Plenarprotokoll 4/48 18.11.2004

Landtag Mecklenburg-Vorpommern

48. Sitzung 4. Wahlperiode

Donnerstag, 18. November 2004, , Schloss

Vorsitz: Präsidentin Sylvia Bretschneider, Vizepräsidentin Renate Holznagel und Vizepräsident Andreas Bluhm

Inhalt Dr. Gerhard Bartels, fraktionslos ...... 2765 B e s c h l u s s ...... 2766

Antrag der Fraktionen der PDS und SPD: Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: 60. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozia- Weiterentwicklung der Palliativmedizin lismus und der Beendigung des 2. Weltkrieges in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 4/1407 –...... 2766 – Drucksache 4/1406 –...... 2753 Peter Ritter, PDS ...... 2766, 2774 Dr. Norbert Nieszery, SPD...... 2753 Ministerpräsident Dr. ...... 2769 Bernd Schubert, CDU...... 2754 , CDU ...... 2770 Minister Helmut Holter...... 2755 Siegfried Friese, SPD...... 2772 Torsten Koplin, PDS ...... 2756 B e s c h l u s s ...... 2775 B e s c h l u s s ...... 2757

Antrag der Fraktion der CDU: Kinder- und Jugend-Gesundheitsvorsorgeinitia- tive des Landes Mecklenburg-Vorpommern – Rauchfreie Schule als erster Schritt Antrag der Fraktion der CDU: – Drucksache 4/1410 – ...... 2775 Einhaltung des Verfahrens zum Konne- xitätsprinzip bei Aufgabenübertragung Bernd Schubert, CDU...... 2775, 2783 – Drucksache 4/1409 –...... 2757 Minister Dr. Till Backhaus...... 2776, 2778 Dr. Armin Jäger, CDU ...... 2757, 2764 Torsten Renz, CDU ... 2778, 2781, 2783, 2784, 2785 Minister Dr. Gottfried Timm ...... 2758 Angelika Voland, SPD...... 2779, 2781, 2785 Heinz Müller, SPD...... 2761 Gerd Walther, PDS ...... 2781, 2784 Gabriele Schulz, PDS ...... 2762 B e s c h l u s s ...... 2785 2752 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004

Antrag der Fraktionen der PDS und SPD: Alexa Wien, PDS...... 2790 Fortführung des Innovationsprogramms Nach- Lilly Kühnel, SPD ...... 2791 wachsende Rohstoffe und Erneuerbare Energien (IPNREE) in Mecklenburg-Vorpommern B e s c h l u s s ...... 2792 – Drucksache 4/1408 – ...... 2786 Birgit Schwebs, PDS ...... 2786 Minister Dr. Till Backhaus...... 2787 Renate Holznagel, CDU...... 2788 Nächste Sitzung Hannelore Monegel, SPD ...... 2790 Mittwoch, 15. Dezember 2004 ...... … 2792 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2753

Beginn: 9.03 Uhr schränkt sich nicht nur auf die letzte Lebensphase des Patienten, sie schließt auch die psychosoziale Begleitung Präsidentin Sylvia Bretschneider: Meine Damen und der Familie vor und nach dem Tod des Angehörigen mit Herren, ich begrüße Sie zur 48. Sitzung des Landtages. ein. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Diese umfassende Betreuung der Patienten und deren Angehörigen erfordert ein multidisziplinäres Team, zu Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 13: Beratung dem neben Pflegepersonal und Ärzten auch Sozialarbei- des Antrages der Fraktionen der SPD und PDS – Weiter- ter, Psychologen, Seelsorger und Krankengymnasten ge- entwicklung der Palliativmedizin in Mecklenburg-Vorpom- hören können. Eines der eindrücklichsten Beispiele dafür mern, auf Drucksache 4/1406. bildet die pädiatrische Palliativmedizin beziehungsweise Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: Hospizarbeit, durch deren Hilfe selbst dauerbeatmete Weiterentwicklung der Palliativmedizin Kinder heute nicht mehr ihre letzten Lebenstage im Kran- in Mecklenburg-Vorpommern kenhaus verbringen müssen, sondern in den Kreis der – Drucksache 4/1406 – Familie zurückkehren können. Ich habe Berichte von be- troffenen Eltern im Arbeitskreis dazu gehört, die mich tief Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete berührt haben. Dr. Norbert Nieszery von der Fraktion der SPD. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Patien- Dr. Norbert Nieszery, SPD: Frau Präsidentin! Meine tenbetreuung durch Palliativ-Care-Teams beginnt bereits sehr verehrten Damen und Herren! Zu früher Stunde muss während des Krankenhausaufenthaltes und setzt sich ich Sie mit einem sehr ernsten und schwierigen Thema nach der Entlassung auch am Wochenende und nachts behelligen. Beim Schreiben der Rede fiel mir eine alte ambulant fort. So lassen sich Krankenhauseinweisungen lateinische Weisheit ein, die noch heute zahlreiche Kirch- allein aufgrund unzureichender Schmerztherapie oder turm- und Sonnenuhren in Italien ziert. Sie lautet: Omnia palliativmedizinischer Probleme weitgehend vermeiden. vulnerat ultima necat. Insbesondere nach der Einführung des Fallpauschalen- (Wolfgang Riemann, CDU: systems wird die ambulante Versorgung auch von unheil- Und das am frühen Morgen!) baren Patienten mehr noch als bisher gefordert. Enttäuschend ist allerdings die mangelnde Unterstüt- Ja, Herr Riemann, ich übersetze das auch für Sie. zung, die diese Art der Behandlung nach wie vor durch die (Heinz Müller, SPD: Für Herrn Krankenkassen erfährt. In der Folge sind viele Hospiz- Riemann musst du das auch.) und Palliativeinrichtungen chronisch unterfinanziert und arbeiten am Rande des finanziellen Zusammenbruchs. Dieses heißt übersetzt in etwas freier Form: Jede ein- Die stationäre Palliativmedizin ist zudem durch ihre mög- zelne Stunde schmerzt, die letzte tötet. Um den medizini- liche Einbeziehung in das Fallpauschalensystem bedroht. schen Umgang mit eben den letzten Stunden geht es mir Nach Aussage des Präsidenten der Bundesärztekammer, heute. Professor Hocke, lassen sich palliativmedizinische Leis- Das Begleiten von unheilbar kranken Menschen in den tungen nicht angemessen durch Fallpauschalen abbilden, Tod, die Linderung von Schmerzen, deren Ursache nicht was zu weiteren Finanzierungsengpässen führen könnte. mehr beseitigt werden kann, und die seelische Unterstüt- Besorgniserregend ist zudem, dass Fallpauschalen in die- zung der Angehörigen des Sterbenden stellen eine wich- sem Bereich der Medizin einen Zwang setzen könnten, tige und vielleicht die schwierigste Aufgabe eines jeden die Behandlungszeiträume zu kurz zu halten. Arztes dar. Das Bild des Arztes, der nachts mit seinem Die Krankenkassen sollten die Einführung des Fallpau- Pferdewagen zum Haus eines sterbenden Patienten eilt, schalensystems im Palliativ- und Hospizsektor eigentlich um ihm beim Kerzenschein eine schmerzlindernde Mor- verhindern. Leider haben sie das im Rahmen der An- phiumspritze zu geben, prägt noch heue die Idealvorstel- hörung im versäumt. Allerdings hat der Bun- lung vieler in Bezug auf den Arztberuf und auf die Sterbe- desgesetzgeber gesetzliche Grundlagen geschaffen, begleitung. Für die moderne Form dieser Behandlung auch palliativmedizinische und Hospizdienste im Rahmen benutzt man heute den Begriff „Palliativmedizin“. Und bei der integrierten Versorgungsmodelle anzubieten und an- dem Ihnen heute vorliegenden Antrag geht es um die gemessen zu finanzieren. Die Krankenkassen sind nun Absicherung und Weiterentwicklung palliativmedizini- gefordert, auf regionaler Ebene zusammen mit den Anbie- scher Strukturen in Mecklenburg-Vorpommern. tern die vom Gesetzgeber zum Wohle der Patienten ge- „Pallium“, Herr Riemann, kommt aus dem Lateinischen schaffenen Möglichkeiten zu nutzen und entsprechende Modelle zu erarbeiten. und bedeutet „Mantel“. Das Verb „palliare“ bedeutet im übertragenden Sinne „lindern“ beziehungsweise „stüt- Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen zen“. Nach der Definition der WHO ist eine palliativmedi- hauptamtliche ambulante Palliativdienste, die bisher lei- zinische Therapie die umfassende und aktive Behandlung der in Deutschland kaum existieren. Von den Krankenkas- von Patienten, deren Erkrankung einer kurativen Therapie sen wurden bisher in größerem Umfang und über einen nicht mehr zugänglich ist und für die das Behandlungsziel längeren Zeitraum nur die Arbeit der Brückenschwestern die bestmögliche Lebensqualität für sie selbst und ihre in Baden-Württemberg und der Homepairärzte in Berlin Angehörigen ist. Palliativmedizinische Maßnahmen er- gefördert. Von 1996 bis 2001 liefen Modellprojekte des möglichen unheilbar kranken Menschen ein Sterben in Bundesgesundheitsministeriums in Vorpommern und Würde, in einer vertrauten Umgebung und ohne Schmer- Südniedersachsen. Das Einzugsgebiet des Modellprojek- zen. Die Versorgung der Patienten muss sowohl im sta- tes in Mecklenburg-Vorpommern umfasste die drei Land- tionären als auch besonders in einem dünn besiedelten kreise Ostvorpommern, Nordvorpommern und die Insel Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern im ambulan- Rügen sowie die kreisfreien Hansestädte Stralsund, ten Sektor gewährleistet sein. Die Palliativmedizin be- Greifswald und die Stadt Demmin. 2754 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004

Das Palliativ-Care-Team, bestehend aus einem Brücken- währleisten. Ein Pilotprojekt in Greifswald, das von 1996 arzt und einer Brückenschwester, betreute in der Region bis 2001 lief, hat gezeigt, wie wichtig und sinnvoll eine sol- sowohl stationäre als auch ambulante Patienten in Zu- che Betreuung und Versorgung ist. Patienten äußerten sammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten, um sich überaus positiv und auch deren Angehörige waren Lücken im Übergangsbereich zwischen stationärer und von einer solchen Innovation begeistert. So fällt es tod- ambulanter Versorgung zu schließen. Entfernungen von kranken Menschen leichter, in ihrer häuslichen, wohlbe- 100 Kilometern bis zum Klinikum nach Greifswald sind für kannten Atmosphäre Pflege zu empfangen und in Ruhe Krebspatienten mit einer fortgeschrittenen Erkrankung und in Würde Abschied zu nehmen. einfach nicht mehr zumutbar und können von den Betrof- Das damalige Projekt wurde ausschließlich mit fenen auch teilweise überhaupt nicht mehr geleistet wer- 800.000 Euro vom Bundesministerium für Gesundheit den. Deshalb sind gerade in einem Flächenland wie dem finanziert. Von 1996 bis 2001 gab es keine Förderung vom unseren kompetente Palliativmediziner zur häuslichen Land und von den Krankenkassen. Von 2001 bis 2002 Betreuung der Patienten so wichtig. blieb das Projekt in der Schwebe und lief erst Mitte 2002 Eine unserer Hauptforderungen ist es, dass wenigstens wieder an. Von dieser Zeit an wurde es durch die Kran- bei jedem Tumorzentrum eine Palliativstation eingerichtet kenkassen finanziert mit einem Budget von 160.000 Euro wird, damit Synergieeffekte zwischen der ambulanten und pro Jahr und Palliativ-Care-Team. Wir, meine Damen und der stationären Versorgung zugunsten der Patienten und Herren, müssen uns nun einerseits dafür einsetzen, dass zur Entlastung der Kostenträger ausgeschöpft werden diese Projekte keine Modellprojekte bleiben, und anderer- können. Das Modellprojekt „Krebsschmerzinitiative seits dafür Sorge tragen, dass die finanzielle Absicherung Mecklenburg-Vorpommern“ in Greifswald hat gezeigt, und Unterstützung durch die Krankenkassen weiterhin dass die Tätigkeit von Palliativ-Care-Teams zur verbes- gewährleistet werden können. Nur mit deren Finanzierung serten Betreuung der betroffenen Patienten führt, das wird es möglich sein, auch zukünftig Palliativ-Care-Teams Behandlungsangebot erweitert und gleichzeitig die Be- einzusetzen. handlungskosten reduziert. Durch zeitgerechte und quali- Dieses Projekt sollte flächendeckend im Land zu finden fizierte medizinische Maßnahmen werden auch Krebspa- sein und nicht nur in Greifswald. So wären , Neu- tienten im fortgeschrittenen Stadium zu Hause optimal brandenburg, Schwerin, Güstrow, Wismar und Pasewalk betreut und müssen nicht wiederholt wegen ihrer Schmer- weitere erstrebenswerte Standorte, so die Aussagen des zen oder anderer Symptome ins Krankenhaus eingewie- Leiters dieses Care-Teams. Diese Zentren würden flächen- sen werden. deckend dafür sorgen, dass eine ausreichende Versorgung Der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Hos- des Landes gewährleistet ist. Es sollten je Standort drei piz & Palliativmedizin Mecklenburg-Vorpommern e.V., Teams existieren und jedes müsste mit 250.000 Euro aus- Dr. Wolf Diemer, der auch heute hier anwesend ist, zieht gestattet werden, immer entsprechend der Vorstellung in einem Artikel zu diesem Modellprojekt das folgende des Leiters. Dazu benötigt es unbedingt eine Förderung Fazit: „Auf diesem Wege kann die verzahnte ambulant- durch die Krankenkassen. Nur dadurch kann eine ausrei- stationäre Palliativmedizin zum Paradigma eines moder- chende Versorgung aller Patienten gewährleistet werden. nen Gesundheitswesens werden, das sowohl die Lebens- Dass diese Care-Teams von immenser Wichtigkeit qualität der Patienten verbessert als auch zur Kostenein- sind, haben die Pilotprojekte in beeindruckender Weise sparung beiträgt.“ gezeigt. Die Brückenärzte und Brückenschwestern sind Meine sehr verehrten Damen und Herren, sowohl unter zu den Krebspatienten gefahren und haben zu Hause in ethischen als auch ökonomischen Gesichtspunkten ist deren gewohnter Atmosphäre geeignete Therapiemetho- eine Weichenstellung in diese Richtung unverzichtbar. den besprochen und eventuell sofort durchgeführt. Die Obwohl das Tabuthema „Sterben und Tod“ weder von Palliativ-Care-Teams sind speziell ausgebildet und kön- den Krankenkassen noch von uns Politikern gern aufge- nen im Notfall 24 Stunden rund um die Uhr gerufen wer- griffen wird, beschäftigen sich neben vielen engagierten den. Das sagte schon Herr Dr. Nieszery. Da sie bereits im Ärzten, Pflegern, Schwestern und Ehrenamtlichen Vorfeld über den Krankheitsstand informiert sind, können mittlerweile auch mehr und mehr Institutionen mit der Ethik sie schneller und kompetenter Hilfe leisten als Notärzte der Sterbebegleitung, so zum Beispiel der Nationale Ethik- oder der Hausarzt. Auch zeitlich und fachlich gesehen rat und die Enquetekommission des Bundestages „Ethik sind Hausärzte nicht selten überfordert mit todkranken und Recht der modernen Medizin“. Ich bitte Sie, sich eben- Krebspatienten und haben in einem Notfall nicht die rich- falls dieses Themas anzunehmen, denn, Herr Riemann, tige Ausrüstung, wie sie die Care-Teams vorweisen kön- „Omnia vulnerat ultima necat“ gilt auch heute noch für uns nen. Die Versorgung durch Palliativ-Care-Teams stellt alle. Ich bitte um Zustimmung für diesen Antrag und wün- darüber hinaus eine große Kosteneinsparung dar, da sche Ihnen ein langes Leben bei guter Gesundheit. – Vie- weniger Hausbesuche von Haus- und Notärzten erfolgen len Dank für Ihre Aufmerksamkeit. müssen, die keinerlei fachspezifische Hilfe und Unterstüt- zung leisten können, da die meisten Haus- und Notärzte (Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS) eben auf diesem Spezialgebiet der Medizin gar nicht aus- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr reichend fortgebildet sind. Dr. Nieszery. Des Weiteren fallen teure Krankentransporte zum Kran- Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schubert von kenhaus zu etwaigen Untersuchungen weg. Der psycho- der CDU-Fraktion. logische Aspekt für die Betroffenen und deren Angehöri- ge spielt hierbei natürlich auch eine nicht zu vernachlässi- Bernd Schubert, CDU: Frau Präsidentin! Meine sehr gende und immens wichtige Rolle. Der Patient bleibt in verehrten Damen und Herren! Auch wir stimmen dem An- seiner gewohnten Umgebung und empfängt die nötige trag der SPD- und PDS-Fraktion zu, weiterhin eine Absi- Hilfe direkt an Ort und Stelle ohne einen ständigen Orts- cherung der palliativmedizinischen Versorgung zu ge- und Umgebungswechsel zwischen Krankenhäusern und Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2755

Ärzten. Er hat die Möglichkeit, Vertrauen zu seinem Care- desweit knapp 20 ambulanten Hospizdiensten dar. Aber Team aufzubauen und gleichzeitig die nötige medizini- auch hier müssen wir auf eine finanzielle Unterstützung sche und psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. achten, denn es gibt gerade im ländlichen Raum große Es ist außerdem erwiesen, dass Patienten in ihrer ge- Schwierigkeiten für die ambulanten Hospizdienste. Nach wohnten Umgebung weniger psychisch labil werden als in meinem Kenntnisstand gibt es erst ab zehn Betroffene der Fremde und Anonymität eines Krankenhauses, wo nur eine finanzielle Unterstützung. Bei Zahlen darunter wird stundenweise Besuchszeiten existieren. dieser ambulante Hospizdienst nicht gefördert. Es ist auch für die Hinterbliebenen sehr wichtig, ob ihr Meine Damen und Herren, auch wir halten die Fort- Verwandter in Ruhe und im Beisein der Familie zu Hause führung der Palliativ-Care-Teams-Versorgung für überaus einschläft oder an Schläuchen und Maschinen ange- wichtig und sinnvoll und stimmen dem Antrag der SPD- schlossen allein im Krankenhaus sterben muss. Beson- und PDS-Fraktion zu. Allerdings weisen wir nochmals aus- ders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass drücklich darauf hin, dass eine finanzielle Absicherung in Pilotprojekten ein Drittel der dokumentierten Patienten durch die Krankenkassen gesichert werden muss, um eine sehr jung waren. Für Kinder stellt es selbstverständlich optimale Versorgung der Patienten zu gewährleisten. – eine enorme psychische Belastung dar, wenn sie nur spo- Danke schön. radisch von ihren Eltern im Krankenhaus besucht werden (Beifall bei Abgeordneten können und sie den Rest der Zeit allein und verängstigt in der SPD, CDU und PDS) der Fremde verbringen müssen, ohne ihre gewohnten Spielsachen oder geliebten Haustiere. Für diese Alters- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr gruppe von Patienten ist eine palliativmedizinische Ver- Schubert. sorgung zu Hause mindestens so vorteilhaft wie für alle anderen Gruppen. Das zeigt, wie überaus wichtig diese Das Wort hat jetzt der Minister für Arbeit, Bau und Lan- Projekte sind. desentwicklung Herr Holter in Vertretung der Sozialminis- terin. Ein weiterer Punkt, den die CDU-Fraktion als äußerst wichtig ansieht, ist, dass die einzelnen Teams untereinan- Minister Helmut Holter: Sind Politiker schmerzfrei? So, der in Kontakt stehen müssen, um Erfahrungs- und Ge- Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete, dankenaustausche zu gewährleisten. Diese Vernetzung fragt der Arzt und Autor Dietrich Grönemeyer in seinem dient der fachlich übergreifenden Kommunikation zum Buch „Mensch bleiben“. Der Grund für diese Fragestellung: Wohle der Patienten. Wenn dieser Informationsaustausch In den Debatten zur Gesundheitsreform kommt das Thema nach standardisierten Vorgaben abläuft, wird zum einen „Schmerz“ so gut wie nicht vor. Die Palliativmedizin ist dem Patienten schneller und effektiver geholfen und zum untrennbar mit dem Wort „Schmerz“ verbunden. Auch Pal- anderen ermöglicht es den Ärzten, sich über Neuerungen liativmedizin oder Sterbebegleitung tauchen in den aktuel- zu informieren und diese Innovation anzuwenden. So kön- len gesundheitspolitischen Debatten nicht auf. Deshalb nen Ärzte eine umfassende palliativmedizinische Krisenin- begrüße ich die Initiative der Regierungsfraktionen und tervention betreiben und unnötige Krankenhausaufenthal- bedanke mich für die Unterstützung der Opposition, die te vermeiden. Allerdings kann eine optimale Versorgung Entwicklung der Palliativmedizin in Mecklenburg-Vorpom- nur dann gewährleistet werden, wenn diese Palliativ- mern zu einem Thema des Landtages zu machen. Care-Teams bereits während des Krankenhausaufenthal- Palliativmedizin – das bedeutet Behandlung von Pati- tes Kontakt zum Patienten aufnehmen und ihn daraufhin enten, die an einer nicht heilbaren und weit fortgeschritte- weiter zu Hause betreuen. Diese engmaschige Betreuung nen Erkrankung leiden. Das Ziel dieser Behandlung ist die sichert eine qualifizierte Versorgung Schwerstkranker in Verbesserung ihrer Lebensqualität. Deshalb ist die Pallia- Kooperation mit Angehörigen, ambulanten Pflegediens- tivmedizin ganzheitlich ausgerichtet. Neben der Schmerz- ten, den Hausärzten und ehrenamtlichen Helfern wie am- und Symptomkontrolle umfasst sie auch die psychische, bulanten Hospizdiensten. Auch sie, die ambulanten Hos- soziale und seelsorgerische Betreuung der Patienten und pizdienste, bedürfen noch einer stärkeren finanziellen bezieht die Angehörigen hier ausdrücklich mit ein. Unterstützung durch die Krankenkassen, aber auch durch das Land. Die Palliativmedizin ist in Deutschland und so auch in Mecklenburg-Vorpommern erst in Ansätzen in die Regel- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) versorgung eingebunden. Im Bereich der stationären Ver- An dieser Stelle möchte ich ebenfalls ausdrücklich die sorgung ist es gelungen, in den letzten Jahren Palliativ- stationären Hospize erwähnen, denen in der Versorgung einheiten an allen vier onkologischen Zentren aufzubauen. sterbenskranker Menschen auch eine zentrale Rolle zu- Dort bestehen die besten strukturellen Voraussetzungen kommt. Sie stellen ein weiteres Glied eines umfassenden für eine umfassende und auf Schmerztherapie speziali- Versorgungsnetzwerkes dar, das in den nächsten Jahren sierte Behandlung. noch engmaschiger geknüpft werden muss. Nur so kann Diese Forderung des Antrages ist bereits Realität. Die vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung Betten für die Palliativmedizin werden im Krankenhaus- eine flächendeckende Versorgung in unserem Land dauer- plan gesondert ausgewiesen. Die erste Palliativeinheit mit haft gewährleistet werden. zehn Betten entstand bereits 1993 in Neubrandenburg. Weitere gibt es am Rostocker Südstadtklinikum mit sie- (Beifall Rainer Prachtl, CDU) ben Betten, in Stralsund mit vier Betten und in Schwerin Ich bin in diesem Zusammenhang jedoch sehr optimis- mit acht Betten. In diesem Jahr kam das Universitätsklini- tisch, haben wir doch in den letzten Jahren große Fort- kum Greifswald mit einer Einheit mit zehn Betten hinzu. schritte erzielt. So wurde vor kurzem die Genehmigung für Die bestehenden Palliativeinheiten mit insgesamt 39 Bet- das vierte stationäre Hospiz erteilt, das seinen Sitz in ten entsprechen hinsichtlich ihrer Strukturqualität den Greifswald haben wird. Es wird eine Lücke in der Versor- Empfehlungen, die in einem Modellprojekt des Bundesge- gung schließen und stellt eine gute Ergänzung zu den lan- sundheitsministeriums erarbeitet wurden. 2756 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004

Wir gehen in Mecklenburg-Vorpommern jedoch von Stärkung der Palliativmedizin ist angesichts der Diskus- einem Bedarf von 50 bis 55 Betten aus. Daher, Herr Schu- sion um eine aktive Sterbehilfe eine echte Alternative, bert ist darauf eingegangen, stehen wir vor der Aufgabe, menschenwürdige Bedingungen für Schwerstkranke und die palliativmedizinische Versorgung auszuweiten. Zwei Sterbende zu schaffen. Nochmals herzlichen Dank für die weitere Palliativeinheiten, bevorzugt in den Regionen Initiative. – Danke schön. Güstrow und Waren, sollen aufgebaut werden. Dieses (Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS) wurde auch von der Ärztekammer so vorgeschlagen. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr Ein wesentlicher Teil, meine Damen und Herren, der Minister. palliativmedizinischen Arbeit muss ambulant stattfinden, denn die Patientinnen und Patienten wünschen sich häus- Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Koplin von der liche Betreuung und ein würdiges Sterben in vertrauter PDS-Fraktion. Umgebung. Die ambulante palliativmedizinische Behand- Torsten Koplin, PDS: Frau Präsidentin! Sehr geehrte lung ist in Mecklenburg-Vorpommern jedoch unterent- Damen und Herren! Am letzten Donnerstag bekam ich in wickelt. aller Frühe einen Anruf und hatte dann meinen Freund und In den Jahren 1997 bis 2003 wurde das Modellprojekt Mitstreiter am Telefon. Ich wusste also gleich, was „Krebsschmerzinitiative – Palliativ-Care-Teams“ in Meck- geschehen war. Er sagte mir, dass seine Mutter in der lenburg-Vorpommern in Anbindung an die Universität Nacht davor verstorben wäre und er bei allem Schmerz Greifswald durchgeführt. Die beiden Vorredner sind dar- sehr erleichtert sei, dass er sie auf dem letzten Weg auf schon eingegangen. Über 540 Patienten wurden begleiten und ihr zum Schluss sagen konnte, dass sie eine durch Palliativ-Care-Teams im Krankenhaus und zu gute Mutter war, und sie nun loslassen könne. Mir ist da Hause betreut. Die Übernahme des fachlich anerkannten besonders – manchmal denkt man daran, oftmals nicht, Projektes in die Regelversorgung ist jedoch nicht gelun- aber da besonders – deutlich geworden, wie wichtig es gen. Wir brauchen also in Mecklenburg-Vorpommern eine ist, in einer solchen Lebenssituation Berührung, Beglei- Vernetzung von stationärer und ambulanter Versorgung. tung, Ansprache und Fürsorge zu erhalten. Ich denke, in Sparen – das ist meine Überzeugung – in der palliativme- diesem Sinne ist die Initiative, die von den Koalitionären dizinischen Betreuung halte ich für ethisch nicht vertretbar ausgegangen ist und die die volle Unterstützung der und aus gesundheitsökonomischer Sicht nicht für sinn- Opposition bekommt, sehr ansehenswert, sehr wichtig. voll. Schließlich soll eine gute ambulante Betreuung auch Der Deutsche Schmerztag, der im Jahre 2004 in Frank- helfen, Folgekosten durch stationäre Aufenthalte einzu- furt am Main stattgefunden hat, hat festgestellt, dass von sparen. den 250.000 Tumorpatienten und -patientinnen, die es in (Beifall Torsten Koplin, PDS) der Bundesrepublik gibt, etwa die Hälfte nicht korrekt betreut wird. Es wäre keine Frage der Medizin, die vor- Der Antrag enthält einen weiteren wichtigen Aspekt, die handen wäre, es wäre eine Frage der Ausbildung der Verknüpfung der palliativmedizinischen Betreuung mit Ärzte, es wäre eine Frage der Defizite von Strukturen und den Hospizdiensten. Es ist eine Besonderheit in Deutsch- es wäre eben eine Frage der Begleitung und Betreuung land, dass sich die medizinische und sozial-pflegerische auf diesem letzten Weg. Insofern denke ich, dass mit die- Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen ser Initiative Lücken geschlossen werden können und nebeneinanderher entwickelt und oftmals nicht miteinan- Hervorhebenswertes, wie eben dieses Bundesmodellpro- der. In Mecklenburg-Vorpommern versuchen wir Fehlent- jekt, das seit 1997 hier im Land aktiv gewesen ist und wicklungen zu vermeiden. Alle Palliativeinheiten an Kran- Großartiges geleistet hat, seine Fortsetzung erhält. Inso- kenhäusern pflegen eine intensive Zusammenarbeit mit fern werbe ich auch seitens der PDS-Fraktion für die Hospizen und Hospizdiensten. In den vergangenen Jah- Unterstützung dieses Antrages und weiß, dass ich offene ren sind in allen Regionen des Landes Hospizdienste und Türen einrenne. Hospizinitiativen entstanden. 14 ambulante Hospizdiens- te arbeiten inzwischen, 11 davon werden mit insgesamt Ich möchte aber diesen Antrag auch in den großen Zu- 196.000 Euro gefördert. Darüber hinaus fördert das So- sammenhang stellen, weil es bei der Weiterentwicklung zialministerium die ambulanten Hospizdienste und Initiati- der Palliativmedizin natürlich auch um die Frage der Zu- ven über die Landesverbände der freien Wohlfahrtspflege. kunft des Gesundheitswesens überhaupt geht. Hier steht Für die ehrenamtliche Hospizarbeit wurden in diesem Jahr ja eben die Frage der Verschränkung des Zusammenwir- bereits 17.400 Euro Landesmittel zur Verfügung gestellt. kens von ambulanter und stationärer Medizin in besonde- Neben der ambulanten Hospizarbeit versorgen drei sta- rem Maße an. Insofern möchte ich gerne noch einmal dar- tionäre Hospize in Bergen auf Rügen, Rostock und Neu- auf verweisen, dass die PDS sich eingebracht hat und brandenburg sterbende Menschen. Ein weiteres entsteht weiter einbringen will in den Diskurs über die Zukunft des in Greifswald. Herr Schubert hatte das bereits berichtet. Gesundheitswesens in der Bundesrepublik. Wir haben Dafür wurden 700.000 Euro aus Landesmitteln bewilligt. einen Vorschlag erarbeitet für eine solidarische Bürgerver- sicherung, die davon ausgeht, dass alle, aber auch alle ein- Die im November 2000 gegründete Landesarbeitsge- zahlen in diese solidarische Bürgerversicherung entspre- meinschaft „Hospiz und Palliativmedizin Mecklenburg- chend ihres Einkommens, eingeschlossen natürlich auch Vorpommern“ unterstützt alle im Land tätigen Hospiz- die Kapitaleinkünfte. Wir sprechen uns dafür aus, dass die initiativen. Das Sozialministerium steht mit der Arbeitsge- Beitragsbemessungsgrenze zunächst angehoben, später meinschaft in engem Kontakt. Durch die heutige Debatte, völlig aufgehoben wird. Wir sprechen uns dafür aus, dass meine Damen und Herren, erhält die in der Fachwelt Unternehmen paritätisch mit den Versicherten einzahlen in schon länger geführte Diskussion mehr Öffentlichkeit. diese solidarische Bürgerversicherung. Wir sind der Mei- Dieses ist unabdingbar, wenn wir eine gesellschaftliche nung, dass es neben der solidarischen Bürgerversicherung Wertebestimmung zur Frage der Begleitung schwerst- keine weitere Vollversicherung geben sollte im Gesund- kranker und sterbender Menschen erreichen wollen. Die heitswesen, insofern die privaten Krankenkassen durchaus Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2757 den Status von Zusatzversicherungen haben sollten. Wir wie immer nicht geirrt. Es war wirklich Herr Kollege Ring- sind der Meinung, dass der Leistungskatalog, der erheblich guth angemeldet, aber der ist erkrankt. demontiert wurde im Jahre 2003 ... (Reinhard Dankert, SPD: Gute Besserung!) (Rainer Prachtl, CDU: Bei diesem Thema könnten Sie wirklich mal Parteipolitik lassen. Das ist Ich spreche deswegen zur Einbringung. beschämend! Das ist beschämend! – Meine Damen und Herren, das Konnexitätsprinzip ist Zuruf von Peter Ritter, PDS) am 4. April 2000 durch Änderung der Landesverfassung in Ich denke nicht, dass das beschämend ist. Man muss unserem Land eingeführt worden. Damals wurde dieser das ganz einfach in einen Zusammenhang stellen. Schritt als erster Baustein zu einer umfassenden Funktio- nalreform – ich sage, von uns allen – gefeiert. Mit den (Rainer Prachtl, CDU: Palliativ- kommunalen Landesverbänden waren wir uns einig, dass medizin ist so ein würdiges Thema.) eine Verlagerung von Vollzugsaufgaben von der Landes- Und ich bitte Sie ganz einfach zuzuhören, so, wie ich auf die kommunale Ebene nur dann durchführbar ist und Ihnen auch zuhöre. auch nur dann durchgeführt werden soll, wenn die not- wendigen Kosten den Kommunen erstattet werden. (Rainer Prachtl, CDU: Zum Thema möchten Sie sprechen!) Wir hatten kurz beim Standardöffnungsgesetz hier von diesem Pult gesagt, das war damals so ein Zwilling, näm- Ich denke sehr wohl, dass das zum Thema gehört, weil lich das eine war das Standardöffnungsgesetz, das ande- jede Überlegung, Herr Prachtl, re das Konnexitätsprinzip. Aber ein Jahr später, nachdem (Rainer Prachtl, CDU: Ich finde dies in die Verfassung aufgenommen war, nämlich genau es unwürdig, was Sie machen.) am 20. April 2001, urteilte der Städte- und Gemeindetag in einer Presseerklärung: Das Konnexitätsprinzip ist ein über die Zukunft des Gesundheitswesens Versprechen, das nicht gehalten wurde, das ohne Verein- (Rainer Prachtl, CDU: Jaja!) barung von Umsetzungsverfahren leer läuft. Auch das wussten wir vorher. natürlich auch die Frage in sich birgt, wie geht es wei- ter im Konkreten. Die Landesverfassung, meine Damen und Herren, das wissen Sie, verweist darauf, dass Einzelheiten zum Kon- (Rainer Prachtl, CDU: Dann machen Sie das nexitätsprinzip durch Gesetz geregelt werden. Das ist zum Thema, aber nicht beim Thema Palliativ- auch geschehen. Nach der Kommunalverfassung sind bei medizin! – Zuruf von Peter Ritter, PDS) Aufgabenübertragungen auf die Kommunen Kostenfolge- Und die Verschränkung von ambulanter und stationärer abschätzungen unter Beteiligung der kommunalen Lan- Medizin, insbesondere in der Palliativmedizin, Herr desverbände vorzunehmen. Wie diese Beteiligung zu Prachtl, ist auch ein Punkt, der die Zukunft des Gesund- erfolgen hat, ist im Gesetz nicht geregelt. Aus Sicht der heitswesens betrifft. Ich ende an dieser Stelle und be- kommunalen Landesverbände jedenfalls erfolgt ihre dauere sehr Ihre Einlassung. Aber ich denke, es war wich- Beteiligung durch die Landesregierung nach Gutsherren- tig, dass es gesagt wurde. Mir war es wichtig und es war art, nämlich mal so und mal so, wie es gerade passt. uns wichtig, seitens der PDS-Fraktion unsere Position Um Rechtssicherheit zu schaffen, haben sich die Lan- darzulegen. – Danke schön. desregierung und der Landkreistag sowie der Städte- und (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) Gemeindetag auf gemeinsame Leitlinien zur Umsetzung des Konnexitätsprinzips geeinigt. Dies ist in der Landtags- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr drucksache aus der 3. Wahlperiode mit der Nummer 3/2790 Koplin. nachzulesen. Das haben wir alle zur Kenntnis bekommen. Ich schließe die Aussprache. Ich will die auch nicht im Einzelnen vorlesen, denn das würde unsere Zeit überstrapazieren. Aber wichtig ist, dass Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der ich aus dieser Vereinbarung einen Satz zitieren darf, Frau Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/1406. Wer Präsidentin, nämlich dass unter „II. Grundsätze der dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um Kostenfolgeabschätzung“ der Punkt 4. wie folgt lautet: das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Stimment- „Rechtzeitig vor der ersten Kabinettsbefassung wird von haltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag dem federführenden Ressort unter Beteiligung der kom- der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/1406 munalen Landesverbände eine detaillierte Kostenfolgeab- einstimmig angenommen. schätzung vorgenommen. Einvernehmliche oder streitige Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Beratung Ergebnisse zu den Kostenfolgen werden in der Kabinetts- des Antrages der Fraktion der CDU – Einhaltung des Ver- vorlage dargestellt. Streitige Kostenfolgeabschätzungen fahrens zum Konnexitätsprinzip bei Aufgabenübertra- werden während der folgenden Verbandsanhörung vertie- gung, Drucksache 4/1409. fend zwischen dem federführenden Ressort und den kommunalen Landesverbänden behandelt.“ Und dann Antrag der Fraktion der CDU: steht da noch, und das ist wichtig: „Eine Einigung ist Einhaltung des Verfahrens zum Konne- ernsthaft anzustreben.“ xitätsprinzip bei Aufgabenübertragung – Drucksache 4/1409 – Meine Damen und Herren, dieses Land steht vor einer großen Aufgabe, der wir als CDU-Fraktion uns ebenfalls Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Dr. Jäger von der Fraktion der CDU. nicht verschließen, sondern wir wollen uns der Aufgaben- erfüllung anschließen, nämlich einer umfassenden Funk- Dr. Armin Jäger, CDU: Frau Präsidentin! Meine sehr tionalreform. Wir wollen genau wie Sie, wie ich hoffe, die geehrten Damen und Herren! Unsere Präsidentin hat sich Aufgabenverlagerung von der Landes- auf die kommuna- 2758 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 le Ebene, aber bitte nur so, wie unsere Landesverfassung sung, in der Landesverfassung vorgesehene Reglement dies vorsieht, nämlich mit entsprechendem finanziellen wie auch die Vereinbarung der Landesregierung mit den Ausgleich, der im Gesetz zu schaffen ist. kommunalen Landesverbänden eingehalten werden. (Wolfgang Riemann, CDU: So ist es.) (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) Meine Damen und Herren, ich finde es peinlich, dass Ich glaube, das dürfte für Sie nicht schwierig sein, und ausgerechnet bei dem ersten, aus Ihrer Sicht großen Vor- ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke haben genau dieses Verfahren nicht eingehalten wird. Sie schön. wissen, die erste Kabinettsbefassung zu dem Verwal- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) tungsmodernisierungsgesetz der Landesregierung erfolg- te am 2. November 2004. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr kommunalen Spitzenverbände überhaupt nicht an der Dr. Jäger. Kostenfolgeabschätzung beteiligt worden. Sie wurden von der Landesregierung darüber informiert, dass die Fragen Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer der Kosten und des Personalübergangs in dem Gesetz von zehn Minuten je Fraktion sowie von drei Minuten für selbst geregelt werden, so teilte es jedenfalls der Land- den fraktionslosen Abgeordneten Dr. Bartels vereinbart. kreistag dem Vorsitzenden des Sonderausschusses Ich sehe und höre zu diesem Verfahren keinen Wider- „Funktionalreform und Verwaltungsmodernisierung“, Herrn spruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aus- Kollegen Müller, mit Schreiben vom 15. Oktober 2004 mit. sprache. Das ist auch der Grund, warum wir dies hier in dieses Ums Wort gebeten hat zunächst der Innenminister des Hohe Haus bringen. Uns war diese Verfahrensweise bis zu Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Timm. dem Zeitpunkt nicht bekannt. Allerdings hat eine Erörte- rung im Sonderausschuss bisher nicht stattgefunden. (Wolfgang Riemann, CDU: Der steht auf Seite 2 der Hochglanz- Mit dem, was hier geschieht, meine Damen und Herren – broschüre. – Angelika Gramkow, PDS: und das ist schon gravierend und da helfen auch gar nicht Dein Oberbürgermeister ist auch drin! – die wechselnden Verfassungsrechtslotsen –, wird das, Minister Dr. Wolfgang Methling: Es dauert was alle Fraktionen des Landtages gemeinschaftlich ge- noch, bis Sie drauf sind, Herr Riemann. – tragen in die Landesverfassung hineingeschrieben haben, Eckhardt Rehberg, CDU: Setzen Sie sich unterlaufen. Genau dies wird hier unterlaufen. hier unten hin, Herr Methling, setzen Sie sich hier unten hin, dann dürfen Sie!) Wir haben zwischenzeitlich davon erfahren, es gibt jetzt eine Fassung, die uns als Landtag natürlich noch nicht Minister Dr. Gottfried Timm: Frau Präsidentin! Meine offiziell zugeleitet ist, denn es war die Erste Lesung im sehr verehrten Damen und Herren! Das Konnexitätsprin- Kabinett, die man aber aus dem Internet und dem dort ab- zip ist das Rückgrat der Verwaltungsreform. Es wird nicht gestellten oder dargestellten Entwurf – abgestellt ist wohl nur eingehalten, sondern es bildet die Leitplanke auf bei- besser, weil eigentlich im Augenblick nichts daran ge- den Seiten, zwischen denen sich das gesamte Reform- macht wird – entnehmen kann. Aus diesem dem Kabinett vorhaben bewegen wird, und dabei bleibt es. vorgelegten Entwurf, der offenbar so beschlossen worden (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) ist, ist jedenfalls keine einzige Einzelheit über den Perso- nalübergang zu entnehmen, so dass daher schon die vor- Ich komme zu drei einzelnen Grundsätzen in diesem gelegten Berechnungen zur Kostenfolgeabschätzung, Zusammenhang: soweit sie im Entwurf enthalten sind, fragwürdig sind. Unstreitig ist jedoch, dass die Leitlinien der gemeinsamen Erstens, zum Verfassungsgrundsatz. Die Landesverfas- Erklärung nicht eingehalten werden. Ich kann und will sung schreibt in Artikel 72 Absatz 3 vor, dass das Land bei auch hier nicht auf die Einzelheiten des Gesetzentwurfes Aufgabenübertragungen auf Kreise und Gemeinden etwai- eingehen. Das kann man in der Aussprache gern noch ge Mehrbelastungen auszugleichen hat. Dieser Grundsatz tun. Wir reden über einen Gesetzentwurf, der dem Land- der strikten Konnexität ist damals, soweit ich weiß, ein- tag noch nicht offiziell vorgelegt worden ist. stimmig, jedenfalls mit großer Mehrheit, im Jahr 2000 in diesem Landtag angenommen worden. (Wolfgang Riemann, CDU: Es werden (Dr. Armin Jäger, CDU: schon Hochglanzbroschüren verteilt.) Richtig. So ist das! Richtig.) Ja, richtig, es werden Hochglanzbroschüren verteilt Und ich sage: Hierauf kann das Land Mecklenburg- und man fragt sich, warum man das Geld nicht für sinn- Vorpommern stolz sein. vollere Dinge ausgibt. Ich sage immer, ein Produkt, das schlecht ist, braucht eine sehr intensive Werbung. (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Heinz Müller, SPD) (Beifall Rainer Prachtl, CDU, und Eckhardt Rehberg, CDU) Als Kommunalminister setze ich mich natürlich in be- sonderer Weise dafür ein, dass dieser Grundsatz beach- Was Sie daraus ableiten wollen, meine Damen und Her- tet wird. ren, können Sie selber tun. (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) Meine Damen und Herren, wir rügen hier frühzeitig an dieser Stelle, in diesem Landtag, dass die Landesregie- Zweitens. Ich komme zur Kostenregelung. Herr Dr. Jäger, rung die Verfassung unterläuft. Das ist ein schwerwiegen- Sie haben es auch angesprochen. Mit dem Entwurf zum der Vorwurf. Ich bitte Sie, mit mir zusammen, diesen An- Verwaltungsmodernisierungsgesetz werden im Rahmen der trag zu unterstützen, den wir gestellt haben, nämlich, dass Funktionalreform I Aufgaben und Personal vom Land auf die der Landtag klarstellt, dass das in der Kommunalverfas- Kreise, auch auf Ämter und Gemeinden übertragen. Folglich Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2759 ist es selbstverständlich, dass eine entsprechende Kosten- Übertragung auf die kommunale Ebene vorgesehen Be- regelung getroffen wird. Paragraph 101 des Gesetzentwur- reiche zulassen, liegen heute noch nicht vor. Der Abzug fes beantwortet alle diesbezüglichen Fragen. berücksichtigt deshalb, dass die Finanzverteilung zwi- schen den Ländern primär einwohnerbezogen erfolgt. (Dr. Armin Jäger, CDU: Das glauben nur Sie! Das glauben nur Sie!) (Wolfgang Riemann, CDU: Aber die Hochglanzbroschüren liegen schon vor.) Ich gehe im Detail darauf gleich noch ein. Es ist vorgesehen, Herr Riemann, Drittens, zur Verfahrensweise. Für das Verwaltungsmo- dernisierungsgesetz wird die Einhaltung des strikten Kon- (Wolfgang Riemann, CDU: Ja.) nexitätsprinzips aufgrund der Besonderheiten des Geset- den Ländervergleich bis Anfang 2005 abzuschließen. zes, des Umfangs und auch des Zeitpunktes der Aufga- benübertragung, also des In-Kraft-Tretens, und auch dem (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) Umstand, dass das Personal der Aufgabe folgen wird, das heißt, dass auch umfangreiche Personalübertragungen Dementsprechend wird der pauschale Abzug dann stattfinden werden, durch diesen Gesetzentwurf erfüllt. Und durch einen konkreten Abzug ersetzt und näher begrün- darum geht es im entscheidenden Punkt, Herr Dr. Jäger. Sie det. Diese Vorgehensweise folgt dem Grundsatz, dass haben das ja selbst auch angesprochen. bestehende Personalüberhänge jeweils von der verant- wortlichen Verwaltungsebene selbst – und das heißt in (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) diesem Fall vom Land – abgebaut werden müssen. Zur Kostenregelung. (Dr. Armin Jäger, CDU: Aha! Wann denn?) Wie gesagt, im Paragraphen 101 Absatz 1 des Gesetz- Auf die so ermittelten Personalkosten für das zur Erle- entwurfes wird der Grundsatz des strikten Konnexitäts- digung der Aufgaben notwendige – ich komme gleich prinzips aufgegriffen und auf die konkreten Übertragungen noch einmal auf dieses „notwendige“ – Personal werden im Rahmen der Funktionalreform I bezogen. Entsprechend pauschal zehn Prozent für Sachkosten aufgeschlagen. der gesetzlichen Vorgabe werden der Ausgleichsbetrag in Höhe von mehr als 71 Millionen Euro in Absatz 2 beziffert (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) und die Ermittlungsgrundlagen werden benannt. Konkret Mögliche Einnahmen, wie gesagt, werden gegenge- heißt es: Der finanzielle Ausgleich „beinhaltet den finanziel- rechnet, da sie nach der Aufgabenübertragung den kom- len Aufwand für das zur Aufgabenerledigung notwendige munalen Trägern dann selber zufließen. Personal, zuzüglich eines pauschalen Sachkostenauf- schlages von 10 Prozent und abzüglich der erzielbaren Ge- Schließlich wird durch eine Revisionsklausel zum Be- bühren, Entgelte, Bußgelder und sonstigen Einnahmen.“ trag kurz vor der Aufgaben- und Personalübertragung, selbstverständlich unter Beteiligung der kommunalen Um die konkreten Mehrkosten zu ermitteln, wurde zu- Landesverbände, sichergestellt, dass alle bis dahin ein- nächst für alle Aufgaben, die zur Übertragung anstehen, tretenden Veränderungen berücksichtigt werden können der aktuell von der Landesverwaltung geleistete Aufwand und die kommunale Ebene einen adäquaten finanziellen mit Stand Juli 2004 abgefragt. Grundlagen für diese Ab- Ausgleich erhält. Selbst die zukünftige Anpassung des frage waren die Angaben aus den Datenerfassungen zu Ausgleiches an die weitere Entwicklung ist in der Rege- den einzelnen Aufgabenbereichen nach dem Ergebnis der lung, nämlich in Absatz 7, enthalten. Der Zeitpunkt für die interministeriellen Arbeitsgruppe Funktionalreform, die Revisionsklausel wird das Jahr 2009 sein. von den Ressorts zur Verfügung gestellten Geschäftsver- teilungspläne, die Haushalts- und Stellenpläne der betrof- Und nun frage ich Sie: Wie wollen Sie im Jahre 2004 fenen Behörden sowie ergänzende Hinweise und Erläute- ausrechnen, was im Jahre 2009 an Aufgabenübertragung rungen aus den einzelnen Ministerien. erfolgen wird? Der ermittelte Gesamtpersonalaufwand wird zunächst (Dr. Armin Jäger, CDU: Sie behaupten um 21 Prozent vermindert. Dieser pauschale Abzug ergibt doch, dass Sie 180 Millionen sparen. sich aus der Notwendigkeit, das Landespersonal zu redu- Wie unseriös sind Sie eigentlich?!) zieren. Dazu, glaube ich, gibt es auch keinen Widerspruch Herr Dr. Jäger, wir wissen heute auch noch gar nicht, in diesem Hause. welche Standards zukünftig der Gesetzgeber des Landes (Dr. Armin Jäger, CDU: Tun Sie es doch mal!) oder des Bundes erlässt oder aber auch lockern wird. Ein Vergleich der Kosten der Aufgabenerfüllung mit den (Wolfgang Riemann, CDU: Wie können Sie denn finanzschwachen Flächenbundesländern Schleswig-Hol- behaupten, dass wir 180 Millionen sparen?! – stein und Rheinland-Pfalz zeigt sofort, dass die Landes- Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) verwaltung in Mecklenburg-Vorpommern personell über- besetzt ist. Da jedoch nur das zur Aufgabenerfüllung not- Alle diese Dinge sind berücksichtigt und werden recht- wendige Personal auf die kommunale Ebene übertragen zeitig vor der Aufgabenübertragung auch erledigt. wird, wird bis zum Vorliegen des abschließenden Ver- (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) gleichsergebnisses ein pauschaler Abschlag vorgenom- men. So sieht es der Gesetzentwurf vor. (Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU) Und nun zu der Kritik, Herr Dr. Jäger, die Sie am Verfah- ren äußern. Sie fordern die Anwendung der gemeinsamen Die Höhe orientiert sich an dem Ergebnis des einwoh- Erklärung der Landesregierung mit den kommunalen Lan- nerbezogenen Vergleichs und dem danach für die Aufga- desverbänden zur Einhaltung des Konnexitätsprinzips. benerledigung beim Land erforderlichen Personal. Er- kenntnisse, die einen differenzierten Abzug für die zur (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja!) 2760 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004

Diese sieht unter anderem vor – Sie haben es zitiert –, Das ist ein entscheidender Maßstab und dabei wird es dass die kommunalen Landesverbände bereits vor einer auch bleiben. ersten Kabinettsbefassung in die Erarbeitung einer Kos- (Dr. Armin Jäger, CDU: Am besten, wir schließen tenfolgeabschätzung einzubeziehen sind. Auf die Verwal- eine Vereinbarung, die dann nicht geht.) tungsreform, insbesondere auf die geplante Funktionalre- form im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform, ist Meine Damen und Herren, das Land Mecklenburg-Vor- diese gemeinsame Erklärung allerdings nicht anwendbar. pommern sichert die Finanzierung der zusätzlichen Auf- wendungen, die bei der Funktionalreform I durch die (Dr. Armin Jäger, CDU: Aha.) Übertragung der Aufgaben und des zur Aufgabenerledi- So besteht bei diesem Gesetzentwurf nicht nur das gung notwendigen Personals entstehen, vollständig ab. Problem, dass die Aufgabenübertragung vom Land auf Das ist Sinn und Zweck des Konnexitätsprinzips und das die kommunalen Körperschaften im Wesentlichen – einige wird eingehalten. Sachen werden vorgezogen – erst im Jahre 2009 erfolgt. Im Übrigen sind auch tragfähige Finanzierungsregelun- (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) gen zu den Auswirkungen der nicht konnexen Funktional- reform II einschließlich der sich durch die Einkreisung der Ich habe es erläutert. Viel gravierender ist die Tatsache, jetzt kreisfreien Städte ergebenden Folgen getroffen wor- dass eine Aufgabenübertragung auf kreisliche Körper- den. Sie können es im Gesetzentwurf nachlesen. So bleibt schaften erfolgt, die es heute noch gar nicht gibt. Wir die dritte Säule der Schlüsselzuweisungen der kreisfreien schließen ja in die Funktionalreform eine Kreisgebietsre- Städte für die dann großen kreisangehörigen Städte erhal- form mit ein. Allein aus diesem Grunde ist es heute eben ten. Es wird eine differenzierte Kreisumlage eingeführt, mit gerade nicht möglich, die notwendige Kostenfolgeab- der sichergestellt wird, dass die Städte nicht an den Kos- schätzung seriös und bis in die Stellen nach dem Komma ten für Aufgaben beteiligt werden, abschließend durchzuführen. (Dr. Armin Jäger, CDU: Wie geht denn das?) (Wolfgang Riemann, CDU: Aber Hochglanz- broschüren können wir schon verteilen?!) die sie weiterhin alleine alternativ zum Kreis wahrneh- men. Aber schließlich werden sie völlig zu Recht dann Niemand kann heute, mittels welcher Methodik auch auch für die Aufgaben, die der Kreis für sie wahrnimmt, immer, zutreffend feststellen, wie hoch der zusätzliche über eine Kreisumlage zu beteiligen sein. Die veränderte Aufwand für die neuen Körperschaften ab dem Jahr 2009 Binnenverteilung der Aufgaben innerhalb der kommuna- und in den weiteren Jahren danach tatsächlich sein wird. len Familie wird durch die Umschichtung von Mitteln des Trotzdem hat das Innenministerium als federführendes heutigen Paragraphen 10 d des Finanzausgleichgesetzes Ressort die Vertreter der kommunalen Landesverbände geregelt. im September 2004 zu einem Gespräch zu den Finanzie- rungsfragen im Rahmen der Funktionalreform eingeladen. Meine Damen und Herren, das Konnexitätsprinzip ist im Dort wurden die geplante Methodik bei der Kostenfolge- Verwaltungsmodernisierungsgesetz vollständig berück- ermittlung und die notwendigen Regelungen im Geset- sichtigt. Die Finanzverteilung wird bis zum Zeitpunkt der zestext selber umfassend erörtert. Dabei wurden auch die Aufgabenübertragung allerdings in der Diskussion bleiben genannten Besonderheiten erörtert, die ein Abweichen und ich gehe davon aus, dass wir auch in Zukunft im von der Vorgabe der gemeinsamen Erklärung rechtferti- Landtag Anträge der Opposition zum Thema Konnexität gen, und nicht nur das, sondern eben auch gerade erfor- erhalten werden. Dafür habe ich sogar Verständnis. derlich machen. (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, das war unsere Das Problem, meine Damen und Herren, das die Kom- Idee. Sie wollten das doch gar nicht!) munen befürchten, ist, dass das Land sich seines Perso- Dafür habe ich sogar Verständnis, weil es nämlich bei nalüberhangs dadurch entledigt, dass es auch diesen auf der Frage der Finanzierung und der Finanzverteilung dezi- die Kommunen überträgt. Das nehme ich sehr ernst. diert um das Eingemachte der Verwaltungsreform geht, (Wolfgang Riemann, CDU: Seit wann nehmen (Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.) Sie denn Kommunen ernst, Herr Minister? – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) und dieses wird bis zum Jahr 2009, bis die Revisions- klausel zieht, in der öffentlichen Diskussion und insbeson- Das ist natürlich auch das Motiv für das Schreiben von dere in der Diskussion zwischen Regierung und kommu- Herrn Dr. Meyer, das Sie zitiert haben und das dem Son- naler Ebene jeweils bleiben. Ich habe keine Befürchtun- derausschuss vorliegt. Dieses Problem, dass die Kommu- gen, dass wir nicht das Konnexitätsprinzip grundsätzlich nen auf jeden Fall nicht befürchten müssen, dass das Land beachten. Ich muss allerdings sagen, es geht dann letzt- seine Hausaufgaben zu Lasten der Kommunen erledigt, lich um die Methodik und um das Ausrechnen der Finanz- das nehme ich sehr ernst. Das heißt mit anderen Worten: volumina, und da erwarte ich, Herr Riemann, zum Beispiel (Wolfgang Riemann, CDU: Sie lachen ja sogar auch die Unterstützung des Finanzausschusses. Landräte und Landtagsabgeordnete aus!) (Wolfgang Riemann, CDU: Im kreativen Sowohl der Finanzausschuss und sein Vorsitzender als Rechnen waren Sie schon immer gut auch alle anderen Landespolitiker – Parlament und Regie- zu Lasten der Kommunen!) rung – müssen dafür sorgen, dass der Personalabbau in Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank. der Landesverwaltung bei der Landesverwaltung selber geschieht und nicht mit der Funktionalreform verbunden (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – wird. Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU) (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, machen Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr Sie mal! Fangen Sie doch schon mal an!) Minister. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2761

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Heinz Müller Niemand kennt im Detail die Rahmenbedingungen wie von der SPD-Fraktion. etwa Tarifabschlüsse und so weiter und so fort, die wir bis zum Jahre 2009 erleben werden. Heinz Müller, SPD: Frau Präsidentin! Meine sehr ver- ehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion greift mit (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) dem vorliegenden Antrag zum wiederholten Mal eine von Wir wollen aber – und dieses ist konstitutiver Bestand- einer nicht dem Parlament angehörenden Organisation teil dieses Gesetzentwurfs – den großen Block an Aufga- vorgetragene Argumentation auf ben im Jahre 2009 übertragen. Von daher macht es Sinn, (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, richtig.) dann zeitnah eine spitze Abrechnung vorzunehmen. Es macht aber auch Sinn, sich jetzt über Grundsätze zu ver- und bringt diese in das Parlament ein. ständigen, nach denen diese Abrechnung vorgenommen (Dr. Armin Jäger, CDU: Einer muss das ja tun.) werden wird, Ich habe das bei Ihrem Aufgreifen der Vorstellungen zur (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) Testregion westliches Mecklenburg als legitim bezeichnet und diese festzulegen, und genau dies geschieht, (Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.) meine Damen und Herren. und ich bezeichne es hier ebenfalls als legitim, das Ich kann also feststellen, dass das Konnexitätsprinzip Schreiben des Landkreistages umformuliert zu einem von der Landesregierung eingehalten wird, dass die Ver- Antrag zu machen und die Regierung aufzufordern, das fassung selbstverständlich beachtet wird und dass mit Verfahren zum Konnexitätsprinzip einzuhalten. den kommunalen Verbänden hier das Gespräch geführt wird. Und weil das so ist, weil ich dieses so feststellen Legitim ja, aber schauen wir weiter in die Inhalte, meine kann, meine Damen und Herren, interessiert mich, und Damen und Herren. Kernpunkt der Argumentation des darauf möchte ich jetzt gerne auch Ihre Aufmerksamkeit Landkreistages und folglich auch der CDU ist die von lenken, vor welchem Hintergrund wir denn eigentlich Herrn Dr. Jäger zitierte gemeinsame Erklärung der Lan- diese Diskussion hier führen. desregierung und der kommunalen Verbände. Aber der Innenminister hat schon völlig zu Recht darauf hingewie- Herr Dr. Jäger hat sich eben in der Einbringungsrede zur sen, diese gemeinsame Erklärung ist geschaffen worden Funktionalreform bekannt und hat gesagt: Das wollen wir. von den Beteiligten mit Blick auf bestimmte Situationen, (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.) wie sie in diesem Parlament nicht unüblich waren und nicht unüblich sind, dass nämlich Aufgaben auf die kom- Ja, meine Damen und Herren, wenn Sie dies wollen, munale Ebene bewusst übertragen werden oder dass wäre ich doch sehr glücklich, wenn Sie sich an der Dis- man, ohne so recht darüber nachzudenken – der Konne- kussion zu diesen Themen ein wenig konstruktiver betei- xitätsgrundsatz hat ja auch eine Schutzfunktion für die ligen würden. kommunale Ebene –, Aufgaben auf sie verlagert. (Dr. Armin Jäger, CDU: Genauer.) Herr Dr. Jäger, denken Sie an die tierischen Nebenpro- Das, was wir dort erleben durften in den letzten zwei dukte, die wir neulich im Innenausschuss gehabt haben, Jahren, war eher mager. (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, richtig, natürlich.) (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) wo wir dann gucken müssen, ist da Konnexität berührt Und ich darf, meine Damen und Herren, mit Genehmi- gung der Präsidentin Herrn Rehberg zitieren. Eckhardt Reh- (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.) berg, Vorsitzender der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, oder ist sie es nicht. führte anlässlich, so heißt es in einer Presseerklärung der CDU, der Landespressekonferenz am 4. November 2003 (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.) aus, das ist jetzt ein gutes Jahr her: „Am 4. April 2003 erfolg- Für eine solche Fallkonstellation, meine Damen und te durch Beschluss des Landesvorstandes der CDU Meck- Herren, ist diese gemeinsame Erklärung erarbeitet wor- lenburg-Vorpommern die Einsetzung der Kommission ,Ver- den. Für diese Fallkonstellation ist sie gut und sie wird waltungsreform‘. Aufgabe der Kommission ist es, Wege weiterhin beachtet. Aber das, was wir mit dem Verwal- aufzuzeigen, die Landesverwaltung effizienter und kosten- tungsmodernisierungsgesetz auf dem Tisch haben, ist günstiger zu gestalten.“ Da sind wir uns in der Zielsetzung etwas, was von seinem Umfang, von seiner zeitlichen ein gutes Stück einig. Es geht auch um effiziente und Dimension her seinerzeit so nicht im Blick gewesen ist. kostengünstige Verwaltung. Und ich glaube, es ist nicht so ohne weiteres möglich, ein- Sie haben dafür eine Kommission eingesetzt. fach diese Vereinbarung zu nehmen und zu sagen, wir wenden sie hier an. Der Innenminister hat dies im Wesent- (Vizepräsidentin Renate Holznagel lichen schon dargestellt. Ich will mich deswegen kurz fas- übernimmt den Vorsitz.) sen. Für mich ist entscheidend, wir werden dann eine Dann heißt es weiter: „Die Kommission hat in den letz- Spitzabrechnung bekommen, wenn wir wissen, wie groß ten Monaten intensiv gearbeitet. Ich danke allen Mitglie- das Aufgabenvolumen, das überhaupt übertragen wird, dern und insbesondere dem Vorsitzenden für die solide denn tatsächlich ist. Wir befinden uns in einer Phase, dass Herangehensweise. Mit dem Zwischenbericht haben wir wir die erste Kabinettsbefassung gehabt haben, und nie- erste Hinweise, was zu tun ist, um Mecklenburg-Vorpom- mand weiß im Moment, ob wir tatsächlich dieses Aufga- mern eine bezahlbare und effektiv arbeitende Verwaltung benvolumen übertragen oder ob wir es verändern, da es zu verschaffen.“ in diesem Entwurf steht. Vor einem Jahr hatten wir also einen Zwischenbericht (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) Ihrer Kommission. Es heißt dann weiter: „Wir werden die 2762 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004

Vorschläge jetzt in der Partei und mit der Öffentlichkeit (Dr. Armin Jäger, CDU: Das wissen wir diskutieren. Der Zwischenbericht wird den Kreisverbän- doch auch. Das wissen Sie doch selber!) den, den Mitgliedern des Landesvorstandes und den Also, meine Damen und Herren, wir wollen den Entwurf, Delegierten des Landesparteitages übergeben. Wir wer- den die Landesregierung vorgelegt hat, intensiv und breit den die Anregungen, die aus der Partei kommen, im Lan- diskutieren. desvorstand bündeln und der Kommission für die weitere Arbeit zuleiten. Ich gehe davon aus, dass die Kommission (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.) ihre solide und fachlich untersetzte Arbeit bis zur Mitte des kommenden Jahres abschließen kann.“ Wir laden alle dazu ein. Und wenn Sie mich ganz per- sönlich fragen, ich möchte auch an diesem Entwurf eini- So, meine Damen und Herren, da wird uns die große ge Dinge verändern und ich würde sehr gern mit allen inhaltliche Diskussion der CDU zur Verwaltungsreform Beteiligten darüber in einen konstruktiven Dialog eintre- angekündigt und da wird uns angekündigt, Mitte des kom- ten. Ich weiß, dass andere – ich nenne hier namentlich menden Jahres – die Ankündigung war im November 2003, die kommunalen Verbände, ich nenne hier namentlich gemeint ist also die Mitte des Jahres 2004 – werden uns die Gewerkschaften – einen solchen konstruktiven Dia- die großen Ergebnisse der CDU-Überlegungen zur Ver- log wollen und dass wir uns darin befinden, schon längst waltungsreform vorgelegt. befinden. (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) Die CDU kann ich nur auffordern, aus der Haltung der Fundamentalopposition herauszukommen. Es bringt Ihnen Und nun frage ich Sie, meine Damen und Herren: Wo nichts und es schadet am Ende dem Gesamtprozess, es sind die? Das Ergebnis, das bei Ihrer groß angelegten schadet letztlich sogar unserem Land, wenn Sie hier nur Kommissionsarbeit herausgekommen ist, ist nichts. Sie eine solche notwendige und sinnvolle Reformbestrebung haben hier keine konstruktiven Vorschläge für eine Ver- zu diskreditieren versuchen. Kommen Sie aus Ihrer Ecke waltungsreform unterbreitet. Der Berg hat gekreißt und er heraus und versuchen Sie, sich konstruktiv in die Diskussi- hat noch nicht einmal ein Mäuslein geboren. Und was ist on mit einzubringen! Das wird uns allen weiterhelfen, so, die Folge einer solchen inhaltlichen Konzeptionslosigkeit? wie auch andere konstruktiv mitdiskutieren. Ihren Antrag Und was ist die Folge eines solchen Fehlens jeglicher lehnen wir selbstverständlich ab. Alternative? Man nörgelt an denen herum, die etwas Konstruktives vorlegen, (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Egbert Liskow, CDU) (Heiterkeit und Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke schön, und versucht so, von der eigenen Konzeptionslosigkeit Herr Müller. abzulenken. Und genau das, meine Damen und Herren, erleben wir hier. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schulz von der Fraktion der PDS. (Beifall Mathias Brodkorb, SPD, und Siegfried Friese, SPD – Egbert Liskow, CDU: Gabriele Schulz, PDS: Frau Präsidentin! Meine Damen Es wäre konstruktiv, wenn wir den und Herren! Der vorliegende Antrag fordert die Landesre- Sonderausschuss abschaffen.) gierung bildlich gesprochen dazu auf, dem in den Brun- Im Orient sagt man dazu: Die Hunde bellen, die Kara- nen gefallenen Kind eine Verhaltensregel für wassernahe wane zieht weiter. Bereiche hinterherzuwerfen. Der Antrag der CDU ist zeit- lich überholt und kann daher abgelehnt werden. (Dr. Armin Jäger, CDU: Das stimmt.) (Dr. Armin Jäger, CDU: Schade.) Die Verwaltungsreform wird durch Genörgel mit Sicher- heit nicht aufgehalten, denn wir brauchen sie. Aber, meine Damen und Herren, ich möchte noch ein- mal auf einige schon gesagte Aspekte zurückkommen. (Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.) Die Landesregierung hat mit Drucksache 3/2790, Herr Aber wir hätten es eigentlich ganz gern, und da darf ich Jäger hat das bei der Einbringung zitiert, im März 2002 auf die guten Seiten der Enquetekommission zurückgrei- den Landtag in der 3. Wahlperiode über diese „Gemein- fen, Herr Dr. Jäger, same Erklärung der Landesregierung Mecklenburg-Vor- pommern und der kommunalen Landesverbände zum (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, das Konnexitätsprinzip“ unterrichtet. Ziel dieser Unterrichtung wollten Sie ja nicht, Herr Müller.) war es, die Anwendung der Grundsätze der gemeinsamen wenn wir auch von Ihnen einen konstruktiven Beitrag zu Erklärung auch bei Gesetzesvorhaben sicherzustellen, die von den Landtagsfraktionen eingebracht werden. Das einer solchen Reform bekommen würden. trifft auf das Verwaltungsmodernisierungsgesetz nicht zu, (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) (Dr. Armin Jäger, CDU: Das stimmt Bislang bekommen wir sie leider nicht. nicht! Das kann doch nicht sein!) (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) da es sich dabei um einen Gesetzentwurf der Landes- regierung handelt. Bislang bekommen wir nur das krampfhafte Suchen nach Punkten, Der inzwischen allgemein per Internet zugängliche Ent- (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) wurf des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes entschließt sich in Paragraph 101 Absatz 1 und der entsprechenden nach denen sich halbwegs plausibel in der Öffentlich- Begründung dazu, das möchte ich ausdrücklich sagen, keit darstellen lässt, das Ganze sei verfassungswidrig. diese gemeinsame Erklärung zum Konnexitätsprinzip, Mehr kommt an Konstruktivem kaum. kurz gesagt, zu suspendieren beziehungsweise, ich sage Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2763 das in Anführungsstrichen, nur „so weit wie möglich“ zu und Ziele gewillt ist mitzutragen. Die Absicht jedenfalls, berücksichtigen. die gemeinsame Erklärung lediglich „soweit möglich“ zu berücksichtigen, mag rechtlich tragbar sein, rechtspoli- Die PDS-Fraktion steht dem Gesamtgesetzentwurf in tisch halte ich sie für ein fatales Signal. seiner vorliegenden Form kritisch gegenüber, hat der Lan- desregierung aber signalisiert, sich an einer notwendigen (Beifall Dr. Armin Jäger, CDU) und gründlichen Überarbeitung aktiv beteiligen zu wollen. Zweitens, und das übersieht wohl auch der vorliegende Der zeitlich überholte Antrag der Opposition, der uns CDU-Antrag, fordert der Entwurf des Verwaltungsmoder- heute vorliegt, gibt mir aber die Gelegenheit, der Landes- nisierungsgesetzes in seiner Begründung zum Paragra- regierung und uns einige Anregungen mit auf den Weg phen 101 Absatz 1 explizit dazu auf, bei Konnexitätsrege- des weiteren Gesetzgebungsverfahrens zu geben: lungen die Kommunalverfassung nur „soweit möglich“ zu Erstens. Nicht alles rechtlich Mögliche muss politisch berücksichtigen, und zwar die Paragraphen 4 und 91. opportun, also in der gegenwärtigen Situation von Vorteil (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.) sein. Das Ziel der Vereinbarung zwischen der Landesre- gierung und den kommunalen Landesverbänden ist es, Auch hier wird mit Besonderheiten und Umfang des Unsicherheiten bei der Kostenfolgeabschätzung sowie Gesetzes argumentiert. Eine Rechtfertigung dafür, nun Rechtsunsicherheiten bei der Rechtssetzung der Landes- vorsätzlich und bewusst gegen die Kommunalverfassung regierung zu beseitigen und den Rechtsfrieden mit den zu verstoßen, kann ich für mich nicht erkennen. Hier bitte kommunalen Verbänden herzustellen. ich ausdrücklich um rechtliche Klarstellung beziehungs- weise Aufklärung. Der „Nordkurier“ titelte im März 2002 mit einer sehr tref- fenden Überschrift „Ende eines langes Streites macht Kopf (Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU) frei für andere Probleme.“ Unsere Finanzministerin sprach in diesem Zusammenhang von den schwierigsten Verhandlun- Eine Gelegenheit dazu, denke ich, bietet schon die gen, die es je mit den Kommunen gab, und betonte, der Ver- nächste Tagung des Sonderausschusses. handlungserfolg habe aber das Klima deutlich verbessert. Drittens. Und damit befinden wir uns dann alle im Auge Der Städte- und Gemeindtag würdigte es als Vertrauensba- des Taifuns, und zwar Landesregierung, Landtag und sis und vor allem als Instrument zur Konfliktbeilegung. Kommunen. Es geht einerseits um das in unserer Landes- verfassung fixierte strikte Konnexitätsprinzip und anderer- (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) seits darum, die im Entwurf des Verwaltungsmodernisie- Und, Herr Innenminister, wenn Sie dieses Instrument rungsgesetzes postulierte Effizienzrendite von letztlich der Konfliktbeilegung nun gerade bei einem zweifelsfrei 20 Prozent, ebenfalls im Paragraphen 101 zu finden. aus verschiedensten Gründen konfliktträchtigen Gesetz Herr Innenminister, das „kommunalpolitische forum – einseitig ad acta legen, dann besteht die reale Gefahr, Mecklenburg-Vorpommern“ e.V. hat vor wenigen Tagen, dass sich die oben zitierte Klimaverbesserung in ihr und zwar am 6. November 2004, mit großem Interesse Gegenteil verkehren könnte. Ihre Vorstellungen des Gesetzentwurfes zur Kenntnis (Beifall Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.) genommen, insbesondere auch Ihre Ausführungen zum Personal. Sie führten aus, dass ausschließlich das zur Dafür erwarten wir eine für den Gesetzgeber besser Aufgabenerfüllung notwendige Personal und ausdrücklich nachvollziehbare Begründung im Gesetzestext, als sie nicht das so genannte Intendanzpersonal übertragen jetzt vorliegt. Bisher ist stattdessen von einmaligen Be- wird. Hält man sich vor Augen, dass ein möglicher Groß- sonderheiten und dem Umfang dieses Gesetzes die Re- kreis bereits fünf Personalabteilungen, fünf Haushaltsab- de. Das ist eher Lyrik und keine Begründung! teilungen et cetera zusammenführen, das heißt, ab- (Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.) schmelzen muss, dann ist es einsichtig, dass hierbei zu- sätzlich übertragenes Landespersonal Öl ins Feuer gießen Und wenn dann noch von einer Berücksichtigung des bedeuten würde, also nur aufgabennotwendiges Perso- Übertragungszeitraumes im Jahre 2009 die Rede ist, dann nal. ist das doch wohl eher ein Gegenargument. Das Problem ist aber nun, dass der vorliegende Entwurf (Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.) des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes genau das Meine Damen und Herren, es gibt ja in der Tat Beson- Gegenteil aussagt. Und da verweise ich auf die Begrün- derheiten bei dieser Reform. Bei der Einsetzung des Son- dung auf Seite 207. Und mehr noch, die Übertragung von derausschusses beschloss der Landtag auch, dass an Personal aus dem Querschnitts- beziehungsweise Inten- allen Beratungen Vertreter des Städte- und Gemeindeta- danzbereichen der heutigen Landesbehörden auf die ges und des Landkreistages teilnehmen. kommunalen Ebenen wird zur tragenden Säule für das Ansetzen einer so genannten Effizienzrendite, um es dem (Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.) Land zu möglichen, an Einspareffekten teilzuhaben. Da In seiner Grundkonzeption vom 12. Mai 2004, die wir bleibt nur, als Landesgesetzgeber hier deutlich zu sagen, hier beschlossen haben, haben wir erneut die besondere dass strikte Konnexitätsprinzip, wie es unsere Landesver- Beteiligung der kommunalen Verbände hervorgehoben fassung vorschreibt, ist kein Bierfass, an dem die Landes- und hier beschlossen. Das alles verdeutlicht, dass sich regierung den feierlichen Anstich vornehmen könnte. der Landesgesetzgeber für ein konsensuales Vorgehen Ich darf Sie bereits heute und an dieser Stelle kons- entschieden hat. truktiv ermuntern, in die entsprechende Gesetzesbegrün- (Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.) dung zur Effizienzrendite eine fachlich argumentative Aus- einandersetzung mit dem Gutachten von Professor März Es ist daher nicht selbstverständlich davon auszuge- von der Universität Rostock für den Städte- und Gemein- hen, dass der Landtag konfrontativ geprägte Maßnahmen detag einfließen zu lassen, denn dieses Gutachten be- 2764 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 scheinigt dem Gesetzentwurf diesbezüglich Verfassungs- haben Sie ellenlang vorgelesen – auf den Text der Begrün- widrigkeit. Auch der Landesrechnungshof weist in diesem dung zum Paragraphen 101. Sie sollten einmal genau den Zusammenhang sehr höflich auf einen Widerspruch im Absatz 7 lesen, dann stimmt das alles nicht mehr, was Sie Gesetzentwurf hin. uns vorgetragen haben. Ich kann nur entnehmen, dass Sie überhaupt keine Kostenfolgeabschätzung vorgenommen Meine Damen und Herren, wenn die Landesregierung haben. von Baden-Württemberg eine 20-prozentige Effizienzren- dite anpeilt, ist es verständlich, dass auch in Mecklen- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – burg-Vorpommern so manchem das Wasser im Mund zu- Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.) sammenläuft. Die Landesregierung von Baden-Württem- Sie haben nichts anderes getan, als die Kosten des berg begreift allerdings die dortigen Landräte als Stützen Landespersonals, das jetzt Aufgaben erfüllt, zusammen- des Reformvorhabens und die Effizienzrendite als Ergeb- zurechnen, die Sie übertragen möchten. Sie haben genau nis einer gemeinsamen Vereinbarung partnerschaftlicher diese Kosten zusammengerechnet, von hoher Hand einen Kostenfolgeabschätzungen. Das heißt auch, wo kein Klä- leichten Abschlag gemacht und noch Sachkosten drauf- ger ist, ist auch kein Richter. gelegt. Das ist ... Diese Chance hat der vorliegende Gesetzentwurf mit (Angelika Gramkow, PDS: Und die seiner eigenwilligen Interpretation des Konnexitätsprin- Effizienzrendite nicht vergessen!) zips bisher nicht erfüllt. Wir sollten uns deshalb, meine Damen und Herren, nicht so sehr darauf verlassen, dass Und die Effizienzrendite, die Sie unterstellen, das ist ge- neben dem höchst riskanten Kreisstrukturmodell auch in nauso unsolide wie das Papier über die 180 Millionen, die der Konnexitätsfrage die verfassungsgerichtlichen Uhren angeblich gespart werden. in Mecklenburg-Vorpommern anders ticken. (Hannelore Monegel, SPD: Genau.) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es bleibt also viel zu tun zur weiteren Veränderung des Verwaltungsmoderni- Interessant ist Folgendes: Sie sagen, Sie würden noch sierungsgesetzes durch Regierung, Landtag, Koalitions- Personal abbauen und im Jahr 2009 solle das Ganze in fraktionen, Opposition und durch Anzuhörende, bevor es Kraft treten. Haben Sie eigentlich den Tarifvertrag verges- im Frühjahr 2005 das Parlament erreicht. – Ich danke sen, den Sie zwischenzeitlich geschlossen haben? Ihnen. (Beifall und Heiterkeit (Beifall bei Abgeordneten der PDS) bei Eckhardt Rehberg, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU – Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke schön, Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.) Frau Schulz. Das ist nicht mehr Vergesslichkeit, das ist absolute Un- Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Jäger von kenntnis! Und die ist fast so schlimm, dass sie strafbar der Fraktion der CDU. sein müsste. Dr. Armin Jäger, CDU: Frau Präsidentin! Meine sehr Aber, meine Damen und Herren, ich würde ja gerne geehrten Damen und Herren! glauben, dass wir uns konstruktiv auseinander setzen. Ich Herr Kollege Müller, selektive Wahrnehmungsfähigkeit würde sogar glauben, dass Sie das den Kommunen ein- hatte ich nun gerade bei Ihnen nicht vermutet. räumen. Aber, meine Damen und Herren, es liegen uns Schreiben des Herrn Staatssekretärs aus dem Innenmi- (Wolfgang Riemann, CDU: Doch, doch, doch!) nisterium vor, die dramatisch und richtig schlimm sind. Es Nein! Die Diskussionen, die ich bisher mit Ihnen geführt zeigt sich, dass dort jemand überhaupt keine Ahnung hat, habe, zeichneten sich dadurch aus, dass wir sehr schnell was auf der kommunalen Ebene zu beachten ist. Nicht auf den Punkt und auch miteinander ins Gespräch kamen. einmal Ladungsfristen für Kreistagssitzungen kriegen sie Was Sie hier vorgetragen haben, ist deutlich. Ihnen ist das hin. richtig peinlich, was hier abläuft, Herr Müller, dafür habe (Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.) ich auch Verständnis. Wenn sich ein Innenminister hier hinstellt und uns ganz knapp erklärt, das Konnexitätsprin- Wenn ich das Schreiben vom 12. November an die zip in der Verfassung ist hier nicht anwendbar, und dann Landräte und Landrätinnen in unserem Land lese, denen kommen die Begründungen, dann sträuben sich bei je- eine Frist bis zum 4. Februar 2005 für die Stellungnahme mandem, der lesen kann, die Haare. Frau Kollegin Schulz, zu einem Gesetzentwurf gegeben wird, an dem Sie jetzt hat auf ein paar dieser Schwachpunkte hingewiesen. zwei Jahre herumgebastelt haben, dann muss ich sagen, meine Damen und Herren, das ist eine Aufgabe nach der (Beifall bei Abgeordneten der CDU) Landkreisordnung, übrigens auch nach der Gemeinde- Herr Innenminister, wenn das so ist, wechseln Sie dann ordnung. Dies gilt ja auch für die kreisfreien Städte, denen wieder den Verfassungslotsen, wenn’s nicht klappt? Sie ihre Selbständigkeit nehmen wollen. Glauben Sie Ihnen muss endlich jemand klar machen, Konnexitäts- wirklich, dass Sie das durchkriegen, dass nur die Ober- prinzip steht in der Landesverfassung und nicht in Ihrem bürgermeister und die Landräte beteiligt werden? Wie Belieben! stehen Sie eigentlich zur Vertretung des Volkes auf der Kreisstufe? (Beifall bei Abgeordneten der CDU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Das müssen Sie endlich einmal lernen! Das macht mich Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.) wirklich ärgerlich. Wir preisen alle, was wir gemeinsam gemacht haben, aber beim ersten wirklich wichtigen Haben Sie eigentlich keinen Grundkurs in Demokratie Schritt in diesem Lande, wo es darum geht, wie werden gemacht? Ich muss Ihnen sagen, ich rege mich jetzt lang- die Kosten sinnvoll verteilt, da berufen Sie sich – das sam darüber auf, weil ich merke, da gibt es bei Ihnen ein Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2765

Verständnis von der kommunalen Selbstverwaltung, da zen, wir können auch nicht sagen, was wir den Kommu- haben Sie aber erheblichen Nachholbedarf, Herr Innenmi- nen erstatten, aber ihr Landtagsabgeordneten sollt schon nister. einmal beschließen. Im Übrigen stimmt es ja gar nicht, nicht nur im Jahr 2009, sondern Sie haben ja vor, dass (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) Anfang 2006 die Dinge in Sack und Tüten sind. Die Wei- Man merkt Ihnen an, dass Sie dort noch nie in die Dis- chen sind ja schon gestellt, kussion mit Andersdenkenden, als mit solchen, die Sie (Angelika Gramkow, PDS: Richtig.) unter sich versammeln, getreten sind. Das wird Ihnen nicht durchgehen, das kann ich Ihnen garantieren! So denn es werden ja schon Errichtungsbeauftragte er- geht das nicht! Und die Begründung, wir wollen dem nannt. Da ist richtig was los im Lande. Landtag bis Ende April 2005 diesen Entwurf zuleiten, ist ja (Angelika Gramkow, PDS: Ja. Bis hübsch. Herr Müller, so viel zu der sorgfältigen Diskussion dahin wird die Konnexitätsfrage in mit den Betroffenen. Und deswegen, meine Damen und diesem Land auch geklärt sein.) Herren, wird den Landrätinnen und Landräten mitgeteilt, die Anmerkungen, die nach dem genannten Termin am Meine Damen und Herren, Sie haben es verdammt eilig. 4. Februar 2005 kommen sollten, die können leider nicht Entschuldigung, Sie haben es zu eilig, die kommunale mehr berücksichtigt werden. Selbstverwaltung zu entmachten und uns auf Kreis- und Gemeindeebene zu entmündigen. Das, Herr Innenminis- (Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU – ter, wird mit uns nicht gehen! Beate Schlupp, CDU: Genau.) (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Meine Damen und Herren, was haben Sie für ein Ver- Torsten Renz, CDU: Genau, genau. – ständnis von unserer Verfassung? Was haben Sie für ein Zuruf von Egbert Liskow, CDU) Verständnis von kommunaler Selbstverwaltung? Und was haben Sie für ein Verständnis von Beteiligung der gewähl- Meine Damen und Herren, dieser Paragraph 101, den ten Vertreter unseres Volkes auf der Kreis- und der Ge- ich eigentlich nur inoffiziell kenne, weil Sie ihn ja noch in meindestufe? der ersten Phase haben, hat eben diesen Absatz 7. Der ist schon recht eigenartig, denn da wird nämlich gesagt, (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – dass es sehr unterschiedlich mit den Kostenabschätzun- Egbert Liskow, CDU: Genau.) gen sein wird. Für einen Bereich wird das ein paar Mona- Ich traue Ihnen jetzt bei diesem Verhalten nicht mehr te vor In-Kraft-Treten sein, irgendwann im Jahre 2009, über den Weg. Jetzt weiß ich auch, warum es keine En- und für einen anderen Bereich wird es direkt mit dem In- quetekommission gab, sondern einen Sonderausschuss. Kraft-Treten sein. Nur, meine Damen und Herren, vorher Und zwar darum, weil die kommunalen Landesverbände verursachen Sie riesige Mengen an Kosten für die Umstel- doch gar nicht auf Augenhöhe mitstimmen dürfen. Wir lungen auf der kommunalen Ebene und dafür ist kein ein- dürfen keine Sachverständigen mit in die Kommission ziger Euro eingesetzt. Das Ganze, was Sie hier tun, Herr nehmen, weil das ein Ausschuss ist, der uns gesagt hätte, Innenminister – das sage ich noch einmal und Sie sollten dass das alles so nicht geht. sich endlich ein wenig daran orientieren –, ist nicht nur Kri- tik, sondern Besorgnis. Sie richten unser Land zugrunde, Herr Müller, eins muss ich Ihnen auch sagen, selektives wenn Sie so in dieser Art und Weise mit der Verfassung Wahrnehmungsvermögen in allen Ehren, aber hier sich so umgehen! Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen! billig rauszureden, die CDU habe ja keine eigenen Vor- stellungen, das ist nicht in Ordnung. Wann haben Sie das Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, letzte Mal unsere Veröffentlichungen aufgenommen? Sind wir wollen doch gar nichts anderes, als die Einhaltung des Ihnen die letzten drei Monate gänzlich entgangen? strikten Konnexitätsprinzips von diesem Landtag und von uns allen noch einmal deutlich beschlossen haben. Das (Egbert Liskow, CDU: Winterschlaf.) wollen wir. Das können Sie doch?! Wenn Sie das nicht Dann lesen Sie einmal kräftig nach! Es gibt eine klare können, dann entlarvt das die gesamte Veranstaltung. Aussage des CDU-Landesverbandes, und zwar aller Vor- Dann geht es nur darum: „Wasch mir den Pelz, aber mach sitzenden der Vereinigungen, wie wir uns eine Verwal- mich nicht nass!“ Ich kann als Landesregierung die Auf- tungsreform vorstellen. Es hat sich nicht sehr verändert. gaben nicht mehr richtig erfüllen, deswegen runter auf die Es liegt einfach daran, dass wir nicht bereit sind, verfas- kommunale Ebene. Wir sparen nicht, sondern wir sparen sungswidrig zu handeln. Wir möchten gerne, dass dort an den Kommunen. angefangen wird, wo Verwaltungsreform immer anfangen (Beifall bei Abgeordneten der CDU) muss, nämlich bei Aufgabenreduzierung und Aufgaben- verlagerung. Meine Damen und Herren, wenn Sie heute dem nicht folgen, dann muss ich vermuten, dass Sie genau dem (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) Satz folgen. – Ich bedanke mich. Und was nötig ist, auf der kommunalen Ebene zu verän- (Beifall bei Abgeordneten der CDU) dern, das sieht man, wenn das so ist. Und, Herr Innenmi- nister, Sie haben ja selber 2009 gesagt. Wir können doch Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke schön, die Kosten überhaupt noch gar nicht abschätzen. Da gibt Herr Dr. Jäger. es zwei Dinge: Sie muten diesem Landtag im April 2005, Das Wort hat jetzt der fraktionslose Abgeordnete Herr dann legen Sie ja Ihren Gesetzentwurf in diesem Landtag Dr. Bartels. ab, viel zu. Ich hoffe, dass Sie das nicht so tun werden, sondern dass Sie das sorgfältiger machen. Aber Sie Dr. Gerhard Bartels, fraktionslos: Frau Präsidentin! gehen dann davon aus, dass wir die Katze im Sack kau- Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu zwei Punk- fen. Sie sagen, wir können zwar die Kosten nicht abschät- ten kurz etwas sagen, was diesen Antrag betrifft. Das eine 2766 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 ist das Erlebnis, dass ich in diesem Antrag ein Wort gele- (Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.) sen habe, dass ich aus vielfältigen Diskussionen um die Ich glaube, auch das sollten wir bedenken. Hochschulbudgetierung und um die Budgetierung ande- rer Einzelhaushalte beziehungsweise von Einrichtungen (Angelika Gramkow, PDS: Dazu des Landes schmerzhaft in Erinnerung habe. Im Paragra- gibt es aber Rechtsprechungen.) phen 101 Absatz 3 steht das Wort „Effizienzrendite“. Frau Wie in der Zeit bis zum 4. Februar 2005 alle kommuna- Schulz ist schon darauf eingegangen. Ich möchte aus len Vertretungskörperschaften hier eine Stellungnahme meiner Erinnerung und auch aus der heutigen Diskussion abgeben sollen, ist mir ein Rätsel. eines deutlich sagen: Dahinter steckt nach meinem Gefühl die Auffassung, dass wir es nicht zulassen dürfen, dass (Angelika Gramkow, PDS: Die Kommunen haben von „unserem Geld“ bei anderen etwas gespart werden da inzwischen etwas anderes kommentiert. – könnte und dass andere mit unserem Geld mehr erledigen Zuruf von Egbert Liskow, CDU) könnten, als wir ihnen ausdrücklich zugebilligt haben. Ich bin selbst Mitglied der Bürgerschaft in Greifswald. (Dr. Armin Jäger, CDU: So ist es.) Wie das funktionieren soll, weiß ich nicht. Herr Präsident, da haben Sie eine Aufgabe. Diese Philosophie, das will ich sagen, habe ich noch nie verstanden und ich verstehe Sie auch heute nicht. (Heiterkeit bei Dr. Armin Jäger, CDU – Zurufe von Egbert Liskow, CDU, (Beifall Dr. Armin Jäger, CDU) Eckhardt Rehberg, CDU und Peter Ritter, PDS) Ich will auch sagen, selbst wenn es so wäre, dass bei Den Herrn Präsidenten der Bürgerschaft meine ich. den Kommunen eine insgesamt höhere Gesamteffizienz durch die Verwaltungsmodernisierung entsteht, dann soll- Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Satz sagen, ten wir uns doch darüber freuen, denn die Kommunen auch darauf hat Frau Schulz schon hingewiesen. Der erste sind Bestandteil des Gesamtphänomens Mecklenburg- Punkt des Antrages der CDU sollte aus meiner Sicht Vorpommern und nicht irgendetwas Außenstehendes. tatsächlich nicht nur für die Landesregierung gelten, son- Und wenn es den Kommunen etwas besser geht, geht es dern auch für Gesetzentwürfe, die aus dem Landtag her- dem ganzen Land besser. aus eingereicht werden. (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, richtig.) (Dr. Armin Jäger, CDU: Natürlich.) Deshalb sollte man diese Philosophie ablehnen, es Und dann verweise ich darauf, ich habe das gestern kann nicht darum gehen, dass von unserem schönen Lan- schon einmal kurz angekündigt, dass das, was zu den desgeld der „Gegner“ – Kommunen – positive Wirkungen finanziellen Folgebelastungen für die Kommunen im verzeichnen würde und wir das dann schlecht finden. Das Schulgesetzentwurf steht, völlig unzureichend ist. Ich zu diesem ersten Punkt! hoffe, dass in der parlamentarischen Befassung diese Frage noch gründlich mit den kommunalen Spitzenver- Zum zweiten Punkt. Im Zusammenhang mit der Effi- bänden bearbeitet wird. – Danke. zienzrendite – Frau Schulz hat auch darauf schon hingewie- sen – verweist Professor März in seinem Gutachten darauf, (Beifall bei einzelnen Abgeordneten dass im Unterschied zu anderen Regelungen in anderen der CDU und Regine Lück, PDS) Bundesländern in unserer Landesverfassung ausdrücklich Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke schön, der volle Mehrbelastungsausgleich festgeschrieben ist. Herr Dr. Bartels. (Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig, Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe das haben wir auch so gewollt.) die Aussprache. Und dieser volle Mehrbelastungsausgleich schließt so Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der etwas wie eine Effizienzrendite einfach aus. Fraktion der CDU auf Drucksache 4/1409. Wer dem zuzu- (Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.) stimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzei- chen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthal- Und selbst, Herr Kollege Müller, wenn dieses Verfah- tungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU auf ren, das die Landesregierung mit den kommunalen Spit- Drucksache 4/1409 mit den Stimmen der Fraktion der zenverbänden vereinbart hat, hier nicht gelten sollte, was SPD und der Fraktion der PDS bei Zustimmung der Frak- ich bezweifele, aber die Verfassung gilt doch wohl. Und tion der CDU und des fraktionslosen Abgeordneten abge- darauf sollten wir uns vielleicht doch zurückziehen. lehnt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Beratung Wolfgang Riemann, CDU: Das sieht der des Antrages der Fraktionen der PDS und SPD – 60. Jah- Kommunalminister aber ganz anders. – restag der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Zuruf von Bernd Schubert, CDU) Beendigung des 2. Weltkrieges, Drucksache 4/1407. Ich will auch auf eines verweisen, aus der Sitzung des Antrag der Fraktionen der PDS und SPD: Sonderausschusses in der vergangenen Woche, wo die 60. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozia- kommunalen Spitzenverbände darauf hingewiesen ha- lismus und der Beendigung des 2. Weltkrieges ben, dass die eingeräumte Anhörungsfrist unzumutbar ist, – Drucksache 4/1407 – (Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.) Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion der PDS. dass zumindest erhebliche Zweifel bei den kommuna- len Spitzenverbänden bestehen, ob sie verfassungsge- Peter Ritter, PDS: Frau Präsidentin! Meine sehr ver- mäß sind. ehrten Damen und Herren! Befreit oder besiegt? Kaum Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2767 eine andere Frage in der deutschen Geschichte wurde zung mit diesem historischen Datum dazugehört. Und so und wird so kontrovers diskutiert wie diese Frage. Hein- ist es schon sinnvoll, meine sehr verehrten Damen und rich Graf von Einsiedel, als Jagdflieger bei Stalingrad ab- Herren, die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in geschossen, Vizepräsident des Nationalkomitees „Freies Ost wie in West einmal zu hinterfragen. Unermessliches Deutschland“ und von 1994 bis 1998 Abgeordneter der Leid und Trümmer gab es auf beiden Seiten der . PDS im Deutschen Bundestag, schrieb 1995 zum 50. Jah- Anders als im Westen konnten die Menschen im Osten restag der Befreiung, ich zitiere: von ihrer Besatzungsmacht kein Wirtschaftswunder er- „Die Sieger waren überzeugt, ein Volk von Barbaren warten. Für die Verwüstungen in der Sowjetunion musste besiegt zu haben, deren Zähmung und Umerziehung der Osten unvergleichlich höhere Reparationen zahlen. lange Jahre dauern würde und streng überwacht werden Der Staatsaufbau im Osten hatte dem sowjetischen Mo- müsse. Kann man es ihnen verdenken? Das Ausmaß der dell, auch mit all seinen Unfreiheiten, zu folgen. Auch spä- Naziverbrechen, die jetzt bekannt wurden, verschlug ter, in der Zeit des Kalten Krieges, belasteten die sowje- doch aller Welt den Atem. Und wir? Die vernichtende Nie- tisch geprägten und bestimmenden Militärdoktrinen die derlage der Nazis war doch über uns gekommen wie ein Entwicklung in Politik und Wirtschaft in der DDR. Und erst Erdbeben. Wir selbst hatten die Erde beben lassen und mit den Veränderungen in der Sowjetunion wurden auch waren weiter marschiert, bis alles in Scherben fiel. Fast Veränderungen in der DDR möglich. alle deutschen Städte lagen in Trümmern. Elf Millionen Und im Westen? Auch im Westen prägten die Besat- marschierten in oft jahrelange Gefangenschaft. Noch ein- zungsmächte das neu entstehende politische System. Mit mal weit über zehn Millionen wurden aus ihrer Heimat ver- der Durchführung einer separaten Währungsreform wur- trieben. Millionen mussten ihre Unschuld oder ,unschuldi- den rechtzeitig Grundlagen für die Abspaltung der westli- ges‘ Mitläufertum beweisen oder zu beweisen trachten. chen Besatzungszonen gelegt. Die junge Bundesrepublik Hunderttausende wurden verschleppt. Allgemeine Ver- fand sich bald in der NATO wieder und wurde in der Zeit achtung schlug jetzt jenen entgegen, die noch wenige des Roll-back zu einer der wichtigsten Speerspitzen des Monate zuvor alle anderen Völker als minderwertig erklärt atlantischen Bündnisses. Und erst mit den Veränderun- hatten. Und sie alle sollten sich befreit fühlen? Das ist gen in der Sowjetunion und der sich damit ändernden doch wirklich etwas viel verlangt. Nein! Für uns Deutsche sowjetisch-amerikanischen Beziehungen konnte sich die konnte der 8. Mai 1945 nur der Beginn der Befreiung von Bundesrepublik ändern. Aber hat sie sich geändert oder all den Irrlehren des deutschen Imperialismus sein, die ist sie nur größer geworden? uns jahrelang eingetrichtert wurden – von Rassenhass, Nationalismus, Militarismus, Volk-ohne-Raum-Ideen und Mit den 2-plus-4-Verhandlungen, mit dem Beitritt der grenzenloser Selbstüberschätzung.“ Zitatende. Der Be- neuen Bundesländer zur Bundesrepublik und mit der ginn der „Befreiung“. Erweiterung der Europäischen Union eröffneten und eröff- nen sich neue Möglichkeiten für die Entwicklung eines Dieser Beginn der Befreiung liegt nun fast 60 Jahre hin- friedlichen Europas. Ob das dabei in der europäischen ter uns und wir müssen heute die Frage stellen: Haben wir Verfassung angestrebte Militarisierungsgebot für die EU- das Ende dieser Befreiung von den Irrlehren erreicht? Ein Mitgliedsstaaten allerdings die richtige Schlussfolgerung Blick auf die jüngsten Wahlergebnisse einer Partei, die ist, das muss angezweifelt werden. sich offen in der Tradition des so genannten Dritten Rei- ches bewegt, lassen starke Zweifel aufkommen. Doch (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) nicht nur die Wahlergebnisse, meine sehr verehrten Damen und Herren, vielmehr lassen die Irrlehren des Meine sehr verehrten Damen und Herren, das alles ge- Rechtsextremismus, des Antisemitismus und der Auslän- hört dazu, wenn man über das Ende des Zweiten Welt- derfeindlichkeit, die immer wieder mitten in der Gesell- krieges und den 8. Mai 1945 redet. Wer aber über den schaft auftauchen, Zweifel aufkommen, ob uns diese 8. Mai 1945 und das Ende des Krieges redet, der darf über Befreiung wirklich gelungen ist. Heinrich Graf von Einsie- den 30. Januar 1933, die Machtergreifung der Nationalso- del stellte 1995 weiter fest: „Der Kampf um die Befreiung zialisten in Deutschland, nicht schweigen. Es darf nicht geht weiter.“ vergessen werden, dass es vor allem führende Kreise des Großkapitals waren, die die Nazis an die Macht brachten, Der 60. Jahrestag der Befreiung, in Mecklenburg-Vor- ihre Verbrechen finanzierten und vom Krieg profitierten. pommern als einzigem Bundesland offizieller Landesge- Es darf nicht vergessen werden, dass der Zweite Welt- denktag, muss also für alle demokratisch verfassten Par- krieg von Nazideutschland ausging. Die deutschen Fa- teien und Organisationen, für alle demokratisch gesinnten schisten strebten eine Neuordnung Europas und der Welt Bürgerinnen und Bürger unseres Landes Anlass sein, das an. Sie führten dazu einen barbarischen Krieg. Dieser war Ringen um die Befreiung von rechtsextremen und auslän- bis dahin einmalig in seiner Dimension, in seiner Brutalität derfeindlichen Gedanken zu forcieren. Nazis raus aus den und seiner Totalität. Er zerstörte Zivilisation und Kultur. Köpfen! Alles war kalkuliert und geplant wie der industrielle Mas- senmord an Menschen jüdischer Herkunft, die Ausrottung (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) der Sinti und Roma und die Vernichtung von politischen Dieser Spruch muss endlich Realität in unserem Land und weltanschaulichen Gegnern, von Menschen mit Be- werden! hinderungen, von Homosexuellen. Diese Verbrechen, meine Damen und Herren, sind beispiellos in der Weltge- Meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Ausein- schichte. Sie entsprachen der rassistischen und völki- andersetzung mit dem 8. Mai 1945 gehört auch die Aus- schen Staatsideologie der Nazis. Erst brannten Bücher, einandersetzung mit der geschichtlichen Entwicklung dann Menschen! nach 1945, in Ost wie in West. Schon bei unserem Vor- schlag im Jahre 1999, den 8. Mai als offiziellen Landesge- Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt aktu- denktag auszuweisen, hat die PDS-Fraktion darauf hinge- elle Anlässe, die aufhorchen lassen und zum Handeln auf- wiesen, dass das zu einer umfassenden Auseinanderset- fordern. Wir erleben, dass der 8. Mai 1945 noch immer 2768 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 eher als Tag der Niederlage und als Tragödie für Deutsch- Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Gedenktage land ins Bewusstsein gerückt wird. Wir erleben, dass sind ohne Sinn, wenn sie nicht in Gegenwart und Zukunft rechtsextremistische Parteien und Organisationen, die die hineinwirken“. Dieser Spruch Ernst Thälmanns gilt auch faschistische Herrschaft glorifizieren und die Verbrechen für die Auseinandersetzung mit dem Gedenktag 8. Mai. des Naziregimes nicht leugnen, an Einfluss gewinnen und Dieser Spruch gilt aber auch für die Gedenkstätten unse- gewählt werden. Wir erleben, dass in großen Teilen von res Landes. Auch Gedenkstätten sind ohne Sinn, wenn sie Politik und Medien mit der Gleichsetzung von NPD und nicht in Zukunft und Gegenwart hineinwirken. Prora, Pee- PDS eine unsägliche Tradition der Volksverdummung nemünde, Alt-Reese, Wöbbelin, Barth, das sind nur einige wieder aufersteht. Wir erleben, dass viele junge Menschen Stätten mit Geschichte in unserem Land, Geschichte, die in unserem Land über die Nazidiktatur, ihre Wegbereiter, es zu bewahren und die es zu vermitteln gilt, Geschichte über Ausmaß und Folgen dieser Gewaltherrschaft wenig an Gedenkstätten, an authentischen Orten, die in die wissen. Und wir erleben auch, dass ein Ministerpräsiden- Zukunft hineinwirken müssen, um Geschehenes nicht zu tenkandidat der NPD im Sächsischen Landtag nicht nur vergessen und Wiederholungen auszuschließen! Und so Stimmen aus seiner eigenen Partei erhält. ist allen Versuchen, zum Beispiel Prora einer nur kommer- ziellen Nutzung zu unterziehen, mit aller Entschiedenheit Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist daher entgegenzutreten, und zwar auch und vor allem in Vorbe- dringend notwendig, dass wir uns jetzt gemeinsam diesen reitung auf den 60. Jahrestag der Befreiung vom Natio- gefährlichen Entwicklungen über Parteigrenzen hinweg nalsozialismus. entgegenstellen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Frak- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS, Reinhard Dankert, SPD, und Beate Mahr, SPD) tion hat schon seit langer Zeit vor dem neuen Erschei- nungsbild des Rechtsextremismus in unserem Land ge- Am Wahlsonntag 2006 erschreckt aufzuwachen, ist zu warnt. Die Strategie der extremen Rechten, über den spät. Der 60. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozia- Kampf auf der Straße nunmehr den Kampf um die Parla- lismus und der Beendigung des Zweiten Weltkrieges muss mente zu führen, ist aufgegangen. Notwendige Gegen- daher genutzt werden, um in einem breiten Dialog mit Zeit- strategien verhakeln sich oft im unnötigen Klein-Klein der zeugen die Entstehung des Faschismus, die Geschichte Kräfte im parlamentarischen wie im außerparlamentari- des Krieges und den politischen Neuanfang 1945 zu disku- schen Raum. Der Landtag ist davon nicht ausgenommen. tieren. Es kann nicht darum gehen, wer der bessere Antifaschist Ich bin den Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, es muss Grünen im Bundestag an dieser Stelle daher dankbar, darum gehen, gemeinsam in die Gesellschaft hineinwir- dass sie dieses Anliegen in ihrem Antrag vom April diesen kende Strategien für Demokratie und Toleranz zu ent- Jahres aufgreifen und die Bundesregierung die Regierun- wickeln. gen der deutschen Länder und die Bürgerinnen und Bür- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) ger, also uns alle, aufruft, sich mit dieser Thematik umfas- send und in angemessener Weise auseinander zu setzen. Die Überarbeitung und finanzielle Untersetzung des Und mit unserem Antrag, um dessen Zustimmung ich Sie Leitfadens der Landesregierung „Demokratie und Tole- bitte, folgen wir der Intention von SPD und Grünen im ranz gemeinsam stärken“ aus dem Jahre 2001 gehört Bundestag und wir sollten das in großer Übereinstimmung genauso dazu wie unser aller alltägliches Auftreten gegen tun! rechtsextreme und ausländerfeindliche Parolen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der ge- Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben im schichtliche Ablauf bringt es mit sich, dass wir in den Jah- Mai diesen Jahres gemeinsam hier beschlossen, ich zitie- ren 2004 und 2005 eine Reihe von 60. Jahrestagen bege- re: „... dass es in der Auseinandersetzung mit Rechts- hen, die im Zusammenhang mit dem düstersten Kapitel extremismus, Antisemitismus und Rassismus kein Nach- deutscher Geschichte stehen. Da ist der in diesem Jahr lassen geben darf.“ Wir waren uns einig, ich zitiere wieder: begangene 60. Jahrestag des D-Days, da ist der 60. Jah- „... dass Rechtextremismus, auch in Form rechtsextrem restag des Attentats der Männer um Stauffenberg gegen motivierter Gewalt, nicht nur auf wenige Ursachen zurück- Hitler, da ist der 60. Jahrestag des Aufstandes im War- geführt werden kann. Es handelt sich um einen Komplex schauer Ghetto, da sind die 60. Jahrestage der Ermor- globaler und lokaler, gesellschaftlicher und individueller dung von Rudolf Breitscheid und Ernst Thälmann und da Ursachen. Sie resultieren nicht zuletzt aus tief greifendem ist schließlich der 60. Jahrestag der Befreiung vom Natio- sozialen und politischen Wandel.“ nalsozialismus. Und schließlich haben wir gemeinsam in unserem An- Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe die trag gefordert, dass Landesregierung, Landkreise, kreis- Aufzählung dieser Gedenktage gewählt, um deutlich zu freie Städte und alle Kommunen zivilgesellschaftliche Ge- machen, dass der Widerstand gegen das Hitlerregime genstrategien gegen extreme Rechte zu entwickeln viele Gesichter und viele Namen und vor allem viele Opfer haben. Forcieren wir jetzt dieses Ringen, um Gegenstra- hatte. Als Landesvorsitzender der PDS und als Mitglied tegien und betten den 60. Jahrestag der Befreiung als des Landesvorstandes im Bund der Antifaschisten in einen Bestandteil ein! – Danke schön. Mecklenburg-Vorpommern ist es mir besonders wichtig, (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) darauf hinzuweisen. Jede alte oder neue Einseitigkeit in der Bewertung und Würdigung des Widerstandes gegen Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke, Herr Rit- Hitler und seine Helfer, Gönner und Förderer behindert ter. uns in der heutigen Auseinandersetzung mit den moder- Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer nen Formen des Rechtsextremismus und der Ausländer- von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen feindlichkeit. Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) Aussprache. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2769

Das Wort hat der Ministerpräsident Herr Dr. Ringstorff. ner und sicherer wohnen in Ueckermünde“. Dass es in Wahrheit um eine Aktion gegen ein Asylbewerberwohn- Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff: Frau Präsi- heim ging, offenbart die versteckte Gefährlichkeit der dentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der 8. Mai Extremisten. Durch ihr populistisches Auftreten verändert war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem die Rechte ihr Gesicht, ihr Wesen, meine Damen und Her- menschenverachtenden System der nationalsozialisti- ren, ändert sie nicht. schen Gewaltherrschaft. Aber niemand wird um dieser Befreiung willen vergessen, welche Leiden für viele Men- Deshalb warne ich dringend davor, dass rechtsextre- schen mit dem 8. Mai erst begannen und danach folgten, mistisches Gedankengut verharmlost wird, dass es und zwar Flucht, Vertreibung und Unfreiheit. In Ost- Neonazis gelingt, gesellschaftliche und kommunale deutschland und in Ostmitteleuropa entwickelten sich Themen zu bestimmen. Es ist auch kein gutes Zeichen, neue Diktaturen. Für uns folgte auf die Diktatur des Natio- wenn dem Auftreten rechter Gruppierungen zunehmend nalsozialismus die Diktatur in der DDR. Man kann und ich gleichgültig begegnet wird. Es ist auch erschreckend, will diese beiden Diktaturen nicht miteinander verglei- dass rechte Politiker bei Abstimmungen Unterstützung chen. Aber vergessen wir nicht, mit der Diktatur in der von anderen Parteien erhalten. Wer derlei als Politiker DDR verbunden waren auch Gängelung des Einzelnen, oder als Wähler in Kauf nimmt, öffnet Brandstiftern Tür Reiseverbote, Spitzeltum, Gleichmacherei und schlimm- und Tor! Demokraten müssen gegen Rechtsextremisten stenfalls politische Verfolgung und Verurteilung. zusammenhalten! (Beifall bei Abgeordneten der CDU (Beifall bei Abgeordneten der SPD und und einzelnen Abgeordneten der SPD) einzelnen Abgeordneten der CDU und PDS) Meine Damen und Herren, der Nationalsozialismus war Rechtsextremisten sind eine Gefahr für die Demokratie. Ursache für alles, für Flucht und Vertreibung, für die euro- Die Erfolge der Rechtsextremen sind selten das Ergebnis päische Teilung und natürlich auch für die deutsche Tei- von brillanten Strategen. Sie sind in erster Linie Indikato- lung, die erst 1990 überwunden werden konnte. ren für gesellschaftliche Defizite. Vor fast 60 Jahren wurde Deutschland von der Herr- Seit einiger Zeit beobachten wir zunehmend, dass der schaft der Nationalsozialisten befreit. Leider wurde natio- Vertrauensverlust in die Mechanismen und Institutionen nalsozialistisches Gedankengut aber nicht ein für alle Mal der Demokratie immer breitere Schichten erfasst. Dass beseitigt. Schlimmer noch, rechtsextremistisches Gedan- diejenigen mit der kürzesten Demokratieerfahrung dafür kengut scheint wieder mehr und mehr gesellschaftsfähig anfälliger sind, verwundert nicht. Anders als im Westen zu werden. Das haben zuletzt die Wahlen in Sachsen und der Wirtschaftswunderjahre erscheint für viele Ostdeut- Brandenburg deutlich gemacht. Und das ist vielleicht nur sche die Demokratie als Zuschussgeschäft. Sie haben die Spitze eines Eisberges. Zwar ist auf der einen Seite das Gefühl, mehr zu verlieren als zu gewinnen, und das das Problembewusstsein in der Gesellschaft, gerade wird schnell der Demokratie und ihren Institutionen ange- auch in Ostdeutschland, deutlich gewachsen. Die Lan- lastet. Welchen Wert die Demokratie darstellt, dass sie desregierung mit der Landeszentrale für politische Bil- Teilhabe an politischer Macht, ein friedliches und respekt- dung unterstützt vielfältige Projekte zur Aufklärung über volles Miteinander, Interessenausgleich, Chancengleich- Rechts, zur Vermittlung politischer und historischer heit und ein Leben in Freiheit ermöglicht, und das alles Kenntnisse und zur Stärkung der demokratischen Kultur. auch in ökonomisch schwierigen Zeiten, das ist vielen Im Programm zur „Kriminalprävention“, im Handlungsrah- immer noch nicht bewusst genug. Doch wer den Sinn, die men „Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken“ oder Regeln und Zusammenhänge einer demokratisch verfass- im Sonderprogramm „Pro Zivilcourage – gegen Extremis- ten Gesellschaft nicht kennt, der wird leichter anfällig für mus“ hat die Landesregierung zahlreiche Handlungs- populistische Vereinfacher, die – wenn auch ziemlich ansätze gegen Rechtsextremismus entwickelt und geziel- abstruse – Erklärungszusammenhänge bieten, für all die te Maßnahmen ergriffen. Dinge, die so schwer zu verstehen sind von der Globali- sierung bis Hartz IV. Die Polizei des Landes hat sich unter anderem durch die Einrichtung eines Analysen- und Beraterteams sowie Deshalb müssen wir die Inhalte und Werte der Demo- die mobilen Einsatzgruppen MAEX auf die Bekämpfung kratie immer wieder neu ins Bewusstsein der Menschen rechtsextremistisch motivierter Straftaten eingestellt. rücken und unsere Politik erklären! Wieder und wieder, Viele hundert Bürgerinnen und Bürger bei uns in Mecklen- wenn es sein muss! Die etablierten Parteien dürfen das burg-Vorpommern engagieren sich in Initiativen gegen Feld nicht den Radikalen überlassen. Natürlich hängt die Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt. Ich glaube, Wertschätzung der Demokratie in der Bevölkerung zu sie können etwas bewirken. Das zeigt zum Beispiel die einem guten Teil auch von der Glaubwürdigkeit der poli- Hansestadt Rostock, denn dort sind die offenkundigen tisch Handelnden ab. Glaubwürdig ist, wer sagt, was er Aktivitäten der Rechten weiter rückläufig. tut, und tut, was er sagt. Das sollten wir im politischen All- tag beherzigen! Auf der anderen Seite – und das ist es, was mich in der letzten Zeit vor allem beunruhigt – bewegen sich rechts- Meine Damen und Herren, Rechtsextremisten sind eine extreme Parteien und so genannte Kameradschaften Gefahr für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Sie schleichend in die Mitte der Gesellschaft. Ein Grund ist säen Neid, Hass, Verachtung und rassistischen Dünkel. Sie wohl in der neuen Taktik der Rechten zu suchen. Sie wol- instrumentalisieren und schüren Ängste vor realer oder len gesellschaftsfähig werden und – so bitter es ist – sie vermeintlicher Ausgrenzung von der Gesellschaft und haben damit Erfolg. Sie veranstalten Kinderfeste, Lieder- ihrem Wohlstand. Das Gefühl, zu kurz zu kommen, verbun- abende in Altenheimen und gestalten Schülerzeitungen. den mit einer Rückwendung hin zur vermeintlich heilen Neonazis in Nadelstreifen versprechen Arbeitsplätze und DDR-Idylle, verstärkt die Abwendung von der Gesellschaft. starten Unterschriftenaktionen mit scheinbar unverfäng- Statt in Ostalgie zu schwelgen, ist eine ehrliche Auseinan- lichen Titeln, wie zum Beispiel die Bürgerinitiative „Schö- dersetzung mit der DDR-Vergangenheit notwendig. 2770 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004

(Martin Brick, CDU: Auch in den Schulen. – endigung des Zweiten Weltkriegs zu beteiligen! Die Wür- Beate Mahr, SPD: Richtig.) digung dieses Anlasses ist der Schwerpunkt der Arbeit in der Landeszentrale für politische Bildung im kommenden Und die Wahrheit ist: Die DDR war eine Diktatur! Der Jahr. Geplant sind unter anderem ein großer Schülerwett- Staat traute seien eigenen Bürgern nicht, errichtete Mauer bewerb und eine Dokumentation mit Erlebnisberichten in und Stacheldraht. Und zuletzt war das DDR-System völlig Zusammenarbeit mit dem NDR. Darüber hinaus ist die marode und am Ende. Landeszentrale dabei, Ideen und Projekte unterschied- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten lichster Träger zu sammeln und zu sondieren. Ich bitte der SPD und CDU) Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, Ihre Kontak- te und Möglichkeiten zu nutzen, um die Vorbereitung die- Meine Damen und Herren, im politischen Alltag und ses Gedenktages zu unterstützen! Gedenktage sind wich- Handeln müssen wir alle darauf achten, dass Maßnah- tig. Ebenso wichtig aber ist, dass jeder Einzelne von uns men, die Vorurteile bestätigen, vermieden werden! Gesell- immer wieder deutlich macht: Wir werden weder Rassis- schaftliche Auseinandersetzungen dürfen nicht ausgren- mus noch Ausgrenzung hinnehmen, sondern überall und zend, sondern müssen sachlich und zivil geführt werden! immer mit all unseren Möglichkeiten bekämpfen! Gemein- Aktionen wie Unterschriftenlisten gegen den EU-Beitritt sam wollen wir ein Zeichen setzen gegen Gleichgültigkeit der Türkei sind, glaube ich, eine Steilvorlage für rechte sowie für ein respektvolles und tolerantes Zusammenle- Rattenfänger, ben! – Herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der SPD aber auch Montagsdemonstrationen, die militante Neo- und einzelnen Abgeordneten der PDS) nazikameradschaften und NPD-Funktionäre mitlaufen Vizepräsidentin Renate Holznagel: Danke, Herr Mi- lassen mit dem Argument: Wir wollen niemanden aus- nisterpräsident. schließen, solange er gegen Hartz IV und nicht verboten ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende Herr Reh- und einzelnen Abgeordneten der CDU) berg von der Fraktion der CDU. Hier ist mehr Verantwortungsbewusstsein aller politi- Eckhardt Rehberg, CDU: Frau Präsidentin! Meine schen Akteure dringend notwendig. Soziale Probleme Damen und Herren Abgeordnete! Der vorliegende Antrag verstärken die Anfälligkeit für rechte Propaganda. Aber zeigt, dass das Ende des Zweiten Weltkrieges, mit dem wir wissen alle, Populisten haben auf alles eine Antwort, Europa und Deutschland von der nationalsozialistischen aber für nichts eine Lösung. Deshalb setzen wir alles Gewaltherrschaft befreit wurden, ein dauerhaftes Thema daran, Arbeit, Perspektiven und Wohlstand für die Men- für uns Deutsche im Umgang mit unserer Geschichte und schen in unserem Land zu schaffen. Internationale Zu- der sich daraus ergebenden Verantwortung ist. sammenarbeit spielt dabei eine Schlüsselrolle. Wir wer- Fraglos: Auch der 60. Jahrestag der Beendigung des ben um internationale Investoren, die hier Arbeitsplätze Zweiten Weltkrieges wird für uns alle Anlass sein, innezu- schaffen. Wir fördern die internationale Zusammenarbeit halten, innezuhalten im Gedenken an einen Tag, der die in Forschung und Entwicklung und wir profitieren davon, tragischste und fragwürdigste Paradoxie unserer Ge- zum Beispiel in der Biotechnologie. Wir freuen uns über schichte darstellt. „Weil wir erlöst und vernichtet in einem ausländische Studenten und Wissenschaftler an unseren gewesen sind“. So brachte es Theodor Heuss, der ehe- Hochschulen und wir wollen, dass sich ausländische malige Bundespräsident, einst auf den Punkt. Wir halten Urlaubsgäste bei uns wohl und sicher fühlen. Und das, inne im Gedenken an die Opfer in unseren eigenen Fami- meine Damen und Herren, lassen wir uns durch Rassis- lien und den Familien unserer Landsleute, an die unend- mus und Ausländerfeindlichkeit nicht zerstören! lichen Opfer, die vor allem das jüdische und russische (Beifall bei Abgeordneten der SPD, PDS Volk bringen mussten, im Gedenken an die Opfer in den und einzelnen Abgeordneten der CDU) von Krieg und Gewaltherrschaft überzogenen Staaten und Völkern. Wir gedenken aber ebenso der unzähligen Rechtsextremisten schaden der Wirtschaft, schaden Opfer und des unsagbaren Leids, das für viele erst mit dem Ansehen des Landes und schaden den Menschen, dem Ende des Zweiten Weltkrieges begann und, meine die gerne in Mecklenburg-Vorpommern leben. Und das Damen und Herren, für die der 8. Mai kein Tag der Befrei- werden wir nicht zulassen! ung war. Wir gedenken den aus ihrer Heimat Vertriebe- (Beifall bei Abgeordneten der SPD nen, den auf Flüchtlingstrecks verhungerten, erfrorenen und einzelnen Abgeordneten der PDS) und den zerbombten Kindern, Frauen und Männern, die nicht nur ihre Heimat verloren haben. Weltoffenheit und Toleranz entscheiden heute mehr denn je über die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Und Meine Damen und Herren, an dieser Stelle ein sehr per- deshalb werden wir allen Formen von Rechtsextremis- sönliches Wort. Man Vater stammt aus Ostpreußen und mus, Rassismus und Aggression entschieden entgegen- meine Mutter aus dem Sudetenland. Mir haben sie treten. Dazu brauchen wir ein breites gesellschaftliches erzählt, dass meine Mutter als 15-Jährige im August 1945 Engagement. Denn nur gemeinsam werden wir ein Klima raus musste und mein Vater sich als 15-Jähriger alleine der Toleranz, des Respekts und der Offenheit erzeugen von Ostpreußen bis nach Berlin durchschlagen musste. können, in dem menschenverachtender Ideologie der Sie haben mir einmal eins gesagt: Dies darfst du in der Nährboden entzogen wird. Schule aber nicht erzählen. Das war nicht erwünscht bis 1989, nicht nur nicht erwünscht, sondern das konnte Deshalb rufe ich alle gesellschaftlichen Kräfte, alle Bür- einem Kopf und Kragen kosten. gerinnen und Bürger unseres Landes auf, sich gemeinsam an der Vorbereitung und würdigen Feier des 60. Jahresta- (Dr. , PDS: Meine Mutter kommt ges der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Be- aus Schlesien. Das war nie für uns ein Nachteil.) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2771

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kopf und in gleicher Art und Weise in den Blickwinkel der Aktivitä- Kragen in der Schule, ich meine das bildlich, sinnbildlich ten der Landeszentrale für politische Bildung gehört. gesprochen. (Beifall bei einzelnen Abgeordneten Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir gedenken der CDU – Zuruf von der CDU) all denen, die nach dem Ende des Krieges in Gefangen- schaft und in Konzentrationslager gezwungen wurden, all Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese denen, die als Opfer von Gewalt und Vergewaltigung mit Frage stelle ich an die Sozialdemokratische Partei Leib und Seele Buße tun mussten, und zwar für ein fa- Deutschlands: Warum haben Sie nicht am 17. Juni 2003 schistisches System und dessen Verbrechen, die sie nicht wie die CDU dieses Tages gedacht in einer offiziellen Ver- zu verantworten hatten. anstaltung? Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir hat hier, (Siegfried Friese, SPD: Haben wir doch. – wenn wir über Gedenkstätten reden, Fünfeichen gefehlt, Hans-Heinrich Jarchow, SPD: Wir waren im Theater. – Bodo Krumbholz, SPD: (Beifall Rainer Prachtl, CDU – Ich bin sogar extra hierher gefahren.) Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.) Als Partei, Herr Kollege, als Partei. mir hat hier Buchenwald gefehlt, und zwar nach 1945, und mir haben hier auch Bautzen und Waldeck gefehlt. Warum haben Sie sich nicht Zeitzeugen geholt? Darum Dieses alles hat mir gefehlt, meine sehr verehrten Damen geht es. Es geht nicht nur darum, Geschichte einseitig zu und Herren. sehen. Wir sollten ja auch keine Geschichtsdebatte führen. Aber ich denke, es kommt darauf an, wenn wir dem Anspruch Übrigens, Herr Kollege Ritter, all dieses fehlt auch im des Antrages gerecht werden wollen, dann ist der 8. Mai nicht Antrag, der im Bundestag verabschiedet worden ist. Und Endpunkt, sondern Schnittpunkt von Geschichte nach unse- wenn Sie sich die Debatten zu diesem Antrag mit Blick auf rem Dafürhalten. Und das muss im Antrag auch sehr deutlich den 60. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrie- werden, meine sehr verehrten Damen und Herren. ges angucken, dann sage ich Ihnen, die Union hat sich be- müht, dies mit hineinzubringen. (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) (Vizepräsident Andreas Bluhm Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man übernimmt den Vorsitz.) sich den Antrag durchliest, dann muss man sich fragen: Ist es legitim, dass der Landtag die Bevölkerung auffor- Dies ist nicht gewollt gewesen. Und insoweit, denke dert, oder klingt das nicht etwas sehr nach Verordnen? ich, sollte sie, wenn sie sich auf den Antrag des Deut- Meine Damen und Herren, wir in der CDU haben ein sehr schen Bundestages bezieht, das insgesamt so sehen. klares Bewusstsein zur Bedeutung des 8. Mai 1945, zu Meine Damen und Herren, mit der bedingungslosen unserem Umgang mit diesem Datum. Kapitulation endete am 8. Mai 1945 das dunkelste Kapitel (Angelika Gramkow, PDS: Herr Rehberg, der deutschen Geschichte. Die damals und auch heute Sie wollen wohl den Antrag ablehnen?) noch gestellten Fragen nach dem wie konntet ihr das zulassen, warum habt ihr nichts getan, und das nach dem Frau Kollegin Gramkow, mir lagen viele Zwischenrufe Ende des Krieges von vielen reklamierte Nichtwissenkön- auf der Zunge, als Herr Ritter geredet hat. Sie haben kei- nen über die Dimension des Schreckens und der Gewalt, nen Zwischenruf von der CDU-Fraktion gehört. Wir kön- trotz der warnenden Stimmen oder zumindest kursieren- nen hier gerne eine lebendige Debatte führen. den Informationen und Gerüchte, (Angelika Gramkow, PDS: (Bodo Krumbholz, SPD: Genau.) Ich habe eine Frage gestellt.) sind genauso wie die Trauer um die Opfer Bestandteil Dann stehen Sie bitte auf und gehen ans Mikrofon! Das der schmerzhaften Auseinandersetzung, die wir zu führen muss ich als Zwischenruf werten. Wenn Sie jetzt Fragen haben und führen. Wir führen diese Auseinandersetzung stellen im Sitzen, ohne ans Mikrofon zu gehen, dann genauso, wie wir darauf verweisen müssen, dass für einen haben wir eine neue Kultur im Parlament. Dann müssen Teil des deutschen Volkes 1945 die Zeit der Diktatur noch Sie beantragen, dass die Geschäftsordnung geändert nicht vorbei war und weitere 40 Jahre totalitärer Herr- wird. Ich habe das als Zwischenruf gewertet. schaft erduldet werden mussten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden (Beifall bei Abgeordneten der CDU) unseren Kindern und unserer Jugend eine Auseinander- setzung mit unserer Vergangenheit des deutschen Fa- Herr Ministerpräsident, weite Teile Ihrer, ich will sagen, schismus nicht ersparen. Das ist uns ein inneres Anlie- Regierungserklärung hatten mit dem Antrag nicht viel gen. Das haben wir bereits in der Vergangenheit sehr klar oder gar nichts zu tun. Ich darf Ihnen aber an dieser Stel- und deutlich nicht nur in den politischen Debatten zum le die Frage stellen: Warum hat die Landeszentrale für Ausdruck gebracht. politische Bildung im Jahr 2003, als sich zum 50. Mal der Tag der Wiederkehr des 17. Juni 1953 jährte, nicht das Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch gleiche Engagement an den Tag gelegt, was Sie für das hier eine Frage an uns alle: Wer ist in den letzten Jahren kommende Jahr, für die kommenden Monate mit Blick auf im Sozialkundeunterricht an Gymnasien, an Schulen in den 8. Mai 2005 hier eben angekündigt haben? Mecklenburg-Vorpommern zu den verschiedensten Da- ten unterwegs gewesen? Wer hat es gemacht? (Beifall Rainer Prachtl, CDU) (Angelika Gramkow, PDS: Ich.) Ich finde das positiv, was Sie angekündigt haben. Aber die Frage muss gestattet sein, wenn ich Geschichte nicht Höchstens eine Hand voll oder noch weniger. Ist es nur einseitig sehen will, dann hätte auch der 17. Juni 1953 nicht auch eine Verantwortung von uns, selbst hinauszu- 2772 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 gehen, mit jungen Menschen zu diskutieren, aber – das (Beifall bei Abgeordneten der CDU) sage ich ganz deutlich – auch mit Lehrerinnen und Leh- Vizepräsident Andreas Bluhm: Danke schön, Herr rern, gerade was das totalitäre System der DDR betrifft, Rehberg. was Sie, Herr Ministerpräsident, zu Recht hier angeführt haben? Ich will Ihnen sagen, dieser Antrag – und deswe- Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abge- gen werden wir ihn nicht mittragen – ordnete Herr Friese. Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Torsten Koplin, PDS: Alles klar!) Siegfried Friese, SPD: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! klingt sehr nach verordnetem Antifaschismus, meine sehr verehrten Damen und Herren. Herr Rehberg, zwei notwendige Vorbemerkungen an Ihre Adresse: Den 17. Juni 1953, das heißt den 40. Jah- Und ich will Sie davor warnen: Dieses Ansinnen wird restag, haben die Sozialdemokraten mit großem Respekt scheitern. Dieses Ansinnen wird deswegen scheitern, weil und öffentlich bedacht. Ein Bild ging durch alle großen es auch in der DDR gescheitert ist. Das ist schlichtweg ge- Zeitungen. Auf denen waren der Bundespräsident Herr scheitert. Rau, der Präsident des Bundestages Herr Thierse und der (Angelika Gramkow, PDS: Bundeskanzler Herr Schröder zu sehen, wie sie am Mahn- Ah ja, das war jetzt richtig.) mal für die Opfer des 17. Juni Kränze niedergelegt haben. Und, meine Damen und Herren, der 8. Mai war staatlich (Eckhardt Rehberg, CDU: verordneter Feiertag als Tag der Befreiung, aber eine wirk- Hier in Mecklenburg-Vorpommern.) lich innere Auseinandersetzung mit dem Faschismus er- Damit haben Sozialdemokraten dieses Tages in Ehren folgte ebenso wenig, wie Trauer, Schmerz und kritische gedacht. Fragen zugelassen wurden. (Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) (Torsten Koplin, PDS: Das, was Sie da beschreiben, stimmt doch gar nicht!) Eine zweite Vorbemerkung. Natürlich gab es in der DDR Nazis, nur der Unterschied zur alten Bundesrepublik ist Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie ver- doch der, dass diese Nazis keine staatstragende Rolle logen dieser verordnete Antifaschismus und der damit spielen konnten. einhergehende Internationalismus eigentlich war, zeigt ein Blick in die jüngsten Veröffentlichungen der Birthler-Be- (Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – hörde. Die DDR hat Antifaschismus gefordert und gleich- Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU – wohl 22.000 ehemalige Nazis und Kriegsverbrecher Dr. Armin Jäger, CDU: Ach nee?! – gedeckt. 11.000 ehemalige Angehörige von Polizei und Rainer Prachtl, CDU: Was soll denn das?) Sondereinheiten, 8.000 Gestapo- und 3.000 SS-Leute Das war doch wohl in den alten Bundesländern anders. haben im antifaschistischen Musterländle unbehelligt leben Was sollte man denn mit diesen tausenden ehemaligen können. Nazis machen? Sollte man sie erschießen? (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – (Martin Brick, CDU: Dr. Armin Jäger, CDU: Eben.) Wo haben Sie gelebt damals?) Es waren nicht wenige, es waren nicht einige Dutzend, Das kann doch wohl nicht sein! Schauen Sie sich an, es waren Hunderte, es waren Tausende. Und auch das wie Adenauer mit den ehemaligen Nazis umgegangen ist! gehört zur Wahrheit mit dazu, meine sehr verehrten Da- men und Herren. (Beifall Beate Mahr, SPD: Richtig. – Zurufe von der CDU) (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) Das Problem liegt doch ganz woanders. Der Staatssicherheit war dies alles bekannt, und nicht nur ihr, auch der Partei- und Staatsführung. Das belegen Meine Damen und Herren, Sie entschuldigen diese Vor- die Dokumente. Doch statt an einer Verfolgung interes- bemerkung. Ich komme zu meiner Rede. siert zu sein, wurde die Anwerbung ehemaliger Nazis als Der Landtag wird heute beschließen, diesen Jahrestag inoffizielle Mitarbeiter vorgezogen. Und was ich beson- in angemessener Weise zu begehen. Ich frage mich: Wel- ders schlimm finde, auch das ist dokumentarisch histo- ches ist denn die angemessene Weise, in der wir diesen risch belegt: Ebenso wurden belastete Naziärzte in den Tag begehen wollen? Die bisherigen Reden haben mir medizinischen Dienst übernommen. gezeigt, dass wir ganz unterschiedlich darangehen. Wol- (Rainer Prachtl, CDU: Eine len wir den 8. Mai 2005 mit den Ritualen der DDR und Schande ist das, eine Schande!) damit verbundenen ideologischen Eingrenzungen fortset- zen, ebenso wie mit den Untersicherheiten diesem histo- Meine sehr verehrten Damen und Herren, warum führe rischen Datum gegenüber in Westdeutschland? Der An- ich das nun alles an? Wenn wir die Historie der DDR in den trag soll bei der jungen Generation das Bewusstsein für Zusammenhang mit dem hier zu besprechenden Antrag Ursachen, Geschichte und Folgen des Krieges schärfen. bringen, wird eines klar: Ein historisches Bewusstsein Jawohl, das wollen wir. Aber sind wir uns hier, die zweite kann nicht politisch verordnet werden. Auch 40 Jahre des und dritte Nachkriegsgeneration, denn einig in der Bewer- indoktrinierten Antifaschismus haben im Bewusstsein der tung der Ursachen und Folgen? Ich glaube, nein. Deshalb Bevölkerung imaginär keine Wurzeln geschlagen. Was wir ist die Debatte, die wir unter uns zunächst führen wollen, brauchen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist so unwahrscheinlich wichtig. Die Vorbereitung auf den eine ehrliche, eine persönliche und eine direkte Auseinan- 8. Mai nächsten Jahres sollte deshalb genutzt werden, dersetzung mit dem Datum des 8. Mai 1945. – Danke bisherige Sichtweisen in Ostdeutschland wie in West- schön. deutschland zu prüfen und notwendige Neubewertungen Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2773 vorzunehmen beziehungsweise als zu lösende Fragen in Verlustes der deutschen Souveränität gesehen. Der 8. Mai die öffentliche Debatte zu bringen. Jeder Versuch, jede war für viele Westdeutsche auch deshalb kein Tag der Form des Verharmlosens, des Relativierens, des Gegen- Befreiung, weil das Land an diesem Tag vollständig von einanderaufrechnens, des Umdrehens von Ursachen und fremden Truppen besetzt war. Im Osten standen die Wirkung wird diesem Tag nicht gerecht. Sowjets, vor denen man Angst hatte und über die allerlei Berichte über tatsächliche oder vermeintliche Gräuel (Beifall Frank Ronald Lohse, SPD) umgingen. Im Westen standen die Engländer und US- Eine große Rede aus deutscher Sicht hat der ehemalige Amerikaner, die zwar als zivilisiert galten, aber dennoch Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 eher Besatzer als Befreier waren. Als Befreier galten auch vor dem Bundestag und dem Bundesrat gehalten. Ich nicht die Franzosen, die zwar weniger als die Sowjets ge- halte diese Rede für wichtig und möchte deshalb die fürchtet waren, aber deshalb noch lange nicht geschätzt wichtigsten Sätze noch mal ins Bewusstsein bringen, Herr wurden. Präsident, wenn ich zitieren darf. An den 8. Mai wollte man in Zeiten des Wirtschafts- Richard von Weizsäcker sagte Kernsätze wie: „Der wunders nur noch ungern erinnert werden. Wer dieses 8. Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern. ... Der Tages gedachte, tat dies mit dem Gefühl der Trauer und 8. Mai war ein Tag der Befreiung.“ Allein dieses hat große des Unwohlseins, nicht aber in dem Bewusstsein, damals Wellen in der alten Bundesrepublik geschlagen. „Wir die Freiheit gewonnen zu haben. Die 68er sprengten diese gedenken insbesondere der sechs Millionen Juden, die ... Betrachtungsweise und fragten schonungslos nach der ermordet wurden. Wir gedenken aller Völker, die im Krieg Schuld der Väter und den Versäumnissen staatlicher Auf- gelitten haben, vor allem der unsäglich vielen Bürger der arbeitung faschistischer Zeit. Sowjetunion und der Polen, die ihr Leben verloren haben. ... Im Unterschied zu dieser breit gefächerten Empfin- Als Deutsche ehren wir das Andenken der Opfer des deut- schen Widerstandes, des bürgerlichen, des militärischen dungsweise des 8. Mai in Westdeutschland war der Tag der Befreiung, wie er offiziell hieß, in der DDR in seiner und glaubensbegründeten, des Widerstandes in der Arbeiterschaft und bei Gewerkschaften, des Widerstan- politischen Bedeutung vom Staat klar und eng definiert und wurde in pathetischen Ritualen gefeiert. Die Sowjet- des der Kommunisten. ... Den vielleicht größten Teil des- sen,“ – so Richard von Weizsäcker weiter – „was den union war Befreier, die Rote Armee die Heldenarmee. Den Alliierten kam bestenfalls eine Statistenrolle zu, aber – Menschen aufgeladen war, haben die Frauen der Völker getragen.“ Und weiter der Bundespräsident: „Das gehei- auch das muss man sehen – Verursacher der Verbrechen waren nicht zuerst die Deutschen, sondern war der Hitler- me Zusatzprotokoll“ zum deutsch-sowjetischen Nichtan- griffspakt vom 23.08.1939 „regelte die bevorstehende faschismus. Und die DDR in ihrem Selbstverständnis als antifaschistischer Staat gehörte bald mit zu den Bezwin- Aufteilung Polens. ... Die Sowjetunion nahm den Krieg anderer Völker in Kauf, um sich am Ertrag zu beteiligen.“ gern des Faschismus. Der enge Kreis war geschlossen und man konnte in der DDR den Tag der Befreiung mitfei- Und ein letzter Satz von Herrn Weizsäcker: „Heimatliebe ern. Einige Verfolgte zu Recht, aber die Mehrheit des eines Vertriebenen ist kein Revanchismus.“ Volkes in der DDR gehörte nicht dazu. Mit dieser Rede hat Weizsäcker nicht nur Zustimmung gefunden. Das vereinte Deutschland hat sich aber heute Ein Vertriebenenproblem gab es in der DDR nicht. Die über alle demokratischen Parteien hinweg darauf verstän- Mütter und Frauen der Gefallenen deutschen Soldaten digt, dass diese Rede Aufarbeitung von Geschichte und hatten keinen Ort der Trauer. Das Ausblenden der Wegmarke zugleich ist. Ich werbe dafür, dass diese klaren menschlichen Dimension aus dem Ereignis des 8. Mai, Worte in Zukunft von allen politischen Lagern als zum geis- seiner Vorgeschichte und seinen Folgen führte zu einer tigen Grundbestand des 8. Mai gehörend anerkannt wer- weiteren Entfremdung der Staatsführung der DDR zum den. Diese Übereinstimmung hindert uns ja nicht daran, Empfinden des Volkes, dessen Menschen in seiner Mehr- dass geschichtliche Ereignisse immer von Erfahrungen heit eben nicht Antifaschisten waren. und persönlichen Prägungen aus betrachtet und bewertet Zu den unbewältigten Kapiteln dieser deutschen Ge- werden. Das wird auch in Bezug auf den 8. Mai 2005 nicht schichte gehört auch die Frage nach dem Anteil der Par- anders sein. Eine vergleichbare partei- und meinungs- teien der Weimarer Republik am Scheitern der ersten übergreifende Rede aus der Sicht der DDR und ihr Ver- deutschen Demokratie. Natürlich trugen auch die Kom- ständnis des 8. Mai hat es nicht gegeben. munisten zum Untergang Weimars bei. Darüber wurde in Die Erfahrungen der Menschen im geteilten Deutsch- der DDR am 8. Mai nie gesprochen. Diese Auseinander- land mit dem 8. Mai waren sehr unterschiedlich. West- setzung mit der Schuld, die die KPD wie andere demo- deutsche verbanden mit dem 8. Mai 1945 zwiespältige kratische Parteien und natürlich auch die SPD auf sich Gefühle. Für die meisten war er der Tag, an dem der Krieg geladen haben, gehört zur angemessenen Weise der Wür- aufhörte und endlich der Frieden Einzug hielt. Darüber digung des 8. Mai, wie wir sie uns vorgenommen haben. waren alle glücklich. Der 8. Mai war auch der Tag, an dem In Aufmärschen und festlichen Staatsakten feierte die das NS-Schreckensregime sein Ende fand. Als Tag der Staatsführung der DDR mit Vertretern der Roten Armee Befreiung wurde er jedoch nicht von allen empfunden. diesen Sieg, während wir als das Volk entweder daneben Wer seine Heimat in Hinterpommern, Ostpreußen oder standen oder diesen arbeitsfreien Tag auf unserer Dat- Schlesien verloren hatte, empfand dieses nicht als Befrei- sche verbrachten. Nach Aufhebung der Arbeitsfreiheit des ung, sondern als schmerzlichen Verlust. 8. Mai Anfang der 80er Jahre blieben die Rituale und ideo- Das Gefühl, verloren zu haben, war aber auch in West- logischen Prämissen unverändert. Das Volk aber fragte deutschland ausgeprägt. Der 8. Mai wurde in der alten angesichts zunehmender wirtschaftlicher Probleme nach Bundesrepublik, soweit ich das beurteilen kann, eher als dem Sinn des Wortes „Befreiung“ und warum Befreiung Tag der größten Niederlage Deutschlands, als Tag der Ausgangspunkt neuer Unfreiheit war und als solche nicht bedingungslosen Kapitulation, als Tag des vollständigen enden wollte. 2774 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004

Der Dramatiker Heiner Müller hat den Antifaschismus dieses deutlich: Die Auseinandersetzung und der verant- der DDR-Führung und das ihr eigene Zeremoniell der wortliche Umgang mit unserer Geschichte, die Annahme Befreiung, die von einer neuen Generation als Perversion der historischen und politischen Verantwortung ist ge- empfunden wurde, in die Worte gefasst: Der „verordnete wachsen, so dass wir heute sagen können, die freiheit- Antifaschismus“ der DDR „war ein Totenkult. Eine ganze lich-demokratische Grundordnung, das Bekenntnis zu Bevölkerung wurde zu Gefangenen der Toten. Durch den unveräußerlichen, unverletzlichen Menschenrechten, zu nachträglichen Gehorsam der überlebenden Besiegten Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit in der offenen Gesell- gegenüber den siegreichen Toten der Gegenpartei“ – schaft sind Grundlage der politischen Kultur in der Bun- nach dem Modell Friedrich des Zweiten, der nach seiner desrepublik Deutschland. Artikel 1 unseres Grundgeset- Zähmung ein wirklicher Soldatenkönig wurde – „verloren zes wird heute angenommen. Das ist die Botschaft, die es die Toten des Antifaschismus ihre Aura.“ zu verteidigen gilt. Der politische Auftrag, den wir mit dem 8. Mai verbinden, ist mit dem Artikel 1 unseres Grundge- Nein, die DDR und wir Bürgerinnen und Bürger haben setzes hinlänglich formuliert. Wir müssen uns diesem Auf- den 8. Mai 1945 in seiner vielschichtigen Bedeutung nicht trag alle Tage wieder stellen. Das Wiederaufstellen bereits verarbeitet beziehungsweise verarbeiten können. Wie oft einmal abgeräumter Heldendenkmäler der Roten Armee in unserer deutschen Geschichte liegen in der Würdigung mag demgegenüber zurücktreten. – Ich danke für Ihre des 8. Mai aber positive Ansätze und historisch weniger Aufmerksamkeit. richtig Gelungenes dicht nebeneinander. Der staatlich verordnete Antifaschismus der DDR mag als eben verord- (Beifall bei Abgeordneten der SPD net und als Element der Diktatur des Proletariats empfun- und Dr. Martina Bunge, PDS) den werden. Faktisch trug er dazu bei, dass Antifaschis- mus Staatsdoktrin war, Nationalsozialisten des Dritten Vizepräsident Andreas Bluhm: Danke schön, Herr Reiches aus öffentlichen Ämtern entfernt und soweit mit Friese. Schuld beladen von Gerichten verurteilt wurden. Politisch Es hat jetzt noch einmal das Wort für die Fraktion der Verfolgte wurden materiell entschädigt. PDS der Abgeordnete Herr Ritter. Bitte schön, Herr Abge- Der Wahrheit ins Auge des gesamten Deutschlands ordneter. schauen heißt auch, nicht zu vergessen, dass – und ich zi- Peter Ritter, PDS: Herr Präsident! Meine sehr verehr- tiere – „nach der Gründung der Bundesrepublik Deutsch- ten Damen und Herren! land 1949 die Opfer der Nazidiktatur und ihre Angehörigen noch jahrelang von Sozialhilfe lebten, als Naziwitwen Werter Herr Rehberg, sicherlich hat jeder von uns hier bereits hohe Renten bezogen“. So Hildegard Hamm- im Raum über seine Familie Beziehungen zu dem, was Brücher 1995 in der Evangelischen Akademie Weimar. 1945 und später stattgefunden hat. Mein Vater wurde in Danzig geboren, musste als 18-Jähriger an die Ostfront Meine Damen und Herren, zur angemessenen Würdi- und kam erst 1949 aus der Gefangenschaft wieder zu- gung des 8. Mai im nächsten Jahr gehört auch die Kennt- rück. Ich bin froh, dass mir ein solches Schicksal erspart nisnahme aktuell anwachsender Erinnerungsflut von Me- geblieben ist, und ich will, dass auch meinem Sohn ein dienprodukten zum Dritten Reich. In immer größer werden- solches Schicksal erspart bleibt. Insofern haben Sie der Vielzahl bringen Fernsehanstalten, Verlage und auch Recht, wenn Sie eine ehrliche Auseinandersetzung for- das Kino historische Bruchstücke der Nazizeit und ihrer dern. Das, was Sie hier aber getan haben, war nicht mehr Figuren und Vorgänge ins öffentliche Bewusstsein. Das ist als eine Schwarz-Weiß-Malerei, die dem Anliegen nicht zunächst begrüßenswert, aber auch problematisch, wenn gerecht wird. zum Beispiel von den Filmbildern eines Diktators, der lie- bevoll seinen Schäferhund tätschelt und nach dem Essen (Beifall Angelika Gramkow, PDS) dezent die Lippen mit der Serviette abtupft, eine Intimität Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hätte mir ausgeht, die den Mythos des teuflischen Ungeheuers in Ihrem Redebeitrag, Herr Rehberg, schon gewünscht, gefährlich ins Wanken bringt. Und machen wir uns nichts auch etwas darüber zu hören, wie Sie sich angesichts der vor, die gekonnten Filmaufnahmen von Massenauftritten aktuellen Wahlerfolge von NPD und DVU stärker mit dem und Paraden der Nazis, die Leni Riefenstahl drehte, haben Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern aus- nicht nur in der Nazizeit ihre Faszination gehabt. Sie wirken einander setzen wollen. Leider habe ich davon nichts ge- auch heute und oft heroisierend. hört. Meine Damen und Herren, zum Vorhaben der PDS und (Gesine Skrzepski, CDU: Aber auch mit dem SPD, den 8. Mai angemessen zu würdigen, gehört auch die Linksextremismus! – Wolfgang Riemann, CDU: Frage, warum auf die Befreiung von der Nazidiktatur in Davon reden wir nicht.) Deutschland eine erneute Diktatur folgen musste, die von heute betrachtet eben nicht die richtigen Lehren aus dem Das war nun wieder weit unter der Gürtellinie. Kapitel Deutschland 1933 bis 1945 zog. Mit dem 8. Mai 1945 Eine Bemerkung zu den Demonstrationen, zu den an- begann für deutsche Sozialdemokraten zuerst durchaus gesprochenen Montagsdemonstrationen, Herr Minister- noch freiwillig, dann aber repressiv und gewaltsam von präsident. Seiten der KPD die dritte Verfolgung in der über hundert- jährigen Geschichte der deutschen Sozialdemokratie. Wir (Wolfgang Riemann, CDU: Sozialdemokraten wollen deshalb am Tag der Befreiung Darüber reden wir nicht.) nicht ausblenden, dass an diesem Tag politisch Anders- Ich habe mich gefreut, in Neubrandenburg miterleben denkende in der sowjetischen Besatzungszone und ab zu können, wie sich die Jugendorganisationen von SPD 1945 in der DDR von eben diesem DDR-Machtapparat und PDS gemeinsam auf dem Marktplatz positioniert verfolgt wurden. haben, und zwar so, dass von den Nazis in Neubranden- Meine Damen und Herren, nach allen Unterschieden in burg bei den Anti-Hartz-Demonstrationen nichts zu sehen der Sicht auf den 8. Mai in Ost und West wird aber auch und zu hören war. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2775

(Beifall Angelika Gramkow, PDS, Zustimmung durch die Fraktionen der SPD und PDS und und Torsten Koplin, PDS) des fraktionslosen Abgeordneten Dr. Bartels sowie Gegen- stimmen durch die Fraktion der CDU angenommen. Das war Zivilcourage und die erwarte ich von uns allen. Die beiden Koalitionsfraktionen sind damit einverstan- Meine sehr verehrten Damen und Herren, in den letzten den, an dieser Stelle noch nicht in die Mittagspause ein- Tagen wurde aus Anlass des 10. Jahrestages des In- zutreten. Kraft-Tretens unserer Landesverfassung viel über die Ver- fassung und Verfassungsänderungen geredet. Das Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 16: Beratung hauptsächliche Interesse findet dabei offenbar die Verlän- des Antrages der Fraktion der CDU – Kinder- und Jugend- gerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre. So habe man Gesundheitsvorsorgeinitiative des Landes Mecklenburg- mehr Zeit, sich hier im Landtag mit Politik zu befassen. Vorpommern – Rauchfreie Schule als erster Schritt, auf Abgesehen davon, dass ich bisher immer davon ausge- der Drucksache 4/1410. gangen bin, dass wir alle vom ersten Tag an hier intensiv Antrag der Fraktion der CDU: Politik betreiben, reicht mir nur eine solche Verfassungs- Kinder- und Jugend-Gesundheitsvorsorgeinitia- änderung bei weitem nicht aus. tive des Landes Mecklenburg-Vorpommern – Mein Kollege Andreas Bluhm hat in seiner Festrede am Rauchfreie Schule als erster Schritt Montag aus Sicht der PDS erneut vorgeschlagen, eine – Drucksache 4/1410 – antifaschistische Klausel in die Landesverfassung aufzu- Das Wort zur Begründung des Antrages hat der Abge- nehmen. Demnach sollten Handlungen, die in der Absicht ordnete Herr Schubert von der Fraktion der CDU. Bitte vorgenommen werden, rechtsextremes oder neofaschis- schön, Herr Abgeordneter. tisches Gedankengut zu verherrlichen oder zu verbreiten, als verfassungswidrig erklärt werden. Bernd Schubert, CDU: Herr Präsident! Meine sehr ver- ehrten Damen und Herren! Die Gesundheit unserer Kinder (Dr. Armin Jäger, CDU, und und Jugendlichen geht uns alle an, denn sie stellen die Eckhardt Rehberg, CDU: Zukunft unseres Landes dar. Aber nicht nur das Land Das ist verfassungswidrig.) Mecklenburg-Vorpommern ist krank, sondern auch des- Ich möchte diesen Vorschlag heute hier erneut unter- sen Nachwuchs. Ganz besonders Alkohol und Nikotin, breiten. Ich bin mir darüber im Klaren, Herr Dr. Jäger, dass aber auch illegale Partydrogen gefährden die Gesundheit auch eine solche Klausel, die das noch einmal in der Lan- der heranwachsenden Generation. Da können wir, meine desverfassung verdeutlicht, Damen und Herren, nicht tatenlos zusehen. Daher fordert die CDU-Fraktion eine Gesundheitsinitiative für Kinder (Eckhardt Rehberg, CDU: Nein, und Jugendliche. Heutzutage greifen bereits Zwölfjährige das ist verfassungswidrig! Es ist oder noch jüngere Kinder zur Zigarette oder zu anderen verfassungswidrig, Herr Ritter!) Suchtmitteln. Dieser frühe Einstieg in die Sucht gefährdet kein Allheilmittel im Kampf gegen den Rechtsextremis- die Entwicklung der Heranwachsenden und führt nicht mus ist. Aber sie wäre aus unserer Sicht ein wichtiges und selten zu einer lebenslangen Abhängigkeit. deutliches Zeichen und deshalb bitte ich Sie noch einmal Nicht wenige von Ihnen, meine Damen und Herren, alle, diesen Vorschlag ernsthaft zu prüfen. haben in der letzten Zeit mit dem Rauchen aufgehört – ich (Beifall Angelika Gramkow, PDS, eingeschlossen – und Birgit Schwebs, PDS) (Beifall Gesine Skrzepski, CDU) Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn und wissen, wie schwer es ist, dies durchzuhalten. wir schon heute wissen, dass Rechtsextreme für den Daher müssen wir verhindern, dass so junge Menschen 8. Mai in Rostock und für den 8. Mai in Berlin Demonstra- überhaupt erst damit beginnen. Das heißt, man muss tionen und Aufmärsche angemeldet haben, nicht nur die Symptome behandeln, sondern deren Ursa- (Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, richtig.) chen. Und die Ursache hierbei ist nicht, dass Kinder und Jugendliche zur Zigarette oder zu anderen Suchtmitteln dann ist doch dringender Handlungsbedarf geboten. greifen, das sind nur die Symptome, sondern wie sie da Und deshalb muss ich hier mit Bedauern und Unver- rankommen und was sie dazu bewegt. Es kann doch nicht ständnis zur Kenntnis nehmen, dass Sie den Antrag ab- sein, dass Zwölfjährige ohne Probleme an Zigaretten und lehnen. – Danke schön. andere Drogen kommen, obwohl es laut Jugendschutz- (Beifall Angelika Gramkow, PDS, gesetz erst mit 16 möglich sein sollte. Meiner Meinung und Torsten Koplin, PDS – nach ist hierbei die Vorbildwirkung jedes Einzelnen sehr, Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU) sehr wichtig. Da nützen auch keine erhöhten Zigaretten- preise, der Nikotinkonsum steigt dennoch stetig. Vizepräsident Andreas Bluhm: Danke schön, Herr Rit- ter. Daher fordern wir die Landesregierung auf, unverzüg- lich eine landesweite Kinder- und Jugendgesundheitsvor- Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich sorgeinitiative zu starten. Damit verbunden sein sollen: schließe damit die Aussprache. 1. rauchfreie Schulen, auch für Lehrer, um deren Vorbild- Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Frak- wirkung zu unterstützen tionen der PDS und SPD auf der Drucksache 4/1407. Wer 2. eine Trendwende für das Rauchereinstiegsalter bis 2006 diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke 3. die Senkung der Raucherquote bei Jugendlichen in schön. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Mecklenburg-Vorpommern um 25 Prozent bis zum Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 4/1407 bei Jahre 2010 2776 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004

Dies soll ein erster Schritt sein, die Gesundheit der Kin- ständlichkeit, aber auch ein hohes Gut für jeden Men- der und Jugendlichen dieses Landes zu schützen, denn schen sein. Enthalten wir sie auch unseren Folgegenera- immer mehr jüngere Menschen erkranken an typischen tionen nicht vor, nur weil wir sie eventuell bereits durch Alterserkrankungen wie Altersdiabetes oder Atemwegser- gewisse Süchte aufgegeben haben! Daher stimmen Sie krankungen. Dem kann allerdings nur entgegengewirkt unserem Antrag zu und setzen sich ein, dass die Landes- werden, wenn wir die Heranwachsenden motivieren, aktiv regierung Mecklenburg-Vorpommerns die Gesundheit etwas für ihre Gesundheit zu tun, das heißt in erster Linie, unseres Landes und ganz besonders der jungen Genera- Sport zu treiben, für gesunde Ernährung zu sorgen und tion nicht auf die leichte Schulter nimmt! Zeigen Sie, dem Konsum von Drogen abzuschwören. Besonders für meine Damen und Herren, Ihr Engagement im Kampf die zukünftige Entwicklung unseres Landes ist es wichtig, gegen Sucht und Krankheit mit nur einer Handbewegung, die Gesundheit der arbeitenden Generation von morgen indem Sie zustimmen! zu schützen und zu verbessern, denn nur gesunde Kinder (Torsten Koplin, PDS: Sind die Leute jetzt alle und Jugendliche von heute werden gesunde Erwachsene rauchen gegangen? – Holger Friedrich, SPD: und Arbeiter von morgen sein. Wenn allerdings bereits Aber die müssen auch zustimmen, die aus heute die neuen Generationen durch Nikotinkonsum er- der CDU. Die rauchen alle draußen.) kranken, können wir nur angsterfüllt in die Zukunft schau- en. Daher fordern wir die rauchfreie Schule als ersten Stimmen Sie für die rauch- und qualmfreie Schule und Schritt in die richtige Richtung. sagen wir gemeinsam den stinkenden blauen Nebel- Warum soll es in einer Einrichtung, die in erster Linie zur schwaden an den Bildungseinrichtungen des Landes den Bildung und zum Erwerb sozialer Kompetenzen vorgese- Kampf an! – Danke schön. hen ist, möglich und nötig sein zu rauchen? Schüler soll- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) ten anders gefordert und gefördert werden als mit dem Betätigen des Feuerzeugs und dem Heraussuchen der Vizepräsident Andreas Bluhm: Danke schön, Herr Zigaretten. Schüler sollten in der kurz bemessenen Zeit Abgeordneter Schubert. zwischen dem Lernen und Stillsitzen und dem nächsten Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von Pausenklingeln Besseres zu tun haben, als in einer Ecke jeweils zehn Minuten für jede Fraktion vorgesehen. Ich des Schulhofes zu stehen. Schüler sollten gesündere sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so be- Alternativen haben, als in riesigen blauen Nebelschwaden schlossen. Ich eröffne die Aussprache. ihre Pausen zu verbringen. Als Erster hat ums Wort gebeten der Minister für Ernäh- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) rung, Landwirtschaft, Fischerei und Forsten Herr Dr. Back- Ihnen diese Alternativen und sinnvollere Zeitvertreibe haus. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort. aufzuzeigen, ist in erster Linie Aufgabe der Erwachsenen. (Beate Mahr, SPD: Die sind alle beim Tabak- Wenn allerdings selbst die Lehrer und andere Vorbildper- anbau. – Heiterkeit bei Holger Friedrich, SPD) sonen diese Rolle nicht übernehmen können oder wollen, da sie selbst in Anwesenheit der Schüler ihrer Sucht frö- Minister Dr. Till Backhaus: Sehr geehrter Herr Präsi- nen, kann es jeder verstehen, dass Schüler gleichberech- dent! Meine Damen und Herren! Ich darf an dieser Stelle tigt behandelt werden wollen. Daher fordert die CDU- die Sozialministerin vertreten, die sich auf der Arbeits- Fraktion ein generelles Rauchverbot auf dem gesamten und Sozialministerkonferenz befindet. Ich bitte Sie um Schulgelände nicht nur für Schüler, sondern auch für Leh- Verständnis, dass ich diesen Redebeitrag im Wesentli- rer, eine rauchfreie Schule für gesündere Schüler! chen natürlich auch so, wie er aus dem Sozialministerium vorbereitet worden ist, halte. Da die bisherigen Aktivitäten der Landesregierung kei- nen befriedigenden Erfolg erzielten, im Prinzip gleich null (Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: waren, stiegen die Krankheitskosten insbesondere bei Wenn Sie zustimmen, ist das okay. Kindern und Jugendlichen ins Unermessliche. Dem kann Wenn Sie zustimmen, ist das okay.) man nur mit einem vernünftigen Konzept zur Prävention Ich kann Ihnen nur eins sagen, meinen persönlichen entgegenwirken. Aufklärung in Schulen und Freizeitein- Beitrag für dieses Thema habe ich vor gut zehn Jahren ge- richtungen, vielleicht sogar schon in Kindergärten, ge- leistet und habe aufgehört zu rauchen. meinsam mit dem Projekt „Rauchfreie Schule“ werden dabei helfen, langfristig etwas gegen die wachsenden (Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Ausgaben durch erhöhte Atemwegserkrankungen bei Abgeordneten der PDS – Torsten Koplin, PDS: immer Jüngeren zu tun. Das ist was! – Zuruf von Torsten Renz, CDU – Heinz Müller, SPD: Seitdem sieht er Meine Damen und Herren, wir dürfen nicht länger zuse- viel blühender aus. – Heiterkeit bei hen, wie die heranwachsenden Generationen unsere Las- einzelnen Abgeordneten der SPD) ter übernehmen. Es ist an der Zeit, endlich umzudenken, etwas gegen die Verschlechterung des Allgemeinzustan- Insofern ist es so, wenn man sich diese Intention des des unserer Kinder und Jugendlichen zu tun. Asthma und Antrages anschaut, dann ist doch klar, das ist eben von Allergien sind heute in jeder Familie, ja sogar bei Neuge- Herrn Schubert schon gesagt worden, Prävention muss borenen ein Thema und lassen sich auf die stetig steigen- zur nationalen Aufgabe werden und im direkten Lebens- den Belastungen im Umfeld der Kleinsten zurückführen. umfeld der Menschen verankert werden. Das muss unser Dem können wir nur entgegenwirken, wenn in der Einrich- gemeinsames Ziel sein. Das heißt eben ausdrücklich auch, tung, in der die Kinder und Jugendlichen des Landes fast Gesundheitsförderung und Prävention müssen in den Kin- 50 Prozent ihrer Zeit verbringen, ein generelles Rauchver- dergärten – ich fange mal ein Stückchen vorher an –, in den bot herrscht. Nur so ist es gewährleistet, dass sie nicht Familien beginnen, in den Kindergärten weitergeführt wer- ständig mit Nikotin und den damit verbundenen Giften den durch die Schulen, an den Arbeitsstellen und natür- konfrontiert werden. Gesundheit sollte eine Selbstver- lich ausdrücklich im öffentlichen Bereich unserer Städte Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2777 und Gemeinden angesiedelt und auf gemeinsame Ziele im Wesentlichen ausgeräumt, so dass es jetzt vorwärts ausgerichtet werden. Das sagte nicht die Opposition, gehen wird. sondern das sagte die Bundesministerin für Gesundheit (Torsten Renz, CDU: Na, na, , und zwar am 20. Oktober 2004, und ein da hab ich meine Zweifel!) paar Sachen habe ich einfach dazugesetzt. Nun haben sich die genannten Beteiligten gemeinsam In dem noch im Jahr 2005 zu verabschiedenden Prä- mit vielen wichtigen Akteuren ... ventionsgesetz, das wissen Sie auch, Herr Schubert, sol- len drei wesentliche Handlungsfelder abgegolten werden: (Torsten Renz, CDU: Die haben so viele Pro- bleme, die kommen gar nicht zu dem Thema.) Erstens. Auf der Bundesebene sollen 20 Prozent der 152 Milliarden Euro Gesamtmittel verwendet werden. Ja, hören Sie mal zu, Herr Renz! Durch eine Stiftung der Sozialversicherungsträger sollen Präventionsziele und Qualitätssicherung geregelt, Modell- (Torsten Renz, CDU: Die haben so viele Pro- projekte und gegebenenfalls ergänzende Maßnahmen im bleme, die werden das weiter verschleppen.) Einvernehmen mit den Ländern geregelt sowie bundes- Man hat sich mittlerweile geeinigt, so dass man sich weite Kampagnen durchgeführt werden. Ich glaube, das jetzt in die gleiche Richtung bewegt. Der Zug in Richtung sind Ansätze, die auch von der Opposition ausdrücklich Prävention hat endlich Fahrt aufgenommen. Von daher befürwortet werden. kommt der Antrag der Opposition einfach ein bisschen Zweitens. Der Landesebene werden 40 Prozent der spät. Gesamtmittel aus diesem Stiftungsvermögen zugewie- (Zuruf von Torsten Renz, CDU) sen. Hier werden dann unter anderem Aktivitäten gemein- sam mit den Sozialversicherungsträgern und in den Er hinterlässt den Eindruck, als wollte man hier Tritt- Regionen zusammengeführt. Künftig werden im Übrigen brettfahrern glauben machen, man sei selbst die Lokomo- Kranken-, Renten-, Unfall- und Pflegeversicherung ge- tive. Die Lokomotive ist auf dem Weg. meinsam mit den Ländern entscheiden, welche Maßnah- Was unternimmt denn nun die Landesregierung, meine men die Präventionsziele am besten erreichen können. sehr geehrten Damen und Herren? Den spezifischen Bedarfslagen wird dann auch in diesem Rahmen Rechnung getragen. Diese Arbeit organisieren (Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU) die Länder in der Zukunft selbst. In Ihrem Antrag zur Kinder- und Jugendvorsorgeinitiati- ve laufen Sie der Landesregierung jedenfalls offene Türen Drittens. Der Ebene der Sozialversicherungsträger wer- ein. Kinder- und Jugendgesundheit liegt uns schon immer den ebenfalls 40 Prozent der Gesamtmittel zugewiesen. sehr am Herzen und dazu haben wir auch Initiativen unter- Diese bewährten Maßnahmen der individuellen Verhaltens- schiedlicher Zielrichtungen auf den Weg gebracht. Unbe- prävention und Maßnahmen der betrieblichen Gesund- stritten sein dürfte, der Tabakkonsum ist die Gesund- heitsförderung sollen auf die Präventionsziele ausgerich- heitsgefährdung Nummer eins in der gesamten industria- tet und weiterhin eigenverantwortlich von den Sozialversi- lisierten Welt, so auch in Deutschland und insbesondere cherungsträgern erbracht werden. Ich komme nachher in Mecklenburg-Vorpommern. auch noch auf ein paar interessante Zahlen, die aus mei- ner Sicht deutlich machen, was gerade in den nächsten Umfragen nicht nur hier im Lande, sondern europa- und Wochen und Monaten getan werden muss. weltweit, bestätigen, Kinder beginnen durchschnittlich, man darf sich das noch mal auf der Zunge zergehen las- Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit langem sen, in einem Alter von zehn bis zwölf Jahren mit dem fordern Gesundheitsexperten ein Präventionsgesetz, und Rauchen. Und das ist leider, betone ich ausdrücklich, in nicht nur die Gesundheitsexperten, sondern natürlich Mecklenburg-Vorpommern so. Zumindest in unserem auch andere. Prävention und Gesundheitsförderung müs- Land ist es auch so. Grundlagenforscher haben festge- sen aufgewertet und ausgebaut werden, um Vorrang vor stellt, weil der Körper dieser jungen Menschen noch nicht Kuration, Rehabilitation und Pflege zu erhalten. Der ausgereift ist, reagiert das jugendliche Gehirn auf Drogen Grundsatz „Vorbeugen ist besser als Heilen“ stammt besonders empfindlich, gleichgültig, ob es sich nun um schließlich aus der Medizin. Er fordert – und das erfordert Nikotin, Alkohol, Cannabis oder andere Drogen handelt. auch einen Paradigmenwechsel in unserem Gesundheits- Es ist auch mittlerweile bestens dokumentiert, aus dem system, das heißt im deutschen Gesundheitswesen –, das Konsumverhalten und den Lebensgewohnheiten der heu- leider noch dominierende Krankheitsansatzsystem muss tigen Kinder und Jugendlichen resultiert schließlich ein zunehmend durch den Gesundheitsansatz verändert wer- hoher Gesundheitskostenablauf in den nächsten 20 bis den. 30 Jahren. Auf der 77. Gesundheitsministerkonferenz am 17. und Auf der Kindergesundheitskonferenz 2003 wurden vier 18. Juni dieses Jahres wurde man sich parteiübergreifend prioritäre Gesundheitsziele für Kinder und Jugendliche einig, dass Prävention und Gesundheitsförderung als festgelegt: eigenständige und gleichwertige Säulen im Gesundheits- wesen zu etablieren sind. Es wurde eine Bund-Länder- 1. Bewegungsförderung Arbeitsgruppe eingerichtet, die ein gemeinsames Eckwer- 2. Förderung des richtigen Ernährungsverhaltens tepapier für ein Präventionsgesetz zu erarbeiten hat. Auch dies ist ja hier schon angesprochen worden. Bereits im Sommer 2003 hat die Bundesregierung ein Präventionsgesetz angekündigt. Die Verhandlungen zwi- 3. Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Ge- schen Bund, Ländern und Sozialversicherungsträgern sundheitsförderung in der Schule haben sich doch schwieriger gestaltet, als erwartet war, Ich glaube, da haben wir gerade auch mit dem, was wir insbesondere bezüglich der Aufgabenverteilung und in den letzten Stunden diskutiert haben, einen wichti- Abgrenzung der Zuständigkeit. Dieses ist jetzt aber wohl gen Beitrag geleistet. 2778 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004

4. Stärkung und Fähigkeit zur Stressbewältigung, hierin nehmen. Darauf komme ich jetzt gleich, weil ich auch der enthalten auch die Suchtvorbeugung Auffassung bin, dass ich das, was in anderen Regionen Deutschlands zu dem Thema gemacht wird, das Freiwil- Ich will hier nur einige wichtige Programme nennen. Da ligkeitsprinzip, mit den Schulen, mit den Eltern in eine sol- gibt es unter anderem das Kooperationsprogramm „Ge- che präventive Entwicklung einzutreten, für richtig halte. meinsam Sport in Schule und Verein“ sowie die Modell- Auf der anderen Seite wissen Sie als Lehrer das ja auch projekte „Sport, Jugend, Kinder“ oder „Bewegte Kinder“. ganz genau, insofern werden Sie mich hier nicht aufs Es wird mit dem Ziel durchgeführt, die Bewegungsförde- Glatteis bewegen. rung im Vorschulalter schrittweise zu verbessern und zu erhöhen. Auf der Grundlage des Gesetzes zur Sportförde- (Dr. Ulrich Born, CDU: rung werden jährlich immerhin 8,2 Millionen Euro zur Dazu ist es auch viel zu warm.) Unterstützung sportlicher Aktivitäten in Mecklenburg-Vor- Sie wissen, dass die Direktoren der Schulen ausdrück- pommern zur Verfügung gestellt. lich nach dem Schulgesetz – und sie machen ja vom (Beifall Detlef Müller, SPD) Hausrecht sowohl auf den Schulhöfen als auch in den Schulen Gebrauch – heute das Rauchen in den Schulen, Das ist ja auch kein Pappenstiel. auf den Schulhöfen bereits untersagen können. Leider ist Zur Verbesserung des Ernährungsverhaltens werden es so, dass davon vielleicht nicht in umfassendem Maße mit der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, in deren Gebrauch gemacht wird. Aber auf der anderen Seite glau- Programm wir natürlich auch sehr eng eingebunden sind be ich auch, dass wir Aufklärung und diese präventiven als Landwirtschaftsministerium, Aktivitäten umgesetzt. Aktivitäten weiter verstärken müssen, um auf das Freiwil- Das gilt auch für die Verbraucherzentrale. Dies alles dient ligkeitsprinzip zu setzen, in der Hoffnung, dass das im zur Vorbeugung der Folgen von Übergewicht und Bewe- Bewusstsein deutlich wird, dass man seine eigene Ge- gungsmangel bei unseren Kindern und Jugendlichen. In- sundheit durch Konsum von Nikotin, Alkohol oder ande- sofern sind Sport, Bewegung und gesunde Ernährung ren Drogen aufs Spiel setzt. Ich hoffe, Sie haben mich ver- Hauptthemen, um natürlich auch die Kosten im zukünfti- standen. gen Gesundheitssystem weiter in den Griff zu bekommen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Das gemeinsam vom Sozialministerium und von der Heiterkeit und Zuruf von Gabriele Schulz, PDS) Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten mit jährlich Und deswegen würde ich, wenn ich darf, Herr Renz, immerhin 75.000 Euro finanzierte Projekt zur Prävention fortführen, und zwar in der Rede der Sozialministerin. Ich von Essstörungen hier in Schwerin sei ebenfalls an dieser will hier ausdrücklich betonen, dass wir in der Prävention Stelle genannt. Im Rahmenplan für die zielgerichtete Vor- im Lande mit den Krankenkassen, der Ärztekammer, der bereitung von Kindern in Kindertageseinrichtungen auf die GEW, diversen Forschungseinrichtungen des Landes, der Schule vom 1. August 2004 nimmt die Bewegungserzie- Industrie- und Handelskammer sowie dem Sozial-, Bil- hung einen außerordentlich wichtigen Platz ein. dungs- und Landwirtschaftsministerium intensiv zusam- Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kol- menarbeiten. Dieses Bündnis gibt sich jährlich Aufgaben- legen, es hieße, Eulen nach Athen zu tragen, wollte ich hier schwerpunkte. Es setzt sich für Rauchverbote in der über die Strukturen der Suchtprävention im Land referieren. Öffentlichkeit, so in Verwaltungsgebäuden, in Kliniken und Federführend ist, wie Sie sicherlich alle wissen, die Lan- natürlich ausdrücklich in Schulen, ein. deskoordinierungsstelle für Suchtvorbeugung LAKOST. Unterstützt wird schon seit Jahren das Schulprojekt Gibt es jetzt eine Frage? „Be smart – don’t start“, das in Deutschland entwickelt wurde und inzwischen europaweit großen Anklang gefun- Vizepräsident Andreas Bluhm: Ja, Herr Minister. den hat. Den Schulen ist der Entwurf einer Hausordnung Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten zur Verfügung gestellt worden, die gemeinsam mit dem Herrn Renz? Bildungsministerium erarbeitet worden ist. Das habe ich Ihnen im Wesentlichen schon gesagt. Die Aktion „Rau- Minister Dr. Till Backhaus: Ja, Herr Renz, dann mal los! chen und Schwangerschaft“ will ich hier ausdrücklich Torsten Renz, CDU: Ich bedanke mich, Herr Minister. noch mal ansprechen. Ich werde auch bei meiner Fragestellung Rücksicht neh- (Zuruf von Holger Friedrich, SPD) men, dass es nicht unbedingt ... Diese soll dazu beitragen, dass bereits Schäden von Vizepräsident Andreas Bluhm: Herr Renz, keine Kom- Kindern abgewendet werden, bevor sie geboren werden. mentare! Bitte die Frage. Leider müssen wir immer noch konstatieren, dass rund Minister Dr. Till Backhaus: Wir sind hier nicht in der die Hälfte aller Kinder in Deutschland zum passiven Rau- Schule, Herr Renz. chen verdammt ist, nur weil rauchende Eltern den Kindern dieses vormachen. (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD) (Holger Friedrich, SPD: Jaja.) Torsten Renz, CDU: Sehr geehrter Herr Minister, der Antrag lautet: „Kinder- und Jugend-Gesundheitsvorsor- Ich halte das nicht für richtig. Im KiföG wurde verankert, geinitiative des Landes Mecklenburg-Vorpommern – dass aus Gründen der Gesundheitsfürsorge und -vorsor- Rauchfreie Schule als erster Schritt.“ Könnten Sie aus ge und der Suchtvorbeugung in Räumen, die von Kindern Ihrer Sicht mal darstellen, wie Sie den momentanen Stand genutzt werden, nicht geraucht werden darf. Ich glaube, an unseren Schulen bezogen nur auf die Problematik das ist auch ein richtiger und wichtiger Ansatz. „Rauchfreie Schule“ sehen? Nicht weniger aktiv ist die Landesregierung bei der Ziel- Minister Dr. Till Backhaus: Ja, das werden Sie nach- gruppe der Kinder und Jugendlichen in der Alkohol- her gleich noch hören, wenn Sie einen Augenblick Platz prävention. Die Verstärkung des Jugendschutzes durch Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2779 das Gesetz zum Schutz junger Menschen vor Gefahren reich. Dort will man erst dann zu Verboten übergehen, des Alkohol- und Tabakkonsums wurde von uns aus- wenn die Freiwilligkeit nicht zum Ziel geführt hat. drücklich begrüßt. Die Sondersteuer für die Alkopops Ich denke, dass die Ausführungen meiner Kollegin, und zeigt, wie Sie hoffentlich auch wissen, bereits deutliche das habe ich damit vorgetragen, die ich heute vertre- Wirkung, ebenso die Steuererhöhung auf Zigaretten. Inso- tungsweise hier dargestellt habe, deutlich machen, dass fern ist das, glaube ich, ein richtiger Weg. der Antrag der CDU in der aktuellen Situation kaum irgend- (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD) etwas befördern kann. Das Projekt des Bundes wird mit Unterstützung des (Torsten Koplin, PDS: Staatlich verordnete Rauch- Landes an zwei Standorten – in Rostock und Greifswald – freiheit. – Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU) verwirklicht. Dem Land wurden 262.532 Euro vom Bund Ich kann es nur noch mal wiederholen, hier will man für dieses Projekt zur Verfügung gestellt. Am 2. Dezember offensichtlich auf einen bereits fahrenden Zug aufsprin- findet zu diesem Projekt und zu den so genannten Alko- gen. Das ist aus meiner Sicht nicht mehr unbedingt not- pops eine Tagung statt, die von LAKOST durchgeführt wendig. wird. Ich darf Sie im Namen der Sozialministerin herzlich einladen, daran teilzunehmen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Prävention muss zur nationalen Aufgabe Außerdem haben wir das Projekt der Bertelsmann- gemacht werden. Ich hoffe – und ich habe das hoffentlich Stiftung – ich glaube, das ist auch noch mal ein wichtiger deutlich gemacht –, dass Sie das Ansinnen der Sozialmi- Hinweis –, die Aktion „Anschub.de“ nach Mecklenburg- nisterin und damit der Landesregierung nachvollziehen Vorpommern holen können. Hier beteiligt sich die Ber- können. – Vielen Dank. telsmann-Stiftung mit jährlich 100.000 Euro, das Bil- d u n g s m i nisterium mit 50.000 und das Sozialministerium (Beifall bei Abgeordneten der SPD zusammen mit den gesetzlichen Krankenkassen mit wei- und einzelnen Abgeordneten der PDS) teren 50.000 Euro. 14 Schulen in Mecklenburg-Vorpom- mern bemühen sich um das Prädikat „Gesunde Schule“. Vizepräsident Andreas Bluhm: Danke schön, Herr Auch wir sind daran beteiligt. Minister. Meine Damen und Herren, mit der Entwicklung Meck- Sie haben das so umfangreich gemacht, dass die CDU- lenburg-Vorpommerns zu dem „Gesundheitsland Meck- Fraktion jetzt sechs Minuten mehr Redezeit hat. lenburg-Vorpommern“ wird nicht nur für das Land Meck- (Unruhe bei Abgeordneten der SPD und PDS) lenburg-Vorpommern verstärkt geworben, sondern natür- lich zugleich an das Gesundheitsbewusstsein im Lande Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Voland selbst appelliert. Dass es da noch viel zu tun gibt, steht für die Fraktion der SPD. Bitte schön, Frau Abgeordnete. außer Frage. Wir stehen aber hier nicht erst am Anfang, Angelika Voland, SPD: Herr Präsident! Meine Damen wie es zum Teil aus dem Antrag der CDU deutlich wird. und Herren! Ich muss auch wirklich sagen, das war von Mit dem Präventionsgesetz des Bundes werden sich die unserem Minister so umfangreich, dass es mir schwer Möglichkeiten also deutlich verbessern. So haben die fällt, jetzt überhaupt noch irgendetwas entgegenzusetzen. Länder dem Aktionsplan „Drogen und Sucht“ der Bun- desregierung bereits zugestimmt, die CDU-geführten (Frank Ronald Lohse, SPD, und Länder auch. Gerd Walther, PDS: Dazuzusetzen! – Zuruf von Torsten Renz, CDU – Seitens des Bundes wird an einem Tabakpräventions- Heiterkeit bei Reinhard Dankert, SPD) programm mittlerweile intensiv gearbeitet. Prävention braucht Strukturen und Mittel zur Entwicklung und Durch- Dazuzusetzen, Entschuldigung. führung von Maßnahmen. Dies werden wir dann sicherlich Ich wollte der CDU eigentlich die Chance gegeben auch im Rahmen des Präventionsgesetzes deutlich ver- haben, mit einem Entschließungsantrag ihre Intention zu bessern können. Darin ist man sich zum Glück inzwischen unterstützen. Wir wissen, und das hat Herr Backhaus jetzt parteiübergreifend auch einig. noch mal sehr deutlich gemacht, dass uns das Problem Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestatten Sie sehr wichtig ist und wir dieses Problem generell übergrei- mir einige abschließende Worte zum generellen Rauch- fend über alle Fraktionen gern aufgegriffen hätten, aber verbot. Grundsätzlich sind alle Bemühungen, den Zigaret- viele Dinge in Ihrem Antrag fast utopisch erscheinen. tenkonsum von Jugendlichen einzuschränken, unterstüt- (Heiterkeit bei Egbert Liskow, CDU: zenswert. Mit Verboten allein – ich glaube, ich habe das Sie sind nicht zukunftsfähig.) auch deutlich gemacht – werden jedoch keine Probleme gelöst. Vielmehr sollen Aufklärung und Eigeninitiativen in Und wenn ich dann dazusagen muss, dass unser An- den Elternhäusern, den Schulen und den öffentlichen Ein- trag vom 17.03.2004 mit Ihrem Änderungsantrag bis auf richtungen gefördert werden. So stellte die GEW in Berlin den letzten Punkt auch angenommen worden ist und dar- bis zum generellen Rauchverbot an Berliner Schulen fest, aus Konsequenzen gezogen worden sind, wie es hier dass die Flucht der rauchenden Schüler und auch der ganz bewusst von dem Minister ausgeführt worden ist, Lehrer – dann muss ich erwähnen, dass es eigentlich darum scha- de ist, dass wir uns im Moment über diese Anträge strei- (Heiterkeit bei Frank Ronald Lohse, SPD) ten, statt wirklich präventive Maßnahmen ganz konkret leider, betone ich – auf das Straßengelände eher ein durchzusetzen. Und ich glaube, wir sind uns einig, dass kontraproduktives System darstellt und damit die Ausein- das notwendig ist und wir an diesem Thema auch immer andersetzung auf einen anderen Teil der Regionen verla- dranbleiben müssen. Das heißt überhaupt nicht, dass wir gert hat. In Bayern ist man mit dem Versuch einer freiwil- das nächstes Jahr ad acta legen können oder in zwei oder ligen Vereinbarung an 30 Schulen dagegen sehr erfolg- in zehn Jahren. So sehe ich das. 2780 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004

Ich denke, dass der Bund das neue Präventionsgesetz Dann sind Dinge in Ihrem Antrag aufgeführt worden wie verabschieden wird, und hoffe, dass er uns recht bald die das Problem des Alkohols, die Ernährungsprobleme für Chance geben wird, auch eine finanzielle Komponente zu unsere Kinder sowie Drogenprobleme. Der Stressfaktor haben, um zu sagen, hier lässt sich noch mehr Geld für spielt in Ihrem Antrag keine Rolle, präventive Maßnahmen für unsere Kinder einsetzen. Und (Torsten Renz, CDU: Änderungsantrag! auch das ist gesagt worden: Prävention beginnt eigentlich Das ist ein Änderungsantrag.) schon vor der Geburt. Und weil wir gut waren, haben wir im Kita-Gesetz ganz bewusst im Paragraphen 9 die Ge- den ich auch als sehr unterstützenswert ansehen sundheitsversorgung unserer Kinder verankert und im würde. Wir hatten Ihnen eine Möglichkeit gegeben, mit Paragraphen 9 Absatz 4 auch deutlich gemacht, dass einem Entschließungsantrag dieses Problem ganz kon- Rauchen in den Räumen einer Kita nicht erlaubt ist. kret zu bereden. Aber wenn die CDU das nicht tut, Herr Renz, dann tut es mir Leid, dass wir vielleicht über kon- Wenn das im Schulgesetz möglich ist und wir es tun krete Dinge nicht nachdenken können. würden, dann muss ich dazu sagen, mit Verboten, und das ist hier deutlich gemacht worden, erreichen wir (Zurufe von Detlef Müller, SPD, eigentlich gar nichts. Die Raucher verlagern sich auf ein und Torsten Renz, CDU) anderes Territorium. Solange wir die Überlegung nicht haben, dass das ein gesellschaftliches Problem ist, dass In der Entschließung sind utopische Ansätze, die wir nicht nur unsere Kinder sich verändern müssen, sondern einfach nicht mittragen können, denn ich denke, dass das das in den Kopf unserer Erwachsenen auch hineingehört, Problem Alkohol nicht nur ein Problem unserer Kinder ist, so lange bleibt das Problem des Rauchens, wie das im sondern dass das ein gesellschaftliches Problem ist. Ich Antrag der CDU gefordert wird, 25 Prozent bis 2010 ein- denke, wir müssen einfach weiter gehen, als hier nur das zuschränken. Also wenn wir einen Jugendlichen oder ein Problem Schule herauszugreifen. Wenn wir unsere Kinder Kind als Raucher erreichen könnten, wäre das für mich und unsere Gesellschaft nicht als Gesamtheit betrachten schon ein Fortschritt. Wo Sie 25 Prozent hernehmen wol- und unsere Kinder nur aus dem Bereich Schule heraus- len, weiß ich nicht. Wir können den Antrag, den Sie von nehmen, dann ist der Ansatz von vornherein falsch. Dort Hamburg abgeschrieben haben, dann als Mecklenburg- ist für mich der Fehler in Ihrem Ansatz. Vorpommern fordern, wir machen das mit 30 Prozent. Mal (Zuruf von Torsten Renz, CDU) sehen, was wir dann erreicht haben. Ich finde, das ist un- sinnig, das ist utopisch. Auch wenn ich jetzt den Faktor Stress noch mit einem Änderungsantrag hineinbringen könnte, ist das Grundpro- (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) blem damit nicht geändert. Ich denke, wir sind im Moment dabei, systematisch die Problematik abzuarbeiten. Aber Ich will Ihnen andere Probleme aufzeigen. Ohne dass wenn wir das nicht als ganz gesellschaftliche Überlegung es diesen Antrag gab oder den Antrag 2003 gab, ist die ansehen, da gehört dann auch die gesunde Ernähung Hansestadt Rostock in einer kommunalen Aktion auf der dazu. Grundlage des kommunalen Städteförderungsgesetzes dem gesunden Städtenetz beigetreten. Das ist schon fünf (Ute Schildt, SPD: Genau.) Jahre so. Es wird auch jedes Jahr eine Auswertung in der Wenn ich in jedem Ortsteil so eine Fast-Food-Ge- Hansestadt Rostock dazu durchgeführt. schichte vor die Nase gesetzt bekomme, dann müssen Wir haben uns erlaubt, vor acht Jahren eine hauptamtli- wir vielleicht auch anders wirtschaftlich denken, wenn wir che Kinderkoordinatorin einzusetzen, die auch diese Pro- an gesunde Ernährung denken. Wenn ich überlege, dass bleme über die Gesundheit von Kindern aufgreift. Kennen Medien auch dazu beitragen, dass unsere Kinder mehr Sie die UNO-Rechtskonvention der Kinder? So steht es da vor dem Fernseher hocken und mehr mit einem Compu- schon drin. Und wir haben uns damit auch erlaubt, Kinder- ter spielen, als dass Eltern ihnen vielleicht eine Gute- ortsbeiräte zu gründen, so dass die Kinder vor Ort – es hat nachtgeschichte vorlesen oder mit ihnen irgendwo im eine Aktion in Rostock gegeben –, sich ganz genau die Wald eine Fahrradtour unternehmen, dann muss ich Schulen angesehen und die Zigarettenautomaten vor den schon sagen, hat auch Rostock wieder eine Vorreiterrolle Schulen genau aufgelistet haben und diejenigen, die dann übernommen. Wir sind einem neuen EU-Projekt beigetre- kommerziell daran verdienen, beauftragt haben, diese ten, wo wir die Fahrradewege in Rostock und außerhalb Automaten zu entfernen. Das haben wir geschafft. Das ist der Landkreise verbessern werden. Ich denke, das ist ein ein richtiger Ansatz und dazu brauchen wir nicht immer Ansatz dazu, dass nicht nur Kinder, sondern die komplet- wieder einen zusätzlichen Antrag im Landtag. Ich denke, ten Familien ihre Gesundheit verbessern und möglicher- das Problem ist uns bewusst, das sollten wir aufgreifen. weise auch einen anderen Ansatz zum Essen finden. Aber wir sollten hier nicht mit Schaufensteranträgen Vizepräsident Andreas Bluhm: Frau Voland, gestatten (Torsten Renz, CDU: Na, das ist Sie eine Anfrage des Abgeordneten Herrn Renz? aber unser Begriff. Der ist geschützt.) Angelika Voland, SPD: Können wir das hinterher von 30 Prozent Rauchereinschränkung in irgendeiner machen, Herr Renz? Form erwarten, dass das auch funktioniert. (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD) Alle meine fünf Kinder rauchen. Das ist für mich als Sie haben mich jetzt ein bisschen durcheinander ge- Elternteil – ich selbst bin Nichtraucher – nicht gut. Lang- bracht. Ich war gerade so schön ... sam fangen sie aber an, vernünftig zu werden. Ein bis zwei (Zuruf von Torsten Renz, CDU) haben gesagt, wir probieren es mal, ob es nicht anders geht. Ich denke, das ist auch der richtige Schritt, denn die Nein, nein, wir machen trotzdem weiter. Ich wollte ein- Eltern müssen diesen Schritt mit begleiten. Für die Kinder fach noch einmal auf das Problem Drogen aufmerksam und Jugendlichen allein wird das nicht funktionieren. machen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2781

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD) Angelika Voland, SPD: Ich möchte gerne, wie Herr Backhaus das schon gesagt hat, bei den rauchenden Sie klammern das jetzt so aus. Ich stelle hier einfach die Frauen in der Schwangerschaft beginnen. Ich würde die Frage: Was sind denn Drogen? Ist Alkohol keine Droge? vorkindliche Geburt schon als Problem auffassen, damit Ist Rauchen auch keine Droge? unsere Kinder gesund geboren werden. Und wenn wir es (Gabriele Schulz, PDS: Richtig.) schaffen, wie es das Kita-Gesetz und das Schulgesetz durchaus zulassen, dieses Problem in den Griff zu be- Die jetzt aus dem Umfeld der ganzen Sache herauszu- kommen, dann können Sie von mir aus anfangen, wo Sie nehmen, erscheint mir eigenartig. wollen. Nur beginnen Sie mit der Möglichkeit, dass wir (Beifall Gabriele Schulz, PDS) das gemeinsam tun, damit wir ein Kind und einen Jugend- lichen auf seinem ganzen Weg begleiten und nicht nur in Ich denke, wir sollten das im Zusammenhang sehen. dem Bereich Schule. Drogen sind all das, was wir hier eigentlich vor der Nase sitzen haben. Torsten Renz, CDU: Gestatten Sie eine Nachfrage zu den jetzigen Ausführungen? (Beifall und Heiterkeit bei Gabriele Schulz, PDS: Genau!) Angelika Voland, SPD: Aber natürlich. Um all diese Probleme sollten wir uns kümmern. Ich Torsten Renz, CDU: Wenn Sie die Vorbildwirkung der denke jetzt nicht nur an Ecstasy, Cannabis oder andere werdenden Mütter so betonen, sehen Sie denn keine Vor- Sachen. Ich finde, wenn wir unsere Männer und Frauen bildwirkung von Vätern? vor den Kaufhallen mit einem Bier in der Hand stehen (Gerd Walther, PDS: Na selbstverständlich!) sehen, ist das wahrscheinlich auch nicht die beste Vor- bildwirkung, die wir unseren Kindern geben können. Auf Angelika Voland, SPD: Aber natürlich sehe ich die Vor- der einen Seite haben wir Gesetze, die auch jetzt die Mög- bildwirkung der Väter. Ich erwarte auch von dem werden- lichkeit bieten, Alkohol und Drogen bei Kindern zu verbie- den Vater, dass er dazu beiträgt, dass seine Partnerin ten, aber ob Polizeipräsenz nun immer die richtige Wirk- auch ohne Probleme aufhören kann zu rauchen. Es ge- samkeit bringt, das mag ich bezweifeln. hören immer beide dazu, das weiß ich aus der eigenen Familie. Sie wissen, dass ich Vorsitzende der „Stubnitz“ bin. Das Schiff ist nicht immer hundertprozentig clean und Torsten Renz, CDU: Danke schön. sauber. Das Schiff ist eher ein Umfeld, wo sich die Ju- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) gendlichen relativ wohl fühlen. Dort machen wir Angebo- te zu präventiven Sachen bei Drogen und Alkohol. Vizepräsident Andreas Bluhm: Danke schön, Frau Voland. Oh, ich habe ein rotes Licht. Das war das erste Mal. Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der PDS der Abge- (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der ordnete Herr Walther. Bitte schön, Herr Abgeordneter. SPD, CDU und PDS – Torsten Koplin, PDS: Das verzeihen wir Ihnen.) Gerd Walther, PDS: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Gesund- Ich denke, das ist die richtige Überlegung, dass man heitsgefährdungen, und zwar insbesondere bei Kindern mit Kindern darüber spricht. Man muss die entsprechen- und Jugendlichen, im täglichen Leben nehmen auch bei de Vorbildwirkung aber für einen sehr langen Zeitraum uns im Land zu. Die Bandbreite der Gefährdungen wird durchhalten können. Das müssen die Eltern, das müssen immer vielfältiger. Ehemals haben wir über das Rauchen Lehrer und das müssen auch viele im Umfeld der Kinder und das Trinken als Schwerpunkt gesprochen, aber heute durchhalten können. Sie wissen ganz genau, dass eine kommen sehr oft ungesunde Ernährung, Bewegungsar- Clique oftmals mehr Einfluss hat, als das, was wir als mut und neben dem Alkohol auch andere Drogen in einer Eltern überhaupt noch erreichen können. großen Vielfalt hinzu. Beim Alkohol selbst kommen die Und als Frage würde ich gerne im Raum stehen lassen: Modedrogen, Alkopops, wie sie richtig heißen, hinzu, die Haben bei Ihnen Verbote eigentlich geholfen? Erinnern Sie uns nicht erst seit dem heutigen Tage im Landtag be- sich bitte! schäftigen. Die immer rasantere Entwicklung bei den Modedrogen erschwert natürlich den offensiven Umgang (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – mit dem Thema. Deswegen brauchen wir Lösungen, die Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – realistische Zielvorgaben machen und auch die Spezifik Heiterkeit bei Gabriele Schulz, PDS) unseres Landes widerspiegeln. Vizepräsident Andreas Bluhm: Frau Voland, gestatten Rauchen an den Schulen ist ein ernsthaftes Problem, Sie jetzt die Anfrage des Abgeordneten Herrn Renz? dem sich keiner verschließen darf und dem auch wir uns Angelika Voland, SPD: Aber natürlich. nicht verschließen wollen. Allerdings setzen wir zunächst auf Prävention. Zur Prävention ist heute schon einiges Vizepräsident Andreas Bluhm: Bitte schön, Herr Renz. gesagt worden. Prävention heißt für uns auch, dass wir Torsten Renz, CDU: Sehr geehrte Frau Voland, Sie zunächst einmal – ich betone, zunächst einmal – auf den haben in Ihren Ausführungen gesagt, dass Sie unseren Weg der Freiwilligkeit setzen. In den Schulen würde ein Ansatz, gezielt in der Schule zu beginnen, ablehnen. striktes Rauchverbot von oben, ohne dass es von den Meine Frage ist jetzt: Wo sehen Sie konkreten Hand- Betroffenen selbst mitgetragen wird, im wahrsten Sinne lungsbedarf und wo möchten Sie beginnen? des Wortes verpuffen. Der Weg über Freiwilligkeitsverein- barungen sollte zumindest über einen begrenzten zeitli- (Heiterkeit bei Peter Ritter, PDS: chen Korridor favorisiert werden. Erfahrungen anderer Bei Ihrem Antrag.) Bundesländer belegen das. Das Einführen eines Erlasses 2782 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 in Berlin hat zum Beispiel zu einer strikten Ablehnung an Erfahrung in der freien Jugendarbeit sagen, in der freien den Schulen geführt und teilweise sogar ein Ignorieren Jugendarbeit, in der Jugendverbandsarbeit und in der Ar- des Erlasses mit sich gebracht, während an bayerischen beit im Bereich der Ferienfreizeiten kann ich Ihnen garan- Schulen eine befristete Freiwilligkeitsphase den Effekt mit tieren, dass Verbote alleine die Probleme nicht nachhaltig sich brachte, dass sich dort 30 Schulen freiwillig in so ein lösen. Sie bekämpfen vielleicht die aktuellen Erschei- Projekt begeben haben. Deshalb setzen wir auch auf Frei- nungsformen, aber das Problem selbst wird damit nicht willigkeit bei uns im Land. Die Freiwilligkeit kann mit einer gelöst. Sie verschieben Konsumenten viel eher in die Ille- Frist untersetzt werden, um dem Ansatz Nachdruck zu galität beziehungsweise kriminalisieren den Konsum und verleihen. verbauen mit der Kriminalisierung den Zugang zu den Betroffenen selbst, der aber wichtig ist, wenn wir die Pro- Ich möchte hier auch ganz deutlich sagen, der Konflikt bleme wirklich lösen wollen. Als Pädagoge wird mir Herr der CDU wurde heute wieder deutlich. Sie plädieren mit Renz sicherlich zustimmen, nur mit den Betroffenen selbst dem heutigen Antrag auf ein staatlich verordnetes Rauch- können wir das Problem lösen, nicht gegen sie. verbot und haben noch vor wenigen Minuten hier im Land- tag propagiert, dass staatliche Verordnungen nichts brin- (Torsten Koplin, PDS: Herr Renz gen. Beim Antifaschismus war das der Fall. Sie müssen will eine staatliche Verordnung.) sich hier schon entscheiden, welchen Weg Sie wollen, den Weg der Freiwilligkeit oder den Weg der Verordnungen. Noch einmal zum Thema Alkohol. Hier, glaube ich, brauchen wir ein absolut neues Problembewusstsein in (Karin Strenz, CDU: Ihr Niveau Mecklenburg-Vorpommern. Wenn wir hier nicht mit der ist nicht zu unterbieten!) Vorbildwirkung der Eltern vorangehen, dann werden wir Übereilt ist der CDU-Antrag leider auch in einer ande- gar nichts lösen in unserem Land Mecklenburg-Vorpom- ren Hinsicht, denn ein Mangel ist das Abschreiben der mern. Mecklenburg-Vorpommern ist das Land mit der Quotenziele vom bayerischen Gesetzentwurf, und zwar höchsten Quote der Alkoholabhängigen beziehungsweise mit den 25 Prozent. Ja, aber das Abschreiben ist nicht der Menschen, die latent von der Abhängigkeit gefährdet weiter schlimm, das ist in Ordnung. sind. Man spricht mittlerweile von bis zum einem Drittel bei uns im Land. Wenn wir das Problem nicht aus dem (Heiterkeit bei Alexa Wien, PDS) Elternhaus heraus angehen, werden die Verordnungs- ansätze gar nichts bringen. Allerdings, Herr Renz und Herr Schubert, müssten Sie uns hier noch einmal eine Ableitung zum Besten geben, Ich möchte noch kurz etwas zur Übergewichtigkeit die diese 25-prozentige Quote konkret für unser Land sagen, denn auch sie wird ein zunehmendes Problem in Mecklenburg-Vorpommern untersetzt, wie Sie hier ganz unserer Gesellschaft. Die Schule allein wird es beispiels- konkret, und zwar mit Fakten untersetzt, diese Quote um weise über das Versorgungsangebot, welches dort gege- 25 Prozent senken wollen. ben wird, nicht lösen können. Wir wissen, die Fast-Food- Zu dem Problembewusstsein in der Thematik von Ge- Angebote nehmen in der heutigen Gesellschaft ständig sundheitsgefährdungen an den Schulen gehört sicherlich und permanent zu und zur falschen Ernährung kommt auch der Alkoholkonsum. Gerade in unserem Land Meck- auch noch die Bewegungsarmut hinzu. Wir müssten uns lenburg-Vorpommern ist der Alkoholkonsum ein immer an der Stelle auf das besinnen, was eigentlich Konsens stärker werdendes Problem. Egal, ob wir es jetzt unter ist: Mehr Bewegung im täglichen Leben, mehr Bewegung den Modebegriffen Koma-, Kampftrinken oder Rausch- im schulischen Bereich und mehr Bewegung im persönli- trinken bezeichnen, wir wissen, dass auch diese Form des chen Bereich wäre hier die beste Möglichkeit, den Ge- exzessiven Genusses von Alkohol eine immense Heraus- sundheitsgefährdungen entgegenzuwirken. forderung darstellt. Weil der CDU-Antrag – Frau Voland hat das eben schon Allerdings werden wir hier nicht mit einseitigen Dekla- einmal ganz kurz angerissen – noch einmal den Bereich rierungen im kritischen Raum Wirkungen erzielen. Wir des Drogen- und des Alkoholkonsums trennt, möchte ich brauchen eine Allianz aller Verantwortlichen bei uns im eins ganz deutlich sagen: Die größte, gefährlichste und Land und dazu gehören nicht nur die Schulen. Sie sind auch härteste Droge in Mecklenburg-Vorpommern ist der sicherlich wichtig, aber neben den Schulen, glaube ich, Alkohol. In diesem Sinne müssen wir auch eine gesell- brauchen wir, gerade was den Lebensraum von Kindern schaftliche Diskussion wagen, die sich damit beschäftigt, und Jugendlichen angeht, Ansätze, die weit darüber hin- warum denn diese härteste und gefährlichste Droge aller ausgehen. Wenn wir das ganz konkret fassen, dann ge- Drogen in Deutschland gesellschaftlich akzeptiert, tole- hören Jugendeinrichtungen, öffentliche Einrichtungen, riert und teilweise sogar im Gebrauch verniedlicht wird, gastronomische Einrichtungen und auch Einrichtungen im während andere weichere Drogen zu den illegalen Drogen Freizeitbereich dazu. Und wenn wir zum Beispiel bei der gehören und aus einer rein politischen Motivation in diese Großraumdisco keinen Ansatz finden, nützt uns das Agie- Kategorie gesteckt wurden. Ein Umdenken ist hier, wenn ren im Schulbereich nichts. wir das Thema wirklich offensiv angehen wollen, nötig. (Beifall Alexa Wien, PDS) Einiges, was im Land begonnen wurde, hat Herr Minis- ter Backhaus vorhin schon dargestellt, geht in die richtige Und wir brauchen natürlich auch eines, und zwar müs- Richtung. Wir hatten beispielsweise letztes Jahr die Kin- sen wir viel, viel mehr auf das Zusammenarbeiten mit den dergesundheitskonferenz 2003 hier bei uns im Land. Elternhäusern hinwirken. Solange die Einbahnstraße im Angebote von LAKOST werden offeriert und Kampagnen schulischen oder auch im Freizeitbereich gefahren wird zum Nichtrauchen. Ich selbst habe beispielsweise in mei- und wir den Elternbereich nicht mit einbeziehen, sind die nem Wahlkreisbüro in Ueckermünde im Frühjahr eine Ansätze an der Stelle nicht konsequent. Kampagne zum Nichtrauen angeboten. Allerdings, und Noch einmal mit einem Blick auf den Verbotsansatz der das sage ich auch ganz offen, war die Resonanz im öffent- CDU muss ich Ihnen ganz ehrlich aus jahrelanger eigener lichen Raum eher gering. An der Stelle müssen wir uns Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2783 also darüber verständigen, auf welche Pferde wir setzen, Lehnen Sie ihn nicht einfach ab, dann sehen wir Ihre damit sie auch effektiver arbeiten. Bereitschaft! Wir können ja Ergänzungen vornehmen und gemeinsam an diesem Antrag arbeiten. Ihn hier heute Ich gebe der CDU Recht, wenn sie davon ausgeht, dass aber einfach abzulehnen, das ist gerade bei den Schülern vieles bei uns im Land nötig ist, aber man sollte dann auch nach außen kein gutes Zeichen, denn viele Schüler sitzen deutlich sagen, mit welchen Ansätzen wir dieses umset- hier, damit wir dem die Zustimmung geben. zen wollen. An der Stelle sage ich auch noch einmal ganz deutlich, dass beispielsweise das Aufzeigen des Rausch- (Gerd Walther, PDS: Ich kann den trinkens oder des Komatrinkens als Problematik alleine Schülern gerne die Entschließung geben.) nicht ausreicht, wenn ich das nicht mit Maßnahmen unter- Die Entschließung, die Sie uns vorgelegt haben, die setze, wie ich diesem Komatrinken als Modebewegung entspricht nicht einmal unserem Antrag. Deswegen habe entgegentreten möchte. Ich bedauere sehr die mangeln- ich gesagt, wir bieten Ihnen an, de Kooperationsbereitschaft der CDU. Ich habe gestern und auch heute früh noch einmal sehr intensiv versucht, (Heiterkeit bei Karin Schmidt, PDS – über den Weg des Entschließungsantrages hier im Land- Peter Ritter, PDS: Deswegen haben tag eine Lösung zu finden, wo wir interfraktionell zeigen wir ja eine Entschließung gemacht.) können, dass uns dieses Thema sehr wichtig ist. Aber der CDU-Antrag hat einen riesengroßen Mangel, er benennt Ihnen die Möglichkeit zu geben, dass wir gemeinsam Problemfelder, zeigt aber viel zu wenig Lösungsansätze diesen Antrag in die Ausschüsse überweisen, um darüber auf und ist deshalb an der Stelle auch viel zu kurz gedacht. noch einmal zu diskutieren Aus diesem Grunde bleibt für uns nur die Ablehnung des (Heiterkeit bei Reinhard Dankert, SPD: Sie CDU-Antrages. kennen das Lied von den Königskindern?!) (Lorenz Caffier, CDU: Dann überweisen Sie und dann können wir ihn vielleicht noch einmal erneut doch den Antrag! Dann überweisen einbringen. Sie doch den Antrag!) Sie sollten aber daran denken, es gibt ein Jugend- Ich möchte Sie auch noch einmal bitten, Herr Renz wird schutzgesetz, wenn Sie sagen, dass Verbote nicht helfen. sicherlich noch darüber sprechen, gleichzeitig noch den Wollen wir jetzt sagen, wir brauchen dieses Jugend- redaktionellen Fehler Ihres Antrages auf Seite 3 zu korri- schutzgesetz auch nicht, weil Verbote nicht helfen? Ich gieren. Sie haben den zweiten Absatz zweimal drin, der ist glaube, diese Argumentation stimmt irgendwie nicht. Als gedoppelt in der Drucksache. Ich bitte Sie, dass Sie an Erwachsene haben wir die Pflicht, wir haben Schutzbe- der Stelle wenigstens die Drucksache noch auf den aktu- fohlene, denn es sind Kinder, die an den Schulen sind. ellen Stand bringen. – Danke schön. (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS) Und die Vorbildwirkung unserer Lehrer, die sollten wir Vizepräsident Andreas Bluhm: Danke schön, Herr eigentlich so ausstatten, dass wir ihnen die Möglichkeit Walther. geben, auch wenn es dort Raucher gibt, dass wir sagen, nein, rauchen an Schulen grundsätzlich nein. Das nur Es hat jetzt noch einmal für die Fraktion der CDU das noch einmal zu den Dingen, die vorher angesprochen Wort der Abgeordnete Herr Schubert. Bitte schön, Herr wurden. – Danke schön. Abgeordneter. (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) Bernd Schubert, CDU: Herr Präsident! Meine sehr ver- ehrten Damen und Herren! Ich möchte auf einen Redebei- Vizepräsident Andreas Bluhm: Danke schön, Herr trag zurückkommen, und zwar auf den Beitrag von Frau Schubert. Voland. Ich denke, wenn man den Antrag richtig gelesen Es hat das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeord- hat, dann steht auch darin: Nikotin, Alkohol und illegale nete Herr Renz. Bitte schön, Herr Abgeordneter. Drogen. Wir haben also alle Probleme aufgeführt. Wir sehen es genauso, dass Alkohol auch eine Droge ist. Das (Mathias Brodkorb, SPD: Sagen Sie haben wir nicht abgestritten. Das zeugt davon, dass man mal laut, was Sie eben gesagt haben!) den Antrag vielleicht gar nicht richtig gelesen hat. Torsten Renz, CDU: Sehr geehrter Herr Präsident! Ein weiterer Punkt. Natürlich kann man das per Gesetz Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Erstes soll- machen, aber es gibt auch die Möglichkeit, per Rechts- ten wir sicherlich unseren Antrag in dem genannten Sinne verordnung zu regeln. Diese Möglichkeit, dass man eine reparieren, denn der Absatz, den Herr Walther angespro- Verordnung erlassen kann, die hat der Minister heute chen hat, ist hier tatsächlich doppelt in die Begründung schon. Uns ist auch bekannt, dass in einigen Schulen hineingekommen. Wenn das der Beweggrund für die Ab- Schulordnungen ein Rauchverbot aussprechen. Aber lehnung ist, dann hätten wir das hiermit repariert. Wir wer- nach unserer Meinung und nach Recherchen haben wir den dann in diesem Fall sicherlich Zustimmung, zumin- herausbekommen, dass dieses nicht gefasst und nicht dest bei der Fraktion der PDS, erwarten. gefruchtet hat. Wollen Sie, dass es rauchfreie Schulen (Gerd Walther, PDS: Das ist eine gibt und im gleichen Zuge wieder Raucherschulen, an falsche Deutung meiner Worte.) denen geraucht werden darf? Das wollten wir im Antrag flächendeckend regeln. Wie es geregelt wird, ist eine ganz Es hat mich natürlich gefreut, dass Herr Dr. Backhaus andere Sache. hier signalisiert hat, dass er schon aktiv war, und zwar dass er mit dem Rauchen aufgehört hat. Diese Vorbildwir- Wenn Sie meinen, unser Antrag geht nicht weit genug, kung ist eigentlich das, wo wir hinwollen. Leider ist er nun dann lassen Sie uns doch diesen Antrag in die Ausschüs- kein Lehrer. Er betont es ja immer wieder, dass andere se überweisen, damit wir darüber diskutieren können! Lehrer sind. Langsam gewinnt man den Eindruck, dass 2784 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 ihn das etwas bedrückt, weil er es vielleicht auch gerne Schiene, aber aus unserer Sicht, und da unterscheiden gewesen wäre. wir uns sicherlich klar von PDS und wahrscheinlich auch von SPD, sagen wir, Freiwilligkeit alleine wird nicht ausrei- (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten chen. Sie müssen sich eines Tages auch der Situation der PDS – Minister Dr. Till Backhaus: stellen, wenn Sie das feststellen. Wenn man die gesell- Mein Großvater war Lehrer.) schaftliche Entwicklung betrachtet, dann kann man schon Ich möchte an dieser Stelle einfach einmal anregen, fast den Schluss ziehen, dass die Freiwilligkeit alleine Herr Dr. Backhaus, dass Sie vielleicht darüber nachden- nicht ausreichen wird. Sie müssen sich der Situation stel- ken sollten, in diesem Fall nicht rauchfreie Schulen, son- len und die Frage beantworten: Was wollen wir tun, wenn dern vielleicht ein rauchfreies Kabinett einzuführen. die Freiwilligkeit alleine nicht greift? Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal deutlich für unsere Fraktion (Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten sagen, dass Gefühlsduselei in vielen Bereichen der Ge- der PDS – Minister Dr. Till Backhaus: sellschaft aus unserer Sicht bei solchen Themen nicht Ich habe nicht geraucht.) ausreicht. Ich sage ganz deutlich, dass Verbote auch mit Das wäre doch auch schon einmal ein erster Schritt auf zum Leben gehören. dem Wege dorthin. (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) (Peter Ritter, PDS: Im Kabinett gibt es keine In diesem Fall sollten Sie darüber nachdenken, ob Sie Cabinet. – Heiterkeit bei Reinhard Dankert, SPD – mit Ihrer Freiwilligkeit dann nicht scheitern werden! Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus) Ich möchte anhand eines praktischen Beispiels ver- Vizepräsident Andreas Bluhm: Meine Damen und deutlichen, weil ich noch zu der Generation gehöre, da es Herren Minister! Bitte keine Rufe von der Regierungsbank, im Moment einfach so ist, dass ich morgens meine acht- Herr Backhaus. jährige Tochter zur Schule bringe. Und wenn ich auf die- Bitte schön, Herr Renz. sem Schulweg, der circa 1,5 Kilometer beträgt, laufend schon, ich schätze einmal, 12-Jährige sehe, wie sie mit Torsten Renz, CDU: Ansonsten hat es sich gezeigt, einer Selbstverständlichkeit die Zigarette auf dem Weg wie es häufig der Fall ist, wenn ein sehr sinnvoller Antrag zur Schule in der Hand tragen und dass unmittelbar vor durch die CDU-Fraktion hier gestellt wird, dem man nor- dem Schulhof eine Vielzahl von Kindern aus diesem malerweise nur zustimmen kann, Altersbereich dort steht und raucht, dann frage ich mich: (Heiterkeit bei Peter Ritter, PDS: Ist es nicht höchste Zeit und auch notwendig, auf diesem Wenn, die Betonung liegt auf wenn.) Gebiet etwas zu tun? Ich persönlich muss mich jeden Morgen überwinden und ärgere mich über diese Situation. dann ist es dieser politische Spagat, den Sie heute Das kann ich einfach nicht gutheißen. In diesem Zusam- auch wieder hinbekommen müssen, mehr oder weniger menhang sehe ich nicht nur die Notwendigkeit, die Frei- für unseren Antrag zu sprechen, ihn dann aber nachher willigkeit zu betonen, sondern wenn es sein muss, dann doch abzulehnen und auch Scheinargumente zu finden. müssen auch Verbote greifen. (Zuruf von Birgit Schwebs, PDS) Vizepräsident Andreas Bluhm: Herr Renz, gestatten Das hat mir die Diskussion doch recht deutlich gezeigt. Sie eine Anfrage des Abgeordneten Herrn Walther? Ihnen wird es sicherlich gelingen. Mein Kollege Schubert Torsten Renz, CDU: Ja. hat aber gesagt, wir wollen noch einmal eine goldene Brücke in dem Sinne schlagen, dass ich hiermit offiziell Vizepräsident Andreas Bluhm: Bitte schön, Herr beantrage, diesen Antrag zur weiteren Beratung in den Walther. Innenausschuss, Gerd Walther, PDS: Ich habe zwei Fragen. Herr Renz, (Birgit Schwebs, PDS: In den sind Sie darüber informiert, dass die zwölf Abgeordneten Bildungsausschuss auch.) der PDS-Fraktion allesamt Nichtraucher sind? den Bildungsausschuss und federführend in den Sozi- (Heiterkeit bei einzelnen alausschuss zu überweisen. Abgeordneten der SPD und PDS) Frau Voland hat sicherlich richtig ausgeführt, dass es Torsten Renz, CDU: Nein, Herr Walther. Ich begrüße hier nicht nur, wenn wir diese Problematik in der Gesamt- das aber und möchte an dieser Stelle hinzufügen, dass ich heit betrachten, die Schule treffen kann. Es ist schon rich- mein Leben lang schon Nichtraucher bin. tig, dass es ein gesamtgesellschaftliches Problem ist. Und ich sage auch immer wieder, dass die Schule im Prinzip (Peter Ritter, PDS: Noch besser.) ein Spiegelbild dieser gesellschaftlichen Verhältnisse ist. Gerd Walther, PDS: Das geht mir ebenso, Herr Renz. Mir ist aber nicht klar geworden, Frau Voland, wo Ihr Meine zweite Frage lautet: Herr Renz, haben Sie vorhin Lösungsansatz liegen soll. Wenn wir konkrete Schritte an der Stelle, als ich über eine zeitlich befristete Freiwillig- benennen, hier in der Schule zu beginnen, dann ist das, keitsvereinbarung gesprochen habe, meinem Ansatz fol- denke ich, ein richtiger Schritt. Ich habe auch nicht die All- gen können, dass ich durchaus die Möglichkeit einge- heillösung parat, dass ich sage, wie es sein muss. Aber räumt habe, nach einer endenden Freiwilligkeitsphase warum wehren Sie sich dagegen, hier im Bereich Schule auch mit stringenteren Mitteln wie beispielsweise mit Ver- einen aus unserer Sicht richtigen Schritt zu vollziehen und boten arbeiten zu können? ihn dann auch weiterzuentwickeln? Das erschließt sich mir persönlich nicht. Torsten Renz, CDU: Das habe ich so deutlich nicht wahrgenommen. Herr Walther hat auch wieder sehr stark dieses Freiwil- ligkeitsprinzip betont. Prävention ist sicherlich die eine (Zuruf von Gabriele Schulz, PDS) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2785

Gerd Walther, PDS: Danke. Torsten Renz, CDU: Frau Voland, wenn Sie meine Ausführungen des praktischen Beispiels so werten, dass Torsten Renz, CDU: Ich habe sehr wohl die Rede ver- die Kinder nun unmittelbar vor der Schule gestanden und folgt, aber in dieser Eindeutigkeit habe ich das nicht wahr- geraucht haben, und Sie das Gesamtproblem hier dann genommen. Ich werde dann im Protokoll noch einmal verniedlichen nachlesen, inwieweit Sie sich dort konkret geäußert ha- ben. (Torsten Koplin, PDS: Aber das hat sie doch gar nicht gemacht. – Birgit Schwebs, PDS: Aber lassen Sie mich bitte in meinen Ausführungen Das machen Sie doch! Das hat sie doch fortfahren. Ich möchte noch einmal für diesen Antrag nicht gemacht. Das machen Sie doch! – werben, damit Sie doch diesen Schritt gehen und ihn in Zuruf von Karin Schmidt, PDS) die Ausschüsse überweisen, um Initiativen im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik zu ergreifen. Ich kann es und nicht erkennen wollen, dass Handlungsbedarf in von der Warte aus auch nicht ganz nachvollziehen, denn diesem Bereich besteht, hier das Haar in der Suppe finden auf der einen Seite, dazu hat der Minister auch referiert, wollen und Auswege finden wollen, um unserem Antrag haben Sie selbst als Fraktion das KiföG auf den Weg nicht zuzustimmen, dann muss ich sagen, tut es mir ein- gebracht. Aufgrund dieser Tatsache kann ich es nicht fach Leid an dieser Stelle. verstehen, da auch im KiföG über Gesundheitsvorsorge (Zuruf von Alexa Wien, PDS) in Kindertagesstätten konkrete Sachen festgeschrieben sind, dass Sie hier nicht bereit sind, das aufzunehmen Zurück zu unserem konkreten Antrag, um das auch und mit uns gemeinsam weiterzuentwickeln. Das sollten noch einmal deutlich zu sagen zu Ihrer Entschließung, die Sie tun! Sie uns hier angeboten haben. Ich bin einfach davon überzeugt, weil es die Vergan- (Torsten Koplin, PDS: Ja, aber genheit gezeigt hat, wenn wir einmal Anträge hatten wie Sie haben es nicht gemacht.) zur Problematik, dass wir hier eine Initiative zum Thema „Werbung von Ärzten“ starten wollten, haben Sie vor einer Das ist sicherlich akzeptabel, dass Sie das so getan gewissen Zeit gesagt, dort ist keine Notwendigkeit, dieses haben. Sie können uns aber nicht vorwerfen, dass wir das zu tun. Im Nachgang haben Sie dann als Sozialministerin einfach nur nicht wollen. Ich sage das hier ganz deutlich, die Initiative ergriffen und diesen Weg beschritten. Ich der Kollege Schubert hat es angedeutet: Das, was Sie in sage Ihnen hiermit voraus: Sie wollen unseren Antrag der Entschließung konkret formuliert haben, dass Sie hier ablehnen und es wird so kommen, dass Sie die Initiative eindeutig sagen, Verbote allein lösen erfahrungsgemäß aus dem Sozialministerium ergreifen werden. Probleme nicht nachhaltig, entspricht nicht unserer Inten- tion. (Torsten Koplin, PDS: Sie haben ja (Gerd Walther, PDS: Ja, aber der als einen Entschließungsantrag. Sie haben Lehrer. Als Lehrer wissen Sie das.) die ausgestreckte Hand ausgeschlagen.) Sie wollen das, was wir als Position haben – aber das Diese Initiative wird konkret so aussehen, dass die werden wir als CDU nicht tun, wir stehen auch klar zur Sozialministerin eines Tages in Kindereinrichtungen auf- Verbotsregelung –, Sie wollen das hier verniedlichen tauchen wird und für die Gesundheitsvorsorge wirbt. (Torsten Koplin, PDS: Aber das haben (Torsten Koplin, PDS: Das ist auch vernünftig so.) wir heute schon anders gehört.) Dann werden Sie genau dieses Thema aufgreifen und und aus diesem Grunde können wir inhaltlich nicht mit- das, was Sie uns heute erklären, dass es nicht notwendig gehen. Das sollten Sie einfach akzeptieren! Ich gehe per- ist, dann selber vorführen. sönlich davon aus, dass Sie eines Tages dort hinkommen (Gerd Walther, PDS: Das macht sie ja schon werden, auch Verbotsregelungen mit einzuführen. Wir fin- längst. Das macht sie ja schon längst.) den es schade, wenn Sie unseren Antrag hier ablehnen sollten. Vizepräsident Andreas Bluhm: Herr Renz, gestatten Sie eine Anfrage der Abgeordneten Frau Voland? (Gerd Walther, PDS: Verbotene Früchte sind besonders gut.) Torsten Renz, CDU: Das gestatte ich sehr gerne. Aber wir sehen ihn als inhaltlich ausgreift und gut for- Vizepräsident Andreas Bluhm: Bitte schön, Frau muliert und wir halten ihn aufrecht. Voland. Ich bitte hier noch einmal um Zustimmung im Namen Angelika Voland, SPD: Herr Renz, eine Anfrage. Sie der CDU-Fraktion. – Danke schön. haben selber eben klargestellt, dass Sie ärgerlich darüber sind, dass die Kinder vor der Schule oder auf dem Schul- (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU) weg rauchen. Sie sehen doch, dass Ihr Antrag da zu kurz Vizepräsident Andreas Bluhm: Danke schön, Herr greift. Auch wenn Sie uns diese „goldene Brücke“ bauen Renz. wollen, würde ich ganz gerne fragen: Könnten wir das nicht in der Hinsicht anders machen, dass wir gemeinsam Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich an dem Problem dranbleiben? Aber da die Brücke im schließe damit die Aussprache. Moment nicht zu überwinden ist, denke ich, sollten wir im Wir kommen zur Abstimmung. Vorfeld eine andere Überlegung aufgreifen. Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den An- Vizepräsident Andreas Bluhm: Keine Kommentare trag der Fraktion der CDU zur federführenden Beratung in bitte, Frau Voland. den Sozialausschuss und zur Mitberatung in den Innen- Herr Renz, bitte. ausschuss und in den Bildungsausschuss zu überweisen. 2786 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004

Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Danke Ziel der Bundesregierung, bis 2020 den Anteil erneuerba- schön. Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltun- rer Energien auf 20 Prozent zu erhöhen, genügt aber bei gen? – Damit ist die Überweisung bei Gegenstimmen weitem nicht, um die in Kyoto vereinbarten Klimaschutz- durch die Fraktionen der SPD und PDS, Zustimmung ziele zu erreichen, und ist auch nicht realistisch, wenn durch die Fraktion der CDU, eines Abgeordneten der SPD man sich die endgültige Verknappung fossiler Ressourcen und einer Abgeordneten der PDS sowie zwei Enthaltun- vor Augen hält. Notwendig wäre eine Ablösung fossiler gen der Fraktion der PDS abgelehnt. und atomarer Ressourcen bis 2025 um bis zu 80 Prozent. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag in Schauen wir nach Mecklenburg-Vorpommern, so bietet der Sache. Wer dem Antrag auf Drucksache 4/1410 zuzu- sich auch kein Bild ungetrübter Freude. Der Anteil der stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – erneuerbaren Energien am Energieverbrauch in Mecklen- Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimm- burg-Vorpommern hat zwar den beträchtlichen Anteil von enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der rund 30 Prozent erreicht und ist damit jetzt schon besser CDU bei Zustimmung durch die Fraktion der CDU und als das von der Bundesregierung beschriebene Ziel. Dies einer Abgeordneten der PDS sowie Gegenstimmen der ist aber zum größten Teil auf die umstrittene Nutzung der Fraktionen der SPD und PDS und des fraktionslosen Ab- Windenergie mit rund 85 Prozent zurückzuführen und zum geordneten Dr. Bartels abgelehnt. anderen liegt es auch am relativ geringen Energiebedarf hierzulande. Die Nutzung weiterer regenerativer Energien, Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 17: Beratung wie Biomasse mit zehn Prozent und Deponie-, Bio- und des Antrages der Fraktionen der PDS und SPD – Fort- Klärsatz zusammen mit sechs Prozent, sind leider nur führung des Innovationsprogramms Nachwachsende unzureichend. Zwar steigt der prozentuale Anteil der Rohstoffe und Erneuerbare Energien in Mecklenburg-Vor- Ackerfläche, auf der nachwachsende Rohstoffe angebaut pommern, Drucksache 4/1408. werden, weiter an und sicherlich haben die Landwirte Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: unseres Landes die Chancen und Möglichkeiten ent- Fortführung des Innovationsprogramms Nach- deckt, die sich hier bieten, trotzdem kann der erreichte wachsende Rohstoffe und Erneuerbare Energien Stand nicht befriedigen. (IPNREE) in Mecklenburg-Vorpommern Die Gründe hierfür sind vielfältiger Natur. Mecklenburg- – Drucksache 4/1408 – Vorpommern ist zum Beispiel das Rapsanbauland Num- mer eins in Deutschland. Ganz sicher ist damit die ökolo- Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau gisch vertretbare Grenze beim Anbau dieses Rohstoffs im Schwebs von der Fraktion der PDS. Bitte schön, Frau Ab- Lande erreicht und nach wie vor wird die Ernte zum größ- geordnete. ten Teil außer Landes verarbeitet. Die drei kleineren Birgit Schwebs, PDS: Herr Präsident! Meine Damen Mühlen, die es inzwischen im Land gibt, sind für die Instal- und Herren! Die Beschäftigung mit erneuerbaren Energien lierung von funktionierenden regionalen Kreisläufen nicht und nachwachsenden Rohstoffen hat eine lange Tradition ausreichend, aber sie sind ein Anfang und sie zeigen in diesem Hause. Seit der 1. Wahlperiode zieht sich diese bereits deutlich die gewünschten Nebenwirkungen der Thematik durch alle Legislaturperioden, mal wurde sie Verarbeitung nachwachsender Rohstoffe. Es entstehen einvernehmlich diskutiert, mal gab es kontroverse Auffas- regionale energieautarke Kreisläufe. Energieerzeugung sungen. Da aber über den grundsätzlichen Einsatz nach- passiert dort, wo sie verbraucht wird. Wertschöpfung wird wachsender Rohstoffe und erneuerbarer Energien Kon- vor Ort realisiert. Diese Kreisläufe müssen stärker unter- sens besteht, möchte ich mich kurz fassen und versu- stützt, vernetzt und ausgebaut werden. Ein Strommix aus chen, den Antrag der Koalitionsfraktionen zu begründen erneuerbaren Energien könnte eine weitgehende autono- und gleichzeitig Anregungen und Visionen zu vermitteln. me Versorgung ländlicher Räume zur Folge haben. Das wäre ein anzustrebendes Ziel. Es ist ehrgeizig, aber es ist Wenn wir uns die Entwicklung des Einsatzes in den nicht unrealistisch. letzten 15 Jahren anschauen, so kann man einige Fort- schritte erkennen. Der Blick auf die Anbaustatistik verrät, Zurück zum aktuellen Innovationsprogramm. Auch der dass Industriepflanzen heute deutschlandweit auf rund Markt für kalt gepresstes Rapsöl entwickelt sich dank der 850.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche wachsen. Förderpolitik des Bundes und des Landes positiv. Dafür Der Anbau nachwachsender Rohstoffe insgesamt hat gibt es modellhafte Beispiele. Nennen möchte ich das eine Million Hektar bereits überschritten und ist damit Krankenhaus Wolgast, das sich seit 2001 an einer beson- größer als die Anbaufläche von Zuckerrüben und Kartof- ders innovativen Kraft-Wärme-Kopplungsanlage ver- feln zusammengenommen. Es werden von fast jedem sucht. Damit soll die Versorgung mit Strom, Wärme und zehnten Hektar der deutschen Ackerfläche nachwachsen- Kälte sichergestellt werden, indem kalt gepresstes Rapsöl de Rohstoffe geerntet. Knapp 60 Prozent aller erneuerba- verfeuert wird. Zunehmend mischen auch Landwirte dem ren Energien stammen aus Biomasse. Auch der Anteil Agrar- und Biodiesel Rapsöl bei, aus rein ökonomischen erneuerbarer Energien am Gesamtenergiehaushalt steigt Gründen, wie wir alle wissen, denn es gibt genügend ent- jährlich an. All dies ist sicherlich ein Indiz für die zuneh- täuschte Hoffnungen, wie das 100-Traktoren-Programm, mende Bedeutung nachwachsender Rohstoffe und er- an dem sich auch Landwirtschaftsbetriebe aus unserem neuerbarer Energien. Land beteiligen. Vor allem verstärkte Schadstoffemissio- nen und die technische Zuverlässigkeit der Motoren ent- Aus Sicht der PDS ist damit ein erster Zwischenstand sprechen eben nicht den hohen Erwartungen und den erreicht, auf dem sich einerseits aufbauen lässt, der aber Anforderungen. Notwendig sind jetzt intensive Forschun- andererseits ausgebaut werden muss, denn wir brauchen gen durch die technischen Universitäten und Hochschu- Alternativen zur bestehenden Energie- und Stromversor- len, um innovative Lösungen zu finden, die sich in der gung auf der Basis fossiler oder atomarer Träger. Damit breiten Anwendung rechnen. Da gibt es auf der Anwen- sind Anbau und Verarbeitung nachwachsender Rohstoffe derseite sowie auf der Seite der Erzeuger noch ein großes und erneuerbarer Energien praktizierter Klimaschutz. Das nicht ausgeschöpftes Potential. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2787

An Fördermöglichkeiten und Förderprogrammen, vationsprogramm ist in den Jahren 1999 und 2000 im meine Damen und Herren, mangelt es vor allem nach der Landwirtschaftsministerium entstanden und ich glaube, Novelle des EEG sicherlich nicht und es mangelt sicher- dass das so auch richtig war. Im Februar 2001 wurde die- lich auch nicht an der Ackerfläche zum Anbau nachwach- ses Innovationsprogramm vom Kabinett bestätigt und im sender Rohstoffe. In Mecklenburg-Vorpommern mangelt Anschluss daran veröffentlicht. Bereits damals hatte ich es vor allem an der unzureichenden Infrastruktur, sprich im Vorwort zu diesem Programm darauf hingewiesen, an ausreichender Verarbeitungs- und Veredelungskapa- dass die Nutzung nachwachsender Rohstoffe und erneu- zität für nachwachsende Rohstoffe. Im Vergleich zu Bay- erbarer Energien einen wichtigen Beitrag leisten kann, um ern schneiden wir da sehr schlecht ab. Der Einsatz von die Zukunft des Landes Mecklenburg-Vorpommern weiter Holz für die Wärmeversorgung im gewerblichen und pri- zu gestalten, Arbeitsplätze, Einkommen, Wertschöpfung vaten Bereich ist bundesweit stark im Aufwind, vor allem zu sichern und natürlich insbesondere die unverwechsel- die modernen Anlagen zur Verfeuerung von Pellets errei- baren Naturreichtümer nachhaltig in unserem Lande zu chen einen hohen Wirkungsgrad und sind genauso ein- schützen. So damals in dem Vorwort. fach im Einsatz wie Gas- oder Ölheizungen. Wieder ist unter anderem Bayern Vorreiter. Diese Aussage ist aus meiner Sicht nach wie vor hoch- aktuell. Angesichts der Umsetzung der neuen Agrarpolitik, In Mecklenburg-Vorpommern sieht es da auch be- die im nächsten Jahr mit dem 01.01.2005 beginnen wird, scheidener aus. Hauptursache ist hier die fehlende regio- gewinnt, glaube ich, das Thema Anbau nachwachsender nale Bereitstellung des Brennstoffs. Eine Perspektive für Rohstoffe oder überhaupt das Thema, von der Natur zu eine Ansiedlung wäre das aus meiner Sicht schon. Gera- lernen und diese zum Wohle der Menschen zu nutzen, im de ein Holzverarbeitungsstandort wie Wismar bietet sich Zusammenhang mit der Entkopplung neu an Bedeutung. nahezu ideal an. Mit dem Innovationsprogramm muss es möglich werden, den Landwirten eine klare Alternative zu Mit der Verabschiedung des Innovationsprogramms eröffnen, denn von der Produktion von Nahrungsmitteln durch das Kabinett war das Thema für mich beziehungs- allein werden sie in der Zukunft nicht leben können. Hinzu weise für die Landesregierung selbstverständlich nicht kommen auch die derzeit sehr schwierigen Rahmenbe- beendet, ganz im Gegenteil. Die Landesregierung hat sich dingungen, unter denen die Landwirte produzieren. Das bei der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für die sind unter anderem die neuen Regelungen für Agrardiesel, Nutzung nachwachsender Rohstoffe und zum Ausbau der die globale Öffnung der Agrarmärkte, die zukünftige stofflichen und energetischen Verwertung erfolgreich ein- Reduzierung der EU-Agrarsubventionen und nicht zuletzt gesetzt. Die Liste unserer Initiativen auf allen Ebenen ist die durch die EU durchgesetzte Regulierung des Zucker- im Übrigen doch relativ lang. Insofern ist es gut, dass wir marktes. Und als Chance, als Rahmenbedingung, die eine das hier heute noch einmal ansprechen dürfen. Chance bietet, ist die Novellierung des EEG zu sehen. Ich denke an die Erarbeitung der EU-Richtlinie zur För- Deshalb kommt es aus unserer Sicht vor allem darauf derung und Verwendung von Biokraftstoffen. Sie wissen, an, das Innovationsprogramm Nachwachsende Rohstoffe ab dem nächsten Jahr gibt es die Beimischregelung von und Erneuerbare Energien flexibel an die sich verändern- 5,75 Prozent und dann hochlaufend mit dem Jahr 2010 den Rahmenbedingungen anzupassen. Es muss eine die Möglichkeit, biogene Treibstoffe bis über 10 Prozent klare Perspektive zum Wandel des Landwirtes hin zum beizumischen. Damit wird sich die Nachfrage nach bioge- Energiewirt und zum Produzenten für nachwachsende nen Treibstoffen deutlich weiter erhöhen. Ich glaube, das Rohstoffe bieten und es muss einfach, überschaubar und war eine richtige Entscheidung, dass wir uns hier intensiv unbürokratisch sein. Die PDS-Fraktion kann sich durch- eingebracht haben und dabei sowohl die Vorgaben der aus vorstellen, dass als Anhang an dieses Programm eine Mengenziele als auch die zusätzliche steuerliche Ver- Aufstellung der relevanten Förderprogramme der EU, des günstigung im Blick haben. Im Übrigen ist bis 2009, auch Bundes und des Landes mit den entsprechenden An- dies sei angemerkt, der Biokraftstoff steuerfrei. sprechpartnern erfolgt, vielleicht auch in Form einer För- Ich denke auch an die Novellierung des Erneuerbare- derfibel. Energien-Gesetzes, von dem hier schon oftmals die Rede Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre war, das aus der Ökosteuer gespeist wird. Dadurch kön- Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zum Antrag nen immerhin 200 Euro jährlich in die erneuerbaren Ener- der Fraktionen von PDS und SPD. gien und die stoffliche Verwertung von nachwachsenden Rohstoffen eingesetzt werden. (Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD) Ich erinnere im Zusammenhang mit der Novellierung Vizepräsident Andreas Bluhm: Danke schön, Frau des Eneuerbare-Energien-Gesetzes aber auch an die Dis- Schwebs. kussion über die Festigung der Vergütungssätze für die Verstromung aus Biomasse. Ich glaube, hier ist uns im Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer Frühjahr etwas Richtiges gelungen, damit die Biomasse von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre kei- endlich dem Solarstrom und der Windenergie gleichge- nen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröff- setzt wird. Aktiv haben wir uns natürlich auch in die Dis- ne die Aussprache. kussion zur Beibehaltung jener Regelung eingebracht, wonach auch künftig der Anbau nachwachsender Roh- Als Erster hat ums Wort gebeten der Minister für Ernäh- stoffe auf den Stilllegungsflächen zulässig sein wird. Das rung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei Dr. Back- war und ist nicht selbstverständlich, das haben wir erfolg- haus. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort. reich durchsetzen können, ebenso wie die neue Rege- Minister Dr. Till Backhaus: Herr Präsident! Meine sehr lung, für den Anbau von Energiepflanzen auf Basisflächen geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass das die Hektarprämie von 45 Euro bereitzustellen. Ich kann Thema nachwachsende Rohstoffe heute wieder einmal daher mit gutem Recht behaupten, dass die Rahmenbe- auf der Tagesordnung steht. Das in Rede stehende Inno- dingungen für die Erzeugung von Bioenergie – ich betone 2788 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 aber ausdrücklich, auch für die stoffliche Verwertung von haben, dieses Thema der erneuerbaren Energien im Rah- Biomasse – noch nie so gut waren wie heute. Das eröffnet men der Ausschussberatungen weiter zu diskutieren. In- Chancen für unsere landwirtschaftlichen Unternehmen, sofern, glaube ich, sollten wir gemeinsam innerhalb des zum einen durch die Errichtung von Einrichtungen zur Landes diesem Thema und damit unserem Namen ge- Verarbeitung von Biomasse im landwirtschaftlichen Be- recht werden, um die Natur zum Wohle des Menschen zu trieb, zum anderen durch die gezielte Produktion von nutzen. – Herzlichen Dank. Energiebiomasse für verschiedene Verwertungsrichtlini- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS) en. Darauf bin ich schon kurz eingegangen. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr So geben Biogasanlagen unseren Landwirten die Mög- Landwirtschaftsminister. lichkeit, ihr Betriebseinkommen durch den Verkauf von Wärme und Strom oder auch die Weiterveredlung zu Das Wort hat jetzt die Vizepräsidentin Frau Holznagel ergänzen und damit zu stabilisieren. Ich glaube, das ist ein von der CDU. Thema, das den neuen Bundesländern, insbesondere Mecklenburg-Vorpommern, geradezu auch technisch- Renate Holznagel, CDU: Frau Präsidentin! Meine Da- technologisch neue Anreize geben wird, und das zeichnet men und Herren Abgeordneten! Am 28.06.2001 befasste sich schon ab. Dabei sichert im Übrigen das EEG, das sich dieses Hohe Haus mit einem ähnlichen Antrag der Energie-Erneuerungs-Gesetz, die Abnahme und Vergü- Koalitionsfraktionen. Frau Schwebs hat darauf aufmerk- tung des Stroms und der Wärme von immerhin bis zu sam gemacht, ich habe das Datum des letzten Antrages 20 Jahren. Das heißt, damit haben die landwirtschaft- in dieser Art und Weise hier nur noch einmal vorgetragen. lichen Unternehmen eine Kalkulationssicherheit, wie sie Schon damals hat meine Fraktion deutlich gemacht, wo sonst auf keinem anderen Sektor des Marktes gegeben sie die Schwerpunkte hinsichtlich des Einsatzes nach- ist. Darüber hinaus ergeben sich wirklich gute Chancen wachsender Rohstoffe und erneuerbarer Energien in für die Belieferung größerer Biogasanlagen oder natürlich Mecklenburg-Vorpommern sieht. Es ist hier auch schon auch die Verarbeitung von Raps oder anderen aus der durch meine Vorredner deutlich gemacht worden, dass Landwirtschaft stammenden Rohstoffen. wir uns in vielen Dingen grundsätzlich einig sind. Deswe- gen werde ich die Zitate aus den Protokollen nicht mehr Weitere Absatzchancen für Biomasse resultieren aus hervorholen. dem Bau von Anlagen zur Produktion von Biokraftstoffen. Bei dem Thema sind wir ja zurzeit intensiv dabei. In Mal- Gleichzeitig haben wir zu diesem Thema aber darauf chin ist dies bereits realisiert, in Rostock ist es in Planung, verwiesen, dass aufgrund der Förderrichtlinien des Lan- um zwei markante Beispiele aus dem Land zu nennen. Im des – Gewährung von Zuwendungen des Landes Meck- Übrigen sind wir in der Planung mit einer großen Äthanol- lenburg-Vorpommern zur verstärkten Nutzung zukunfts- anlage am Standort Rostock, mit deren Bau hoffentlich in trächtiger Energietechniken vom 15. August 2001 und Kürze begonnen wird. Aber auch die Anlagen in Schwedt, Richtlinie für die Gewährung von Zuwendungen des Lan- in Hamburg und in Wittenberge erhöhen natürlich die des Mecklenburg-Vorpommern zur Umsetzung des Kli- Nachfrage insbesondere beim Raps für die Rapsmethyl- maschutzkonzeptes – gerade die Landwirte und auch esterproduktion. So wirken also die Märkte auf der einen andere Berufsgruppen von der Förderung ausgeschlos- Seite entlastend und auf der anderen Seite preisstabilisie- sen wurden. Und hier, denke ich, ist ein Ansatzpunkt, der rend für die Landwirte. Jetzt müssen unsere landwirt- noch einmal betrachtet werden muss. schaftlichen Unternehmen endlich die Chance erkennen Dieser Ausschluss macht deutlich, dass das Wort der und die vorgenannten Instrumente zur Erschließung die- Landesregierung an diesem Punkt nicht mehr mit der Tat, ser neuen Produktionspotentiale nutzen. wie wir es eben gehört haben, übereinstimmt. (Präsidentin Sylvia Bretschneider (Ute Schildt, SPD: Das stimmt nicht.) übernimmt den Vorsitz.) Ich denke, wir brauchen hier neue und weitere Lösun- In Gesprächen mit landwirtschaftlichen Unternehmen gen. Dies muss sich ändern durch einfache klare Lösun- und an geeigneten Stellen werbe ich darum – und ich bitte gen, ohne dass die Landwirte von einem Ministerium zum Sie ausdrücklich darum, auch dabei mitzuhelfen –, zusätz- anderen Ministerium laufen, um die richtige Förderung be- liche Einkommensmöglichkeiten zu erschließen und damit ziehungsweise Möglichkeit zu erhalten. dieses Feld der Entwicklung zu eröffnen. Diese Zukunfts- chancen waren es auch, die mich gemeinsam mit dem Aber lassen Sie mich im Einzelnen auf Ihren Antrag ein- Bauernverband dazu bewogen haben, den Fachkongress gehen. Unter Punkt 1 fordern Sie, „das Innovationspro- auf der MeLa abzuhalten. Ich glaube, das war eine richti- gramm Nachwachsende Rohstoffe und Erneuerbare Ener- ge Entscheidung. gien ... in Mecklenburg-Vorpommern aus dem Jahr 2001 auf der Grundlage der bisherigen Ergebnisse und Ent- (Ute Schildt, SPD: Das stimmt.) wicklungen auf diesem Gebiet fortzuführen“. Klar ist mei- nes Erachtens, dass es einer solchen Aufforderung nicht Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, die bedarf. Die Landesregierung ist ständig gehalten, Pro- Ausführungen, die ich hier jetzt gemacht habe, zeigen, wie gramme, Förderrichtlinien et cetera den entsprechenden die Landesregierung konkrete Aktivitäten zur Umsetzung Rahmenbedingungen anzupassen und fortzuschreiben. des Innovationsprogramms gestartet hat. Ein Antrag des Der Minister hat eben sehr deutlich gemacht, dass er die- Landtages zur Fortführung des Innovationsprogramms ses auch tut. deckt sich insofern mit den Auffassungen und Aktivitäten der Landesregierung. Natürlich kann ich mir vorstellen, Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben dass wir in dem neuen operationellen Programm, mit des- zum Beispiel im letzten Landtag – der mir immer noch sen Erarbeitung wir in den nächsten Monaten beginnen, etwas in den Knochen steckt, das gebe ich zu – zum auch dieses Thema aufgreifen. Ich bitte insofern um Thema Haushaltsbegleitgesetz sehr deutlich gesagt, dass Unterstützung. Ich denke, wir werden auch Gelegenheit diese Regierung mit diesem Landwirtschaftsminister nicht Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2789 zum Handeln aufgefordert werden muss. In Richtung heutigen Problemen der Betriebe ist eine weitere Diversi - Haushaltsbegleitgesetz würde er sich enorm für die Land- fizierung der Einnahmemöglichkeiten in der Landwirt- wirte einsetzen. Wir brauchen keinen Antrag. Ich glaube, schaft notwendig. Aber auch hier sehe ich zurzeit Gren- viele erinnern sich noch daran. Ich bin aber immer noch zen. Deshalb ist es meines Erachtens mehr denn je not- überzeugt davon, dass genau hier das Votum des Land- wendig, den Landwirten aufgrund ihrer ureigensten tages im Bundesrat den Minister hätte bestärken können, Tätigkeit auskömmliche Einnahmen zu ermöglichen. Ge- die Landesforderungen einzubringen und Mehrheiten rade hier sollten Sie oder wir, meine Damen und Herren, dafür zu erreichen. dem Landwirtschaftsminister die entsprechende Unter- stützung geben. Denn obwohl der Landwirtschaftsminis- Aber nun zurück zum Antrag. Mit der unter Punkt 1 von ter vor Ort den Landwirten immer wieder zugesagt hat, Ihnen formulierten Aufforderung bestärken Sie, meine dass er sich gegen wettbewerbsverzerrende Alleingänge Damen und Herren der Koalition, den Eindruck, dass Ihre der Bundesregierung, wie zum Beispiel beim Agrardiesel, Regierung doch zum Jagen getragen werden muss. der grünen Gentechnik oder der Schweinehalteverord- (Zuruf von Gerd Walther, PDS) nung, einsetzen wird, so fehlt ihm im Bundesrat immer wieder die Kraft, sich entsprechend zu äußern. Mal nicht, mal doch, nicht doch, so, wie es passt. Meine Damen und Herren, hier in diesem Hohen Hause passt es (Minister Dr. Till Backhaus: so nicht! Nee, die fehlt eben nicht.) Deswegen zu dem Antrag unter Punkt 2. Dort fordern Zitat des Landwirtschaftsministers aus der „BauernZei- Sie, das Innovationsprogramm „um Bausteine zu ergän- tung“: „Wir sind mit unseren Anträgen gescheitert.“ Aber, zen, die explizit“ die Fördermittel und „Fördermöglichkei- Herr Minister, so, wie ich weiß, haben Sie diese Anträge in ten für Investitionen landwirtschaftlicher Betriebe auf der letzten Abstimmungsrunde im Bundesrat überhaupt Energiegewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen und nicht mehr gestellt. Ich denke, hier wäre doch vielleicht landwirtschaftlichen Nebenprodukten enthalten.“ Sehr das Votum des Landtages wichtig gewesen. Meine richtig, meine Damen und Herren! Das ist notwendig, um Damen und Herren, Lippenbekenntnisse und Schaufens- das Problem zu klären, dass gerade die landeseigenen teranträge seitens der Koalition und der Landesregierung Richtlinien die Landwirtschaftsbetriebe als Zuwendungs- nützen uns hier in diesem Hohen Hause und auch den empfänger ausschließen. Landwirten unseres Landes wenig. So ist nicht nachvoll- ziehbar, weshalb der Landtag anerkennen soll im letzten Meine Damen und Herren, es gibt folgenden Hinter- Absatz Ihres Antrages, „dass die Bundesregierung zwi- grund: Immer knappere Haushaltsmittel und eine drasti- schenzeitlich ein breites Spektrum an Fördermöglichkei- sche Kürzung der Landesmittel für den Einsatz von Zu- ten im Bereich Erneuerbare Energien und Nachwachsen- kunftstechnologien und den Schutz des Klimas haben zur de Rohstoffe geschaffen hat“. Landwirte und Freiberufler Folge gehabt, dass die Landesmittel seitens der Landes- können sich nicht in allen Fällen beteiligen. Hier brauchen regierung mit Strukturfondsmitteln der Europäischen wir unbürokratische, klare Förderbedingungen, um das Union kofinanziert wurden. Diese Kofinanzierung aller- Innovationsprogramm nicht nur auf dem Papier zu haben, dings, meine Damen und Herren, schließt die Förderung sondern in der Praxis umzusetzen. von Landwirtschaftsbetrieben aus. Gleichzeitig fehlen die Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Ent- Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch eins wicklung an anderer Stelle. Dies muss geklärt werden. ansprechen. So, wie auf allen anderen Märkten müssen Aber kann Ihr Antrag dabei helfen? Diese Frage möchte die regenerativen Energieformen auch auf dem liberali- ich hier einmal stellen. sierten Energiemarkt ihre Chance erhalten. Dafür müssten allerdings die entsprechenden Voraussetzungen geschaf- Wenn Sie ehrlich sind, meine Damen und Herren, dann fen werden. Und Sie, meine Damen und Herren der Koali- haben Sie die Landesmittel für den Klimaschutz seit dem tionsfraktionen, müssen endlich bereit sein, die Bundes- Jahr 2002 mehr als halbiert und für die Förderung zukunfts- regierung aufzufordern, die so genannte Ökosteuer so zu t rächtiger Energien um ein Fünftel gekürzt. Das sind die gestalten, dass regenerative Energien ihren Platz im Wett- realen Zahlen aus dem Haushalt. Dies, meine Damen und bewerb mit anderen Energieträgern einnehmen können, Herren, ist umso bedauerlicher, da der Landwirtschafts- und dies, meine Damen und Herren, europaweit. Das ist minister und auch Sie mit dem vorliegenden Antrag in der ganz wichtig, denn gerade Energiekosten sind mitent- Öffentlichkeit immer wieder den Anschein erwecken wol- scheidend für Wirtschaftswachstum und Wettbewerbs- len, dass Landwirte die drastischen Einkommensverluste fähigkeit. durch Einnahmen im Bereich erneuerbarer Energien kom- pensieren können. Das, meine Damen und Herren, ist lei- Ein weiterer Meilenstein der Unterstützung für unsere der so eindeutig nicht der Fall. Wirtschaftlichkeitsprüfun- Landwirte wäre die Erleichterung und Beschleunigung gen innerhalb der einzelnen Betriebe sind hier notwendig. von Genehmigungsverfahren. Gerade die Errichtung von Und ich denke, das muss eine wichtige Grundlage sein. Windenergieanlagen zur Eigenversorgung oder von Bio- gasanlagen wird unnötig in die Länge gezogen. Aus die- Wenn auch der Einsatz nachwachsender Rohstoffe und sem Grunde fordern wir Sie hier und heute auf: Setzen Sie erneuerbarer Energieträger natürliche Ressourcen schont, sich dort für die Interessen der Landwirte und der regene- was wir alle wollen, und gleichzeitig kohlendioxidneutral rativen Energieträger ein, wo es sinnvoll ist, nämlich in ist, so wird der Erhalt der landwirtschaftlichen Betriebe in Berlin und bei der Landesregierung, um klare Bedingun- unserem Land nur mit der Energiegewinnung aus nach- gen herzustellen und überschaubare und kurzfristige Ge- wachsenden Rohstoffen und anderen landwirtschaftli- nehmigungsverfahren durchzuführen! Der vorliegende chen Produkten in Zukunft aber nicht möglich sein. Ener- Antrag trägt dazu leider nicht bei. Aus diesem Grunde giewirt zu sein ist sicher eine gute Sache, eine gute Lö- werden wir ihn ablehnen. Dies heißt aber nicht, dass wir sung, aber es kann nur ein Teil sein für Betriebe, und auch das Innovationsprogramm ablehnen, meine Damen und nur für Betriebe, die ökonomisch gesund sind. Bei den Herren. Viel wichtiger ist, die Grundlage für die Weiter- 2790 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 führung des Innovationsprogramms für Nachwachsende Die Erfahrung zeigt, solche Entwicklungen laufen dort Rohstoffe und Erneuerbare Energien in Mecklenburg-Vor- günstig, wo – wie es die Medizintechnik beweist – Netz- pommern aus finanzieller Sicht zu betrachten und für die werke vorhanden sind und Kompetenzen gebündelt wer- kurzfristige Umsetzung der Schwerpunkte in der Praxis zu den. Mecklenburg-Vorpommern, also unser Land, eignet sorgen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. sich als Standort dafür. Unser Land bietet die besten Vor- aussetzungen für die Bereitstellung dieser Rohstoffe. Ich (Beifall bei Abgeordneten der CDU) beziehe mich hier auf die Ausführungen von Frau Holzna- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau gel. Natürlich ist es aber auch wichtig, dass unsere Land- Holznagel. wirte entsprechende Preise für diese Rohstoffe erzielen. Erst dann wird eine wirtschaftliche Nutzung möglich wer- Das Wort hat jetzt die Abgeordnete der SPD-Fraktion den, aber dazu brauchen wir diese Technologien. Von Frau Monegel. großer Bedeutung sind auf diesem Weg eine effektive und Hannelore Monegel, SPD: Frau Präsidentin! Meine nachhaltige Landwirtschaft, die Technologie zur Roh- Damen und Herren! Mit der Drucksache 4/1408 liegt ein stoffaufbereitung sowie die verarbeitenden Technologie- Antrag zur „Fortführung des Innovationsprogramms Nach- schritte in Anpassung an die Rohstoffe. Ich denke, auch wachsende Rohstoffe und Erneuerbare Energien in Meck- darüber sind wir uns einig. lenburg-Vorpommern“ vor. Mit der Einbringung wurde Die Nutzung von Biomasse in diesem Sinne kann bereits die Notwendigkeit der Fortführung dargestellt. Die jedoch kaum von einer Firma allein vorangetrieben und gestiegenen Erdölpreise auf dem Weltmarkt, auch wenn optimal genutzt werden. Nur durch die Zusammenarbeit sie wegen des aktuellen Dollarkurses leicht gefallen sind, verschiedenster Vertreter, verschiedenster Fachrichtun- führen uns drastisch vor, wie abhängig unsere Wirtschaft gen und Wissenschaftsbereiche ist eine effektive Nutzung und somit auch die Gesellschaft von dieser Ressource dieses Rohstoffes möglich. Was bedeutet das? Das be- sind. Seit geraumer Zeit wissen wir, dass diese Ressour- deutet, Wirtschaft und Wissenschaft müssen zwingend ce endlich ist. Es gilt, diese einseitige Abhängigkeit von enger kooperieren. In unserem Land geht es insbesonde- einem Grundstoff zu beenden und natürlich intelligentere re um die Zusammenarbeit der Institute, Hochschulen und Lösungen zu finden. Universitäten, der Landes- und Bundesforschungsein- Die verstärkte Nutzung von Wind- und Sonnenergie richtungen, der Landwirte, des Anlagenbaues, aber auch und auch Biomasse zur Energiegewinnung ist eine erste der Politik, denn diese Vorhaben müssen unterstützt wer- Reaktion darauf und die Novellierung des Energieeinspei- den. Und dazu brauchen wir die Fortführung des Innova- segesetzes war eine weitere folgerichtige Entscheidung. tionsprogramms. Deswegen bitte ich Sie, diesen Antrag Man muss aber immer wieder betonen, dass wir weit zu unterstützen. – Ich bedanke mich. davon entfernt sind, von diesem Rohstoff unabhängig zu (Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS) sein. Gerade deshalb ist eine Konzentration unserer An- strengungen notwendig, die stoffliche Nutzung zur Ener- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau giegewinnung und Wertstoffproduktion in regionalen Monegel. Kreisläufen zu optimieren. Und da betone ich auch noch Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Wien von der einmal, dass es nicht nur um die Energiegewinnung geht, PDS-Fraktion. sondern auch um die Wertstoffproduktion. Das Innova- tionsprogramm stellt hierfür die notwendigen Mittel bereit. Alexa Wien, PDS: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war gerade über einen Aus- Welche Entwicklungen verdienen nun unser besonde- tausch der Parlamentarier für 14 Tage in den USA, wie das res Interesse? Eine Vision, denke ich, könnte und sollte vielleicht einige von Ihnen wissen. dabei folgende sein: Nachwachsende Rohstoffe lassen sich sowohl zur Produktion von Treib- und Kraftstoffen (Dr. Gerd Zielenkiewitz, SPD: Und?!) verwenden als auch von Grundchemikalien, ähnlich wie Ich habe natürlich sehr, sehr viele Erfahrungen mitge- bei der Aufarbeitung von Erdöl. Das geschieht im Rah- bracht und über zwei würde ich heute hier reden wollen, men von Bioraffinerien. Es lassen sich Produkte herstel- zur ersten aus aktuellem Anlass und zur zweiten, weil sie len, die aus langfristig zur Verfügung stehenden nach- hier genau in dieses Thema gehört. wachsenden Rohstoffen produziert werden, die Arbeits- plätze und Exportpotentiale freisetzen. Aber dazu ist eine Die erste aus aktuellem Anlass: Es gab dort überall in entsprechende Technologieentwicklung erforderlich. Wir öffentlichen Gebäuden, in Restaurants und so weiter befinden uns in Deutschland und in Europa am Beginn Rauchverbot. Als Nichtraucher dieser Entwicklung. Viele spezielle Einzelprojekte laufen (Heiterkeit bei Dr. Margret Seemann, SPD, bereits, jedoch werden sie noch nicht konzentriert und und Torsten Koplin, PDS: Nichtraucherin.) auch nicht vernetzt. Es besteht also die Chance, auf die- sem Gebiet die Technologieführerschaft zu erreichen. habe ich mich wirklich beschützt gefühlt. Das war eine Wie könnte uns so etwas gelingen? Zunächst muss die sehr subjektive, aber sehr angenehme Erfahrung. industrienahe Demonstrationsanwendung der entspre- (Peter Ritter, PDS: Tabak ist chenden Technologie vorhanden sein, auf deren Grund- ein nachwachsender Rohstoff.) lagen Firmen ihre Produkte in diesem Umfeld entwickeln, erproben und vermarkten können. Gleichzeitig ist dieser Die zweite für mich sehr erschreckende Erkenntnis: Prozess mit Wertschöpfung in der Region verbunden und Amerika ist wahrscheinlich Weltmeister im Umweltver- ermöglicht entsprechende berufliche Qualifikationen. brauch. Mir ist letztendlich das Herz in die Hose gerutscht, Dabei bieten zum Beispiel Biogasanlagen die Grundlagen als mir im täglichen Leben bewusst wurde, wie wir uns zur Bereitstellung von methanhaltigen Gasen, die Basis dort als Gäste und wie sich die amerikanischen Menschen für die Herstellung von Grundchemikalien und Kraftstof- selbst an der Umwelt bedienen, ohne wirklich auch nur fen werden können. einen Tag weiter zu denken. Es war so hemmungslos, Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 2791 dass ich wirklich heute noch erschüttert bin, wie Sie das Lilly Kühnel, SPD: Frau Präsidentin! Meine Damen und jetzt vielleicht hören. Der Weg, ich sage es einmal so, vom Herren! Ich hatte eben so das Gefühl, dass alle gehofft Umweltverbrauch zum Krieg um Öl ist immer sehr, sehr haben, es spricht niemand mehr. kurz. Das wissen wir auch aus leidvoller Erfahrung, dazu (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, CDU brauchen wir nur in den Irak und nach Russland zu und PDS – Zurufe aus dem Plenum: Nein, nein!) gucken. Ich muss Sie enttäuschen. Ich werde mich aber be- Insofern, Frau Holznagel, ist das Thema „Nachwach- mühen, mich kurz zu fassen. Sie hatten bereits gehört, sende Rohstoffe“ natürlich, zumindest für uns als Fach- dass das Programm über das Innovationsprogramm der politiker, aber ich hoffe, auch für die anderen Politiker, ein Landesregierung im Jahr 2001 verabschiedet wurde. Ich so wichtiges, dass wir letztendlich jede Landtagssitzung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht in diesem Gremium darüber sprechen könnten, weil erst das, was immer wie- und musste mich dort hineinlesen. So stellte ich fest, es der genannt wird, das wissen wir auch aus der Werbung, grenzt erneuerbare Energien durch Biomasse und nach- in den Köpfen ankommt. Solange zum Beispiel immer wachsende Rohstoffe ein und es umfasst nicht die Wind- noch ein Kohlepfennig gezahlt wird oder solange immer energie, die Photovoltaik oder die Solarenergie. wieder über Kernspaltung als Energiegewinnung gespro- chen wird, über Atomenergie, solange wir immer noch Mit der Produktion von erneuerbaren Energien leistet diese Energien als mögliche Energiegewinnung hochko- die Land- und Forstwirtschaft einen wesentlichen Beitrag chen, die wirklich Umweltverbrauch in Größenordnungen zur Lösung von wirtschaftlichen und gesellschaftsrelevan- sind, gerade Kohle- und Erdölverbrennung, solange müs- ten Problemen. Das wurde hier bereits mehrfach darge- sen wir immer wieder über erneuerbare Energien spre- legt. Aufgrund von Erfahrungen aus der Forschung und chen. In Deutschland, meine Damen und Herren, sind es aus der Praxis halten wir es, die Antragsteller, für dringend letztendlich circa 25 Jahre, in denen wir überhaupt über erforderlich, dieses Programm fortzuschreiben. Aufbau- dieses Thema nachdenken. Ich denke, da sind wir sehr, end auf die bereits vorliegende Analyse und den aktuellen sehr weit gekommen. Das ist nicht nur ein Thema des Erkenntnissen erwarten wir das Herausarbeiten von Landwirtschaftsministers, sondern das ist auch ein The- Schwerpunkten bei der Produktion und Verarbeitung von ma des Umweltministers. Biomasse. Interessenten und Investoren sollen Hinweise und Anregungen erhalten, um unternehmerisch richtige Und nun wieder hier in Deutschland angekommen, Entscheidungen zu treffen und um rechtzeitig Fehlent- hatte ich relativ schnell auch einen Zeitungsartikel – es scheidungen im Management zu vermeiden. war ein gutes Beispiel, was wir hier schon alles können in Deutschland – über Choren in der Hand. Choren befindet Vor dem Hintergrund der veränderten Rahmenbedingun- sich in Freiberg, in Sachsen. Das ist eine Unternehmens- gen ab dem kommenden Jahr 2005 in den Bereichen Klima, gruppe, die seit 1994 16 Millionen Euro in die Hand ge- Energie und insbesondere der neuen Agrarreform sind nicht nommen hat. Es ist ihnen inzwischen gelungen, aus Bio- nur neue Ideen, sondern besonders Taten gefragt. kompost Öl herzustellen. Das heißt, aus Waldreststoffen, also aus Holz, was man so aus dem Wald als Reste sam- (Heike Polzin, SPD: Richtig.) melt, aus Spänen, aus Stroh, aus Mais, aus Energiehöl- Es geht darum, die Produktion, die Verarbeitung und zern, aber auch aus allem, was eben auf dem Acker besonders die Vermarktung oder besser gesagt die Ver- wächst, kann diese Firma inzwischen Energie herstellen. edlung nachwachsender Rohstoffe und anfallender Bio- Und das, finde ich, ist schon sehr erstaunlich. Darüber masse weiterzuentwickeln. Dabei sollte sich die Landes- denkt, wie gesagt, im größten Land der Welt oder in dem regierung auf solche Möglichkeiten orientieren, die zur industriell am weitesten entwickelten Land der Welt noch Wertschöpfung in unseren landwirtschaftlichen Unterneh- kaum jemand nach, aber hier Deutschland geht es schon. men führen und zur Entwicklung des ländlichen Raumes Das beruhigt mich nicht, aber das macht mich letztendlich beitragen. wieder optimistisch. Ich denke, genau auf diesem Wege müssen wir weitermachen. Wo stehen wir? Auch wenn wir noch nicht alle Hürden genommen haben, haben wir bei der stofflichen Nutzung Dieses von Choren entwickelte Synthesegas ist CO2- die Firma Strohbau in Güstrow, die bereits 23.000 Tonnen neutral. Das ist, finde ich, eine sehr wichtige Sache. Die Stroh zu Strohfaserplatten für die Möbelindustrie herstellt. allerbeste Nachricht an dieser Botschaft, die ich jetzt auch Wir haben weiterhin die Firma in Teterow, von der wir schon hier überbringen möchte, weil es einfach ein so konkretes hörten, dass sie Verpackungen für Spielzeuge und Einweg- Beispiel ist, ist, dass Choren sich gerade bemüht, in Lub- geschirr aus Maisstärke herstellt. Hier ist das Problem die min anzusiedeln. Das würde für Mecklenburg-Vorpom- biologische Abbaubarkeit und die Verarbeitung – und davon mern natürlich bedeuten, dass hier auf unseren Feldern haben wir sicherlich schon am meisten gehört – von Non- das wachsen kann, was dort zur Energiegewinnung be- Food-Raps durch Kaltpressen zu reinem Pflanzenöl be- nutzt werden könnte. Somit ist auch in Lubmin, als ja ziehungsweise zur Verarbeitung zu Rapsmethylester, also immer sehr brisantes Gewerbegrundstück, so möchte ich dem Biodiesel. Hier haben wir in der Praxis zwei Ölmüh- es einmal bezeichnen, wieder Energiegewinnung möglich, len, nicht nur die großen, sondern auch kleine, und zwar in nachdem das Kernkraftwerk dort Anfang der 90er Jahre Neuensund und Varchentin. Wir haben auch eine kleine abgeschaltet wurde. – Danke schön. Ölmühle ganz in der Nähe meines ehemaligen Betriebes in Luisenhof bei Neubrandenburg, die Salatöl als Direktver- (Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD) markter herstellt. Und wer vielleicht einmal mit offenen Augen durch die Welt geht, der wird feststellen, dass sie Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau wahrscheinlich auch bei der Grünen Woche wieder anwe- Wien. send sein werden. Ich bitte jetzt Frau Lilly Kühnel von der SPD-Fraktion, Malchin wurde bereits genannt, hier wird es in Größen- ihren Redebeitrag zu halten. ordnungen getan. Es wurde auch schon, ich denke, das 2792 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 4. Wahlperiode – 48. Sitzung am 18. November 2004 haben die meisten vorhin gehört, das 100-Traktoren-Pro- teilweise auf Bundesebene verankert sind, aber auch auf gramm angesprochen. Dieser Versuch läuft noch bis Sep- Landesebene. tember 2005. Von insgesamt sechs laufen noch fünf Um- rüstungskonzepte, die noch in der Erprobung sind. Nicht Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie wichtig alle sind erfolgreich, auch das wurde schon gesagt. In die- dieses Thema ist, zeigt auch der von der Deutschen Kre- sem Bereich sind wir aber auch an unsere Grenzen ge- ditbank erstmalig bundesweit ausgeschriebene Landwirt- stoßen. Die Anbaufläche für Raps ist in unserem Land schaftspreis für innovative Ideen. 130 landwirtschaftliche nahezu ausgereizt. Auch hier müssen wir nach neuen Betriebe bewarben sich darum. Neben der Müritz-Bio- Möglichkeiten suchen. masse GbR Varchentin, die den Hauptpreis gewann, be- legte auch noch ein zweiter Betrieb aus unserem Land, Bei der Nutzung von schnell wachsenden Hölzern für und zwar die ADAP Rinderzucht GmbH Ahrenshagen aus die Energienutzung hat sich die optimistische Erfolgsvor- dem Kreis Nordvorpommern, den sechsten Platz. Ich bin einschätzung nicht bestätigt. Wir haben in unserem Land mir sicher, dass da, wo die Banken einsteigen, wir als poli- nur noch kleine Versuchsflächen. Unter dem Titel „Der tisch Verantwortliche schon längst sein müssten. – Danke. Landwirt als Energiewirt“, das wurde besonders auf dem MeLa-Kongress herausgearbeitet, verbirgt sich dieses (Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS) brisante Thema. Im Zuge der EU-Agrarreform gilt dieser Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau Bereich als ein Bereich mit Zukunftschancen. Er ist ver- Kühnel. bunden mit einem hohen Investitionsbedarf und an- spruchsvollem Know-how für die Betreiber. Hier fand der Ich schließe die Aussprache. Kongress besonderes Interesse bei den Landwirten, denn es ging besonders um die eigene Biogasversorgung und Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag der Fraktionen den Verkauf der Produkte Biostrom und Biowärme. Die der PDS und SPD auf Drucksache 4/1408 zur federfüh- Landwirte sehen sich als Rohstofflieferant für die Äthanol- renden Beratung an den Landwirtschaftsausschuss sowie herstellung aus Getreide, Stroh, Verbrennung von Ganz- zur Mitberatung an den Finanzausschuss, an den Wirt- pflanzen und natürlich auch nach wie vor Verbrennung schaftsausschuss sowie an den Umweltausschuss zu von schnell wachsenden Hölzern. Alleine bei dieser Auf- überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvor- zählung stellen wir fest, dass wir teilweise bei vielen schlag? – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Sachen auch umdenken müssen, die uns bis heute lieb Damit ist dem Überweisungsvorschlag mit den Stimmen waren. von SPD, PDS und CDU bei einer Gegenstimme aus der Fraktion der PDS gefolgt worden. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es zurzeit, ich kenne den genauen Stand nicht ganz, circa 40 Biogasanlagen, Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluss der die entweder schon in der Produktion beziehungsweise heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung genehmigt sind, und in Bayern gibt es 530. Dieser Ver- des Landtages auf Mittwoch, den 15. Dezember 2004, gleich zeigt eigentlich schon, wo wir stehen. Die Rahmen- 10.00 Uhr ein. Ich verweise noch einmal auf die Veran- bedingungen für die Förderung dieser Maßnahmen in staltung zum Föderalismus heute um 16.00 Uhr hier im Deutschland und auch in unserem Land waren noch nie Hause, zu der Sie herzlich eingeladen sind, und schließe so günstig wie jetzt. damit die Sitzung. (Wolfgang Riemann, CDU: Genau.) Schluss: 13.18 Uhr Der Landwirt kann und muss zukünftig mit der Energie- Es fehlten die Abgeordneten Rudolf Borchert, Kerstin erzeugung aus Biomasse und erneuerbaren Energien Fiedler-Wilhelm, Harry Glawe, Jörg Heydorn, Sigrid Keler, Geld verdienen. Wir können nachlesen, welche Förde- Wolf-Dieter Ringguth, Volker Schlotmann und Jörg Vier- rungsmöglichkeiten es dazu in unserem Land gibt, die kant.

Herstellung: cw Obotritendruck GmbH Schwerin 250018/2005