKSIMILES | 95 96 | ANHANG FAKSIMILES | 97 98 | ANHANG FAKSIMILES | 99 100 | ANHANG FAKSIMILES | 101 102 | ANHANG

Das agrarpolitische Programm, das Anfang 1990 zunächst für die Bezirksorganisation Rostock der SDP weitgehend von Peter Kauffold erarbeitet und im Februar als Initiativantrag auch von P. Kauffold in den Leipziger Parteitag eingebracht und dort angenommen wurde (Quelle: Archiv der Sozialdemokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn) FAKSIMILES | 103 104 | ANHANG FAKSIMILES | 105 106 | ANHANG

Gründung und Geschichte des 63 Gründungsmitglieder wählten neben der Vorsitzenden Lilly Wiebensohn Anke Schmede- LAND-FRAUEN- mann als 1. Stellvertreterin und Erika Etzrodt als 2. Stellvertreterin und Silke Wulf und Dr. VERBANDES Silvia Marscheider als Mitglieder in den ersten Mecklenburg-Vorpommern Vorstand. Mit der Wahl im Jahr 1994 bildete sich der Vor- (Erarbeitet vom Vorstand des Landfrauen- stand aus der Vorsitzenden Lilly Wiebensohn- bverbandes 2009/2010, Neubrandenburg) Wagner, der 1. Stellvertreterin Erika Etzrodt, der 2. Stellvertreterin Renate Engel und den Der LAND-FRAUENVERBAND Mecklenburg- Mitgliedern Dr. Silvia Marscheider und Dr. Vorpommern e.V. wurde am 27.04.1991 in Neu- Cordula Schulz. brandenburg als 1. Landes-Landfrauenverband in den neuen Bundesländern gegründet. 1998 wurde Lilly Wiebensohn-Wagner wieder als Vorsitzende gewählt. Als neue Mitglieder 1990 begannen die Neugestaltung der Land- konnten als 1. Stellvertreterin Anita Reimann, wirtschaft und damit auch die Arbeit der als 2. Stellvertreterin Gudrun Helmig und als Bauernvertreter im deutschen Bauernverband. Mitglieder Annelie Baark und Angelika Kuhz Parallel dazu wurde eine Beauftragte für die gewonnen werden. Frauen im ländlichen Raum aktiv. Frau Lilly Kühnel (ehem. Wiebensohn) als ehemalige 2002 gab Lilly Wiebensohn den Vorsitz ab. Vorsitzende einer landwirtschaftlichen Produk- Als neue Vorsitzende bewarb sich Heidemarie tionsgenossenschaft und zum Nachwendezeit- Becker, die mit der Wahl 2002 diese ehrenvolle punkt Geschäftsführerin einer Agrargenossen- Aufgabe übernahm. 1. Stellvertreterin wurde schaft wurde dazu berufen. Frau Dr. Charlotte Canditt, die 2. Stellvertreterin Frau Kühnel lernte auf diesem Weg den Deut- war Gudrun Helmig und als Mitglieder wurden schen Land-Frauenverband e.V. kennen. Da die Petra Döhler, Birgit Kraus, Angelika Kuhz und Frauen aus dem ländlichen Raum zu der Zeit Angela Peters gewählt. nur eine spezifische Vereinigung hatten, erschien es logisch, anlehnend an die Erfahrungen des Im Ergebnis der Wahl 2006 wurde der Vorstand Deutschen Land-Frauenverbandes eine ebensol- mit seinen Mitgliedern wie im Jahr 2002 wieder che Organisation zu gründen, zumal hier von gewählt. dem deutschlandweit seit Jahren agierenden Dachverband dlv e.V. partizipiert werden konnte. Frau Becker legte nach 8 Jahren im Jahr 2010 ihr Amt als Vorsitzende nieder, blieb aber im Nach entsprechender Vorbereitung wurde der Vorstand als Mitglied weiterhin tätig. Als neue LAND-FRAUENVERBAND Vorsitzende wurde Angela Peters, als 1. Stell- M-V e.V. gegründet, dessen erste Vorsitzende vertreterin Frauke Ohls, als 2. Stellvertreterin Frau Lilly Kühnel wurde. Ulrike Ledge und als Mitglieder neben Frau Becker Ulrike Eggers, Birgit Kraus und Edda Vorstände Krille gewählt.

Zur Wahl des ersten Vorstandes stellten sich Zweck des Verbandes Angelika Balzer, Erika Etzrodt, Brigitte Fischer, Christa Krebs, Leni Krüger, Silvia Marscheider, Der Verband hat sich 1991 als freiwilliger Zu- Lilly Wiebensohn, Gisela Blum, Anke Schmede- sammenschluss von Frauen auf dem Lande mit mann und Silke Wulff. dem Ziel gegründet, unter Berücksichtigung | 107 der Verhältnisse im ländlichen Raum die Inter- Kreislandfrauenvereine & Ortsvereine essen der Mitglieder zu vertreten. Er hat die Aufgabe, die wirtschaftlich-, sozial-, Bereits 1992 haben sich im Land Mecklenburg- bildungs-, und gesellschaftspolitischen Interes- Vorpommern 16 Kreislandfrauenvereine mit sen der Frauen im ländlichen Raum wahrzu- 420 Mitgliedern gebildet. nehmen und in freier Meinungsäußerung zu fördern und zu vertreten. Insgesamt gründeten sich in den ersten Jahren Zweck des Verbandes ist die Förderung seit Bestehen des LAND-FRAUENVERBANDES - der Bildung und Erziehung, M-V e.V. 25 Kreislandfrauenvereine, die sich - der Kunst und Kultur, mit der Gebietsreform 1995 auf landesweit 15 - des Umwelt- und Landschaftsschutzes, Kreisvereine und 82 Ortsvereine mit rund 1500 - des Heimatgedankens und des Mitgliedern teilweise zusammenschlossen. traditionellen Brauchtums, - der Jugend- und Altenpflege, - des Wohlfahrtswesens, - der Völkerverständigung, - der Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Kreislandfrauenverband: Gegründet am: Mitglieder 2010 Pasewalk, (Zusammenschluss zum KLV UER) 19.02.1990 Nordwestmecklenburg (Grevesmühlen) 17.06.1991 213 Neubrandenburg, (Zusammenschluss zum KLV MST) 25.07.1991 Rügen, (Auflösung 2006) 02.09.1991 Schwerin, (Auflösung 1999) 17.09.1991 Malchin 21.10.1991 32 Neustrelitz, (Zusammenschluss zum KLV MST) 24.10.1991 Stralsund 16.11.1991 9 Grimmen 10.12.1991 41 Ribnitz-Damgarten 12.12.1991 6 Demmin 13.01.1992 17 Greifswald 22.02.1992 110 Sternberg, (Auflösung) 04.03.1992 27.03.1992 88 Waren 17.06.1992 56 , (als Ortsgruppe zu Malchin 2005) 25.06.1992 Anklam/Wolgast 08.07.1992 63 Bützow, (Auflösung 1998) 03.09.1992 Bad-Doberan 15.12.1992 108 Teterow 11.02.1993 52 Uecker-Randow 15.11.1993 163 Güstrow, (als Ortsgruppe zu Bad-Doberan 2010) 15.11.1993 Rostock, (Auflösung) 15.12.1993 Parchim 19.04.1994 35 Mecklenburg-Strelitz 09.05.1995 103 108 | ANHANG

Aufgaben Mitgliederentwicklung

Der LAND-FRAUENVERBAND M-V setzt sich als 1997 betrug die Mitgliederanzahl des Landes- Interessenvertreter für Frauen und Familien im verbandes 1.552 Mitglieder, sie stieg Jahr für ländlichen Raum dafür ein: Jahr an, bis zu einem Höchstwert von 1.901 die soziale, wirtschaftliche und rechtliche Mitgliedern im Jahr 2003. Danach fiel die Situation von Frauen und ihren Familien zu Mitgliederzahl schnell ab und hat jetzt im verbessern Jahr 2010 ein Minimum von 1.096 Mitgliedern Erwerbs- und Privatleben besser vereinbaren zu erreicht. können unsere Dörfer und ländlichen Gemeinden Förderpolitik lebenswert und funktionsfähig zu erhalten die aktive Mitwirkung von Frauen im öffentli- Der LAND-FRAUENVERBAND M-V e.V. hat chen Leben zu stärken insgesamt 274 Arbeitsbeschaffungsmaßnah- das ehrenamtliche Engagement und dessen men (ABM) im Zeitraum von 1994 bis 2006 gesellschaftliche Anerkennung zu fördern durchgeführt. das Dorfleben lebendig zu gestalten Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu schaffen LAND-FRAUENVERBAND M-V und zu erhalten Mitgliederentwicklung 2000 Der LAND-FRAUENVERBAND M-V e.V. bietet

allen Frauen, unabhängig von Alter, Beruf und 1901 Familienstand, eine Plattform an, um für den 1889 1900 Erhalt und die Entwicklung des ländlichen 1855 Raumes mitzuwirken oder um sich einfach nur in einer Gruppe gleichgesinnter Frauen besser 1800 1751 in das gesellschaftliche und soziale Leben zu integrieren. 1668

1662 1700 1655 1659 Der Verband bietet: die Teilnahme an Bildungsveranstaltungen, Ge- 1600 sprächskreisen und Studienfahrten zu beruflichen, 1552 politischen, sozialen und kulturellen Themen 1502 die Mitwirkung in Arbeitsgruppen und Gremien 1500 zur Interessenvertretung in der Frauen- und 1459 Familienpolitik, Arbeitsmarktpolitik, Agrarpoli- 1419

tik oder Umwelt- und Verbraucherpolitik 1369 1400 als Botschafterin für unser Land und seine Produkte zu werben als aid-Fachfrau über eine gesunde und ausge- 1300 wogene Ernährung von Kindern an den Grund- schulen unseres Landes zu informieren Integration, Beratung und Hilfe bei der Er- 1200 schließung von neuen Erwerbsmöglichkeiten die Mitwirkung bei den vielfältigen Aktionen mit und für Kinder, Jugendliche und Senioren 1100 und bei der Gestaltung eines aktiven und gesel- ligen Dorflebens 1000 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 | 109

Dazu kommen noch 20 Strukturanpassungs- und Einsatzbereitschaft kennzeichnen das maßnahmen (SAM) im Zeitraum 2003 bis ehrenamtliche Wirken der Mitglieder in diesem 2005, 12 Gemeinwohlorientierte Arbeitsmarkt- Forum für LANDFRAUEN aller Generationen. projekte (GAP) und 11 Projekte im Rahmen des Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungspro- Die LANDFRAUEN gramms (ASP). gestalten dörfliches Leben aktiv mit. Seit 2005 hat der Verband über diverse Arbeits- werben als Botschafterinnen für regionale Pro- gelegenheiten 19 Frauen mit einer Mehrauf- dukte aus der Land- und Ernährungswirtschaft wandsentschädigung beschäftigt. und nehmen an landesweiten Aktionstagen teil. Der LAND-FRAUENVERBAND M-V e.V. hat von treffen sich zu Vorträgen, Informationsver- 2004 bis 2009 insgesamt 8 Kleinprojekte mit anstaltungen, Feierstunden, Kulturveran- den unterschiedlichsten Themen und Zielgrup- staltungen, Fachexkursionen und Ausflügen, pen initiiert und erfolgreich durchgeführt. Sport- und Kreativrunden, aber auch zu „Klön- Über den Europäischen Sozialfonds führte der Stunden“ am Frühstücks- und Kaffeetisch Verband seit 2003 Integrationsprojekte für die tragen mit ihren Liedern und Tänzen bei vielen Zielgruppe der HARTZ IV-Empfänger bzw. der Veranstaltungen und der Beschäftigung mit Nichtleistungsempfänger durch. alten Handarbeitstechniken zur ländlichen Mit dem Rückgang der Fördergelder kann der Brauchtumspflege bei. LAND-FRAUENVERBAND M-V e.V. immer weniger geförderte Projekte Die Bildungsangebote des Verbandes finden durchführen. regen Zuspruch. Als Anerkennung der zahlrei- chen und breit gefächerten Bildungsangebote Kita „Kinderland“ in Friedland ist der Verband seit 2005 eine „Staatlich aner- kannte Einrichtung der Weiterbildung“. Der LAND-FRAUENVERBAND M-V e.V. ist seit 1992 Träger der Kita „Kinderland“ in Fried- Der Verband unterstützt Frauen beim Wieder- land, deren Leiterin Kerstin Kummer damals einstieg in das Erwerbsleben. Er kümmert sich mit einem trag- und ausbaufähigen Konzept aber auch um die Betreuung älterer Mitbürger ihre Idee umsetzte und in unserem Verband ein in ihrem häuslichen Umfeld und um die Partner fand, der sich u.a: für den Erhalt von Unterstützung bedürftiger Frauen und ihren Kindereinrichtungen einsetzte: Familien. Mit dem Neubau eines Hauses in der Woll- weberstraße in Friedland konnte die bisher Der Verband hat in seinen Reihen viele Frauen, erfolgreiche Geschichte der Kita weitergeführt die als Bürgermeisterin oder Gemeindevertrete- werden. Auch heute ist die Kapazität von 61 rin politische Verantwortung wahrnehmen bzw. Plätzen ausgelastet. Neben Frau Kummer in anderen Gremien des Landes bzw. der Lan- arbeiten noch 6 weitere Mitarbeiterinnen als deskreise mitwirken. In diesem Rahmen leistet Erzieherinnen und 3 Mitarbeiterinnen als der Verband einen guten Beitrag zur weiteren Reinigungskräfte in der Kita und genießen das Verbesserung der Lebens- und Arbeitsverhältnis- Vertrauen und die Anerkennung der Eltern- se für Frauen im ländlichen Raum. schaft in Friedland.

Das neue Leitbild So kann man sagen, dass die Landfrauen im LAND-FRAUENVERBAND M-V e.V. DIE gesell- Land braucht Leben – unter diesem Motto schaftliche Kraft im ländlichen Raum sind. engagieren sich knapp 1.100 Frauen unseres Bundeslandes im LAND-FRAUENVERBANDS M-V e.V. Gemeinschaftssinn, Ideenreichtum 110 | ANHANG Dr. Hans Schwiderski: Unterstützung ländlicher Räume, genannt ECOVAST. Maria Meier- Gresshoff, die Erinnerungen an die Jahre des Aufbaus selbst ein Landhotel bei Oelde aufgebaut hat der Arbeitsgemeinschaft für Urlaub und und betreibt, hielt den Einführungsvortrag. Freizeit auf dem Lande M/V e. V. In einer bewegenden Schilderung des Beginns (2005 umbenannt in “Landurlaub M/V”) ihrer Beschäftigung mit dem Erwerbszweig (unveröffentlicht, 2008) machte sie klar, dass es ihr nicht leicht gefallen war, mit einer Vermietung von Zimmern im Wohnhaus des Gresshoffschen Bauernhofes zu Gründungsversammlung in Rei- beginnen. Als sie einmal mit ansehen musste, mershagen und Namensgebung wie ihr Mann einen zahlenden Jagdgast mit dem Spazierstock begleitete, weil die Land- An einem Samstag im Sommer 1991 machten wirtschaft nicht mehr genug abwarf, um den wir uns aus Dummerstorf auf nach Reimersha- Hof zu erhalten, fasste sie den Entschluss: gen, weil wir erfahren hatten, dass dort eine “Maria, du musst etwas tun, was Geld ins Zusammenkunft über Tourismus auf dem Haus bringt, ehe es zu spät ist.” Sie begann Lande statt finden sollte. Meine Motivation zu mit der Vermietung von drei Zimmern im dieser Fahrt ergab sich aus der im April ange- Dachgeschoss mit insgesamt sieben Betten tretenen Stelle als Projektleiter bei der Lande- und schilderte, wie sie aus den Einnahmen die stierärztekammer für den Aufbau von Natur- ständigen Erweiterungen bis zum heutigen und Wildparks, um wenigstens einen kleinen Landhotel schaffte, welches nicht nur einigen Teil der 700 plötzlich arbeitslos gewordenen Familienangehörigen, sondern auch mehreren Tierärzte über ABM beschäftigen zu können. Bis Angestellten, Arbeitsplätze und Einkommen dahin hatte ich mich im hiesigen Forschungs- bietet. Eindringlich wies sie darauf hin, dass es institut95 mit Embryonensplitting, das heißt dabei sehr wichtig ist, im Rahmen eines Vereins mit der Erzeugung identischer Zwillinge beim organisiert zu sein, weil nicht nur die staatliche Rind durchaus erfolgreich beschäftigt, sah Unterstützung, sondern auch die Kommunika- aber unter den neuen Bedingungen wegen des tion mit den entsprechenden Stellen der Lan- bevorstehenden Wegfalls des großteils der Stel- desregierung und die Vertretung der legitimen len und des Austausches vieler Wissenschaftler Interessen der Anbieter durch Leute aus dem Westen keine Perspektive die Existenz von Ansprechpartnern verlangen. für mich, weiter in der Forschung tätig zu sein. Angus Fowler sprach über die Bedingungen und Mit mir kamen zwei Leute, Nachbarn, die Inter- Notwendigkeiten die eine Vereinsgründung er- esse hatten evtl. auf dem Gebiet des ländlichen fordert und erläuterte eine Mustersatzung. Das Tourismus eine neue Beschäftigung zu finden. war sehr notwendig, da diese Materie für fast Neben einigen Leuten aus und alle zukünftigen Vereinsmitglieder vollkommen Umgebung war eine größere Gruppe aus dem neu war. Er ging auch auf die Bedeutung des Süden des Kreises Ückermünde angereist. (Luc- ländlichen Tourismus für die Erhaltung des kow- Rieth) Man hatte dort Ideen entwickelt, baulichen und sonstigen kulturellen Erbes in ehemalige NVA- Liegenschaften für den Touris- den ländlichen Räumen. Nach weiteren Auftrit- mus nutzbar zu machen. ten aus der hauptsächlich aus NRW angereisten Eine weitere Gruppe, für uns die wichtigste, war Gruppe und einigen zaghaften Fragen aus der aus Westdeutschland, namentlich aus Nordr- Zuhörerschaft, war man der Meinung zum hein - Westfalen und Niedersachsen angereist. Gründungsakt schreiten zu können. Es waren Leute einer internationalen Nicht- Als Titel für den e.V. schlug man den oben ge- regierungsorganisation zur Erhaltung und nannten vor, weil er unlängst in Niedersachsen für gut befunden worden war und als Aufbauti- ������������������������������������������������������� Forschungszentrum für Tierproduktion Dummerstorf der AdL der DDR tel geeignet erschien. ZEITZEUGEN | 111

Leider war nur ein kleiner Teil der Anwesen- –––––––––––––––––––––––––––––– den bereit, dem Verein beizutreten aber die 13 Dr. agr. habil. Hans Schwiderski, oder 14 Beitrittswilligen reichten aus, um die Dipl. Landwirt, Dummerstorf Gründung zu vollziehen und aus diesem Kreis einen Vorstand zu wählen. Auf Vorschlag eines meiner Mitfahrer wurde auch ich in den ersten Frage1: Einbringen in die Entwicklung des Vorstand gewählt. Ländlichen Raumes in M/V Der erste Vorsitzende, Karsten Rehberg, aus Diverse ehrenamtliche und bezahlte Tätigkeiten Hintersee sowie Norbert Paulmann aus Neu- als Projektleiter und Geschäftsführer: Ab März brandenburg als Geschäftsführer, konnten ihre 1991 Leiter einer Projektgruppe zum Aufbau Arbeit aufnehmen. Die Satzung des Vereins von Natur- und Wildparks in Mecklenburg- wurde von Angus Fowler beigesteuert, der sich Vorpommern, von 1993 bis 2003 Geschäfts- auch in der Folgezeit in M/V im Rahmen von führer der AG für Urlaub und Freizeit auf dem ECOVAST sowie von Europa Nostra stark für die Lande in ländlichen Räume engagierte und 2004 das Mecklenburg- Vorpommern, Heute Landurlaub Bundesverdienstkreuz für sein Wirken erhielt. e. V.; Mitarbeit im Rahmen der internationalen Auch weitere ECOVAST- Mitglieder, insbesondere Nichtregierungsorganisation für den Erhalt der Gerda Stachowitz und Ursula Stratenwerth Dörfer und Kleinstädte ECOVAST sowie im e.V. waren zu Vorträgen oft in unserem Bundesland zur Erhaltung und Nutzung von Schlössern und und unterstützten uns beim schwierigen Einle- Gutsanlagen in MV. ben in die für uns neuen Systeme der Bundes- republik. Ein entscheidenden Beitrag leistete Frage2: Was ist im Ländlichen Raum gut dabei die Friedrich Ebert- Stiftung insbesondere gelungen? Martin Just, bei der Organisation und finanziel- Mit regional unterschiedlichem Niveau konnte len Sicherstellung der Veranstaltungen. allmählich die zunächst fast vollständige Abhängigkeit der Mehrzahl der Arbeitnehmer Leider ergab es sich bald nach dem Eintrag des von staatlichen Arbeitsförderungsmaßnahmen Vereins in das Register, dass sich sowohl der vermindert werden. Vorsitzende als auch der Geschäftsführer ande- Besonders hervorzuheben sind die Erfolge bei ren Tätigkeiten zuwandten. der Verbesserung der Infrastruktur auf dem Da wir in Dummerstorf über ein bescheidenes Lande und die Erfolge bei der Verschönerung Büro mit entsprechender Kommunikation ver- der Dörfer und Kleinstädte durch private, kom- fügten, musste ich bald die Obliegenheiten des munale und staatliche Initiativen. Geschäftsführers übernehmen und war erfreut, Sehr positiv müssen auch die Bestrebungen der dass die CDU- Landtagsabgeordnete Landesregierung zum Erhalt wettbewerbsfähiger Renate Holznagel, die ich aus meiner Tätigkeit Strukturen in der Landwirtschaft eingeschätzt für die Landestierärztekammer kannte, sich werden. Dadurch ist es gelungen, von Anbeginn bereit erklärte, für den Vorsitz der Arbeitsge- bis dato die Bestellung der Ackerflächen zu meinschaft zu kandidieren. gewährleisten. Auf der Jahreshauptversammlung 1992, die ebenfalls in Reimershagen statt fand, wurde Frage3: was ist überhaupt nicht gelungen? auch Heinz Kosin, der dabei war, seinen Bau- Die Trennung der ldw. Nutzfläche vom Gebäu- ernhof zum Landhotel umzubauen in den debestand bei deren Vergabe war ein Fehler, der Vorstand gewählt. Ein Jahr später kam Frank dazu führte, dass viele Gebäude, besonders die Peters dazu, welcher dabei war, aus dem abge- Gutshäuser, ohne Not verkamen, weil sich vor legenen Bauernhof seiner Eltern einen schmuc- Ort niemand mehr für sie zuständig fühlte. ken Reiterhof zu gestalten. Zu den ersten akti- Ebenso muss auch die misslungene Anpassung ven Mitgliedern gehörte auch Monika Reimer, der Tierproduktion, die als Hauptfaktor bei der 112 | ANHANG

Herbeiführung der Massenarbeitslosigkeit in eine Architektin aus Bielefeld, die das Buch den Dörfern wirkte, als Politikfehler angesehen “Mecklenburger Dörfer, was kommt, was werden. bleibt?” in dieser Zeit verfasste und mit unserer Unterstützung verbreitete. Auch sie war, ebenso Frage4: Wünsche: wie ihr Mann, ohne jemals etwas Substantielles Da beim Ausbau des Tourismus die Grenzen gegen den Arbeiter- und Bauernstaat getan zu bald erreicht sind, müssen Landwirtschaft und haben, sehr schlimm von der Stasi verfolgt Verarbeitungsindustrie als Reserven für die worden. Beschäftigung der Landbevölkerung in den Da das Projekt langfristig angelegt war, hatten ballungsfernen Räumen, in denen Arbeitslo- wir ausreichend Zeit, uns um weitere Nachfol- sigkeit und Abwanderung noch immer viel zu geprojekte zu kümmern, wobei wir mit ADAPT- stark vertreten sind, ausgebaut werden. Eurotourist und Leader II erfolgreich waren. Als diese Projekte endeten, natürlich fristgemäß, mussten neue gefunden werden. Aus der Zeitung erfuhren wir, dass in Rostock die Pro- die aus der Ruine der Wolfsberger Mühle ein jektzentrale für ein neues EU- Projekt mit dem schmuckes Ausflugshotel mit über 20 Betten Namen INTERREG eröffnet werden sollte. Da machte. In dieser Zeit, !992/93 ging es um die andere Einreicher Probleme mit der Suche der Arbeitsfähigkeit der Vereinszentrale, die ohne erforderlichen Auslandspartner hatten, über die finanzielle Basis nicht zu erreichen war. Durch wir bereits aus dem ADAPT- Projekt verfügten, Zufall lernte ich einen Herrn Noack vom Bun- erhielten wir auch hier den Zuschlag. Ohne die desinstitut für Berufsbildung kennen, einen sehr guten Englisch- Kenntnisse von Frau Hass, ehemaligen DDR- Bürger, der 3 Jahre von der die bereits während des Eurotourist- Projektes Stasi in Bautzen eingesperrt worden war und zu uns gestoßen war, hätten wir das sehr um- dennoch große Bereitschaft zeigte, uns zu hel- fangreiche ausschließlich in englischer Spra- fen. Dadurch, dass auch er seine Zeit gebraucht che zu bewältigende Einreichungsprocedere hatte, in der bundesdeutschen Wirklichkeit Fuß nicht erfolgreich erledigen können. Seitens des zu fassen, war er in der Lage unsere Probleme Landwirtschaftsministeriums, das als staatli- besser einzuschätzen als andere und uns über cher Projektverantwortlicher fungieren musste, Jahre ein sehr guter Mentor zu sein. stand uns Herr Rüdiger Evert eine ganze Reihe Es wurde also ein Umschulungsprojekt des von Jahren vertrauensvoll zur Seite. Seine Bundesinstituts bei uns installiert, um ein Bei- Eltern stammten aus Mecklenburg, er selbst spiel für die Ausbildung von Touristikfachwir- war in Schleswig- Holstein aufgewachsen und ten zu schaffen, wobei unser Verein als Träger Beamter im dortigen Landwirtschaftsministeri- fungierte und damit auch über Mittel zum um geworden. Er hat unsere immer anspruchs- Aufbau seiner eigenen Infrastruktur verfügte. voller werdenden Projekte, besonders in kriti- Sehr stolz waren wir darauf, dass es uns gelang, schen Situationen, unter Nutzung seines Er- für unsere Umschüler sogar ein Praktikum in messensspielraumes erst möglich gemacht. Die den Niederlanden zu organisieren, was nicht Interreg- Projekte wurden in Zusammenarbeit nur den Gesichtskreis der Teilnehmer, sondern mit den Ämtern für Raumordnung und Landes- auch den unserigen erweiterte. planung, wobei jeweils Projektmitarbeiter dort Gleichzeitig liefen mit Unterstützung durch stationiert werden konnten, abgearbeitet. Das ECOVAST Vortragsreihen im Lande, die der brachte den Mitarbeitern des Vereins wichtige Verbreitung des Gedankens der Erhaltung der neue Erkenntnisse, besonders hinsichtlich der Bewohnbarkeit der Dörfer und Kleinstädte Fähigkeit zur Beratung der Mitglieder und dienten, uns bekannt machten und uns neue Neueinsteiger aber auch zur Verbesserung der Mitglieder zuführten. örtlichen touristischen Infrastrukturen. Hier Besonders aktiv war dabei Gerda Stachowitz, denke ich besonders an die Arbeiten zu den ZEITZEUGEN | 113

Rad- und Reitwegen. Die erwähnten Projekte sicherten nicht nur die Existenz des Vereins, sondern sie ermöglichten es uns, im Lande unter den Anbietern von Landurlaub u.a. durch Lehrgänge, die Klassifizierung der Angebote und zahlreich weitere Aktivitäten immer be- kannter zu werden. Selbst Auslandsreisen zum Erfahrungsaustausch konnten für interessierte Mitglieder nach Schweden und Dänemark or- ganisiert werden. Das fand seinen Niederschlag in einer ständig ansteigen Zahl der Mitglieder. So war es uns etwa ab dem Jahr 2000 möglich, eine Kraft und zwar die Verantwortliche für den Urlaubskatalog und die Werbung auf Messen und Veranstaltungen aus den Einnahmen und Beiträgen der Mitglieder zu finanzieren. Im Jahre 2003 schied ich aus Altersgründen mit 68 Jahren aus dem Dienst aus. Auch heute erfüllt der Verein Landurlaub Meck- lenburg - Vorpommern seine Aufgaben bei der Unterstützung der noch immer wachsenden Zahl der Anbieter von Landurlaub in seinen unterschiedlichen Formen. Besonders hoch ist dabei einzuschätzen, dass viele der vom Verfall bedrohten Schlösser und Gutshäuser einer touristischen Nutzung zugeführt wurden und das Erholungspotential der ländlichen Räume unter Beweis stellen. Persönlich bin ich den deutschen und ausländischen Mitstreitern von ECOVAST dankbar für die uneigennützige Hilfe in einer sehr schwierigen Situation sowie für die vielen nützlichen Hinweise und Anregungen für die Aufbauarbeit.. 114 | ANHANG

Im FZT wurde Anfang 1990 ein wissenschaft- Prof. Dr. Peter Kauffold licher Rat als ein Organ der Mitbestimmung Biologe, Bandelstorf, gewählt. Auch ich gehörte dazu. Zeitzeugenbericht Eine ganz lapidar gehaltene Einschätzung meiner langjährigen Wirkungsstätte muss ich an diese Stelle meines Berichtes setzen, weil ich mich zum Ende des Jahres 1989 freiwillig in Prozesse begeben hatte, die mich von der Tätigkeit eines forschenden Wissenschaftlers fortzogen: Im FZT Dummerstorf ist auf vielen Gebieten eine seriöse und qualifizierte For- schungstätigkeit betrieben worden mit zum Teil sehr hohen Leistungen, die Bestand haben und als Bausteine in das Gebäude der Agrarwissen- schaften eingegangen sind. Andere Leistungen, insbesondere aus der Anwendungsforschung, sind mit den Produktionsbedingungen unter- gegangen, denen sie dienen sollten. Dem DDR- Auszug aus: Zeitzeugenbericht von Futterwertungssystem wünsche ich eine Re- Prof. Dr. Peter Kauffold am 30. November naissance. Es ist das komplexe Ergebnis einer 2007in: Rostocker Studien zur Universitäts- langjährigen Forschung vieler Wissenschaftler, geschichte Band 3 Herausgegeben von das die Bewertung von Futterstoffen und Ra- Kersten Krüger, Universität Rostock 2009 tionen auf eine neue energetische Grundlage stellt. Es wäre heute noch weltweit sehr vor- teilhaft einsetzbar. Das FZT war so gut, wie es .... Im September 1989 wurde ich zum Pro- unter den Bedingungen der SED-Diktatur eben fessor der AdL ernannt. Das geschah 14 Jahre nur sein konnte, einem System, in welchem nach der Promotion B und 22 Jahre nachdem Freizügigkeit nicht gegeben war, wo Konzep- letztmalig ein „parteiloser“ Wissenschaftler aus tion, Kommunikation und Kooperation unter unserer Einrichtung diese Berufung erfuhr. Das Vormundschaft standen, kein echter Wettbewerb sind gleich zwei Langzeitrekorde der sozialisti- existierte, wo Personalentscheidungen ideolo- schen Kaderpolitik in einem. Ich hatte damit gischen Leitlinien folgten und Heuchelei an nicht mehr gerechnet. der Tagesordnung war und wo schließlich die Ausstattung mit leistungsfähiger Technik durch Das politisch bewegte Jahr 1989 begann einen die Mangelwirtschaft limitiert war. Immerhin Monat später. Die galoppierende Destabilisie- war das FZT doch so gut und so funktional rung des staatlichen Machtapparates spiegelte strukturiert, dass es die im Einigungsvertrag sich auch in Fassungslosigkeit und zunehmen- vorgesehene und in den Hintergründen stark der Unsicherheit der „staatlichen“ Leitung des beargwöhnte Evaluierung im Jahr 1991 soweit FZT und der Parteileitung. An der Pinwand im überstand, dass sein Kern in ein neu zu grün- Leitungsgebäude erschienen sogar spontane dendes Institut überführt wurde. Dieses FBN Meinungsäußerungen zur politischen Situa- gehört fortan zu den vom Bund und von den tion. Ich hatte mich auch daran beteiligt und Ländern getragenen Instituten, welche heute freie Wahlen sowie Reformen verlangt. Meine die Leibniz-Gemeinschaft bilden. Frau und ich nahmen an den volkreichen Pro- testdemonstrationen teil und an öffentlichen Den Begriff „Diktatur“ habe ich eben zum er- Diskussionsrunden mit oppositionellen Kräften. sten mal genannt. Zum Jahreswechsel 1989/90 ZEITZEUGEN | 115 hatte ich mich entschlossen, der neu gegrün- Über Aktivitäten und Turbulenzen der ebenso deten Sozialdemokratischen Partei beizutreten, ereignisreichen wie kurzen Zeit als Abgeord- um in ihrem Rahmen zur Überwindung eben neter und als Regierungsmitglied kann ich dieses Systems beizutragen. In dem kahlen hier nur episodenhaft berichten. Deshalb und doch irgendwie chaotischen Rostocker möchte ich jeden, der sich über das letzte Jahr Parteibüro in der Nähe vom Bahnhof herrschte der DDR authentisch bilden will, dazu anre- die Atmosphäre eines noch nicht strukturierten gen, die Protokolle der Volkskammer in der Neuanfangs. Zwei anwesende Aktivisten, der 10. Wahlperiode zu lesen. Sie spiegeln ganz Kinderarzt Ingo Richter und Käthe Woltemath, unmittelbar, lebendig, hautnah und span- freuten sich über den Neuzugang eines „Land- nend auch die Situation im Agrarbereich, die wirts“. Sie erwarteten von mir schnell den Ent- Eigendynamik der gesellschaftlichen Prozesse wurf eines Agrarprogramms für die Partei. Der und die redliche Absicht der vielen Neupoliti- wurde in einigen Nachtschichten gemeinsam ker, enorme Schwierigkeiten zu überwinden mit neuen Freunden erarbeitet, von Parteitagen und den Einstieg in die gewollte, aber sehr in den Nordbezirken akzeptiert und schließlich, schnell herannahende Deutsche Einheit für nachdem ich ihn als einen Initiativantrag unsere Bürger und Wähler verträglich zu eingebracht hatte, auch von dem Parteitag in gestalten. Leipzig als Agrar- und Wahlprogramm für die SPD in der DDR angenommen. Da ich außer- Eines meiner besonderen Anliegen waren die dem erfolgreich um einen vorderen Listenplatz Boden- und die Agrarstrukturpolitik. Ich wurde bemüht war, der die Mitgliedschaft in der frei nicht müde darin, den Erhalt der Bodenre- gewählten Volkskammer sehr wahrscheinlich form zu fordern. Das war zwar ohnehin ein machte, hatte ich mir einen anderen als den vereinbartes Ziel unserer Regierung, aber es bisherigen Weg selbst vorgezeichnet. Darüber gab in der Bundesrepublik eine starke Lobby, wunderten sich manche meiner Kollegen im welche die Restitution verlangte. Die Regie- FZT Dummerstorf sehr. rungen versprachen sich aus der Verwertung der bisher volkseigenen landwirtschaftlichen Das Jahr 1990, das ich zumeist in Berlin er- Flächen erhebliche Einnahmen vor allem für lebte, hat einen hohen Stellenwert in meiner Strukturanpassungen der Wirtschaft insgesamt. Biografie und erscheint mir in der Erinnerung Ich habe mich in diesem Rahmen für eine viel länger als andere Jahre. Es war zwar über schonende Privatisierung des Bodens im Zuge die Maßen strapaziös, aber stets verbunden mit der Umstrukturierung und zu Gunsten der einem hohen Lebensgefühl und der sehr star- Landwirtschaft eingesetzt. Dabei sollten die ken Motivation für die politische Gestaltung. einheimischen in der Landwirtschaft tätigen Gleich nach den Wahlen zur Volkskammer am Menschen realistische Chancen bekommen, 18. März 1990 hatte ich als Vertreter meiner Flächen zu erwerben oder langfristig zu Fraktion die agrarpolitischen Positionen für pachten. Ein Ziel bestand zudem auch in der den Koalitionsvertrag zu verhandeln. Das ge- Erhaltung großflächiger Betriebe als moderner, schah sehr problembewusst und in gutem Ein- zukunftsorientierter Agrarstrukturen. Da eine vernehmen zwischen der künftigen Koalitions- gesonderte Treuhandanstalt für das volkseigene partnern. Auf Beschluss der Koalitionäre sollte landwirtschaftliche Vermögen nicht gebildet die SPD das Ressort für Ernährung, Land- und wurde, sollten sehr schnell Land- und Sied- Forstwirtschaft besetzen. Ich entschied mich für lungsgesellschaften zu dem Zweck entstehen, das Amt des Parlamentarischen Staatssekretärs die Anpassung der Landwirtschaft und den im Ministerium mit einem sehr großen Bereich Flächenerwerb wirksam zu flankieren. Für all selbst gewählter Zuständigkeiten und für die dies wurden in wenigen Monaten gesetzliche Rolle des Stellvertreters des Ministers. Grundlagen geschaffen. 116 | ANHANG

Der Vertrag über die „Schaffung einer Wirt- am 14. August auf dem Berliner Alexanderplatz schafts-, Währungs- und Sozialunion“ entlud, in deren Folge der Minister am 16.Au- zwischen der DDR und der BRD wurde schon gust entlassen wurde. Ich bekam die Mittel, am 18. Mai unterzeichnet und trat am 1. Juli die Hilfsmaßnahmen zu erweitern; sie wurden in Kraft. Die alsbaldige Vereinigung beider jetzt nun vom Ministerpräsidenten verkündet deutscher Staaten durch den Beitritt der DDR und beruhigten bei ihrer späteren Umsetzung zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der einige Symptome der Situation. Die SPD verließ BRD wurden als Staatsziele festgeschrieben. die Koalition, nachdem auch der sehr unbe- Damit waren Ziel und Weg festgelegt und ein queme Finanzminister (SPD) entlassen worden hohes Tempo programmiert. Ich war Mitglied war. Ich meine, beide dienten vor allem als in der Regierungskommission der DDR für die Sündenböcke. Damit endete auch mein Regie- Verhandlungen mit der BRD zu dem Staats- rungsamt am 20.August. Ich glaube heute, dass vertrag und Unterhändler für die Agrar- und unser Austritt aus der Koalition ein Fehler war. Ernährungswirtschaft. In ebenso harten wie Die weitere Teilhabe der SPD-Fraktion an der anständigen Verhandlungen mit dem BML Regierungsverantwortung wäre der Wahrung kam es zu notwendigen grundsätzlichen Fest- unserer Interessen im Einigungsvertrag viel- legungen über die Preispolitik, die Förderung leicht besser bekommen. des Anpassungsprozesses sowie über finanzielle Anpassungshilfen, die zwar beträchtlich aber Am Tag der Deutschen Einheit im Jahr 1990 nicht auskömmlich waren. Die Partner hatten fühlte ich mich sehr befreit. Ich war glücklich sich zwar bewegt, aber der von uns kalkulierte darüber, dass uns die friedliche Revolution der Bedarf war nicht weiter verhandelbar. Die Mittel Deutschen in der DDR den Weg eröffnet hatte, waren dringend nötig, denn die Einführung in eine demokratisch verfasste Gesellschaft der DM würde harsche Umbrüche einleiten. Die einzutreten und dass ich im politischen Mandat Wirkungen waren noch größer als vermutet. In beherzt daran mitwirken konnte. der DDR entstand schlagartig eine hochgradig krisenhafte Situation. Sie hatte im Agrarsektor Mit dem Einigungsvertrag vom 31. August zudem besonders spektakuläre Züge, weil es war ich sehr unzufrieden. Unsere Handschrift sich bei den Agrarprodukten zum Beispiel um war nicht mehr deutlich zu erkennen. Die lebende Tiere und verderbliche Erzeugnisse Bodenreform blieb zwar unangetastet, aber handelt. Die Nachfrage der Bevölkerung die agrarpolitischen Gesetze der Volkskammer nach einheimischen Produkten verringerte waren betroffen. Der Vertrag bildete schließ- sich dramatisch mit entsprechenden Folgen lich das Regelwerk für die Ausgestaltung der für die Liquidität der Wirtschaftseinheiten. Einheit! Ich konnte ihm nicht zustimmen. Das Instrumente der Marktregulation wurden wir- Landwirtschaftsanpassungsgesetz passte wahr- kungslos. In unseren Betrieben gab es keine scheinlich nicht zu dem bäuerlichen Leitbild marktwirtschaftlichen Erfahrungen, und die der konservativen Mehrheiten im Bundestag. Produktion war zu teuer. Der Ministerpräsident Das Gesetz wurde für eine spätere Neuberatung empfing Unmutsbekundungen aus allen Lan- in den neu gewählten Bundestag übernommen desteilen über die schleppende Versorgung mit und dabei entkernt. Die bodenpolitischen Ge- den hoch begehrten Westprodukten, und bei setze waren verschwunden. Sie störten gewiss mir stapelten sich die Hilferufe der Landwirte Absichten zur Bodenverwertung, wie sie später und der Verarbeiter, die auf ihren Erzeugnissen von der Treuhandanstalt praktiziert wurden. sitzen blieben. Eilige Hilfsmaßnahmen hatten wir schon im Juli auf den Weg gebracht. Sie Während meiner anschließenden Tätigkeit als konnten gar nicht so schnell greifen, und es Abgeordneter und Vorsitzender des Ausschusses entstand eine sehr explosive Stimmung, die für Landwirtschaft im Landtag von Mecklen- sich in der großen Demonstration der Bauern burg-Vorpommern bis zum Frühjahr 1993 ZEITZEUGEN | 117 spürte ich sehr bald, wie sehr diese Defizite im Gestaltung bester Bedingungen für die eigene Einigungsvertrag die Gesundung und Erstar- wissenschaftliche Arbeit mitwirken zu können. kung der Agrarbetriebe bei uns behinderten. Ich hatte allerdings den Eindruck, dass es Jetzt, 17 Jahre nach der Deutschen Einheit, gibt manchen Mitarbeitern anfangs nicht leicht fiel, es starke und leistungsfähige landwirtschaftli- sich auf die neuen Freiheiten und die größere che Betriebe in unserem Bundesland, aber die eigene Verantwortung einzustellen. Probleme der Flächenausstattung sind immer noch nicht ausgestanden. Inhaltlich ging es darum, die Forschungsberei- che als Leistungsträger zu konsolidieren und Am Jahresende 1992 übernahm ich, zunächst die wissenschaftliche Thematik zu hinterfra- ehrenamtlich, als Vorstand die Leitung des gen. Dabei waren die satzungsgemäßen Gremi- Forschungsinstitutes für die Biologie landwirt- en des FBN sehr hilfreich. Es ging auch darum, schaftlicher Nutztiere (FBN) in Dummerstorf die Interdisziplinarität über geeignete Hebel zu gleich nach dessen Gründung. Es geschah fördern und die Wissenschaftler zum Aufbau kaum aus alter Anhänglichkeit. Vielmehr er- von Kooperationsbeziehungen anzuregen. Für schien mir die Möglichkeit, in einem Abschnitt die Perspektive des FBN und in Vorbereitung des Neubeginns und des Aufbaus unter den auf die bevorstehende nächste Evaluierung war Bedingungen der Demokratie nachhaltige ein zukunftsfähiges Alleinstellungsmerkmal Entscheidungen für die Entwicklung gerade in partnerschaftlicher Diskussion mit den dieses Instituts treffen zu können, reizvoll und Mitarbeitern zu entwickeln, dem künftig alle für das Land wichtig. Der freiwillige Mandats- verpflichtet waren. Dieses sah ich in dem Ansatz verzicht ersparte mir jeden möglichen Vorwurf einer systemischen Forschung, welche die ver- des Lobbyismus. schiedenen im Institut vorhandenen Forschungs- richtungen und Disziplinen zur komplexen Das FBN ist eine Stiftung des öffentlichen Untersuchung der Vorgänge zusammenführt, Rechts des Landes Mecklenburg-Vorpommern welche den Tierleistungen zu Grunde liegen. und hatte knapp 300 Mitarbeiter. Es steht unter der Dienstaufsicht des Landwirtschaftsmini- Das FBN hat diesen Weg auch nach meinem sters. Zu dem Minister Martin Brick bestand Ausscheiden aus dem Institut konsequent weiter immer ein störungsfreies, vertrauensvolles verfolgt. Unter der Leitung von Prof. Manfred Verhältnis; er hat niemals versucht in die Schwerin und mit motivierten Mitarbeitern Einrichtung „hineinzuregieren“. Ich halte es steht es jetzt nach einer neuerlichen Evaluie- übrigens für sehr töricht, wenn sich Leiter von rung der Leistungen als eine Einrichtung da, Landeseinrichtungen mit der Landesregierung deren Ausstrahlung zunimmt. Die kooperative überwerfen. Sie tragen große Verantwortung Anbindung an die Universität Rostock ist enger dafür, dass die Schnittstelle zwischen Politik als je zuvor. Das Forschungspotential in Dum- und Wissenschaft funktioniert. merstorf hat sich seit 1990 wirklich erneuert und ist in einer freiheitlichen, wettbewerbs- Im FBN begann eine intensive Bautätigkeit in orientierten „Scientific Community“ bestens einem vorher nie gekannten Umfang. In ho- aufgestellt. hem Tempo wurde daran gegangen, die gesam- te materielle Substanz des Instituts zu sanieren, Bei der Neuausrichtung und dem Ausbau der zu modernisieren oder gänzlich Neues zu außeruniversitären wissenschaftlichen Einrich- schaffen. Dazu gehörten auch die Ausrüstun- tungen und dem Aufbau neuer Institute ist in gen. Dabei waren stets auch die Mitarbeiter in unserem Land seit 1990 überhaupt viel erreicht die konzeptionellen Arbeiten und sogar in die worden. Im Vergleich dazu erscheint mir die Bauaufsicht einbezogen. Ich hoffte, sie hielten Erneuerung der Hochschulen noch längst nicht es für einen glücklichen Umstand, selbst an der abgeschlossen. 118 | ANHANG

Der ersten sozialdemokratische Regierung reichen Universitäten und Hochschulen wurde unter Harald Ringstorff gehörte ich als Minister viel (wenn auch nicht ausreichend) investiert. für Bildung, Wissenschaft und Kultur von 1998 Im Lande wurden moderne und bürgernahe bis 2002 an. Die Ausfüllung dieses Amtes, in Verwaltungen aufgebaut, und die politischen welchem ich auch dem Wohl der Universitäten Organe der Demokratie funktionieren. Dies ist unseres Landes verpflichtet war, gehört in eine noch nicht alles. Für nur 17 Jahre sind das ge- weiteres Kapitel meiner Biografie. Ich möchte waltige Leistungen und eine Erfolgsgeschichte. es am heutigen Nachmittag eigentlich nicht Das wird leider sehr schnell vergessen; und ich mehr öffnen. mag mir gar nicht ausmalen, wie unser Land unter den Bedingungen der DDR bei ihrem rapiden wirtschaftlichen Verfall heute aussehen würde. Aus der Diskussion: Wahrscheinlich war es vom damaligen Bun- Raimund Schneider: deskanzler taktisch kalkuliert, aber ganz sicher Wie sehen sie das Blühen oder das Ver- war es für die Ausgestaltung der Deutschen Ein- blühen oder das Gar-Nicht-Erst-Blühen heit schädlich, die Erwartungen der Menschen an positive Veränderungen schon zu Anfang Mecklenburg-Vorpommerns? 1990 in unrealistische Höhen zu schrauben. Es braucht alles mehr Zeit als ursprünglich versprochen und von den Menschen geglaubt Diese Frage kann man nicht beantworten, wurde. Helmut Schmidt hatte den Rostockern indem man sich nur am gegenwärtigen Ist-Zu- im Januar oder Februar 1990 in einer Anspra- stand orientiert und dabei wahrscheinlich sehr che auf dem Universitätsplatz eine realistische- viele Unzulänglichkeiten entdeckt. Als Zeitzeu- re Einschätzung gegeben, als er sagte, es würde ge ist es meine Aufgabe, selbst erlebte Entwick- schwer werden, aber wir würden es schaffen. lungen im Land seit dem Bezugsjahr 1990 und Das wollte aber niemand so gerne hören. bis heute zu betrachten. Unter dieser Sicht ist unser Land Mecklenburg-Vorpommern tat- Die genannten Entwicklungen im Land waren sächlich „erblüht“. Das betrifft ganz entschei- nur mit gewaltigen Finanztransfers möglich. dende Positionen, die ich nun auch konkret Hier erweitert sich die Frage umgehend auf das benennen muss: Mit viel Mühe und viel Geld „Erblühen“ selbst tragender Wirtschaftsstruktu- wurde fast die gesamte Infrastruktur erneuert: ren. Es ist ganz zwangsläufig, dass die Entwick- Verkehrswege, die Leitungsnetze, Energie- und lung der Wirtschaft seit 1990 den natürlichen Trinkwasserversorgung, Kommunikationssy- Ressourcen der Region und den Traditionen steme, Klärwerke. In der Landschaftspflege, im des Landes folgte. In unserem Land gibt es Umwelt- und Küstenschutz gibt es sehr positive jetzt eine hocheffiziente, ertragsstarke Agrar- Veränderungen. Die Stadtkerne sind saniert; wirtschaft mit traditionell großen Strukturen. die Denkmalpflege hat vorher nie gekannte Eine belastende Konsequenz der notwendigen Dimensionen erreicht. Die Wohnbedingungen Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft für sehr viele Menschen haben sich unver- ist die Einsparung zahlreicher Arbeitsplätze. gleichlich verbessert. Die Krankenhäuser sind Das Ernährungsgewerbe ist erstarkt und es gibt in weit besserem Zustand als vorher. Moderne hier noch viele Möglichkeiten. Die maritime und leistungsfähige Versorgungseinrichtungen Industrie und die Hafenwirtschaft haben über- für die Lebenshaltung der Bevölkerung sind lebt, sind modernisiert und profitieren von der flächendeckend entstanden. Viele Schulen Globalisierung. Die Tourismusindustrie hat wurden rekonstruiert oder neu errichtet. Die sich kontinuierlich entwickelt und belegt einen wissenschaftlichen Institute sind beispielhaft Spitzenplatz in Deutschland. Das sind wichtige erneuert, und auch in die, für unser Land zahl- Beispiele für standortbezogene positive Ent- ZEITZEUGEN | 119 wicklungen. Aber insgesamt steht unser Land Sind Ihnen da auch als Wissenschaftler niemals weit hinten in der Rangliste der Wirtschaftslei- ethische Bedenken gekommen, dass Sie quasi tungen Deutscher Bundesländer. mit hunderttausenden von Tieren solche Ver- suche machen und letztendlich mit dem Leben Damit dies nicht so bleibt, bedarf es vermehrt auch ein wenig rumspielten? innovativer Ansätze jenseits der bisherigen wirtschaftlichen Traditionen. Dazu wird auch Wissenschaftler sind immer neugierig und die Politik beitragen müssen, indem sie sich spielen auch manchmal etwas herum. Ich vor allem bemüht, das Bildungswesen und die hatte und habe aber überhaupt keine Be- Forschung und Entwicklung zu stärken. Die denken, wenn jemand zum Beispiel unter Einrichtungen in diesem Sektor sind dabei ge- Verwendung der Eierstöcke geschlachteter fordert, Profillinien möglichst selbst zu entwic- Rinder Embryonen erzeugt und diese mikro- keln, Schwerpunkte zu setzen, die Kräfte durch skopisch kleinen Häufchen von Zellen in die Kooperationen zu bündeln, Ideen zu generieren Gebärmütter von Ammentieren einsetzt. Ich und ganz konsequent eine gesellschaftlich kenne diesbezüglich auch keine kompetenten nützliche Verwertung ihrer Ergebnisse anzu- Bedenkenträger. Wer dies aus ethischen Gründen streben. Die junge Generation, darunter auch ablehnt, müsste auch die künstliche Besamung Absolventen unserer Hochschulen, ist eingela- ablehnen. Als Technik kann der Embryotransfer den sich bei uns stärker als bisher anzusiedeln allerdings auch für die Einschleusung genetisch und auch unternehmerisch tätig zu werden. manipulierter Embryonen verwendet werden. Auch hier kann die Politik wirksam helfen. Der vorherrschende Zukunftspessimismus bringt Gegenüber gentechnischen Manipulationen uns nicht voran. Wir brauchen Optimismus, am Erbgut hege ich heute grundsätzlich weit auch die Bereitschaft, in ganz verschiedenen größeres Misstrauen als früher: Kaum haben gesellschaftlichen Bereichen auf manche Be- wir das versiegelte Töpfchen geöffnet, stochern sitzstände zu verzichten und Entscheidungen wir schon munter darin herum. Das ist gewiss schnell voran zu bringen. Die Entscheidungs- eine große Versuchung! Wir können aber nicht träger müssen dazu übergehen, in übergreifen- „weiser“ sein als die Evolution. Systemische den Projekten und dabei systemisch zu denken Konsequenzen sind nicht vorherzusehen. Die und zu agieren und sich bereit finden, auf Populationen landwirtschaftlicher Nutztiere ressortverhaftete Kleinteiligkeit zu verzichten. kann man noch kontrollieren. Aber die Repro- Wenn sich dieser Wunschkatalog erfüllt, hat duktion von windblütigen Pflanzen und frei unser schönes Mecklenburg-Vorpommern gute lebenden Tieren wohl eher nicht, und es kann Aussichten, auf eigenen Grundlagen zu „erblü- uns dabei gehen wie dem Zauberlehrling. hen“ und keine traditionell arme Region und kein Auswanderungsland zu bleiben. Im FBN Dummerstorf hatte ich einmal Besuch von einer Gruppe ganz junger Molekulargeneti- ker aus einem asiatischen Land, alle Professoren. Heiko Marski: Sie erzählten sehr fröhlich und sehr stolz, was sie alles gentechnisch manipulierten und auch Ursprünglich hatte ich drei Fragen, die ich auf freisetzten: Verschiedene windblütige Pflanzen, zwei zusammenschmelzen möchte. Sie haben Maulbeerbäume, Seidenraupen, Parasiten in Sei- vorhin sehr ausführlich über ihre Forschung denraupen, Schlupfwespen, die wieder an diesen im Bereich des Embryotransfers berichtet. Das Parasiten parasitierten, auch Wirbeltiere und so heißt, Sie wollten die Embryonen von Fleisch- weiter. Mir blieb fast die Spucke weg. kühen in Milchkühe einpflanzen, um einerseits die Milchquote aufrecht zu erhalten, anderer- Ich sehe allerdings die Gefahr, dass irgendwo seits die Fleischproduktion steigern zu können. in der Welt immer alles, was machbar zu 120 | ANHANG

sein scheint, auch gemacht wird: Wo Hunger angewandte Fragestellungen untersucht, z.B. bekämpft werden muss, wo es um großen Profit - Bürgerschaftliches Engagement und Sozial- geht, wo imperiale Ansprüche bestehen, und wo kapital in ländlichen Gemeinden, solche Ideologien die Staaten beherrschen, wel- - Wissensmanagement zur nachhaltigen Land- che die Allmacht des Menschen verkünden. Wir nutzung, sind aber nicht die Herren sondern nur ein Glied - Alternative Vermarktungsformen landwirt- der Natur unseres kleinen Planeten, der unsere schaftlicher Produkte, einzige Heimat ist. Und wir tun gut daran, die - Risikomanagement in landwirtschaftlichen Gleichgewichte und Ausgleichsmechanismen Betrieben, in der Natur zu erforschen, um sie nicht zu - Landwirtschaftliche Berufsausbildung, überfordern, sondern uns darin einzubetten und - Nutzung von Informations- und Kommu- unser Tun danach auszurichten. Das heißt für nikationstechnik (IKT) und E-Learning in mich zugleich, dass es für Wissenschaftler keine ländlichen Regionen. Tugend ist unpolitisch zu sein. In diesem Zusammenhang bestand eine direkt Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsmi- nisterium in Schwerin zum einen im Rahmen Stellungnahmen der Studie „Das soziale und aktive Dorf“ (2006) und im Rahmen einer SWOT -Analyse für das zu Fragen der Entwick- Entwicklungsprogramm ländliche Räume lung des Ländlichen Mecklenburg-Vorpommern (EPLR) Entwick- lungsprogramm ebenfalls in 2006. Raums in MV Bei aller Kritik und angesichts der Größe der ökonomischen und soziale Probleme, die mit –––––––––––––––––––––––––––––– dem Vereinigungsprozess verbunden waren, Dr. Lutz Laschewski, muss man fest halten, dass der friedliche Über- Sozialwissenschaftler, Neustrelitz gang von einer sozialistischen in eine bürger- lich-demokratische Gesellschaft in den neuen Bundesländern ausgesprochen erfolgreich gelungen ist. Das gilt insbesondere für den Aufbau funktionierender staatlicher Strukturen, die Erhaltung des sozialen Friedens und eine wachsende wirtschaftliche Prosperität für große Teile der Bevölkerung. Trotz aller Divergenzen, Interessenkonflikte und sozialen Verwerfungen sowie der durch die modernen Informations- technologien und die Globalisierung bedingten, zusätzlichen gesellschaftlichen Dynamik ist es gelungen, die Probleme in zivilen, weitgehend Seit 1993 habe ich als Sozialwissenschaftler die konstruktiven und demokratischen Entschei- agrarstrukturelle Entwicklung und den drama- dungsprozessen zu diskutieren und zu einem tischen Wandel in den neuen Bundesländern großen Teil auch erfolgreich zu bewältigen. wissenschaftlich begleitet. Diese Arbeit wurde in Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern etwa 60 wissenschaftlichen Beiträgen in deut- und seine Institutionen werden von der großen scher und englischer Sprache dokumentiert. Mehrheit der Bürger des Landes getragen und Neben eher analytischen Beiträgen wurden ex- unterstützt. Davon war Anfang der 1990er Jahre plizit in Mecklenburg-Vorpommern zahlreiche (erinnert sei z.B. an Ereignisse in Lichtenhagen STELLUNGNAHMEN | 121

1991) durchaus nicht auszugehen. Ich bin op- oder die scheinbare Gesetzmäßigkeit immer timistisch, dass diese positive Verankerung und knapper werdender Kassen in den öffentlichen das Vertrauen in die öffentlichen Institutionen Haushalten.) des Landes in den nächsten Jahren weiter zu- Der technokratische Politikstil findet seinen nehmen kann, wenn es gelingt, einerseits solide Niederschlag auch in der geringen Berück- und pragmatisch, den anstehenden gesell- sichtigung regionaler Identitäten. So werden schaftlichen Problemen (z.B. die demografische bspw. Landwirtschaft und Essen primär als Entwicklung, die Funktionsfähigkeit der Kom- technisch-biologische Fragen aufgefasst. Fra- munen) wie bisher konstruktiv zu begegnen gen z.B. der (regionalen) Ernährungskultur und andererseits die Bürger noch stärker als und des Naturverständnisses bleiben in der bisher in die politischen Entscheidungs- und politischen Planungspraxis unberücksichtigt Planungsprozesse einzubinden. und/oder werden als irrational oder ideologisch abgetan. Dies führt jedoch dazu, dass der öf- Es ist bisher wenig gelungen, der extremen In- fentliche Protest, sei es als Widerstand gegen dustrialisierung der Landwirtschaft und des Er- Massentierhaltungsanlagen, die „Vermaisung“ nährungssektors alternative und für die nach- ganzer Landstriche oder gegen gentechnischen haltige Entwicklung der ländlichen Räume in Anbau zunimmt. Um im politischen Diskurs Mecklenburg-Vorpommern wünschenswerte wahrgenommen zu werden, muss dieser Protest Entwicklungsmodelle gegenüber zu stellen und technisch argumentieren, obwohl er im Kern zu etablieren, die die Belange der regionalen moralische Natur ist und Fragen einer gerech- Bevölkerung stärker berücksichtigt. ten sozialen Teilhabe, der regionalen Identität und eines angemessen Umgangs mit der Natur In der Agrar- und Regionalpolitik herrscht nach zum Gegenstand hat. wie vor ein technokratischer Politikstil vor, der gesellschaftliche Fragen zu oft als technische Die technokratische Politik hat es bisher un- Probleme (z.B. des Baus von Straßen, der terlassen, eine positive Debatte über regionale Erzeugung erneuerbarer Energien, Biotechno- Identitäten im Land zu führen. Konzepte logien, der Schutzes der Natur) definiert. Die wie das „Gesundheitsland“ oder der Bezug (positiven als auch negativen) sozialen Effekte auf die schöne Umwelt verbleiben auf einer der Umsetzung von politischer Maßnahmen technischen-biophysischen Ebene. Das u.a. (oder auch der Erhaltung unsinniger Förder- führt dazu, dass in politischen Teilbereichen politiken) werden zu wenig berücksichtigt. kleine Interessengruppen die (historische) Dies kommt in besonderer Weise auch in der Deutungshoheit über gesellschaftliche Fragen gegenwärtigen Forschungsförderung zum kapern, wobei das Interesse großer Teile der Ausdruck. Sozialwissenschaftliche Begleitfor- Bevölkerung ignoriert wird. So wird bspw. die schung wird meist gar nicht oder nur marginal BVVG-Privatisierungsdebatte einerseits von als Anhängsel großer technischer Projekte (mit Alteigentümern beherrscht, die den Eindruck oft geringem Ertrag realisiert). Innovationen erwecken wollen, dass der Großgrundbesitz werden auf technische Innovationen reduziert, sozusagen ein „natürlicher“ Bestandteil während für soziale Innovationen kaum ernst- Mecklenburg-Vorpommerns und deshalb hafte Förderbemühungen existieren. nahezu ein unabänderliches Phänomen sei, und andererseits einer kleinen agrarischen Genährt wird dieser Politikstil durch eine Rhe- Funktionselite, die von den historischen Um- torik des Sachzwanges, die das Wünschenswerte brüchen zufällig profitiert hat und den Ein- mit den Argumenten (scheinbarer) Sach- druck erwecken will, dass sie die Bewahrer einer zwänge vom Tisch zu wischen versucht (z.B. „ostdeutschen“ agrarischen Identität seien, ökonomische Zwänge in der Landwirtschaft, die weshalb staatliches Vermögen zu möglichst Unabänderlichkeit des demografischen Wandels günstigen Bedingungen in ihr Privatvermögen 122 | ANHANG

zu überführen sei. Die legitimen Interessen –––––––––––––––––––––––––––––– anderer gesellschaftlicher Gruppen, z.B. der Corinna Cwielag, Familien der Flüchtlinge aus den ehemaligen Geschäftsführerin des BUND Mecklenburg- deutschen Gebieten, die nach 1945 nahezu die Vorpommern, Schwerin Hälfte der Bevölkerung Mecklenburgs-Vorpom- merns ausmachen sowie landwirtschaftliche Existenzgründer, oder die allgemeinen gesell- schaftlichen Interessen bei der Gestaltung der Agrarstruktur ( dass heisst u.a. die Interessen der nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung, die die überragende Mehrheit der Bevölkerung des Landes stellen), werden in diesem Zusammen- hang kaum artikuliert.

Ich wünsche mir vorrangig: Wo konnte ich mich einbringen? In Gemeinderäten und Kreistagen (z.B. Umwelt- • Entwicklung positiver (aber auch realisti- ausschuß Landkreis Parchim), in Bürgerinitia- scher) Visionen für das ländliche Leben und tiven gegen Fehlentwicklungen, die vorhandene eine nachhaltige ländliche Entwicklung in Arbeitsplätze, Wohnplätze, Natur und natürliche Mecklenburg-Vorpommern; Ressourcen vernichtet hätten, z.B. Bürgerinitia- • Unterstützung (nicht nur materiell, sondern tive „Langenhagener Seewiesen” und gegen eine insbesondere auch ideell) von alternativen Mülldeponie in Augzin, Initiative „Goldberger landwirtschaftlichen Modellen; Land gentechnikfrei“, in Umwelt-und Natur- • eine konsequente Verlagerung der staatlichen schutzverbänden: z.B: Grüne Liga, BUND, im Förderungen von den physischen Investi- Agrarbündnis Mecklenburg-Vorpommern, dem tionen zur Förderung der Menschen (was Zusammenschluß der Naturschutzverbände nicht bedeutet, das Geld nur in technische mit landwirtschaftlichen Verbänden und dem Forschung & Entwicklungen zu stecken oder Tierschutz jetzt Schulgebäude anstelle von Straßen zu bauen, sondern Kommunikationsprozesse zu Was ist gut gelungen? fördern!); • die systematische soziale Wirkungsanalyse • Ausbau der Infrastruktur für Telekommunika- aller politischer Programme und Projekte; tion: ermöglicht Arbeiten aus dem ländlichen • umfassende Partizipation der Bevölkerung in Raum allen öffentlichen Vorhaben und der Gestal- • Aufbau von Abwasseranlagen und Abwasserrei- tung vom Politik nigungsanlagen, NICHT die Dimensionen (tw. • mehr Mut, die Besonderheiten der ländlichen überdimensioniert und mit Pflanzenkläranla- Regionen (kleine Einheiten, große Distanzen, gen besser erreichbar) wenig Menschen) nicht nur negativ als „Prob- • Ansätze zum Ausbau des Radwegenetzes, lem“, sondern als „Qualität“ zu definieren. NICHT des Wanderwegenetzes • großflächige Umstellung auf ökologischen Landbau grundsätzlich, NICHT die Entwick- lung von Verarbeitungs- und Vermarktungs- strukturen

Was ist überhaupt nicht gut gelungen? • Erhalt bzw. Entwicklung dezentraler Struktu- STELLUNGNAHMEN | 123

ren für Schlachtung und Milchverarbeitung be nach Arbeitsintensivität (nur der Nachweis mit kurzen Wegen, stattdessen Schaffung der Lohnkosten sollte die Abzüge mindern von Großstrukturen für Schlachtung und können), Milchverarbeitung Bindung der Direktzahlungen nicht mehr nur • Förderung art-und umweltgerechter an geltende gesetzliche Standards, sondern an Tierhaltung mit Erhalt bzw. Schaffung von darüber hinausgehende wirksame ökologische Arbeitsplätzen Anforderungen, • Förderung der Forschung und Anwendung von obligatorische Agrarumweltleistungen: ökologi- Agrogentechnik (FINAB, Agrobiotechnikum) sche Vorrangflächen auf mindestens 10 Prozent • Reduzierung von Schadstoff-und Nährstof- der Betriebsfläche, Mindest-Fruchtfolgen, feinträgen durch geeignete agrarpolitische Ausgeglichene N- und Humus-Bilanzen, Kein Steuerung im Rahmen der Direktzahlungen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen, sowie der Agrarumweltprogramme Grünlanderhalt sowie Anhebung der Tier- • Schulpolitik für den ländlichen Raum: schutzstandards. Niedergang der dezentralen Bildungsstruktur, Schließen von Kindergärten, Schulen, Sport- In der Landesplanung muss die Überlagerungs- stätten, kaum qualitativ gute außerschulische klausel von Tourismus- und Landwirtschafts- Bildung (Musikschulen, Tanz Programm- räumen geändert werden. In den touristischen Jugendclubs), keine Förderung von Breiten- Schwerpunkt- und Entwicklungsräumen muss sport und Erhalt und Betreuung geeigneter die Art der landwirtschaftlichen Nutzung mit dezentraler, preiswerter Sportstätten den touristischen Zielen vereinbar sein. • Die Verteilung der Strukturmittel für die Entwicklung des ländlichen Raumes: Die Gemeinden im ländlichen Raum müssen Beispiel Ländlicher Wegebau: Hunderte Kilo- so gestärkt werden, dass sie in der Lage sind, die meter Feld- und Wiesenwege, auch Waldwege Aufgaben der Kommunalverfassung selbständig verschwinden seit 1990 unter Asphalt- und erfüllen und eigene Entwicklungsziele umset- Betondecken. Insgesamt sind mehrere Tausen- zen zu können. de Kilometer ländliche Wege versiegelt worden. Überwiegend öffentliche Interessen, wie der Erarbeitung eines „Aktionsplans Ökologischer Natur- und Landschaftsschutz oder die Touris- Landbau für Mecklenburg-Vorpommern“ für musentwicklung, spielen dabei fast keine Rolle 20 % Ökolandbau-Fläche bis 2015 mit und werden auch in den Genehmigungsver- Entwicklung des ökologischen Landbaus fahren nicht ordnungsgemäß einbezogen. durch Erhöhung der Umstellungsförderung Die verausgabten Millionen haben weder für Acker- und Grünland auf 250 €/ha und Arbeitsplätze noch Arbeitsplatzstrukturen wie der Beibehaltungsprämie auf 200 €/ha sowie den Erhalt bzw. Aufbau des verarbeitenden durch Zahlung eines finanziellen Ausgleich für ländliches Handwerk geschaffen. erforderliche Investitionen in die ökologische Nutztierhaltung Was wünsche ich mir für die weitere Förderung der handwerklichen Verarbeitungs- Entwicklung des ländlichen Raumes? betriebe und der Direktvermarktung ökologi- scher Erzeugnisse. Soziale und ökologische Ausgestaltung der Aufbau eines „Kompetenzzentrums Ökologische Direktzahlungen, bei der Neuausrichtung Lebensmittelwirtschaft“ in Mecklenburg-Vor- der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik pommern, in dem alle Aktivitäten koordiniert, (GAP) nach 2014. Dazu zählt die Bindung der vernetzt und gebündelt werden, Direktzahlungen an verbindliche soziale und Ausbau der Ökolandbau-Forschung in der Lan- ökologische Kriterien: desforschungsanstalt zur Produktionstechnik Staffelung der Direktzahlungen für Großbetrie- und zu regionalen Anbau- bzw. Sortenversu- 124 | ANHANG

chen, zur ökologischen Vermarktung, u. a. zur in der Heimvolksschule von Fritz Klaut dort, Wirtschaftlichkeit, Bio-Marketing und Kaufver- mit seinem Freund, meinem späteren Mentor halten sowie zur Sozioökonomie. Entwicklung 1964, der Sozialdemokrat Wilhelm Kleinenberg, standort- und betriebsstruktur-typischer Bio- vielleicht auch mit Adolf Reichwein und Stu- Demonstrations-Betriebe, denten aus Halle. Mein Onkel, der 1933 in Kiel promovierte und die Bücherverbrennung dort Förderung besonders art- und umweltgerechter, bewusst und sehr kritisch erlebt hat, konnte bäuerlicher Nutztierhaltung im Neuland-Pro- mecklenburgisches Platt. Sein Vater wiederum, gramm mit Auslauf, Stroheinstreu und hofei- John Henderson Mennige, Lehrer und Gymna- genem, gentechnikfreien Futter für die Tiere. sialdirektor in Aberdeen, besuchte einen Som- Stärkere Förderung der Weidehaltung durch ein merkurs an der Universität Greifswald 1910, Weideprogramm zur langfristigen Nutzung des vorher 1904 in Marburg, um seine Deutsch- Grünlandes mit Milchkühen. kenntnisse für den Unterricht zu verbessern, da Keine staatlich geförderte Forschung zur er eine Kollegin ersetzen musste. Agrogentechnik im Land und keine Freiset- Meine Beziehungen zu Mecklenburg-Vorpom- zungsversuche sowie kein großflächiger Anbau mern kamen über meine Arbeit beim Förder- genveränderter Pflanzen. Anbauverbot von kreis Alte Kirchen e.V. (Marburg) zur Erhaltung gentechnisch veränderten Pflanzen auf allen und Nutzung gefährdeter Kirchen zustande. Landesflächen. Bereits 1985 lernte ich den Leiter des Bauamtes Ausbau der ländlichen Infrastruktur: Ländliche der damals „Greifswalder“ Landeskirche, 1990 Wege dürfen nicht in erster Linie asphaltiert Pommersche Kirche, Günter Kirmes bei einer und mit Beton befestigt werden. Hier sind Le- Tagung an der Evangelischen Akademie Mühl- bensqualität und der Wert von Landschaften heim an der Ruhr kennen. Er gab mir wertvolle nicht nur eindimensional zu betrachten. So Informationen für meinen Bericht für den darf der Erhalt naturtouristisch reizvoller Land- Europarat in Straßburg (Doc. 6032 1989) zur schaftselemente, die Bewahrung des landeskul- Lage aufgegebener religiöser Gebäude in Eur- turellen Erbes nicht regelmäßig den Bedürfnis- opa. 1989/90 lernte ich Bent Böhnke kennen, sen landwirtschaftlicher Großbetriebe geopfert Leiter der kirchlichen Baustelle in Güstrow. werden. Wir brauchen eine Landesinitiative 1991 besuchte ich Mecklenburg und Vorpom- zum Erhalt unserer traditionellen Dorfstruk- mern, lernte viele schöne alte Kirchen kennen, turen, zum Erhalt von Kopfsteinpflaster, von auch die damit verbundenen Gutshäuser und historisch wertvollen Gebäuden im ländlichen Dörfer. Ich konnte einen Preis des europäischen Raum, von Sandwegen, von Feldsteinmauern – Denkmalschutzverbandes für die Rettung, von alldem, was den Charme ländlicher Räume Erhaltung und Nutzung der Alten Kirche in Alt- ausmacht. Sammit vermitteln. Ich war gleichzeitig aktiv im internationalen Verband für den ländlichen Raum ECOVAST, Gründungsmitglied 1984, Vor- standsmitglied, später Vize-Präsident und Prä- –––––––––––––––––––––––––––––– sident, z.Zt. noch Vorsitzender der Deutschen Angus Fowler, Sektion. 1991 vermittelt durch die Familie Kunsthistoriker, Bauforscher, Böhnke fand ein Treffen ECOVAST Mitglieder in Marburg Marienhof unweit Güstrow statt. Bei verschiede- nen Gesprächen wurden dann die Seminare für Dorfentwicklung von ECOVAST gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung/Büro Schwerin, (Mein angeheirateter Onkel, Duncan Macken- Martin Just entwickelt und durchgeführt, nach- ziel Mennige aus Aberdeen, Germanist und her auch in anderen östlichen Bundesländern, Nordist, war um 1931 in Prerow auf Darss wohl unter der Leitung von ECOVAST Mitglied Detlev ZEITZEUGEN | 125

Simons, später Vorsitzende der Deutschen Sekti- verursachen werden, und dies häufig durch on. In Verbindung mit der Übergabe des Europa mittelmäßige oder gar schlechte und wenig Nostra Preises in Alt-Sammit durch den ehem. gefühlvolle westliche Architekten, Ingenieure Schweizer Botschafter in der DDR, Alfred Wac- und Planer. ker, fand eine gemeinsame Tagung von ECO- VAST und Europa Nostra zur Kulturlandschaft In Zukunft muss alles getan werden, um den Mecklenburg-Vorpommern in Güstrow statt, ein ländlichen Raum und Dörfer aktiv und leben- gemeinsamer Aufruf zur Erhaltung der Kultur- dig zu halten und die Erhaltung und Nutzung landschaft in MV insbesondere zur Erhaltung des wertvollen natürlichen, architektonischen der schönen Baum-Alleen im ländlichen Raum und kulturellen Erbes zu gewährleisten. M-Vs wurde verabschiedet. Vermittelt durch ECOVAST Mitglied Maria Meier Greshoff, half ECOVAST und ich persönlich u.a. mit Hans –––––––––––––––––––––––––––––– Schwiderski bei Gründung und Aufbau der AG Urlaub und Freizeit auf dem Lande in M-V. Dr. Sibylle Berger, In engem Zusammenhang mit den ECOVAST Landwirtin und Kunsthistorikerin, Veranstaltungen hat ECOVAST Mitglied Gerda Venze auf Rügen Stachowitz das Buch „Mecklenburger Dörfer/ Was bleibt, was kommt?“ verfasst. Durch G. Stachowitz und mch in enger Zusammenarbeit mit Rolf-Peter Bartz und verbunden mit der Als berufliche Quereinsteiger haben mein Mann Übergabe eines weiteren Europa Nostra Preises, und ich seit 1995 den Hof meiner Großeltern auch von mir vermittelt, diesmal für die Ret- wieder belebt. In unserem landwirtschaftlichen tung, Erhaltung und Nutzung der Gutsanlage Betrieb (350 ha Acker, 150 ha Wiesen) beschäf- in Tellow, kam es dann zur Gründung der AG tigen wir ganzjährig vier Mitarbeiter. Dank des Erhaltung und Nutzung von Gutsanlagen in Engagements des Teams gelang nicht nur der M-V. Später konnte ich die Hilfe des Förderkrei- Betriebsaufbau, sondern auch die Sanierung ses Alte Kirchen Berlin-Brandenburg (ich war einer historischen Gutsanlage. Seit mehreren dort Vorsitzender 1996-2006) für den Verein Wahlperioden bin ich parteiloses Gemeinderats- Dorfkirchen in Not in Mecklenburg und Vor- mitglied für die SPD. pommern vermitteln. In enger Anlehnung an Nicht gelungen ist die Entwicklung einer viel- einem schon in Brandenburg vorhandenen und schichtigen mittelständischen Landwirtschaft. von der Robert-Bosch-Stiftung Wettbewerb für Dies wurde in der Wendezeit durch eine unse- junge Fördervereine und Gruppen mit inno- lige Allianz der PDS-Nachfolger (industrielle vativen Ideen zur Erhaltung und Nutzung von Landwirtschaft im Kollektiv) mit den Macht- Dorfkirchen konnte ein ähnlicher Wettbewerb habern der CDU (private Kapitalkonzentration „Startkapital“ in M-V eingerichtet werden. und Gewinnerzielung) erreicht. Verstärkt durch Denn die Dorfkirchen sind wichtige Identi- pauschale ideologische Barrieren in den Köpfen fikationssymbole, meist die bedeutendsten der Amtsinhaber wurde ein Engagement ehe- Denkmäler in Ortschaften und heute häufig maliger Eigentümer flächendeckend erschwert. Kristallisationspunkte bürgerschaftlichen Ein- Stattdessen wurden Großstrukturen etabliert, satzes im ländlichen Raum. bei denen viele Betriebe die Flächen mehrerer enteigneter Güter bewirtschaften. Dies führte Es ist seit 1990 viel für den ländlichen Raum zu einer Verarmung der Kulturlandschaft auf in M-V getan worden. Schlecht finde ich aber sozialer, kultureller und ökologischer Ebene: im Rahmen von Dorferneuerung den Einsatz schlechter und falscher moderner Baumateri- Die hochtechnisierte Landwirtschaft braucht alien, die in Zukunft viele bauliche Probleme nur wenige Arbeitskräfte, die häufig auch nur 126 | ANHANG

als Saisonarbeiter gehalten werden. Die Betrie- –––––––––––––––––––––––––––––– be selbst sind durch größenbedingte Kostende- Karin Johannsen, gression und die ha-bezogenen EU-Subventio- Museumsleiterin, Dishley nen hoch lukrativ. Die Politik der Nachwende hat so zu neuen „Grafschaften“ und großem Reichtum bei Wenigen geführt. In dieser Leere ist für Menschen wenig Raum, das betrifft auch den Arzt und den Lehrer. Für die Dorfbevölke- rung, als Arbeitskräfte wenig gebraucht, ist eine echte Teilhabe an der Wirtschaft nicht möglich. Den Einstieg in solche Betriebe können sich nur finanzkräftige Investoren aus dem Westen oder ehemalige LPG-Kader mit „gut gelunge- ner Umstrukturierung“ leisten. Hier liegt auch ein Teilaspekt, der erklären könnte, dass die ländliche Bevölkerung nicht in dieser Gesell- 1. Wann, wie und ggf. wo konnte ich schaft ankommen kann und sich dem Rand mich einbringen bei der Entwicklung zuwendet. des Ländlichen Raums von Mecklen- burg-Vorpommern? Diese Agrarindustrie benötigt die historischen Dorfstrukturen nicht mehr. Eine an sich an Mit dem Wegfall der alten Strukturen aus der historischen Gebäuden (von der Scheune, der DDR-Zeit mussten neue geschaffen werden. Arbeiterwohnung, dem Bauern- und Gutshaus) Im Jahre 1991 wurde ein Verein auf der Ten- reiche Landschaft verfällt. Der alte Kirchweg ne der alten Schulstelle in Göldenitz, dem oder die Allee fallen der Arrondierung zum Landschulmuseum, gegründet - „Auf der Opfer. Tenne“ e. V. - . Wichtigstes Anliegen war es damals, die Kultur- und Freizeiteinrichtungen Die biologische Artenvielfalt ist auf den über des Landkreises Rostock nicht zu schließen, 100 ha großen Schlägen in Vorpommern gerin- zu verkaufen oder artfremd zu nutzen. Sie ger als in städtischen Räumen. sollten den Einwohnern der Region weiter zur Verfügung stehen. Dazu zählte auch das Es wird höchste Zeit, dass die Agrarsubven- Landschulmuseum, welches in dieser Zeit, als tionen an gesellschaftsrelevante Leistungen es eher die Ausnahme war, den neuen Weg der gekoppelt werden. freien Trägerschaft einschlug, erfolgreich, wie sich gezeigt hat. Seit dieser Zeit genieße ich hier als Leiterin die Chance, an der kulturellen Vielfalt der Region mitzuarbeiten.

Wir haben - unsere Region bekannt gemacht mit Ausstel- lungen zur Schulgeschichte, in handwerkli- chen wie künstlerischen Angeboten, interna- tionalen Symposien, u. a. - beziehen die Region ein durch bürgerschaftli- ches Engagement, Gemeinschaftsprojekte, u. a. - uns mit Ausstellungen und Kontaktherstel- STELLUNGNAHMEN | 127

lung in den Schulneu- und –umbau einge- 4. Was wünsche ich mir vorrangig für bracht mit Blick in andere Bundesländer, die die weitere Entwicklung des Ländli- Schweiz, u. a. chen Raums von Mecklenburg-Vor- - uns in die Diskussion der Schulsysteme ein- pommern? gebracht, mit Blick in Schulversuche in MV, nach Dänemark, die Niederlande, u. a. Die so genannten „freiwilligen“ Aufgaben für - die interkulturelle Zusammenarbeit und Bil- den Kulturbereich in die Pflichtaufgaben zu dung belebt mit Blick nach Finnland, Italien, überführen, um eine stetige und dauerhaft Ukraine, Senegal, Brasilien, u. a. qualitativ hochwertige Arbeit leisten zu können. Der Verein „Auf der Tenne“ e.V. ist heute ein Kultur ist kein nettes Anhängsel, was zur Auf- etablierter Verein, der für Kinder, Jugendliche besserung des Images nützlich ist, sondern ein und Senioren da ist – in Kindertagesstätten, menschliches Grundbedürfnis. Jugendclubs, in kulturell und künstlerisch geprägten Einrichtungen sowie in einem Altenhilfezentrum. www.aufdertenne.de –––––––––––––––––––––––––––––– Karin Kaspar, 2. Was ist in den vergangenen 20 Diplomökonomin, Grüssow Jahren im Ländlichen Raum von Mecklenburg-Vorpommern (sehr) gut gelungen?

Es haben sich gediegene Strukturen heraus- gebildet, die einen Wandel von anfänglicher Masse und Themenüberschneidungen zu einer gesunden Vielfalt vollzogen haben. Unter der Voraussetzung, dass nicht weiter gespart wird, sind durch geeignete Kooperation sinnvolle Ergänzungen, Synergieeffekte möglich, zwi- schen kulturellen Einrichtungen selbst, kom- Wann, wie und ggf. wo konnte ich mich munalen Einrichtungen, Wirtschaft, Vereinen, einbringen bei der Entwicklung des Tourismus, etc., die zum Wohle der ländlichen Ländlichen Raums von M-V? Region weiter gedeihen können. Als Kommunalpolitikerin einer Gemeinde mit einer Einwohner„dünne” von 18 E/km² waren 3. Was ist in den vergangenen 20 die Politikfelder sehr vielfältig: Jahren im Ländlichen Raum von Meck- Schule auf dem Lande, medizinische Grundver- lenburg-Vorpommern überhaupt nicht sorgung, ÖPNV, Verkehrsentwicklung, Teilhabe gelungen? am kulturellen Leben, Knüpfung sozialer Netzwerke, ja selbst die Organisation von Ortsv- Eine ausreichende Ausstattung mit Fachkräften ereinsarbeit im Rahmen meiner SPD-Mitglied- und angemessene finanzielle sächliche Grund- schaft – das alles ist bei solchen Entfernungen ausstattung gelingt nicht immer. nur mit außerordentlicher Hartnäckigkeit zu Es ist eine Tendenz zu beobachten, soziale bewältigen. Dem habe ich mich seit der Kom- Probleme mit sozial Benachteiligten lösen zu munalwahl 1990 sowohl auf Gemeinde- als wollen, statt mit qualifizierten Angeboten den auch auf Kreisebene gestellt. Nach Beendigung Problemen vorzubeugen, sich ihrer anzuneh- meines Berufslebens nach einer längeren men, um rechtzeitig handlungsfähig zu sein. Krankheitsphase konnte konnte ich die bis da- 128 | ANHANG

hin gesammelten Erfahrungen auch in aktiven Was ist in den vergangenen 20 Jahren Projekten anwenden. Hier einige Beispiele: im Ländlichen Raum von M-V sehr gut 2000: Gründung des Fördervereins Usedomer gelungen? Achterland e.V. mit dem Ziel, durch Projekte, Aktionen und Initiativen die Rahmenbedin- Das „Energieautarke Dorf“ ist das erste Pro- gungen für eine eigenständige Entwicklung des gramm, dass auch finanzschwachen Kom- Usedomer Achterlandes zu entwickeln und zu munen eine Perspektive eröffnen kann. Ohne erproben. Dabei sollen die Achterlandgemein- fürsorgende Beratung und ggf. intelligente den von der guten Entwicklung der Ostseebäder Anschubfinanzierung werden es aber nur die partizipieren. Die Handlungsfelder waren die wenigsten nutzen können. touristische Entwicklung sowie die Ankurbe- lung der regionalen Wirtschaftskreisläufe. Dies Was ist in den vergangenen 20 Jahren scheint gelungen, da der Verein inzwischen in im Ländlichen Raum von M-V über- alle Politikfelder der Insel einbezogen ist. haupt nicht gelungen? 2000-2002: Mitwirkung an der Erarbeitung des Naturparkplanes und seitdem Mitarbeit im Die Erarbeitung von konkreten Entwick- Naturparkbeirat lungsstrategien für besonders dünn besiedelte 2005-2007: Mitwirkung bei der Erarbeitung des und gleichzeitig territorial schlecht vernetzbare Tourismuskonzeptes 2015 des Tourismusver- (z.B. Insellage) Räume scheitert immer wieder bandes Insel Usedom hinsichtlich der Herau- an der Finanzverteilung. Die Ausrichtung der sarbeitung von Entwicklungspotenzialen des regionalen Raumplanung auf die Zentren wirkt Usedomer Achterlandes sich bei allen Beteuerungen in der konkreten 2003-2007: Mitwirkung bei der Erarbeitung der Situation nachteilig für die Ländlichen Räume Verkehrskonzeptes Usedom – Wolin 2015 aus. 2007/2008: Durchsetzung der „Kleinen Schule Insbesondere die Sicherung der verfas- auf dem Lande“ in Zirchow sungsmäßig garantierten Aufgaben der Das- 2006-2010: Verhinderung des Baus eines einsvorsorge erscheint mir bisher nicht ansatz- Steinkohlekraftwerkes am Industriestandort weise gelöst. Vor dem Hintergrund der Heraus- Lubminer Heide forderungen, die sich aus dem Klimawandel Gegen wärtig arbeite ich intensiv an folgenden ergeben, halte ich gerade die dazu notwendige Projekten: Verhinderung der Ausweitung der Auseinandersetzung als ein Gebot der Stunde. Lagerung von atomaren Abfällen im Zwisch- enlager Nord und den damit verbundenen Was wünsche ich mir vorrangig für die Castortransporten, Entwicklungkozept für weitere Entwicklung des ländlichen den Industriestandort Lubminer Heide, Wie- Raums in M-V? derinbetriebnahme der Eisenbahnverbindung Berlin-Ducherow-Karnin-Swinemünde- Ich wünsche mir, dass Heringsdorf, Stauabbau durch Einführung von • die Beratung zur EU-Förderpolitik, am Kreisverkehren auf der Insel Usedom, Stärkung Beispiel der skandinavischen Länder orien- der Demokratie durch Erhöhung der Leistungs- tiert, institutionalisiert und als offensives und Kompetenzfähigkeit der Inselkommunen Angebot an die Kommunen entwickelt wird, durch Zusammenschluss von Gemeinden und • die Projektförderung individueller, einzel- Sicherung der Gemeindehoheit durch Zusam- fallorienterter und einfacher handhabbar menführung von Legislative und Exekutive in gestaltet werden muss, einer Gemeinde Usedom, Neugestaltung von • zur Finanzierung der Daseinsvorsorge und Kulturförderung im ländlichen Raum uvm. gesellschaftlichen Teilhabe der Bevölkerung im Ländlichen Raum die Spielräume der Modulation, die im Vertrag von Lissabon STELLUNGNAHMEN | 129

zur „Gemeinsamen Agrarpolitik“ festge- wir beide aktive Rentner, sind nach wie vor an schrieben sind und der im Dezember 2009 landwirtschaftlichen Problemen interessiert in Kraft getreten ist, konsequenter gerade und nehmen am dörflichen Leben teil. Von hierfür eingesetzt werden. Dafür kann das 1992 bis 2009 war ich neben meiner landwirt- Operationelle Programm ein geignetes schaftlichen Tätigkeit außerdem ehrenamtliche Instrument sein. Bürgermeisterin von Banzkow und konnte somit an der Entwicklung unserer Gemeinde viele Jahre aktiv dabeisein, aktiv mitgestalten. –––––––––––––––––––––––––––––– Es ist unschwer zu erkennen, dass Banzkow heute ein attraktives Dorf ist. Die Menschen Solveig Leo, leben gern hier und fühlen sich wohl, sie Diplomagraringenieur, Banzkow nehmen am Dorfgeschehen regen Anteil und sind jederzeit zur Mitwirkung bereit. Nicht nur bei den Wettbewerben „Unser Dorf hat Zukunft“ (Goldmedaille im Bundeswettbewerb 2007) und im Europawettbewerb „Entente Florale“ (Silbermedaille 2010) haben wir das eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Auch bereits vor der Wende hat die Dorfgemeinschaft zu- sammengehalten und gemeinsam gestaltet. Die Gemeindevertretung konnte auf dieser Bereit- schaft aufbauen und die neuen Möglichkeiten umfassend nutzen. Vorteilhaft war und ist, dass Als ich 1964 vor der Entscheidung stand, als Ab- es nach 1990 bei uns keinerlei Parteienstreit solventin einer landwirtschaftlichen Fachschule gab, alle an einem großen runden Tisch sitzen die zukünftige berufliche Herausforderung und mit den Bürgern gemeinsam über die zu finden, habe ich nicht lange überlegt. Es Gemeindeentwicklung entscheiden. So konnte zog mich und meine Studienfreundin Gudrun die vorhandene Infrastruktur ( Schule, Kita, Schumann nach Mecklenburg, nach Banzkow. Ärzte, Einkaufsmöglichkeiten, örtliches Hand- Der damalige Vorsitzende der LPG „Clara werk, Gastronomie .....) erhalten und erweitert Zetkin“ suchte auf der Landwirtschaftsausstel- werden. Es gibt auch keine verfallenen Gebäude lung „ agra“ in Leipzig für die Genossenschaft oder nicht mehr benötigte landwirtschaftliche junge Fachkader und zeigte uns interessante Anlagen. Sie wurden auf der Grundlage der berufliche Perspektiven auf. Mit großem Enthu- Ortgestaltungsplanung umgenutzt bzw. abge- siasmus traten wir die Reise in das „ Abenteuer rissen. Die Ansiedlung neuer Gewerke wurde Praxis „von Thüringen nach Mecklenburg an. unterstützt. Der Lewitz- Pflegedienst z.B. ist Wir haben unsere Entscheidung nie bereut, heute mit über 120 Beschäftigten der größte im Gegenteil. Unsere Vorstellungen von einer Arbeitgeber in der Gemeinde. Die demografi- kontinuierlichen beruflichen Entwicklung und sche Entwicklung erhöht den Pflege- und Be- einem vielseitigen Leben auf dem Lande haben treuungsbedarf, denn leider ist der traditionelle sich voll erfüllt. Wir konnten Landwirtschaft in Familienverband zur Pflege der Angehörigen der Lewitz in immer größer werdenden Struk- immer weniger vorhanden. Pflegedienste über- turen erfolgreich mitgestalten, das war für uns nehmen zunehmend diese Aufgabe, schaffen ständiger Anreiz, eine große Herausforderung damit aber gleichzeitig wieder Arbeitsplätze. und erfüllte uns mit Stolz. Zur Zeit der Wende Andererseits brauchen die Beschäftigten der war ich Leiterin der Agrar-Industrie- Vereini- Pflegedienste eine intakte Infrastruktur, um gung „Lewitz“, Gudrun Schumann Direktorin den komplizierten Schichtdienst meistern zu der 18 000-er Färsenanlage in . Jetzt sind können. Die Gemeindevertretung trägt viel 130 | ANHANG

zum Funktionieren dieser neuen Strukturen Dazu sind die Einwohner sicherlich bereit, frag- bei. Sie unterstützt auch die umgebildete lich ist allerdings, ob diese Bereitschaft für die landwirtschaftliche Genossenschaft bei der zukünftige Gestaltung der Wettbewerbsfähigkeit Einführung neuer Technologien z.B.Biogas. der ländlichen Räume ausreicht. Hier ist auf je- Dabei hat sich die Weiterführung der landwirt- den Fall die große Politik in der Verantwortung. schaftlichen Produktion nach 1990 in unseren traditionell großen Strukturen bewährt .Die gegenwärtige politische (Wahlkampf-) Diskus- –––––––––––––––––––––––––––––– sion zu einschneidenden Veränderungen der Strukturen und Wirtschaftsformen ist deshalb Wolfgang Kniep, wenig hilfreich, denn die Agrargenossenschaft Lehrer, Liedermacher, Leisterförde ist ein wichtiger Partner in der kommunalen Entwicklung. Sie ist auch Bestandteil des vor kurzen neu erarbeiteten Leitbildes für die Leg- witzregion, zu der unsere Gemeinde gehört. Die Einwohner wurden in die Erarbeitung mit einbezogen, über alle neuen Vorhaben infor- miert und ihre Meinung gehört. Mit großer Unterstützung des Amtes wurden bisher viele Fördermöglichkeiten erschlossen und im Sinne der Umsetzung der Dorfentwicklungskonzep- tion genutzt. Das ist zukünftig im bisherigen Umfang sicher nicht mehr möglich. Ein großer Als erster frei gewählter Bürgermeister der Schatz für die Gemeinde sind unsere schon Gemeinde Gallin war ich unmittelbar nach der langjährig aktiven Vereine, die alle die Wende Wende Mitbegründer der Bürgerinitiative gegen überstanden und ihre seit Generationen viel- den Erweiterungsflughafen HH-Fuhlsbüttel, der seitigen Aktivitäten fortgesetzt und ausgebaut im Raum zwischen Schaalsee und Boizenburg haben. Der Karnevalsverein gestaltet jetzt seine geplant war. 58. Saison und das Banzkower Blasorchester Nach erfolgreicher Abwehr dieses Ansinnens wurde 2010 anläßlich seines 40-jährigen Beste- legten wir als Gemeinden Gallin und Valluhn hens mit dem Kulturpreis des Kreises Parchim an der A24 den Grundstein zum heute größten ausgezeichnet. Weitere neun Vereine tragen Logistikzentrum in M-V. den unterschiedlichen Freizeitbedürfnissen Als Reaktion auf die ausländerfeindlichen Aus- der Bürger mit ihrer Tätigkeit Rechnung. Im schreitungen in Rostock-Lichtenhagen grün- Dorfgemeinschaftshaus „Störtal“ (einer ehe- dete ich im Herbst 1992 die Jugendinitiative TU maligen Gaststätte) finden viele Vereine räum- WAS, mit der ich vier Jahre lang jeden Samstag liche Möglichkeiten für ihre Aktivitäten. Bisher praktischen Naturschutz betrieb und auch das war die Dorfentwicklung von einem ständig Asylbewerberheim Hof Gallin einbezog. steigendem Niveau geprägt, das weiterzuführen Leider fand all dies keinen Eingang in die muß unser gemeinsames Anliegen sein. Bei kürzlich erschienene Galliner Dorfchronik. den gegenwärtigen komplizierten finanziellen Gut gelungen ist die Umsetzung des letzten Rahmenbedingungen wird das sehr schwer Volkskammerbeschlusses zum Naturschutz werden. Gerade heute brauchen die ländlichen (Nationalparkprogramm), die Umstrukturie- Räume vielfältige zukunftsorientierte Arbeits- rung der Landwirtschaft , allerdings verbunden möglichkeiten, nachhaltige Wirtschaftsformen, mit Wegfall von Arbeitsplätzen, der Ländliche Investitionen in den Bereichen Tourismus, IT- Wege- und Straßenbau, die Sanierung der Bereich, Dienstleistungen usw. und mehr denn Wohngebäude - die Dörfer sind bunter gewor- je ein großes bürgerschaftliches Engagement. den - , aber Wegfall „anheimelnder“ Struktu- STELLUNGNAHMEN | 131 ren (Schule, Konsum, Kneipe…) • eine schnelle Umsetzung bestehender (z.B. Im ehemaligen „Schutzstreifen“ aufgewachsen, Moorschutz, Wasserrahmenrichtlinie) und durfte ich nach dem Studium nicht in mein nachhaltige Entwicklung neuer Programme Elternhaus zurück ziehen und verbrachte 25 und Gesetze unter Einbezug der Bürger. Jahre im „Exil“ (Gallin). Dass ich heute wieder • dass dadurch bei der Entscheidung junger in Leisterförde wohne und Hauptinitiator des Menschen, hier zu bleiben oder weg zu zie- dortigen Landschaftspflegevereins bin, ist für hen, Lebensqualität und Arbeitsplatz gleich mich Hauptgewinn der „Wende“, aber auch mit hohen Stellenwert erlangen. unnötigen Problemen verbunden. • die Schaffung nachhaltiger Arbeitsplätze und Besonders im grenznahen Raum hatte ich mir endlich gleichen Lohn für gleiche Arbeit in „Dorferneuerung“ ganz anderes vorgestellt! Ost und West. Statt durch das DDR-Regime beseitigte Ge- • Nur so können wir verhindern, dass M-V das bäude (vor allem im „Schutzstreifen“) neu zu Altersheim Norddeutschlands wird. errichten bzw. Bebauung wieder zuzulassen, besteht grundsätzlich Bauverbot. Ausnahmen bilden lediglich im Rahmen so genannten „pri- –––––––––––––––––––––––––––––– vilegierten Bauens“ errichtete Gebäude. Dieses „Programm“ - eigentlich für landwirtschaftli- Hans-Thomas Sönnichsen, che Wiedereinrichter gedacht - wurde allerdings Diplomagraringenieur(FH), Dissau oft auf abstruse Weise missbraucht. Ähnlich misslungen ist das Thema Landerwerb: Sowohl durch BVVG (Treuhand) als auch durch Privatpersonen wurden Landver- und –ankäufe getätigt, die nicht unbedingt illegal, moralisch zumindest fragwürdig und von der einheimischen Bevölkerung oft schwer nach- vollziehbar sind. In diesen Themenkreis fallen auch die teilweise Privatisierung des „Grünen Bandes“ (eigentlicher Grenzstreifen) durch das Bundesvermögensamt und die grenzenlosen Waldverkäufe durch das Land M-V. Sie öffnen Bereits im Sommer 1990 habe ich als Mitarbei- Spekulation und Unterwanderung des Natur- ter der Schleswig-Holsteinischen Landgesell- und Landschaftsschutzes Tür und Tor! schaft den Aufbau und die Einrichtung der Durch die Währungsunion wurde das Vermö- Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern gen der Ostdeutschen quasi halbiert. Ergo kam vorbereitet und unterstützt. Nach Gründung der ein „Investor“ in der Regel aus dem Westen. Gesellschaft war ich gemeinsam mit Herrn ​ Dem geschuldet verschwanden viele dörfliche Dr. Thomas Pitschmann deren Geschäftsführer. Kleinstrukturen. So ist z.B. im herrlichen Die Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpom- Schaaletal auf 20 km touristischem Wander- mern ist satzungsgemäß mit der Entwicklung weg von ehemals fünf Gaststätten keine mehr der ländlichen Räume, schwerpunktmäßig mit vorhanden. der Förderung landwirtschaftlicher Betriebe zur Verbesserung der Agrarstruktur beauftragt. Ich wünsche mir: Durch die Aufgabe der Landgesellschaft • dass Allgemeinwohl vor Privatinteressen konnte ich unter anderem sehr früh bei der gestellt wird. Das bedeutet Beschneidung Kor- Feststellung der Eigentumsverhältnisse im ruption fördernder Privilegien (vor allem bei Auftrag der Treuhandanstalt und des Lan- Bau, Landerwerb und Jagd) zugunsten von des Mecklenburg-Vorpommern maßgeblich Naturschutz und Landschaftsentwicklung. mitwirken. Diese Feststellung und ggf. eine 132 | ANHANG

Neuordnung nach dem Landwirtschaftsan- Innerhalb der Landwirtschaft sind aufgrund passungsgesetz (Flurneuordnung) waren we- des hohen Mechanisierungsgrades nur begrenzt sentliche Voraussetzungen zur Durchführung Arbeitsplätze verfügbar. von Investitionen. Durch die Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern hat aufgrund seiner Mecklenburg-Vorpommern konnte ich mit- natürliche Ressourcen im Bereich der Land- wirken bei der Förderung landwirtschaftlicher wirtschaft, des Fremdenverkehrs und sicherlich Betriebe im Zusammenhang mit Neu- und auch im Schiffbau weiterhin gute Chancen, Wiedereinrichtung sowie der Umstrukturierung bisher Erreichtes zu festigen und auszubauen. Betriebe juristischer Personen ( frühere LPG), Es müssen aber Wege gefunden werden, beson- der Entwicklung ländlicher Räume mit der ders in den ländlichen Räumen Arbeitsplätze zu Durchführung von Flurneuordnungsverfahren. schaffen. Hierzu ist die Landespolitik sicherlich Flurneuordnungsverfahren haben wesentlich so auszurichten, dass ansiedlungswillige Be- zur Durchführung von Entwicklungsmaßnah- triebe (z.B. auch größere Veredelungsbetriebe) men wie den ländliche Wegebau und damit eine Chance zur Ansiedlung haben, ohne mit der Erschließung der ländlichen Räume, der überzogenen Auflagen zur Ansiedlungsgeneh- Durchführung von Dorferneuerungsmaßnah- migung und damit zur Erlangung einer Bau- men und damit zur Verbesserung der Lebens- genehmigung abgeschreckt zu werden. Wichtig und Arbeitsbedingungen im ländlichen Raum ist, dass die Wertschöpfung anzusiedelnder beigetragen. Betriebe im Land bleibt. Erschließung von Flächen für den Bau von Einfamilienhäusern sowie der Erschließung von Gewerbeflächen gehörten ebenfalls zu –––––––––––––––––––––––––––––– meinen Aufgaben über Tochtergesellschaften Dr. Jürgen Walter, der Landgesellschaft, der LGE und der EGS. Hochschulprofessor, Neubrandenburg Flächenbeschaffung für Maßnahmen der Infrastruktur (Bau der Autobahn A 20) und Flächenbeschaffung für Naturschutz- und Ausgleichsmaßnahmen gehörten mit zu mei- nen Aufgaben. Mecklenburg-Vorpommern hat eine hervorra- gende und auf Dauer eine entwicklungsfähige Agrarstruktur. Die Betriebsgrößen sowohl im Marktfruchtbereich wie auch die Verede- lungsbetriebe (Tierhaltung) sind sehr gut ausgerichtet und leistungsmäßig im Vergleich in Deutschland im vorderen Drittel. Diese Ent- wicklung ist auf die guten agrarstrukturellen Ich habe einen kleinen landwirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch die Agrarpolitik Nebenerwerbsbetrieb, der ökologisch bewirt- wie insbesondere auch auf die hohe Qualifika- schaftet wird, aufgebaut, alte zerfallene Bau- tion der Landwirte zurückzuführen. substanz zu unseren Wohnzwecken saniert und Bedrückend ist die hohe Arbeitslosigkeit in den damit die im ländl. Raum ansässigen Hand- ländlichen Räumen. Es ist nicht gelungen, werksbetriebe gefördert. für die in der Landwirtschaft weggebrochenen Arbeitsplätze neue und andere Betriebe anzusie- Der ländliche Raum hat u.a. eine ökologische deln. Mangelnde Qualifikation und Motivation Funktion. Durch den hohen Anteil an land- vieler Arbeitsloser in ländlichen Regionen wirtschaftlicher Nutzfläche, die ökologisches außerhalb der Landwirtschaft tätig zu sein, ist bewirtschaftet wird, ist eine Ökologisierung sehr sicherlich mit ein Grund für diese Entwicklung. gut gelungen. STELLUNGNAHMEN | 133

Ungenügend wurde die Stärkung der au- Nach der Auflösung und Abwicklung des ßeragrarischen Wirtschaft gefördert. Die Wissenschaftlich-technischen Zentrums für Lebensqualität und –perspektiven wurden Landwirtschaft im ehemaligen Bezirk Schwe- dadurch nur unzureichend entwickelt. Bil- rin im Jahre 1991 habe ich mit einer Gruppe dungs- und Kultureinrichtung zu erhalten bzw. junger Diplomlandwirte beim Norddeutschen auszubauen ist nicht hinreichend geglückt. Genossenschaftsverband die Agrarberatung Die Entwicklung des ländlichen Raums zu für Agrargenossenschaften aufgebaut, Hier Freizeit- und Erholungsgebieten ist nur punk- ging es in den ersten Jahren sehr intensiv um tuell erreicht worden. Die Nahversorgung im die Umwandlung ehemaliger LPG in Agrar- Gesundheitswesen, in Bildungs- und Jugend- genossenschaften und die damit verbundenen einrichtungen und Einrichtungen des täglichen zentralen Punkte der Gestaltung der Vermögen- Bedarfs sind nicht ausreichend vorhanden. sauseinandersetzung mit den ehemaligen LPG- Die Erwerbsstruktur hat sich dramatisch ver- Mitgliedern, aber auch um die Erarbeitung schlechtert. von Betriebskonzepten für die umgewandelten Genossenschaften, schwerpunktmäßig als Ich wünsche mir, dass: Grundlage für die Erlangung von öffentlichen • die struktur-, kultur- und bildungsschwa- Mitteln für Investitionen, aber auch zur Vorlage chen Regionen aufgewertet werden, bei der Treuhand als Voraussetzung zum Ab- • die Problembereiche und Schwächen stark schluss von Pachtverträgen und zur Regelung zurückgedrängt und die Potentiale in vielen der Altschuldenproblematik. Das hört sich sehr Bereichen – nicht nur in wirtschaftlichen - nüchtern an, war aber mit vielen subjektiv gefördert werden, belasteten Auseinandersetzungen und Vorbe- • um mit Richard Florida zu sprechen, sollten halten auf Seiten der öffentlichen Dienststellen TTT – Talente, Technologie und Toleranz– verbanden. in ländlichen Räumen Bestand haben. Ab 1999 bis zur Erlangung meines Rentenalters • Nur eine ganzheitliche Entwicklung des habe ich im Schweriner Landwirtschaftsmini- ländlichen Raums führt zum Erfolg. sterium die Abteilung Landwirtschaft, Ernäh- rungswirtschaft und Fischerei geleitet. Mein Hauptmotiv für den Wechsel war es, den Nach- –––––––––––––––––––––––––––––– weis zu erbringen, dass hiesige Fachleute, auch mit einer typischen DDR-Vergangenheit, sehr Dr. Gerhard Rudolphi, wohl in der Lage sind, erfolgreich für die Land- Diplomagraringenieur, Dummerstorf und Ernährungswirtschaft und den ländlichen Raum in unserem Bundesland tätig zu sein. Warum sollten das nur Verwaltungsleute aus dem Westen können? Dies waren spannende 11 Jahre mit viel persönlicher Anerkennung aus dem Berufsstand und von betroffenen Bürgern. Ich konnte also an markanten Stellen mitwir- ken, dass in Mecklenburg-Vorpommern eine moderne, leistungsfähige Land- und Ernäh- rungswirtschaft entstanden ist und der länd- liche Raum, trotz aller Probleme im sozialen Bereich eine funktionierende Infrastruktur hat Wann, wie und wo konnte ich mich einbringen bei der Entwicklung des Was ist in den vergangenen 20 Jahren Ländlichen Raums von Mecklenburg- im Ländlichen Raum von Mecklenburg- Vorpommern? Vorpommern sehr gut gelungen? 134 | STELLUNGNAHMEN

Die überwiegende Anzahl der landwirtschaft- wirte oft ungerechtfertigt diskreditiert. Dieser lichen Unternehmen sind mit modernen Ma- Konflikt ist aus meiner Sicht meistens subjektiv schinen, Stallanlagen und Wirtschaftsgebäuden bedingt, weil handelnde Personen oft Extrempo- ausgestattet. Sie verfügen über ein hohes Leis- sitionen aufbauen und nicht auf einen Konsens tungsniveau als Voraussetzung für wirtschaftli- bedacht sind. Erfolgreicher Umweltschutz in der che Stabilität. Der ökologische Landbau hat mit Fläche geht nur mit Landwirten! rund einem Zehntel an der landwirtschaftlichen Fläche einen überdurchschnittlichen Anteil in Was wünsche ich mir vorrangig für die Deutschland, auch diese Betriebe werden von weitere Entwicklung des Ländlichen hochqualifizierten Landwirten geführt und sind Raumes in Mecklenburg-Vorpommern? modern aufgestellt. Die Verarbeitungsstätten für landwirtschaftliche Produkte sind überwie- Eine ideologiefreie Fortsetzung der erfolgreichen gend völlig neu entstanden oder grundlegend Agrarpolitik. Ein Kernpunkt ist dabei, dass die modernisiert worden. Sie sind wettbewerbsfähig aktiven Landwirte in überwiegender Weise die auf die Zukunft ausgerichtet und produzieren Eigentümer der landwirtschaftlichen Flächen Lebensmittel in einer sehr guten Qualität bleiben oder werden. Mehr Verständnis auf beiden Seiten für ein nachhaltiges Wirtschaften, Was ist in den vergangenen 20 Jahren sowohl ökologisch und ökonomisch, aber auch im Ländlichen Raum von Mecklenburg- sozial. Es muss besser gelingen, junge fähige Vorpommern überhaupt nicht gelun- Schulabgänger für einen Beruf in der Landwirt- gen? schaft zu begeistern. Nur so kann der ländliche Raum sich auch künftig erfolgreich und lebens- In der Landwirtschaft bestehen die größten wert entwickeln. Defizite im Umfang der Wertschöpfung je Flä- cheneinheit. Dafür gibt es eine Reihe objektiver und subjektiver Ursachen. Bei der Zuteilung von Lieferrechten und Quoten sind die hiesigen Landwirte mit den Regelungen im Einigungs- vertrag wesentlich schlechter ausgestattet worden als die Nachbarn in den westlichen Bundesländern, Das trifft für Milch-, Zucker- rüben- und Stärkekartoffellieferrechte zu, aber ebenso für die Kutter-und Küstenfischerei mit Dorschquoten. Eine weitere Ursache ist der Nie- dergang der Schweinehaltung. Die Stallanlagen waren völlig verschlissen, eine wirtschaftlich tragbare Weiterführung der Produktion nicht möglich und für eine grundlegende Moderni- sierung fehlte das Geld. Man muss aber auch nicht übersehen, dass die gute Flächenausstat- tung vieler Betriebe und die Vorzüglichkeit des Marktfruchtbaues nicht bei jedem Landwirt das Suchen nach neuen Lösungen angeregt hat. Ein Thema, das mir bei der obigen Fragestellung noch besonders am Herzen liegt, ist das Verhält- nis von Landwirtschaft und Umwelt. Hier hat sich ein erhebliches Konfliktpotenzial aufgebaut, das dem Umweltschutz abträglich ist und Land- ANHANG | 135 Zu empfehlende weiterführende Literatur

10 Jahre Bauernverband Mecklenburg-Vorpom- Dokumente des Landtages Mecklenburg-Vor- mern e.V., Schwerin 2001. pommern, in: www. dokumentation.landtag- mv.de Agrarbericht 2004 des Landes Mecklenburg-Vor- pommern (Berichtsjahr 2003). Schwerin 2004. Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum Mecklenburg-Vorpommern 2007-2013. Agrarbericht 2006 des Landes Mecklenburg-Vor- Schwerin 2009. pommern (Berichtsjahr 2005). Schwerin 2006. Friedrich-Ebert-Stiftung, Landesbüro Mecklen- Agrarbericht 2009 des Landes Mecklenburg-Vor- burg-Vorpommern (Hrsg.), Die Umsetzung der pommern (Berichtsjahr 2008). Schwerin 2009. EU-Agrarreform. Eine Halbzeitbewertung mit Ausblick in die Zukunft, Schwerin 2004. Bei uns in Mecklenburg-Vorpommern. Land- schaft – ländlicher Raum – Landwirtschaft, Historischer und geographischer Atlas von Berlin 2005. Mecklenburg und Pommern, Band 1 Mecklen- burg-Vorpommern. Das Land im Überblick. Beleites, Michael; Graefe zu Baringdorf, Fried- Schwerin 1995. rich Wilhelm; Grünbaum Robert, Klassenkampf gegen die Bauern. Die Zwangskollektivierung Hoffmann, Hans-Wilhelm, die Landwirtschaft der ostdeutschen Landwirtschaft und ihre Fol- in der DDR und der Übergang zu europaori- gen bis heute. Berlin 2010. entierten marktwirtschaftlichen Strukturen in Mecklenburg-Vorpommern, in: Agrargeschichte Buchsteiner, Ilona, Bodenreform und Agrarwirt- in Mecklenburg-Vorpommern aus europäischer schaft in der DDR, in: Leben in der DDR, Leben Sicht, H. 4, Rostock 1993. nach 1989 – Aufarbeitung und Versöhnung. Schwerin 1997, S. 9-62. Karge, Wolf, Geschichte – Gesichter – Ge- schichten. Entwicklung der ländlichen Region Buchsteiner, Ilona und Kuntsche, Siegfried im Nordosten Deutschlands zwischen Diktatur (Hrsg.), Agrargenossenschaften in Vergangen- und Demokratie, Einblicke Heft 14. Greves�������- heit und Gegenwart. 50 Jahre nach der Bildung mühlen 2011. von landwirtschaftlichen Produktionsgenossen- schaften in der DDR. Rostock 2004. Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Erste Wahlperiode. Bericht zur Arbeit des Landtages Neu, Claudia, Das soziale und aktive Dorf, (mit Mecklenburg-Vorpommern 1990 bis 1994. Theodor Fock und Lutz Laschewski), Schwerin 2000. hrsg. vom Ministerium für Ernährung, Land- wirtschaft, Forsten und Fischerei Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Zweite Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin, 2006. Wahlperiode. Bericht zur Arbeit des Landtages Mecklenburg-Vorpommern 1994 bis 1998. Neu, Claudia, Daseinsvorsorge im peripheren Schwerin 1998. Ländlichen Raum - am Beispiel der Gemeinde Galenbeck (mit Kristina Baade, Peter A. Berger Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Dritte et al.), hrsg. vom Ministerium für Landwirt- Wahlperiode. Bericht zur Arbeit des Landtages schaft, Umwelt und Verbraucherschutz Meck- Mecklenburg-Vorpommern 1998 bis 2002. lenburg-Vorpommern, Schwerin, 2007. Schwerin 2003. 136 | ANHANG

Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Vierte ländliche Gebiete – die künftigen Herausforde- Wahlperiode. Bericht zur Arbeit des Landtages rungen. Brüssel 2010. Mecklenburg-Vorpommern 2002-2006. Schwe- rin 2007. Steffens, Sabine, Wiege der Virusforschung. Eine Ausstellung zur 100-jährigen Geschichte Landwirtschaft 2010. Der kritische Agrarbericht. des Friedrich-Loeffler-Instituts. Greifswald- Schwerpunkt: Boden. Konstanz/Hamm 2010. Riems [2010].

Leitfaden zum Landwirtschaftsanpassungsge- Weber, Gerald, Neue Perspektiven für die setz. Bonn 1992. Agrarpolitik durch die EU-Osterweiterung, in: Hrsg. Friedrich-Ebert-Stiftung, Landesbüro Mitteilung der Kommission an das europä- Mecklenburg-Vorpommern, Die Umsetzung ische Parlament, den Rat, den europäischen der EU-Agrarreform. Eine Halbzeitbewertung Wirtschafts- und Sozialausschuss und den mit Ausblick in die Zukunft, Schwerin 2004, S. Ausschuss der Regionen, Die GAP bis 2020: 47-65. Nahrungsmittel, natürliche Ressourcen und