Staatliche Naturschutzverwaltung Baden-Württemberg

Um ein Haar zerstört Altneckar – Rest eines naturnahen Neckarlaufs Vor dem Ausbau zur Schifffahrtsstraße war das Neckartal eine Von 1911 bis 1914 wurde östlich des Neckars bei Naturschätze am reich strukturierte Flusslandschaft mit Kiesbänken, steilen und ein Kanal für das Kraftwerk „Alt-Württemberg“ angelegt. 1952 flachen Ufern, strömungsreichen und -armen Flussabschnitten, bis 1955 wurde dieser Kanal zur Schifffahrtsstraße ausgebaut. Die schöne Flusslandschaft zwischen Freiberg, turbulentem und ruhigem Wasser. Diese Vielzahl unterschied- Der neben dem Kanal verbliebene Altneckar – zwischen dem und Pleidelsheim ist einer der letzten naturnahen Neckar- licher Lebensräume hatte eine Wehr Freiberg-Beihingen und abschnitte im Landkreis . Ein kleiner Rest artenreiche Pflanzen- und der Schleuse Pleidelsheim – Natur mit seltenen Biotopen und bedrohten Tierarten ist Tierwelt zur Folge. In den blieb in seiner ursprünglichen hier als schmales Band entlang des alten Flusslaufs (Alt- Naturschutzgebieten Altneckar Form weitgehend erhalten, sein neckar) und an dem angrenzenden früheren Baggersee im und Pleidelsheimer Wiesental Abfluss wird aber wegen der Pleidesheimer Wiesental erhalten geblieben. Das Pleidels- sind Teile dieses ursprünglichen Stromgewinnung und dem heimer Wiesental wurde 1977 auf einer Fläche von 7 Hektar Reichtums noch zu sehen. Schifffahrtskanal über ein und der Altneckar 1979 mit 37 Hektar vom Regierungs- Kaum jemand ahnt heute mehr, Wehr gesteuert. Normalerweise präsidium als Naturschutzgebiet ausgewiesen. dass 1973, bei der Verbreiterung fließt nur wenig Wasser ständig Durch ihr wertvolles Naturinventar haben die Gebiete des Schifffahrtskanals, der durch den Altneckar. Erst bei europaweite Bedeutung erlangt und sind als Fauna-Flora- Altneckar und mehrere Baggerseen mit Aushub verfüllt werden Hochwasser wird mehr Wasser eingeleitet. Dann wird der Habitat- und als Europäisches Vogelschutzgebiet Bestand- Naturschutzgebiete sollten. Glücklicherweise konnte dies durch den Protest von Altneckar zum Wildfluss, Kies- und Sandbänke werden teil des europäischen Naturschutznetzes Natura 2000. engagierten Bürgern verhindert werden, ebenso wie die zahl- umgelagert, neue Uferabbrüche entstehen. Der naturnahe Altneckar und reichen Straßenplanungen quer durch das Wiesental. Altneckar ist ein idealer Lebensraum für Fische. Von den 44 Pleidelsheimer Fischarten, die heute dank verbesserter Wasserqualität wieder Herausgeber: Wiesental Die Schutzgebiete – gut eingekleidet mit Gehölz im Neckar leben, kommen 23 im Altneckar vor, darunter Regierungspräsidium Stuttgart gefährdete Arten der Roten Liste wie das Moderlieschen, Ruppmannstraße 21, 70565 Stuttgart Der ursprünglich flächige Auenwald ist nur noch als Gehölz- Tel.: 0711/904-15602, Fax: 0711/904-15092 saum entlang des Flusses und rund um den Baggersee vorhan- seltene, strömungsliebende Arten wie Barbe und Schmerle, E-Mail: [email protected] den. Die gegen Überflutung unempfindlichen Baumarten wie sowie Gründling und Stichling. Internet: www.rp-stuttgart.de Silberweide, Fahlweide, Grau- Text: weide, Korbweide, Schwarzerle Bedeutendes EU-Vogelschutzgebiet Ulrike Kreh und Esche säumen und festigen Wegen der enormen Vielfalt an Vögeln mit seltenen, bedroh- Bilder: die Ufer und bieten den Tieren ten Arten sind der Altneckar und das Pleidelsheimer Wiesen- Archiv RP Stuttgart, Guido Buchweitz, Conrad Fink, Ulrike Kreh, LUBW Archiv (Siegfried Demuth), Benjamin Waldmann Deckung, Nahrung und Nist- tal als europäisches Vogel- Nachtreiher platz. Häufig sind Schwarz- schutzgebiet ausgewiesen Konzeption und Gestaltung: milan, Eisvogel, Gebirgsstelze worden. Grundlage ist die www.geigenmueller-buchweitz.de und Graureiher zu beobachten. EU-Vogelschutzrichtlinie zur Bezug über den Webshop der Landes anstalt für Umwelt, Messungen Totholz wird bewusst liegen Erhaltung der wild lebenden und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW): www.lubw.baden- gelassen, denn absterbendes Vogelarten. Zugleich sind wuerttemberg.de und sich zersetzendes Holz ist ein besonderer Lebensraum für die beiden Schutzgebiete eine Vielzahl von Moosen, Flechten, Pilzen, Käfern, Schmet- auch ein Fauna-Flora-Habitat terlingen, Schnecken, Vögeln und Eidechsen. (FFH)-Gebiet. 2., völlig neu bearbeitete Auflage 2012

Spielregeln im Naturschutzgebiet Aus der Naturschutzverordnung „Altneckar“ Manche Freizeitvergnügen bringen die Natur in Bedrängnis. Wesentlicher Schutzzweck ist die Erhaltung einer der letzten Daher sind in den Naturschutzgebiets-Verordnungen für den naturnahen Teilstrecken des Neckars im Altneckar und das Pleidelsheimer Wiesental Regeln festge- Stuttgart. Durch die ständigen strömungsbedingten Verände- schrieben. So sind Störungen der Tierwelt, wie sie durch rungen im Flussbett und Uferbereich bietet der Altneckar ein Baden, Bootfahren, Reiten, Lagern, Zelten und Feuermachen anschauliches Beispiel für eine natürliche Flussdynamik mit verursacht werden, verboten. Besonders wegen der vom Aus- den entsprechenden besonderen Lebensbedingungen für sterben bedrohten Vogelarten müssen Hunde strikt an der Pflanzen und Tiere, die nur bei ausreichendem Wasserstand Leine geführt werden und dürfen nicht in die Naturschutz- zu beobachten ist. gebiete laufen. Generell dürfen in Naturschutzgebieten Pflanzen und Tiere weder entnommen noch eingebracht werden. Helfen Aus der Naturschutzverordnung Sie mit, die wenigen und seltenen Naturschätze vor Ihrer Haus- „Pleidelsheimer Wiesental“ tür zu bewahren! Schutzzweck ist die Erhaltung und Entwicklung einer überre- gional bedeutsamen Lebensgemeinschaft vielfältiger, zum Teil Bleiben Sie bitte existenzbedrohter Tier- und Pflanzenarten, insbesondere von auf den Wegen am Werfen Sie Vögeln, Lurchen und Insekten. Rand der Natur- nichts weg! schutzgebiete! Anfahrt Achten Sie Machen Sie darauf, Tiere keinen Lärm! nicht zu stören ...

... und Pflanzen Lagern und nicht zu schädi- Zelten sind gen! untersagt.

Hunde müssen zum Schutz wild lebender Baden Sie Tiere an der Leine nicht! geführt werden!

Bootfahren Machen Sie und Modell- kein Feuer! boote sind nicht erlaubt. Naturschutzgebiet Altneckar

Nessel-Seide

Stockenten

Flussuferläufer Eisvogel

Pleidelsheimer Baggersee Schutzbedürftige Tierwelt Charakteristische Pflanzenwelt Der europaweit geschützte – Lebensraum aus 2. Hand Die Wasserflächen, die Gehölze Aus den beiden Schutzgebieten sind über 200 Pflanzenarten Eisvogel bevorzugt die Steilufer Der See entstand durch den früheren Kiesabbau: 1952 bis und die weite Wiesenaue sind bekannt, darunter Blaustern, Gelbstern, Gelbes Windröschen, des Altneckars als Brutplatz. 1957 baggerte man dort Kies aus, wodurch ein großer und ein in ihrer Kombination einmalig. Schwarznessel und Nessel-Seide. Im Wasser wachsen Fluten- Bis zu einem Meter weit gräbt kleinerer See entstanden. Der große See wurde zwischen 1962 180 Vogelarten finden hier Lebensraum, 60 davon brüten, wie der Hahnenfuß und Rohrglanzgras. Auf den Kiesbänken er seine Bruthöhle in die Uferböschung. Im Ufergehölz findet und 1977 mit Bauschutt und Erdaushub aufgefüllt, der kleine Eisvogel, Schwarzmilan, Mittelspecht, Haubentaucher, Zwerg- gedeiht das Echte Barbarakraut, eine typische Pionierpflanze er Sitzwarten, von denen er seine Nahrung ausspähen und See wurde Naturschutzgebiet. Von einer Beobachtungsplatt- taucher, Teichhuhn, Blässhuhn, Graureiher und Kormoran. auf Sand- und Schotterbänken der Flüsse. Ihre Hauptblütezeit sodann im Sturzflug erbeuten kann. Mit seinem großen form im Süden des Sees lässt sich die Vogelwelt, zu der es Bis 2003 war die Graureiher-Brutkolonien nahe des Altneckars reicht von Mai bis Juli, doch sind einzelne gelbblühende Schnabel packt er kleine Fische und Amphibien, die er auch eine Informationstafel gibt, mit einem Fernglas hervorra- bei Freiberg-Beihingen mit rund 15 Nestern eine der größten Pflanzen bis weit in den Herbst hinein zu entdecken. Pro- am Stück verschlingt oder an die Jungen verfüttert. gend studieren. Viele ans Wasser gebundene Zugvögel ziehen im Landkreis Ludwigsburg. 2004 ist ein Großteil der Vögel an bleme bereiten so genannte Neophyten. Darunter versteht hier durch oder rasten. Auf dem See sind im Herbst und den Pleidelsheimer Baggersee umgezogen; 2010 waren dort Zu den schutzbedürftigen Tierarten im Gebiet zählen auch man Pflanzen, die aus fremden Florenreichen bei uns einge- Winter oft Scharen von Wasservögeln – Enten, Gänse, Tau- acht Horste besetzt. Auf der Insel im See brütete in den Fledermäuse wie Großer Abendsegler, Wasser- und Zwerg- wandert sind. Ein Beispiel ist das Indische Springkraut, das cher und Schwäne – zu beobachten. Manche von ihnen über- letzten Jahren der sehr seltene Nachtreiher. Im Frühjahr 2011 fledermaus, außerdem Amphibien und Reptilien wie der aus dem Himalaya stammt und sich rasch auf Kosten der wintern, andere ziehen nach der Rast weiter in den Süden. nisteten dort über 20 Kormoran-Paare. Von den bedrohten Seefrosch und die Ringelnatter. Ein Beweis für die komplexe heimischen Pflanzen- und Tierwelt ausbreitet. Auch der Durch Beringung der Vögel fand man heraus, dass sie in die Zugvögeln hat insbesondere biologische Vielfalt – auch als Biodiversität bezeichnet – ist Topinambur breitet sich an den Uferböschungen stark aus. Po-Ebene, die Camargue und nach Südspanien weiterziehen. die Krickente mit bis zu 100 der Reichtum an Insekten. 79 Wildbienenarten wurden fest- Mit seiner enormen Wuchskraft kann er vorhandene Pflanzen- Im Naturschutzgebiet finden sie Ruhe, Nahrung und einen Exemplaren in beiden Natur- gestellt, darunter die stark gefährdete Holz-Blattschneider- gesellschaften verdrängen. Auch fremde Tierarten wie die Mauserplatz (um ihr Gefieder schutzgebieten einen traditi- biene, und 700 verschiedene Käferarten existieren am und im Asiatische Körbchenmuschel und die Dreikantmuschel kön- zu erneuern) und können Kraft onellen Überwinterungs- Pleidelsheimer Baggersee, wie der Moschusbock, der in alten nen im Altneckar beobachtet werden; sie dienen den Tauch- für den Weiterflug tanken. platz. Silberweiden lebt. enten als Nahrung.

Krickente

Besucherplattform

Ringelnatter

Flutender Hahnenfuß

Naturschutzgebiet Pleidelsheimer Wiesental