Wanderkorridore Für Wildkatze Und Rothirsch in Der Nationalparkregion Harz
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Wanderkorridore für Wildkatze und Rothirsch in der Nationalparkregion Harz Der Lebensraumverlust vieler Wild- tiere in Deutschland hat im 20. Jahr- hundert ein bis dahin nie erreichtes Ausmaß erlangt. Ursachen sind die enormen Siedlungserweiterungen, Bau von Verkehrsachsen und gravie- rende Landnutzungsveränderungen in den letzten 100 Jahren. In den 1960er Jahren war in den alten Bun- desländern eine Fläche von ca. 6% der Landesfläche verbaut. 25 Jahre später hatte sich der Verbauungsgrad auf 12% der Landesfläche verdop- pelt. Aktuell werden in Deutschland jedes Jahr ca. 40.000 ha Fläche ver- baut! Entlang der niedersächsischen Rand- lagen des Nordharzes erreichte der Flächenverbrauch zwischen 1960- 2000 ein Ausmaß vergleichbar mit der Zeitspanne von 1500 bis 1960. In nur 40 Jahren wurde entlang der nördlichen Harzrandlagen genauso viel Fläche verbraucht wie in 460 Jah- re zuvor. Derartig massive Eingriffe führen zu „Zerschneidungen“ der Lebensräu- me, vor allem bei großräumig leben- den Säugetieren wie der Wildkatze Die Wildkatze wurde in Deutschland auf ca. 5% ihres ursprünglichen Verbreitungs- und dem Rothirsch. Eine Trennung gebietes zurückgedrängt (Foto Frank Raimer) von Populationen, Verkleinerung der Populationsgrößen bis hin zu einem lokalen, regionalen und überregio- kehrswegeplanungen Wildkatzen- räume aufgezeigt werden. Für den nalen Verschwinden der naturnah lebensräume, so ist grundsätzlich Zeitraum ab 1990 belegen Beobach- gebundenen Arten ist nachweisbar. eine Umweltverträglichkeitsprüfung tungen, Fänge und Verkehrsopfer Infolge der aktuellen urbanen Ent- nach wildtierökologischen Gesichts- die Verbreitung und Wanderachsen wicklung werden zusammenhängen- punkten erforderlich. Gleichzeitig er- der Wildkatze, Beobachtungen, Ab- de Waldgebiete wie Eifel, Spessart, geben sich über die Kenntnisse zum schüsse und Verkehrsopfer die des Pfälzer Wald und Harz weiterhin zer- Raumverhalten des Rotwildes Rück- Rothirsches zwischen Harz, Hakel, schnitten und die noch bestehenden schlüsse auf intakte überregionale Huy, Hainich, Nordhessischem Berg- Populationen weiter zertrennt. Wanderkorridore, die auch von der land und weiteren Waldgebieten. Die Wildkatze hat aufgrund ihrer ho- Wildkatze genutzt werden. Diese Ursprüngliche Wanderachsen nach hen Mobilität und als Charakterart Wanderachsen gilt es zu sichern Westen in den Solling und Reinhards- für naturnahe, waldreiche Land- sowie als Wildtier-Korridore in die wald sind heute durch die BAB 7 zer- schaften sowie ihres Schutzstatus als Landes- und Raumplanung zu inte- stört. Wanderachsen im Osten, Süden FFH-Art eine besondere Bedeutung grieren. und Norden des Harzes sind durch für intakte Lebensgemeinschaften Die Wildkatze besitzt heute im Harz Verkehrsplanungen ab 1990 zum Teil und deren Erhaltung. Dadurch spie- eines ihrer bedeutendsten Verbrei- erheblich bedroht. Ein nachhaltiger len Wildkatzenvorkommen auch für tungsvorkommen in Deutschland. Schutz der Wanderkorridore ist bis die Sicherung und Vernetzung von Am Beispiel des Harzes sollen daher heute nicht gewährleistet. Lebensräumen des Rothirsches eine Wanderkorridore in benachbarte, Die Lebensraumansprüche von Wild- entscheidende Rolle: Berühren Ver- von Wildkatzen besiedelte Lebens- katze und Rothirsch sind weitgehend Unser Harz 1/06 1 Folgende Zerschneidungsachsen gibt Die natürlichen Wanderachsen für Hirsche sind durch Verkehrswege zerschnitten (Foto: es im Harz: Frank Raimer) •BAB 395, Streckenabschnitt Braunschweig-Bad Harzburg •B 82, Streckenabschnitt Langels- heim-Goslar-Bad Harzburg •B 6, Streckenabschnitt Bad Harzburg-Wernigerode- Quedlinburg •BAB 7, Streckenabschnitt Hildes- heim-Seesen-Göttingen-Kassel •B 243, Streckenabschnitt Seesen-Münchehof-Osterode- Herzberg-Bad Lauterberg- Nordhausen-Sangerhausen. Zusätzlich zu den bereits bestehen- den Zerschneidungsachsen befinden sich zwei weitere den Lebensraum zerschneidende Verkehrswege in fortgeschrittener Planung: Es sind deckungsgleich: Beide Säugetier- mutlich nicht überleben würde. Ab- der Autobahn-Neubau BAB 7 Kas- arten sind hochmobil und benötigen wanderungskorridore und gut geeig- sel-Göttingen-Nordhausen-Sanger- als Population große, unzerschnit- nete Ausweichgebiete am Harzrand hausen-Halle sowie der vierspurige tene Gebiete. Darüber hinaus gehen sind für das langfristige Überleben Bundesstraßen-Neubau Bad Harz- die für den Wildkatzenschutz gefor- der Harzer Wildkatzenpopulation burg-Halberstadt-Quedlinburg- derten Maßnahmen konform mit deshalb entscheidend und müssen Halle. Lebensraum verbessernden Maß- daher auch langfristig gesichert wer- Zwischen dem Harz und den umlie- nahmen für den Rothirsch. Ideale den. genden Mittelgebirgslagen wie Wildkatzenhabitate bedeuten u.a. Aktuell umfasst das Wildkatzenvor- Hainberg, Kyffhäuser, Hainich oder auch einen hohen Strukturreichtum kommen auf der niedersächsischen Kaufunger Wald bestehen nach wie und damit einhergehend ein höhe- Seite des Harzes ca. 150 - max. 200 vor überregionale Wanderverbin- res und reichhaltigeres Äsungsange- Tiere, im gesamten Harz schätzungs- dungen für Wildkatzen und Rot- bot für Rothirsch und Reh. Der Wald- weise 400 Tiere. Zum langfristigen hirsche. Diese Verbindungen sind gestaltung kommt damit insgesamt Überleben einer Population gilt eine durch die als Korridore benannten nicht nur als Säugetierlebensraum, Mindestgröße von 500 ausgewach- Wanderachsen 1 - 11 dargestellt (s. sondern auch im Hinblick auf die senen, geschlechtsreifen Individuen Karte S. 19). Im niedersächsischen Teil Wildschadensanfälligkeit durch Ver- als Voraussetzung. Für eine solche des Harzes wurden in den Jahren biss und Schälung eine hohe Bedeu- Populationsgröße ist der Harz allein 1991 - 2003 16 Wildkatzen entlang tung zu. zu klein. Erst im Verbundsystem mit dieser Korridore als Verkehrsopfer Von besonderer Bedeutung hinsicht- den benachbarten Mittelgebirgs- bekannt. Nach Westen hin bildet die lich der langfristigen Erhaltung der lagen Solling, Reinhardswald, Kau- BAB 7 heute eine unüberwindbare Wildkatze im Harz ist deshalb vor al- funger Wald und Hainich sowie in Barriere zu den Rothirschvorkommen lem die Sicherstellung ihres Lebens- Verbindung mit den umliegenden im Solling und Rein-hardswald. Noch raumes. Die Hochlagen des Harzes Waldgebieten Huy, Luttersche Ber- in den 1960er Jahren querten Rothir- - eine Fläche von rund 300 km2 - sind ge, Fallstein, Hakel, Windleite, Hain- sche nachweislich die Autobahn- aufgrund der Winterwitterung nicht leite, Schrecke, Schmücke, Finne, trasse A7 zwischen Harz und Solling. ganzjährig besiedelbar. Die mittle- Ohmgebirge, Eichsfeld, Rotenberg, Diese Achsen sind im Sinne eines ren, montanen Lagen des Harzes Reinhäuser Wald, Northeimer Wald Biotopverbundsystems zu schützen – sind deshalb als suboptimaler Lebens- und weiteren Waldgebieten kann dies dient der nachhaltigen Siche- raum von großer Bedeutung, die diese Forderung einer ausreichend rung von standorttypischen Lebens- submontanen und kollinen Rand- großen und vitalen Population er- räumen und Lebensgemeinschaften, lagen als optimaler Lebensraum exi- füllt werden. Tier- und Pflanzenarten und deren stenziell wichtig. Doch die Probleme der Lebensraum- Populationen sowie der Bewahrung, Kalte Winter, über einige Jahre in Fol- vernetzung sind groß. Seit der Grenz- Wiederherstellung und Entwicklung ge, mit anhaltenden Schneelagen, öffnung 1989 sind bis heute im funktionsfähiger ökologischer Wech- die auch in den submontanen Rand- Naturraum Harz 16 Straßenverbin- selbeziehungen. Querungsmöglich- lagen des Harzes über 30 Tage hin- dungen zwischen Niedersachsen, keiten entlang von Störlinien/Zer- weg eine anhaltende Schneehöhe Sachsen-Anhalt und Thüringen schneidungen sind in einem Abstand von 50 cm erreichen, würden dazu wiederhergestellt worden. Zwei von 1,5 bis maximal 3 km erforder- führen, dass ein beträchtlicher Teil Autobahnneubauten befinden sich lich, damit eine Durchlässigkeit ge- der Harzpopulation den Winter ver- in der Planungs- bzw. Bauphase. geben ist. 2 Unser Harz 1/06 Nationalparkverwaltung Harz Telefon (0 39 43) 5 50 2-0 Lindenallee 35 Telefax (0 39 43) 5 50 2-37 38855 Wernigerode www.nationalpark-harz.de Überregionale Wanderverbindungen von Wildkatze und Rothirsch in der Harzregion Korridor 1: Harz-Kyffhäuser-Windleite-Hainleite-Schrecke-Schmücke-Finne. Korridor 2: Harz-Kyffhäuser-Windleite-Hainleite-Dün-Ohm- gebirge-Naturpark Werratal-Eichsfeld-Hainich. Korridor 3: Harz-Ohmgebirge-Werratal-Eichsfeld-Reinhäuser Wald. Korridor 4: Harz-Ohm- gebirge-Werratal-Eichsfeld-Hainich. Korridor 5: Harz-Rotenberg-Ohmgebirge. Korridor 6: Harz-Stauffenburg-Northeimer Wald-Göttinger Wald-Reinhäuser Wald-Werratal-Kaufunger Wald. Korridor 7: Harz-Brune Heide-Hainberg. Korridor 8: Harz-Steinkuhlenberg-Radberg- Luttersche Berge-Hainberg. Korridor 9: Harz-Schimmerwald-Ecker-Großer Fallstein-Huy-Elm-Lappwald-Drömling. Korridor 10: Harz-Selketal- Hakel. Korridor 11: Harz-Nordhausen-Sangerhausen-Kyffhäuser-Hainich. Die Wildkatze ist in Deutschland eine In diesen Strategien eines großräu- ist, umso dringender ist es notwen- unter fünf größeren, landlebenden migen orientierten Lebensraum- dig diese Lebensräume mit ihren Ver- Säugetierarten, deren Lebensräume schutzes lassen sich grundsätzliche bindungskorridoren aus wildtieröko- gegen Eingriffsregelungen wirkungs- Gemeinsamkeiten zwischen dem Na- logischer Sicht langfristig zu sichern. voll zu schützen sind. Neben der turschutz und den Forderungen und Frank Raimer Wildkatze sind es Fischotter, Biber, Zielstellungen der Rotwild-Hege- Luchs und Wolf, die als FFH-Arten gemeinschaften