Kultur-Mensch Editorial Erster Lernort Kindergarten
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Kulturelle Bildung und Schönheit Zeitung des Deutschen Kulturrates Nr. 02/08 · März – April 2008 www.kulturrat.de 3,00 E · ISSN 1619-4217 · B 58 662 Kulturpolitik der Linken Kultur-Enquete Kultur und Kirche Kulturelle Bildung kultur · kompetenz · bildung Was will DIE LINKE kulturpolitisch Der Schlussbericht der Enquete-Kom- Eine wichtige Grundlage für die De- Kann kulturelle Bildung die Chancen Ist kulturelle Bildung durch Schönheit bewegen? Was sind die Grundsätze mission „Kultur in Deutschland“ liegt batte über Kultur und Kirche in der für die Teilhabe an Kunst und Kultur möglich? Diese Frage steht im Mittel- ihrer Kulturpolitik? Wie ist sie kul- seit Dezember 2007 vor. Welche Hand- Enquete-Kommission war das Gut- verbessern? Trägt kulturelle Bildung punkt der Beilage kultur ∙ komptenz turpolitisch vernetzt? Antworten lungsempfehlungen sollen im Biblio- achten von Matthias Theodor Vogt zu damit zu mehr Chancengerechtigkeit ∙ bildung. Neben der Vorstellung des geben Oskar Lafotaine, Lothar Bisky, thekswesen und bei der Leseförderung Kultur und Kirche. Hier werden einige bei? Mit diesen Fragen setzt sich Max Projektes MARIPOSA setzen sich die Lukrezia Jochimsen, Thomas Flierl zuerst umgesetzt werden? Mit diesen Aspekte aus dem Gutachten vorgestellt. Fuchs auseinander. Olaf Zimmer- einzelnen Autoren mit Fragen der und Birgit Klaubert. Gabriele Schulz Themen setzen sich Gabriele Beger Michael Opielka setzt sich mit der Fra- mann wird zur geplanten Förderung ästhetischen Bildung und des Kon- kommentiert die Beiträge. und Rolf Pitsch auseinander. ge Kultur oder Religion auseinander. von Computerspielen befragt. zeptes von Schönheit auseinander. Seiten 2 bis 9 Seiten 10 bis 11 Seiten 12 bis 15 Seiten 16 bis 18 Seiten 1 bis 8 Editorial Erster Lernort Kindergarten Frischzellenkultur Kulturelle Bildung in früher Kindheit • Von Annegret Kramp-Karrenbauer s gibt im Kultur- und Bildungs- dungsföderalismus reflexartig auf Kinder verdienen als wissbegierige, ∙ Naturwissenschaftliche Grunder- Ebereich in Deutschland ein fast die große Anzahl von Kultureinrich- neugierige und offene Menschen fahrungen heiliges Dogma, den Föderalismus: tungen verwiesen, die nur dank der Respekt und Wertschätzung. Sie Bildung und Erziehung in der frü- Die 16 Kultur- und Kultusbürokratien Kleinstaaterei – jeder Fürst brauchte brauchen Erzieherinnen und Erzie- hen Kindheit ist die vornehmste der Länder sind da, waren gewis- seine eigenen Museen und Theater her, die sie auf dem Bildungsweg Aufgabe der Eltern. Aber es ist auch sermaßen schon immer da, das gilt – entstanden sind. Das ist so richtig, begleiten, ermutigen, motivieren eine öffentliche Aufgabe. Eltern, zuallererst für die Kultusministerkon- wie es ein Stück Vergangenheit ist, die und herausfordern. Und alle Kinder, Sorgeberechtigte und Erzieherinnen ferenz, die bereits vor der Gründung in einem immer stärker zusammen gleich welcher Herkunft, haben ein in Kindergärten haben deshalb eine der Bundesrepublik 1948 ins Leben wachsenden Europa und in einer Recht auf Bildung. besondere und eine gemeinsame gerufen wurde, und werden immer globalisierten Welt neu eingeordnet Verantwortung, den ihnen anver- da sein, das behaupten zumindest die werden muss. Föderalismus ist in eshalb ist der Kindergarten als trauten Kindern durch Förderung Länder fast gebetsmühlengleich bei Wirklichkeit viel mehr als die heu- Derster Lernort im öffentlichen und Forderung ihre größtmöglichen jeder sich bietenden Gelegenheit! te immer noch praktizierte Klein- Bildungssystem besonders wichtig. Chancen zu eröffnen. Deshalb müssen sie sich selbstver- staaterei. Föderalismus ist ein sehr Mehr als bisher beachtet sind die Es liegt auf der Hand, dass ge- ständlich nicht rechtfertigen, wenn sie sinnvolles Organisationsprinzip, frühen Jahre für die Bildungsbiografie rade bei der kulturellen Bildung die mal „Mist“ gebaut haben, wie bei dem bei dem die einzelnen Glieder über der Kinder entscheidend. Die aktuelle Zusammenarbeit mit Vereinen und – natürlich in jeden Bundesland nach eine gewisse Eigenständigkeit ver- Bildungsforschung und die neue anderen Initiativen gesucht wer- eigenen Gutdünken – eingeführten fügen, aber zu einer übergreifenden Hirnforschung bestätigen: Kinder ler- den muss. Dass kulturelle Bildung oder vor der Einführung stehenden Gesamtheit zusammengeschlossen nen von Geburt an. Nie wieder lernt einen unverzichtbaren Beitrag zur Abitur in acht Jahren (G8). sind. Diese Verantwortung für das ein Mensch so viel und so schnell Persönlichkeitsentwicklung junger Foto: Ministerium für Bildung, Fami- Wieso war es nicht möglich, dass Wohl des Gesamtstaates kann man wie in seinen ersten Lebensjahren. Menschen leistet, indem sie kognitive lie, Frauen und Kultur des Saarlandes das G8 in Deutschland von allen Bun- in der Kultur- und Bildungspolitik der In dieser Zeit lernen Kinder aus ei- und nichtkognitive Kompetenzen desländern unter denselben Bedin- Länder, siehe das Beispiel G8, nicht genem Antrieb, mit allen Sinnen, mit vermittelt, dass sie einen wesent- Voraussetzungen bietet, ist die Kin- gungen am selben Stichtag eingeführt immer erkennen. viel Neugier und großer Energie. Sie lichen Beitrag zur emotionalen und dertagesstätte meist die einzige und wurde, um die von der Politik in Sonn- Über den Föderalismus in Deutsch- entwickeln ihre Bildungsoptionen sozialen Entwicklung aber auch zur damit maßgebliche Einrichtung, die tagsreden beschworene Mobilität von land wird viel zu wenig gestritten. Wir aus sich heraus. Ob und wie ein Kind Integration in die Gesellschaft leistet, über den frühzeitigen Zugang des Familien mit schulpflichtigen Kindern brauchen mehr Kritiker, die offen die diese Möglichkeiten weiter verfolgt, ist ebenso allgemein anerkannt wie Kindes zu kulturellen Inhalten ent- nicht schon an der ersten Landesgren- Systemfrage in der Kultur- und Bil- verändert oder auch verlässt, hängt die Forderung, sie als bildungspoli- scheidet. In jedem Falle müssen aber zen scheitern zu lassen? Weshalb war dungspolitik stellen, damit die Länder entscheidend von den Reaktionen tische Querschnittsaufgabe aller Bil- auch von dieser Seite Anstrengungen es nicht möglich, vor der Einführung gezwungen werden zu erläutern, wie seiner wichtigsten Bezugspersonen dungsinstitutionen und kulturellen unternommen werden, die Familien von G8 die Lehrpläne deutlich zu ent- sie sich die Zukunft der föderalen Kul- ab. Einrichtungen zu verstehen, deren der Kinder einzubeziehen, sie zur schlacken, um einer Überforderung tur- und Bildungspolitik in Deutsch- In allen Bundesländern wurden zukünftige Entwicklung letztlich Teilnahme und zur Förderung des der Schülerinnen und Schüler entge- land vorstellen. Nicht die Ketzer sägen Bildungsprogramme beschlossen. von einer adäquaten Lösung dieser Erlernten zu animieren. gen zu wirken, und warum wurden am föderalen Stamm, sondern die Immer werden als zentrale Bildungs- Aufgabe abhängt. Schon früh gilt es also, Zugänge viel zu wenige Mensen gebaut, um den selbst ernannten Glaubenswächter bereiche herausgearbeitet: Konkret bedeutet dies zunächst, zu künstlerischer Betätigung und Schülerinnen und Schülern, die we- verhindern eine Frischzellenkultur ∙ Körper, Bewegung, Gesundheit dass Eltern und Familien nicht nur kulturellen Inhalten zu schaffen und gen G8 immer öfter bis in den späten und lassen den Föderalismus so lang- ∙ Soziales und kulturelles Leben die Notwendigkeit kultureller Bildung die Chance zur Entdeckung und Nachmittag Unterricht haben, obwohl sam aber sicher absterben. Das sollten (auch religiöse Bildung) begreifen und ihre Inhalte akzeptie- Entwicklung eigener Neigungen und ihre Schule keine Ganztagesschule wir gemeinsam verhindern, denn noch ∙ Sprachen, Kommunikation und ren, sondern durch das eigene Han- Fähigkeiten zu nutzen. Über das Spiel ist, zumindest eine warme Mahlzeit hat der Föderalismus eine Zukunft. Schriftkultur deln beispielhafte Anreize schaffen, und den kreativen Umgang mit Kunst anbieten zu können? ∙ Bildnerisches Gestalten welche die Kinder zu kreativer Betä- können bereits die Jüngsten erste Im Kulturbereich wird bei der Olaf Zimmermann, Herausgeber ∙ Musik tigung, der Wertschätzung kultureller Schritte zur Gestaltung ihres Lebens kleinsten Kritik am Kultur- und Bil- von politik und kultur ∙ Mathematische Grunderfahrungen Güter, der kulturellen Einrichtungen tun. Eine wesentliche Grundlage und kulturthematischen Handelns für die Öffnung von Zugängen zur anregen. Hier gilt es vor allem auch kulturellen Umwelt von zugleich Sorge zu tragen, dass hinsichtlich identitätsstiftender Bedeutung sieht der Vielfalt der äußeren Einflüsse die Kultusministerkonferenz der eine vernünftige Balance zugunsten Länder in diesem Entwicklungssta- Kultur-Mensch des Höherwertigen und im positiven dium aber auch in einer intensiven Olaf Scholz Sinne Förderlichen gewahrt bleibt. Sprachförderung und einer ersten Dass dies nicht alle Elternhäuser Heranführung an Lesestoffe, z.B. in und Familien leisten können, ist ein Form von Bilderbüchern. Bereits das dritte Mal in Folge tritt ein nicht die Dummen sein, sondern alle Umstand dem ebenfalls bildungs-, Musik, beispielsweise in Gestalt Bundessozialminister mit Nachdruck müssen sich an der Künstlersozialver- kultur- und gesellschaftspolitisch elementarer Musikpädagogik, sollte für die Künstlersozialversicherung ein. sicherung beteiligen, damit, wie Olaf Rechnung zu tragen ist. Am Anfang bereits gezielt in Krippen und wäh- Das ist ein positives Signal für die Scholz schreibt, „ihre Erfolgsgeschich- der frühkindlichen Bildung geht es rend der ersten Kindergartenjahre