5 Dargestellten Theoretischen Erkenntnisse Unter Dem Mathematik
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dargestellten theoretischen Erkenntnisse unter dem mathematik-didaktischen Blickwinkel. Im Rahmen dieser Arbeit soll sowohl ein Beitrag zu mathematikhistorischen Grundfragen des 16. und 17. Jahrhunderts, als auch – konkret basiert – zur historischen Bildungs- und Erziehungstheorie auf dem Gebiet der Mathematik erbracht werden. Teil I: Mathematische Lehrtätigkeit an der Universität Wittenberg im 16. und frühen 17. Jahrhundert Das Anliegen des ersten Teils der Arbeit gilt der Darstellung der mathematischen Lehrsituation an der Wittenberger Hochschule in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens. Zunächst sollen typische Entwicklungstendenzen und Charakteristika aufgezeigt werden, die aus den vorhandenen Universitätsarchivalien, Statuten und Vorlesungsverzeichnissen der Universität Wittenberg zum 16. und 17. Jahrhundert gewonnen und durch weitere herangezogene Sekundärliteratur, wie beispielsweise Heinz Kathe [108], untermauert werden konnten. Die aus dem Fundus der Statuten und Vorlesungsverzeichnisse erhaltenen Erkenntnisse zu Wissenschaftsorganisation und mathematischen Lehrinhalten tragen grundlegend zu dem anschaulichen und vielschichtigen Bild über den Stand und den Stellenwert der Mathematik resp. der mathematischen Lehre an der Wittenberger Universität bei. Die Entwicklung der mathematischen Lehre an der Wittenberger Hochschule (insbesondere in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens) ist geprägt durch protestantisches Wissenschaftsverständnis, sowie insbesondere durch den Einfluss und die wissenschaftlichen Lehrintentionen Philipp Melanchthons. Um dies deutlich hervorzuheben resp. herauszuarbeiten, erscheint es grundlegend bedeutungsvoll und erhellend, die gewonnenen Erkenntnisse zur mathematischen Ausbildung im protestantischen Wittenberg einer typisch katholisch geprägten universitären Einrichtung dieser Zeit exemplarisch gegenüberzustellen. Dabei zeigt sich die Gesellschaft Jesu, als bedeutender katholischer Lehrorden jener Zeit, als eine besonders geeignete Wahl, weil sowohl zeitlich als auch hinsichtlich der Orientierung, Schwerpunktsetzung und Ausstrahlung sowie der Exemplarität angemessene Vergleichbarkeit vorliegt. Die „Monumenta paedagogica Societatis Jesu“ [120], sowie ergänzende Betrachtungen von Sekundärquellen, z.B. Albert Krayers „Mathematik im 5 Studienplan der Jesuiten“[116], ermöglichen es, ein recht umfassendes Bild des katholischen Mathematikverständnisses jener Zeit zu zeichnen. In der Unterschiedlichkeit beider Lehrintentionen (d.h. der protestantischen Wittenbergs und exemplarisch vergleichend der katholischen der Societas Jesu des 16. Jahrhunderts) und deren Umsetzung kristallisiert sich schließlich die eigentliche Bedeutsamkeit für Wittenberg heraus, die nachzuzeichnen Anliegen dieser Arbeit ist. 1.1. Grundlagen: Die Anfänge der Universität Wittenberg4 Seit der goldenen Bulle von 1356, erlassen durch Kaiser Karl IV., mit welcher die Kurwürde der Linie Herzog Rudolf von Wittenberg zugesprochen wurde, verstand man unter Sachsen vorrangig das Herzogtum Wittenberg. Mit diesem Erlass wurde gleichzeitig die Unteilbarkeit der Länder festgesetzt, die sich unter einer Kur befanden, so dass folglich Sachsen – Wittenberg ein unteilbares Herzogtum bildete. Nachdem diese Linie ausgestorben war, fiel das Land im 15. Jahrhundert an das Haus Wettin. Den Höhepunkt dieser Machtentfaltung bildeten die zwei Jahrzehnte zwischen 1464-1484, in denen die Brüder Ernst und Albrecht die Regierung gemeinsam führten. Durch die anschließende sächsische Landesteilung im Jahre 1485 fiel die Landesuniversität Leipzig an das albertinische Sachsen, der ernestinische Teil Sachsens war somit ohne Universität. Bereits ein Jahr nach der Teilung starb der Kurfürst Ernst. Sein Sohn Friedrich III., bekannt unter dem Namen Friedrich der Weise, übernahm die Nachfolge. Unter ihm, der sich durch starke Frömmigkeit, zugleich aber auch durch ein enges Verhältnis zu Kunst und Wissenschaften auszeichnete, wurde in der Kurstadt Wittenberg, dem Hauptort des ernestinischen Herzogtums Sachsen, eine Universität errichtet, um eine Stätte für höhere Studien zu schaffen, und nicht zuletzt um dem albertinischen Teil in dieser Angelegenheit nicht nachzustehen. Im Gegensatz zu den älteren Universitäten, die ursprünglich kirchliche Lehranstalten waren und vom Papst formell eingerichtet und mit der Befugnis ausgestattet wurden, zu lehren und akademische Grade zu verleihen, erteilte hier nicht der Papst das Privileg zur Errichtung der Universität. Der damalige Kurfürst des ernestinischen Sachsens, Friedrich der Weise, wandte sich, obgleich von großer Frömmigkeit und tiefer Gläubigkeit geprägt, zuerst an die weltliche Obrigkeit, den Kaiser Maximilian. Von ihm wurde am 06.07.1502 in Wien ein Diplom ausgestellt, das genehmigte: „quod doctores 4 Eine wesentliche Grundlage für diesen Abschnitt stellen aus [88], 1. Kapitel: Gründung und Organisation, und aus [59], Band 1, die ersten sechs Beiträge dar. 6 quarumcumque facultatum et personae idoneae ad id per praefatum illustrem / ducem aut successores ipsius vel quibus id demandaverint deputandae possint et valeant in praefata universitate in omnibus facultatibus, videlicet in sacra theologia, in utroque iure tam canonico quam civili, in artibus et medicina necnon in philosophia et quibuscumque scientiis legere et lectiones disputationes et repetitiones publicas facere, conclusiones palam sustinere ac praefatas scientias docere interpretari glosare et dilucidare omnesque actus scolasticos exercere eo modo ritu et ordine qui in caeteris universitatibus et gymnasiis publicis observari solitus est.”5 Damit war der Grundstein zur Errichtung der Universität gelegt. Nichtsdestotrotz wurde die Zustimmung des Papstes – wenn auch nachträglich – noch eingeholt. Somit ist die Universität im Grunde genommen fast von Anfang an als von kirchlicher und weltlicher Obrigkeit anerkannt und sanktioniert zu betrachten.6 Neben den zugeteilten Befugnissen geht aus der kaiserlichen Stiftungsurkunde die Einteilung der Universität in vier Fakultäten, d.h. die theologische, juristische, medizinische und philosophische Fakultät, hervor, denen eine gewisse Rangordnung zugrunde liegt. Die philosophische, bzw. die artistische Fakultät, wie sie damals noch genannt wurde, bildete dabei das Fundament, auf dem alles fußte. Die Theologie nahm die führende Stellung ein. Diese Einteilung ist aber keineswegs seit jeher üblich gewesen. So finden sich auch frühe Universitäten, bei denen die Gliederung nach Nationen eine große Rolle spielte, wie beispielsweise Bologna. Die Gesamtheit der Lehrenden und Lernenden wurde als eine Art Volksgemeinde aufgefasst und eingeteilt. Durch die im Verlaufe des 12. Jahrhunderts gestiegene Bedeutung von Theologie, Jurisprudenz und Medizin und den Zusammenschluss von Lehrern dieser einzelnen Richtungen zu Verbänden stiegen Theologie, Jurisprudenz und Medizin zu selbstständigen Abteilungen auf. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass die Einteilung in vier Fakultäten etwa seit dem 13. Jahrhundert gebräuchlich gewesen ist. Für das Bestehen einer Universität war (nach mittelalterlichem Verständnis) ein vollzähliges Beisammensein aller vier Fakultäten nicht vonnöten. Jedoch zählte das Vorhandensein einer Artistenfakultät, die als Vorbereitungsstufe für die drei anderen Fakultäten diente, zu den unabdingbaren Grundlagen einer jeden Universität.7 5 Vgl. dazu in [1], Rep. 1, III, Nr. 1, oder auch in [59], Band 1, Seite 76. 6 Vgl. dazu die Darlegungen auf S. 8 dieser Arbeit. 7 Vgl. zur Problematik der Einteilung einer Universität in vier Fakultäten oder in Nationen in [111], S. 59ff. und in [113], S. 60-68, S. 82f. Rudolf Kink spricht sogar von einer allgemeinen Anerkennung der Einteilung in vier Fakultäten etwa seit Mitte des 12. Jahrhunderts. 7 Mit dem Diplom Kaiser Maximilians war die allgemeine Verfassungsgrundlage festgelegt und die Universität konnte am 18.10.1502 ihre Pforten öffnen. Kurfürst Friedrich der Weise schloss, wie bereits oben erwähnt, die Kirche aber keineswegs aus (und konnte dies angesichts des vorherrschenden Verständnisses über die Bedeutung des Papsttums auch nicht), sondern erbat im Nachhinein die Anerkennung der neuen Universität durch die höchste kirchliche Instanz, um zum einen die Universität finanziell abzusichern, da die Universitäten im Mittelalter auf den Erträgen des Kirchguts begründet wurden, und um zum anderen zu sichern, dass die Abschlüsse und Promotionen an der Wittenberger Universität auch von den anderen Universitäten anerkannt wurden. Die päpstliche Bulle vom 20.06.1507 bestätigt noch einmal die Universität. Der allgemeine verfassungsgrundrechtliche Rahmen musste nun durch Statuten für die Universität und ihre Fakultäten ausgefüllt werden, wozu das Gründungsprivileg von Kaiser Maximilian die Universität berechtigte: „Caeterum quo praefata universitas sive gymnasium suis gubernatum magistratibus solidiori et firmiori sistat fundamento, damus et concedimus doctoribus et scolaribus in dicta universitate / existentibus aut futuris cum consensu praefati ducis aut successorum suorum auctoritatem et potestatem condendi et fatiendi statuta et ordinationes …“8 Die ältesten uns vollständig erhaltenen Statuten stammen aus dem Jahre 1508. Es fällt schwer zu glauben, dass die Universität bereits seit sechs Jahren eröffnet war, ohne dass Statuten sowohl den wissenschaftlichen Betrieb als auch die Verwaltung sowie das Leben an der Universität generell regelten. In der Tat finden sich für einzelne Fakultäten der Wittenberger Universität frühere Statuten, so wird z.B. im Dekanatsbuch der Juristen auf ältere