Franz Von Sickingens Fehde Gegen Trier Und Ein Gutachten Claudius
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Die Existenz des Gulachtens, das hier zum ersten Mal veröffent- lieht, und erläutert, wird, war bis auf die Jüngste Zeit den deutschen l.ecInshistorikern, wie es scheint., vollständig entgangen. Ich selbst verdanke ihre Kenntniss einer gelegentlichen Bemerkung voll Horawit.z. Nachdem Rivier durch seine Monographie über Claudius Cantiuncul;i ‚ die Aufmerksamkeit wieder auf diesen, auch für die Bechlsgeschichte der Reichslande so interessanten Rechtsgelehrten hingelenkt kitte, theilte Horawitz aus seinen reichen handschriftlichen Sammlungen noch eine Reihe weiterer Briefe 2 Cantiunculas mit. Gleichzeitig machte er auf einige noch ungedruckte Gutachten des- selben Metier Juristen aufmerksam, von denen eines schon durch seinen Gegenstand ein besonderes Interesse in Anspruch nehmen musste, das Gutachten über den Friedensbruch Franz von Sickingens wegen seiner Fehde gegen den Kurfürsten von Trier, voll schon Horawitz erklärte, (lass es wohl editt werden sollte. Seit Jahren mit Forschungen 0 her die Geschichte des röm. Bechts in den Reichslanden beschii fügt, nahm ich mir diese Mahnung zu Herzen, zumal ich nicht fand, dass ein Anderer Neigung zu der Puh- lication verspürte . Diese erschien aber um so dringlicher, als das Gutachten selbst dein Fleisse eines tjlmann entgangen war und dieser letzte Biograph des tapfern Ritters mir weder die den Sickingenschen Fehden zu Grunde liegenden Beclitsverhujltnisse befriedigend darzulegen, 1 Claude Chansoniiette, juriseonsulte Messin et ses iettres iü6dites l3ruxefles 1879. 2 Briefe des Claudius Cantitnicula und Ulrich Zasius voll Wien 1873. v. Stintzing macht in seiner Erörterung über Cantiuncula (Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft 1) 244 f.), in der er die voll über- sehene Anstellung desselben als Refemens ext,raord. am Kammergericht beibringt jenes Gutachten gar nicht ein mal namhaft, obschon er die Puhli- cation von Horawitz anführt - Document II I I I l 1110011 IlllHhI nAnnnnrrfl4 A rr — vi — noch der in ihnen zu Tage Iretenden Gesinnung uni Absicht volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen schien. Dass die Volksstinimc in Siekingen den Vollzieher der Gerechtigkeit sah, ist ja bekannt genug; dass aber ein Jurist von der Bildung und Stellung eitles Gantiuncula den Grund zu jener Fehde in der Indigiiation Siekingens über Wort- bruch und Justizverweigerung erblickte, «Dinge, die gerade Männer von hohem Sinn unerlräglicll finden »‚ das musste doch zu einer sorg- fähigeren Prüfung auffordern. Freilich dient dem 1-JisIoiker doppelt zur Entschuldigung, was selbst dem hier einsetzenden Juristen zu Gute kommen muss, dass es nämlich noch au einer Reihe der nü- titigsten Vorarbeiten fehlt haben wir (loch, 11111 1101 das wichtigste hervorzuheben, nicht einmal eine befriedigende Darstellung der Ge- schichte des Reichskamincrgcrichts, am wenigsten für die Zeit vor 1530, wö das Gericht end ich in der Reicltsstad t Speier seinen stän- digen Sitz fluid. Die Handschrift, welche unser Gut achten enthält,eliört zu dcii Schätzen der Wiener Hofhibliohliek und trägt die Nummer 8987. Das Gutachten selbst steht fol. 6 —48 a 1 Die freundliche Ih- inittlung der Kollegen Franz Hofmann und Horawitz verschaffte mir eine sorgfältige Abschrift der äusserst fehlerhaften Handschrift. Diese ist hicht das Original des Gutachtens, sondern selbst nur eine Abschrift nach dein schwer lesbaren Manuseript Gantiuncuhas, angefertigt Von einem Weihet, der gar ii icht wusste was er schrieb. Zwar hat eine zweite Hand manches corrigirt, aber gleich[hlls ohne altes Vei- ständniss, ja bisweilen scheint die richtige Lesart erst. durch sie verdorben zu sein. Unter dieser Ahschrift steht deutlich der Name des Verfassers : Ganl.inncuha 1uriscon. ‚ und zwar hat der Schreiber die Unterschrift, wie es scheint, einigermassen der des Originals nach- gebhdet. Die Herstellung des Wer mitgetheihten Textes war nicht leicht. eine Menge VO]) Worten mussten nach dein Zusamnienhange erralhei, weiden. Bei einer Reihe besonders fraglicher Stellen hat Professor HofialIlIn sich in stets gleicher Liebenswürdigkeit der Mühe unter- zogen, persönlich eine sorgfältige Naclive gleichung anzustet ieii, um mir so mehrere erwünschte Aufschlüsse zu geben. Insbesondere ver- danke ich ihm auch die obige nähere Charakterislik der Handschrift. liti Allgemeinen aber konnte diese Vergleichung nur die Genauigkeit der mir zu Gebote stehenden Copic bestätigen. Das Gutaöliten prüft Rechtsansprüche der Kinder Sickingens, und zwar vonzweierlei Art: einmal Forderungen gegen den Kaiser aus ‚ VgL das Gutachten p. 23. Den ganzen Inhalt der Handschrift s. Tabulac codicum scriptoruni hibi. PalaL Yindob. V, 317 sq. und dazu Ilorawitz a. a. 0. S. 7 f. - -VII - Darlehen und ahideril Schuldveiliältnissen, und dann Eigenl hums- ansprüche auf mehrere väterliche Burgen, welche gewisse Fürsten in Besitz genommen hatten. Diese Ansprüche waren bedingt durch die Entscheidung der Vorfrage, ob die.11eiclisaelit, in die Sickingen gefallen war, recbtsgültig gewesen, und inwie fern dieselbe die natürlichen II echte der KindarKinder beseitige. Gani i uncula war nur zur , gui achtl ichei i Aeusserung über diese Rechtsfragen veranlasst die dem Streit zu Grunde liegenden Tlt;itsaehen waren im Allgemeinen notorisc.h DCI Verfasser, der das selbst hervorhebt 7, skizzi rt sie denn auch nur ganz suni mariseli . Für unser Verständniss des Gutachtens abet ist eine genauere Darlegung der Verhältnisse unerlässlich. Schon der Verfasser selbst gellt später, hei der recit tlicheu Beurtheilung der Sickingen vorgeworfenen Handlungen, auf die Verhältnisse näher ein. Ja die allererste Frage, die er autwiril, ist die, 01) Sickingen durch Ansagen der Fehde überhaupt ein Verbrechen begangen, ob ei nicht vielleiciLt gesetzliche und ehrenhafte Gründe für die Kriegserklärung gehabt habe als erkennbaren Grund scheine sich allein eine Justiz- Verweigerung von Seiten des Kurfürsten von Trier zu ergehen i. Eine andere Frage sei, 01) Sickingen die Absicht gehabt habe, den Kur- fürsten zu tödien, wofür nach dem Gutachten gar kein Beweis vor- 110 II, Besonders lebhaft liebt der Verfasser die bezüglich des Fehde- wesens in ganz Deutschland bestehende Praxis hervor.. Wir vollends, die nicht Zeitgenossen Sickingens sind, müssen die der Fehde zu Grunde liegenden und in dem Gutachten im Allge- meinen als bekannt vorausgesetzten Thatsachen erst sorgfältig fest- stellen, uni sie mit dem r{eehtsgelelirten würdigen und dessen Schlüsse controliren zu können. Das gewalttliätige Treiben der Ritterschaft noch im Anfang des 16. Jahrhunderts ist oft genug geschildert worden, aller weit seltener Grunde wird der zu liegende he rech igte IIiel) 1 lervo gehoben. Und doch befand sich der Adel in nahezu ebenso unleidlicher Lage wie die Bauern Am wenigsten Sympathie genoss die neue Art der Rechtspflege, ins- besondere (las Kanintergericht, obgleich (las Cotlegiurn der Assessoren O p. 213 mihi de iure i]iterr ogato. Die Ausführung p. 6-26. 7 p. 5 oben. ßo facinore mox invulgäto ilaqus notorio, ul inficiari i,eiiio potest. - Die specieS facti 1).3-5 9 p. 6. 10 23, vgl. 7, 8 sq., 16, ii r . 21, 22. - 12 p . 25 S(j. - vrrt - zur Hälfte «auf (las Geringst aus der Ritterschaft geboren» sein sollte. Die Verbindung des gelehrt er) und des ritterliclren Eleme]rts führte, da man sich nicht verstand, nur zu gegenseitigen Ansclruldigringen. Noch in den vierzi ger Jahren hatten die adeligen, Beisitzer, auch die Kammerriehter selbst, viel von dn Doctoren zu leiden, zumal wenn sie unkundig wa ren- Unter diesen Umständen suchten die adeligen Beisitzer sich an den Sitzungen möglichst vor- heizumacheu. Die gelehrten Beisitzer aber wurden, wenn auch als geschickt., so doch nicht, selten, wie es in einem Visitationshciiclrle schonend heisst., «sonst, in ihrem Wesen etwas mangelhaft befunden». Noch schlimmer stand es mit deinHülfspersonal Bei der «Stumpf- heit der Richter», so sagt Melanchilion, «dringen in die Gerichtsstätten die fadesbm Rahu listen als Sachwalter ein, die aus einem Prozess den andern herleiten, ihre Klienten schinden,. und die unwissenden Richter zum Spott machen ». Am schlimmsten stand es vielleicht mit den Notaren. Die Notariatsordnung Maximilians vom lairr 1512 sagt ganz ehrlich, dass « der offlnen Notarien oder deren, die sich iii solch Amt zu üben schlauen, im heil. Reich viet erfunden werden, die (wie wir aus kundhicher Erfahrung und merklicher Klag vernehmen) Stands, Wesens und Kunst hal ber gebrechlich, ihrer etliche in viel in Weg unnütz,.., etliche Falschheif ihren Notariat-Aemtern begangen, oder mit andern Misst.hater) hetleckt. Ode] öffentlich berücirtiget, ihrer etliche säumig und ihrer etliche u]]geül)et und unverständig sein, aus welcher ihrer Unwissenheit, Säumniss und Geihrtichkeit unzählbar viel Leni ohnzweiientlich verfül]rt, versüumt und beschwert werden,)) - Zu diesen Mängeln kam die Unse]bshndigkeit des Gericinis hinzu. Ganz abgesehen davon, dass der Kaiser sich seines direcien Einflusses auf das Gericht nicht begab, es vielmehr wenn es ihm behiet,te, an seinen Hof berief, - auch der Ei irtluss, der voll Fürsten auf das Geikirt ausgeübt ward, hob seine Unabhängigkeit auf. Nicht mit Unrcht behauptete die Iteichsritlerschaft, dass, wenn ein Fürst sehe, er werde unterliegen, er den Prozess zu verinindern wisse. Am traurigsten war es mit der Execution der Uitlieile bestellt. Ging das Reichsgericht überhaupt, einmal gegen einen Fürsten vor, so war an eine Ausführun g des glücklich erstrittenen Urtheils nichtS zu denken. Nur dem Edel]liann war in der Landfriedensordnung das Schwert genommen, keineswegs dem Fürsten. So galt