Kulturelle Bildung und Schönheit

Zeitung des Deutschen Kulturrates

Nr. 02/08 · März – April 2008 www.kulturrat.de 3,00 E · ISSN 1619-4217 · B 58 662

Kulturpolitik der Linken Kultur-Enquete Kultur und Kirche Kulturelle Bildung kultur · kompetenz · bildung Was will DIE LINKE kulturpolitisch Der Schlussbericht der Enquete-Kom- Eine wichtige Grundlage für die De- Kann kulturelle Bildung die Chancen Ist kulturelle Bildung durch Schönheit bewegen? Was sind die Grundsätze mission „Kultur in Deutschland“ liegt batte über Kultur und Kirche in der für die Teilhabe an Kunst und Kultur möglich? Diese Frage steht im Mittel- ihrer Kulturpolitik? Wie ist sie kul- seit Dezember 2007 vor. Welche Hand- Enquete-Kommission war das Gut- verbessern? Trägt kulturelle Bildung punkt der Beilage kultur ∙ komptenz turpolitisch vernetzt? Antworten lungsempfehlungen sollen im Biblio- achten von Matthias Theodor Vogt zu damit zu mehr Chancengerechtigkeit ∙ bildung. Neben der Vorstellung des geben Oskar Lafotaine, Lothar Bisky, thekswesen und bei der Leseförderung Kultur und Kirche. Hier werden einige bei? Mit diesen Fragen setzt sich Max Projektes MARIPOSA setzen sich die Lukrezia Jochimsen, Thomas Flierl zuerst umgesetzt werden? Mit diesen Aspekte aus dem Gutachten vorgestellt. Fuchs auseinander. Olaf Zimmer- einzelnen Autoren mit Fragen der und Birgit Klaubert. Gabriele Schulz Themen setzen sich Gabriele Beger Michael Opielka setzt sich mit der Fra- mann wird zur geplanten Förderung ästhetischen Bildung und des Kon- kommentiert die Beiträge. und Rolf Pitsch auseinander. ge Kultur oder Religion auseinander. von Computerspielen befragt. zeptes von Schönheit auseinander. Seiten 2 bis 9 Seiten 10 bis 11 Seiten 12 bis 15 Seiten 16 bis 18 Seiten 1 bis 8

Editorial Erster Lernort Kindergarten Frischzellenkultur Kulturelle Bildung in früher Kindheit • Von Annegret Kramp-Karrenbauer s gibt im Kultur- und Bildungs- dungsföderalismus reflexartig auf Kinder verdienen als wissbegierige, ∙ Naturwissenschaftliche Grunder- Ebereich in Deutschland ein fast die große Anzahl von Kultureinrich- neugierige und offene Menschen fahrungen heiliges Dogma, den Föderalismus: tungen verwiesen, die nur dank der Respekt und Wertschätzung. Sie Bildung und Erziehung in der frü- Die 16 Kultur- und Kultusbürokratien Kleinstaaterei – jeder Fürst brauchte brauchen Erzieherinnen und Erzie- hen Kindheit ist die vornehmste der Länder sind da, waren gewis- seine eigenen Museen und Theater her, die sie auf dem Bildungsweg Aufgabe der Eltern. Aber es ist auch sermaßen schon immer da, das gilt – entstanden sind. Das ist so richtig, begleiten, ermutigen, motivieren eine öffentliche Aufgabe. Eltern, zuallererst für die Kultusministerkon- wie es ein Stück Vergangenheit ist, die und herausfordern. Und alle Kinder, Sorgeberechtigte und Erzieherinnen ferenz, die bereits vor der Gründung in einem immer stärker zusammen gleich welcher Herkunft, haben ein in Kindergärten haben deshalb eine der Bundesrepublik 1948 ins Leben wachsenden Europa und in einer Recht auf Bildung. besondere und eine gemeinsame gerufen wurde, und werden immer globalisierten Welt neu eingeordnet Verantwortung, den ihnen anver- da sein, das behaupten zumindest die werden muss. Föderalismus ist in eshalb ist der Kindergarten als trauten Kindern durch Förderung Länder fast gebetsmühlengleich bei Wirklichkeit viel mehr als die heu- Derster Lernort im öffentlichen und Forderung ihre größtmöglichen jeder sich bietenden Gelegenheit! te immer noch praktizierte Klein- Bildungssystem besonders wichtig. Chancen zu eröffnen. Deshalb müssen sie sich selbstver- staaterei. Föderalismus ist ein sehr Mehr als bisher beachtet sind die Es liegt auf der Hand, dass ge- ständlich nicht rechtfertigen, wenn sie sinnvolles Organisationsprinzip, frühen Jahre für die Bildungsbiografie rade bei der kulturellen Bildung die mal „Mist“ gebaut haben, wie bei dem bei dem die einzelnen Glieder über der Kinder entscheidend. Die aktuelle Zusammenarbeit mit Vereinen und – natürlich in jeden Bundesland nach eine gewisse Eigenständigkeit ver- Bildungsforschung und die neue anderen Initiativen gesucht wer- eigenen Gutdünken – eingeführten fügen, aber zu einer übergreifenden Hirnforschung bestätigen: Kinder ler- den muss. Dass kulturelle Bildung oder vor der Einführung stehenden Gesamtheit zusammengeschlossen nen von Geburt an. Nie wieder lernt einen unverzichtbaren Beitrag zur Abitur in acht Jahren (G8). sind. Diese Verantwortung für das ein Mensch so viel und so schnell Persönlichkeitsentwicklung junger Foto: Ministerium für Bildung, Fami- Wieso war es nicht möglich, dass Wohl des Gesamtstaates kann man wie in seinen ersten Lebensjahren. Menschen leistet, indem sie kognitive lie, Frauen und Kultur des Saarlandes das G8 in Deutschland von allen Bun- in der Kultur- und Bildungspolitik der In dieser Zeit lernen Kinder aus ei- und nichtkognitive Kompetenzen desländern unter denselben Bedin- Länder, siehe das Beispiel G8, nicht genem Antrieb, mit allen Sinnen, mit vermittelt, dass sie einen wesent- Voraussetzungen bietet, ist die Kin- gungen am selben Stichtag eingeführt immer erkennen. viel Neugier und großer Energie. Sie lichen Beitrag zur emotionalen und dertagesstätte meist die einzige und wurde, um die von der Politik in Sonn- Über den Föderalismus in Deutsch- entwickeln ihre Bildungsoptionen sozialen Entwicklung aber auch zur damit maßgebliche Einrichtung, die tagsreden beschworene Mobilität von land wird viel zu wenig gestritten. Wir aus sich heraus. Ob und wie ein Kind Integration in die Gesellschaft leistet, über den frühzeitigen Zugang des Familien mit schulpflichtigen Kindern brauchen mehr Kritiker, die offen die diese Möglichkeiten weiter verfolgt, ist ebenso allgemein anerkannt wie Kindes zu kulturellen Inhalten ent- nicht schon an der ersten Landesgren- Systemfrage in der Kultur- und Bil- verändert oder auch verlässt, hängt die Forderung, sie als bildungspoli- scheidet. In jedem Falle müssen aber zen scheitern zu lassen? Weshalb war dungspolitik stellen, damit die Länder entscheidend von den Reaktionen tische Querschnittsaufgabe aller Bil- auch von dieser Seite Anstrengungen es nicht möglich, vor der Einführung gezwungen werden zu erläutern, wie seiner wichtigsten Bezugspersonen dungsinstitutionen und kulturellen unternommen werden, die Familien von G8 die Lehrpläne deutlich zu ent- sie sich die Zukunft der föderalen Kul- ab. Einrichtungen zu verstehen, deren der Kinder einzubeziehen, sie zur schlacken, um einer Überforderung tur- und Bildungspolitik in Deutsch- In allen Bundesländern wurden zukünftige Entwicklung letztlich Teilnahme und zur Förderung des der Schülerinnen und Schüler entge- land vorstellen. Nicht die Ketzer sägen Bildungsprogramme beschlossen. von einer adäquaten Lösung dieser Erlernten zu animieren. gen zu wirken, und warum wurden am föderalen Stamm, sondern die Immer werden als zentrale Bildungs- Aufgabe abhängt. Schon früh gilt es also, Zugänge viel zu wenige Mensen gebaut, um den selbst ernannten Glaubenswächter bereiche herausgearbeitet: Konkret bedeutet dies zunächst, zu künstlerischer Betätigung und Schülerinnen und Schülern, die we- verhindern eine Frischzellenkultur ∙ Körper, Bewegung, Gesundheit dass Eltern und Familien nicht nur kulturellen Inhalten zu schaffen und gen G8 immer öfter bis in den späten und lassen den Föderalismus so lang- ∙ Soziales und kulturelles Leben die Notwendigkeit kultureller Bildung die Chance zur Entdeckung und Nachmittag Unterricht haben, obwohl sam aber sicher absterben. Das sollten (auch religiöse Bildung) begreifen und ihre Inhalte akzeptie- Entwicklung eigener Neigungen und ihre Schule keine Ganztagesschule wir gemeinsam verhindern, denn noch ∙ Sprachen, Kommunikation und ren, sondern durch das eigene Han- Fähigkeiten zu nutzen. Über das Spiel ist, zumindest eine warme Mahlzeit hat der Föderalismus eine Zukunft. Schriftkultur deln beispielhafte Anreize schaffen, und den kreativen Umgang mit Kunst anbieten zu können? ∙ Bildnerisches Gestalten welche die Kinder zu kreativer Betä- können bereits die Jüngsten erste Im Kulturbereich wird bei der Olaf Zimmermann, Herausgeber ∙ Musik tigung, der Wertschätzung kultureller Schritte zur Gestaltung ihres Lebens kleinsten Kritik am Kultur- und Bil- von politik und kultur ∙ Mathematische Grunderfahrungen Güter, der kulturellen Einrichtungen tun. Eine wesentliche Grundlage und kulturthematischen Handelns für die Öffnung von Zugängen zur anregen. Hier gilt es vor allem auch kulturellen Umwelt von zugleich Sorge zu tragen, dass hinsichtlich identitätsstiftender Bedeutung sieht der Vielfalt der äußeren Einflüsse die Kultusministerkonferenz der eine vernünftige Balance zugunsten Länder in diesem Entwicklungssta- Kultur-Mensch des Höherwertigen und im positiven dium aber auch in einer intensiven Olaf Scholz Sinne Förderlichen gewahrt bleibt. Sprachförderung und einer ersten Dass dies nicht alle Elternhäuser Heranführung an Lesestoffe, z.B. in und Familien leisten können, ist ein Form von Bilderbüchern. Bereits das dritte Mal in Folge tritt ein nicht die Dummen sein, sondern alle Umstand dem ebenfalls bildungs-, Musik, beispielsweise in Gestalt Bundessozialminister mit Nachdruck müssen sich an der Künstlersozialver- kultur- und gesellschaftspolitisch elementarer Musikpädagogik, sollte für die Künstlersozialversicherung ein. sicherung beteiligen, damit, wie Olaf Rechnung zu tragen ist. Am Anfang bereits gezielt in Krippen und wäh- Das ist ein positives Signal für die Scholz schreibt, „ihre Erfolgsgeschich- der frühkindlichen Bildung geht es rend der ersten Kindergartenjahre versicherten Künstler und Publizisten, te für den Kultur- und Medienstandort also nicht nur um die Kinder selbst angeboten werden. Die Bedeutung die ohne die Künstlersozialversiche- Deutschland fortgeschrieben werden“ und die Bildungsinhalte und Metho- vor allem aktiver musikalischer Er- rung keine Kranken-, Pflege- oder kann. den, sondern zugleich auch um die fahrungen sind aus entwicklungspsy- Rentenversicherung hätten. Voraussetzungen, welche die Kinder chologischer Sicht heute unbestritten, Olaf Scholz zeigt damit auch, dass er vorfinden. Zu jenen Voraussetzungen sowohl hinsichtlich ihrer positiven Olaf Scholz hat in seinem Vorwort zum sich als Arbeits- und Sozialminister zählen natürlich auch die Betreu- Auswirkungen auf die kognitiven als gerade erschienenen Buch Künstler- nicht nur als Minister für Arbeitneh- ungs- und Bildungseinrichtungen, auch die sozialen Kompetenzen. sozialversicherungsgesetz genauso mer- sowie Arbeitgeberfragen versteht, die äußeren Einflüsse und im wei- In all diesen Bereichen kultureller unmissverständlich wie seine Vor- sondern vielmehr als Ansprechpartner teren Sinne das Selbstverständnis Bildung, aber auch in den späteren gänger klargestellt, dass alle ab- für alle Erwerbstätigen. Das ist ein einer Gesellschaft. gabepflichtigen Unternehmen ihrer wichtiges Signal für die Zukunft der In Kindergärten und vergleich- Weiter auf Seite 2 Verpflichtung nachkommen müssen. sozialen Sicherung – auch von Selbst- baren Betreuungseinrichtungen wird Die ehrlichen Unternehmer dürfen Foto: BMAS/Pep Avila ständigen. die Vermittlung kultureller Bildung erstmals zur Aufgabe einer institu- tionellen Einrichtung. Dort wo das 4:V;n Elternhaus nicht die entsprechenden Kulturpolitik der Linken politik und kultur · März – April 2008 · Seite 

wendigkeit ab, das betreuende Perso- mungen nötig, sowohl auf der Ebene ebenso wie die gemeinsame Suche ferenz eine „Empfehlung zur kultu- Fortsetzung von Seite 1 nal nicht nur pädagogisch, sondern der praktischen Umsetzung und nach Lösungsvorschlägen und den rellen Kinder- und Jugendbildung“ auch fachspezifisch entsprechend Anwendung als auch auf der Ebene gegenseitigen Austausch von Erfah- am 1. Februar 2007 verabschiedet. Lernort auszubilden. der Ausbildung der Pädagoginnen rungen. Dennoch wird eine länderü- In der Erkenntnis, dass Kindergarten Kindergarten Der ganzheitliche Ansatz umfasst und Pädagogen. bergreifende Schaffung einheitlicher und Schule allein auf diesem Gebiet auch eine Kontinuität in zeitlicher Wenn dies alles in einem Bundes- Standards und Qualitätsmaßstäbe wenig ausrichten können, schlägt Entwicklungsstufen geht es allerdings und inhaltlicher Hinsicht. Somit land gelingt, so ist dies zwar schon ein erfahrungsgemäß nicht unproble- die Kultusministerkonferenz eine nicht allein um gesellschaftliche Teil- sind die Inhalte kultureller Bildung Erfolg, aber nicht das, was man die Er- matisch sein. Das macht sie aber um gemeinsame Agenda aller an der habe, sondern auch um Anspruch und im frühkindlichen oder vorschu- füllung einer gesamtgesellschaftlichen nichts weniger wünschens- und er- kulturellen Kinder- und Jugendbil- Qualität. Auch der Bereich der krea- lischen Bereich nicht unabhängig Aufgabe oder Zielsetzung nennen strebenswert. Auch auf diesem Gebiet dung beteiligten gesellschaftlichen tiven Bildung ist – wenn er zur Wert- von denjenigen im Schulalter oder würde. Genau dies aber müsste die der Bildung möchte eigentlich jeder Kräfte vor. schätzung der Inhalte oder Tätigkeiten umgekehrt. Vielmehr gilt es – wie bei Absicht sein, so sehr man sich auch nur das Beste für alle. auf Seiten der Kinder führen soll – mit den kognitiven Bildungselementen über jeden Einzelerfolg freut. Die Pro- Die Kultusministerkonferenz ist Die Verfasserin ist Ministerin einem auch motivationspsycholo- – das Eine aus dem Anderen nach- blemlage ist in allen Bundesländern sich dieser gesamtstaatlichen Aufgabe für Bildung, Frauen, Familie gisch begründbaren, altersgemäßen vollziehbar und sinnvoll hervorge- die Gleiche, die Wirkungsforschung seit längerem bewusst. Mit Blick auf und Kultur des Saarlandes Leistungsanspruch zu verbinden. hen zu lassen. Auch hier sind also zur kulturellen Bildung betreiben die die kulturelle Bildung, auch in früher und Präsidentin der Hieraus wiederum leitet sich die Not- inhaltliche und qualitative Abstim- Länder und der Bund auf Augenhöhe, Kindheit, hat die Kultusministerkon- Kultusministerkonferenz Inhaltsverzeichnis

Editorial Kunst trotzt Armut Aus den Gremien Das Letzte Eine Idee von Schönheit Von Andreas Pitz 15 Von Michael Horbach 4 Frischzellenkur Ein Gentleman und Wie sozialverträgliche Steuer-Gerech- Von Olaf Zimmermann 1 Freund des Wortes tigkeit ganz einfach zu erreichen ist Bildung als Geschmack Kulturelle Bildung Von Georg Ruppelt 26 Von Theo Geißler 28 am Schönen Kultur-Mensch Von Jörg Zirfas 5 Kunst, Teilhabe und kulturelle Beilage kultur Olaf Scholz 1 Bildung Neue Bücher Kunst und Geschmack Von Max Fuchs 16 kompetenz bildung Von Eckart Liebau 6 Leitartikel Kurz notiert Kulturelle Bildung pur Zusammengestellt von Von Olaf Zimmermann 1 Gebildet oder Erster Lernort Kindergarten Streitfall Stefanie Ernst 26 Naturwissenschaftler? Von Annegret Sehnsüchtig auf das blicken, Von Katrin Platzer 7 Computerspiele Kramp-Karrenbauer 1 Bundestags- was sein könnte Auszeichnung von Computerspielen: Stefanie Ernst interviewt Eine Revolution drucksachen 27 Hans-Jürgen Müller 2 Kulturpolitik der Oliver Klatt interviewt Olaf Zimmermann 17 LINKEN Linke Politik braucht kritische Kunst Kulturpolitik der Parteien und Kultur Bürgerschaftliches Von Oskar Lafontaine 3 Engagement In der Ausgabe 4/2007 von politik neuen kulturellen Aufbruchs der Lin- der Kulturpolitik der Union, Kultur- Kulturen, Politik und die LINKE Der Bürger als zweitgrößter Kultur- und kultur wurde mit einer Reihe zur ken. Hier sieht er vor allem die Partei staatsminister Bernd Neumann stellte Von Lothar Bisky 4 förderer Kulturpolitik der Parteien begonnen. selbst gefordert. Und Birgit Klaubert, die Akzente seiner Kulturpolitik vor, Von Gabriele Schulz 18 Es wurde die Frage aufgeworfen, ob Vizepräsidentin des Thüringer Landtags Wolfgang Börnsen berichtete von Kultur ist immer Aufbruch und Fest- sich die Kulturpolitik tatsächlich so und kulturpolitische Sprecherin der der Verankerung der Kulturpolitik in halten an Erinnerung Chance oder Risiko? sehr ähnelt, wie es manchmal den An- Linken im Thüringer Landtag, fordert der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Von Lukrezia Jochimsen 5 Von Olaf Zimmermann 18 schein hat, ob in der Kulturpolitik weit- ein, dass die Länder die von ihnen Johanna Wanka und Hans-Heinrich gehend übereinstimmende Positionen beanspruchte Kulturhoheit mit Leben Grosse-Brockhoff setzten sich mit Die neue Linke muss vor allem auch bestehen und diese gegenüber ande- erfüllen. Gabriele Schulz, wissen- der Kulturpolitik der CDU in den ein kulturelles Projekt sein Staatsziel Kultur ren Fachpolitikern vertreten werden schaftliche Mitarbeiterin des Deutschen Ländern auseinander, Jörg-Dieter Von Thomas Flierl 6 müssen oder ob die Parteien eigene Kulturrates, kommentiert die Kulturpo- Gauger stellte die kulturpolitische Kultur und Sport als Staatsziel kulturpolitische Profile ausbilden. litik der Linken. Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung Auszug aus dem Programm der PDS Ein Kommentar von vor und Hans-Jörg Clement ergänzte beschlossen am 26. Oktober 2003 in Michael Vesper 19 Die Kulturpolitik von Die Linke steht In der Ausgabe 4/2007 von politik und um die Akzente in der Künstlerförde- Chemnitz 6 im Mittelpunkt dieses Heftes. Damit kultur kam die älteste deutsche Partei, rung der Konrad-Adenauer-Stiftung. kommt die letzte bundesweit tätige die SPD, zu Wort. Auskunft gaben der Gabriele Schulz, Wissenschaftliche LINKER Blick in die Zukunft Europa und die zugleich die jüngste Partei Vorsitzende Kurt Beck, der Vorsitzende Mitarbeiterin des Deutschen Kultur- Von Birgit Klaubert 7 zu Wort. Sowohl die wechselvolle des Kulturforums der Sozialdemokratie rates, kommentierte die Kulturpolitik Europa und die Kultur Geschichte der Partei – mit all ihren Wolfgang Thierse, die kulturpolitische der CDU. Auszug aus dem Von Barbara Gessler 19 Vorgängerorganisationen – als auch Sprecherin der SPD-Bundestags- Gründungsprogramm der WASG 7 die kulturpolitischen Dokumente der fraktion Monika Griefahn, der für die In der Ausgabe 1/2008 erläuterte PDS und der WASG als Vorläufer wer- auswärtige Kulturpolitik verantwortliche die Vorsitzende von Bündnis 90/Die Ist Kultur links? Fragen zur Kulturpo- Regionale den veröffentlicht. Ebenso die ersten Bundesaußenminister Frank-Walter Grünen die Veranke- litik der LINKEN gemeinsamen programmatischen Steinmeier, der Regierende Bürger- rung der Kulturpolitik von Bündnis Ein Kommentar von Kulturpolitik Eckpunkte. Wie keine andere Partei meister von Berlin Klaus Wowereit, 90/Die Grünen. Die Kulturpolitische Gabriele Schulz 8 Fördern, Vernetzen, Forschen, setzt sich Die Linke öffentlich mit der der den Leitantrag zur Kulturpolitik für Sprecherin von Bündnis 90/Die Bilden Geschichte Ost und der Geschichte den SPD-Parteitag im Oktober 2007 Grünen im Deutschen Bundes- Programmatische Eckpunkte Von Susanne Tauss 20 West auseinander. Auch in den meis- mit vorbereitet hatte und Uwe-Karsten tags, Katrin Göring-Eckardt, setzte Programmatisches Gründungsdoku- ten Beiträgen zur Kulturpolitik zieht Heye als Chefredakteur des Vorwärts, sich besonders mit der Frage des ment der Partei DIE LINKE 8 Impulsgeber und Netzwerker sich als roter Faden die Frage nach der eine stärkere kulturpolitische Aus- Arbeitsmarktes Kultur auseinander. Von Milena Karabaic 21 dem kulturellen Selbstverständnis, richtung anstrebt. Der Herausgeber von Grietje Bettin, medienpolitische Geschichte der PDS/WASG/ darauf aufbauend wird eine kulturpo- politik und kultur Olaf Zimmermann Sprecherin der Fraktion Bündnis DIE LINKE. 9 litische Programmatik entwickelt. Der hinterfragte in einem Kommentar die 90/Die Grünen im Deutschen Bun- Kulturelles Leben Vorsitzende der Linken Oskar Lafon- Kulturpolitik der SPD. destag, befasste sich mit der Fragen taine fordert eine stärkere Zusam- der Kultur- und Medienpolitik im Kultur-Enquete „Mord“ in Weimar? menarbeit von Partei und Künstlern In der Ausgabe 5/2007 stand die digitalen Zeitalter. Uschi Eid, Spre- Von Georg Ruppelt 22 ein. Er sieht die Kultur und die Partei Kulturpolitik der FDP im Mittelpunkt. cherin der Fraktion Bündnis 90/Die Anerkennung und Ansporn für Bi- Seite an Seite um die Verbesserung Es kam der Vorsitzende der FDP Guido Grünen im Deutschen bliotheken Wie wird man Sammler? der Lebensbedingungen streiten. Westerwelle zu Wort und erläuterte die für Auswärtige Kulturpolitik stellte Von Gabriele Beger 10 Wer oder was hilft? Lothar Bisky, ebenfalls Vorsitzender Grundsätze liberaler Kulturpolitik, Hans- die Positionen der Fraktion Bündnis Von Karlheinz Schmid 23 der Linken und medienpolitischer Joachim Otto stellte das Liberale Kultur- 90/Die Grünen in der Auswärtigen Kommissionsbericht ist wertvolle Sprecher der LinkeN im Deutschen forum vor, Christoph Waitz berichtete Kulturpolitik vor. Mit der Kulturpolitik Arbeitsgrundlage Bundestag, bedauert, dass zwischen von der Verankerung der Kulturpolitik von Bündnis 90/Die Grünen in Von Rolf Pitsch 11 Förderverein des Ost und West kein echter Austausch in der FDP-Bundestagsfraktion, Ruth der Hauptstadt befasst sich die Kul- stattfand und findet, dieses zeigt Wagner setzte sich mit den freiheit- turpolitische Sprecherin im Berliner deutschen sich auch in der Kulturpolitik. Seines lichen Grundsätzen der FDP und der Abgeordnetenhaus Alice Ströver. Kultur und Kirche kulturrates Erachtens hängt aber die Utopiefä- Kulturpolitik auseinander und Wolfgang Jan Engelmann informiert über die higkeit einer Gesellschaft eng mit der Gerhardt stellte die kulturpolitische Verankerung der Kulturpolitik in der Ansätze einer Kirchenkulturökono- Die Gründung ist erfolgt – Kultur zusammen. Die kulturpolitische Arbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung Heinrich-Böll-Stiftung. Olaf Zimmer- mie die Arbeit kann beginnen Sprecherin der Linken im Deutschen vor. Der Herausgeber von politik und mann kommentierte die Kulturpolitik Von Matthias Theodor Vogt 12 Von Georg Ruppelt 24 Bundestag, Lukrezia Jochimsen, er- kultur Theo Geissler kommentierte die von Bündnis 90/Die Grünen. läutert ihre kulturpolitischen Ideen vor Kulturpolitik der FDP. Kultur oder Religion? Der Vorstand des Vereins 24 dem Hintergrund eigener biografischer In der nächsten Ausgabe von politik Von Michael Opielka 13 Erfahrungen und der Auseinanderset- Die Ausgabe 6/2007 widmete sich der und kultur steht die Kulturpolitik der zung mit dem Faschismus. Thomas Kulturpolitik der CDU. Zu Beginn erläu- CSU im Mittelpunkt. Kunst oder Verkündigung? Portrait Flierl, Initiator des Kulturforums der terte der Stellvertretende Vorsitzende Olaf Zimmermann und Gabriele Linken, sieht das Erfordernis eines der CDU die Grundsätze Die Redaktion Schulz interviewen Choong-Sik Zwischen Tanz und Tarifen Hong 14 Von Andreas Kolb 25 Kulturpolitik der Linken politik und kultur · März – April 2008 · Seite 

Linke Politik braucht kritische Kunst und Kultur Die LINKE sucht den Dialog mit den Künstlern • Von Oskar Lafontaine In einer Inszenierung des Stücks Schulze hingewiesen. Er warnte in „Der Kandidat“ von René Pollesch seiner Dankesrede zur Verleihung des ist das Rangfoyer des Hamburger „Thüringer Literaturpreises“ am 4. Schauspielhauses originalgetreu auf November 2007 vor einer „Refeudali- der Bühne nachgebaut. Unter der sierung des Kulturbetriebs“. Gestiftet Überschrift „Politik durch die Pol- wurde der „Thüringer Kulturpreis“ lesch-Brille“ schreibt ein Theaterkri- nämlich nicht vom Land Thüringen, tiker hierzu: „Ein verblüffender Fake sondern vom Energieriesen E.ON. – genau so wahr wie Wahlverspre- Ungewollt wurde der Schriftsteller am chungen heute…“ Das war im Juni Rednerpult mit der Aufschrift „E.ON 2002. In dem Stück „Pablo in der Thüringer AG“ zum Werbeträger. Plusfiliale“ thematisiert der gleiche Indem er hierauf anspielend seine Autor die „prekären“ Arbeitsverhält- Kritik in einen größeren gesellschaft- nisse im Zeitalter des Neoliberalis- lichen Zusammenhang stellte, der mus. Das war 2004. Zwei Beispiele weit über seinen eigenen beruflichen dafür, dass die Kultur, in diesem Wirkungskreis hinausgeht, hebt er Fall das Theater, gesellschaftliche sich geradezu heldenhaft von den Verhältnisse aufgreift, kritisiert Politikerinnen und Politikern ab, die und einem breiteren Publikum be- nur noch an den Egoismus des Ein- wusst macht. Im Fall der prekären zelnen appellieren und diese skan- Beschäftigungsverhältnisse tat sie dalöse Privatisierung öffentlicher dies noch bevor diese überhaupt Verantwortlichkeit versuchen hinter durch die Politik gesehen wurden ihrer Forderung nach mehr „Eigen- bzw. die politisch Verantwortlichen verantwortung“ zu verstecken und diese wahrhaben wollten. so die Macht- und Abhängigkeits- verhältnisse in unserer Gesellschaft ängst ist jedoch die Kultur selbst vernebeln. L in die Fänge des Neoliberalismus Ingo Schulze stellt fest: „Die Ten- geraten, der vormals positiv besetzte denz zur Refeudalisierung des Kul- „Kulturbetrieb“ von einer neoli- turbetriebs geht einher mit einer beralen Kulturbetriebswirtschaft allgemeinen Privatisierung und damit bedroht. Während die staatlichen Ökonomisierung aller Lebensbereiche, Kulturausgaben in den vergangenen des Gesundheitswesens, der Bildung, Jahren weiter rückläufig waren oder des Sports, des Verkehrssystems, der Der Parteivorsitzende Oskar Lafontaine im Gespräch mit dem Bildhauer Alfred Hrdlicka auf dem Empfang der Partei DIE stagnierten, steigt die Bedeutung des Wohnungswirtschaft, der Energie- LINKE anlässlich dessen 80. Geburtstages in der Galerie Berlin im Januar 2008. Foto: Gert Gampe privaten Kultursponsorings. Der Spre- wirtschaft bis dahin, dass private Fir- cher des Kulturkreises der Deutschen men Polizeiaufgaben übernehmen.“ kritisches und unabhängiges Kultur- Verantwortlichen sprechen dann ihn kritisieren, hätten ihn nur nicht Wirtschaft, Stephan Frucht, bestätigt Diese Refeudalisierung sei bereits zur wesen. Dass der Staat es allein nicht in gewohnter Regelmäßigkeit von richtig verstanden. diese Entwicklung, indem er sie mit Selbstverständlichkeit verkommen, so kann wird immer dann sichtbar, wenn einem „Vermittlungsproblem“. Das den Worten rechtfertigt: „Wenn der Schulze und weiter: „Wenn der demo- die Bundesregierung bei politischen in Frage zu stellen, was sie vergeblich DIE LINKE sucht die Kultur Staat sich zurückzieht, dann ist es nur kratische Staat nicht genug Geld hat, Entscheidungen, wie beispielsweise versuchen zu vermitteln, kommt recht und billig, dass Unternehmen dann muss er entweder die Gesetze der Agenda 2010, der Rente mit 67, ihnen gar nicht in den Sinn. Kein DIE LINKE ist angetreten, die Politik auch diese Lücke schließen.“ ändern, damit er wieder seiner Verant- der Europäischen Verfassung oder einzelner Mensch aber würde für zu verändern. Sie sucht dazu neben Darauf, dass von einer Privatisie- wortung gerecht werden kann. Oder er auch den Auslandseinsätzen der normal erklärt, der, immer wieder auf anderen gesellschaftspolitischen rung des Kulturbetriebs auch eine stellt sich selbst in Frage.“ Bundeswehr auf Unverständnis in die gleichen Fehler angesprochen, Verarmung der Kultur ausgehen Um sich selbst in Frage zu stellen, der Bevölkerung stößt und über de- behaupten würde, es gäbe da nur ein könnte, hat der Schriftsteller Ingo braucht der Staat aber gerade auch ein ren Köpfe hinweg entscheidet. Die Vermittlungsproblem, diejenigen, die Weiter auf Seite 4

8PEJF.VTJLMFCU #JMEFS‰(FUUZ .&7 .PIS%FTJHO

XXXXESEF

8%3"O[FJHFÁ1PMJUJLVOE,VMUVS 4BJTPOÁYNN 4BU[TQJFHFMÁDNZL Kulturpolitik der Linken politik und kultur · März – April 2008 · Seite 

der Partei, noch nicht zufriedenstel- und Arbeiten am Theater selbst zum sich mit der gesellschaftspolitischen fen zu müssen? Diese Fragen möchte Fortsetzung von Seite 3 lend gelungen. DIE LINKE ist bereit, Gegenstand machen und mit Thea- Wende hin zum Neoliberalismus DIE LINKE an die Künstlerinnen dabei auch unkonventionelle Wege terleuten, Schauspielerinnen und auch die Kultur und ihr Gegenstand und Künstler und den Kulturbetrieb Linke Politik braucht kri- zu gehen, beispielsweise konkrete po- Schauspielern diskutieren, wie sehr in den vergangenen Jahren verän- insgesamt stellen und so die darin tische Kunst und Kultur litische Aktionen mit Künstlerinnen das betriebswirtschaftliche Denken dert? arbeitenden Menschen kennenler- und Künstlern zu unternehmen. den Theateralltag bereits bestimmt? Welche geistigen Grundhaltungen nen und von ihnen lernen. Auch, Organisationen und sozialen Bewe- Warum zum Beispiel nicht bei einem Am Anfang unserer Bemühungen finden sich in der Kultur und welche um ihre Interessen besser vertreten gungen auch den Dialog mit Künst- Stück wie der „Mutter Courage“ Poli- steht unser Interesse für die Kunst. Positionen sind derzeit bestimmend? zu können und sich selbst weiter zu lerinnen und Künstlern. Wir möchten tikerinnen und Politiker der Linken Was bewegt die Theater- und Fil- Unter welchen Bedingungen müssen entwickeln und noch wirksamer in uns dabei auch über den eigenen po- mit den Schauspielerinnen und memacher, Schauspieler, Musiker, die Kulturschaffenden arbeiten, wo die Gesellschaft hineinzuwirken. litischen Kurs vergewissern, die Mei- Schauspielern zusammenbringen Kabarettist usw. in ihrem Schaffen? liegen ihre Probleme und wo ihre nungen der Kulturschaffenden mit in und am Theater über den Krieg dis- Welchen Raum nehmen die Politik, Bedürfnisse und Voraussetzungen, Der Verfasser ist Vorsitzender der unsere Überlegungen einbeziehen. kutieren lassen und hierzu auch den die Gesellschaft, der Einzelne, die um sich frei entfalten zu können Partei DIE LINKE, Mitglied des Deut- Das ist bisher, auch aufgrund der ge- Bundesverteidigungsminister einla- Lebensverhältnisse der Menschen und sich nicht der verbreiteten wirt- schen Bundestages und Vorsitzender rade erst vollzogenen Neugründung den? Oder warum nicht das Leben in der Kunst und Kultur ein und hat schaftlichen Standortlogik unterwer- der Fraktion DIE LINKE. Kulturen, Politik und die LINKE Kulturelle Vielfalt als Dialograum freiheitlicher Lebensperspektiven • Von Lothar Bisky Deutsche Regierungs- und Oppositi- onsparteien weisen erstaunliche Ge- meinsamkeiten bei kulturpolitischen Lösungsansätzen auf. Niemand wür- de Rahmenbedingungen der freien Kunst, die späte Wertschätzung der Kulturwirtschaft, Filmförderung oder die Lösung medienrechtlicher Fragen einschließlich ihrer europäischen Di- mensionen als zweitrangig ansehen. Keine Partei unterschätzt kulturelle Bildung und die Teilhabe am kultu- rellen Leben. Die Politik – so darf man hier pauschal sagen – sieht den Erhalt kommunaler und öffentlicher Kulturförderung in den Ländern und im Bund als dringende Aufgabe.

chon an dieser Stelle begäbe sich S die Kritik an der kulturpolitischen Praxis in Ländern und Kommunen an die Startblöcke und würde angesichts der prekären Beschäftigung in Agen- turen und Studios oder mit Blick auf die Nöte von Bibliotheken bezogen auf Ausstattung und modernes Ur- heberrecht zur Hochform auflaufen. Doch ich gehe hier noch ein kleines Stück des parteiübergreifenden Weges bundesdeutscher Kulturpolitik und halte fest: Politik schätzt die Le- bendigkeit und Schutzbedürftigkeit kultureller Vielfalt, ratifizierte im ver- gangenen Jahr ihre völkerrechtlichen Grundlagen. Alle Parteien betonen den Wert von Gedenkstätten und Das Berliner Weißmimen-Ensemble formiert auf dem Gründungsparteitag der Linken im Juni 2007 das Logo der neuen Partei. Foto: Aris Erinnerungskulturen, die zum Dialog über die Wurzeln unserer wiederver- projekten, Bewegungskulturen, ge- als in der bundesdeutschen Gesell- verfestigen und damit die Utopiefä- ein striktes Ende der Unterbelichtung einten europäischen Kulturnation werkschaftliche Protestkulturen und schaft. Bezogen auf die Erwerbstä- higkeit einer Gesellschaft verschüttet kultureller Potenzen der Gesellschaft herausfordern, zum internationalen die seltsame Erfahrung verborgen, tigkeit von Frauen ist einiges aus der wird. Soziale Kämpfe werden vom gegenüber der Überbelichtung un- Austausch und zur Verständigung dass auch Westdeutsche eine reiche ostdeutschen Teilgesellschaft tradiert, Zeitgeist gern als back to the seventies serer Kultur der Marktgängigkeit ein, anregen. Welch traute Runde, so regionale deutschsprachige Rock- einiges inzwischen in der neuen Bun- denunziert. Doch ihr kultureller Sinn in die sich Politik oft viel zu geschmei- scheint es. musik hatten. Würde man in einer desrepublik in der Debatte. ist der Erhalt einer demokratischen dig einfügt. Ahnt man nicht spätestens bei differenzierten Kulturgeschichte Die sich herausbildende Kultur- Öffentlichkeit, damit neue Ideen für Ein großer deutscher Dramatiker der Deutungshoheit über die wirt- des geteilten Landes ankommen, so auffassung der LINKEN wird sich das Verhältnis von Staat, Markt und hat einmal auf die Frage, warum er schaftlichen, sozialen und kulturellen stieße man – gerade im Kulturbetrieb programmatisch an einem weiten Zivilgesellschaft wachsen. Die LINKE nicht von der DDR in die Bundesre- Folgen des Vereinigungsprozesses, – auf demokratische Wurzeln in Ost Kulturbegriff orientieren, der bis- ist verbunden mit Emanzipations-, publik übersiedeln will, geantwortet, beim Aufarbeiten des historischen und West, würde die verschlungenen weilen der Kulturpolitik immer Ökologie- und Friedensbewegungen, er bliebe lieber in einem Land, in dem Selbstverständnisses, welch – für Auseinandersetzungen zwischen noch fremd ist, auch unter Linken. mit antirassistischen und antifaschis- die Literatur so wichtig ist, dass sie mich verständlichen – Risse in den der künstlerischen und der selbst Die neu gegründete LINKE wird tischen Initiativen. Kulturell streiten gegebenenfalls verboten wird. Wenn trauten Debatten um unsere euro- ernannten politischen Avantgarde, den Anspruch ernst nehmen, dass wir für Strukturen, die eine zweite dieser Zynismus der Unfreiheit wirk- päische Kulturnation verborgen sind? der SED-Führung, gewinnbringend Kulturpolitik Gesellschaftspolitik ist. Aufklärung inmitten eines digitalen lich eine Fußnote in der Geschichte Statt diese Risse in unseren gewach- recherchieren. Uns würde eine merk- Fragen der Lebensperspektiven und Kapitalismus ermöglichen. Ästhe- werden könnte, dann gehört zum senen Teilkulturen politisch zuzukle- würdig lockere Haltung zu den popu- -vorstellungen in arbeiterlichen, tische Bildung, kulturelle Teilhabe Anspruch kultureller Freiheit, eine istern, ist es Zeit, sie als Herausforde- lären Künsten in der DDR begegnen, bürgerlichen, alternativen Milieus, sind für Weitsichtige eine selbstver- Gesellschaft der Gleichen neu zu rung zu verstehen. Offenheit ist ein das unglaubliche „Lese- und Theater- in Migrantenkulturen werden durch ständliche Lebenserfahrung. Kultur denken. Grundelement eines dialogfähigen land DDR“ noch einmal – zeitgemäß eine Orientierung auf interkulturelle für alle bleibt eine Forderung der Last but not least: Der demo- Kulturverständnisses. Frank-Walter kritisch – aufscheinen und gar viele integrative Bildung, in Reformen LINKEN, weil jene dritte Hoffnung kratische Interessenausgleich sollte Steinmeier hat dies für die auswärtige deutsch-deutsche Gemeinsamkeiten der öffentlich-rechtlichen Medien, der französischen bürgerlichen Re- nicht länger vormedial gedacht und Kulturpolitik herausgearbeitet. Dies im kulturellen Vereinswesen, der So- in der Wissenschafts- und Innova- volution, die historisch als Brüder- an den Realitäten der Mediengesell- gilt auch im Inland. ziokultur und den freien Szenen über tionspolitik, auf allen politischen lichkeit in unsere Welt gekommen schaft vorbei diskutiert werden. Der Wo liegen die Unterschiede in der den historischen Weg laufen. Ebenen von der Kommune bis Eu- ist – die Potenzen sozialer und kul- Zugang aller zur Kultur schließt längst Kulturpolitik der Parteien wirklich? Wir schreiben das Jahr 2008. Die ropa bewegt. tureller Innovationen trifft. Politisch den Zugang aller zu Informationen Wo ist das Originäre, das die neu ge- LINKE hatte ihren Gründungspar- Kulturelle Fragen sind Fragen auf Gemeinsinn und Solidarität oder ein. Daraus Bildung, Zukunftsgewiss- gründete LINKE – mitten im eigenen teitag, der ein reichliches halbes nach der Utopiefähigkeit einer Ge- wie immer es Menschen nennen, zu heit, Problemlösungskompetenz und Dialog der kulturellen Vielfalt ost- Jahr zurückliegt. Wir stehen für eine sellschaft, Fragen nach ihrer Ge- verzichten, birgt nicht nur den Verlust Lebensfreude zu generieren, ist nach und westdeutscher Biografien – in die Verbindung der sozialen und der schichte, ihrem Zusammenhalt, ihren der gleichen Chancen, sondern auch meiner Lebenserfahrung nur durch Waagschale der Debatte wirft? kulturellen Fragen gesellschaftlicher Erzählungen. Alle Menschen stellen den der Freiheit. Demokratische den lernenden Austausch zwischen Erinnerungskultur beginnt in der Entwicklung. Deshalb sehen wir kul- solche Fragen, egal ob sie in existen- Öffentlichkeit, Konflikt- und Kon- alten und neuen Kulturtechniken eigenen Partei. Die LINKE ist täglich turelle Vielfalt als Dialograum freiheit- ziellen Nöten sind und Sinnsuche sensfähigkeit sind gefährdet, wenn möglich. Dies ist eine Frage sozialer darauf angewiesen, die Reduktionen licher Lebensperspektiven. Vor allem zwischen Angst und Lebensmut zer- Quoten regieren und gutes Marketing Gerechtigkeit, in der das Staatsziel auf Stacheldraht und Ampelmänn- sehen wir darin keinen Gegensatz zur rieben wird oder ob sie als Jetsetter als letzte Zuflucht von Kreativität Kultur nur ein – wenn auch wichtiger chen, auf Coca Cola und Heinrich Idee der sozialen Gleichheit. Damit die Suche nach der Mußezeit noch erlebt wird. – Schritt in eine zukunftsfähige Bür- Böll zu hinterfragen. Ohne Offenheit steht die deutsche LINKE nicht nur nicht aufgegeben haben. Künstler- Wenn eine ressortübergreifende gergesellschaft bedeutet. entsteht kein Verständnis für die po- historisch in europäischen Traditi- innen und Künstler – ob Komponist, Kultur- und Medienpolitik tatsächlich litische und kulturelle Auseinander- onen. In den skandinavischen Län- Drehbuchautorin oder Tanzcompany als Investition in unsere Gesellschaft Der Verfasser ist Vorsitzender setzung, welche Mitglieder der PDS dern ist Egalität als soziales Grund- – vermögen auf ihre eigene Kommu- verstanden wird, ist es an der Zeit, der Partei DIE LINKE und – auch die aus dem Westen – als ein prinzip kulturell tief verankert. Dies nikation provozierende Weise diese ihr politisch-institutionelles Dasein Vorsitzender der Partei der Teil der neuen LINKEN nach 1989/90 hat durchaus mit einer Lebensweise Debatten an- und aufzuregen. nach einem haushalterischen Rest- Europäischen Linken. Er ist gegangen sind. Ohne Offenheit blie- zu tun, in der die Emanzipation der Die Kulturpolitik der LINKEN mittelprinzip in Kommunen und in Mitglied des Deutschen Bundes- ben vielen Ostdeutschen die Kulturen Geschlechter und damit die Freiheit setzt dort an, wo sich Marktradika- der Europäischen Kommission zu tages und medienpolitischer Spre- von selbst verwalteten Stadtteil- möglicherweise weiter gefächert ist lität und sozial spaltende Strukturen beenden. Die LINKE setzt sich für cher der Fraktion DIE LINKE. Kulturpolitik der Linken politik und kultur · März – April 2008 · Seite 

Kultur ist immer Aufbruch und Festhalten an Erinnerung Erfahrungen mit der Arbeit im Parlament • Von Lukrezia Jochimsen Politische Positionen werden von Bi- ografien überschattet, deshalb eine private Bemerkung vorweg: Kunst und Kultur waren für mich immer ein Lebenselixier, schon als Kind, vor allem unmittelbar nach Kriegsende. Ich war zehn Jahre alt. Wir waren arm, hatten wenig zu essen, kaum etwas anzuziehen. Das Trauma des Krieges, die Todesangst war kaum überwunden. Aber dann waren da Theateraufführungen, Hörspiele, Konzerte, das Kino, Bibliotheken, Zeitungen … Das bedeutete Leben, Aufbruch, Lebenselixier. Das ist immer noch der Ausgangspunkt für mein Verständnis von Kultur und damit auch von Kulturpolitik. Und zwar auf dreifache Weise.

rstens spielt Kindheit eine ent- E scheidende Rolle. Kinder brau- chen Kultur – von Anfang an. Alle Kinder. Ihre Sinne verlangen nach Bildern, Klängen, formbaren Ma- terialien, Bewegung … Ihr Gehirn benötigt Sprache, Geschichten, As- soziationsstimulanz… Ihre Entwicklung vom Ich zum Wir kommt ohne die Teilnahme, wie die Teilhabe am kulturellen Leben, nicht voran. Das ist die „Nahrung“, die wir Kindern geben müssen. Kultur und Kindheit gehören zusammen. Zweitens spielt die Anfangszeit nach 1945 eine Rolle, als West und Ost noch nicht getrennte Kulturen darstell- ten, als Brecht, Heinrich und Thomas Mann, Hemingway und Remarque, Jazz und Schostakowitsch, Hollywood und Eisenstein, amerikanische Schau- spiele und französischer Existenzia- lismus, T.S. Elliot und der italienische Film die „kulturelle Vielfalt“ unserer frühen Jahre in der neuen Demokratie darstellte. Kultur West wie Kultur Ost Berliner Dom und der im Abriss begriffene Palast der Republik. Foto: Gert Gampe haben mich nie mehr losgelassen. Drittens spielt Erinnerung eine der kulturpolitischen Zusammen- Information“ und einem „aktiven minalität – Stichworte: Prävention, Kultur für Kinder überall in gleichen prägende Rolle: Faschismus, Drittes arbeit. Museum“ könnte es Zeitgenossen Ursachenbekämpfung von früh an – Maßen – auf dem Land, in den Städten Reich, Auschwitz, Suchen nach der ANDERERSEITS erheben wir die und künftigen Generationen – aus ja, dann müsste politisches Ziel aller und in den Problemvierteln: Darum Wahrheit und Festhalten an der eine Gegenstimme gegen den über- Ost wie West – die grundsätzliche eine kulturell gerechte Gesellschaft geht es. Wahrheit als immerwährende Auf- mächtigen Chor der anderen. Und Auseinandersetzung mit der Idee der sein. Überlegen Sie doch mal, wie Denken Sie auch daran, dass Sie gabe – auch und gerade dann, wenn dies hat mit unserem Geschichtsbild Freiheit ermöglichen. Sie Kinder aus der Monotonie, der damit Arbeit schaffen würden, kostba- viele lieber zu neuen Tagesordnungen zu tun. Wir wenden uns auch dezidiert Unterforderung, der Cliquengewalt, re, kreative Arbeit. Ein Programm für übergehen wollen. Die neue Linke, aus Ost und West gegen das unter dem Titel „Sichtbares der Gewaltbereitschaft zwischen Kinder, Jugendliche und kreativ Arbei- Kurz: meine kulturpolitischen kommend, geht von einer Ost-West- Zeichen“ von der Koalition verabre- öden Wohnblocks und Supermärk- tende wäre ein nationales Signal. Positionen sind geprägt von Krieg, Geschichte aus, die heute noch nach- detes Dokumentationszentrum zu ten herausholen können? Der Begriff „soziale Gerechtig- Diktatur, Befreiung und Glauben an wirkt. Die Vergangenheit unseres von „Flucht und Vertreibung“ in Berlin. Mein Vorschlag: Nehmen Sie eine keit“ gehört heute zu den Selbst- Demokratie und Selbstbestimmung, zwei Gesellschaftssystemen geprägten Ausgerechnet in Berlin, von wo der Milliarde Euro und setzen Sie ein Pro- verständlichkeiten der Politik – ich die vielleicht naive, aber nicht auf- Kulturlebens lässt sich nicht auslö- ganze Kriegsschrecken ausging! Ein gramm „Kultur für Kinder“ auf. Geben würde ihn gern um die Komponente gebbare Hoffnung, dass auf neuen schen. Wie Thomas Flierl in dieser Aus- „Zentrum gegen den Krieg“ wie es der Sie den Kindern, die zu Hause keine „kulturelle Gerechtigkeit“ erweitern. kulturellen Wegen das moderne gabe von politik und kultur schreibt: Willy-Brandt-Kreis fordert, hielten wir Bücher, keine Möglichkeiten zum Deutschland ist ein so reiches Kul- Deutschland entsteht. Wegen wohl- „Der Staatssozialismus war nicht nur dagegen für notwendig – genauso wie Musizieren und Gestalten haben die turland – alle: Kinder, Jugendliche, gemerkt – die Mehrzahl ist wichtig. politisch gescheitert, die Menschen ein „Mahnmal gegen Kriege und für die Chance, in ihrem unmittelbaren Um- Erwachsene, Alte, Arme und Reiche hatten sich auch kulturell abgewandt. Opfer gegenwärtiger und zukünftiger feld Musik- und Malschule, Theater- sollten gerecht an diesem Reichtum Die verschiedenen Wege Interessanterweise wurden sich die Kriege“ anstelle des vom Bundesver- und Tanzgruppen zu finden, ebenso beteiligt werden. Ostdeutschen ihrer kulturellen Iden- teidigungsminister im Alleingang und wie Bibliotheken mit Lesezirkeln und EINERSEITS / ANDERERSEITS ver- tität erst im Transformationsprozess Hauruckverfahren geplanten „Bun- Wettbewerben, Film-, Video- und Die Verfasserin ist Mitglied des läuft die Arbeit im Ausschuss für bewusst. Auch heute wenden sich deswehr-Ehrenmals“ am Antretplatz Computerclubs unter kreativer An- Deutschen Bundestages und kultur- Kultur und Medien und verlief sie in viele Menschen vom vorherrschenden seines Dienstsitzes. leitung. Museen als ständige Erfah- politische Sprecherin der Fraktion der Enquete-Kommission „Kultur in Gesellschaftsmodell aus kulturellen rungsorte und Kunsthandwerkstätten. DIE LINKE. Deutschland“. Gründen ab: Sie spüren existenziell, Und dann das Einerseits gibt es die Gemein- wie fremd ihnen diese Welt wird […]“ samkeiten: Dieses Fremdsein eines Teils un- Gedenkstättenkonzept! · Die Sicherung der kulturellen Viel- serer Bevölkerung stellt aus unserer Das Hantieren mit Begriffen wie „er- falt, das Recht auf eigene Kultur in Sicht eine Herausforderung an die ster“ und „zweiter“ Diktatur halten wir politik & kultur DOSSIER der globalisierten Welt, Kulturpolitik dar. für geradezu fahrlässig. Gegen jede Re- · das Staatsziel Kultur verankert in der Wir haben den Abriss des „Pa- lativierung der Nazi-Diktatur werden Verfassung, lastes der Republik“ nie verstan- wir dezidiert angehen. Das ist keine · die Definition, dass Kultur Investi- den, geschweige denn gebilligt. Ich „Erinnerungskultur“, das ist aus mei- Verwertungsgesellschaften tion in unsere Gesellschaft ist, kein persönlich halte diese Aktion der ner Sicht Geschichtsklitterung, und Bedienen von Subventionsinteres- überwältigenden Mehrheit des Par- übrigens ein Spiel mit dem Feuer. Auf 32 Zeitungsseiten wird im ausführlichen puk-Dossier die Arbeit der sen, kein Dekor, kein Luxus, laments für „Kulturrevanchismus“. Da stehen wir „auf der anderen Verwertungsgesellschaften GEMA, GVL, VG BILD-KUNST und VG WORT · die Notwendigkeit von neuen Kon- Was hätte man da nicht alles unter Seite“ und werden alles versuchen vorgestellt und beleuchtet. zepten für Gedenkstätten, Einbeziehung des DDR-Bauwerks als im parlamentarischen wie außerpar- Außerdem werden die Perspektiven der künftigen Arbeit der Verwertungsgesellschaft · die Unterstützung kreativen Schaf- Teil unserer gemeinsamen Geschich- lamentarischen Raum Verbündete zu diskutiert. Hierbei kommen Abgeordnete des Deutschen Bundestags und fens im aufstrebenden Zweig Kul- te errichten können? finden, mit denen wir diesem Kon- Wissenschaftler zu Wort. Themen sind hier unter anderem: die Aufsicht über die turwirtschaft, Wir sind auch entschieden gegen zept entgegenwirken können. Verwertungs- gesellschaften und die Frage wie mit DRM-Systemen umgegangen · die Pflicht zur Modernisierung des die Errichtung eines Freiheits- und werden soll. Urheberrechts. Einheitsdenkmals in Berlin, erst recht Gibt es eine kulturell Für all’ das tritt die LINKE ein auf dem Schlossplatz und dann viel- Das puk-Dossier Verwertungsgesellschaften kann unter http://www. – und alle übrigen Fraktionen auch. leicht auch noch auf dem Sockel des gerechte Gesellschaft? kulturrat.de/dossiers/verwertungsgesell schaften.pdf kostenlos in Internet Allerdings, wenn die LINKE in einem Preußischen Reichssymbols! Es müsste, es könnte sie geben. Wenn als pdf-Datei geladen werden. dieser Felder initiativ wird, wird dieses Aus unserer Sicht erlaubt die man den Satz der Bundeskanzlerin Als Printausgabe (32 Seiten, Zeitungsformat) ist das Dossier gegen Voreinsendung abgelehnt und wenn die LINKE einen friedliche Revolution von 1989 kei- aus ihrer ersten Regierungserklärung von 1,44 Euro Portokosten in Briefmarken beim Deutschen Kulturrat, Antrag der Regierungskoalitionen we- nen herkömmlichen Denkmalkult. ernst nimmt, dass „Kulturförderung Chausseestraße 103, 10115 Berlin beziehbar. gen Übereinstimmung mitzeichnen Wir wären deshalb für ein DENKZEI- keine Subvention, sondern eine Inve- möchte, wird dies zurückgewiesen. CHEN in , wo alles begonnen stition“ ist und all´ die aktuellen Poli- Das ist die EINERSEITS-VARIANTE hat. Zusammen mit einem „Ort der tikeraussagen in Sachen Jugendkri- Kulturpolitik der Linken politik und kultur · März – April 2008 · Seite 

Die neue Linke muss vor allem auch ein kulturelles Projekt sein Demokratischer Sozialismus muss auch kulturell begründet sein • Von Thomas Flierl Die neue LINKE konstituiert sich als gesamtdeutsche Partei neu: Sie führt Menschen linker Orientierung unterschiedlichster sozial-kulturel- ler Milieus und politischer Kulturen zusammen. Ein gemeinsames Kul- turverständnis, das nur ein plurali- stisches und sozial-kulturell enga- giertes sein kann, wird erst noch zu erarbeiten sein.

n gewisser Zuspitzung könnte man I daher formulieren: Die neue LINKE kann nur gelingen, wenn sie auch als ein kulturelles Projekt begriffen und gestaltet wird. Nicht in dem Sinne natürlich, Kulturpolitik anderen Fach- politiken oder Künstler, Kulturschaf- fende und Kulturinteressierte anderen Bevölkerungsgruppen vorzuziehen, sondern im weitem Verständnis von Kultur als dem Ziel aller Politik: Der al- les entscheidenden Frage, wie die Men- schen ihrem Leben Sinn geben, wie sie durch Teilhabe am gesellschaftlichen Austausch ihre Individualität und da- mit Selbstbewusstsein ausbilden, wie gebildet und traditionsbewusst und wie offen sie gegenüber dem Neuen, dem fremden Anderen sind, welche Gestaltungskompetenz sie gegenüber ihren Lebensbedingungen in der sich so schnell ändernden Welt tatsächlich gewinnen. Die Linke muss diese emanzipa- torischen Perspektiven stärken: Ge- rechtigkeit und Solidarität, Tradition und Erneuerung in sozialer Verantwor- tung, ein sinnvolles, selbstbestimmtes und -gestaltetes Leben ist möglich, heute schon. Unser Antikapitalismus, unser Interesse an mehr Demokratie Am Rande des G-8-Gipfels in Heiligendamm manifestiert sich der Protest gegen Globalisierung, Neoliberalismus und Krieg in vielfältigen Formen. in der modernen bürgerlichen Ge- Foto: Gert Gampe

sellschaft, d.h. unser Interesse am de- mokratischen Sozialismus, muss auch kulturell begründet sein, glaubwürdig Auszug aus dem Programm der PDS und attraktiv, einladend. Es wäre allerdings naiv anzuneh- men, wir könnten an der alten Gleich- beschlossen am 26. Oktober 2003 in Chemnitz setzung, Kultur sei gleich links, und damit an der früheren, vermeintlichen 7. Bildung, Wissenschaft, Kultur, Kulturpolitik ein, die Diffamierungen der Kulturwirtschaft und erkennt die werden, entgegenwirken und den Zu- oder tatsächlichen kulturellen Hege- Medien anderer Kulturen strikt unterbindet und demokratisierenden Tendenzen der sammenhalt der Gesellschaft bewah- monie der Linken einfach anknüp- Gegen soziale Ungleichheit bei der die Verständigung zwischen Ethnien und industriellen Massenproduktion kultu- ren helfen. Arbeitsförderprogramme fen. Dazu waren die Beziehungen Teilhabe an Bildung, Kultur und Infor- Nationen wirkungsvoll fördert. In der reller Güter und Dienste. Als Vermittler haben den Übergang des kulturellen von linker Kultur und Politik im 20. mation/Öffentliche Finanzierung von kulturell differenzierten multiethnischen zwischen kultureller Produktion und Lebens ostdeutscher Kommunen in Jahrhundert zu spannungsreich und Bildungssystemen, Nein zu Privatisie- Gesellschaft der Bundesrepublik ist es Aneignung bedarf der Markt einer Re- die neuen Bedingungen erleichtert schwierig. Wenn die Linke politisch rungen/Zeitgemäße Hochschulreform Aufgabe der Politik, allen Entwicklungs- gulation, die die Profitinteressen wie die und eine vielfältige Projektlandschaft schwach war, hatte sie zuvor regel- /Erhalt staatlicher Kulturförderung. chancen zu bieten und den Dialog der Konzentrationsprozesse in der Kultur- gemeinnütziger freier Träger entstehen mäßig auch kulturell versagt. So sehr Kulturen, Weltoffenheit und Austausch und Medienwirtschaft im Interesse der lassen. Deren Förderung muss fortge- die Linke enorme Anziehungskraft Eine kulturelle Errungenschaft der zu ermöglichen. Die PDS erarbeitet Allgemeinheit einschränkt. setzt werden, bis neue Lösungen für auf Intellektuelle hatte, so sehr gehört europäischen Gesellschaften ist ihr eigene Vorschläge für zeitgemäßere die kontinuierliche Arbeit dieses kultu- leider auch die Intellektuellenfeind- System sozial und kulturell ausglei- Konzepte und Strukturen in den Berei- Die Förderung von Kultur liegt in ge- rellen Sektors durchgesetzt sind. lichkeit zur Geschichte der Linken und chender Institutionen und die damit chen Kultur, Bildung, Wissenschaft und meinschaftlicher Verantwortung des an vielen Dogmatismen der Linken verbundene Ethik sozialer Pflich- Medien. Sie sieht alle gesellschaftlichen Bundes, der Länder und der Kommu- Durch die Künste in der Vielfalt ihrer hatten auch Intellektuelle ihren un- ten und der Verantwortung für die Kräfte als Verbündete an, die den kultu- nen. Zur Kooperation von Bund und Län- Richtungen werden die Freiheit der Ein- rühmlichen Anteil. Schwachen. Doch die herrschende rellen Reichtum bewahren und mehren dern im Bereich der Kulturförderung gibt zelnen und ihre soziale Gebundenheit Die Linke in Ost und West litt glei- Politik schwächt den Sozialstaat, an- wollen. es keine Alternative. Die Verantwortung in aller Widersprüchlichkeit gedacht chermaßen unter ihrem Theorie- und statt ihn zu erneuern. Dies führt dazu, des Bundes besteht aus Sicht der PDS und erlebt. Weil Kunst ein wesentliches Politikzentrismus. Dem entsprach die dass schon gewonnene Gleichheit Kultur und Kunst hierbei vor allem in der Definition ord- Moment der großen gesellschaftlichen klassische Schwäche der Linken, mit wieder verloren geht und die innere Die Freiheit von Kunst und Wissenschaft, nungspolitischer Rahmenbedingungen Debatten ist, will die PDS die eigenen ihrem Kulturbegriff weitestgehend Stabilität der Gesellschaft dadurch Forschung und Lehre zu gewährleisten, und – zunehmend – auch in der direkten Welten der Künste als autonome im Kunsthorizont zu verbleiben und aufs Spiel gesetzt wird. Es kommt ist ein verfassungspolitisches Gebot. Förderung kultureller Institutionen und Räume, Experimentierfelder und Re- gleichzeitig ein zumeist robustes zu Einschränkungen für zahlreiche Es verpflichtet, die Bundesrepublik als Projekte. Andererseits gilt es, den Kul- fugien sichern und schützen. Sie sieht instrumentelles Verhältnis zu den Bürgerinnen und Bürger, sich am kul- Kulturstaat auszugestalten und das turföderalismus zu bewahren. Er trägt in neuen künstlerischen Tendenzen Künsten zu pflegen. turellen Leben zu beteiligen, Bildung kulturelle Leben im Interesse aller ge- zur kulturellen Vielfalt bei und wirkt Impulse für ein erweitertes Welt- und Der Staatssozialismus war nicht und Wissen zu erwerben und gezielt sellschaftlichen Schichten öffentlich zu nationalistischen Tendenzen entgegen. Gesellschaftsverständnis, die nach nur politisch gescheitert, die Men- am Austausch von Informationen fördern. Trägervielfalt ist eine unentbehr- Die PDS tritt für eine zeitgemäße Fort- Kräften zu fördern sind. Wer ein reiches schen hatten sich auch kulturell ab- teilzuhaben. liche Voraussetzung für den kulturellen entwicklung des kooperativen Kulturfö- zeitgenössisches Kunstschaffen will, gewandt. Interessanterweise wurden Reichtum der Gesellschaft wie für die deralismus im europäischen Rahmen muss sich für die öffentliche Unter- sich die Ostdeutschen ihrer kulturellen Einer solchen Politik widersetzt sich Entfaltung konkurrierender kultureller ein. Auch aus kulturpolitischen Gründen stützung der Produktionsbedingungen Identität erst im Transformationspro- die PDS: Die kulturellen Ansprüche Strömungen und Subkulturen. müssen die Kommunen finanziell wieder von Künstlerinnen und Künstlern ein- zess bewusst. Auch heute wenden sich aller sozialen und ethnischen Grup- in die Lage versetzt werden, ihren Auf- setzen. Sinnvoll und gerechtfertigt ist viele Menschen vom vorherrschenden pen sind nicht nur zu respektieren, Kulturpolitik muss ein Netz öffentlicher gaben nachkommen zu können. die Kunstförderung nur, wenn die kul- Gesellschaftsmodell aus kulturellen sie müssen in verbrieftes Recht auf Einrichtungen, freier Projekte und pri- turelle Bildung aller gesellschaftlichen Gründen ab: Sie spüren existenziell, eigene Kultur und Teilnahme an der vater Initiativen mit Angeboten für alle Für Erhalt und Ausbau der kulturellen In- Schichten gleichermaßen unterstützt wie fremd ihnen diese Welt wird. Und kulturellen Kommunikation verwandelt Bürgerinnen und Bürger ermöglichen. frastruktur in Ostdeutschland ist staatli- wird. Sie ist darum ein gleichwertiges nicht nur jene Menschen, die in sozial werden. Die Lebenschancen einer und Die kulturellen Bereiche, die dem Ge- che Kulturförderung von entscheidender kulturpolitisches Ziel. prekärer Existenz leben, sondern auch eines jeden hängen heute vom freien meinwesen und seiner demokratischen Bedeutung. Das weitere Engagement viele jener, die zwar sozial gesichert Zugang zu Informationen und Wissen Ausprägung dienen, zur Selbstfinan- des Bundes ist hier auf absehbare Zeit Die PDS betrachtet es weiterhin sind, nicht aber mental, ja körperlich ebenso ab wie von der Möglichkeit, zierung aber nicht in der Lage sind, unerlässlich. Die PDS setzt sich deshalb als staatliche Aufgabe, die großen ertragen können und wollen, dass sich zu bilden und mit den Künsten brauchen langfristige Sicherung und für dessen Verstetigung ein. Der durch Institute der Kunstpflege nicht nur diese Gesellschaft sozial auseinander wie den Medien umzugehen. ausreichende öffentliche Förderung. den außergewöhnlichen Mangel an Ar- zu erhalten, sondern auch die von driftet, dass viele fundamentale gesell- Daneben will die PDS, dass privates beitsplätzen verursachte Rückgang so- ihnen in den Kunstwerken bewahrte schaftlichen Probleme zwar erkannt, In Deutschland, einem Einwande- gemeinwohlorientiertes Engagement zialer Bindungen macht besondere kul- soziale Erfahrung allen zugänglich zu aber nicht im Interesse der Mehrheit rungsland, leben Angehörige fast aller gefördert wird. turelle Angebote nötig, die dem Gefühl, machen. Kulturen der Welt. Die PDS tritt für eine Die PDS rechnet mit der Ausweitung überflüssig zu sein und ausgegrenzt zu Weiter auf Seite 7 Kulturpolitik der Linken politik und kultur · März – April 2008 · Seite 

großen Kulturforen, wie z.B. das zum Im Zusammenwirken mit der Rosa- bundesweite Veranstaltungen folgen Kultur (2002-2006). Er ist Mitglied Fortsetzung von Seite 6 Thema „Leben ohne Arbeit?“ im Jahre Luxemburg-Stiftung wollen wir an sollen. Anfang 2008 haben wir nun ein des Abgeordnetenhauses von Berlin, 1996, dafür, dass sich die Linke im diese Tradition anknüpfen. Das Kul- Kulturforum der Linken bei der Rosa- Sprecher der Ständigen Kulturpo- gelöst werden. Die neue Linke, aus Austausch mit Künstlern und Kul- turforum zur Zukunft von Arbeit und Luxemburg-Stiftung gegründet, das litischen Konferenz der Partei DIE Ost und West kommend, unter- turschaffenden zu den wesentlichen Kultur von 2006 in Senftenberg und sich dieser Aufgabe widmen wird. LINKE und Vorstandsmitglied der schiedliche sozial-kulturelle Milieus Fragen gesellschaftlicher Entwicklung das Forum zur kulturellen Bildung in Rosa-Luxemburg-Stiftung. Er leitet und politische Kulturen zusammen- befand. Das ist jetzt bei der Bildung Berlin im Dezember 2007 waren ein Der Verfasser war Berliner Sena- dort das neugegründete Kulturfo- führend, wird eine gemeinsame kri- der neuen Partei wichtiger denn je. hoffnungsvoller Anfang, dem weitere tor für Wissenschaft, Forschung und rum der Linken. tische Revue der kulturellen Traditi- onen der Linken in Deutschland und Europa unternehmen müssen. Wir werden dabei gewiss auf gemeinsame Bezugspunkte stoßen, jene jeweils LINKER Blick in die Zukunft kurzen Momente einer produktiven Bildung und Kultur als Teil der sozialen Frage • Von Birgit Klaubert Nähe von politischer und kulturel- ler Avantgarde: Die künstlerischen „: Provinz in Europa“ – war Avantgardebewegungen und die der Titel einer viel beachteten Aus- kulturellen Reformbewegungen im 1. stellung im Lindenau-Museum meiner Drittel des 20. Jahrhunderts, die Tra- Heimatstadt. Das Museum gehört zu ditionen eines pluralen Antifaschis- den Leuchttürmen ostdeutscher Kul- mus, der demokratische Neubeginn tur und hat es oft nicht leicht, sich nach dem 2. Weltkrieg, der jedoch in neben der Eisenacher Wartburg und den kalten Krieg führte, die inneren der Weimarer Kultur zu behaupten. kulturellen Aufbrüche in den 60/70er Über 40 Künstler, Schriftsteller, Jahren, die ansatzweise bereits block- Architekten, Stadtplaner, Kunsthi- übergreifenden Friedens-, Ökologie- storiker und Publizisten waren am und Bürgerrechtsbewegung der 80er Ausstellungsprojekt beteiligt. Sie Jahre, schließlich die Bemühungen lenkten den Blick auf meine Hei- um eine respektvolle Gestaltung der matstadt, die inmitten eines zusam- deutschen Einheit und der gemein- menwachsenden Europa alle Spuren same Kampf gegen den neoliberalen der vergangenen Jahrhunderte und Umbau der Gesellschaft, der neue Jahrtausende trägt. Altenburg gehört Antikapitalismus der globalisierungs- zu den wunderbaren mitteldeutschen kritischen Bewegung, die reflexive Kleinstädten, deren wechselvolle Moderne der Gegenwart. Geschichte mannigfaltige Spuren Erneuern wir ein respektvolles, hinterlassen hat. interessiertes, kritisches Verhältnis zu den Künsten und den Kulturschaffen- nde Januar fand die Finissage der den. Begreifen wir, dass Kulturarbeit E Ausstellung in Form einer Lesung auch ein wachsender Sektor in moder- statt. Im Mittelpunkt stand das Werk nen Volkswirtschaften ist. Betreiben des im vergangenen Jahr verstor- wir eine Kulturpolitik der Teilhabe, der benen Dichters Wolfgang Hilbig. Auf der Veranstaltung der Bundestagsfraktion DIE LINKE „Kultur neu denken! Macht, Kunst und Freiheit und die Schwie- offenen Zugänge, der Sicherung öffent- Künstler und Politiker, Freunde und rigkeiten, Identität zu bestimmen“ diskutieren im November 2006 vor dem Bauernkriegspanorama Werner Tübkes: licher Räume und Institutionen sowie Lebensgefährten des in Meuselwitz Wolfgang Langenbucher, Bahman Nirumand, Stephan Märki, Oskar Lafontaine, Luc Jochimsen, Michel Friedman, Eduard der avanciertesten künstlerischen und geborenen Büchner-Preisträgers Beaucamp und Volkhardt Germer (v.l.n.r.).“ Foto: Hanno Harnisch medialen Interventionen. Die radikale fanden sich zur Matinee „Altenburg: soziale Frage und die ambitionierteste Provinz in Europa. Eine künstlerische wöhnlich dichtes und anspruchvolles übt, wird mit dem Verweis auf die mehr Partikularinteressen produziert. Auseinandersetzung mit Künsten, Me- und kulturpolitische Anthologie“ zu- Angebot an Kunst und Kultur aus. Ein „anderen Länder“ in die Schranken Demokratie kann aber nur funktio- dien, Design und Architektur gehören sammen. Dabei hat es das Werk jenes hoher Prozentsatz der Aufwendungen gewiesen. In öffentlicher Debatte ist nieren, wenn die Kultur des Zusam- zusammen, nicht auf triviale Weise, berühmten Meuselwitzer Künstlers zur Förderung von Kunst und Kultur die Empörung über Kulturverluste menlebens in einer Gemeinschaft sondern beziehungsreich. in seiner Heimat gar nicht so leicht. werden aus öffentlichen Haushalten weniger vernehmbar als die über stei- erlernt wird. Demokratie braucht Und verstehen wir: die politische Bis zu seinem Tode im vergangenen getätigt, was für andere Länder kei- gende Abgaben und Gebühren. Beteiligung und Verantwortung. Kultur der Linken selbst ist unsere Jahr war die Schar der Kenner seines neswegs selbstverständlich ist. Dabei besteht eine enge Verbin- Vor diesem Hintergrund wird größte Ressource. Unser solidarischer Werkes in seiner Heimat eher über- Doch fast 18 Jahre nach der Wie- dung zwischen sozialer und kul- der Zugang zu Bildung zu einer der Umgang miteinander, Integrität, schaubar. Und man muss sich auch dervereinigung beklagen wir den tureller Frage und jener nach dem Ernsthaftigkeit und Freude des eigenen mühen mit dem Werk des Wolfgang stetigen Rückzug des Staates aus der demokratischen Funktionieren einer Weiter auf Seite 8 Tuns, Projektorientierung, Offenheit Hilbig. Die Worte erschließen sich erst Kulturfinanzierung. Wer Kritik daran Gesellschaft, deren Ökonomie immer und Neugier, Engagement und Profes- nach mehrfachem Lesen. Die DDR sionalität, das sind Ausdrucksformen, tat sich schwer mit dem Dichter, der die wir selbst benötigen und die auch „aus der Kohle kam“ und sein Werk anderen gefallen könnten. veröffentlichen wollte. Die Obrigkeit Ohne einen erkennbaren kultu- meinte, dass die Kunst eines dicht- Auszug aus dem rellen Aufbruch wird die neue Linke enden Arbeiters nicht so auszusehen weder Zusammenhalt nach innen habe wie die des Wolfgang Hilbig. Die noch Ausstrahlung nach außen ge- Auseinandersetzung in seinem Werk Gründungsprogramm der WASG winnen. „Die Arbeiter. Ein Essay“ aus dem Jahr 1975 waren mir damals nicht „Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative“ zu Kultur, Bildung und Medien Das Kulturforum geläufig. Im Januar 2008 trug ich sie den Gästen der Finissage vor. E. Bildung und Wissen und zu den Produkten wissenschaftlicher tische und gesellschaftliche Prozesse der Linken Den Abschluss der Lesung gestal- und künstlerischer Tätigkeit zu beschrän- müssen unabhängig von der Einfluss- Nun beginnen wir in der Kulturpoli- tete der Thüringer Literaturpreisträ- 1. Qualifizierte Bildung und Ausbil- ken, um damit Geld zu verdienen. nahme finanzkräftiger und mächtiger tik ja nicht vom Punkte Null. Es gab ger 2007 Ingo Schulze, dessen Roman dung für alle … Interessengruppen für alle Menschen tragfähige Ansätze in der PDS wie in „Neue Leben“ die Wende in der euro- … Der Anteil geistiger, wissenschaftlicher transparent und verständlich gemacht der WASG. Und als wir miteinander in päischen Provinz Altenburg plastisch Die WASG will Chancengleichheit und und künstlerisch kreativer Tätigkeiten werden. die Debatte kamen, stellten wir einen beschreibt. Ingo Schulze hatte mit hochwertige Bildung und Ausbildung an der Gesamtarbeit nimmt zu. An die großen Vorrat an Gemeinsamkeiten seiner Dankesrede anlässlich der für alle. Die Bildungsinhalte dürfen Arbeitenden werden in diesem Bereich Die Öffentlichkeit in Deutschland wird in fest. Wenn man die programma- Verleihung des Literaturpreises für nicht nur auf die Qualifizierung für in besonderem Maße Flexibilitätsan- wachsendem Maße von privatkapitalis- tischen Aussagen zur Kultur beider Wirbel gesorgt. Am denkwürdigen den Arbeitsmarkt gerichtet sein, son- forderungen gerichtet, viele sind als so tischen Medienkonzernen geprägt, die Parteien nebeneinander legt, wird 4. November ging er der Frage nach: dern müssen umfassende soziale, genannte Freie selbstständig tätig. Wir wiederum dem Einfluss finanzkräftiger das deutlich. Die Einigung über die Was wollen wir? Und er fragte nach politische und kulturelle Kompetenzen wollen ihre Stellung und ihre bisher oft Werbekunden unterliegen. Sie trans- Eckpunkte in diesem Politikfeld war der Verantwortung der Politik für vermitteln und die Persönlichkeits- mangelnde soziale Absicherung stärken. portieren überwiegend die Interessen nicht schwierig. Komplizierter war die Kultur, kritisierte die allgemeine bildung fördern. Demokratie muss Dabei sind die Verwertungsunternehmen und Sichtweisen der wirtschaftlich da schon die Diskussion darüber, Privatisierung und Ökonomisierung gelernt werden. Das Bildungswesen verstärkt zur Finanzierung heranzuzie- und politisch Mächtigen. Dies spielte wie sie denn dort umzusetzen sind, aller Lebensbereiche und fragte ist eine öffentliche Aufgabe und muss hen. und spielt eine wichtige Rolle für die wo wir politische Verantwortung gleichzeitig nach der Verantwortung aus Steuermitteln finanziert werden. Verbreitung und Vorherrschaft neoli- übernommen haben, so z.B. in Ber- des einzelnen Bürgers im Gefüge un- Wenn Bildung und Forschung ihren Im Urheberrecht wollen wir die Rechte beraler Ideologie. lin. Und schwieriger war es – und serer demokratischen Gesellschaft. Aufgaben gerecht werden sollen, der Urheberinnen und Urheber gegen- ist es auch bis heute – diese unsere Und dieses „Was wollen wir?“ müssen die Aufwendungen für diesen über den Verwertungsunternehmen In den öffentlich-rechtlichen und den gemeinsamen Überzeugungen über durchzog auch die Abschlussveran- Bereich wesentlich erhöht werden. stärken. Zugleich sollen die Nutzungs- privaten Medien müssen Pluralität und den engen Kreis der Kulturpolitiker staltung der Ausstellung über die eu- …. möglichkeiten von Werken für nichtkom- innere Pressefreiheit der Redaktionen hinaus innerhalb der Partei und über ropäische Provinz. Ohne öffentliche 2. Informationen und Wissen demo- merzielle Zwecke so wenig wie möglich gestärkt werden. In allen Rundfunk- diese hinaus zu kommunizieren. Verantwortung dafür, dass Kunst und kratisieren beschränkt werden. Das System der und Fernsehsendern müssen demo- In der Linkspartei gibt es seit Kultur sich frei entfalten dürfen, wird Der Zugang zu Informationen und Pauschalentgelte über öffentlich-recht- kratisch zusammengesetzte Gremien Mitte der 90er Jahre mit der Stän- es keine dauerhafte demokratische medienvermittelte Kommunikation liche Verwertungsgesellschaften ist zu über die Programminhalte mitbestim- digen Kulturpolitischen Konferenz Entwicklung geben können. Und spielen eine entscheidende Rolle für stärken. Das Recht auf private Kopien men, in denen die gesellschaftlich re- (SKK) auf Bundesebene einen engen deshalb muss sich gerade die LINKE die gesellschaftliche Teilhabe und de- von Medienprodukten und ihre nicht- levanten Gruppen repräsentiert sind. Kommunikationszusammenhang vor dem Hintergrund ihrer eigenen mokratische Mitwirkungsmöglichkeiten kommerzielle Nutzung und Weitergabe und eine Abstimmung über die kul- Geschichte für die Freiheit der Kunst der Menschen. Dabei entwickelt sich muss gewährleistet werden und darf Wir fordern, die öffentlich-rechtlichen turpolitischen Positionen. Sie trägt und Kultur und die öffentliche Förde- das Internet immer mehr zur ent- nicht durch technische Maßnahmen Medien zu stärken, auch durch eine bis heute wesentlich dazu bei, dass rung einsetzen. Damit ist eigentlich scheidenden Plattform. Zunehmend verhindert werden. Finanzierung aus Steuermitteln. Pri- die Linke innerhalb und außerhalb alles gesagt. versuchen große kapitalistische Unter- vate Medienmacht und Konzentration der Parlamente in diesem Arbeitsfeld Die Bundesrepublik Deutschland nehmen, den Zugang der Allgemeinheit Die WASG setzt sich für eine demokra- sind schärfer zu begrenzen und zu erkennbar bleibt. In ihrer Anfangszeit zeichnet sich durch ein auch im zum Wissensbestand der Menschheit tische Medienöffentlichkeit ein. Poli- kontrollieren. sorgte die SKK durch eine Reihe von internationalen Vergleich außerge- Kulturpolitik der Linken politik und kultur · März – April 2008 · Seite 

Ist Kultur links? Fragen zur Kulturpolitik der LINKEN Ein Kommentar von Gabriele Schulz „Linke Politik braucht kritische den ostdeutschen Landtagen ist sie seit dem Gründungsprogramm der WASG Von allen im Deutschen Bundestag Lafontaine davon spricht, dass Politiker Kunst und Kultur“, schreibt der Vor- Beginn vertreten. Aktuell ist DIE LINKE belegt, dass Kulturpolitik unter dem vertretenen Parteien, die bisher im und Schauspieler in einem Theater am sitzende der Partei DIE LINKE und bis auf den Landtag von Mecklenburg- Blickwinkel der Beschäftigten in die- Schwerpunkt Kulturpolitik der Parteien Beispiel von Mutter Courage über den Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE Vorpommern in allen ostdeutschen sem Bereich und des möglichst freien in politik und kultur vorgestellt wurden, Kriegseinsatz im Irak diskutieren sollen im Deutschen Bundestag Oskar Landtagen die zweitstärkste politische Zugangs zu Kunst und Kultur gesehen hat DIE LINKE das am festesten gefügte und sich für kritische Kunst stark macht Lafontaine, MdB in dieser Ausga- Kraft. Hier kann nicht von einer kleinen wurde. Grundverständnis von Kultur, das dann oder wenn Thomas Flierl schreibt, dass be von politik und kultur. Braucht Partei gesprochen. Es handelt sich viel- auch die Grundlage für die Kulturpolitik aus der Kunst, von Künstler und dem Kunst und Kultur auch linke Politik, mehr um eine „Volkspartei“. Und diese Und um das Bild der Kulturpolitik bildet. Kunst wird im Kontext der Avant- Kulturbetrieb Impulse für eine linke ist man versucht zurückzufragen Volkspartei ist auch in der Kulturpolitik der LINKEN zu komplettieren, dürfen garde gesehen, Künstler sollen Utopien Kulturpolitik erwartet werden. Letztlich und gilt dieses nur für kritische gefordert. Birgit Klaubert, Vizepräsidentin ostdeutsche Intellektuelle wie Lothar entwerfen. Es stellt sich automatisch die steht dahinter dann doch eine Funkti- Kunst? Wird vielleicht nur noch des Thüringer Landtags sowie dortige Bisky oder Thomas Flierl, die bereits in Frage, was ist mit jenen Künstler, die sich onalisierung der Kultur. kritische Kunst gebraucht? Doch kulturpolitische Sprecherin, zeigt in ihrem der DDR im weiten Sinne kultur- und nicht so verstehen, was ist mit affirma- was ist dann mit der affirmativen Beitrag in dieser Ausgabe auf, dass von medienpolitisch tätig waren, und heute tiver Kunst, welche Bedeutung hat die Das große Verdienst der Kulturpolitiker Kunst oder ist Kunst vielleicht im- den Kulturpolitikern der LINKEN in den zu den kulturpolitischen Vordenkern der Autonomie der Kunst. Kunst und Kultur der LINKEN ist es, dass sie nicht ruhen, mer kritisch? Fragen über Fragen, ostdeutschen Ländern konkrete kultur- LINKEN zählen, nicht vergessen werden. wird säkular verstanden, den öffentlichen die kulturellen Unterschiede aus der die sich eröffnen, wenn man sich politische Konzepte gefordert werden. Ihre Beiträge in dieser Ausgabe von Kultureinrichtungen wird eine zentrale deutschen Teilung zu erwähnen und mit der Kulturpolitik der Partei DIE politik und kultur zeigen eine weitere Bedeutung eingeräumt. Es ergibt sich zu mahnen, dass diese thematisiert LINKE befasst. Ganz anders die WASG. Die WASG Facette der Kulturpolitik der LINKEN und daraus die Frage nach anderen kultur- werden müssen. Im kommenden Jahr entstand aus dem Umkreis von Gewerk- zwar die der Auseinandersetzung mit politischen Akteuren wie den Kirchen, können wir 20 Jahre Mauerfall und DIE LINKE ist die jüngste im Deutschen schaftern, enttäuschten Mitgliedern der der deutschen Teilung, der Vereinigung den bürgerschaftlich Engagierten, der Überwindung des Kalten Krieges feiern. Bundestag vertretene Partei, entstan- SPD sowie Globalisierungsgegner. Sie der beiden deutschen Staaten und den Kulturwirtschaft. Obwohl sich kritisch Grund genug sich mit den kulturellen den aus der ostdeutschen PDS und der formierten sich aus Protest gegen die immer noch bestehenden kulturellen mit der Funktionalisierung von Kunst und Unterschieden in Ost- und Westdeutsch- westdeutschen WASG. Die PDS ist in Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Unterschieden zwischen Ost und West. Kultur in der DDR auseinandergesetzt land zu befassen und zugleich nach Ostdeutschland tief verwurzelt. Sie trug Regierung Schröder. Die Partei verstand Aus ihren Ausführungen sowie dem wird, wird der Kunst wenig Eigenwert einer gemeinsamen Identität zu suchen. in Mecklenburg-Vorpommern bereits sich bewusst als Oppositionspartei. Sie Artikel von Luc Jochimsen der kultur- eingeräumt. Kunst, die nur für sich DIE LINKE könnte zu dieser Diskussion Regierungsverantwortung, in Berlin ist wollte das Sprachrohr der Arbeitnehmer politischen Sprecherin der LINKEN im steht, Künstler, die um der Kunst willen einen wichtigen Beitrag leisten. sie in der zweiten Legislaturperiode sein. Kultur oder Kulturpolitik spielte in Deutschen Bundestag ist am ehesten zu arbeiten, weil sie nicht anders können, neben der SPD Regierungspartei, in diesem Kontext eine untergeordnete erspüren, auf welchem Fundament das kommen in diesem Gedankengebäude Die Verfasserin ist Wissenschaft- Sachsen-Anhalt tolerierte sie eine Rolle. Der in dieser Ausgabe von politik Kulturverständnis und die Kulturpolitik nicht vor. Und vor diesem Hintergrund liche Mitarbeiterin des Deutschen SPD geführte Minderheitsregierung. In und kultur ausgedruckte Auszug aus der LINKEN ruht. ist es auch verständlich, wenn Oskar Kulturrates

zuwenden zu können. Wir müssen staaten. Thüringen steht aber auch kleinen Landes, welches sich gern Gewinnern der globalisierten Wirt- Fortsetzung von Seite 7 Bildungs- und Kulturfragen als Teil für die Moderne mit der Wiege des als Denkfabrik bezeichnet. Und schaft zu erschließen, was letztlich auf der sozialen Frage behandeln. Bauhauses in Weimar, steht für des- daran wird sich auch die LINKE eine andere Rolle der Politik abzielt. LINKER Blick in die Damit wird Kulturpolitik Quer- sen Vertreibung aus Weimar und den messen lassen. Neben der öffent- Wenn öffentliche Verantwortung für schnittsaufgabe für die Gestaltung Todesort Buchenwald neben dem Ort lichen Förderung der Kultur gilt es, die Kultur nur noch bedeuten soll- Zukunft demokratischer und sozial gerechter der Klassik und Humanität. ihre wirtschaftlichen Potenziale zu te, Sponsoren zu finden, gerät das wichtigsten sozialen und Menschen- Beziehungen der Gegenwart und Zu- Betrachten wir jedoch die Ent- entwickeln. Tourismus ohne Kultur politisch-demokratische System zur rechtsfragen des 21. Jahrhunderts. kunft. Will man jedem seine Chance wicklung der Landesausgaben für die ist in Thüringen undenkbar. Und war- Farce. Wir haben darauf zu drängen, Kultur und Bildung in diesem Ver- geben, muss der Zugang zu kulturellen Kultur, stellen wir einen bedeutenden um soll nicht eine Kulturpauschale die Bildungsausgaben zu erhöhen, ständnis zielen nicht nur auf das Bildungsangeboten von Anfang an Rückgang über die Jahre fest. Hinzu dauerhaft Arbeitsplätze an wichtigen Kultur als Teil der Bildung und Bil- Lernen verwertbaren Wissens oder vielfältig und chancengleich sein. kommen alle Probleme, die aus der Knoten im kulturellen Netzwerk des dung als Teil der Kultur zu betrachten. berufsrelevanter Fähigkeiten. Wir be- Im föderalen System der Bun- Finanzausstattung der Kommunen Landes sichern. Wir brauchen dazu Diese Verantwortung haben wir vor gegnen hier den Wertefragen unserer desrepublik ist Kultur Ländersache. resultieren. So meinen inzwischen die öffentliche Diskussion, die sonst dem Hintergrund unserer eigenen modernen Gesellschaft und müssen Diesem Umstand steht die LINKE manche, dass Thüringens Kultur nur dann stattfindet, wenn wieder ein Geschichte und einem LINKEN Blick Antwort geben, was wir tun wollen nicht entgegen. Doch sie spricht viel zu schwer wiege vor dem Hin- Stück Kultur der Haushaltskürzung in die Zukunft. Mögen sich viele dieser und müssen. Und die Antwort der für die Kooperation von Bund und tergrund der wirtschaftlichen und zum Opfer fällt. Blickrichtung anschließen. LINKEN kann nur heißen: Öffentliche Ländern in Kulturfragen, was sich für demografischen Entwicklung. Der Eine reiche Gesellschaft wie die Verantwortung für den sozialen Aus- Thüringen gut am Weimarer Beispiel kulturelle Reichtum wird damit mehr der Bundesrepublik muss Möglich- Die Verfasserin ist kulturpo- gleich und den freien Zugang aller zu illustrieren lässt. Thüringen verfügt als Last denn als Lust empfunden. keiten erschließen, Kultur und Bildung litische Sprecherin der Fraktion Kultur und Bildung. Wir müssen nicht wie kein anderes Land über ein Doch Kultur gehört zu den wert- umfassend und gerecht zu organisie- DIE LINKE im Thüringer Landtag erst die sozialen Probleme lösen, um dichtes Netz von Residenzen in den vollsten Ressourcen und ist ein be- ren und zu finanzieren. Das heißt, und Vizepräsidentin des Thüringer uns dann der Bildung und Kultur einstigen Hauptstädten der Klein- deutender Wirtschaftsfaktor dieses die Einnahmequellen auch bei den Landtags Programmatische Eckpunkte Programmatisches Gründungsdokument der Partei DIE LINKE

Beschluss der Parteitage von WASG Leben ermöglichen. Wissenschaft und · kulturelle Freiheit und Vielfalt: Kul- und Linkspartei.PDS am 24. und 25. Kultur sind ein demokratisches Gut und tur- und Medienpolitik sollen der März 2007 in Dortmund, bestätigt der Allgemeinheit verpflichtet. Trägervielfalt kultureller Produktion durch die Urabstimmungen der WASG gerecht werden, öffentliche und und Linkspartei.PDS vom 30. März bis Dazu gehören: gemeinnützige Institutionen, unab- 18. Mai 2007 und durch den Grün- · Bildung von Anfang an: Jedes Kind hängige Verlage, Studios, Agenturen dungsparteitag der Partei DIE LINKE muss das Recht auf eine gebühren- und künstlerische Produktionsfirmen am 16. Juni 2007 in Berlin freie ganztägige Betreuung in Kin- fördern. (Auszug zu Wissenschaft, Bildung, dertagesstätten haben. Die öffentlich Medien und Kultur) getragene vorschulische Bildung muss · kooperativer Kulturföderalismus aufgewertet werden. mit europäischer Dimension: Er 6. Wissenschaft und Bildung, Me- hat lebenswerte Kommunen zum dien und Kultur: Beitrag zu Auf- · längeres gemeinsames Lernen in Ausgangspunkt, die in der Lage klärung und Emanzipation statt einem wohnortnahen und öffent- sind, das regionale Kulturleben in Selbstvermarktung lichen Bildungssystem: Ziel ist eine allen sozialen Milieus zu fördern und integrative Schule für alle Kinder von Freiräume für die kulturelle Selbst- …. der ersten bis mindestens zur neun- bestimmung aller Altersgruppen zu ten Klasse, die eine soziale Auslese gewährleisten. Mit unseren politischen Alternativen beendet und Kinder und Jugendliche wollen wir die Teilhabe jedes Menschen sowohl bei Lernschwächen als auch · Informations- und Meinungsfreiheit: am gesamten Reichtum von Wissen- in ihren Begabungen individuell Wir wollen den öffentlich-recht- schaft, Bildung, Kultur und Information fördert. Wir wollen Ganztagsschulen lichen Rundfunk sichern und die ermöglichen, die kreativen Potenziale unterstützen und ein flächendecken- Pressefreiheit in den Redaktionen wecken und die Beteiligung an ge- des Angebot ganztägiger Bildung der Medienkonzerne stärken. Eine sellschaftlicher Veränderung stärken. gewährleisten. deutliche Verschärfung der Kartell- Das Recht auf unentgeltliche Bildung gesetzgebung soll die Monopolisie- gehört ins Grundgesetz. Wir fordern die · breite außerschulische Bildungsange- rung der Massenmedien beenden. Verwirklichung dieses Grundrechts für bote: Das bezieht sich vor allem auf Die Rechte der Urheberinnen und alle, unabhängig von ihrer Nationalität, umfangreiche Angebote der öffentlich Urheber gegenüber den Verwer- sozialen Lage, von Geschlecht und getragenen Volkshochschulen, Mu- tungsunternehmen wollen wir stär- besonderer körperlicher und geistiger sikschulen, Bibliotheken, Kinder- und ken und zugleich einen Ausgleich Verfasstheit. Bildungserwerb, kulturel- Jugendklubs sowie Sportstätten. finden, damit die nichtkommerzi- ler Austausch und Medienkompetenz elle Nutzung möglichst wenig ein- Zeitschrift LINKSdruck Kultur-Magazin Die LINKE Fraktion im Landtag Bran- sollen ein eigenständiges und freies … schränkt wird. denburg. Kulturpolitik der Linken politik und kultur · März – April 2008 · Seite 

Geschichte der PDS/WASG/DIE LINKE.

1989 2003 und Plenarberatungen wird der Entwurf 8./9.12.: Der Außerordentliche Partei- 25./26.10.: Die PDS gibt sich auf ihrem der Programmatischen Eckpunkte II tag der SED in Berlin bekennt sich zu Bundesparteitag in Chemnitz ein neues diskutiert. Lothar Bisky referiert zum den Prinzipien eines demokratischen Programm. Sie bekennt sich zum Sozia- Eckpunkte-Entwurf. Sozialismus und bricht radikal mit dem lismus als Weg, Ziel und Wertesystem. 18./19.11.: Der Landesparteitag der Stalinismus. Der Parteitag beschließt, Berliner Linkspartei stimmt mit deut- die Partei nicht aufzulösen, und wählt 2004 licher Mehrheit für eine Neuauflage des Gregor Gysi zum Vorsitzenden. 8./9.5.: Gründungsparteitag der Partei rot-roten Senats. 16./17.12.: Die Fortsetzung des Partei- der Europäischen Linken in Rom. 15 tages beschließt ein neues Parteistatut sozialistische, kommunistische und 2007 und den Parteinamen SED-PDS. alternative Parteien gründen die EL 24./25.3.: Die Bundesparteitage von und wählen Fausto Bertinotti (Italien) Linkspartei und WASG in Dortmund 1990 zu ihrem ersten Vorsitzenden. bestätigen die Gründungsdokumente 4.2.: Umbenennung in Partei des De- der neuen Linken. mokratischen Sozialismus (PDS). 2005 30.03.: Die Urabstimmungen über die 23.8.: Nach dem Volkskammer-Be- 22.01.: Gründung der Partei „Arbeit & Verschmelzung beider Parteien begin- schluss zum DDR-Beitritt zur BRD soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalterna- nen. Sie enden am 18. Mai mit einem bedauert PDS-Vorsitzender Gysi, „dass tive“ in Göttingen. deutlichen Votum für die neue Partei. der Vereinigungsprozess zum Anschluss 18.03.: Lothar Bisky und Dagmar En- 13.05.: Die Linkspartei kommt bei der degradiert ist. Aber ich bin davon über- kelmann führen in a.M. erste Eröffnung des 13. Deutschen Bundestages durch Alterspräsident Stefan Heym. Bürgerschaftswahl in Bremen auf 8,4 zeugt, es gibt auch neue Chancen. Noch Gespräche über eine Zusammenarbeit Foto: Deutscher Bundestag Prozent und zieht zum ersten Mal in ein können wir die Zeichen auf Aussöhnung mit der WASG. westdeutsches Parlament ein. statt auf Feindschaft setzen, und das 7./8.04.: Die WASG veranstaltet ihren Fairnessabkommen – Kooperationsab- erneut zum Vorsitzenden der Linkspartei. 16.06.: Im Berliner Hotel „Estrel“ wird einige Deutschland braucht eine starke Gründungsparteitag in Dortmund. kommen II – abgeschlossen. In dieser PDS. Die Delegierten diskutieren den die neue Partei DIE LINKE gegründet. demokratische Opposition. Zu letzterem 10.06.: Öffentliche Ankündigung einer Rahmenvereinbarung werden gemein- Kurs der Parteineubildung, die Chancen Lothar Bisky und Oskar Lafontaine will meine Partei einen würdigen Beitrag Kandidatur für das Linksbündnis von same gesellschaftspolitische Foren der neuen Linken und bestätigen das stellen sich als gleichberechtigte Vorsit- leisten.“ Gregor Gysi und Oskar Lafontaine. verabredet, um die programmatischen Kooperationsabkommen III. Sie beschlie- zende der neuen Partei zur Wahl. 2.12.: Bundestagswahl – Die PDS/Linke 11.06.: Lothar Bisky stellt auf einer Debatten zwischen den Parteien und ßen die Doppelmitgliedschaft bis zur Ver- 25.11.: Auf dem 2. Kongress der Partei Liste kommt bundesweit auf 2,4 Prozent, Pressekonferenz im Berliner Karl-Lieb- Interessierten in Gang zu bringen. Es schmelzung mit der WASG und eine Ur- der Europäischen Linken wird Lothar im Osten auf 11,1 Prozent. Sie entsen- knecht-Haus die Ergebnisse mehrerer werden eine Steuerungsgruppe aus abstimmung am Ende dieses Prozesses. Bisky zum Vorsitzenden gewählt. det 17 Abgeordnete in den Bundestag, Sondierungsgespräche zwischen Ver- Mitgliedern beider Parteien berufen Der Leitantrag „Für eine neue soziale vier von ihnen aus dem Westen. treterinnen und Vertretern der PDS und sowie Arbeitsgruppen gebildet, in denen Idee. Gemeinsam“ wird angenommen 2008 der WASG vor. Beide Parteien wollen die Gründungsdokumente erarbeitet und bestimmt die Schwerpunkte im 27.01.: DIE LINKE zieht in Hessen und 1993 innerhalb der nächsten zwei Jahre ein und die internationale Arbeit der neuen Parteibildungsprozess. Dietmar Bartsch Niedersachsen in die Landtage ein und 29./31.1.: Der 3. Parteitag nimmt das neues Projekt der Linken auf den Weg Partei beraten werden. wird neuer Bundesgeschäftsführer. ist damit erstmals in den Landesparla- neue Parteiprogramm an und wählt bringen, bei vorgezogenen Bundestags- 18.9.: Bundestagswahlen – Mit 8,7 Pro- menten zweier westdeutscher Flächen- Lothar Bisky als Gysi-Nachfolger zum wahlen nicht gegeneinander antreten. zent der Wählerstimmen zieht die Linke 2006 länder vertreten. Parteivorsitzenden. Die PDS wird ihre Bundestagswahllisten in den Bundestag ein. Ihre Spitzenkan- 23.2.: Eine Arbeitsgruppe von Links- auch Mitgliedern der WASG öffnen. didaten und künftigen Fraktionsvorsitzen- partei.PDS und WASG veröffentlicht Zusammengestellt von Konstanze 1994: 17.7.: Ein außerordentlicher Bundes- den: Gregor Gysi und Oskar Lafontaine. ein Eckpunkte-Papier für das künftige Kriese und Annette Mühlberg auf der 6.2.: Die parteilosen Stefan Heym, parteitag in Berlin beschließt einen 7.12.: Lothar Bisky und WASG-Vorstand Programm. Grundlage der Chronik der PDS in: Manfred Müller, Günther Maleuda, Petra neuen Namen: Linkspartei.PDS. Die Klaus Ernst unterzeichnen in Berlin eine 17.9.: Berliner Abgeordnetenhauswahl „Das war. Das bleibt.“ Disput spezial Bläss, Gerhard Jüttemann und Willibald Partei wird ihre Wahllisten für WASG- Rahmenvereinbarung zur Bildung einer – Die Linkspartei bekommt nur 13,4 – 17 Jahre PDS Mai 2007 und „Die Jacob erklären ihre Bereitschaft, auf Of- Mitglieder öffnen. gesamtdeutschen linken Partei bis Prozent der Stimmen. In Mecklenburg- PDS auf dem Weg zur neuen Partei fenen Listen der PDS für den Bundestag 4.8.: In Fortsetzung der Vereinbarungen Sommer 2007. Vorpommern bleibt die Linke stabil. DIE LINKE Chronologie und Doku- zu kandidieren. „Gysis bunte Truppe“ zwischen PDS und WASG vom 17. 10./11.12. Die 3. Tagung des 9. Par- 30.09.: Programmkonvent der Links- mentation“ Hrsg. Parteivorstand der wird zum Begriff. Juni 2005 wird das Kooperations- und teitages in Dresden wählt Lothar Bisky partei.PDS in Hannover. In Workshops Linkspartei.PDS, Berlin 2007 21.7.: Zum Regierungschef in Sach- sen-Anhalt wird SPD-Politiker Höppner mit Stimmen der PDS gewählt. Die „Tolerierung“ beginnt. 16.10.: Bundestagswahl – Die PDS er- reicht 4,4 Prozent. In Berlin gewinnt sie Der Kultur-Kompass für Deutschland vier Mandate direkt und ist künftig mit jetzt bei ConBrio 30 Abgeordneten im Bundestag. 10.11.: Stefan Heym eröffnet als Alterspräsident den 13. Deutschen Bundestag; die CDU/CSU-Abgeordneten verweigern jeglichen Beifall. Heym und Gysi waren in den vorangegangenen Monaten Ziele von Verleumdungen durch Medien und Politiker.

1998 27.9.: Bundestagswahl – Regierungs- wechsel in Bonn und großer Erfolg für die PDS: Mit 5,1 Prozent entsendet sie erst- malig eine Fraktion in den Bundestag. 26.10.: Der PDS-Abgeordnete Fred Gebhardt wirbt in seiner Eröffnungsrede als Alterspräsident des 14. Deutschen Bundestages für eine differenzierte Geschichtsbetrachtung der beiden Kultur in Deutschland deutschen Staaten. Mit Petra Bläss wird erstmals eine Bundestags-Vizepräsiden- tin von der PDS gewählt. Abschlussbericht der Enquete- 1.11.: In Schwerin unterzeichnen SPD Kommission des Deutschen Bundestages und PDS die erste Koalitionsvereinba- rung. Erste PDS-Landesminister: Marti- Nach vierjähriger Tätigkeit hat die Enquete- na Bunge, Helmut Holter und Wolfgang Kommission „Kultur in Deutschland“ ihren Methling. Abschlussbericht dem Bundestag übergeben. 2001 Der Bericht enthält die umfangreichste Bestands- 21.10.: Abgeordnetenhauswahl in Ber- aufnahme zur Kultur in der Bundesrepublik, die lin – Die PDS erzielt mit 22,6 Prozent bislang je erschienen ist – und eine überparteilich ein überragendes Ergebnis. abgestimmte Liste von 465 Handlungsempfeh- lungen an die Politik. 2002 17.1.: Das Berliner Abgeordnetenhaus Als Buch mit DVD – sie enthält unter anderem wählt den ersten rot-roten Senat. Se- auch alle Einzel-Gutachten – ist dieser Abschluss- natoren für die PDS: Gregor Gysi, Heidi bericht nun bei ConBrio erschienen. Knake-Werner und Thomas Flierl. 21.4.: Landtagswahl in Sachsen-Anhalt – Die PDS hält ihren Stimmenanteil, die SPD verliert stark, die mehrjährige ConBrio Verlagsgesellschaft Brunnstr. 23 Tolerierung ist beendet. Paperback, 774 Seiten ISBN 93053 Regensburg 22.9.: Bundestagswahl – Die PDS er- [email protected] leidet eine schwere Niederlage: lediglich Mit DVD € 978-3-932581-93-9 Tel.: 0941-94593-0 vier Prozent und mit Gesine Lötzsch und € 35,- CB 1193 Fax: 0941-94593-50 Petra Pau nur noch zwei Abgeordnete. Kultur-enquete politik und kultur · März – April 2008 · Seite 10

Anerkennung und Ansporn für Bibliotheken Präzise und objektive Empfehlungen der Enquete-Kommission • Von Gabriele Beger Bibliotheken sind die meistgenutzten Kultur- und Bildungseinrichtungen in Deutschland. Es gibt in Deutsch- land rund 11.500 Bibliotheken, die jährlich von mehr als 200 Mil- lionen Menschen besucht werden. Das heißt: jeden Tag kommen ca. 670.000 Bürgerinnen und Bürger in eine Bibliothek. Im Jahr 2006 entlie- hen 11 Millionen registrierte Leser 432 Millionen Medien aus einem Gesamtbestand von 345 Millionen Medien. Jährlich finden 255.000 Ver- anstaltungen in Bibliotheken statt. Ein überzeugendes positives Funda- ment, das dennoch im Ergebnis mit internationalen Best Practices nicht Schritt halten kann.

ach einer gründlichen Analyse N der Leistungsfähigkeit und Auf- gaben im Vergleich mit internationa- len Standards von Bibliotheken aller Sparten hat die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ ihre konkreten Emp- fehlungen zur Weiterentwicklung des Bibliothekswesens aufgezeigt. Die Bibliotheken sind unverzichtbare Einrichtungen eines demokratischen Staatssystems und Garanten für die Informations- und Meinungsbil- dungsfreiheit ihrer Bürger. Bereits in dem Enquete-Bericht „Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“ wurde die herausragende Bedeutung der Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz herausgear- beitet. Die Bibliotheken haben sich dieser Herausforderung gestellt und bieten eine Vielzahl von Dienstleis- tungen an: von der täglichen Bereit- stellung aller Medienarten, über die Kooperation von Bibliotheken und Schulen bis hin zur Schaffung einer © Stiftung Lesen Digitalen Bibliothek. Da Bibliotheken nicht profito- Literatur-Tempel mehr, sondern sie bewusst und aktiv in die Hände zu Ort, ist eine der vornehmlichen Verbände kooperieren, legte 2003 rientiert arbeiten können, weil sie nehmen teil an der Vermittlung von nehmen. Aufgaben der Bibliotheken. gemeinsam mit der Bertelsmann ansonsten ihren demokratischen Informations- und Medienkom- Warum Ansporn, woher kommt Die Empfehlungen sind somit Stiftung im Projekt „Bibliothek Auftrag des ungehinderten Zugangs petenz, sei es durch Seminare im diese Euphorie? Noch nie zuvor hat nicht allein ein Aufzeigen von Not- 2007“ Entwicklungsempfehlungen zu Informationen für jedermann einschlägigen Studienfach an Hoch- eine politische Agenda Bibliotheken wendigkeiten und verbesserungs- für das deutsche Bibliothekssys- vernachlässigen müssten, sind sie schulen und Universitäten oder in der in ihrer Bedeutung und Wirksamkeit würdigen Sachverhalten, sondern tem vor. Die Fortschreibung dieses auf staatliche Anerkennung und Kooperation mit den Schulen. für die Fortentwicklung der Gesell- sie bedingen einander, bauen aufein- Konzepts bis zum Herbst 2008 als Finanzierung angewiesen. Genau Bibliotheken „produzieren“ schaft derart gewürdigt. Kein Organ ander auf, um das Bibliothekswesen Grundlage für eine Bibliotheksent- an diesen Faktoren aber scheitern Dienstleistungen, die dem Bedarf des Bundes hat zuvor so präzise und in Deutschland insgesamt einer wicklungsplanung steht bereits auf oft innovative Leistungen, wenn sie der Bürgerinnen und Bürger ent- objektive Empfehlungen ausgespro- Weiterentwicklung unterziehen zu der Agenda des Verbands. nachhaltig erbracht werden sollen. sprechen, wie die Abstimmung mit chen, die von Sachkenntnis getragen können. · Mit Unterstützung der KMK wurde Bibliotheksschließungen in Kom- den Füßen deutlich zeigt. Aber wie und priorisierend sind. Dafür ist den 2004 das Kompetenznetzwerk für Bi- munen, auch dann wenn keine effi- können sie diese Leistungsfähigkeit Mitgliedern der Enquete-Kommissi- Soweit zur Anerkennung. Nun bliotheken (KNB) auf Initiative und ziente Maßnahme der Strukturierung nachhaltig gestalten, welche Aufga- on ausdrücklich Anerkennung und zum Ansporn. Nicht erst seit der Ver- unter Beteiligung des Deutschen dahinter steht, sind nach wie vor an ben sind mit hoher Priorität koope- Dank zu sagen. öffentlichung des Berichts, aber nun- Bibliotheksverbandes gegründet. der Tagesordnung, Bibliotheksetats rativ und abgestimmt zu bewältigen, Die Empfehlungen im Einzel- mehr mit weit größerem Elan, werden Das KNB unterstützt die Kooperati- großer wissenschaftlicher Biblio- und welche Verantwortung trifft dabei nen: die Empfehlungen als Grundlage on der Bibliotheken untereinander theken decken die ständig steigende Bund, Länder und Gemeinden? Eini- · Bibliotheksgesetze in den Ländern für das Handeln und die öffentliche und koordiniert wichtige zentrale Preisentwicklung von wissenschaft- ge Antworten auf diese Fragen zeigen sind geeignet, den Betrieb und die Diskussion herangezogen: Dienstleistungen, die einzelne Ein- licher Fachliteratur (ob print oder die Empfehlungen der Enquete-Kom- Aufgaben der Bibliotheken ver- · Der Deutsche Bibliotheksverband richtungen für das gesamte Biblio- online) nicht ab. mission des Deutschen Bundestages bindlich zu regeln und damit auch hat nach dem Vorbild des bislang thekswesen erbringen Dazu zählen Bibliotheken bedienen sich schon sehr deutlich und strukturiert auf. Voraussetzung um nachhaltige einzigen in ein Parlament einge- die Deutsche Bibliotheksstatistik, längst des Instruments der Kosten- Deshalb bringt dieser Bericht für die Bibliotheksstrukturen und Koope- brachten Bibliotheksgesetzes, im das bundesweite Benchmarking- leistungsrechnung und des Con- Bibliothekare und Bibliothekarinnen rationen zu gewährleisten. Land Thüringen, ein Mustergesetz system und Bibliotheksranking trolling, um effektiv und effizient zum einen große Anerkennung, zum · Ein länderübergreifender Biblio- erarbeitet. Dieses beschreibt die „BIX-Bibliotheksindex“, die Koope- ihre Ressourcen auszunutzen. Was anderen gibt er Ansporn, sich den theksentwicklungsplan ist ein ge- Stellung und Aufgabenteilung von rationsbeziehungen zur internatio- Bibliotheken leisten, ist beachtlich: Herausforderungen weiterhin zu eignetes Instrument, um Standards Bibliotheken der unterschiedlichen nalen Bibliothekswelt, die Beratung sie sind schon lange keine reinen stellen und die Entwicklung selbst- und Qualitätssicherung aufzuzei- Sparten als Kultur- und Bildungsein- von Bibliotheken, die sich an EU- gen. Er bildet die Grundlage für richtungen und erklärt die Finanzie- Projekten beteiligen möchten, bi- die Anwendung von Bibliotheks- rung von Öffentlichen Bibliotheken bliothekarische Normungsprojekte gesetzen. zur Pflichtaufgabe. sowie das Bibliotheksportal www. · Nur eine Bibliotheksentwicklungsa- · Eng verbunden mit der Arbeit an bibliotheksportal.de mit aktueller gentur nach internationalen Vorbil- einem Bibliotheksgesetz ist die Er- Information über Bibliotheken und Kultur-Enquete dern kann das notwendige Maß an arbeitung eines länderübergreifen- ihre Dienstleistungen. Eine Stelle Im Dezember 2007 legte die En- In dieser Ausgabe von politik und kul- Koordinierung und Bündelung von den Bibliotheksentwicklungsplans, für Bestandserhaltung und Digita- quete-Kommission des Deutschen tur steht die Literatur im Mittelpunkt. Kompetenzen sichern. dessen Inhalt bibliothekspolitische lisierung wird gegenwärtig mit der Bundestags „Kultur in Deutschland“ Gabriele Beger, Vorsitzende des Deut- · Informations- und Medienkom- Zielsetzungen und Qualitätsstan- KMK beraten. ihren Schlussbericht vor. Der Deutsche schen Bibliotheksverbands, stellt dar, petenz beginnt in der Schule, und dards verbindlich beschreibt. Be- Bundestag debattierte am 13. Dezem- wie von Seiten des Bibliothekswesen so sind Kooperationen zwischen reits in den 1970er Jahren gab es Alles auf einem guten Weg? Im ber 2007 diesen Bericht. der Schlussbericht bewertet wird und Bibliotheken und Schulen durch erste Bibliothekspläne, 1993 wurde Prinzip ja, aber es fehlt allerorts welche Handlungsempfehlungen jetzt Einbindung der Bibliotheken in ein Empfehlungspapier von der meist an der Verbindlichkeit. Dieses In politik und kultur 1/2008 kamen dringend umgesetzt werden sollen. Bildungskonzepte unverzichtbar. „Bundesvereinigung Deutscher Bi- Problem können Bibliotheken nur im Mitglieder der Enquete-Kommissi- Rolf Pitsch, Vorsitzender Stiftung · In den Bibliotheken liegt das kul- bliotheksverbände“ unter dem Titel Schulterschluss mit den staatlichen on zu Wort und stellten dar, welche Lesen und Direktor des Borromäus- turelle Erbe und das Gedächtnis „Bibliotheken `93“ erarbeitet. Einige Trägern und den politischen Vertre- Aspekte aus dem Schlussbericht vereins, setzt sich mit den Aussagen der Gesellschaft. Bestandserhal- der dort aufgeführten Standards tern lösen. Wir kommen auf Sie zu. ihnen besonders wichtig sind und für zur Leseförderung auseinander. tung darf deshalb kein Problem (Richtwerte) gelten seitdem für welche Handlungsempfehlungen sie der einzelnen Bibliothek mehr die kommunal getragenen Öffent- Die Verfasserin ist Vorsitzende des sich besonders einsetzen wollen. Die Die Reihe zur Auswertung des Schluss- sein, sondern muss durch ein na- lichen Bibliotheken als – leider nur Deutschen Bibliotheksverbandes e.V., Vorsitzenden der Fachausschüsse des berichts der Enquete-Kommission wird tionales Konzept getragen werden. freiwillig – zu erfüllende Empfeh- Direktorin der Staats- und Univer- Deutschen Kulturrates gaben eine in den nächsten Ausgaben von politik Bibliotheken nehmen teil an der lungen. Der Bundesverband „Bibli- sitätsbibliothek Carl von Ossietzky erste Bewertung zu den Aussagen des und kultur fortgesetzt. Europäischen Digitalen Bibliothek. othek & Information Deutschland Hamburg und Vizepräsidentin der Schlussberichts ab. Die Redaktion Die Zugänglichkeit des Wissens e.V.“ (BID), in dem alle bibliothe- Bundesvereinigung Bibliothek Infor- weltweit, unabhängig von Zeit und karischen und informatorischen mation Deutschland e.V. kultur-enquete politik und kultur · März – April 2008 · Seite 11

Kommissionsbericht ist wertvolle Arbeitsgrundlage Missstände bei der Leseförderungs-Infrastruktur in Deutschland • Von Rolf Pitsch „Er hat Vorschläge gemacht; wir haben sie angenommen“. Diese Inschrift hat sich Bertolt Brecht von der Nachwelt für seinen Grabstein erbeten. Ich wünsche dem Deut- schen Bundestag, dass er für die Er- gebnisse seiner Enquete-Kommissi- on „Kultur in Deutschland“ in einigen Jahren mit einer ähnlichen Formulie- rung Bilanz ziehen kann. Denn die auf rund 500 Seiten präsentierten Situationsbeschreibungen und deut- lichen Handlungsempfehlungen an die Politik verdienen es, ernsthaft geprüft und peu à peu abgearbeitet zu werden – ein Großteil von ihnen müsste in unserer auf ihre Kultur zu Recht stolzen Nation längst ange- nommen und umgesetzt sein.

as betrifft ganz besonders die D prekäre Situation der Leseförde- rungs-Infrastruktur in Deutschland. Hier beschreibt die Kommission präzise die zwei gravierendsten Miss- stände, die trotz vieler Beteuerungen nach PISA weiterhin eine Belastung für alle bedeuten, die sich für Lese- freude und Lesekompetenz in allen Bevölkerungsgruppen einsetzen. Erstens: Leseförderungsinitiati- ven müssen quasi von der Hand in den Mund leben. Eine „Kulturför- derpraxis, die tendenziell Projekt- förderung priorisiert“ (s. Kommissi- onsbericht S. 349) erschwert ein auf Nachhaltigkeit angelegtes Vorgehen. Und sie blockiert Projektansätze, die über Motivationsschübe hinaus © Stiftung Lesen an die strukturellen Wurzeln von Bildungsdefiziten gehen. Dies ist Kleinere Leseförderungs-Initiati- wesen, Sprach- und Lesekompetenz Rahmenbedingungen von „Kultur“ Der Verfasser ist nicht das Lamento eines besonders ven sind mit noch gravierenderen als Grundvoraussetzung für Medien- die Verantwortung. Dies gilt in be- Vorstandsvorsitzender der Zu-Kurz-Gekommenen: Der Stiftung Problemen konfrontiert als die Stif- kompetenz prägnant herauszustel- sonderer Weise für die Lese- und Stiftung Lesen sowie Direktor Lesen selbst gelingt es glücklicher- tung Lesen: Es fehlen Gelder, um len. Eine Erkenntnis, die zwar in der Sprachkultur – als ein zentrales Fun- des katholischen Medien- weise immer wieder, Projektpartner Schulbibliotheken zu betreiben, um Forschung „common sense“ ist – aber dament von Staat und Gesellschaft dienstleisters Borromäus- für nachhaltiges Engagement zu Autorenlesungen zu veranstalten, auch in vielen Multiplikatorenkreisen mit demokratischen Regeln. verein gewinnen. Aber die wohl positiv ge- um Eltern aus Migrantenfamilien noch stärker kommuniziert werden meinte und zutreffende Bezeichnung medienpädagogische Hilfestellung muss. Dabei geht es nicht um tech- der Stiftung Lesen im Kommissions- zu geben. Und wenn sich auf lokaler nikfeindliche Bedenken, sondern um bericht als „nationale Leseförde- Ebene ein Projekt herausgebildet hat, eine sinnvolle Schwerpunktsetzung Abonnieren oder empfehlen Sie rungseinrichtung“ (S. 392) vermittelt existiert es von Beginn an unter dem – weil die Defizite in vielen Familien puk und Sie erhalten ein ganz durch den Verzicht auf jede weitere Vorzeichen, ums Überleben kämpfen so elementar sind. Erklärung leicht einen trügerischen zu müssen. Der zweite gravierende Missstand besonderes Dankeschön! Eindruck: Es handelt sich nämlich Im föderalen System mit sei- im Bereich Leseförderung, den die bei der Stiftung Lesen keineswegs nen ohnehin nicht einfach zu ent- Kommission in verdienstvoller Weise um eine durch feste staatliche Zu- wirrenden Zuständigkeiten ist das beschreibt, betrifft die Bibliotheken. wendungen etablierte Institution, niemals auf langfristige Förderung, Hier findet der Bericht gleich in meh- die keiner „Handlungsempfehlung“ sondern stets auf kurze Zeiträume reren Passagen sehr hilfreiche Worte, von Seiten der Kommission zu ihrer beschränkte Finanzierungssystem denen uneingeschränkt zuzustim- Unterstützung bedarf. von Leseförderungs-Initiativen ein men ist (S.129 f und S. 392). Besonders Die Stiftung Lesen muss 90 Pro- Hemmschuh, der viel Energie bin- hervorzuheben ist die Handlungs- zent ihres Etats von 3,5 Millionen det, für Resignation, Futterneid und empfehlung, „Aufgaben und Finan- Euro stets neu bei Sponsoren ein- Unfrieden auf Arbeitsebene sorgt zierung der öffentlichen Bibliotheken Streitfall Computerspiele: werben. Anders als ihre institutionell – und gewiss mehr Kosten erzeugt in Bibliotheksgesetzen zu regeln. Computerspiele zwischen geförderten Partnerorganisationen in als einspart. Öffentliche Bibliotheken sollen keine kultureller Bildung, den Niederlanden, in Großbritannien Dass die von der Kommission freiwillige Aufgabe sein, sondern eine Kunstfreiheit und und anderen Staaten, ist sie gezwun- geforderte neue „Bundeszentrale Pflichtaufgabe werden.“ Jugendschutz. gen, die Grundlage für Projekte mit für Kulturelle Bildung“ wirksam Ab- Die rechtliche Situation der Bi- Breitenwirkung auf dem Sponso- hilfe schaffen könnte, möchte ich in bliotheken ist ein augenfälliger Beleg Hg. v. Olaf Zimmermann und Theo Geißler. 140 Seiten, ring-Markt zu erkämpfen. Was eine Frage stellen. Die Einrichtung einer dafür, dass sich „Kultur“ in Deutsch- ISBN 978-3-934868-15-1, ISSN: 1865-2689, solch tendenziell auf Kurzfristigkeit weiteren Behörde – es sei denn, sie land, wenn es ums Geld geht, in der Preis: 9,00 Euro (+ 2,50 Euro für Porto und Verpackung) angelegte Projektförderung für eine würde wirklich mit einem geradezu Defensive befindet – und es ist aus- möglichst langjährige, kontinuier- märchenhaften Etat ausgestattet und gesprochen begrüßenswert, dass die 2. überarbeitete und erweiterte Auflage liche Begleitung von ehrenamtlichen müsste nicht, wie vielmehr zu erwar- Kommission mit deutlichen Worten und hauptamtlichen Multipikatoren ten, „Mangel verwalten“– eröffnet Position bezieht. ...... in der Leseförderung bedeutet, kann angesichts der bereits bestehenden Der Kommissionsbericht ist eine man im internationalen Vergleich, zu Institutionen wenig neue Perspekti- wertvolle Arbeitsgrundlage für alle, Ich möchte politik und kultur (puk) abonnieren Ungunsten der deutschen Situation, ven. Besser sollten die einschlägigen die sich für die Sicherung und Pflege ( 18,00/6 Ausgaben im Jahr, inkl. Porto) und erhalte als belegen. Projekte, die sich in ande- Einrichtungen für einen mehrjährigen des Kultur- und Bildungsstandortes Geschenk das Buch: ren Ländern längst bewährt haben, Zeitraum für konkrete und evaluierte Deutschland engagieren. Das betrifft können hierzulande erst nach langen Projekte mit breiter Vernetzung von nicht nur Leseförderungs-Themen Streitfall Computerspiele Vorläufen initiiert werden. den bestehenden Ministerien auf im engeren Sinne, sondern ganz Aktuellstes Beispiel: die Initiative Länder- und Bundesebene unter- grundsätzlich die Position von Kultur Meine Adresse (=Rechnungsanschrift) „Lesestart“ nach dem Vorbild des stützt und begleitet werden. und Bildung im politischen Rahmen. Ich abonniere puk britischen „Bookstart“. Hier erhalten In diesem Zusammenhang möchte Der Bericht zeigt auf: Wenn der Staat in Kooperation mit Kinderkliniken ich zu bedenken geben, dass der jemals zentraler Träger von Kultur und unterstützt durch ein breites Oberbegriff „Kulturelle Bildung“ dif- war – er ist es längst nicht mehr. Das Name Partner-Netzwerk junge Eltern ein ferenziert verwendet werden muss. Sponsoring der Wirtschaft, das ehren- Leseförderungs-Startset. Nach meh- Er sollte nicht dazu führen, das Profil amtliche Engagement vieler Bürger reren regionalen Initiativen, unter einzelner Aspekte blasser werden – unterstützt durch professionelle Straße anderem im Freistaat Sachsen mit zu lassen. Ansätze dazu finden sich Begleitung großer Organisationen Unterstützung der Landesregierung, leider auch im Kommissionsbericht: und Verbünde –, das „Prinzip Selbst- wird im Mai 2008 eine bundesweite Bei aller Wertschätzung der Vielfalt ausbeutung“ vieler, die Kultur produ- PLZ Ort Lesestart-Initiative ins Leben gerufen von kultureller Bildung hätte eine zieren, die wachsende Bedeutung der – nach mehr als zehnjähriger Akquisi- stärkere Gewichtung auf Basiskom- Stiftungen: All dies wird gewürdigt Unterschrift/Datum tions-Arbeit. Die Lesestart-Babys, die petenzen gelegt werden müssen. und analysiert. Und das wiederum eigentlich bereits gefördert werden Das betrifft etwa die Ausführungen stets mit dem „Roten Faden“, dass der Coupon einsenden/faxen an: Deutscher Kulturrat e.V., sollten, gehen mittlerweile in die 5. zum Thema Medienkompetenz (S. Staat dennoch eine zentrale Aufgabe Chausseestraße 103, 10115 Berlin, Fax: 030/24 72 12 45 Klasse. 395 f.). Hier wäre es sehr hilfreich ge- beibehalte: Er trägt für tragfähige Kultur und Kirche politik und kultur · März – April 2008 · Seite 12

Ansätze einer Kirchenkulturökonomie Der Beitrag der Kirchen für das kulturelle Leben in Deutschland • Von Matthias Theodor Vogt Nur in einem übertragenen Sinn der Musik, der Bildenden Kunst usw. die unsichere Datenlage, anderer- lässt sich von „Kirche in Deutsch- werden von ihnen als Möglichkeiten seits durch die unterschiedlichen land“ sprechen. „Kirche“ als ein- des Menschen verstanden, sich mit Kulturbegriffe und statistischen heitliches Rechtsgebilde gibt es seiner Welt auseinanderzusetzen, sei- Erfassungen geöffnet wird, liegt zwi- weder für den evangelischen oder ne schöpferischen Kräfte zu entfalten, schen € 3,5 und € 4,8 Milliarden. Der für den katholischen Bereich noch und so seinem Leben einen tieferen Kulturfinanzbericht müsste dieses interkonfessionell. Vielmehr stellen Sinn zu geben. Sie sind im Verständnis künftig aufnehmen, um ein Gesamt- die Religionsgesellschaften einen im der Kirchen ein Beitrag zum mensch- bild zu zeigen. sechsstelligen Bereich ausgefaserten lichen Wohlergehen, zu einem ganz- Gesamtorganismus dar (30.000 heitlich verstandenen „guten Leben“. Eigenanteile kirchliche Gemeinden; 80.000 un- In der katholischen Kirche wurde dafür terschiedliche Körperschaften; ein- der Begriff „Kulturdiakonie“ geprägt. Die Nettoleistung der in der EKD zu- schließlich des sozialen Bereiches Dieser steht für ein Kulturethos, dessen sammengeschlossenen Landeskirchen 1,3 Mio Mitarbeiter mit € 125 Mrd. oberstes Kriterium nicht das Prinzip für ihre kulturellen Aktivitäten beträgt Gesamtumsatz bzw. 6% des deut- „Leistung und Gegenleistung“ oder 19,8% ihrer unmittelbaren Eigenein- schen Bruttoinlandsprodukts). der ökonomische Gewinn ist. nahmen ohne Zuschüsse Dritter, ohne Sowohl auf evangelischer Seite (vgl. Gebühren und Beiträge. Für die katho- er 31.12.2003 gehörten insgesamt besonders: Räume der Begegnung. lische Kirche wird analogon rationis P 53.561.000 Menschen oder 64,9% Religion und Kultur in evangelischer auf einen vergleichbaren Prozentsatz der Wohnbevölkerung von 82.532.000 Perspektive. Eine Denkschrift der geschlossen. Dies würde erheblich Menschen in Deutschland einer Evangelischen Kirche in Deutschland oberhalb des im Kulturfinanzbericht der christlichen Konfessionen an. und der Vereinigung Evangelischer 2003 genannten durchschnittlichen Darunter 26.165.153 der römisch- Freikirchen, Gütersloh 2002) als auch Kulturanteils von 1,66% bei Staat und katholischen Kirche, 25.863.192 auf katholischer Seite (vgl. besonders: Kommunen liegen. Er liegt in Ein- einer der Mitgliedskirchen der EKD, Kultur als Aufgabe für Staat und Kir- zelfällen (u. a. Stadt Frankfurt/Main) 1.200.000 den orthodoxen Kirchen che. Zur Förderung der dezentralen bei 10%, allerdings bei genuin unver- und 360.000 anderen christlichen und pluralen Kultur in Deutschland. gleichbaren Aufgaben. Kirchen. In den westlichen Ländern Erklärung des Zentralkomitees der beträgt der Anteil 74,6%, die Kirchen deutschen Katholiken, Bonn 1999) hat Kulturfinanzbericht sind also Volkskirchen. In den neuen in den letzten Jahren eine verstärkte Ländern beträgt der Anteil 27,3%, die Auseinandersetzung mit dem Kultur- Interessanter als die Frage, ob die Kirchen sind hier Minderheit (Vgl. auftrag der Kirchen eingesetzt. christlichen Kirchen nun zwei Milliar- EKD 2005: 4ff.). Nach einer Studie der Die römisch-katholische Kirche den Euro per annum (Minimalvariante Bertelsmann-Stiftung (15.12.2007) und die 23 Gliedkirchen der Evange- für Kunstsparten im strengen Sinn), gaben allerdings deutlich mehr, näm- lischen Kirche in Deutschland sind vier Milliarden (plausibilisierte Hoch- lich 44% der ostdeutschen Befragten ausweislich ihrer kulturellen Aufwen- rechnung) oder noch mehr (wie zu ver- an, sehr oft, oft oder gelegentlich über dungen die beiden stärksten Akteure muten steht) in die Kultur investieren, religiöse Themen nachzudenken; für der Kulturpolitik in Deutschland unter ist der Umstand, dass der deutschen 70% der über 18-jährigen Deutschen den Körperschaften des öffentlichen Öffentlichkeit diese Aufwendungen bis sei Religion bedeutsam. Rechts. Darüber hinaus sind sie aber heute praktisch verborgen geblieben Taufen, Beerdigungen, Kirchen- auch in zunehmenden Maß an der sind. „Religion ist Privatsache“, hieß es austritte und -eintritte hochgerech- theoretischen Diskussion beteiligt. 1891 beim Erfurter Parteitag der SPD. net, würden beide Konfessionen Dieser – aus einem ganz anderen Kon- zusammen noch in 50 Jahren über Breitenarbeit und text stammende – Satz gehört zu den 50% der deutschen Wohnbevölkerung zentralen „deutschen Erinnerungs- ausmachen. Auch mittelfristig stellen Ehrenamt „Armutszeugnis“ des Künstlers Felix Droese. Holzdruck auf Stoff. Ein Exponat orten“ mit Auswirkungen bis hinein damit die Kirchenmitglieder diejenige Nach allgemeiner Auffassung bildet der Ausstellung „Kunst trotz(t) Armut“. © Evangelische Obdachlosenhilfe e.V. in die staatliche Finanzstatistik. Es ist Gruppe der deutschen Gesellschaft das Bruttoinlandsprodukt (BIP) die in nicht zufällig, sondern symptomatisch, dar, die im soziologischen Querschnitt Deutschland erzielte Wertschöpfung Ämter und Referate für Kirchenmusik schließlich Bildung und Wissenschaft dass dieser Satz in der außerordentlich ihren größten Anteil ausmacht. „Kir- umfassend ab. Tatsächlich erfasst das deutschlandweit im Jahr 2002 ins- ausgegangen; Verwaltungs- und Ver- verdienstvollen Sammlung „Deutsche che in Deutschland“ bleibt damit ein BIP nur einen geringen Anteil der Leis- gesamt 17.677 kirchenmusikalische mögenhaushalt werden zusammen Erinnerungsorte“ (herausgegeben von zentraler Faktor für langfristige poli- tungen unserer Gesellschaft. Sinnvoll Gruppen mit 437.699 Mitgliedern. angesetzt. Etienne Francois und Hagen bei Beck tische Überlegungen, nicht zuletzt im wäre es, statt eines auf das steuerlich Im Raum der evangelischen Kir- Die kulturbezogenen Ausgaben 2001) fehlt, da er konstitutiv für Teile Bereich der Kulturpolitik. erfassbare Sozialprodukt beschränkten che existierten 2003 allein auf dem der in der EKD zusammenarbeitenden der Elilte der Bundesrepublik Deutsch- Im Auftrag der Enquete-Kom- Index einen Wohlfahrtsindex (BWP) Gebiet der Landeskirche Sachsen Evangelischen Kirchen lassen sich land wurde. mission „Kultur in Deutschland“ zu erstellen. Er müsste Leistungen 1.455 Chöre inkl. der Singkreise und schwer ermitteln. Zwar werden von Gemäß Kulturfinanzbericht 2003 hat der Verfasser 2005 umfassende in beiden Teilbereichen erfassen, im Kinderchöre mit 25.957 Mitgliedern. der EKD seit mehreren Jahrzehnten des Statistischen Bundesamtes Wies- Parameter für die Würdigung dieses formalen und im informellen (vgl. M. Hochgerechnet auf Deutschland Gesamtstatistiken mit einer tiefen baden wandte die öffentliche Hand Beitrags erarbeitet. Auch die Deutsche Vogt: Beitrag der Kultur zur Wohlfahrt sind dies 368.368 Chormitglieder Gliederung erstellt. Eine der Funk- für Kultur 8,350 Milliarden Euro auf Bischofskonferenz hat sich der hier von Gesellschaften. Salamanca 2000). und ca. 159.000 Mitglieder von Ins- tionskennziffer Kultur der staatli- (auf der Basis bereinigter Zahlen vorgelegten Gliederung ansgeschlos- Unter dem Motto „Es sind ver- trumentalkreisen, Posaunenchören chen und kommunalen Statistiken von 2001). Aufgrund ihrer Stellung sen (Arbeitshilfe 212; September 2007). schiedene Gaben; aber es ist ein Geist.“ pp., die durch die hauptamtlichen entsprechende Separaterfassung der als Körperschaften des öffentlichen Eine Buchfassung (M. Vogt: Der Beitrag (1. Kor 12, 4) stehen den ca. 500.000 Kirchenmusiker betreut oder besser kulturbezogenen Ausgaben jedoch Rechtes sind die Kirchen jedoch keine der Kirchen zum kulturellen Leben in hauptamtlichen Mitarbeitern im motiviert werden. fehlt. Auf Anfrage des Autors gab der „Privatsache“, sondern gehören zur Deutschland. Edition kulturelle Infra- Bereich der verfassten Kirche beider Als virtueller volkswirtschaftlicher für Theologische Fragen und Einzel- öffentlichen Hand im weiteren Sinne, struktur 2008) ist in Vorbereitung. Aus Konfessionen (also ungerechnet den Wert der ehrenamtlichen Helfer ergibt fragen öffentlicher Verantwortung jedenfalls ihre verfassten Teile mit den ihr werden im folgenden einige Stich- sozialen und weitere nachgelagerte sich das Doppelte des Aufwands für die der Kirchen zuständige Kirchenrat der Ebenen Diözesen bzw. Landeskirchen, punkte zur Kirchenkulturökonomie Bereiche) rund zwei Millionen eh- hauptamtlich Tätigen. Da ein „Brutto- EKD, Dr. Vicco von Bülow, für deren Gemeinden beider Konfessionen so- aufgegriffen. renamtliche Helferinnen und Helfer wohlfahrtsindex“ (siehe oben) für die kulturbezogenen Ausgaben an: „Die wie Kulturstiftungen. Für ein Gesamt- gegenüber. Aus Tradition und aus Bundesrepublik Deutschland noch evangelische Kirche gibt jährlich zirka bild der öffentlichen Kulturausgaben Auftrag und Anliegen Finanzgründen ist die Kirche auf die nicht erarbeitet wurde und damit kei- zwei Milliarden Euro für kulturelle wären die kirchlichen Aufwendungen uneigennützige Hilfe engagierter Mit- ne Vergleichwerte für die kommunal Zwecke aus, knapp die Hälfte davon für demgemäß denjenigen des Staates Das kulturelle Engagement der Kirchen glieder angewiesen. und staatlich geförderte Kulturpolitik Kirchengebäude. Auch diese Ausgaben und der Kommunen hinzuzurechen. ist eingebettet in ihren Auftrag. Dieser Engagement kennzeichnet in vorliegen, kann der außerordentliche dienen primär der Verkündigung, kön- Im Vergleich dieser öffentlichen lässt sich schlagwortartig mit dem Be- besonderem Ausmaß den kirchlichen hohe Ertrag der Kirchen in diesem nen in ihrer Ausgestaltung jedoch im Ebenen liegen die Kirchen auf einem griff „Dienst am Menschen“ umschrei- Kulturbereich, ohne dass dort im Bereich derzeit nicht sinnvoll quanti- gesamtgesellschaftlichen Verständnis der vorderen Plätze. Der Kulturfinanz- ben. Da die Kultur von den Kirchen als strengen Sinne von einer Organisati- fiziert werden. dem Kulturbereich zugeordnet wer- bericht wäre demgemäß künftig wie conditio humana anerkannt wird, und onslogik von Helfern gesprochen wer- den.“ folgt zu gliedern: nicht etwa als Ausdrucksmöglichkeit den kann. Es sind die an kirchlichen Kulturaufwendungen Diese Aussage kann bestätigt wer- Zu bedenken ist allerdings, dass einzelner weniger, sind die Kirchen Kultureinrichtungen, insbesondere den. Im einzelnen durchgerechnet, die Angaben der öffentlichen Statistik schon aus schöpfungstheologischen den Kirchenchören, mitwirkenden der Kirchen ergibt sich für die EKD ein plausibili- mindestens so problematisch sind Gründen dazu angehalten, diese Seite Mitglieder von etwa einer Million Men- Fragt man nach den finanzstatistisch sierter Gesamtaufwand von wenigs- wie die der Kirchen, da wie ausgeführt des menschlichen Daseins zu fördern schen alleine im Bereich Musik. erfassbaren Kulturaufwendungen tens € 1,778 Mrd. (16,9% Anteil am teilweise unterschiedliche Konzepte und mitzugestalten. Die kreative und So bestanden im Raum der ka- der Kirchen, so ist zunächst darauf Bruttohaushalt), von denen € 1,280 zugrundegelegt werden. künstlerische Betätigung und die Be- tholischen Kirche gemäß den Erhe- hinzuweisen, dass die Angaben der Mrd. von der EKD bzw. ihren Glied- Wünschenswert wäre eine künftige schäftigung mit Werken der Literatur, bungen der Arbeitsgemeinschaft der öffentlichen Statistik problematisch kirchen aus eigenen Mitteln getragen Zusammenarbeit des Statistischen sind. UNESCO, Kultusministerkonfe- werden (19,8% Anteil am bereinigten Bundesamtes mit Vertretern der Kir- renz und Deutscher Städtetag legen Nettohaushalt). Zu einer detaillierten chen sowie dem Arbeitskreis Kultursta- Kulturausgaben Mrd. einen Kulturbegriff zugrunde, der Analyse sei auf die angekündigte tistik, um gesicherte Grundlagen auch Kirchen (katholische und evangelische) 3,956 32% vom Kulturbegriff des Statistischen Buchpublikation verwiesen. Für die für eine Ökonomie der Kirchenkultur Gemeinden 3,720 30% Bundesamts deutlich abweicht (für katholische Kirche resultiert ein kon- zu erstellen und damit ihren Beitrag für Länder 3,590 29% das Stichjahr 1995 ermittelt sich eine servativer Schätzwert von ebenfalls das kulturelle Leben in Deutschland Bund 1,040 8% Spannbreite der verschiedenen Kultur- etwa 2 Millarden Euro pro Jahr (rech- umfassend abzubilden. Haushalte Staat, Kommunen, Kirchen statistiken zwischen DM 15 Mrd. und nerisch € 2,178 Mrd.). Nimmt man insgesamt 12,306 100% DM 33 Mrd. oder über 100%; vgl. M. beide Kirchen zusammen, so weisen Der Verfasser ist Direktor des Vogt: Perspektiven der Kulturpolitik in sie kulturbezogene Ausgaben von rund Instituts für kulturelle Infrastruktur Tab. 1: Kulturfinanzbericht 2003: Kulturausgaben Gemeinden, Länder, Bund in Deutschland, 1998). Im folgenden wird 4 Milliarden Euro auf (rechnerisch € Sachsen und Professor für Kulturpo- Milliarden Euro ergänzt um die Kulturausgaben der katholischen und evangeli- von einem an der Kommunalstatistik 3,956 Mrd.). litik an der Hochschule schen Kirche orientierten weiten Kulturbegriff ein- Der Korridor, der einerseits durch Zittau/Görlitz Kultur und Kirche politik und kultur · März – April 2008 · Seite 13

Kultur oder Religion? Überlegungen aus soziologischer Sicht • Von Michael Opielka Das Verhältnis von Kultur und Reli- Doch warum soll Religionsfrei- das Kopftuch sei im Islam allenfalls gion erscheint notorisch ungeklärt. heit ein höheres Gut als kulturelle religiöses Brauchtum, gar ein Mode- Dabei ist der Konflikt zwischen beiden Freiheit sein? Versteht man nicht Accessoire ohne religiösen Wert. Die Wertsphären am Beginn des 21. Jahr- unter Religion ein Kollektivphäno- sozialtheoretische Unterscheidung hunderts schärfer denn je. Überholt men und ist kulturelle Freiheit unter erlaubt die Rekonstruktion sowohl geglaubte Kontroversen betraten die den Bedingungen der „Individua- der Selbstdeutung der Verfechter öffentliche Bühne. Das Wissen schien lisierung“ gerade die Freiheit des und der Gegner des öffentlichen dem Glauben längst überlegen, die individuellen Handelns? Die Frage- Kopftuchtragens, wie auch die Be- Religion in die Privatheit gesondert stellung unterstellt, dass „Werte“ in wertung, zu der unterdessen Ge- und das ästhetische, kulturelle Zeit- einem Religions- bzw. Kultursystem richte und Gesetzgeber genötigt alter angebrochen, bedroht allein fundiert werden. Man kann freilich werden. In medientheoretischer noch durch die Sphären der Ökono- zeigen, dass die Wertefundierung Perspektive mag das „Kopftuch“ mie und der Politik. In den Sozialwis- das soziale „System“ Gesellschaft als religiöses Medium nämlich nur senschaften wurden diese Begriffe durchzieht. Das „Wie“ dieses Durch- im Konfliktfall nützlich sein – und vorbereitet. Von Anfang an waren ziehens ist, wie uns die Soziologie im Konflikt neigen Personen und sie, insbesondere die Soziologie, mit vor allem seit Talcott Parsons in- Kollektive bekanntlich dazu, Ele- dem Konflikt zwischen „Kultur“ und formiert, allerdings wundersam: mente aus einem Subsystem zu „Struktur“ befasst. Seit den 1970er Mangels eines gesellschaftlichen radikalisieren. Was die differenzie- Jahren erlebten sowohl qualitative Wertekonsenses sind es nicht mehr rungstheoretische Perspektive lehrt, Methodeninnovationen wie kultur- die Teilsysteme oder gar das Gesell- ist die Zentralität von Pluralismus. wissenschaftliche Interpretationen schaftssystem als Ganzes, was die Pluralismus in allen kulturellen einen unübersehbaren Aufschwung Wertproduktion und -weitergabe Dimensionen ist in einer „Welt- in den Sozialwissenschaften, für die sichert, sondern ein spezifisches gesellschaft“ unvermeidlich. Die deshalb ein „cultural turn“ diagnos- Element der Gesellschaft: die forma- spannende Frage lautet, ob er auch tiziert wurde. lisierten Medien. Die Werte scheinen innerhalb der noch auf länger hin sozusagen aus den Institutionen nationalstaatlich – oder in Staaten- ährend die Revitalisierung der in die Medien ausgewandert – und bünden – verfassten Gesellschaften W Kulturperspektive in der Sozi- damit in die Verfügung auch der möglich ist. ologie vor allem methodische Kon- Individuen, denn die Medien dienen Trotz vehementen Verfechtens troversen begleiteten, ist der Status der Kommunikation zwischen indi- individualistischer Moralethiken von Religion als soziologischem Ge- viduellen wie kollektiven Akteuren. behaupteten sich auch im 20. Jahr- genstand nicht nur ein methodisches Doch während über die Form der hundert die Religionen als soziale Problem. Der methodische Atheis- durchaus werthaltigen formalisier- Organisationsformen. In diesem mus der Religionssoziologie paarte ten Medien des Wirtschafts- und nun vergangenen Jahrhundert ge- sich mit dem Atheismus der meisten Politiksystems – nämlich Geld und sellten sich den traditionsreichen Soziologen, die sich günstigenfalls, Recht – heute sozialwissenschaft- spirituellen Weltreligionen – Tao- wie Max Weber, als „religiös unmu- licher Konsens existiert, steht durch- ismus, Judentum, Islam, Christen- sikalisch“ erklärten und gleichwohl aus infrage, ob es vergleichbar for- tum, Buddhismus und Hinduismus den Gegenstand des Religiösen malisierte Medien in den „höheren“ – und den ebenfalls traditionellen, für wirklich nahmen. Umso irritie- Subsystemen überhaupt gibt oder „kommunitären“ Religionen – vor render wirkte sich die Revitalisie- gar geben kann. allem dem Konfuzianismus –, zwei rung der Religionsperspektive in der Institutionen sind selbst Skripte, neue Religionstypen höchst wirk- Welt aus, der die Soziologie zögernd Symbolsysteme und übernehmen sam hinzu: die, wie ich sie nenne, folgt. Wertkonflikte sind, wie Weber damit eine formative Rolle bei der „wissenschaftlichen Religionen“ bemerkte, der Normalzustand der Genese von symbolisch generali- – vor allem der Marxismus, aber Moderne. Die kultursoziologische sierten Medien. In diesem Sinn gibt auch die sich wissenschaftlich ge- Forschung und Literatur widmete es nach wie vor Subsysteme der mo- „Mein Stein“, Siebdruck von Jörg Immendorff. Ein Exponat der Ausstellung bärdenden Letztwertideologien des religiösen Phänomenen kaum Auf- dernen, das heißt funktional (nach „Kunst trotz(t) Armut“. © Evangelische Obdachlosenhilfe e.V. Nationalsozialismus (Rassismus, merksamkeit. Umgekehrt spielte in Funktionen) ausdifferenzierten Ge- Soziobiologismus) – und die „sub- religionssoziologischen Diskursen sellschaft, die eine besondere Rolle Verhältnis von Religion und Kultur und Normen – als Elemente des Ge- jektiven Religionen“, die sich im das Konzept „Kultur“ nur eine mar- für die Wertproduktion, -erhaltung sowie nach Wertkonflikten in mo- meinschaftssystems – und Ethik und Anschluss an Nietzsche und Freud ginale Rolle. Um sie als analytische und den Wertewandel spielen. Hin- dernen Gesellschaften stellt sich Werten – als Elementen des Legiti- in den existentialistischen und Begriffe soziologisch brauchbar zu sichtlich der „letzten“, fundierenden naheliegenderweise die Frage, ob mationssystems – unterscheiden. Im postmodernen Weltdeutungen je- halten, ist eine gesellschaftstheo- Werte, übernimmt das Subsystem nicht „Werte“ als Medium des Sub- Gemeinschaftssystem, in den Fami- denfalls dort ausgebreitet haben, wo retische Perspektive erforderlich. „Religion“ diese Funktion (hin- systems „Legitimation“ verstanden lien, in Schulen, der Öffentlichkeit über letzte Werte Aussagen gemacht Kultur in gesellschaftstheoretischer sichtlich „kleinerer“ Werte können werden müssen, teils sogar als for- und in der Kunst (Literatur, Filme, werden – und seien es Aussagen Perspektive ist zunächst ein Sym- alle anderen Subsysteme jene Rolle malisierte Medien, wie beispielswei- Theater usf.) werden Geschlechter- ästhetischer Art. bolsystem außerhalb des sozialen übernehmen). se der Dekalog („10 Gebote“). Zum normen verhandelt: Sollen Frauen Haben sich am Übergang vom Systems Gesellschaft. Religion wie- In einer materialistischen Per- entscheidenden Gedanken wird nun und Männer gleich sein oder ver- 20. zum 21. Jahrhundert Verschie- derum ist zugleich als Symbolsystem spektive bleibt die Entstehung von als Grundvoraussetzung für diese schieden? Was heißt „Weiblichkeit“, bungen im Verhältnis von Religion Bestandteil des Kultursystems und, Werten letztlich dunkel. Sie erschei- symbolischen Kommunikations- was „Männlichkeit“ usf.? Nun wirkt und Kultur ergeben und führten sie als Handlungssystem und Instituti- nen als Derivat primär politisch- medien der Umstand, dass in einer sich die Geschlechtermoral auf alle zu bisher unbekannten Wertkonf- onengefüge, Bestandteil des Legiti- ökonomischer Prozesse, bisweilen Gesellschaft ein einheitliches, für anderen Subsysteme aus, beispiels- likten? Diese Verschiebungen sind mationssystems ausdifferenzierter, auch als biologisch-psychologisch alle ihre Mitglieder verpflichtendes weise auf die Arbeitsteilung in der Kern der Leitidee der Säkularisie- moderner Gesellschaften. Leitend abgeleitetes Phänomen wie in der Wertsystem nicht mehr existiert, Wirtschaft und auf die Rechtsver- rung, dem womöglich zentralen ist dabei ein weiter Religionsbegriff Soziobiologie, reduziert auf „neo- wobei natürlich weiterhin Werte in- hältnisse im politischen System Element der Soziologie als Theorie als Letztwertbegründung und Letzt- kortikale Funktionen“. Materialis- ternalisiert werden. Wir beobachten (Frauenrechte usf.) und wirkt von einer durch funktionale Differen- wertpraxis. mus als philosophische wie soziolo- einen faszinierenden Perspektiven- dort auch wieder zurück auf die zierung bestimmten Moderne. Es Max Weber bezog in seinem Auf- gische Weltdeutung bemisst Werten wechsel: Der Blick fällt jetzt auf die Moralverhältnisse. Man kann auch stellt sich also nicht nur die Frage, satz „Die ‚Objektivität’ sozialwissen- folglich nur sekundären Status bei. Dynamik innerhalb der Subsysteme beobachten, dass religiöse und ob einzelne Wertkonflikte der Ge- schaftlicher und sozialpolitischer Gegen die materialistische-marxisti- der Gesellschaft und – entspre- wissenschaftliche Vorstellungen des genwart, von den Konflikten um Erkenntnis“ Kultur und Werte eng sche wie utilitaristische Ableitungs- chend der „Interpenetration“, der „richtigen“ Geschlechterverhält- eine Begründung sozialer Gerech- aufeinander: „Der Begriff der Kultur doktrin hat sich stets soziologischer wechselseitigen Durchdringung nisses auf die gemeinschaftliche tigkeit im Wohlfahrtsstaat bis zum ist ein Wertbegriff. Die empirische (und philosophischer) Widerstand der Subsysteme – auf die Dynamik Praxis Einfluss nehmen, vor allem fundamentalistischen Terror, eher Wirklichkeit ist für uns ‚Kultur’, weil geregt, Emile Durkheim und Weber zwischen den Subsystemen. Das in solchen Gesellschaften, in denen religiös oder eher kulturell bedingt und sofern wir sie mit Wertideen in gelten bis heute als dessen Wortfüh- entscheidende Merkmal dieser Dy- das Gemeinschaftssystem, noch sind, sondern ob eine eventuelle Beziehung setzen, sie umfaßt dieje- rer, die für eine Eigengesetzlichkeit namik ist Pluralismus. In unserer eng mit dem Legitimationssystem Verschiebung im Verhältnis von Re- nigen Bestandteile der Wirklichkeit, der Wertentstehung plädieren. Perspektive sind hierfür vor allem verwoben, undifferenziert ist. Dies ligion und Kultur neue Wertkonflikte welche durch jene Beziehung für In jedem Subsystem der Ge- die Subsysteme Wissenschaft und ist derzeit vor allem ein Problem für erst konstruiert. uns bedeutsam werden, und nur sellschaft werden „Werte“ in Form Religion zuständig: Im wissenschaft- islamische Gesellschaften. Die Spannung zwischen Religion diese“. In Frankreich und unterdes- von Sinn genutzt, um das jeweilige lichen Diskurs müssen sich Werte Ein Beispiel für die Auseinan- und Kultur, die am Anfang des 20. sen auch in Deutschland wird vor System „abzuschließen“. Das be- historisch und synchron begründen dersetzung um Ethik und Werte ist Jahrhunderts auf globaler Ebene Gerichten um die Frage gestritten, deutet, dass es „kleine“ und „große“ lassen, versprachlichen, vergleichen die Kontroverse um die so genannte auftritt, ist insoweit eine Spannung ob eine muslimische Lehrerin an Werte gibt und dazwischen ein und verstehen. Zugleich werden „Euthanasie“: Soll die Gesellschaft innerhalb der kulturellen Sphäre. Zu einer Staatsschule ein Kopftuch breites Spektrum „mittlerer“ Wer- widersprüchliche Wertmuster wis- durch ihre Institutionen im Ge- den Schwierigkeiten dabei gehört tragen dürfe. Handelt es sich beim te. Im Wirtschaftssystem der Ge- senschaftlich reflektiert, permanent sundheitswesen das Recht haben, die Tatsache, dass Religion heute viel Kopftuch um einen religiösen oder sellschaft werden Gebrauchs- wie kontrovers diskutiert. Im Subsystem über „lebenswertes“ Leben zu ent- weiter verstanden werden muss und um einen kulturellen Ausdruck? Tauschwerte erzeugt und erhalten, Religion werden – so könnte man scheiden? Hier geht es offensichtlich auch scheinbar rein säkular-ratio- Auf welche Wertidee bezieht sich formell institutionalisiert (als Geld) sagen – die „tiefen“ oder „starken“ nicht um kommunikative Moral, nalen Weltanschauungen Religion- das Kopftuchtragen? Im ersten Fall im Finanzsystem. Im politischen Werte „geschöpft“. Ich spreche des- sondern um „tiefere“, „stärkere“ scharakter zukommen kann, wenn wäre der Kampf für das Kopftuch im System ist vor allem das Rechts- halb hier von der Zuständigkeit des Werte. Zu Recht fühlen sich hier sie je letzte Werte reklamieren und Unterricht ein Kampf um religiöse, System dafür zuständig. Wenn wir Religionssystems für „Letztwerte“. Wissenschaft und vor allem Religion praktizieren. geistige Freiheit. Im zweiten Fall aber im üblichen Sprachgebrauch Im Unterschied zum Legiti- berufen. Das Beispiel des „Kopftuch- wäre dieser Kampf ein Kampf um den Begriff „Werte“ verwenden, so mationssystem werden im Ge- Streites“ wiederum scheint zwi- Der Verfasser ist habilitierter So- Modefreiheit, um einen partikularen beziehen wir uns gemeinhin auf meinschaftssystem weniger Werte schen beiden Sphären zu schillern: ziologe und Professor an der Fach- Ausdruck, der gegenüber mögli- Kulturwerte, also ästhetisch-mo- kommuniziert als vielmehr Kom- Während die einen im Kopftuch hochschule Jena. Er veröffentlichte cherweise „höheren“ Werten wie ralische Werte, und auf Letztwerte, munikationen selbst. Vielleicht wird eine religiöse Symbolik sehen und zuletzt „Kultur versus Religion? So- der geistigen Freiheit der Schüler also religiös-ethische Werte. Für dieser komplexe Zusammenhang dabei auf den Habit katholischer ziologische Analysen zu modernen zurückstehen sollte. unsere Fragestellung nach dem deutlicher, wenn wir zwischen Moral Nonnen verweisen, meinen andere, Wertkonflikten“ (transcript 2007). Kultur und Kirche politik und kultur · März – April 2008 · Seite 14

Kunst oder Verkündigung? Olaf Zimmermann und Gabriele Schulz interviewen Choong-Sik Hong Gabriele Schulz: Ich beginne di- Olaf Zimmermann: Woher kommt rekt mit einer „großen“, vielleicht diese Entwicklung? schwierigen Frage. Wie sehen Sie Hong: Es muss im Gesamtkontext Ihre Rolle als Kirchenmusiker? Liegt gesehen werden, viele Menschen der Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit in verlieren ihre Erwartungen an die der künstlerischen Arbeit oder hat Kirche. Das gilt auch für die Chor- die Musik eine dienende Funktion mitglieder. Aber ganz entscheidend im Gottesdienst bei der Verkündi- ist immer, dass, trotz aller Kritik im gung? Chor, die Kerngemeinde vertreten Choong-Sik Hong: Künstlerische ist, diejenigen, die am engagiertesten Funktion ist meine Oberfläche und für die Gemeinde arbeitet. Deshalb Verkündigung ist meine innere Kraft. funktioniert der Chor noch. Wenn man nur in künstlerischen Zimmermann: Kommen wir noch Funktionen denkt, dann klappt es auf ein anderes musikalisches Ele- nicht, weil die Kirche zwar die Kunst ment in der Kirche, nämlich auf braucht, aber die Kunst nicht alles ist, die Orgelmusik, zu sprechen. Wie was die Kirche braucht. Kunst ist ein schätzen Sie denn die Entwicklung Mittel für die Verkündigung. Ich stehe des Orgelspielens in der Kirche ein? auf der Bühne als Kirchenkünstler, der Gewinnt die Orgel an Bedeutung oder innerlich überzeugt davon sein muss, verliert sie? was er tut und warum er es tut. Hong: Obwohl die Orgel im Gottes- Schulz: Das heißt also, dass die Musik dienst, besonders im herkömmlichen eine unterstützende Funktion bei der Predigt-Gottesdienst, die ganze musi- Verkündigung, also im Gottesdienst, kalische Verantwortung übernimmt, hat? Dass durch sie zusätzliche Saiten wird Orgelmusik oftmals nur gering bei den Besuchern anklingen? geschätzt. Teilweise werden Organis- Hong: Das kann man so nicht immer ten mehr als Kunsthandwerker denn sagen. Im Moment entwickelt sich als Künstler betrachtet. Das liegt zum die Musik in der Kirche zu einem Teil an mangelndem künstlerischem Kunstwerk, das weniger mit der Ver- Niveau. Leider sind die meisten kündigung zu tun hat. Die Kirchen jungen Musiker nicht an einem werden zu den Gottesdiensten we- Kirchenmusikstudium interessiert. niger besucht, aber trotzdem mögen Dabei kann ein begabter junger Orga- die Kirchgänger sehr, sehr gerne die nist vieles tun, um den Gottesdienst Kunstwerke. Deshalb wird die Musik kunstvoll zu gestalten, wie es in der erhalten bleiben. Aber die wichtigste Bibel gefordert wird. Man merkt die Substanz, finde ich, wird ein bisschen große Funktion der Orgel nicht, aber weniger. Deutlich wird dieses in der vergleicht man Licht und Salz, ist die Choong-Sik Hong. Foto: Privat Chorarbeit. Die Chöre sind nicht so Orgel das Salz. Man merkt es nicht, sehr ein Teil der Kirchengemeinde, aber in jeder Ecke spielt die Orgel ein geträumt, aber einen bestimmten Südkorea schnell aus. Und die Kirche Ich weiß, dass es Vorurteile gegenü- sie nutzen vielmehr einen Raum der kleines bisschen mit. Das Wort Gottes konkreten Weg habe ich dahingehend sang immer. Deshalb wurden dort ber der Kirchenmusik gibt. Es wird Kirche. Die Chormitglieder wollen wird dadurch geschmeidiger und fle- nicht verfolgt. Einerseits wollte ich viele Musiker ausgebildet. Meines Er- kritisiert, dass die Kirche viel Geld einfach musikalisch Spaß haben xibler und trotzdem kunstvoll. Das ist nach Ende meines Studiums heim- achtens sind die klassischen Musiker in etwas investiert, was aus Sicht der und wollen ein paar größere Auffüh- die Aufgabe der Organisten. kehren, andererseits wollte ich den – also die weltlichen – in Korea zu 2/3 Kritiker Kunst ist, aber nichts mit Ver- rungen in der Kirche machen. Aber Zimmermann: Warum übernehmen künstlerischen Weg in Deutschland oder 90% Christen. kündigung zu tun hat. Es gibt daher im Gottesdienst singen, wollen die Sie diesen Dienst letztendlich in einer weitergehen. Dafür brauchte ich eine Zimmermann: Wenn Sie einen Aus- die Tendenz, der Musik nicht so viel meisten Chormitglieder eher nicht. Kirchengemeinde zu spielen, jede Wo- neue Herausforderung: Ich wechselte blick wagen würden, wie wird sich mit Spielraum einzuräumen. Ich kann di- Das ist vielfach, aber nicht überall che natürlich spielen zu müssen und nach Hamburg. Dort habe ich ganz Ihren Erfahrungen die Kirchenmusik ese Meinung verstehen. Ich gehe aber ein Problem. Es hängt natürlich damit auch einen Kompromiss ma- gezielt das Konzertfach Orgel studiert. in den nächsten 10 bis 15 Jahren in davon aus, dass die Kirchenmusik, stark vom Chorleiter ab. Dennoch ist chen zu müssen, zwischen Ihrer künst- Leider ist es aber ein sehr enger und Deutschland entwickeln? in der sich das Wort und die Musik nicht von der Hand zu weisen, dass lerischen Tätigkeit auf der einen Seite begrenzter Weg, will man als Konzer- Hong: Das ist schwer zu sagen. Ich zusammenfinden, den Menschen das es schwer ist, Chormitglieder für den und natürlich auch der liturgischen torganist Fuß fassen. kann ganz mutig eine große Hoff- Bild Gottes „sichtbar“ machen kann, Gottesdienst am Sonntag zu gewin- Tätigkeit auf der anderen Seite? Zimmermann: Wie Sie eben gesagt ha- nung äußern, weil meines Erachtens weil Gott das Wort und der Geist ist. nen. Wenn allerdings ein großes Kon- Hong: Ich suche auch immer wieder ben, sind Sie aus Korea nach Deutsch- die Kirchenmusik die Kirche erhält. Die Musik ist eine geistliche Sprache. zert zu Weihnachten stattfinden soll, Gelegenheiten, bei denen ich als land gekommen, um hier Kirchen- Vielleicht liegt das aber auch daran, Es geht um das, was der Psalmist mit dann kommen alle. Nach der Som- reiner Künstler auftreten kann. Aber musik zu studieren. Mich würde noch dass ich aus dem Fach Musik kom- den Worten schildert: „Gott thront merpause sind alle so begeistert und Kirchenmusik ist das Fundament mal interessieren, warum Sie diesen me. Ich denke aber, dass die Musik über den Lobgesängen Israels“. fleißig. Diese Situation ist aus meiner meines Lebens. Ich habe im Got- Weg gegangen sind. nicht allein das Problem lösen kann. Dieser Bibelvers ist der Schlüssel zu Sicht eher traurig. In Südkorea, dem tesdienst angefangen zu singen, zu Hong: Damals in Korea wusste ich Die Musik kann zwar viel verbessern meiner ganzen Kunst und zu meinem Land, aus dem ich komme, sind die musizieren. Im Elternhaus wurde schon, dass das Kirchenmusikstudi- und die Musik spielt in der Kirche ganzen Leben, so werde ich ermutigt Chöre und musikalischen Akteure ich christlich erzogen und in meiner um in Deutschland sehr umfangreich eine tragende Rolle, aber selbst kann und stolz meinen Weg weiter gehen. in den Kirchen sehr aktiv, meistens Jugend habe ich diesen Glauben in mir und sehr anspruchsvoll ist. Dieser die Musik nichts ausrichten. Das ist In diesem Sinne soll man die Kunst ehrenamtlich. Die Chöre singen in gefestigt. Daraus erwuchs der Wunsch, hohe Anspruch war für mich irgend- Aufgabe des Heiligen Geistes. Wenn in der Kirche achten, andererseits jedem Sonntagsgottesdienst. Das Kirchenmusik zu machen. Mir wurde wie attraktiv. Und damals in Korea die Musik für die Menschen den An- sollte darauf geachtet werden, dass musikalische Niveau ist zwar je nach dann empfohlen, Orgel zu spielen. In war kaum jemand zu finden, der in reiz bietet, wieder mehr in die Kirche die Kirchenkunst nicht in eine reine Status der Gemeinde unterschied- meiner Studienzeit in Korea wurde ich Deutschland oder in Europa Kirchen- zu gehen, dann muss aber auch das Spaßgesellschaft verwandelt wird. lich, aber der Chor wird generell für sehr ermutigt, diesen Weg weiter zu musik studiert hatte. Einerseits war richtige Wort gesprochen werden, Zimmermann: Ich würde gerne eine einen sehr wichtigen Bestandteil des verfolgen. Ich habe davon geträumt, ich ehrgeizig, sah mich als Pionier, damit die Leute wirklich im Herzen abschließende Frage stellen. Eben Gottesdienstes gehalten. Ohne den nach Deutschland, in das Land von andererseits hoffte ich, für die Zu- glauben. Dies nur durch die Musik habe ich gefragt, wie es mit der Chor kann man sich den Gottesdienst Johann Sebastian Bach, zu kommen, kunft der koreanischen Kirchenmusik zu erreichen, ist aus meiner Sicht Kirchenmusik in Deutschland in 15 dort nicht vorstellen. In deutschen um hier Kirchenmusik zu studieren. eine Rolle zu spielen. nicht möglich. Ansonsten könnten Jahren aussieht. Das war eine sehr Kirchen ist diese Tradition leider Berühmt oder zumindest bekannt Schulz: Spielt die deutsche Kirchen- die Menschen auch sagen: Ich gehe allgemeine Frage. Jetzt habe ich eine verloren gegangen. zu werden, davon habe ich schon musik in Korea eine besondere Rolle, doch zu Konzerten. Warum muss ich ganz persönliche Frage. Wie sieht es weil Sie sich dafür entschlossen unbedingt im Gottesdienst dabei sein mit Ihnen in 15 Jahren aus? Was wer- haben, nach Deutschland zu kom- und Gottes Wort hören? Dazu habe den Sie in 10 bis 15 Jahren als Künstler men? ich keine Lust. Für mich ist doch aus- machen? Choong-Sik Hong Hong: Ja, bestimmt. Deutschland schließlich die Musik interessant. So Hong: Das ist schwierig zu beant- wird in Korea generell als Musikland könnte es unter Umständen weiter- worten. Ehrlich gesagt, wenn ich hier geboren 1970 in Seoul/Südkorea, fried-Silbermann), Tokyo(Musashino) gesehen und respektiert, obwohl die gehen. Obwohl die Kirchenmusik so keine bessere Funktion übernehmen studierte Kirchenmusik und Orgel und Luzern(Messiaen und Bach). koreanische Kirche sehr amerika- hoch entwickelt ist, dieser Kernpunkt kann, dann werde ich nach Hause an der Yonsei Universität in Seoul nisch orientiert ist. Es werden z.B. ist weg. Die Texte der Kirchenmusik zurückkehren, bei allen Schwierig- bei Prof. Tong-Soon Kwak, und der Neben seiner Konzerttätigkeiten als viele neue Lieder aus den USA ge- beinhalten natürlich die Verkündi- keiten, die dort bestehen. In Korea staatlichen Hochschule für Musik Orgelsolist im In- und Ausland, trat sungen, zum Teil sogar ausschließlich gung. Aber nur damit den Glauben werden zwar gut ausgebildete Kir- und Darstellende Kunst in Stuttgart er zahlreich als Chorleiter, Pianist neue Lieder. Aber es gibt auch eine am Leben erhalten zu wollen, ist aus chenmusiker gebraucht, es gibt aber bei Prof. Ludger Lohmann. 2003 und Kammermusiker auf, und spielte Minderheit, die auch die traditionelle meiner Sicht zu schwach. nut wenige Stellen, weil die westliche schloss er sein Orgel-Konzertexa- deutsche Erstaufführungen der Zeitge- Musik in der Kirche spielen will. Das Zimmermann: Also, dass die Bedeu- Musikkultur in Korea noch ganz neu men bei Prof. Wolfgang Zerer an der nössischen Musik, darunter 5. Konzert ist zwar eine ganz kleine Bewegung, tung der Musik in der Kirche letztend- ist. Zwar schon hoch entwickelt, aber Hochschule für Musik und Theater für Orgel und Blechbläser op.35 (2002) aber sie ist ziemlich stark. lich abnimmt oder fehlt letztlich doch wie in Deutschland ist das dort nicht. in Hamburg mit Auszeichnung ab. von Jean Guillou, und eine Rundfunk- Schulz: Ist Orgelmusik immer tradi- die Unterstützung? Deshalb wäre das ein schwieriger, ein Weitere künstlerische Anregungen produktion (SWR) mit Werken von tionelle Musik oder gibt es dort auch Hong: Dass künstlerische Arbeit nicht enger Weg. Eigentlich träume ich aber empfing er am Klavier bei Prof. Elgin Hermann Schroeder und Max Reger. neue Entwicklungen? nach exakter Stundenzahl berechnet davon, dass ich hier in Deutschland Roth in Hamburg. Hong: Die amerikanischen Missi- werden kann, ist mir klar. Wenn ich als Künstler etwas weiterentwickeln Sein Kirchenmusikalisches Berufs- onare haben zuerst in Korea das beispielsweise ein Orgelkonzert spiele, werde. Das heißt, ich würde mich 2001 war Hong der 1. Preisträger bei leben begann er in Halstenbek bei Harmonium – also eine Liedorgel dann kann ich schön fleißig üben, gerne selber engagieren und vieles dem internationalen Orgelwettbewerb Hamburg, und wechselte dann nach – eingeführt. Danach kam das Klavier. meine ganze Zeit investieren und ausprobieren. Aber was in 15 Jahren um den „Hermann-Schroeder-Preis“ so- Berlin. Seit Juni 2007 ist er Kirchen- Anfang des 20. Jahrhunderts wurde mich vollkommen darauf konzent- ist, ist für mich schwierig zu beant- wie Preisträger bei den internationalen musiker an der Trinitatiskirche Berlin- die erste Pfeifenorgel in Nordkorea rieren. Sogar im Bett denke ich dann worten. Orgelwettbewerben in Freiberg (Gott- Charlottenburg. aufgebaut. Erst nach dem Koreakrieg noch an die Musik. Das ist Kunst. Das Zimmermann: Vielen Dank für das breitete sich diese Musikkultur in kann man nicht berechnen. Gespräch. Kultur und Kirche politik und kultur · März – April 2008 · Seite 15

Kunst trotzt Armut Kunst für mehr Mitmenschlichkeit •Von Andreas Pitz Dem Kunst- und Kulturbetrieb heu- tiger Zeit haftet häufig etwas Eli- täres an. In Zeiten knapper Kassen und leerer öffentlicher Haushalte wird Kulturförderung und Kunst gerne und schnell gegen Soziales ausgespielt. Das ist schade, denn bei genauerem Hinsehen kann man feststellen, dass viele Künstler und Kulturschaffende immer wieder ihre Aufmerksamkeit benachteiligten Gruppen in unserer Gesellschaft widmen und auf eindrückliche Art und Weise durch ihre Arbeiten auf gesellschaftliche Missstände und soziale Probleme aufmerksam machen. Man denke nur an die ausdrucksstarken Arbeiten der Künstlerin Käthe Kollwitz oder den Zeichner Heinrich Zille, die mit ih- rer Kunst Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts schonungslos auf soziales Elend und gesellschaftliche Ungerechtigkeit der damaligen Zeit aufmerksam gemacht haben und somit an das soziale Gewissen ihrer Zeitgenossen appellierten. Auch in heutiger Zeit gibt es zahlreiche Künstlerinnen und Künstler, die sich in ihren Arbeiten und Aktionen mit Themen wie Armut, Ausgrenzung und Diskriminierung von Randgruppen auseinandersetzen.

ie Armut in Deutschland wächst D und Obdachlosigkeit ist eine ihrer sichtbarsten Formen. Die Dia- konie schätzt, dass in Deutschland ca. 300.000 Frauen und Männer von Wohnungslosigkeit betroffen sind und in ungesicherten, oft prekären Verhältnissen in extremer Armut le- ben müssen. Diese skandalöse Tatsa- che muss publik gemacht werden und darf nicht bagatellisiert werden. Unter dem Motto „Kunst trotz(t) „Oskar für Obdachlose“, eine Bronzeskulptur von Jörg Immendorff. Ein Exponat Armut“ hat die Evangelische Obdach- der Ausstellung „Kunst trotz(t) Armut“. © Evangelische Obdachlosenhilfe e.V. losenhilfe e. V. eine bundesweite Wan- derausstellung mit zeitgenössischer hart zu machen gegen das Mitleiden. der Nationalen Armutskonferenz, be- Kunst zum Thema Obdachlosigkeit, Die Arbeiten der hier versammelten schreibt die Intention des Projektes in Armut und soziale Ausgrenzung or- Künstlerinnen und Künstler bilden seinem Vorwort zum Ausstellungska- ganisiert. nicht ab, was jeder von uns sehen talog folgendermaßen: „Die Botschaft Über 100 Exponate von 20 Künst- könnte, wenn er mit offenen Augen dieser Ausstellung ist unzweideutig: lerinnen und Künstlern wurden die Bahnhofsquartiere und sozialen Ausgrenzung überwinden durch zusammengetragen – neben Werken Brennpunkte unserer Städte durch- Kunst, für Gerechtigkeit und Teilhabe von so berühmten Künstlerpersön- quert. Stattdessen gehen sie auf eintreten durch künstlerische Re- lichkeiten wie Jörg Immendorff, Sig- Spurensuche an den Schwellenräu- präsentation. Demokratie lebt eben mar Polke und Felix Droese sind auch men zwischen bürgerlicher Existenz nicht nur von und durch Mehrheiten, Obdachlose mit eindrucksvollen und öffentlicher gelebter Randlange. sondern auch und vor allem dadurch, künstlerischen Arbeiten vertreten. Was sind die Strategien, um in den dass der soziale Ausgleich gelingt. Christhard-Georg Neubert, Kunst- Randlagen zu überleben? Die hier Dass die Armen nicht verloren gehen. beauftragter der Evangelischen Kir- zusammengetragenen Kunstwerke Dass sie eine öffentliche Stimme ha- che in Berlin und Direktor der Kul- schärfen den Blick für die fremde ben – und dass unsere Gesellschaft turstiftung St.Matthäus, schreibt Existenz ‚am Nullpunkt’, hinter dem ihre Verantwortung für Solidarität in seiner Einführung: „Diese Wan- selbst in Deutschland oft genug der und Gerechtigkeit nicht vergisst.“ derausstellung vereinigt zwanzig Tod lauert. Vor diesen Bildern im- Gustav Heinemann hat es in seiner künstlerische Positionen, die sich munisiert sich die Einbildungskraft großen Grundgesetzrede im Jahre auf je eigene Weise dem Leben von gegen alle Bettlerromantik. Diese 1974 so gesagt: „Die Erfahrungen Menschen ohne Obdach zuwenden. Bilder präzisieren, worum es geht. von Weimar haben gelehrt, dass wir Die künstlerischen Mittel und Zu- Allen Arbeiten gemeinsam ist eine beides – Rechtsstaat und Fürsorge gänge sind so unterschiedlich wie hingebungsvolle, trotzige Suche – miteinander verbinden müssen. das Leben der Wohnungslosen. Alle nach dem Verstehen menschlichen Soziale Grundlegung ist für die Demo- hier gezeigten Arbeiten sind frei von Daseins an den Bruchkanten des kratie unerlässlich“. Es geht also um jedweder Mitleidsästhetik. Gleich- Lebens.“ nicht weniger als dies: durch Kunst zeitig aber lassen sie sich lesen als Dr. Wolfgang Gern, Vorstandsvor- die wachsende Spannung zwischen dauerhafte Gegenwehr gegen die sitzender des Diakonischen Werkes arm und reich überwinden helfen, Versuchung, wegzuschauen oder sich in Hessen und Nassau und Sprecher verdeckte und verdrängte und ver- schämte Armut ins öffentliche Licht rücken, Augen und Herzen öffnen für Mitmenschlichkeit inmitten der Termine und Ausstellungsorte wachsenden Kälte einer reichen Gesellschaft.“ 06.02.-27.02.2008 Hannover Das Projekt wird von der „Aktion Mensch e.V.“ der Deutschen Behin- 03.03.-18.04.2008 Heidelberg dertenhilfe gefördert. Die Ausstellung ist am 31.10.2007 22.04.-16.05.2008 Köln in Berlin von Diakoniepräsident Klaus 20.05.-08.06.2008 Bremen Dieter Kottnik eröffnet worden und wird bis 31.12.2008 bundesweit in 12 29.06.-13.08.2008 Nürnberg Städten Station machen. Nähere Informationen zu den 17.08.-21.09.2008 Speyer Ausstellungsorten und Begleitver- anstaltungen finden Sie unter www.

29.09.-29.10.2008 Leipzig evangelische-obdachlosenhilfe.de. ConBrio

31.10.-25.11.2008 Minden Der Katalog ist über die Geschäftsstelle 28.11.-31.12.2008 Mainz der Evangelischen Obdachlosenhilfe e.V., Stafflenbergstr.76, 70184 Stuttg- www.conbrio.de art, Tel: 0711/215 97 24 zu beziehen. Kulturelle Bildung politik und kultur · März – April 2008 · Seite 16

Kunst, Teilhabe und kulturelle Bildung Die konstitutive Rolle von Kunst bei der Ausbildung von Welt-Anschauung • Von Max Fuchs Die drei in der Überschrift genannten auf der Ebene Europas, des Bundes Begriffe lassen sich auf unterschied- oder einzelner Länder, die all dies liche Weise miteinander kombinie- bekräftigen und die sogar bestimm- ren – und alle Kombinationen sind te Leistungsansprüche präzisieren. sinnvoll. Eine erste Formulierung Letzteres ist besonders wichtig, da oft lautet etwa: Durch Teilhabe an Kunst genug abstrakte Ansprüche nur durch entsteht kulturelle Bildung. Diese entsprechende Finanzen „materielle Formulierung ist die Grundlage zu- Gewalt“ werden. So findet man in mindest eines Teilbereichs dessen, der Präambel des Sozialgesetzbuches was man „kulturelle Bildung“ nennen (SGB) gute Aussagen zur sozialen Teil- kann (vgl. meine beiden Aufsätze habe. Dies ist wichtig, weil das Sozi- „Was ist kulturelle Bildung?“ in puk algesetzbuch dasjenige Gesetzeswerk 6/07 und „Kommen die musischen sein dürfte, hinter dem die größten Zeiten zurück?“ in puk 1/08). Haushaltstitel auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene stehen. Man ie Künste bilden, so die Über- findet in den ersten Paragraphen D zeugung. Sie helfen bei der Ent- der Schulgesetze der Länder oder wicklung notwendiger Lebenskom- im ersten und elften Paragraphen petenzen. Man muss nur die Gele- des Kinder- und Jugendhilfegesetzes genheit haben, an künstlerischen (Bd. 8 des erwähnten SGB) wichtige Prozessen rezeptiv oder aktiv zu Aussagen, die alle bekannten Slogans partizipieren. Eine zweite Formu- bekräftigen. Einige dieser Slogans lierung ist: Kulturelle Bildung ist die sind sogar schon recht alt und haben Voraussetzung für eine Teilhabe an trotzdem ihre Relevanz noch nicht Kunst. Auch dies ist eine gut belegte eingebüßt. So sprach zur Zeit des Aussage. So hat der Sozialpolitikfor- Dreißigjährigen Krieges bereits Johan scher F. X. Kaumann gezeigt, dass es Komensky (Comenius) von einer vier notwendige Voraussetzungen „Bildung für alle“, also für Arme und dafür geben muss, dass (in seinem Reiche, für Adlige und Leibeigene, Fall: soziale) Teilhabe gelingt: Es für Jungen und Mädchen. Und Hil- müssen rechtliche, geographische, mar Hoffmann forderte bekanntlich „Kulturelle Bildung ist die Voraussetzung für eine Teilhabe an Kunst.“ © BKJ ökonomische und bildungsmäßige – analog zu diesem Slogan – „Kultur Bedingungen erfüllt sein. Rechtlich: für alle“, allerdings über 300 Jahre Ein erster Hinweis ist das, was der der Kulturbereich abarbeiten muss: Kanons der Konrad-Adenauer-Stif- Es darf keine rechtlichen Beteili- später. französische Soziologe Pierre Bour- Anscheinend hat jedes Kulturange- tung). Was heißt eigentlich ästhetische gungshindernisse geben. Dieses Kri- Auf der rechtlichen Ebene scheint dieu mit einem gewissen Stolz die bot sein dazu passendes Publikum. Qualität und welcher Zusammenhang terium ist etwa wichtig bei der Frage also alles in Ordnung zu sein. Dass „vierte narzisstische Kränkung“ des Gibt es keinen Ausweg aus dieser besteht zwischen dieser und der päd- der politischen Teilhabe, z.B. bei der in der Realität dies nicht der Fall ist, Menschen genannt hat. Welchen Misere? Bourdieu zeigte – nun aller- agogischen Wirksamkeit? Kann man Wahlberechtigung von Zuwanderern. dies muss eine ständige Herausforde- Rang diese Kränkung hat, erkennt dings nicht als Soziologe, sondern Kindern oder ästhetisch ungeübten Geographisch: Die Angebote müssen rung für die Politik, aber auch für die man bei der Nennung der ersten als vom Präsidenten beauftragter Menschen nur Einfachstes zumuten erreichbar sein. Dies ist durchaus re- Einrichtungen und ihre Mitarbeiter drei Kränkungen: Zunächst hat näm- Bildungsplaner – einen Ausweg: Das (und was wäre das)? levant auch und gerade bei der kultu- sein. „Bildung für alle“: Wenn ein lich Kopernikus gezeigt, dass der Bildungssystem muss dafür sorgen, All diese Fragen klingen zwar an- rellen Teilhabe. Man schaue sich nur Menschenrechtsbeauftragter der Ver- Mensch mitnichten im Mittelpunkt dass auch elaborierte ästhetische spruchsvoll, doch sind sie im Rahmen einmal in der eigenen Stadt die Lage einten Nationen die Bundesrepublik des Universums steht. Man fand Codes jenseits von Klasse und Stand von empirischen Untersuchungen der Theater, Museen, Musikschulen aufsucht, um der Frage nachzugehen, heraus, dass er vielmehr einen win- von Klein auf außerhalb der Familie gut zu bearbeiten – wenn nicht der an, in welchen Stadtteilen sich diese ob die PISA-Ergebnisse etwas mit dem zigen Abfallbrocken einer unbedeu- angeeignet werden können. Dann hat Kunstdiskurs in Deutschland so stark Einrichtungen geradezu häufen – und Menschenrecht auf Bildung zu tun tenden Sonne in einem Seitenarm der derart gebildete Mensch später ideologisch überfrachtet wäre. Denn wo es überhaupt keine derartigen haben, dann ist dies ein starkes Indiz der Galaxie bewohnt. Darwin zeigte die Chance, souverän zwischen Klas- bei allen Aussagen über Kunst gibt Angebote gibt. Ökonomisch: Es sollte für eine Problemlage (Overwien/Pren- einige hundert Jahre später, dass der sik und Jazz, zwischen Komödie und es – gerade in Deutschland – eine keine finanzielle Hemmschwelle gel (Hg.): Recht auf Bildung, 2007): Mensch zudem nicht die Krönung Konzert selbst auswählen zu können. kaum zu überwindende hoch-ideo- geben. Auch dies ist bei dem Pro- Denn immerhin erreichten ca. 20% einer göttlichen Schöpfung ist, son- Der Kenner darf die „Wonnen der Ge- logische Bedeutungsschicht bei allem blem kultureller Teilhabe wichtig. der getesteten Jugendlichen nicht die dern seine unmittelbaren Vorfahren wöhnlichkeit“ (Th. Mann) genießen, Reden über Kunst, die vor allem im Und schließlich die Bildung: Dass unterste Kompetenzstufe des Lesens von Baum zu Baum hüpften. Und er darf sich sogar in die Niederungen 19. Jahrhundert entstanden ist. Da Kunst, speziell elaborierte Kunst oder – und sind daher von jeder Form von Freud zeigte kurze Zeit später, dass es der Trash-Kultur begeben. Denn es ist jedes Reden über Kunst, Bildung und Kunstformen aus anderen Ländern Teilhabe weitgehend ausgeschlossen. weniger die strahlende Vernunft ist, seine souveräne Entscheidung, für Teilhabe unvermeidlich in diese Ide- nicht ohne weiteres jedem Menschen Wenn man zudem berücksichtigt, dass die den Menschen steuert, sondern die er gute Gründe angeben kann. ologiegeschichte der Kunst verstrickt zugänglich ist, hat sicherlich jeder unter diesen 20% bestimmte Bevölke- eher Regionen im Unterleib für sein Die Macht der sozialen Distinktion ist, soll dieser Zusammenhang kurz schon einmal erlebt. Bildung – so rungsgruppen – etwa Jugendliche mit Handeln verantwortlich sind. Die durch eine mangelhafte ästhetische erläutert werden. ein Zwischenfazit – ist also sowohl Migrationshintergrund – überpropor- hochgelobte „Kultur“, auf die man Bildung ist durchbrochen. Politisch Entstanden ist er in der „Sattel- Voraussetzung als auch Folge von tional vertreten sind, dann passt auf gerade in Deutschland so stolz war, ist diese Erkenntnis hochrelevant. zeit“ (1770 – 1830), als sich nicht nur Teilhabe. Man kann das eine nicht diesen Befund durchaus der Begriff wurde so zu einem Ergebnis einer Denn damit wird jede Form ästhe- die Diskurse über Bildung, Kultur, ohne das andere diskutieren. der „organisierten Diskriminierung“. grandiosen Verdrängungsleistung tischer Früherziehung, wird jede Kunst, Ästhetik und Politik je für sich Und noch etwas ist den drei Be- Wer sich zudem Nutzerstudien von vitaler Triebe. Und was zeigte Bour- gute Unterrichtsstunde in Musik, in einer spezifischen Weise formten, griffen gemeinsam: Sie sind alle Kulturangeboten anschaut stellt fest, dieu? Dieser zerstörte in der vermut- Theater und Bildender Kunst, wird sondern auch auf komplizierte Wei- höchstrangig als Menschenrecht dass weder in Hinblick auf die Gene- lich umfassendsten empirischen jede Form aufsuchender Kulturarbeit se überschnitten bzw. voneinander abgesichert. So gibt es das Men- rationen, noch in Hinblick auf soziale Untersuchung die Illusion der idea- von Kultureinrichtungen nicht bloß abgrenzten. In Kürze: Der Kulturdis- schenrecht auf Bildung, es gibt das Schichten oder ethnische Indikatoren listischen Autonomieästhetik, dass zu einem persönlichkeitsfördernden kurs beginnt mit Herder. Dieser trägt Menschenrecht auf kulturelle Teil- im jeweiligen Publikum auch nur nämlich die Künste ein Trainingsfeld Bildungserlebnis, sondern zugleich vielfältige Informationen (oft auch habe, es gibt das Menschenrecht auf annähernd ein Abbild unserer Gesell- für den freiheitlichen Menschen sind, zu einem Baustein für eine „kulturelle nur Spekulationen) über das Leben ein Genießen der Künste und es gibt schaft vorliegt. Dies mag im Einzelfall wo dieser sich fit dafür macht, seine Demokratie“ (so der Europa-Rat in der Menschen in anderen Teilen der schließlich das Recht, vom eigenen zu begründen sein: Aufs Ganze gese- von der Ökonomie und Politik ver- den siebziger Jahren). Welt zusammen und verwendet für künstlerischen Schaffen profitieren hen und dies über Jahre hinweg ist hinderte Emanzipation doch noch zu Es bleibt allerdings auch dann die unterschiedlichen Lebensweisen zu dürfen. Neben der Allgemeinen dies – sanft formuliert – ein Problem. entwickeln. Künste sind nämlich bei noch einiges zu tun. Denn selbst bei den Begriff der Kultur. Herder führt Erklärung der Menschenrechte in Dies wird inzwischen auch anerkannt. Bourdieu keine Medien der Befrei- Anerkenntnis der sozialen und poli- so nicht nur den Kulturbegriff in die der sich all diese Einzelrechte finden, Denn nicht von ungefähr gibt es ung und der Integration, sondern sie tischen Funktion der Künste ist das Sprache der Gebildeten ein, er ist gibt es eine Fülle weiterer Konventi- seit einigen Jahren erhebliche An- sind die effektivsten Methoden der Problem ihrer pädagogischen Wirk- dabei zugleich der Stammvater des onen, Pakte und Verträge, in denen strengungen im Kulturbereich, durch Unterdrückung, zumindest dienen samkeit nicht gelöst. Man kann zwar ethnologischen Kulturbegriffs (Kul- diese Anspruchsrechte mit hoher (importierte) education-Programme, sie der Aufrechterhaltung der (un- pauschal behaupten, dass Künste tur = Lebensweise). Mit Kunst hatte Verbindlichkeit bekräftigt werden: die durch spezifische Programme eines gerechten) Gesellschaftsordnung. bilden. Doch welche Künste bilden dies zunächst überhaupt nichts zu Kinderrechtskonvention, der Pakt für „audience developments“, durch ein Das „Komfortable“ an ihnen ist, dass unter welchen Umständen wie? Da tun. Der zweite Schlüsselbegriff ist soziale, ökonomische und kulturelle erhöhtes Engagement in Sachen kultu- all dies ohne teure Zwangsmaßnah- wäre zunächst die Frage der (unter- „Bildung“. Dieser ist zwar bereits Rechte und neuerdings die Konven- reller Bildung diese Tatsache zu ändern men funktioniert. Denn Menschen schiedlichen?) Bildungswirkungen eingeführt, allerdings stark religiös tion zur kulturellen Vielfalt. (Mandel: Kulturvermittlung 2006). eignen sich stabile standortgemäße der einzelnen Sparten. Es wäre die überformt: In „Bildung“ steckt das Der Menschenrechtsstatus hat Das ist auch gut so. Denn sehr leicht ästhetische Präferenzen bereits in Frage, welche Unterschiede sich Bild Gottes (imago dei), nach dem der zudem weitere Konsequenzen: Eine könnte die Legitimität einer öffent- jungen Jahren an und ändern sie bei schöpferischem, nachschöpfe- Mensch von Gott geschaffen wurde. erste ist die Zusammengehörigkeit lichen Förderung – die immerhin von später nur noch in wenigen Fällen. rischem, aktiv-rezeptivem oder bloß Begriffe versteht man zudem immer aller Menschenrechte. So dürfen etwa Steuergeldern aller Bürger finanziert Die soziologische Empirie hat dann konsumptivem Umgehen mit Kunst auch, wenn man ihre Gegenbegriffe soziale, politische, kulturelle und öko- wird – auf dem Spiel stehen. gezeigt, dass kulturelle Präferenzen ergeben. Es ergibt sich die Frage im jeweiligen Diskurs betrachtet. nomische Teilhabe nicht auseinander Man sieht: die drei Begriffe in der der Menschen sehr eng mit ihrem nach Genres, Stilen, Gattungen und Der Gegenbegriff zu „Bildung“ (im gerissen werden. Die zweite wichtige Überschrift passen möglicherweise ökonomischen und sozialen Status ihren Bildungswirkungen. Platon nunmehr entstehenden „modernen“ Folge ist ihre Universalität: Men- in der Realität weniger harmonisch verbunden sind. Klammheimlich und akzeptierte bekanntlich die Musik Verständnis) ist Erziehung. Dies schenrechte gelten für alle Menschen zusammen, als man es beim ersten freiwillig ordnet sich der brave Bürger und wollte das Theater aus der Polis meint im Verständnis der Aufklärung ohne Ausnahme. Lesen und in einer theoretisch-inhalt- also ein und unter einfach dadurch, (wegen seines schlechten Einflusses zwar auch die Formung des Men- Damit hat man eine starke Ar- lichen Perspektive meinen könnte. dass er kulturell das nutzt, was er von auf die Tugend der Bürger) verjagen. schen, doch wird diese durch den gumentation auf seiner Seite, wenn Sie formulieren vielmehr einen stän- Kindesbeinen gewohnt ist. Der „klei- Heute fragt man (wie Adorno), ob mit Erzieher bewirkt. Mit der (neuhuma- man für kulturelle Bildung plädiert. digen Auftrag. Dieser Auftrag ist auch ne Unterschied“ in ästhetischen Stan- Pop, Rock und Jazz der Untergang nistischen) Bildungstheorie wird der Es ergeben sich allerdings daraus schwieriger, als manche wohlfeile dards führt zu großen Unterschieden des Abendlandes bevorsteht, der nur Akzent dagegen auf Selbstbildungs- bestimmte Verpflichtungen. Darauf Marketingstrategie suggeriert. Und in Hinblick auf politische und öko- durch einen Rückbezug auf das 19. wird zurückzukommen sein. Es dies hat durchaus systematische nomische Teilhabechancen. Dies ist Jahrhundert vermieden werden kann Weiter auf Seite 17 gibt zahlreiche weitere Regelungen Gründe. das „eherne Gesetz“, an dem sich (so tendenziell der Vorschlag eines Kulturelle Bildung / Streitfall Computerspiele politik und kultur · März – April 2008 · Seite 17

sie als Theorie (und Rehabilitation) Fortsetzung von Seite 16 der sinnlichen Erkenntnis. Dieser Ansatz wehrte sich gegen die Domi- prozesse des Subjekts gelegt. Man nanz des Rationalismus, so wie er in kann diesen Paradigmenwechsel Deutschland durch Christian Wolff in am ersten deutschen Pädagogik- der Nachfolge von Leibniz vertreten Lehrstuhl an der Universität Halle wurde. Doch gab es gleichzeitig ein ablesen: Der Philanthrop (so hieß – ständig wachsendes – Interesse eine einflussreiche Gruppe von Bil- an einer Theorie des Schönen und dungsreformern um Basedow, Campe Erhabenen. Hier hatten vor allem und anderen in der zweiten Hälfte angelsächsische, aber auch franzö- des 18. Jahrhunderts) Ernst Christian sische Importe einen großen Einfluss. Trapp wurde nach kurzer Zeit durch Es gab zudem eine Debatte über die den Neuhumanisten Friedrich Wolf geeignete Art einer kritischen Rezep- abgelöst. Ein anderes Verständnis tion von Kunst (Ästhetik als Theorie von Pädagogik, von Bildung, von der Kritik). Und schließlich gab es universitärer Lehre (seminaristische einflussreiche poetologische Ent- Methode), ein anderes Verständnis der würfe, also Anleitungen zum richten Universität (Einheit von Forschung Verfertigen von Dichtung. Man stritt und Lehre), eine andere Haltung sich zudem über die Wirksamkeit der zum Wissen (ist prinzipiell unab- unterschiedlichen Kunstformen (zum schließbar): All dies prägt nunmehr Beispiel Lessing in seinem Laokoon). das geistige Klima. So lässt Goethe in All dies war eingebettet in moralisch- den Wahlverwandtschaften Eduard politische Diskurse („Das Theater als sagen: „Es ist schlimm genug, dass moralische Anstalt“). Durchgesetzt man jetzt nicht mehr für sein ganzes hat sich – trotz der stark erkenntni- Leben lernen kann. Unsere Vorfahren sorientierten Ausrichtung von Kants hielten sich an den Unterricht, den sie Ästhetik – schließlich ein Verständnis in ihrer Jugend empfangen; wir aber von Ästhetik in ihrem Bezug zu den müssen jetzt alle fünf Jahre umlernen, Künsten. Schiller führte all diese wenn wir nicht ganz aus der Mode Diskurse: den poetologischen, den kommen“ (Phaidon-Ausgabe, Bd. 6, Diskurs des Kunstschönen, des Er- Friedrich Schiller in Öl gemalt von Christian Xeller aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts © Klassik-Stiftung Weimar S. 191) – und wird so unbeabsichtigt kennens, der Politik, der Bildung und zum Erfinder des Slogans von „lebens- der Lebensweise zusammen. Nicht Verhältnisse zerstört. Das politisch tisch verkürzte und apolitisch gedeu- dieser Bestimmung der geschichtlich- langem Lernen in der Wissensgesell- von ungefähr gelten seine „Briefe chronisch erfolglose deutsche Bürger- tete Schiller sein. Kunst im heroischen gesellschaftlichen Funktion der Kunst schaft“. Das Subjekt steht nunmehr zur ästhetischen Erziehung“ als das tum eignet sich die Künste als ihr Ter- Sinne von Schiller hat vielmehr eine ist die Annahme, dass der Mensch, der im Mittelpunkt, ganz so, wie es Kant meist interpretierte philosophische rain an, ideologisierte sie, entwickelte spezifische kulturelle Aufgabe und sich durch Arbeit in der Natur gegen in seinen drei Kritiken beschreibt: Werk, oft allerdings bloß genutzt als Kunst zur Kunstreligion (alles sehr gut ist daher notwendiger Bestandteil die Natur durchsetzt, nicht nur die Als erkennendes Subjekt konstruiert Steinbruch für Sonderinteressen. nachzulesen in der Geschichte des 19. einer jeglichen kulturellen Bildung. Überlebenschancen des Individuums es erst seine Wirklichkeit, als han- So ist Schiller gerade kein Gewährs- Jahrhunderts von Thomas Nipperdey) Mit den Worten der Ästhetikerin A. und der Gattung sichert. Durch seine delndes Subjekt findet es in sich die mann für eine weltabgewandte Kunst. und schuf jene ideologische Kruste, Gethmann-Siefert (Einführung in die Fähigkeit zu freier Gestaltung und in ehernen Gesetzte der Sittlichkeit und Er ist kein Gewährsmann für eine Tren- an der bis heute jedes Reden über Ästhetik, 1995, S. 268): „Die kulturelle der Ausbildung einer Tradition der als ästhetisches Subjekt gelangt es zu nung von Ästhetik auf der einen und musische, ästhetische, künstlerische Aufgabe der Kunst liegt im Bereich der Weltdeutung, in der die Kunst eine intersubjektiv gültigen Geschmacks- Ethik und Politik auf der anderen Seite. oder kulturelle Bildung leidet. Schiller Humanisierung der Natur, und zwar konstitutive Rolle (die Ausbildung urteilen. Ästhetik wird in kürzester Ein Gewährsmann ist er allerdings für könnte auch heute noch ein guter dient die Kunst dabei nicht allein der einer Welt-Anschauung) übernimmt, Zeit geradezu zur Leitdisziplin. Doch eine Überhöhung der „deutschen Kul- Gewährsmann sein, gerade wenn es Bearbeitung der Natur zu Lebens- wird menschliches Überleben gesi- wandelt sie in der kurzen Zeit nach ih- tur“, für eine folgenreiche Abgrenzung um Teilhabe, Kunst und kulturelle zwecken, sondern der Gestaltung der chert.“ rer Begründung durch Alexander Ba- der Diskurse über „Kultur“ und „Zivili- Bildung geht. Es dürfte allerdings nicht Natur zum Zweck der Einrichtung des umgarten Mitte des 18. Jahrhunderts sation“. Das 19. Jahrhundert hat viele der halbierte Schiller, der Schiller der Menschen in einer menschlichen, ihm Der Verfasser ist Vorsitzender des ihren Charakter: Begründet wurde Hoffnungen auf bessere politische deutschen Leitkultur, der ästhetizis- gemäßen Welt. Grundvoraussetzung Deutschen Kulturrates Auszeichnung von Computerspielen: Eine Revolution Eine Debatte, die sich völlig verändert hat • Oliver Klatt interviewt Olaf Zimmermann Oliver Klatt: Früher wurden Videoga- Gefahr geraten. Das hat auch viele Klatt: Für manchen klingen Formulie- mes hauptsächlich als „Killerspiele“ Abgeordnete des Deutschen Bun- rungen wie „kulturell und pädagogisch gebrandmarkt, heute wird vermehrt destages nachdenklich gemacht. wertvoll“ aus dem Antrag der Bundes- über ihre kulturelle Bedeutung ge- Viele haben damals angefangen tagsabgeordneten eher abschreckend Streitfall Computerspiele sprochen. Sind Sie mit dem Verlauf zu begreifen, dass wir keine guten und verdächtig nach Langeweile. der aktuellen Diskussion zufrieden? Computerspiele bekommen, indem Zimmermann: Bei dem Begriff „päd- Das Thema Computerspiele wurde vergeben. Die Branche wird sich an Olaf Zimmermann: Auf jeden Fall! Es wir die schlechten und gewalttätigen agogisch wertvoll“ würde ich sogar in dieser Zeitung bereits mehrfach dieser Vergabe beteiligen. Ziel ist es ist faszinierend, wie sich die Debatte Spiele einfach verbieten. Vielmehr zustimmen. Das erzieherische Poten- aufgegriffen. Der Anfang wurde in der künstlerisch sowie pädagogische wert- in den letzten Monaten verändert hat. sollte es darum gehen, kreative und zial eines Werks hat nicht unbedingt Beilage kultur ∙ kompetenz ∙ bildung volle Spiele zu fördern und speziell die Noch Anfang 2007 ging es beim The- innovative Spiele zu fördern. etwas mit seinem kulturellen Wert zu der Zeitung politik und kultur zu Beginn deutsche Computerspielebranche zu ma Computerspiele einzig und allein Klatt: Vonseiten der Industrie hört tun. Aber natürlich ist es auch schön, des letzten Jahres gemacht. Im Heft 9 stärken. Damit soll auch ein Beitrag um Gewalt. Diese Diskussion wurde man dazu auch kritische Stimmen. wenn pädagogisch interessante dieser Beilage (März/April 2007) wurde zu mehr kultureller Vielfalt geleistet sehr emotional und nicht selten un- Das Urteil über die Güte eines Com- Ansätze im Bereich Computerspiel die Frage nach Zensur oder Förderung werden. In der Ausgabe Januar/Febru- terhalb der Gürtellinie geführt. Und puterspiels solle man am besten dem gefördert werden. von Computerspielen aufgeworfen. ar 2008 wurde von Monika Griefahn nun – wenige Monate später – reden Markt überlassen, heißt es. Brauchen Klatt: Und wie sieht es mit dem Weiter wurde das Feld aus kulturpä- und Dorothee Bär erläutert, welche wir wie selbstverständlich darüber, wir überhaupt einen Förderpreis? Kunstbegriff aus? Für viele ist Kunst dagogischer und Jugendschutzsicht Intention die Koalitionsfraktionen bei dass Computerspiele ein Teil unserer Zimmermann: Ja, weil ein Compu- etwas, das ernst ist und im Museum beleuchtet. Diese Ausgabe führte zu der Einrichtung des Deutschen Compu- Kultur sind. Das Denken vieler Po- terspiel heutzutage mehr ist als ein hängt, und damit das genaue Gegen- einer so regen kulturpolitischen Debat- terspielepreises verfolgen. Olaf Wolters litiker hat sich innerhalb kürzester Produkt. Die Veränderung im Denken teil von Spiel und Spaß. Auch einige te, dass das Thema Computerspiele in und Malte Behrmann nahmen für die Zeit radikal verändert. Eben noch und in der politischen Diskussion hat Entwickler weigern sich hartnäckig den Ausgaben Mai/Juni 2007 sowie Branche Stellung. galten Spiele als jugendgefährdender auch Folgen für die Produzenten. anzuerkennen, dass ihre Spiele mehr Juli/August 2007 erneut Beiträge zu Schund, und nun wird überlegt, wie Wenn Computerspiele in den Bereich sind als gute Unterhaltung. Können dem Thema veröffentlicht und damit In dieser Ausgabe wird ein Interview man Computerspiele fördern kann. der Kultur gehören – und davon bin Sie sich das erklären? die Diskussion vertieft wurde. Dabei von Oliver Klatt mit Olaf Zimmermann Das ist eine Revolution! ich fest überzeugt –, dann bedeutet Zimmermann: Es ist wirklich erstaun- wurde besonders die Frage weiter- veröffentlicht, in dem die Debatte Klatt: Wie kam es zu diesem Um- das auch, dass Entwickler, Publisher lich, wie sehr sich einige Computer- verfolgt, ob wertvolle Computerspiele bis zur Einführung des Deutschen denken? und die gesamte Gamesbranche von spiel-Entwickler gegen die Auffas- gefördert werden sollten und dadurch Computerspielepreises noch einmal Zimmermann: Angefangen hat es nun an eine viel größere Verantwor- sung wehren, dass sie Kreative sind ein Wettbewerb um Qualität entfacht nachgezeichnet wird. zu Beginn des vergangenen Jahres, tung tragen müssen, als sie bisher und damit letztendlich auch Künstler. werden sollte oder ob das Verbot von als der damalige bayrische Innen- bereit waren. Die Vorstellung einiger Dabei birgt die Anerkennung des gewalthaltigen Computerspielen im Alle Beiträge zu diesem Thema sind minister Günther Beckstein weit Industrievertreter, man könne im Gamedesigners als Künstler jede Vordergrund stehen sollte. in der erweiterten 2. Auflage des über das Ziel hinausschoss und den Dienste der Gewinnmaximierung Menge Vorteile. Ein unabhängiger Buches „Streitfall Computerspiele: Jugendschutz, der ja sehr richtig machen, was man will, und müsse Entwickler könnte zum Beispiel die Zwischenzeitlich wurden vom Deut- Computerspiele zwischen kultureller und wichtig ist, auch zu einem sich allenfalls noch an bestimmte Leistungen der Künstlersozialkasse schen Bundestag die Mittel zur Etablie- Bildung, Kunstfreiheit und Jugend- Erwachsenenschutz machen und Auflagen im Bereich der Gewalt- in Anspruch nehmen. Auch kann rung eines Deutschen Computerspie- schutz“ versammelt. gewalthaltige Computerspiele ge- darstellung halten, gehört ab jetzt man als Künstler mit sehr viel mehr lepreises freigegeben. Im nächsten nerell verbieten lassen wollte. Das genauso der Vergangenheit an wie die Selbstbewusstsein gegenüber den Jahr wird dieser Bundespreis erstmals Die Redaktion hat uns vom Deutschen Kulturrat Beschränkung der Computerspieldis- großen Computerspielproduzenten auf den Plan gerufen. Die Frage kussion auf das Thema Killerspiele. auftreten, was nicht zuletzt bessere stand auf einmal im Raum: Will man Aus der Perspektive des Deutschen Arbeitsbedingungen zur Folge hätte. ändern. Das oft gehörte Argument, den Punkt zu bringen: Computer- das wirklich? Wollen wir anfangen, Kulturrats heißt das: Computerspiele In der Branche herrschen ja zum Teil dass jemand, der an einem Compu- spiele-Entwickler sind Künstler, ob Computerspiele zu verbieten? Und und ihre Macher gehören von nun immer noch archaische Verhältnisse terspiel arbeitet, kein Künstler sein sie wollen oder nicht. was kommt dann als nächstes? an in unseren Aufgabenbereich und in puncto Arbeitszeit und Bezahlung, könne, weil er dieses nicht alleine Klatt: Woran erkenne ich denn ein Filme? Bücher? Antike Gemälde, sind Gegenstand der Kulturpolitik. die in anderen Berufssparten aus hervorbringt, zählt schlicht und ein- künstlerisches Computerspiel? Oder auf denen Gewaltdarstellungen zu Ein Förderpreis für kulturell wertvolle dem Kulturbereich undenkbar wären. fach nicht. Denn ob beim Film, am ist jedes Spiel Kunst? sehen sind? Die in unserem Grund- Spiele ist dann nur ein erster Schritt Wenn die Gesellschaft den Spiele- Theater oder in der Musik: Überall ist gesetz verankerte Freiheit der Kunst in die richtige Richtung. Aber ein sehr Entwickler als Künstler anerkennen Zusammenarbeit gefragt. Und überall Weiter auf Seite 18 wäre durch ein solches Verbot arg in wichtiger. würde, müsste sich das zwangsläufig entsteht große Kunst. Um es also auf Bürgerschaftliches Engagement politik und kultur · März – April 2008 · Seite 18

zum einen daran, dass Fragen des Klatt: Wie oft erklären sie denn etwas diese kulturelle Entwicklung verpasst vieles, das ich nicht verstanden habe Fortsetzung von Seite 17 Jugendschutzes natürlich immer sehr zur Kunst? hätten. – und den Krach fand ich furchtbar. leidenschaftlich diskutiert werden. Zimmermann: Seit Mitte der achtziger Klatt: Sie selber haben zwei Kinder. Aber danach war für mich klar, dass Auszeichung von Zum anderen haben wir nur einen Jahre haben wir uns keinem neuen Wachsen die auch mit Computer- ich das Phänomen Computerspiel Computerspielen vergleichsweise kleinen Finanzku- Bereich der Jugendkultur mehr wirk- spielen auf? nicht mehr ignorieren kann. chen im Bereich der Kulturförderung lich geöffnet. Dabei besteht unsere Zimmermann: Ja, sicher. Meine Söh- Klatt: Wissen Sie noch, welches Ihr Zimmermann: Die Frage danach, was zu verteilen. Wenn die Computer- Aufgabe darin, ein kulturelles Abbild ne sind zwölf und vierzehn Jahre alt. allererstes Computerspiel gewesen Kunst ist und was nicht, ist schwer spiele als Teil der Kultur und sogar der Gesellschaft zu liefern. Deshalb Ich schaue ihnen beim Spielen sehr ist? zu beantworten. Wir versuchen als Kunst aufgefasst werden, bedeutet bin ich ungemein froh darüber, dass gerne über die Schulter und infor- Zimmermann: Das war „Sim City“. uns da mit diversen Notkonstruk- das: Die anderen, bereits etablierten es uns gelungen ist, die Computer- miere mich darüber, was es Neues Ich konnte Bürgermeister spielen! ten zu behelfen. Im Urheberrecht Bereiche müssen dem Neuling etwas spiele mit ins Boot zu holen. Für gibt. Sie halten mich ständig auf dem Das fand ich genial. Leute wie ich, die ist zum Beispiel von einer gewis- von ihrem Kuchen abgeben. Das gibt uns war das eine Überlebensfrage. Laufenden. Vor drei Jahren haben sie politisch arbeiten, scheinen da einen sen Gestaltungshöhe die Rede, die verständlicherweise Anlass zur Kritik. Hätten wir uns diesem Aspekt wei- mich mit zur Games Convention nach Traum zu haben: Man kann alles allein ein Werk aufweisen muss, um ein Von einigen Kulturverbänden kam terhin verschlossen, hätten wir als Leipzig geschleppt. Das war ein echtes machen und braucht nicht ständig ir- Kunstwerk zu sein. Nur gibt es keine auch tatsächlich die Frage, ob wir Institution in zwanzig bis dreißig Schlüsselerlebnis für mich. Dort in gendwelche Ausschüsse und Gremien Behörde, die in der Lage wäre, diese die Computerspiele denn unbedingt Jahren Schiffbruch erlitten. Dann den Messehallen habe ich zum ersten zu konsultieren. Großartig! Gestaltungshöhe zu messen. Man zur Kultur erklären mussten. Meine hätten wir uns nämlich von all jenen, Mal diese große Begeisterung miter- spricht da von einem unbestimmten Antwort darauf ist: Natürlich muss- die jetzt mit Spielen aufwachsen, lebt, die Computerspiele auslösen Das Interview erschien erstmals Rechtsbegriff, der sich nicht ohne ten wir! zu Recht anhören müssen, dass wir können. Natürlich gab es dort auch in GEE 35, Februar 2008 Weiteres verallgemeinern lässt. Es muss immer im Einzelfall entschie- den werden. Ich glaube aber, dass es Computerspiele gibt, die der klassischen Vorstellung von einem Der Bürger als zweitgrößter Kulturförderer Kunstwerk entsprechen. Bestehendes Engagement anerkennen • Von Gabriele Schulz Klatt: Was wäre das für eine Vorstel- lung? Der Deutsche Kulturrat führte am men, das Engagement der Bürger Zeitspende eine weitaus größere könnte oder auch andere geldwerte Zimmermann: Sie müssen inno- 13.2.2008 zusammen mit dem für die Kultur das der staatlichen Rolle spielt als die Geldspende. Die Leistungen, wie z.B. die kostenlose vativ sein und in der Gestaltung Bundesnetzwerk bürgerschaftliches Kulturförderung um ein Vielfaches Bürgerinnen und Bürger engagieren Überlassung von Veranstaltungsräu- experimentell. Und sie müssen die Engagement und in Kooperation übersteigt. sich in ihrem Verein, in einer Ar- men, die Bereitstellung personeller Möglichkeiten, die ihnen das Genre mit dem Verein zur Förderung des Das Maecenata-Institut hat bei beitsgemeinschaft, in einer Kultur- Unterstützung, zählen nicht als Ei- bietet, ausnutzen. Dabei braucht es Deutschen Kulturrates einen Parla- seiner Untersuchung einen ähnlich einrichtung. Wenn diese Zeitspende genmittel. Dadurch entsteht stets eine sich jedoch keinesfalls um Nischen- mentarischen Abend in den Räumen weiten Kulturbegriff zugrunde gelegt monetarisiert wird, wird deutlich in Schieflage, denn zumeist verfügen die produkte zu handeln. Nehmen Sie der Dresdner Bank durch. Thema war wie die Kultur-Enquete insgesamt. Die welcher Größenordnung die Bürger- geförderten Organisationen über nur zum Beispiel „Super Mario Galaxy“ das zivilgesellschaftliche Engage- bei der Finanzverwaltung bestehende innen und Bürger sich engagieren. wenig finanzielle Mittel dafür über – ich sage Ihnen: Das ist ein Kunst- ment im Kulturbereich. und durch das „Gesetz zur weiteren Die Enquete-Kommission hat umso mehr Zeitspenden und einge- werk. Förderung des bürgerschaftlichen En- erfreulicherweise diesen Aspekt auf- worbene geldwerte Leistungen. Die Klatt: Was ist für Sie aus künstleri- er Beauftragte für ZivilEngage- gagement“ erneut perpetuierte Tren- gegriffen und empfiehlt den öffent- Zuwendung der öffentlichen Hände scher Perspektive das Faszinierende D ment beim Bundesministerium nung zwischen förderungswürdiger lichen Händen bei Zuwendungen erscheinen dann oftmals sehr hoch an Computerspielen? für Familie, Senioren, Frauen und Kultur und weniger förderungswür- die geldwerten Leistungen, also die gegenüber den baren Eigenmitteln der Zimmermann: Ich liebe diesen Rausch Jugend (BMFSFJ), Hans Fleisch, war diger kultureller Freizeitbeschäftigung monetarisierte Zeitspende als Eigen- Organisationen, würde aber einbe- der Farben, der Formen und der Be- anwesend und gab zur Initiative Zivi- wurde hier nicht aufrecht erhalten. mittel anzuerkennen. Die Umsetzung rechnet, was von den Organisationen wegungen, in dem einen Spiele wie lEngagement des BMFSFJ Auskunft. – So können aktuell zwar Mitglieds- dieser Handlungsempfehlung wäre als geldwerte Leistung eingebracht „Super Mario Galaxy“ versetzen. Auch Gitta Connemann, MdB, Vorsitzende beiträge zu Kulturfördervereinen steu- ein wichtiger Paradigmenwechsel wird, würde ein anderes Verhältnis die Idee aus „Super Paper Mario“, in der Kultur-Enquete, schilderte die erlich geltend gemacht werden, nicht im Umgang mit Zuwendungsemp- zwischen Eigenanteil und Zuwendung einem Moment vom Zweidimensio- wesentliche Ergebnisse der Enquete- aber Mitgliedsbeiträge zu Vereinen, in fängern. Bislang ist es so, dass bis entstehen. Darüber hinaus würde das nalen ins Dreidimensionale umschal- Kommission „Kultur in Deutsch- denen aktiv die Kultur gepflegt wird. auf einige Bundesministerien – wie zeitliche Engagement eine tatsäch- ten zu können, ist schlicht großartig. land“ des Deutschen Bundestags – Im Gutachten wurden vielmehr die z.B. dem Bundesministerium für liche Anerkennung finden. Dieses In welchem Medium kann man das und unterstrich die Bedeutung des verschiedenen Bereiche zusammen- Bildung und Forschung als löblicher wäre ein positives Signal zur Stärkung schon außer im Computerspiel? Und bürgerschaftlichen Engagements für betrachtet und lediglich eine Abgren- Ausnahme sowie einiger Länder- der Anerkennungskultur. natürlich ist da die Faszination, selber das kulturelle Leben in Deutschland. zung zum Privatbereich von Bürgern ministerien – als Eigenmittel bei Hinsichtlich von Geldspenden Teil des Spiels zu sein. Doch nach gut anderthalb stündiger und Unternehmen getroffen. der Förderung von Projekten oder stellt das Maecenata-Institut fest, Klatt: Wie sehen Sie den Zusam- Diskussion wurde vom Vorsitzenden Im genannten Gutachten des Institutionen nur die monetären menhang von Kunst und Gewalt im des Unterausschusses Bürgerschaft- Maecenata-Instituts wird herausge- Mittel anerkannt werden. Die inves- Computerspiel? liches Engagement des Deutschen arbeitet, dass im Kulturbereich die tierte Zeit, die monetarisiert werden Weiter auf Seite 19 Zimmermann: Die These, dass Com- Bundestags, Michael Bürsch, MdB puterspiele keine Kunst sein kön- das alt bekannte Vorurteil wieder nen, weil sie zum Teil sehr explizite auf den Tisch gelegt: Die Kultur in Gewaltdarstellungen enthalten, ist Deutschland würde zu 90% aus öf- Unsinn. Gewalt war immer schon ein fentlichen Mitteln finanziert und nun Chance oder Risiko? zentrales Thema der Kunst. Es gibt sei es doch langsam an der Zeit, dass Privates Geld im öffentlichen Kulturbetrieb • Von Olaf Zimmermann ganz hervorragende Bilder aus dem auch der Kulturbereich bürgerschaft- Mittelalter, die zutiefst abstoßende liches Engagement lerne. Privates Geld im öffentlichen Kul- Firmen keine Gegenleistung erwartet. Eine relativ neue Form des privaten Szenen zeigen, aber vollkommen Vielen der Anwesenden konnten turbetrieb ist gegenwärtig zunächst Nein, sie schließt sich sogar aus. Eine Engagements im Kulturbereich ist unbestritten Meisterwerke sind. In nach einem solchen Beitrag graue weder eine Chance noch ein Risiko, Spende ist die selbstlose Förderung das public private partnership oder Klassikern der Weltliteratur wie dem Haare wachsen. Denn auch durch sondern einfach eine Selbstver- einer öffentlichen Kultureinrich- auch PPP genannt. Es ist bislang sehr Nibelungenlied watet man beim Le- beharrliches Wiederholen wird eine ständlichkeit. Es gibt kaum mehr tung. Oftmals wird die Spende vom wenig verbreitet, so dass es kaum sen buchstäblich im Blut. falsche Aussage nicht richtiger. Im eine öffentliche Bibliothek, ein Förderverein vereinnahmt, der diese Erfahrungswerte gibt. PPP heißt, Klatt: Der Kuturstaatssekretär von Gegenteil, das besondere Verdienst Stadt-, Staats- oder Landestheater an die Kultureinrichtung weitergibt. dass ein Privatunternehmen und die Nordrhein-Westfalen, Hans-Heinrich gerade der Enquete-Kommission „Kul- oder auch ein öffentliches Museum Viele Kultureinrichtungen wünschen öffentliche Hand zusammen eine Grosse-Brockhoff, hat Ihnen den tur in Deutschland“ ist es, die Kultur ohne einen privaten Förderverein. sich eher mehr als weniger Spenden Kultureinrichtung betreiben. Ein Rücktritt nahe gelegt, weil Sie die in Deutschland in Gänze in den Blick Und selbst für den Deutschen Kul- und sehen diese als eine besondere Bespiel für ein erfolgreiches PPP ist Gewaltschilderungen aus der Bibel in genommen und nicht danach unter- turrat wurde im Dezember letzten Chance zur Finanzierung. das museum kunst palast in Düssel- einem Atemzug mit brutalen Compu- schieden zu haben, ob es sich um so Jahres ein Förderverein gegründet, Die dritte bekannte Form der dorf, das vom Unternehmen E.ON terspielen genannt haben. Wie gehen genannte Hochkultur, Popularkultur, um private Mittel für die Arbeit ein- privaten Förderung von Kulturein- und der Stadt Düsseldorf getragen Sie damit um? Kulturwirtschaft oder um von bürger- zuwerben. richtungen ist das Sponsoring. Hier wird. Ob dieses Modell auf andere Zimmermann: Herr Grosse-Brockhoff schaftlichem Engagement getragene verkauft die Kultureinrichtung eine Kultureinrichtungen übertragbar ist, überrascht mich immer wieder. Die Kultur handelt. Nein, es geht gerade st also alles in Butter, wenn privates werbliche Gegenleistung. Handeln ist eher fraglich. Landesregierung, der er angehört, und darum, die Kultur in Deutschland als I Geld in öffentliche Kultureinrich- ein Förderverein oder ein Spender Ein besonderes Problem beim der Ministerpräsident, für den er ar- Ganze und als wechselseitiges Geflecht tungen fließt? Das ist es meiner Mei- aus uneigennützigen Motiven, so privaten Engagement in öffentlichen beitet, haben eine vollständig andere zu betrachten. nung nach, wenn es sich um die Mittel steht beim Sponsoring das Geschäft Kultureinrichtungen ist, dass sich Position als er. Die Landesregierung Eine der sicherlich wichtigsten eines Fördervereins handelt. Die eindeutig im Vordergrund. Daher en- die öffentliche Hand langsam aber dort bemüht sich sehr, die Computer- Aussagen des Enquete-Berichts ist es, Chance besteht darin, mehr Bürge- gagieren sich zumeist die Marketing- sicher aus ihrer Verantwortung zu- spielindustrie in Nordrhein-Westfalen dass der größte Kulturfinanzierer in rinnen und Bürger an ihre Kulturein- Abteilung von Unternehmen im Be- rückzieht. Diese Gefahr darf nicht anzusiedeln. So wurden ja bereits Deutschland der Bürger ist und zwar richtungen zu binden und damit auch reich des Sponsorings. Um Sponsoren unterschätzt werden. Wenn die Anstrengungen unternommen, die zuerst als Marktteilnehmer, dann als die öffentliche Förderung nachhaltig zu gewinnen, muss ihnen eine Ge- öffentliche Hand zum Beispiel zu- Games Convention von Leipzig nach Spender und erst zum Schluss als Steu- zu sichern. Doch auch sie bergen ein genrechnung präsentiert werden. Die sätzliche private Mittel dazu nutzt, Köln zu holen. Ich glaube, Herr Grosse- erzahler. Die Enquete-Kommission Risiko in sich. So mancher Leiter ei- Marketingleistung der Kultureinrich- um ihren Finanzierungsanteil zu Brockhoff hat eine persönliche Abnei- stützt sich bei dieser Aussage auf ein ner Kultureinrichtung mag im stillen tung muss klar ausgewiesen werden kürzen, führt sie das private Engage- gung gegen Computerspiele. Die darf Gutachten des Maecenata-Instituts Kämmerchen den allzu selbstbewusst können. Bei der Bayerischen Staats- ment ad absurdum und demotiviert er auch haben, und er darf natürlich für Philanthropie und Zivilgesellschaft auftretenden Fördervereinsvorsit- oper München beispielsweise wird Private. Denn in der Regel wollen auch glauben, dass sie künstlerisch an der Humboldt-Universität zu Ber- zenden verwünschen, der sich in dem Sponsor eine genaue Rechnung Private nicht als Lückenbüßer für nichts taugen. Das gehört halt auch lin „Private Spenden für die Kultur seine Kultureinrichtung einmischen aufgemacht, welche Gegenleistung er fehlende öffentliche Mittel einsprin- zur Freiheit. in Deutschland: Bestandsaufnahme, möchte. Auch gerät manchmal der für welchen Sponsorbetrag erwarten gen, sondern tatsächlich zusätzlich Klatt: Ecken Sie mit Ihrer offenen Analysen und Perspektiven privater Zweck eines Fördervereins, nämlich kann. Dabei wird der Vergleich mit fördern. Die mögliche Kürzung Einstellung gegenüber Computer- Spenden für die Kultur in Deutsch- die Förderung der Einrichtung aus herkömmlichen Marketingmaß- öffentlicher Mittel ist das wirkliche spielen bei Ihren Kollegen aus dem land“. – Das Gutachten erscheint im dem Blick und der Verein entwickelt nahmen nicht gescheut. Sponsoring Risiko von privatem Engagement Kulturbetrieb eigentlich oft an? März als Buch im Verlag Lucius & vor allem ein Eigenleben, so dass be- gehört im Kulturbereich längst zu den in Kultureinrichtungen und dieses Zimmermann: Aber sicher. Die Fra- Lucius. Es ist darüber hinaus als DVD reits die Frage auftaucht, wer fördert alten Hüten. Unterschiede bestehen Risiko wird durch PPP nicht kleiner ge, ob Computerspiele kulturell der im ConBrio-Verlag erscheinenden hier wen. allenfalls darin, wie professionell mit sondern größer. bedeutsam und förderungswürdig Druckversion des Enquete-Berichts Ähnlich wie Fördervereine, die aus Sponsoren gearbeitet wird. Die Angst, sind, war eine der größten Auseinan- beigefügt. – In dem Gutachten wird uneigennützigen Gründen ins Leben dass Sponsoren Einfluss auf die Kul- Der Verfasser ist Geschäftsführer dersetzungen, die wir im Deutschen herausgearbeitet, dass, wird die Zeit- gerufen werden, wird bei Spenden, tureinrichtungen nehmen könnten, des Deutschen Kulturrates und Her- Kulturrat je geführt haben. Das liegt und Geldspende zusammengenom- sei es von Privatpersonen oder von ist bei den meisten verflogen. ausgeber von politik und kultur staatsziel kultur / Europa politik und kultur · März – April 2008 · Seite 19

Kultur und Sport als Staatsziel Ein Kommentar von Michael Vesper Fünf Spalten benötigt Jan-Hendrik deutlich gemacht. Aber für den Sport Olbertz in der letzten Ausgabe von gilt das ebenso. Ich verweise zum „politik und kultur“, um zu begrün- Beispiel auf seine enormen Integra- den, warum die Kultur als Staats- tionsleistungen, auf den Beitrag zur ziel in das Grundgesetz gehört. Er Gesundheitsvorsorge und zur Rehabi- hat Recht. litation, auf die durch ihn vermittelten Werte wie Fairness, Toleranz und Nicht einmal fünf Zeilen verwendet er Miteinander. dabei darauf, den Sport abzukanzeln, ihm mit einer Mischung aus Arro- Sport begeistert Junge und Alte, Gesun- ganz und Ignoranz gewissermaßen de und Kranke, Menschen mit heller und die „Rote Karte“ zu zeigen: Nein, mit dunkler Hautfarbe gleichermaßen. der gehört ausdrücklich nicht ins Sport bringt Menschen zusammen, die Grundgesetz! Er hat Unrecht. Bis sonst nicht zusammen kämen. Er holt 2005 hatte ich das Vergnügen, als Kinder vom Computer, ist Sauerstoff für nordrhein-westfälischer Landesmi- den Geist und reißt soziale Barrieren nister – neben Bauen, Wohnen und ein. Millionen Ehrenamtliche arbeiten Stadtentwicklung – sowohl für die im Sport, setzen ihre Kraft für die Be- Kultur- als auch für die Sportpolitik treuung von Kindern und Jugendlichen verantwortlich zu sein. Anfangs stieß ein – eine Leistung, die der Staat gar ich angesichts dieser Kombination nicht bezahlen könnte. Sport, so hat es gelegentlich auf wechselseitiges der frühere Bundespräsident Johannes Unverständnis: Geht der nun lieber Rau einmal pointiert zusammengefasst, ins Theater oder ins Stadion, fragte „ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zu- sich mancher. Am liebsten beides, sammenhält“. Nebenbei trägt der Sport lautete die Antwort, und am liebsten übrigens – hoffentlich auch bei den täglich – wenn es denn die Zeit er- Olympischen Spielen in Peking – zur Der Vorsitzende des Sportausschusses Peter Danckert, MdB, und Michael Vesper bei einer gemeinsamen Pressekonferenz des laubt hätte. nationalen Repräsentanz Deutschlands Deutschen Olympischen Sportbundes und des Deutschen Kulturrates zum Staatsziel Kultur und Sport. Foto: Kristin Bäßler positiv bei. Kultur und Sport haben beide eine schaften, setzt sich darum seit seiner Kultur. Wer hier getrennt marschiert, Der Verfasser ist Generaldirektor herausragende gesellschaftliche Der Deutsche Olympische Sportbund Gründung im Mai 2006 dafür ein, den wird vereint geschlagen. Darum hilft es des Deutschen Olmpischen Sport- – und auch gesellschaftspolitische (DOSB), der Vertreter des organisier- Sport als Staatsziel im Grundgesetz zu auch der Kultur nicht, die Nase allzu bundes. Er war bis 2005 Minister für – Bedeutung. Im Hinblick auf die ten Sports mit seinen mehr als 90.000 verankern. Wir tun das nicht gegen, hoch zu recken und sich vom Anliegen Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung Kultur hat Olbertz dies noch einmal Vereinen und 27 Millionen Mitglied- sondern im Schulterschluss mit der des Sports abzusetzen. und Kultur in NRW

vermehrten Gründung von Stiftungen Unter den 1.134 neu gegründeten tig, diese nachhaltigen Instrumente für auf bürgerschaftlichem Engage- Fortsetzung von Seite 18 hat sicherlich auch beigetragen, dass Stiftungen sind natürlich nicht alle der Kulturförderung zu stärken. ment beruhenden Organisationen das Instrument Stiftung durch die der Förderung von Kultur verpflichtet. Die Regierungsfraktionen haben zu beseitigen. Ein vordringliches Ziel dass für Kultur im Vergleich zu an- politische Debatte über Stiftungen Insgesamt kann man aber festhalten, sich in ihrem Koalitionsvertrag im Jahr muss in diesem Zusammenhang sein, deren Engagementbereichen un- mehr Öffentlichkeit bekommen hat dass rd. 20% der Stiftungen als Stif- 2005 darauf verständigt, das bürger- das Bewusstsein für das vorhandene terdurchschnittlich gespendet wird. und daher sich mehr Bürgerinnen tungszweck die Förderung von Kunst schaftliche Engagement zu stärken. Engagement zu schärfen, es wahrzu- Offenkundig gelingt es den Kirchen, und Bürger für die Errichtung einer und Kultur verfolgen. Wesentlich bei Das „Gesetz zur weiteren Stärkung des nehmen und zu stärken. Dann werden den Wohlfahrtsverbänden aber auch Stiftung entscheiden. Im vergangenen Stiftungen ist, dass es sich hier eben bürgerschaftlichen Engagement“ war hoffentlich bald solche Äußerungen, Spendensammelorganisationen wie Jahr wurden nach aktuellen Daten des um kein kurzfristiges Engagement ein wichtiger Schritt, um dieses Ziel dass der Kulturbereich vor allem von z.B. UNICEF besser Spenden zu ak- Bundesverbands Deutscher Stiftungen handelt, dass wenn sich die Mode mit Leben zu erfüllen. Die Enquete- der öffentlichen Hand lebt und akti- quirieren. Als Grund für das geringere 1.134 neue Stiftungen errichtet, das ist ändert, wieder aufgegeben wird, son- Kommission „Kultur in Deutschland“ viert werden muss, der Vergangenheit Spendenvolumen im Kulturbereich ein Plus gegenüber dem Vorjahr von dern ganz im Gegenteil, die Arbeit von hat konkrete Handlungsempfehlungen angehören. wird vom Maecenata-Institut an- 26%. Die im Jahr 2007 durchgeführten Stiftungen ist auf Dauer angelegt. Sie im Steuerrecht, im Haftungsrecht, im geführt, dass der Kulturbereich we- und rückwirkend geltenden Reformen werden auch noch in hundert in zwei- Zuwendungsrecht unterbreitet, um Die Verfasserin ist Wissenschaft- niger emotionale Voraussetzungen des Stiftungssteuerrechts scheinen hundert Jahren Kunst und Kultur för- den bürokratische Hemmnisse für liche Mitarbeiterin des Deutschen für Spenden schaffen kann, als es hier tatsächlich Früchte zu tragen. dern. Insofern ist es besonders wich- bürgerschaftlich Engagierte sowie Kulturrates beispielsweise den Kirchen oder Wohlfahrtsverbänden im Bereich der Nothilfe gelingt. Das Beispiel UNICEF zeigt aber auch, dass es sich beim Spendenmarkt um einen tatsäch- Europa und die Kultur lichen Markt handelt, in den investiert Lang erwartet: Europa und der „Kreative online-Inhalt“ • Von Barbara Gessler werden muss. Spendensammelor- ganisationen wie UNICEF aber auch Mit Konsultationen und Studien geht Umgangs mit Piraterie und legalem bung, Niederlassungsrecht etc. wie miteinander in Kontakt gebracht kirchliche Hilfswerke wie Miseror und die Europäische Kommission in die Angebot andererseits. Neue Modelle angepasst werden müssen, um die werden. Brot für die Welt setzen längst nicht Konkretisierung einiger Vorhaben, der Zusammenarbeit aller Beteiligten gewünschte Mobilität zu stärken. Eine wichtige Schlussfolgerung mehr allein auf ehrenamtliche Mit- die von wesentlicher Bedeutung für sind vonnöten, denn mit der derzeit Da es sich bei diesen Regelungsbe- des Dialogs mit der Kulturbranche arbeiter, um Spenden einzuwerben, die Entwicklung der Kulturpolitik in existierenden Unsicherheit ist keiner reichen häufig um solche handelt, bestand ja bereits im vergangen sie beschäftigen vielmehr professi- Europa sind, auch wenn sie das viel- Seite gedient und ein funktionierender in denen der Staat direkt finanzielle Jahr darin, die große Bedeutung der onelle Fundraiser oder arbeiten mit leicht auch erst auf den zweiten Blick Binnenmarkt ausgeschlossen. Auswirkungen spüren würde, ist der verschiedenen Ebenen, auf denen Fundraising-Agenturen zusammen, offenbaren. In eine ähnliche Richtung, also Drang, tatsächlich tätig zu werden, Kulturpolitik gemacht wird, anzu- die gegen ein entsprechendes Entgelt die Förderung des vorhandenen vermutlich zunächst einmal gering. erkennen. Das spielt besonders in Kampagnen durchführen. Das Sam- nde Februar sollte die öffentliche und schlummernden Potenzials, Eine Studie der Kommission, die Deutschland eine große Rolle, wo die meln von Spenden erfolgt dabei nach E Befragung abgeschlossen wer- gehen die Fragen einer im Januar in dieser Monate gelauncht wird, soll Kommunen wesentliche Akteure bei marktwirtschaftlichen Grundsätzen. den, an deren konkretem Resultat Auftrag gegebenen Studie, die die auch hier Klarheit bringen. der Ausgestaltung von Kultur sind. Im Kulturbereich ist diese Form des insbesondere die Rechteinhaber und Nutzung von Talenten und Kreati- Eine zweite Priorität in den Haus- Unmittelbar relevant wird in der Spendensammelns weniger verbreitet Rechtenutzer in der digitalen, „online“ vität in Europa eruieren soll. Damit aufgaben des Rates liegt darin, den kommenden Zeit die Umsetzung der und es ist die Frage, ob es gelingen Welt ein stets wachsendes Interesse entspricht die Kommission den in Zugang zu Kultur zu verbessern und UNESCO-Konvention, für die eine kann, in diesem Marktsegment Fuß haben. Eher unstrittig dürfte der Kom- ihrer Europäischen Kulturagenda gleichzeitig die alle Mitgliedstaaten effektive Koordinierung erfolgen zu fassen oder ob es nicht wichtiger missionsvorschlag zur Einrichtung ei- angelegten Bemühungen, den Beitrag betreffenden Herausforderungen muss. Langfristig muss auch über die und zielführender ist, das bestehende ner Plattform für Online-Inhalte sein, von Innovation und Kreativität für dabei mit in Betracht zu ziehen. Im externe Dimension dieses Prozesses Engagement, insbesondere im Bereich die den Austausch über die Themen das wirtschaftliche Wachstum und weitesten Sinne ist kulturelle Bil- nachgedacht werden. der Zeitspende sowie auch der geld- der geplanten Mitteilung erleichtern die soziale Entwicklung noch besser dung hier verankert, nicht nur für Alle diese Bemühungen sind der werten Leistungen, zu stärken und soll. Dass jedoch die Meinungen über zu untersuchen. junge Menschen, ebenso aber auch Verpflichtung geschuldet, die von anzuerkennen. die konkrete Herangehensweise an Gemäß dem Ratsbeschluss vom Mehrsprachigkeit und der Umgang den Ministern beschlossene Offene Weiterhin hat die finale Spende bestimmte Themen auf der europä- vergangenen November zur Förde- mit neuen Medien in dieser Hinsicht. Methode der Koordinierung mit Leben in Form von Stiftungen eine große ischen Ebene kontrovers sein werden, rung der Mobilität von Kulturschaf- Organisationen, die hier bereits tätig zu füllen. Bedeutsam ist es, nochmals Bedeutung für den Kulturbereich. hat die vorangegangene Befragung fenden sollen sich nach Überle- sind, sollten ihre Erfahrungen und darauf hinzuweisen, dass das starke In den vergangenen Jahren seit der bereits gezeigt. Es geht nicht nur um gungen der Kommission einerseits Kenntnisse hier einbringen können. Element der Freiwilligkeit im Ratsbe- ersten Reform des Stiftungssteuer- einen enormen europäischen Markt nationale Netzwerke bilden, die die Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der schluss dazu führen kann, dass sich rechts im Jahr 2000 ist die Zahl der von zu erwartenden 8,3 Milliarden grenzüberschreitenden Aktivitäten Stärkung der Mobilität der Werke, skeptische Staaten diesem Prozess Stiftungen stark angestiegen. Dieses Euro im Jahre 2010, generiert aus erleichtern sollen. Dazu beitragen der Sammlungen: Hier soll eine eu- der Annäherung und des Austauschs ist auf verschiedene Gründe zurück- Film, Musik, Spielen, Werbung, Radio, sollen die vom Europäischen Parla- ropäische Debatte in Gang gebracht in für Kreative wahrhaft bedeutsamen zuführen. Einer ist sicherlich, dass in Fernsehen und Verlagswesen, sondern ment angeregte Machbarkeitsstudie werden und die Hindernisse z.B. Bereichen entziehen: Zu hoffen ist den westdeutschen Ländern die so eben auch um den Umgang mit kul- sowie auch die im Haushalt einge- verwaltungs- oder rechtlicher Art, jedoch vielmehr, dass die Ergebnisse genannte Wirtschaftswundergene- turellen Inhalten in einem dermaßen setzten Mittel für ein entsprechendes benannt werden. dieser Anstrengungen auch sie zum ration ein Alter erreicht, in dem der boomenden Geschäft. Die Fragen Pilotprojekt, dessen Umsetzung Um die Vergleichbarkeit von Da- Mitmachen zugunsten der Sache Nachlass geregelt wird. Viele möch- drehen sich dementsprechend um die jedoch noch geprüft werden muss. tenmaterial und Methoden zu errei- bringen werden. ten nun zum Ende ihres Lebens der Themen der gebietsübergreifenden Gleichzeitig muss natürlich überlegt chen, soll ebenfalls in 2008 gesammelt Gesellschaft etwas zurückgeben und Lizenzierung, der Verwaltung digitaler werden, welche nationalen Praktiken werden, was es bereits in Europa gibt Die Verfasserin ist Leiterin der errichten daher eine Stiftung. Zu der Rechte und um die Möglichkeiten des im Bereich Steuern, Sozialgesetzge- und die entsprechenden Akteure EU-Vertretung in Bonn regionale Kulturpolitik politik und kultur · März – April 2008 · Seite 20

Fördern, Vernetzen, Forschen, Bilden Der Landschaftsverband Osnabrücker Land als Kulturträger an vielen Schnittstellen • Von Susanne Tauss Ob ein Pflegeplatz vermittelt oder das heute die Fläche des Landkreises eine Baugenehmigung für einen Stall Osnabrück sowie der kreisfreien Stadt erteilt werden könne? Auf diese und Osnabrück umfasst, entspricht weit- ähnliche Fragen wird seitens des gehend jenem des ehemaligen osna- Landschaftsverbandes Osnabrücker brückischen Fürstentums. Auf einer Land e. V. mittlerweile gelassen Gesamtfläche von 2.241,43 Quadrat- und ohne große Verwunderung kilometern ist der Landschaftsver- geantwortet – und verwiesen auf die band damit als Kultureinrichtung alleinige Zuständigkeit für Kultur. zuständig für mehr als eine halbe Sowie auf die großen Schwestern Million Menschen (davon 163.020 in Nordrhein-Westfalen, wo Land- EW in der Stadt Osnabrück). Diese schaftsverbände einen deutlich Zuständigkeit äußert sich, verkürzt umfassenderen Zuschnitt haben. ausgedrückt, in der Förderung und Das Osnabrücker Land reicht nun Stärkung der Regionalkultur und dies einmal im Süden mit einer großen auf den operationalen Feldern von ei- Zacke nach Nordrhein-Westfalen genen Projekten, der Zuschussverga- hinein, so dass die Landesgrenzen be an Dritte sowie in der Vernetzung in den Köpfen hier wie dort nicht der Kulturträger und der Bündelung unbedingt klar gezogen sind. Zumal kultureller Interessen. es nach dem Zweiten Weltkrieg hät- Die Förderstruktur und -praxis te anders kommen können: Es war dieses wie der zwölf anderen Land- durchaus strittig, ob der einstige schaften und Landschaftsverbände Regierungsbezirk Osnabrück nicht findet durch das Land Niedersachsen Westfalen zugeschlagen werden jüngst in ganz konkreter Form hohe sollte. Dass dies nicht geschah, war Anerkennung: So werden die so und ist für die Gesamtlandschaft der genannten „regionalisierten“, nach niedersächsischen Kulturregionen Auflösung der Bezirksregierungen durchaus förderlich. neu verteilten Kulturmittel zur Wei- tergabe an Dritte seit 2008 um eine Ausstellungsaufbau in der Alten Apotheke – Kunststudent Henning Bischof. enn auch ohne soziale und an- Million Euro auf insgesamt 2,4 Milli- Foto: Landschaftsverband Osnabrücker Land e. V. D dere Aufgaben eröffnet Kultur onen Euro erhöht – eine beachtliche diesem und allen anderen nieder- und von den Trägern in den Regi- resse getragene Wunsch, die ehema- men mit? Ein zentrales Arbeitsgebiet erstmals einen Auftrag an ein freies sächsischen Landschaften und Land- onen einhellig begrüßte Maßnahme. ligen Residenzen des Fürstentums des Landschaftsverbandes ist die Theater, das zum einen mit zwei schaftsverbänden ein ausgesprochen Der seit 2005 eingeschlagene Weg, sukzessive zu erforschen, kann nur Vernetzung von Schule und Kultur professionellen Schauspielerinnen reiches Betätigungsfeld, in welchem Mittel für die Kultur von Instanzen eingelöst werden dank einer Corona zugunsten einer die vorhandenen ein Stück speziell für Schulen pro- sie sich mittlerweile seit Jahrzehnten vergeben zu lassen, die „näher am kompetenter Kooperationspartner, Aktivitäten sinnvoll flankierenden duzierte („Prinzessin? Nicht die mit großem Erfolg tummeln. Suk- Kunden“ sind, als dies ein Ministeri- darunter die Universität Osnabrück Arbeit: Schon lange bevor Pisastu- Bohne!“) und zum anderen ein thea- zessive hervorgegangen aus der um zwangsläufig sein kann, hat sich (Kunstgeschichte, Geschichte der dien die Schulwelt erschütterten, terpädagogisches Projekt entwickelte Gebietsreform der 1970er Jahre (nur sichtlich bewährt. Frühen Neuzeit) und das Staatsarchiv wurde auch im Landschaftsverband („Figuelotte – eine phantastische die Ostfriesische und die Oldenbur- Osnabrück. Alle drei bis vier Jahre Osnabrücker Land damit begonnen, Begegnung“), an dem über zwanzig gische Landschaft mit ihrer je eigenen Kooperationen zugunsten wird gemeinsam eine Tagung aus- kulturelle Bildung voranzubringen. Kinder und Jugendliche von 9 bis langen Tradition sind älter), gehört gerichtet, so jüngsthin (Herbst 2007) Diesem Aspekt hat sich der Ver- 19 mitwirkten. Ausgehend von der auch der Landschaftsverband Osna- des Nachwuchses zum Barockkloster Iburg, das sich ge- band schon seit den 1990er Jahren heutigen Lebenswelt Jugendlicher, brücker Land (gegr. 1985) zu jenen Zu den inhaltlichen Schwerpunkten meinsam mit der fürstbischöflichen in Förderung, Publikationen und entwickelte das Musiktheater Lupe kommunalen Zusammenschlüssen, bei den Eigenprojekten des Land- Residenz den Iburger Burgberg teilte. Projekten verstärkt zugewandt. So ein pfiffiges Stück, in dem Hiphop mittels welcher eine regionale Ebene schaftsverbandes zählen seit mehre- Ein glücklicher Zufall – die partielle unterstützt er – gemeinsam mit den neben einer Gavotte, barocke Klei- eingerichtet wurde, die sich in der ren Jahren zum einen die Residenzen- Umnutzung der Iburg durch das kommunalen Partnern – das regio- derordnung neben dem Chaos lust- Wahrnehmung kulturverwaltender forschung, zum anderen Projekte Land Niedersachsen – ermöglichte nale Lernen, indem er Themen aus loser Internatschüler stehen durften und -fördernder Belange als Brücke und Vernetzungsvorhaben, die das obendrein dem Landschaftsverband der regionalen Kulturgeschichte für – und all dies verbunden mit dem Ef- zwischen den Mitgliedskommunen regionale Lernen fördern. Der von im Jahr 2006 die Verlegung seiner den Unterricht aufbereitet, publiziert fekt, dass sich Bezüge zwischen dem bewährt hat. Das Tätigkeitsgebiet, breitem kulturgeschichtlichem Inte- Geschäftsstelle in die kleine ehema- und den Schulen im gesamten Tätig- Heute und der vermeintlich fremden lige Hofapotheke auf der Burg. Diese keitsgebiet kostenlos zur Verfügung Barockzeit fast zwanglos ergaben, noble Adresse wurde schließlich zum stellt. Im Rahmen einer Unterreihe der Schritt aus dem Befremden über Regionale Kulturpolitik – Movens für eine neue Kooperation: zur Publikationsfolge „Kulturregion das Befragen zum Begreifen nur Studierende im Fach Kunst der Uni- Osnabrück“ („Region im Unterricht klein blieb. Das Stück wurde (nach Kulturpolitik in den Regionen versität erhalten jeweils für ein Jahr – Materialien“) wurden bislang Ma- nur einer einzigen Woche Probezeit) die Möglichkeit, ihre Arbeiten in den terialien zur Verfügung gestellt, die zudem zum Exportschlager: Alle Die kulturpolitischen Debatten kon- stand das Pfalztheater Kaiserslautern, Geschäftsräumen zu zeigen. Sie bege- einerseits das düstere Thema der Lebensstationen Sophie Charlottes zentrieren sich oftmals auf die Kultur- vorgestellt von Regina Reiser und die ben sich damit in wechselnder Beset- NS-Zwangsarbeit am Beispiel eines wurden bespielt, so außer Iburg, politik in den Metropolen. Die großen Medienarbeit des Landschaftsverband zung (und jeweils unter der Tutel der in der Region gelegenen „Arbeits- Osnabrück und weiteren Orten in Städte in Deutschland wetteifern dar- Westfalen, dargestellt von Markus vorausgehenden Gruppe) in einen erziehungslagers“ aufgreifen und der Region auch Hannover und um, wer die meisten Besucher in den Köster, im Mittelpunkt. In der Ausgabe gestalterischen Prozess zu einem ausführlich in Bild, Text und Quel- Berlin. Mehr als tausend Kinder ha- Museen hat, welches Theater an der 6/2007 berichtete Michael Brandt von räumlichen Gesamtgefüge – von der len erläutern. Andererseits wurde ben die mit eingängigen Songs und Spitze liegt, welches Orchester einen den Aktivitäten der Oldenburgischen Auswahl über die Hängung bis hin anlässlich des 300. Todestages der frechen Texten gewürzte Geschichte besseren Klang hat. Kultur findet aber Landschaft und Andrea Kluxen widme- zu Vernissage und Führungen. Die ersten preußischen Königin, Sophie über die barock-zickige, und dann eben nicht nur in den Metropolen, te sich der jüdischen Regionalkultur in Öffentlichkeitsarbeit dazu leistet der Charlotte, Unterrichtsmaterial zum doch recht sympathische Prinzessin sondern auch in den Regionen statt. Fragen als Aufgabe der regionalen Kul- Landschaftsverband. Es entstand ein Leben einer barocken Fürstentochter gesehen. Auch so kann regionale turausgabe. Die regionale Kulturarbeit vertrauensvolles partnerschaftliches erstellt. Der Regionalbezug ist auch Kulturgeschichte daherkommen und In sieben Ausgaben von politik und in der TechnologieRegion Karlsruhe Miteinander, das den Studierenden hier mehr als sinnfällig, wurde Sophie sich, vielleicht nachhaltiger als so kultur wurden daher bereits Beiträge wurde in der Ausgabe 1/2008 von die Chance bietet, sich – oft zum Charlotte doch auf Schloss Iburg als mancher im Schulraum vermittelter in der Reihe „Regionale Kulturpolitik“ Gerd Hager und Volkmar Baumgärtner ersten Mal – öffentlich zu präsentie- Tochter des ersten protestantischen Stoff, einprägen. Gleiches galt für veröffentlicht. Den Anfang dieser Rei- vorgestellt. ren, dies sowohl qua Kunst als auch Fürstbischofs von Osnabrück gebo- das Musiktheaterstück für Schulen, he machten in der Ausgabe 1/2007 in persona, überzeugen zu müssen ren. Hier und im damals noch kaum in welchem zudem eine alte Dame Olaf Martin vom Landschaftsverband Susanne Tauss beschreibt in dieser – und gegebenenfalls erstmals in Ver- fertig gestellten Osnabrücker Schloss diejenige ist, die durch ihren Barock- Südniedersachsen, der den Arbeits- Ausgabe die Arbeit des Landschaftsver- kaufsverhandlungen einzutreten. verbrachte sie ihre Kinderjahre, um spleen ihre junge Pflegerin zunächst kreis der Kulturregionen vorgestellt bands Osnabrücker Land. Sie blättert Während die junge Kunst in der dann gen Hannover und schließlich entnervt und dann schließlich doch und Roswitha Arnold vom Land- ein spannendes Panoptikum von der alten Apotheke genauso ein Quali- Berlin weiterzuziehen. Angesichts für ihre kuriosen Anwandlungen schaftsverband Rheinland, die über Pflege des kulturellen Erbes bis hin fizierungsterrain für Studierende im spannender Themen wie Flohfallen, gewinnt – und mit ihr alle zuschau- ein europäische Projekt zur Garten- zu Kulturprojekten mit Kindern und Fach Kunst bieten kann, so gilt dies barocken Kindersturzhelmen, Scho- enden Kinder. kunst informiert hat. In der Ausgabe Jugendlichen auf. Milena Karabaic auch für die Forschungsvorhaben koladenlust oder Fürstenerziehung 2/2007 setzte sich Peter Fassl, Bezirk präsentiert die Arbeit des Landschafts- zu den Residenzen: Mehrere Quali- und barocke Bildsprache entstand Alles auf einen Klick Schwaben, mit dem Begriff Region verbands Rheinland und geht dabei fizierungsarbeiten wurden seitens ein lebendiges Kompendium fun- bzw. Kulturregion auseinander. Sabine insbesondere auf die Netzwerkbildung des Landschaftsverbandes angeregt. dierter Bild- und Textmaterialien, Außerschulisches muss nicht außer- von Bebenburg, KulturRegion Frankfurt im Museumsbereich ein. Sie alle tragen wesentlich nicht nur die jede Unterrichtsstunde zum Ab- irdisch bleiben. Doch wer von den RheinMain, stellte die Route der Indus- zur Regionalforschung bei, sondern solutismus mit großer Lebensnähe Lehrkräften in den Schulen erfährt triekultur Rhein-Main vor. In Ausgabe Mit diesen Beiträgen endet die Reihe sind stets verbunden mit Vortrags- zu würzen weiß. Die historischen überhaupt, wann und wo es solche 3/2007 berichtete Werner Kraus von zur regionalen Kulturpolitik in politik und Publikationsmöglichkeiten, Orte sind erreichbar, die Regional- und andere Angebote gibt? Ob sie der gesetzlichen Verankerung der Bay- und kultur vorerst. Die im Arbeitskreis bieten also ein außeruniversitäres geschichte und mit ihr ein ganzer zum gerade aktuellen Stoff passen, erischen Bezirke und ihrem Kulturför- Kulturregionen zusammengeschlos- Erfahrungsfeld, das angesichts enger Strauß von fächerübergreifenden oder wo sich Anregungen für ein derauftrag. Karin Hanika und Wiebke senen Kulturregionen haben sich werdender Studienspielräume immer Themen abrufbar – bis hin zu einem nächstes Schulprojekt hernehmen Trunk stellten ein Fotografieprojekt der und exemplarisch ihre Arbeit in den wichtiger wird. vielfach erprobten, sehr charmanten lassen? Was Theaterpädagogik, Mu- Kulturregion Stuttgart vor. In der Aus- letzten acht Ausgaben mit der Kul- Grundschulprojekt. seen oder biologische Lernstandorte gabe 4/2007 stellte Wolfgang Kalus turregionen vorgestellt und konnten Regionalkultur vergnüglich derzeit bieten? Der Aufwand ist hoch, das Sächsische Kulturraumgesetz am damit einen Eindruck von der Vielfalt Prinzessinnen-Alarm als sich in der allgegenwärtigen Infor- Beispiel des Kulturraum Mittelsach- der regionalen Kulturförderung und lernen mationsflut zu orientieren, zu groß sen vor und Monika Kania-Schütz -arbeit vermitteln. Und welche Voraussetzungen brin- Lernprozess die Zahl der alle Lehrerzimmer über- berichtete über das Freilichtmuseum gen die folgenden Generationen für Ausgehend von den historischen Glenleiten. In der Ausgabe 5/2007 Die Redaktion ein historisches (Selbst-)Verständnis, Bezügen zu dieser Gestalt, vergab Weiter auf Seite 21 für die Wurzeln heutiger Kulturfor- der Landschaftsverband 2005/2006 Regionale kulturpolitik politik und kultur · März – April 2008 · Seite 21

Land: Seit 2004 am Netz, bieten die geehrt. Jede Website ist natürlich so dass schon nach wenigen Maus- -kompetenz ist bei einem regionalen Fortsetzung von Seite 20 eng an den Lehrplänen orientierten nur so gut wie ihr Aktualitätsgrad. klicks gebucht werden kann, liegt da Träger wie einem Landschaftsver- Einträge Recherchemöglichkeiten so- Doch dafür wird regelmäßig gesorgt auf der Hand. band in idealer Weise gegeben. Dar- schwemmenden Faltblätter oder all wohl nach Sachbegriffen, Orten und – seitens der Institutionen selbst und Erst im Vernetzungsprozess selbst, auf kann auch künftighin aufgebaut jener Websites, die außerschulische einzelnen Einrichtungen als auch seitens der Kooperationspartner, vor während der Aufbauphase dieser werden: zugunsten eines die schu- Angeboten zwar individuell, doch nach Klassen- und Jahrgangsstufen. allem des Medienzentrums mit sei- Homepage wurde allen Beteiligten lischen Vermittlungsformen sinnvoll zumeist nach recht unterschied- Das niedersachsenweite Pilotprojekt nem pädagogischen Fachpersonal. deutlich, in welcher Fülle – und in flankierenden Angebots, das den lichem Strickmuster vorstellen. Der hat den großen Vorzug, dass gezielt Ob mit Gummistiefeln angerückt weitaus höherem Maße noch als unschätzbaren Vorteil räumlicher Gedanke an eine Bündelung lag nahe. lehrplan- bzw. unterrichtsbezogene werden muss und mit Pausenbrot, erwartet – all diese bunten und viel- Nähe und damit verbundenes Iden- Ergebnis ist eine Website mit dem Angebote ausgewählt werden kön- ob mit Farben hantiert wird, wie viel fältigen Angebote regionalen Lernens tifikationspotential besitzt – und alles animierenden Namen www.inspiros. nen. Die Homepage, die auf einen Zeit und Geld in die Hand zu nehmen vorhanden sind. Aus den kulturge- andere als verstaubt sein muss. de, ein Gemeinschaftsprodukt des Klick zu mehr als 60 Institutionen und ist, und ob eine Busverbindung exi- schichtlichen Erkenntnissen einer Landschaftsverbandes und des Medi- damit zu über 200 pädagogischen stiert: Antworten auf all diese Fragen Region und aus der engagierten Ar- Weitere Informationen unter www. enzentrum Osnabrück. Diese Home- Angeboten die Tore öffnet, wurde von erhalten die Lehrkräfte auf den in- beit einer Vielzahl von Akteuren kann lvosl.de und www.inspiros.de. page informiert die Lehrkräfte aller der Gesellschaft für Pädagogik und spiros-Seiten jedenfalls auf schnelle in hohem Maße auch schulisches Schulformen und -stufen umfassend Information e. V. mit der Comenius- und unkomplizierte Weise. Dass alle und qualifizierendes Bildungskapi- Die Verfasserin ist Geschäfts- über außerschulische pädagogische Auszeichnung für hervorragende Angebote zudem mit der jeweiligen tel geschlagen werden. Die hierfür führerin des Landschaftsverbandes Angebote im ganzen Osnabrücker didaktische Multimedia-Produkte anbietenden Institution verlinkt sind, notwendige Bündelungsarbeit und Osnabrücker Land e. V. Impulsgeber und Netzwerker Regionale Kulturarbeit im Landschaftsverband Rheinland • Von Milena Karabaic In Nordrhein-Westfalen wird die regi- onale Kulturarbeit durch die beiden Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe wahrgenommen. Die Landschaftsverbandsordnung für das Land NRW weist den Landschafts- verbänden in § 5 Absatz b Aufgaben in der allgemeinen landschaftlichen Kulturpflege, in der Bau- und Boden- denkmalpflege, in der Unterhaltung von Landesmuseen und Landesbild- stellen (heute: Medienzentren) sowie in der Pflege und Förderung kommu- naler Archive und Museen zu.

ieses breite Spektrum macht die D Landschaftsverbände in der nord­ rhein-westfälischen Kulturlandschaft unverzichtbar, denn nur ein starker, umlagefinanzierter Regionalverband kann diese umfangreichen und über- greifenden Aufgaben wahrnehmen, mit denen einzelne Kommunen über- fordert wären. Durch ihre Ausgleichs- funktion sichern die Landschaftsver- bände regionale Kulturarbeit in der Fläche, durch die in den Museen und Kultureinrichtungen vorhandenen Fach- und Beratungskompetenzen gewährleisten sie deren Qualität. Als Kommunalverband und Part- ner der 14 kreisfreien Städte und 13 Kreise im Rheinland unterhält der Landschaftsverband Rheinland (LVR) sechs Museen, die rheinische Denkmal- und Bodendenkmalpflege sowie Beratungs- und Forschungs- einrichtungen. Rund 50 Millionen Euro Haushaltmittel (ca. 2% vom Archäologischer Park Xanten, Hafentempel. © Axel Thünker Gesamthaushalt) zuzüglich 2,9 Milli- onen Euro aus Mitteln der Regionalen seine letzte Ruhestätte im Rheinischen schaft zur Förderung des Museums für nennen. Am langfristigen Erhalt des Rund 40 kommunale Kulturprojekte Kulturstiftung des Landes NRW und LandesMuseum Bonn gefundenen. Industrie-, Wirtschafts- und Sozialge- bedeutenden industriekulturellen von der Förderung des Karnevals- 3,3 Millionen Euro aus Mitteln der Archäologischer Park und Römer- schichte der Region Aachen in Stolberg, Standortes Stolberg hat der LVR daher museums Köln über den literarischen LVR-eigenen Sozial- und Kulturstiftung Museum in Xanten führen zu den Zinkhütter Hof e.V.“. Der LVR ist sowohl vitales Interesse: Durch das „Netzwerk Sommer der Stadt Düsseldorf bis zur wurden 2007 zur regionalen Kulturar- römischen Wurzeln im Rheinland. Das in den Gremien der Stiftung als auch in Industriekultur im LVR“ für rheinische Klanginstallation in der ehemaligen beit aufgewendet. Bergische Freilichtmuseum Lindlar den Gremien des Vereins vertreten. Museen, Denkmäler und ähnliche Synagoge Stommeln ließen sich 2007 Die Beratungs- und Forschungs- und das Rheinische Freilichtmuseum Das Museum Zinkhütter Hof Stol- Einrichtungen entsteht eine Platt- mit Hilfe des LVR realisieren. einrichtungen des LVR stehen als Kommern widmen sich dem länd- berg wurde als eine für die Indus- form für den fachlichen Austausch, Auch als Stiftungspartner en- Service allen Bürgerinnen und Bür- lichen Alltag, der Volkskunde und der triegeschichte des Rheinlandes be- ein gemeinsames Marketing und eine gagiert der LVR sich rheinlandweit, gern sowie Kultureinrichtungen im Ökologie. Das Rheinische Industrie- deutende Einrichtung bereits in der bessere touristische Vermarktung zuletzt und prominent in der Stiftung Rheinland zur Verfügung. Rheinische museum macht als dezentrales Muse- Vergangenheit finanziell wie durch aller Beteiligten. Gleichzeitig werden Ruhrmuseum auf dem Weltkulturer- Denkmalpflege und Rheinische Bo- um an sechs Schauplätzen Industrie- Beratungsleistungen unterstützt. Da- die industriekulturellen Aktivitäten be Zeche Zollverein in Essen. Mit der- dendenkmalpflege sichern und be- und Sozialgeschichte in ehemaligen rüber hinaus ist der LVR mit einer im Rheinland noch stärker in das zeit 24 Stiftungsbeteiligungen sichert wahren bauliche wie archäologische Fabriken anschaulich. Im Jahr 2007 Zustiftung von seinerzeit 500.000 DM Bewusstsein der Öffentlichkeit ge- der LVR den Erhalt und den Betrieb Zeugnisse rheinischer Geschichte und ist als jüngstes Kind das Max Ernst an der Stiftung beteiligt. Allerdings ist rückt. Natürlich steht das Netzwerk von zahlreichen bedeutenden Denk- Kultur. Die Rheinische Landeskunde Museum Brühl zur LVR-Museumsfa- künftig durch die finanzielle Situation auch künftig weiteren Partnern offen mälern und Museen im Rheinland untersucht aktuelle und historische milie gestoßen: Mit der Übernahme der Stadt Stolberg, das Wegbrechen und es ist jeweils im Einzelfall unter wie dem Roten Haus in Monschau Entwicklungen in der Region. In Brau- des Museums in LVR-Trägerschaft von Stiftungszuschüssen aufgrund Berücksichtigung fachlicher Aspekte oder der Stiftung Preußen-Museum weiler betreut und sichert das Archiv- baute dieser sein regionales Netzwerk des gesunkenen Zinsniveaus sowie zu entscheiden, welche Institutionen NRW. und Fortbildungszentrum rheinisches in der Region weiter aus. Bereits 2001 von rückläufigen Spenden eine stei- dem Netzwerk beitreten können. Der Landschaftsverband Rhein- Archivgut und bildet Restaurateure gründete der LVR gemeinsam mit der gende Betriebskostenunterdeckung Das Netzwerk basiert auf bilateralen land versteht sich als Impulsgeber für und Restaurateurinnen aus. Das ge- Kreissparkasse Köln und der Stadt zu erwarten. Neben einer angepassten Verträgen, die zwischen dem LVR verschiedenste kulturelle Netzwerke meinsam mit der Landeshauptstadt Brühl die Stiftung Max Ernst mit dem finanziellen Förderung soll das das und den einzelnen Netzwerkpartnern im Rheinland, aber auch weit über Düsseldorf getragene Medienzen- Ziel, die Werke von Max Ernst aus Stolberger Museum künftig profitieren individuell vereinbart werden. Eine fi- dessen Grenzen hinaus. Besonderen trum Rheinland setzt medien- und verschiedenen Kunstsammlungen im durch das „Netzwerk Industriekultur nanzielle Unterstützung des jeweiligen Wert legt der LVR auf die Zusammen- bildungspolitische Schwerpunkte. Im Rheinland zusammenzuführen, um im LVR“. Grundlegendes Ziel des Netz- Netzwerkpartners durch den LVR ist im arbeit mit seinen Nachbarn in Europa, Umweltamt des LVR ist die Kulturland- sie in seiner Geburtsstadt Brühl der werkes ist es, die vielfältigen fachlichen Einzelfall zu entscheiden und nicht in denn das Rheinland steht für einen schaftspflege angesiedelt, sie widmet Öffentlichkeit zu präsentieren. Kompetenzen des LVR im Bereich der jedem Fall vorgesehen. einzigartigen, traditionsreichen und sich mit vielfältigen Aktivitäten wie Natürlich ist die Integration eines Industriekultur gezielt einem größeren Neben der gezielten, thematischen vitalen Kulturraum mitten in Euro- beispielsweise der Rekonstruktion des Museums in die LVR-Organisations- Kreis von interessierten Nutzern zur Netzwerksbildung ist der Landschafts- pa. Diesen weiter zu befördern und Jakobspilger-Wegenetzes dem Erhalt, struktur eher die Ausnahme denn die Verfügung zu stellen. Der Landschafts- verband über seine Regionale Kul- in der Öffentlichkeit zu verankern, der Pflege und der Entwicklung der hi- Regel. Um Museen und Kultureinrich- verband war vor fast 30 Jahren Pionier turförderung und die Sozial- und dazu tragen die Einrichtungen des storisch geprägten Kulturlandschaften tungen dauerhaft zu stützen und zu in der Industriedenkmalpflege und ist Kulturstiftung des LVR zuverlässiger Landschaftsverbandes Rheinland und im Rheinland. fördern, geht der Landschaftsverband heute anerkannt für seine fachliche Partner für die kommunale Kultur- seine vielfältig geknüpften Netzwerke Die sechs Museen des LVR zeigen vielfältige Wege. Ein Beispiel ist das Kompetenz und sein Engagement arbeit. Leitend ist das Interesse, die entscheidend bei. das ganze Spektrum von Geschichte, Ende 2007 gegründete „Netzwerk im Bereich der Industriekultur. In kulturellen Eigenschaften und Beson- Kunst und Kultur im Rheinland: Der Industriekultur im LVR“. Dahinter diesem Zusammenhang ist vor allem derheiten der rheinischen Landschaft Die Verfasserin ist Dezernentin für Neandertaler, ältester und prominen- verbirgt sich die Kooperation mit der das Rheinische Industriemuseum des und Lebensart zu bewahren und der Kultur und Umwelt beim Land- tester Rheinländer und Europäer, hat Stadt Stolberg und dem Verein „Gesell- LVR mit seinen sechs Schauplätzen zu Öffentlichkeit zugänglich zu machen. schaftsverband Rheinland Kulturelles Leben politik und kultur · März – April 2008 · Seite 22

„Mord“ in Weimar? Schillers Tod und die Ludendorff-Bewegung • Von Georg Ruppelt In der Gottfried Wilhelm Leibniz Bi- Mathilde Ludendorff (1877–1966). bliothek fand Ende 2007 das Dritte Das Buch wurde bis 1936 in 59.000 Hannoversche Symposium zum Exemplaren gedruckt; die letzte NS-Raubgut statt (s. puk 1/2008). Auflage gelangte jedoch durch ein In der vom Beauftragten der Bun- Verbot des Propaganda-Ministeri- desregierung für Kultur und Medien ums nicht mehr zur Auslieferung. geförderten internationalen Tagung Zwei Drittel des 209 Seiten starken ging es u. a. um rund 2,5 Millionen Bandes nimmt die Erörterung der von den Nazis in Europa geraubte Vorgänge um Schillers Tod ein; der Bücher aus jüdischen, freimaure- Rest ist den „nachgewiesenen Mor- rischem, kirchlichen, gewerkschaft- den“ an Luther, Lessing und Mozart lichen oder Parteienbesitz. und vermuteten Morden an Fichte, Leibniz, Nietzsche, Schubert und J. reimaurer, Juden, Jesuiten und S. Bach gewidmet. F letztendlich das Christentum Die Überschriften seiner Kapi- machte auch im letzten Jahrhundert tel ähneln Inhaltsangaben trivialer die so genannte Ludendorff-Bewe- Horrorromane: Schillers Verbrecher- gung für alle Übel dieser Welt verant- begräbnis, Bruder Goethes Verrat wortlich. Sie nahm sich dabei in ihren an Schiller, Der Judenfluch über Verschwörungstheorien aber auch Schillers Gebeine, Auf den Spuren deutscher Denker und Dichter, vor der Schakale, Der Logenmord an allem des 1805 gestorbenen Friedrich Schiller ist ‚Tatsache’ usw. Die Feder Schillers an. sträubt sich, den traurigen Unsinn Mitte der 30er Jahre wurde selbst zu resümieren. (Eine Zusammen- Goebbels deren Behauptung zuviel, fassung des Inhalts sowie Quellen- Schiller sei durch Freimaurer und hinweise und Dokumente finden Juden mit Hilfe Goethes vergiftet sich in dem 1979 erschienenen Buch worden. Die Haltung des National- „Schiller im nationalsozialistischen sozialismus gegenüber dem kos- Deutschland“.) mopolitischen Klassiker, in dessen Dennoch: Die Ludendorffschen Texten keine antisemitische Be- Behauptungen wurden in der gleich- merkung zu finden ist, war geprägt geschalteten Presse des Deutschen von Gleichschaltungsversuchen Reiches vielfach diskutiert – und („Schiller als Kampfgenosse Hitlers“) auch scharf angegriffen. Mathilde und radikaler Ablehnung (Verbot Ludendorff selbst wies den Verdacht des „Wilhelm Tell“ für Schule und zurück, sie sei geisteskrank. Das Auf- Theater auf Befehl Hitlers 1941). sehen, das ihre Schriften erregten, Mit der Mordtheorie aber wollten veranlasste die Goethe-Gesellschaft, Partei- und Staatsführung nichts zu eine Arbeit in Auftrag zu geben, in tun haben. der der deutschen Öffentlichkeit 1928 erschien das Buch „Der un- sämtliche Dokumente zugänglich gesühnte Frevel“, in dem behauptet gemacht werden sollten, die den wurde, Schiller sei unter Mitwissen Tod und die Bestattung Schillers be- Goethes von Juden und Freimaurern trafen. 1935 publizierte Max Hecker ermordet worden. Autorin war die ein umfangreiches Dokumentarwerk Ehefrau General Erich Ludendorffs, über Schillers Tod und Bestattung, in

Das nmz-Fernsehen

Das Auge hört mit. TV-Programm Sind 400 Jahre Oper genug? Regensburger Runde in Halle

Die zweite Regensburger Runde der nmz war im Dezember zu Gast beim Mitteldeut- schen Rundfunk in Halle. Über Perspektiven des Musiktheaters diskutierten der Kom- ponist Moritz Eggert, der Regisseur und Choreo- graf Joachim Schlömer, der Intendant von Thea- ter & Philharmonie Thü- ringen (Altenburg/Gera) Matthias Oldag und nmz-Redakteur Rein- © Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek (GWLB) hard Schulz. Moderiert wurde die Runde, die Ende Dezember auf MDR dessen Nachwort er – nach eigenen kabbalistischen Zahlen feststellen zu behielt ihre durch sein Werk gewiss Figaro gesendet wurde schlimmen Attacken gegen Juden wollen, ob Goethe Schiller vergiftet nicht gerechtfertigte Sympathie für und hier in Ausschnitten und Freimaurer – die Behauptungen oder wer Mozart ermordet hat.“ Schiller auch nach 1945 bei. So wollte abgedruckt ist, von der Mathilde Ludendorffs detailliert – Extreme Antisemiten unter sich: man 1959 „alle völkischen Kräfte“ MDR-Opernredakteurin Bettina Volksdorf und nmz-Redakteur Juan Martin Koch. widerlegte. Heinrich Himmler ließ überprüfen, unter dem Namen „Deutsche Schil- Daraufhin griff Mathilde Ludendorff ob in der Ahnentafel der Ludendorff lerfreunde“ sammeln. Und die am „4. Eine Sachsophonie Teil 2 Hecker und die Goethe-Gesellschaft nicht irgendwelche „jüdische Bluts- Gilbhart 1970“ gegründete „Weltan- Rolf Hoppe und Heinz Rudolf Kunze heftig an, wobei sie letztere andeu- anteile“ aufträten, da er sich anders schauungsgemeinschaft Gotterkennt- Im November 2006 luden der Schauspieler Rolf Hoppe und Musiker Heinz Rudolf Kunze tungsweise verdächtigte, im Solde jü- „die Rabulistik dieser Frau“ nicht nis Mathilde Ludendorff e. V.“ verlas in ihren literarisch-musikalischen Salon auf Schloss Weesenstein in Sachsen. Texte aus discher Freimaurer zu stehen. In der erklären könne. über dem Grab des Ehepaares Luden- Sachsen und Niedersach- „Frankfurter Zeitung“ wogte Ende In der Reichspressekonferenz vom dorff Schillers „Worte des Glaubens“. sen hieß das Motto des des Jahres 1935 ein publizistischer 17.10.1936 nahm Goebbels dann In „Ludendorff oder Der Verfol- Abends, an dem die bei- den Künstler „ihre gelieb- Kampf um den armen Schiller mit nochmals scharf gegen die Luden- gungswahn“ schrieb Kurt Tucholsky ten Poeten“ von Lessing Darstellung und Gegendarstellung. dorffschen Behauptungen Stellung 1928: „Denn die Jesuiten, Erich – und bis Kunze vortrugen. Mu- Nun reichte es sogar Goebbels. und kündigte bei weiterer Verbrei- die Maurer, Erich – und die Radfah- sikalisch untermalt durch Die Leser des „Berliner Lokalan- tung dieser Gerüchte Publikations- rer – die sind schuld [...] Jeden Frei- neu arrangierte Lieder zeiger“ konnten im Januar 1936 aus verbot und Strafverfolgung an. Die tag abend spielt ein Kapuziner mit des Rockpoeten konnte einem Artikel des Reichsministers Diskussionen verstummten aber dem Papste Skat – dazu ein Feldrab- auch Rolf Hoppe seine Sangesqualitäten unter für Volksaufklärung und Propa- trotz des Verbreitungsverbotes nicht. biner; auf dem Tische liegt ein Grand Beweis stellen. ganda erfahren, was dieser von Noch im Juni 1938 wurde auf einer mit Vieren – dabei tun sie gegen den Behauptungen der Mathilde Reichspressekonferenz das Verbot Deutschland konspirieren ...“ Ludendorff hielt. Der promovierte wiederholt. Germanist Goebbels schrieb: „Es ist Diese Diskussionen haben wohl Der Verfasser ist Stellvertre- gemein und charakterlos, die deut- auf Dauer zum Bekanntheitsgrad der tender Vorsitzender des Deutschen Exklusiv und kostenlos unter sche Kunst- und Kulturgeschichte in These von der Ermordung Schillers Kulturrates und Direktor der Gott- eine Serie von Kriminalfällen aufzu- beigetragen; Gerüchte, „Enten“ sind fried Wilhelm Leibniz Bibliothek www.nmzmedia.de teilen und unter Zuhilfenahme von langlebig. Die Ludendorff-Bewegung Hannover Kulturelles leben politik und kultur · März – April 2008 · Seite 23

Wie wird man Sammler? Wer oder was hilft? Von Karlheinz Schmid Zufall? Familien-Erbe? Spekulan- auch Speck ein Werk gefallen, wenn kann es Ausfälle und Enttäuschungen tentum? Der richtige Kunsterzie- er es kauft, aber die überzeugende geben. Nennen Sie es Lehrgeld oder her? Oder ist’s der eigene gute Ästhetik allein ist es nicht, die ihn zur Denkzettel für Spekulanten. Riecher für Qualität, für Ungewöhn- Neuerwerbung führt. Vielmehr geht es liches, für kreatives Potenzial? um die Hintergründe, um den Stellen- So neu ist das allerdings bei genauer Sammler zu werden, bedeutet wert im Gesamtwerk des Künstlers, um Betrachtung auch wieder nicht, denn heutzutage nicht viel. Es ist gesell- Themen, die schon in seiner Sammlung die Verweigerer und die Scherzbolde, schaftlich längst anerkannt, ja, es dank anderer Künstler vertreten sind. die den Kunstbetrieb, mehr oder weni- ist schick, cool, das Allerneueste Der Sammler versteht sich als Partner ger geplant, auf den Prüfstand stellen, zu kaufen, was der Kunstmarkt der Künstler; er nimmt ihre Arbeit ernst, waren unter den Gegenwartskünstlern bietet. Ein paar trendige Künstler- begleitet sie über Jahrzehnte, wenn er schon immer zu finden. Unvergessen Namen gibt es immer, selbst in sich einmal für sie entschieden hat, ist Dieter Roth, der 1998 verstorbene Mode- und Wohnzeitschriften tau- und diese ungeheuer tiefe Loyalität ist Schimmelartist, der zunächst den chen die heißen Tipps auf, in den es auch, die ihn, den Sammler, immer schönen Schein produzierte, um dann Wirtschaftsmagazinen ohnehin. wieder zum Engagement treibt. Ganze aus den Tiefen seiner Schoko-und- Wer ein paar Insider kennt, der Werkgruppen kommen so in die Kollek- sonstwas-Skulpturen das Maden-Bal- kommt obendrein rasch an die so tion. Selten, dass er von einem Künstler lett heraustanzen zu lassen. Ach, hätte genannten Geheimtipps und kann nur ein Werk besitzt; meist sind es viele, man die feine Schweizer Schokolade womöglich frühzeitig einkaufen, um nicht zuletzt die künstlerische Ent- nur rechtzeitig verspeist, um wenig- ein paar Monate vor der ersten wicklung zu dokumentieren. stens etwas fürs Geld zu haben, so großen Museumsausstellung des dachten manche Sammler. Indes: Ha- Shooting-Stars, vor der ersten Selbstverständlich ist auch die direkte ben sie nicht, dank der Bereitschaft, saftigen Preiserhöhung. Sammler Auseinandersetzung mit den Künstlern den Vergammelungsprozess des zu werden, ist also nicht schwer; wichtig. Einige Sammler, denken wir verderblichen Kunstwerks zu gestat- ein Gang über eine der vielen etwa an Harald Falckenberg oder an ten, einen nicht zu unterschätzenden Kunstmessen und die Investition Rik Reinking, eine Generation jünger Gegenwart erhalten? Erkenntnis-Kunst von ein paar tausend Euro müssten als Falckenberg, agieren wie Komplizen gewissermaßen. fürs Erste genügen. der Künstler; sie sind ihnen hautnah und lernen durch das Zusammensein „Es gibt Sammler, die sind begeistert Dagegen: Sammler zu sein und vor viel. Mitunter wird ihre Leidenschaft von ihren Jagdtrophäen“, sagt der allem zu bleiben, ist weitaus kom- freilich hart auf die Probe gestellt. Hamburger Sammler Falckenberg, „ich plizierter. Denn Sammeln ist jene Falckenberg musste einmal einen kom- kann diese Begeisterung nicht teilen. Leidenschaft, die Leiden schafft, wie pletten Kiosk-Inhalt kaufen, mit Regalen, Ich kann mich auch wieder von Werken der Kölner Sammler Reiner Speck Tageszeitungen und Süßigkeiten, weil trennen.“ Ein (Roth-)Verlust durch so treffend formuliert hat. Wer sein sich der inzwischen verstorbene Jason Verwesung wäre also für ihn leich- Engagement für die Gegenwartskunst Rhoades und Altmeister Paul McCarthy, terhand zu verschmerzen; schließlich ernst nimmt, kommt nämlich alsbald zwei seiner Lieblingsartisten, eine Um- verkauft oder verschenkt er, was im in die Situation, sich zu verschulden, setzung des Ladens in die benachbarte passenden Moment das Bare für eine wenn er nicht vielfacher Millionär Falckenberg-Sammlung wünschten. Der wichtige Neuerwerbung bringen soll ist. Und die Banken (selbst jene, die Künstlerfreund, Mäzen und Sammler Karlheinz Schmid. Foto: Moosburger – oder wenn ein Museum den entspre- selbst sammeln, mögen sich mit dem Falckenberg weiß heute noch nicht so chenden Bedarf anmeldet. So haben Gedanken nicht anfreunden, dass zeit- recht, ob er die Transaktion, also den nur an den verstorbenen Frankfurter ernstzunehmender Sammler werden. vom Museum der bildenden Künste genössische Kunst als Wertanlage und Wiederaufbau des Kiosk-Sortiments, Kunstsammler Hermann Kasack. Er Wie Vokabeln-Lernen, von A bis Z: Franz in Leipzig bis zum Museum Ludwig in Sicherheit zu beurteilen ist) verstehen als Kunst zu werten hat oder nicht. lebte in der Rat-Beil-Straße in einer Ackermann, Eija-Liisa Ahtila, Nobuyoshi Köln bereits etliche öffentliche Häuser wenig Spaß; jede Immobilie und jede Natürlich: Künstler haben es gemacht, Dreizimmer-Wohnung, die von oben bis Araki, John Armleder, Matthew Barney, hochkarätige Arbeiten aus der privaten Aktie sind ihnen unter dem Strich lie- also muss es Kunst sein, heißt es oft. unten mit Bildern gepflastert war, die Vanessa Beecroft, Cosima von Bonin, Sammlung Falckenberg gratis über- ber als ein Bild, mag es von Experten Aber ist es so? Wo sind die Kriterien für meisten rechtzeitig gekauft und nur ein Jake & Dinos Chapman, Thomas De- nehmen dürfen. noch so hoch taxiert werden. Kunst, für herausragende Kunst? Wie paar hundert Mark teuer. Das teuerste mand, Olafur Eliasson, Tracey Emin, lauten sie? Und wer legt sie fest? Fra- Gemälde dieser Kollektion stammte von Sylvie Fleury, Katharina Fritsch, Nan Oft ist es ja so, dass die in den letzten In der Tat: Der Werteverfall kann gen über Fragen. Und wir haben immer Jules Olitski, eine Farbfeldmalerei, die Goldin, Douglas Gordon und wie sie Jahren deutlich gestiegenen Preise schmerzhaft ausfallen. Wer Mitte noch keine hundertprozentig griffigen Kasack etwa Mitte der siebziger Jahre alle heißen. Aber es geht nicht nur ums verhindern, dass die Museen, schon der achtziger Jahre noch bereitwillig Antworten auf das Naheliegende. Ja, bit- für 7.900 Mark erwarb. Seine Frau name dropping. Ziel der Übung ist es, immer von niedrigen Ankaufsetats ge- 100.000 Mark für ein Gemälde des te, wie wird man Sammler? Gibt’s eine Annemaria, so erzählte er selbst, habe nach und nach sein Auge nicht nur für plagt, selbst kaufen können, was in die damals fleißig gehandelten jungen Sammler-Schule? Ist das Leben die be- darauf vier Wochen lang nicht mit ihm gute Werke, sondern auch für herausra- Sammlung passt. Die notgedrungen Wilden Salomé ausgeben mochte, der ste Schule? Stichwort: Lehrgeld?! Oder gesprochen. Familienkrach pur. gende Geschäftsbeziehungen zu schär- zunehmenden Verbindungen zwischen konnte schon Monate später merken, genügt es, dieses Buch zu lesen? Lieber fen. Wer steht hinter dem Künstler, für Privatleuten und Museumsdirektoren dass nichts mehr geht, dass niemand mit anderen Leuten reden, die auch Was Wunder: Die Kasacks leisteten dessen Arbeit man sich interessiert? Ist haben zwar in den vergangenen Jahren mehr diesen Preis zahlen wollte. Von Sammler werden wollen? Oder, noch sich weder ein Auto noch einen Urlaub; der Galerist oder der Agent in der Bran- oft zur Kritik an der viel zitierten Macht einem Gewinn wurde erst gar nicht besser, sachkundige Insider als Berater beinahe das gesamte Einkommen des che angesehen, hat er ein Händchen, der Sammler geführt, doch letztlich mehr gesprochen. Die Nachfrage ließ suchen, also Pfadfinder, Art-Scouts, Industriemeisters floss in die Kunst. Wie Talente zu führen, den internationalen sind die betroffenen Museen allesamt nämlich plötzlich nach, als die Profis professionelle Art Consulter? Letztlich, Lafrenz sich von Konrad Fischer bera- Durchbruch einzuleiten? noch in staatlicher Hand. merkten, dass die Qualität der oft so ist das nun mal, dienen alle Mittel; ten ließ, oder wie sich der Stuttgarter schnell, in einer Nacht hingepinselten nichts auslassen, alles gestatten und Modemann Uli Knecht vom Galeristen Wo Hauser & Wirth, die Schweizer Sogar in Berlin, wo Heiner Bastian Bilder abnahm. Wer nicht rechtzeitig ermöglichen. Künstler, Galeristen und Max Hetzler begleiten und bedienen Top-Galerie mit Spielstätten in London, und Erich Marx jahrelang am deut- an den Wiederverkauf dachte, der andere Sammler kennenlernen! Mit ih- lassen mochte, so setzte auch Kasack New York und Zürich, im Einsatz ist, darf lichsten gezeigt haben, was private blieb auf einer Lkw-Ladung der Marke nen reden, stundenlang, wenn möglich! auf fachkundigen Rat – und kaufte der Sammler beispielsweise beruhigt Einflussnahme im Museum auslösen Neue Heftigkeit sitzen, der konnte mit Unermüdlich Museen, Kunstvereine und zwangsläufig etliche Bilder bei Rochus zugreifen. Bei Klassikern wie Louise kann, kehrt mittlerweile wieder Ruhe der neo-expressiven Flachware aus Galerien besuchen und viel, sehr viel se- Kowallek, Frankfurt, einem der wohl Bourgeois, Paul McCarthy, Eva , ein. Das Stichwort Einflussnahme Berlin (Moritz-Boys) oder Köln (Mül- hen und immer wieder vergleichen (wie bekanntesten Entdecker und Händler in On Kawara oder Maria Lassnig ohnehin, lenkt hin zur Einstiegsfrage: „Wie heimer Freiheit) eine ganze Garage so oft: durch die Seh-Erfahrung kommt (Nachkriegskunst-) Deutschland. aber auch bei David Claerbout, David wird man Sammler?“ Nicht zuletzt füllen. Schwarzer Peter. die Sicherheit in der Beurteilung, in der Hammons, Rachel Khedoori, Pipilotti dank einer Entscheidung, dank einer Auswahl lohnenswerter Kunst)! Bei Kowallek, vor allem als Zero-Pro- Rist, Anri Sala, Wilhelm Sasnal, Roman Überlegung, die womöglich nach Andererseits: Mancher Sammler, der Außerdem lesen, sehr viel lesen, mithin motor im Gespräch, konnte man vor Signer oder Diana Thater. Dank Iwan Selbsterfahrungsgruppe klingt. Geht schon in den sechziger, siebziger oder Fachbücher und Kunstzeitschriften! über 30 Jahren für 3.000 Mark eine Wirth und seinem kompetenten Team es um die Sammlung, also um die achtziger Jahren einstieg, der konnte Aber auch in andere Kultur-Bereiche Arbeit von Yves Klein erwerben oder spielt Hauser & Wirth in der internati- Anhäufung von Kunst, mehr oder (vorausgesetzt, die richtigen Bilder eindringen: Was machen die Musik, der für 900 Mark eine von Piero Manzoni. onalen Spitzenklasse des Handels mit weniger klar strukturiert, um mit die- erworben zu haben) eine Kapitalanlage Film, das Theater, der Tanz, die Literatur, Gerhard Richter gab es schon für 1.800 zeitgenössischer Kunst mit, und wer als sem Besitz zu glänzen, vielleicht auch machen, wie sie sonst kaum möglich das Internet, die Mode, die Architektur, Mark – oder Beuys für 1.100. Nur zur Künstler dort untergekommen ist, der (Leihgeber-)Macht auszuüben, um erscheint. Reiner Speck, der Urologe, das Design oder die Werbung? Verbin- Erinnerung: Werke von Klein und Richter darf zuversichtlich nach vorn schauen. die Kapitalanlage später veräußern kaufte beispielsweise 1969 das „Lie- dungen sehen und einordnen! Nicht haben längst die Millionen-Euro-Grenze zu können? Oder ist der Prozess des bespaar“ von Sigmar Polke. Damals zuletzt: Neugierde für das Neue bewah- überschritten. Wer damals bei Kowallek Natürlich kann auch – wie im Aktien- Sammelns wichtig, das Eintauchen in waren auch für einen jungen Arzt ren; immer dort nachschauen und nach- (oder bei anderen Kollegen mit dem markt – etwas Unvorhergesehenes die Gedankenwelt des Künstlers, der 1.000 Mark viel Geld. Doch schon Mit- fragen, wo offenbar alle verunsichert richtigen Riecher) einkaufte, läuft heu- passieren; das wird dann auch ein ge- Kommunikationsaspekt, die eigene Er- te der achtziger Jahre wurde das Werk sind, wo künstlerische Arbeit polarisiert te, heimlich, mit einer goldenen Nase wiefter Galerist nicht immer verhindern fahrung im Zusammenleben mit dem auf rund 150.000 Mark geschätzt. (es könnte der Tipp für morgen sein). durchs Dorf und setzt womöglich auf können. Wer sich zum Beispiel auf zunächst fremden Kunstwerk, das es Heute dürfte es allemal 200.000 bis Dabei nach und nach Treffsicherheit die derzeit angesagten (Jung-)Stars. den Wirth-Künstler Christoph Büchel nach und nach mental zu erobern gilt? 250.000 Euro wert sein. in der eigenen Entscheidung finden, Von John Bock über Jonathan Meese einlässt, einen Schweizer Künstler der Die Antwort, je klarer, desto besser, sich nicht verunsichern lassen, wenn bis Andreas Slominski; von Pawel Überflieger-Klasse, muss mit fast allem führt konsequent zu weiteren Ant- Reiner Speck ist letztlich ein Kunst- es die meisten Sammler-Kollegen oder Althamer über Gregor Schneider bis rechnen. Denn Büchel ist unberechen- worten, die in den folgenden Kapiteln kenner, der die Frage am besten auch Freunde und Familienmitglieder Andrea Zittel. Oder, völlig Nummer Si- bar, für große Projekte zu haben, nicht dieses Buches gegeben werden. beantworten kann, wie man Sammler uninteressant finden, wenn sie die cher, rasch versuchen, irgendwo etwas selten an der Grenze zum Unmöglichen, wird, wer oder was hilft. Er, auch viel- Nase rümpfen. Vielleicht tun sie es nur, von Maurizio Cattelan, Isa Genzken, zum nicht Realisierbaren. Die Kunst, Auszug aus: Karheinz Schmid: Erfolg- seitig wissenschaftlich und literarisch weil sie nicht zuerst entdeckt haben, Andreas Gursky, Neo Rauch oder Franz wunderbar, wird hier wurzelbehandelt, reich sammeln. Zeitgenössische Kunst interessiert und tätig, hat sich von was schon morgen oder übermorgen West aufzutreiben. und wo gnadenlos auf Risiko gesetzt zwischen Leidenschaft und Rendite. Anfang an intensiv mit den Künst- allseits für Gesprächsstoff sorgen wird, wie es im besten Falle sein sollte Band 1 der Reihe Ratgeber Kunst, hg. lern, ihren Biografien und Konzepten könnte. Das große Einkaufsbudget ist Ja, die Namen und ihre Handschriften (wir meinen schließlich niemals Deko- von Gabriele Lindinger und Karlheinz auseinandergesetzt. Natürlich muss dabei gar nicht vonnöten. Denken wir muss man kennenlernen, will man ein ration, wenn wir von Kunst berichten), Schmid. Regensburg 2007 Förderverein politik und kultur · März – April 2008 · Seite 24

Die Gründung ist erfolgt – die Arbeit kann beginnen Der neue Verein zur Förderung des Deutschen Kulturrates • Von Georg Ruppelt Am 18. Dezember 2007 wurde der Verein zur Förderung des Deutschen Kulturrates gegrün- det. Ein Jahr der Vorbereitung fand damit einen erfolgreichen Abschluss. Der Verein kann nunmehr seine Arbeit aufnehmen.

Anfang des vergangenen Jahres ergriff der Be- richterstatter in engem Kontakt mit Vorstand und Geschäftsführung des Deutschen Kulturrates die Initiative zur Gründung eines Fördervereins für eben diesen. In intensiven Gesprächen kristallisierte sich im Laufe der Zeit heraus, auf welche Weise der Förderverein einen Beitrag zur Stärkung des Deutschen Kulturrates leisten könnte. (Der Ver- einsname mag prosaisch klingen, er ist aber an Deutlichkeit und Eindeutigkeit, was den Zweck des Vereins betrifft, kaum zu überbieten.)

Dem Deutschen Kulturrat ist es als einem Dach der Dächer, einem Verband der Verbände nicht möglich, Einzelpersonen als Mitglieder aufzunehmen. Seine Mitglieder sind die acht Sektionen, denen wiederum Bundeskulturverbände verschiedener Provenienz angehören. Ziel des Deutschen Kulturrates ist es, die Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur zu verbessern. Damit konzentriert er sich auf Themen, die mehrere künstlerische Sparten betreffen bzw. die spartenübergreifend sind. Die acht Mitglieder Gründungsmitglieder des Fördervereins: Ekkehard Nümann, Christian Höppner, Heiner B. Lendermann, Regine Lorenz, Stefan Piendl, Georg Ruppelt, des Deutschen Kulturrates sind gleichberechtigt. Olaf Zimmermann, Gabriele Schulz und Ferdinand Melichar (v.l.n.r.). Foto: Stefanie Ernst So hat etwa der „große“ Deutsche Musikrat mit über 100 angeschlossenen Musikverbänden das pointiertem Individualismus von allen Mitgliedern dert, nämlich Stellungnahmen und Positionen zu Deutschen Kulturrates sowie einiger Mitgliedsver- gleiche Stimmengewicht und zahlt denselben Mit- getragene Aktionen möglich sind, um der Kultur in kulturpolitischen Fragestellungen zu erarbeiten. bände beschlossen, die an die kulturelle Barbarei gliedsbeitrag wie die „kleine“ Sektion Design mit Deutschland zu nützen und um sie zu schützen. In anderen Projekten befasst sich der Deutsche der Nationalsozialisten erinnern will: so an die ihren acht Mitgliedern. Kulturrat mit Fragen der kulturellen Bildung usw. Bücherverbrennungen vor 75 Jahren, an verfemte Der Grundsatz vom Geldbeutel-Ignorieren hat freilich Musik oder an „entartete“ Kunst. Auf Dauer will Dieses Gleichgewicht an Stimmenzahl und Höhe auch eine Kehrseite, nämlich die, dass der Deutsche Der Verein zur Förderung des Deutschen Kultur- der Förderverein einen Beitrag dazu leisten, dass der Mitgliedsbeiträge mag Außenstehenden ver- Kulturrat nur über geringe bare Eigenmittel verfügt. rates bietet nun natürlichen (auch juristischen) das nachhaltige und langfristige Engagement für wunderlich erscheinen. Es trägt aber entscheidend Zwar werden in erheblichem Maße unbare Eigenleis- Personen, die gemäß Satzung keine Möglichkeit kulturelle Bildung mehr Öffentlichkeit erhält. zur inneren Stabilität und Kompromissfähigkeit des tungen erbracht – so zahlen etwa alle Mitglieder der haben, im Deutschen Kulturrat mitzuwirken, eine Deutschen Kulturrates bei. Hier kann niemand qua Gremien des Deutschen Kulturrates ihre Reisekosten Plattform für Kulturförderung im weitesten Sinne. Wenn Sie sich denselben oder ähnlichen Zielen Geldbeutel andere dominieren. Hier müssen alle mit selbst – doch damit ist die die Arbeit des Deutschen Fördervereinsmitglieder können den Deutschen verbunden wissen, lade ich Sie oder auch Ihren der Kraft der Argumente kämpfen, für ihre Ansicht Kulturrates bei allem persönlichen Engagement und Kulturrat finanziell und ideell unterstützen. Dabei Betrieb, Ihre Gruppe, Ihre Institution herzlich ein, streiten und inhaltlich überzeugen, seien es kleine bei größter Sparsamkeit nicht zu finanzieren. versteht der Verein zur Förderung des Deutschen in unsere junge Gründung einzutreten. Tragen Sie oder große, einflussreiche oder weniger einfluss- Um dennoch seiner oben erwähnten Bestimmung Kulturrates seine Arbeit subsidiär. Seine Förderung mit ihrer Mitgliedschaft im Verein zur Förderung des reiche, wohlhabende oder weniger betuchte Ver- gerecht zu werden, bearbeitet der Deutsche Kul- soll dazu beitragen, zusätzliche Projekte und Vorha- Deutschen Kulturrates dazu bei, dass der Deutsche bände. Diese Grundverfassung hat dem Deutschen turrat im Auftrag verschiedener Bundesministerien ben, die sonst nicht realisiert werden könnten, zu Kulturrat seine Stimme für die Kultur in Deutsch- Kulturrat stets gut getan. Und eigentlich ist es ein Projekte. Eine Grundfinanzierung leistet das Projekt verwirklichen und damit die Stimme des Deutschen land in noch kräftigerer Weise erheben kann! Wunder, dass trotz aller individuellen Kreativität, die „Bündelung verbandlicher Kulturpolitik unter spar- Kulturrates zu stärken. sich offenbar vom Künstler oder „Kulturschaffenden“ tenübergreifendem Blickwinkel und Politikberatung Der Verfasser ist Vorsitzender des auch auf Verbände überträgt, dass also trotz dieser durch den Deutschen Kulturrat e.V.“. Hier ist die Als erstes Vorhaben des Fördervereins hat der Vereins zur Förderung des Deutschen den Kulturmenschen auszeichnenden Neigung zu Kernkompetenz des Deutschen Kulturrates gefor- Vorstand die Beteiligung an einer Aktion des Kulturrates

Der Vorstand des Vereins Informationen Verein zur Förderung des Dr. Georg Ruppelt, Vorsitzender Regine Lorenz, Stellvertretende Vorsitzende Stefan Piendl, Stellvertretender Vorsitzender Deutschen Kulturrates Direktor der Gottfried Wilhelm Leibniz Projektleiterin Stiftungen der Dresdner Bank, Geschäftsführer der Arion Kultur& Manage- c/o Deutscher Kulturrat Bibliothek Hannover Abteilung Corporate Affairs ment GmbH Köln Chausseestraße 103, 10115 Berlin Tel: 030/24 72 80 14, Fax: 030/24 72 12 45 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.kulturrat.de/foerderverein Vorstand Dr. Georg Ruppelt (Vorsitzender) Regine Lorenz (Stellvertretende Vorsitzende) Stefan Piendl (Stellvertretender Vorsitzender) Schriftführerin: Gabriele Schulz

Mitgliedschaft im Förderverein des Deutschen Kulturrates Bitte senden Sie mir unverbindlich Informationen zur Mitgliedschaft im „Verein zur Förderung des Deutschen Kulturrates“ zu: Foto: Jutta Wollenberg, © GWLB Foto: Michael Fahrig Foto: Dorothee Falke

Name: ______Ich engagiere mich für den Deutschen Kul- „Der Deutsche Kulturrat leistet durch seine „Besonders dann, wenn sich ein Verband im turrat, weil exzellente Arbeit einen unverzichtbarer Bei- politischen Umfeld engagiert, und manchmal Vorname: ______1. Kultur ebenso wie die Freiheit immer von trag zur Vernetzung der Akteure im Kulturbe- vielleicht auch kontrovers, für die Interessen Ignoranz und ideologischer Einflussnahme reich. Dass ich durch den neu gegründeten der Kultur und der Künstler einsetzt, gehört Anschrift: ______bedroht ist und aufmerksame Verteidiger Förderverein nun auch als Privatperson, die eine gewisse Unabhängigkeit zu den we- benötigt. sich in vielfältiger Weise der Kultur verbunden sentlichen Voraussetzungen für souveränes Email: ______2. Weil unser schöner, vielfältiger und überaus fühlt, die Arbeit des Kulturrates durch meine Agieren. Der neue Förderverein soll den Deut- ertragreicher Kulturföderalismus einen zentra- Vorstandstätigkeit im Förderverein unterstüt- schen Kulturrat in seiner unabhängigen Arbeit len Fürsprecher gebrauchen kann. zen kann, empfinde ich als attraktive Aufgabe wirkungsvoll unterstützen, nicht zuletzt auch Verein zur Förderung 3. Weil der Deutsche Kulturrat, nehmt alles und Herausforderung.“ durch die Stärkung der eigenen Ressourcen des Deutschen Kulturrates nur in allem, diese beiden wichtigen Aufgaben Regine Lorenz, und der finanziellen Basis. Dabei mitwirken zu c/o Deutscher Kulturrat erfolgreich erfüllt und dafür sorgt, dass Kultur Stellvertretende Vorsitzende können, erscheint mir ein ebenso sinnvolles Chausseestraße 103, 10115 Berlin auf die öffentliche Tagesordnung kommt. wie lohneswertes Engagement.“ Tel: 030/24 72 80 14 Georg Ruppelt, Stefan Piendl, Fax: 030/24 72 12 45 Vorsitzender Stellvertretender Vorsitzender E-Mail: [email protected] Portrait politik und kultur · März – April 2008 · Seite 25

Zwischen Tanz und Tarifen Ein Porträt des GDBA-Präsidenten Hans Herdlein • Von Andreas Kolb Im Kriegsjahr 1943 war München auf Empfehlung von Stammer in die Aktivist von seinen damaligen ersten Von 1979 bis 2001 war er Präsident des grau und trist, zu essen gab’s we- Ballettschule Gretl Godlewski. Darauf Erfolgen im Tarifstreit erzählt, dann Kartellverbands deutschsprachiger nig. Für den 1928 geborenen Hans folgte die Ballettschule Lula von Sach- hört sich das so engagiert und dyna- Bühnenangehöriger, von 1981 bis Herdlein war die riesige Freitreppe, nowski, einer reinen Klassikerin, bei misch an wie vor fünf Jahrzehnten. 2000 Beirat der Künstlersozialkasse die Fritz Fischer für seine Inszenie- der viele emigrierte Russen tanzten. „Man kann nicht eine Berufsgruppe Wilhelmshaven, von 1985 bis 2005 rung von „Der Liebling der Welt“ im „Da sah man wie’s wirklich geht!“ wie etwa den Chor, die bis ins hohe Vorstandsvorsitzender des Fonds Gärtnerplatztheater aufbauen ließ, Nach zwei Jahren mit Engage- Alter singen kann, mit einem Jugend- Darstellende Künste; Ehrenmitglied. eine Flucht aus der Wirklichkeit in ments an den Münchener Kammer- beruf vergleichen, und Tänzer und Seit 1982 ist er Mitglied des Sprecher- einen Traum aus Glamour und Show. spielen und am Deutschen Theater Tänzerinnen, nur weil sie jung sind, gremiums des Deutschen Kulturrates, Der Teenager steckte er in einer suchte Herdlein Neues: Von 1949 bis unter einem Gagenlimit halten, das Mitglied im Exekutivkommitee der glänzenden Livree und „garnierte“ 1956 tanzte er an den Städtischen jeder Beschreibung spottet.“ International Federation of Actors zusammen mit anderen jungen Sta- Bühnen Düsseldorf bei Yvonne Ge- Ballett ist ein Jugendberuf, spä- (FIA), Verwaltungsrat und Kammerrat tisten diese Treppe à la Hollywood. orgi und danach Kurt Jooss.“ Als testens mit 40 ist eine Karriere in der der Bayerischen Versorgungskammer, Ein echtes Erweckungserlebnis: Eine Düsseldorf die Fusion mit Duisburg Regel zu Ende. Um den Umstieg vor- Vizepräsident der Europäischen Mu- Theaterleidenschaft war in dem Halb- anstrebte, und Herdlein hin und her zubereiten, begann Herdlein parallel siktheater-Akademie und Mitglied wüchsigen geweckt, die ihn ein Leben hätte pendeln müssen, orientierte er zur Arbeit an der Bühne ein Gaststu- des Wissenschaftlichen Beirats des lang nicht mehr loslassen sollte. sich wieder zurück nach München. dium der Soziologie an der Ludwig Hans Herdlein. Foto: GDBA Instituts für Kulturelle Infrastruktur, Für fünf weitere Jahre wurde er von Maximilian Universität München. Sachsen. etrachtet man Karrieren im Alan Carter und Heinz Rosen an die Dass er nicht zu Ende studierte, lag Normalvertrag Chor und Tanz wurde 2005 erhielt Hans Herdlein den B Nachhinein, dann bestechen Bayerische Staatsoper engagiert. nicht an mangelndem Engagement, durch einen eigenen Normalvertrag Deutschen Tanzpreis für seine Ver- sie oft durch ihre Schlüssigkeit und Im Gegensatz zu manchen seiner sondern an der Genossenschaft Deut- Tanz abgelöst, die Ballettgagen mit dienste. Hier ein Auszug aus der Lau- Folgerichtigkeit. So auch bei Hans jungen Kollegen interessierte sich scher Bühnenangehöriger (GDBA): den Chorgagen gleichgestellt. datio des damaligen Vizepräsidenten Herdlein. Die nächste Stufe war der Herdlein nicht nur ausschließlich für Die stellte den Tänzer, der seit 1957 In seine Amtszeit als Präsident fie- und heutigen Präsidenten des Deut- Bewegungschor unter dem damaligen den Tanz, immer hatte er auch die Ar- Vorsitzender der Berufsgruppe Tanz len zahlreiche wesentliche Verbesse- schen Bundestags, Norbert Lammert: Ballettmeister Werner Stammer am beitsbedingungen im Blick. Und die war, 1961 in die hauptamtliche Wahl- rungen für die Bühnenmitglieder, so „Der dauernde Spagat zwischen Münchner Theater am Gärtnerplatz. waren damals „unter aller Kanone“, funktion ein. Seit damals stellt sich 1977 eine grundlegende Neufassung Kunst und Gewerkschaft, Tanz und „Die Tänzer waren zum Teil eingezo- wie er sich heute erinnert. Herdlein in Vier-Jahresintervallen des Entlassungsrechts. Im Tarifvertrag Tarifen ist allein ein Kunstwerk sui gen“, erinnert sich Herdlein, „ und so „Tänzer orientieren sich immer erfolgreich zur Wahl. über die Mitteilungspflicht wurden generis mit einem unangefochtenen hatte Stammer aus der Not eine Tugend nur an ihrer Arbeit“, weiß Herdlein, Nach rund 15 Jahren auf der Büh- die Nichtverlängerungstermine vor- Hauptdarsteller: Hans Herdlein […] gemacht, und einen Bewegungschor „sie sind schutzbedürftig, denn für ne hatte Herdlein seine Karriere als gezogen und ein Anhörungsverfahren Mit Erfolg hat er sich für die Selbst- ins Leben gerufen. Prächtige Kostüme, das Drumherum haben sie weniger Tänzer beendet und eine zweite als sowie eine Abfindungsregelung bei ständigkeit der Bühnengenossen- glänzende Inszenierungen, Fischer Interesse. Sie brauchen jemand, Verbandsfunktionär gestartet. 1972 Entlassung wegen eines Intendan- schaft stark gemacht, als die Ver- war gut im Geschäft damals.“ der für sie eintritt.“ Im Detail hat wurde er auf dem Genossenschaftstag tenwechsels eingeführt. Vor dem schmelzung der Kartellgewerkschaft Während der Arbeit mit Stammer er genügend arbeitsphysiologische in Mannheim mit überwältigender Bundesarbeitsgericht wurde eine Be- Kunst mit der Gewerkschaft Druck erlebte Herdlein das erste Balletttrai- Argumente parat, warum auch ein Mehrheit zum Geschäftsführenden gründungspflicht im Anhörungsver- und Papier zur neuen IG Medien ning, die zunächst fremde Welt wurde Tänzer geregelte Arbeitsabläufe, oder Präsidenten gewählt, ein Amt das er fahren erstritten. 1980 erfolgte eine zur Debatte stand, und schließlich bald seine Heimat. Er begann mit mehr als nur vier (oder acht halbe!) bis heute innehat. erneute Überarbeitung des Normal- auch die Eingliederung der GDBA in Stepp-Unterricht bei Werner Beer. freie Tage im Monat haben sollte. Von In seiner aktiven Zeit auf der vertrages Tanz, die unter anderem zur die vor wenigen Jahren gegründete „Ich war begeistert von dieser vom den in den fünfziger Jahren üblichen Bühne hat er die soziale Situation Eingrenzung der Statisterietätigkeit Dienstleistungsgewerkschaft ver. Sport kommenden Ästhetik: männ- Gagen gar nicht zu reden. der Tänzer und der anderen Büh- und zum tarifvertraglich festgelegten di verhindert. [...] Und wenn Hans liche, schöne Sprünge, Pirouetten Im Hauptvorstand der GDBA nenkünstler direkt erfahren. 1968, als Pflichttraining führte. Herdlein dafür schon keinen Ge- drehen und alles.“ wurde man bald auf den jungen, en- Vorsitzender der Berufsgruppe Tanz, Neben seinen Aufgaben als GDBA- werkschaftspreis erhalten hat, dann Draußen, das waren gegen gagierten Tänzer aufmerksam, der es sorgte Hans Herdlein dafür, dass die Präsident und Chefredakteur der büh- heute jedenfalls einen Tanzpreis, den Kriegsende Trümmer und Trostlo- auch verstand, mit seinen Aufsätzen Ballettmitglieder einen selbständigen nengenossenschaft und Herausgeber Deutschen Tanzpreis.“ sigkeit. Drinnen, das war die Welt im Fachblatt bühnengenossenschaft Anschluss an die allgemeine Tarifent- des Deutschen Bühnenjahrbuchs der Bühne. Als 1944 die Theater Problembewusstsein zu schaffen. wicklung fanden und nicht nur im nahm und nimmt Hans Herdlein Der Verfasser ist Redakteur von geschlossen wurden, ging Herdlein Wenn der neunundsiebzigjährige Schlepptau der Chöre mitzogen. Der weitere Ämter im Kulturbereich wahr: politik und kultur

8PEJF.VTJLMFCU #JMEFS‰(FUUZ .&7 .PIS%FTJHO

XXXXESEF

8%3"O[FJHFÁ1PMJUJLVOE,VMUVS 4BJTPOÁYNN 4BU[TQJFHFMÁDNZL Aus den Gremien/neue Bücher politik und kultur · März – April 2008 · Seite 26

Ein Gentleman und Freund des Wortes Zum Tod von Friedhelm von Notz – ein Nachruf • Von Georg Ruppelt The Gentleman Ideal hieß der Titel Schon 1981 auf der zweiten Plenums- des Literaturbereiches allgemein und eines Sammelbandes, den wir an- sitzung der in Gründung befindlichen speziell der Verleger im Sprecherrat gehenden Abiturienten Mitte der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kul- des Deutschen Kulturrates in der oben 60er Jahre angeregt im Englischun- turrat war Herr v. Notz dabei. Er konn- beschriebenen Weise. terricht diskutierten. Viele von uns te damals freilich seinem Verband Besondere Verdienste hat sich – bis 1968 waren noch zwei, drei – dem Börsenverein des Deutschen der Verstorbene zunächst in der Jahre hin – waren von der Idee des Buchhandels – den Beitritt zur Ar- Arbeitsgruppe Künstlersozialversi- Gentleman sehr angetan, schien sie beitsgemeinschaft Deutscher Kul- cherungsgesetz und später im Fach- doch eine nahtlose Fortsetzung des turrat nicht empfehlen. Der Zwang ausschuss Arbeit und Soziales des jugendlichen Pfadfinder-Idealismus zum Kompromiss mit 170 anderen Deutschen Kulturrates erworben. In zu sein, dem man eben entwachsen Verbänden war eine zu große Hürde diesen Gremien stehen sich die Inter- war. für eine Zusammenarbeit. Es be- essen der Künstler und der Verwerter stand die Befürchtung, die eigenen oftmals gegenüber. Speziell bei der m Laufe der Jahre und Jahrzehnte Positionen nicht wirkungsvoll genug Künstlersozialversicherung gehören I sind mir einige Menschen begeg- vertreten zu können. Der Börsen- die einen zu den Nutznießern dieses net, die mich an diese jugendliche verein des Deutschen Buchhandels Systems als Versicherte und die an- Lektüre erinnert haben – kaum einer engagierte sich stattdessen in der deren müssen als Abgabepflichtige freilich war darunter, der meinem 1985 gegründeten „Kommission zahlen. Es ist in hohem Maße dem Bild eines Gentleman mehr entspro- zum Schutze des Buches“, die später zähen Verhandlungsgeschick, aber chen hätte als Friedhelm v. Notz, des- in der Literaturkonferenz bzw. der auch der Kompromissbereitschaft sen Tod wir beklagen. Das gilt sowohl Deutschen Literaturkonferenz e.V. und dem Willen zum Ausgleich von für seine äußere Erscheinung wie für aufging. Herr v. Notz war in diesen Herrn v. Notz zu danken, dass sich der seine Art des öffentlichen Auftritts Gremien präsent und setzte sich in Deutsche Kulturrat stets einvernehm- und des persönlichen Gesprächs. seiner unnachahmlich freundlichen, lich zur Weiterentwicklung der Künst- Friedhelm v. Notz ist Anfang dieses ruhigen, dabei aber konsequenten lersozialversicherung positionieren Jahres im Alter von 72 Jahren verstor- Art für die Freiheit des Wortes eben- konnte. An den Stellungnahmen und ben. Der Deutsche Kulturrat und die so ein wie für die Interessen seines Positionspapieren zum Künstlerso- Deutsche Literaturkonferenz trauern Verbandes. zialversicherungsgesetz hat er mit um ihn. Er war langjähriger Stellver- 1996 wurde die Deutsche Litera- großem Engagement mitgearbeitet. tretender Sprecher der Deutschen turkonferenz e.V. Mitglied im Deut- Verehrt und gefürchtet wurde Literaturkonferenz und Vorsitzender schen Kulturrat und löste die Arbeits- Friedhelm v. Notz im Sprecherrat ob des Fachausschusses Arbeit und Sozi- gemeinschaft Literatur ab. Seither ver- seiner Textkritik. Kaum eine Stellung- ales des Deutschen Kulturrates. trat Friedhelm v. Notz die Interessen nahme des Deutschen Kulturrates, Neue Bücher: kurz notiert Zusammengestellt von Stefanie Ernst Kirche und Kultur. Dokumentation des ARD-Jahrbuch 07. Hrsg. von der jährlich einen Spenden-Almanach, Studientages der Herbstvollversammlung Arbeitsgemeinschaft der öffentlich- der Transparenz im Spendenwesen 2006 der Deutschen Bischofskonferenz. rechtlichen Rundfunkanstalten der schafft. Hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bundesrepublik Deutschland (ARD) Bischofskonferenz. Bonn 2007. 128 unter Mitwirkung der ARD-Werbung. Spielfalt. Playgound. Hrsg. von der Seiten. (Arbeitshilfen Nr. 212). 512 Seiten. Erschienen im Hans-Bre- Leipziger Messe. Leipzig 2007.128 Dass die Kirchen eine tragende Rolle dow-Institut. Seiten. Erschienen im Verlag literatur- als Kulturförderer spielen, stellte Kultur in ihrer ganzen Vielfalt steht comando. bereits die Enquete-Kommission des im Mittelpunkt des aktuellen ARD- Sechs junge Autoren schildern ihre Deutschen Bundestages „Kultur in Jahrbuches. U.a. nimmt Verena Wie- Eindrücke von der Games Conventi- Deutschland“ heraus. Im Anschluss demann die UNESCO-Konvention on 2007. Die Texte, die in deutscher an den Studientag schildern Bi- zur kulturellen Vielfalt in den Blick und englischer Sprache abgedruckt Friedhelm von Notz. Foto: Privat schof Heinrich Mussinghoff, Bischof und Christiane von Hahn und Katja sind, zeigen, wie aus Autoren spielbe- Friedhelm Hofmann, Thomas Stern- Ferwagner stellen das ARTE Kult(ur)- geisterte Besucher der größten Com- an der er nicht noch redaktionelle und war für Humor sehr empfänglich; berg, Jakob Johannes Koch, Bischof Magazin „Tracks“ vor. puter- und Videospielemesse in Eur- und sprachliche Änderungen vor- selten verging eine längere Zeit, ohne Joachim Wanke und Karl Kardinal opa wurden und wie die gewonnenen schlug, wobei die Änderungen in dass ein verschmitztes, oft nur ange- Lehmann die einzelnen Bereiche des Das neue Wunderhorn. Hrsg. von Jan Eindrücke einer (Jugend-) Kultur ihrer Eleganz seinem Rede-Duktus deutetes Lächeln über sein Gesicht katholischen Kulturengagements. Im Linders und Olaf A. Schmitt. Heidelberg sprachlichen Widerhall finden. entsprachen. Natürlich waren seine flog. In bester Erinnerung habe ich Anhang finden sich sowohl eine Kul- 2007. Verlag Das Wunderhorn GmbH. Vorschläge auch inhaltlich gut be- noch die Sitzungspausen, als wir turstatistik katholischer Aktivitäten Inklusive DVD. Bremer Theater. Intendanz Klaus Pier- gründet und dass sie zur besseren Raucher zusammenstanden und über zu unterschiedlichen kulturellen Die Publikation, die viele Farbfotos woß 1994 – 2007. Bremen 2007. 576 Lesbarkeit und Verständlichkeit Gott und die Welt parlierten. Seine In- Bereichen als auch ein recht umfang- und zusätzliche Materialien enthält, Seiten. Erschienen im Schünemann beigetragen haben, dafür waren teressen waren weit gespannt; das Ge- reiches Verzeichnis entsprechender zeigt die Arbeit des Theaters und des Verlag. Text-Verfasser wie die Rezipienten spräch mit ihm wird vielen fehlen. Literatur und Verlautbarungen. Philharmonischen Orchesters der Namhafte Autoren und Kritiker überaus dankbar. Der Deutsche Kulturrat und die Stadt Heidelberg im Zusammenhang zeichnen die künstlerische Arbeit Friedhelm v. Notz war in Gremi- Deutsche Literaturkonferenz wer- Friedenspreis des Deutschen Buch- mit dem Projekt „Das neue Wunder- des Intendanten Klaus Pierwoß am enauftritten ebenso ein konsequenter den Friedhelm v. Notz ein ehrendes handels 2007. Saul Friedländer. Hrsg. horn“ auf. Bremer Theater nach. Neben einem Diskutant mit großem Engagement, Andenken bewahren. vom Börsenverein des Deutschen Buch- sehr umfangreichen und beeindru- dem man gern und aufmerksam auch handels. Frankfurt am Main 2007. 96 Kulturelle Vielfalt – Unser gemein- ckenden Bildteil findet der Leser bei strittigen Auseinandersetzungen Der Verfasser ist Stellvertretender Seiten. Erschienen im MBV Verlag. samer Reichtum/Cultural Diversity Interessantes zu den Themenblöcken zuhörte, wie er im persönlichen Ge- Vorsitzender des Deutschen Kultur- Die Reden, die aus Anlass der Verlei- – Our Common Wealth. Das Essener/ Musiktheater, Schauspiel, Tanzthe- spräch ein überaus angenehmes Ge- rates und Zweiter Sprecher der Deut- hung des Friedenspreises des Deut- RUHR.2010 Bellini Handbuch zu Per- ater und Kulturpolitik. Ebenfalls genüber war. Er konnte gut erzählen schen Literaturkonferenz schen Buchhandels an Saul Friedlän- spektiven Kultureller Vielfalt/The Essen/ enthalten sind eine Theaterchronik der in der Paulskirche zu Frankfurt RUHR.2010 Bellini Manual On Prospects der Jahre 1994 bis 2007 sowie im am Main gehalten wurden, finden of Cultural Diversity. 304 Seiten. Bonn Anhang angeführte weitere Extras. sich in diesem Buch abgedruckt. Deutsche UNESCO-Kommission 2007. Dieser sehr umfangreiche (Bild-) Des Weiteren ist eine Bibliographie Das Handbuch bündelt in fünf Kapi- Band dokumentiert sehr anschaulich vorhanden und die biographischen teln die Ergebnisse der Essener Konfe- die außergewöhnliche Leistung von Mit tiefer Dankbarkeit und großer Trauer nehmen wir Abschied Stationen Friedländers werden an- renz eines weltweiten Arbeitsprozesses Klaus Pierwoß. von einem großen und ehrenvollen Begleiter unserer Arbeit, geführt. zur Konvention kultureller Vielfalt. Max Fuchs, Kulturpolitik. Wiesbaden Thomas Knubben und Petra Schneid- Helmut Klages. Beteiligungsverfah- 2007. 133 Seiten. Erschienen im VS Herrn Friedhelm von Notz wind (Hg.). Zukunft für Musikschu- ren und Beteiligungserfahrungen. Verlag (Elemente der Politik). Stellv. Vorsitzender des Beirats len. Herausforderungen und Perspekti- Erstellt für den Arbeitskreis Bürgerschaft Dieses Buch ist ein Grundlagen- ven der Zukunftssicherung öffentlicher und Aktivierender Staat der Friedrich- werk zur Kulturpolitik und stellt der Künstlersozialkasse Musikschulen. Bielefeld 2007. 307 Ebert-Stiftung. 83 Seiten Bonn 2007. die Grundzüge der Kulturpolitik 1987 – 2007 Seiten. Erschienen im transcript Verlag. Der Autor skizziert vor dem Hin- in Deutschland vor. Dabei werden (Schriften zum Kultur- und Museums- tergrund einer Analyse bisheriger internationale Debatten keinesfalls Er war ein vorbildlicher Vertreter des Gedankens der solidarischen Künstlersozial- management). Beteiligungsdefizite attraktive Betei- ausgespart, im Gegenteil, ihnen wird versicherung und glaubwürdiger Repräsentant der Kulturunternehmen im Beirat. Eine Vielzahl von Autoren schildert ligungsansätze, die sich an Mandats- gebührend Platz eingeräumt. Die ak- Möge seine Lebensleistung unvergessen bleiben und seine Haltung den Ist-Zustand der Musikschulen in träger, die so genannte breite Bevöl- tuellen Themen der Kulturpolitik, so viele Nachahmer  nden. Deutschland. Trotz der unbestrittenen kerungsteile und an die kommunale zum Beispiel die Frage nach der Ver- Bedeutung der musischen Bildung für Verwaltung richten. ankerung des Staatsziels Kultur im eine Gesellschaft ist die Existenz vieler Grundgesetz, werden sehr verständ- Künstlersozialkasse Musikschulen gefährdet. Basierend auf DZI Spenden-Almanach 2007/8. Hrsg. lich aufbereitet. Ein Lehrwerk, dass empirischen Untersuchungen werden von Eigenverlag des DZI. Berlin 2007. nicht nur Studierenden, sondern Prof. Dr. Gerhard Pfennig Bernhard Schneider Sabine Schlüter dem Leser konkrete Lösungsansätze 356 Seiten. ebenso kulturpolitisch Interessierten Vorsitzender des Beirats Geschäftsführer Stellv. Geschäftsführerin vorgestellt, um diesem Negativtrend Das Deutsche Zentralinstitut für und kulturpolitisch Engagierten ans entgegenzuwirken. soziale Fragen (DZI) veröffentlicht Herz gelegt werden kann. Bundestagsdrucksachen politik und kultur · März – April 2008 · Seite 27

Bundestagsdrucksachen Im Folgenden wird auf Bundestags- drucksachen mit kulturpolitischer Relevanz hingewiesen. Berücksichtigt werden Kleine und Große Anfragen, Anträge, Entschließungsanträge, Beschlussvorlagen, Schriftliche Fra- gen, Mündliche Fragen sowie Bun- destagsprotokolle. Alle Drucksachen können unter folgender Adresse aus dem Internet heruntergeladen wer- den: http://dip/bundestag.de/par- fors/parfors.htm.

Berücksichtigt werden Drucksachen zu folgenden Themen: · Auswärtige Kulturpolitik, · Bildung, · Bürgerschaftliches Engagement, · Daseinsvorsorge, · Erinnern und Gedenken, · Europa, · Föderalismusreform · Informationsgesellschaft, · Internationale Abkommen mit kul- tureller Relevanz, · Kulturelle Bildung, · Kulturfinanzierung, · Kulturförderung nach § 96 Bundes- vertriebenengesetz, · Kulturpolitik allgemein, · Kulturwirtschaft, · Künstlersozialversicherungsgesetz, · Medien, · Soziale Sicherung, · Steuerrecht mit kultureller Rele- vanz, · Stiftungsrecht, · Urheberrecht.

Deutscher Bundestag im Reichstagsgebäude Fotonachweis: Deutscher Bundestag Kulturpolitik allgemein Bundestagsdrucksachen puk Drucksache 16/7256 (22.11.2007) 02/2008 Antwort der Bundesregierung auf Drucksache 16/6591 (09.10.2007) die Kleine Anfrage der Fraktion Die Antrag der FDP-Fraktion Linke Streitfall Computerspiele – Drucksache 16/5961 – – Drucksache 16/6415 – Klare Konzepte für den Bau des Ber- Rechtsextremismus und neue Me- liner Schlosses dien Von der Provokation zur Debatte

Drucksache 16/6974 (07.11.2007) Drucksache 16/7808 (17.01.2008) Streitfall Computerspiele: Hg. v. Olaf Zimmermann und Beschlussempfehlung und Bericht Kleine Anfrage Theo Geißler, 140 Seiten, ISBN des Ausschusses für Kultur und Me- der Abgeordneten der Fraktion DIE Computerspiele zwischen 978-3-934868-15-1, ISSN: 1865- dien (22. Ausschuss) LINKE. kultureller Bildung, a) zu dem Antrag der Fraktion der Musikveranstaltungen der extremen Kunstfreiheit und 2689, Preis: 9,00 Euro (+ 2,50 Euro CDU/CSU, der Fraktion der SPD Rechten im vierten Quartal 2007 Jugendschutz für Porto und Verpackung) sowie der Fraktion der FDP – Drucksache 16/6925 – 2. überarbeitete und erweiterte Auflage Errichtung eines Freiheits- und Ein- Kulturwirtschaft heits-Denkmals Drucksache 16/6742 (17.10.2007) Mit Beiträgen von: THEMEN SIND: b) zu dem Antrag der Fraktion der Beschlussempfehlung und Bericht CDU/CSU sowie der Fraktion der des Ausschusses für Kultur und Me- · Günther Beckstein · Computerspiele: Zensur oder öffentliche SPD dien (22. Ausschuss) · Max Fuchs Förderung – Drucksache 16/6776 – a) zu dem Antrag der Fraktion der · Hans-Joachim Otto · Computerspiele: Blicke in die Forschung Errichtung eines Freiheits- und Ein- CDU/CSU sowie der Fraktion der SPD · Christian Pfeiffer · Computerspiele: Herausforderung für die Bildung heits-Denkmals – Drucksache 16/5110 – · Olaf Zimmermann u.a. · Computerspiele: Nicht nur Teil der Jugendkultur c) zu dem Antrag der Fraktion DIE Kulturwirtschaft als Motor für Wachs- LINKE. tum und Beschäftigung stärken – Drucksache 16/6926 – b) zu dem Antrag der Fraktion der Errichtung eines Denkzeichens mit FDP – Drucksache 16/5101 – Dokumentationszentrum zur Erin- Die Kulturwirtschaft als Zukunfts- nerung an die friedliche Revolution und Wachstumsbranche in Europa Die Kirchen 1989 stärken d) zu dem Antrag der Fraktion BÜND- c) zu dem Antrag der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN NIS 90/ DIE GRÜNEN – Drucksache Die unbekannte kulturpolitische Macht – Drucksache 16/6927 – – 16/5104 – Diskussionsprozess über ein Frei- Die Bedeutung der Kulturwirtschaft Die Kirchen sind eine weitgehend unbekannte kulturpolitische Macht in Deutschland. Dabei wenden sie immerhin heits- und Einheitsdenkmal unter anerkennen und ihren Stellenwert rund 20 Prozent ihrer Kirchensteuereinnahmen und Vermögenserlöse, insgesamt 4,4 Milliarden Euro im Jahr, für breit angelegter Beteiligung der auf Bundesebene nachhaltig för- die Kulturförderung ein. Im Buch werden Beiträge aus politik und kultur nachgedruckt, in denen die Kirchen und ihr Öffentlichkeit initiieren dern Verhältnis zu Kunst und Kultur ausführlicher vorgestellt und diskutiert werden. Ziel des Buches ist es, dass in der Zukunft die Kirchen bei kulturpolitischen Fragen öfter mitgedacht werden. Drucksache 16/7753 (16.01.2008) Beschlussempfehlung und Bericht Kulturförderung nach § 96 Themen sind: Mit Beiträgen von des Ausschusses für Kultur und Me- Bundesvertriebenengesetz dien (22. Ausschuss) Drucksache 16/7171 (11.12.2007) · Kirche und Kultur · Max Fuchs zu dem Antrag der Fraktion der FDP Unterrichtung durch die Bundesre- · Kirche und kulturelles Leben · Katrin Göring-Eckardt – Drucksache 16/3137 – gierung · Kirche und Kunst · Wolfgang Huber National bedeutsames Kulturgut Bericht der Bundesregierung über · Daten und Fakten · Karl Kardinal Lehmann wirksam schützen die Maßnahmen zur Förderung der zum Kulturengagement der Kirchen · Markus Lüpertz Kulturarbeit gemäß § 96 des Bundes- · Ingo Metzmacher Drucksache 16/7799 (17.01.2008) vertriebenengesetzes in den Jahren · Olaf Zimmermann u.a. Antwort der Bundesregierung 2005 und 2006 auf die Kleine Anfrage der Abgeord- Die Kirchen, die unbekannte kulturpolitische Macht. Hg. von Olaf Zimmermann und Theo Geißler. Aus politik neten der Fraktion DIE LINKE. Auswärtige Kultur- und und kultur 2. Berlin 2007. 108 Seiten. ISBN: 978-3-934868-14-4, ISSN:1865-2689. Preis: 9,00 (+ 2,50 Porto und – Drucksache 16/7451 – Verpackung). Hauptstadtvertrag und Hauptstadt- Bildungspolitik klausel des Grundgesetzes Drucksache 16/7775 (16.01.2008) Kleine Anfrage Die Bücher können unter http://www.kulturrat.de/shop.php bestellt werden. Die Titel sind auch über Drucksache 16/7875 (22.01.2008) der Abgeordneten der Fraktion der jede Buchhandlung beziehbar. Kleine Anfrage FDP Deutscher Kulturrat e.V., Chausseestraße 103, 10115 Berlin, Telefon: 030/24728014, Fax: 030/24721245, der Fraktion DIE LINKE. Zur Ausrichtung und Finanzierung E-Mail: [email protected] Ausstellung „Zug der Erinnerung“ deutscher Auslandsschulen Das Letzte politik und kultur · März – April 2008 · Seite 28

Zeichnung: Dieko Müller Kurz-Schluss Wie sozialverträgliche Steuer-Gerechtigkeit ganz einfach zu erreichen ist Impressum ine Hetzkampagne fegt durch un- ner unternehmerischen Freiheit zu alle Missverständnisse rund ums E ser Land. Sie vergiftet das soziale, nutzen, um ein paar Milliönchen am Thema Steuervermeidung ausräumen das politische und das wirtschaftliche gierigen – und von mir ohnehin üppig könnten. Drei Stiftungszwecke, die auf Klima. Kräftig gewachsene Werte wer- gefütterten – Rachen unseres Fiskus der Hand lägen: den gewissenlos ruiniert. Vertrauen, vorbeizutragen? Mal ehrlich – was Für Sicherheitsbewusste: Die Task- Zeitung des Deutschen Kulturrats vor allem Selbstvertrauen – wie wir alle schmerzt mehr: Einen Geldbeutel mit Force . Statt Bundeswehr ein wissen: bitter notwendige Vorausset- 20 Cent zu verlieren oder einen mit nach amerikanischen Unternehmens- Deutscher Kulturrat e.V. zung für den Bestand, das Aufblühen zwei Millionen Euro? Also bitte. modellen bestens hochgerüsteter Söld- Bundesgeschäftsstelle unseres Gemeinwohles – zerbrechen Vor allem schmerzt die weit ver- ner-Trupp, der – gegebenenfalls auf Chausseestraße 103 unter der Wogenwucht eines maximal breitete Heuchelei, besonders die Leasing-Basis – in Spannungsgebiete 10115 Berlin populistisch sich aufsteilenden Me- der Politik. Schicken die uns doch entsandt wird, so internationale Ver- Tel: 030/24 72 80 14, Fax: 030/24 72 12 45 dien-Tsunamis. glatt den BND auf die Pelle. Erinnern pflichtungen transpolitisch erfüllt und Internet: www.kulturrat.de, E-Mail: [email protected] Führende Köpfe Deutschlands, wir uns an die genialen Steuerstrei- mittelfristig Nachrichtendienst- und Herausgeber anerkannte Leistungs- und Verant- che der Familie Strauß, eines Grafen Polizei-Aufgaben auch im Heimatland Olaf Zimmermann und Theo Geißler wortungsträger, geraten zu Opfern Lambsdorff oder der versammelten übernehmen könnte. Folge: Spürbare eines beispiellos kleingeistigen staats- hessischen CDU: Brutalstmögliche Entlastung der Staatsfinanzen bei Redaktion anwaltlichen Verfolgungswahnes. Was Aufklärung im Verbund mit minimaler optimaler Gewinnerwartung. Arbeits- Olaf Zimmermann (verantwortlich), Gabriele Schulz, Andreas Kolb wissen solche gesettelten Staatsdiener Strafverfolgung. Vielleicht liegt hierin plätze für das Prekariat. schon über den Druck, der auf Unter- ja der Lösungsansatz, ein Königsweg, Für Familien-Menschen: Die Von- Redaktionsassistenz nehmer-Persönlichkeiten lastet? Wie soll nicht das erste Dezennium dieses der-Leyen-Crew. Aus einem Pool Stefanie Ernst sollten diese – im Schnitt braven Fami- Jahrtausends als Jahrzehnt neuer bestens gebriefter, de-ideologisierter lienväter – gerecht beurteilen können, deutscher Vertreibungsproblematik Sozialpädagogen erhalten besserver- Anzeigenredaktion Martina Wagner, Tel: 0941/945 93 35, Fax: 0941/945 93 50 welch segensreiche Wirkung unver- in die Geschichtsbücher eingehen: die dienende Paare, falls beide Partner E-Mail: [email protected] zichtbare Kompensations-Kammern sinnlose Vertreibung der Eliten. berufstätig bleiben, bei Kindersegen – seien es brasilianische Bordelle oder Mit ein wenig Flexibilität und ein Rundum-Sorglos-Personal-Paket, Verlag liechtensteinische Stiftungen – auf das Ehrlichkeit im Rahmen der Legislative finanziert aus dem Steueraufkommen ConBrio Verlagsgesellschaft mbH Seelenheil unserer Wirtschafts-Elite ließen sich auch in der Bundesrepublik unserer Solidargemeinschaft. Folge: Brunnstraße 23, 93053 Regensburg, E-Mail: [email protected] ausüben; wie kostengünstig solcher stark steuerbegünstigte Stiftungsmo- Erhalt hoher beruflicher Kompetenz Lastenausgleich funktioniert, denkt delle einrichten (Cross-Over zwischen führt zu optimierten Steuereinnah- Herstellung Petra Pfaffenheuser, ConBrio Verlagsgesellschaft man an den Preis einer anhaltenden Stiftung und AG beispielsweise), die men, die unversteuert der Stiftung psychotherapeutischen Behandlung gleichermaßen gewinnträchtig und zugeführt werden können. Druck – möglicherweise auch noch auf sozialaktiv dank weiter Spielräume Für risikofreudige Spekulanten: Die Gießener Anzeiger Verlags GmbH und Co KG, Gießen Kosten unseres solidarischen Gesund- Künstler-Special-Versicherung. Ge- heits-Systems. sunde, normalgewichtige, drogenfreie Erscheinungsweise Schließlich ist es – objektiv be- genkontrollierte Kreative aller Sparten 6 Ausgaben im Jahr trachtet – ein Riesen-Unterschied, ob im Alter zwischen zwanzig und dreißig ich im Rahmen eines 48-Stunden-Ta- Jahren speisen die Rechte an all ihren Preis/Abonnement ges als Telekom- oder Siemens-Boss Emanationen in einen stiftungseige- 3,00 Euro, im Abonnement 18,00 Euro, inkl. Porto im Jahr für 50.000 Arbeitsplätze geradestehe nen Vermarktungs-Pool und werden Aboverwaltung/Bestellmöglichkeit: (bei halbwegs angemessenem Salär, dafür auf niedrigem TVöD-Niveau Deutscher Kulturrat e.V., Chausseestraße 103, 10115 Berlin, versteht sich) oder ob ich – beispiels- alimentiert. Folge: Diese Neudefinition Fax: 030/24 72 12 45, E-Mail: [email protected] weise als Erzieherin auf 35 Wochen-Ar- des Künstlerberufes führt mittelfristig beits-Stunden reduziert für immerhin zur Entlastung zahlreicher Ressorts. puk ist im Abonnement, in Bahnhofsbuchhandlungen, großen Kiosken noch 1.500,– Euro monatlich im Grun- (Industrie- und Handelskammern sowie an Flughäfen erhältlich. de meiner natürlichen Bestimmung als haben ihre Unterstützung für dieses Hüterin und Pflegemutter nachgehe. Modell bereits angekündigt). Der Pool Alle Ausgaben von politik und kultur können von der Homepage des Deutschen Da lasse ich doch den ohnehin gerin- birgt Risiko-Kapital mit ultimativem Kulturrates (http://www.kulturrat.de) heruntergeladen werden. gen Steuersatz gern direkt einziehen Spekulations-Gewinn-Potenzial. Ebenso kann der kostenlose Newsletter des Deutschen Kulturrates und spare mir jeglichen organisato- Soll noch einer sagen, mit Hilfe (2-3mal die Woche) unter http://www.kulturrat.de abonniert werden. rischen Aufwand. der Kerntugenden deutschen Unter- Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos übernehmen wir keine Im Gegenzug: Welcher aufgeklärte nehmertums – nämlich mit Fantasie Haftung. Alle veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Na- mentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Mensch kann es mir als Unternehmer, und Kreativität – ließen sich nicht alle, Deutschen Kulturrates e.V. wieder. der ich ohnehin für ein zig-tausend- wirklich alle Probleme unseres demo- fach höheres Steueraufkommen sorge kratischen Vaterlandes lösen. Gefördert aus Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien als jede Kindergärtnerin – wirklich Theo Geißler, Herausgeber von politik Theo Geißler übelnehmen, die letzten Reste mei- und kultur (Freier Kleinunternehmer) kultur n kompetenz n bildung Konzeption Kulturelle Bildung

März – April 2008 Regelmäßige Beilage zu politik & kultur Ausgabe 15

Skulptur von Vera Röhm. Foto: U.H. Mayer, © MARIPOSA

Kulturelle Bildung pur Olaf Zimmermann Durch Schönheit die Welt verändern

Kulturelle Bildung soll dazu dienen, Kinder Augen auf selbst künstlerisch tätig werden. Nein, hier Respekt und Schönheit und Jugendliche zu fördern, das Kultur- geht es darum, sich auf Schönheit einzulassen. publikum von morgen heranzubilden und Mitte der achtziger Jahre hatte ich ein Schlüssel- Mariposa zeigt die Schönheit der Natur und Hans-Jürgen Müller ist der Ansicht, dass durch älteren Menschen „sinnvolle“ Beschäfti- erlebnis mit Hans-Jürgen Müller, damals noch die Schönheit der Kunst. Schönheit die Welt verändert werden kann. Er gungsmöglichkeiten zu eröffnen. Die mei- Galerist in Köln und Autor des berühmten und hat sein Leben als erfolgreicher Galerist in Köln sten Politiker denken bei kultureller Bildung umstrittenen Buches „Kunst kommt nicht von Natur und Kunst – aufgegeben und sich ganz der Idee verschrie- an Rattles Tanz- und Musikprojekt „Rhythm können“. Er führte mich nach einem Essen in die Kunst und Natur ben, der Welt etwas Schönes zu geben. Er will is it“, bei dem Jungendliche mit strahlenden Tiefgarage unter der Domplatte in Köln. Über der vielfach vorherrschenden Hässlichkeit etwas Augen auf einer Bühne etwas vorführen. uns war eines der beeindruckendsten Werke Die Schönheit der Natur fesselte bildende Künst- entgegensetzen. gotischer Baukunst, ein Bauwerk mit großen ler zu allen Zeiten. Zu denken ist an die Gemäl- Gewalt von Jugendlichen, wie jüngst in den Pari- Ganz im Sinne von Simon Rattle – Chefdirigent Kunstschätzen, dem Klaren-Altar, dem Mari- de von Caspar David Friedrich, die die Natur ser Satellitenstädten, entsteht eben meist nicht in und Künstlerischer Leiter der Berliner Philharmo- enkrönungsfenster, dem Dreikönigschrein und – idealisiert – in ihrer übermächtigen Schönheit einer schönen Umgebung. Es sind Stadtviertel, in niker – sollen sich gerade die Kultureinrichtungen natürlich der unvergleichlichen Schatzkammer. zeigen. Ein Beispiel sind auch die schwarz/weiß denen Schmutz allgegenwärtig ist, die sich durch verstärkt der kulturellen Bildung widmen. Die Über eine kleine, als Urinal genutzte Treppe Fotografien von Ansel Adams, die die atembe- Düsternis und Gewalt – physisch und psychisch Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ kamen wir zum Abgrund der Hässlichkeit. Eine raubende Naturschönheit des Amerikanischen – auszeichnen. Diese Stadtviertel, in denen die fordert von Bund, Ländern und Kommunen, in funktionale Tiefgarage, schmutzig, bedrückend, Westens zelebrierten. Armen, die an den Rand Gedrängten der Gesell- den Bewilligungsbescheiden für die von ihnen stinkig – ein Ort zum Weglaufen! Hans-Jürgen Schönheit wird auch sichtbar beim Blick in den schaft leben, laden zu Vandalismus geradezu ein. geförderten Kultureinrichtungen festzulegen, Müller nutzte diesen hässlichen Ort, um mir die Mikrokosmos, den wir in der Ausgabe 10 von Wo es nichts Schönes gibt, kann das Vorhande- dass für Kinder und Jugendliche kulturelle Notwendigkeit von Schönheit nachzuweisen. kultur – kompetenz – bildung (Mai/Juni 2007) ne ohne schlechtes Gewissen zerstört werden. Bildungsangebote entwickelt werden müssen. Die Schönheit eines Bildes, einer Zeichnung. gewagt hatten. Die Beiträge über den Mikro- „Macht kaputt, was Euch kaputt macht“, sang die Dabei gibt es schon jetzt kaum mehr ein Theater Ihre Anmut. Den Genuss sich in ein Kunstwerk kosmos durchzog ein Begriff: Geduld. Immer Berliner Gruppe Ton Steine Scherben vor mehr ohne Theaterpädagogen, deren Angebote sich zu versenken. wieder betonten die Autoren, dass Geduld als dreißig Jahren, ein Aufschrei gegen Gewalt, insbesondere an Kinder und Jugendliche richten. Die konsequente und eigenwillige Fortsetzung erforderlich ist, um die Schönheit des Mikro- Hässlichkeit und fehlenden Respekt. Und der In den Museen hat sich die Museumspädagogik seines Bestrebens Schönheit zu zeigen, ist Ma- kosmos entdecken zu können. Blick in viele unserer Kindergärten und Schulen, weitgehend etabliert und die Disziplin selbst hat, riposa. Mariposa auf Teneriffa soll ein Ort der Und Geduld, also Zeit, braucht man auch, um Krankenhäuser und Altenheime, in diese fast denkt man noch an die Anfänge vor mehr als Schönheit werden. Menschen sollen sich hier etwas Schönes entstehen zu lassen. Hans-Jür- unglaubliche Hässlichkeit, macht mich immer dreißig Jahren zurück, einen erheblichen Profes- von der Hässlichkeit, der sie hauptsächlich um- gen Müllers Mariposa ist auch nach zwanzig wieder betroffen. sionalisierungsschub hinter sich. Bibliotheksar- gebenden Umwelt erholen können. Schönheit Jahren noch nicht fertig gestellt. Es ist auch beit mit Kindern und Jugendlichen gehört zu den soll hier erlebbar werden. Dabei werden keine deshalb nicht fertig, da Hans-Jürgen Müller ein Veränderung wichtigen Zielen der öffentlichen Bibliotheken methodischen oder belehrenden Prinzipien Künstler ist, der in seiner Radikalität letztlich und auch die soziokulturellen Zentren sind ohne verfolgt, es geht vielmehr darum, die Augen zu nicht kompromissbereit ist. Hätte man nicht Dass jemand die Welt durch Schönheit verändern entsprechende Bildungsangebote kaum denkbar. öffnen für die Schönheit. einfach ein normales Projekt machen können, will, ist nicht verrückt. Das Anliegen ist ein Grund- Die Vermittlung von Kunst und Kultur hat also Eine solche Form der Vermittlung von Schönheit Gelder beantragen sollen, statt auf Teneriffa, element einer kulturellen Bildung, die durch gute Hochkonjunktur. Und dennoch bleibt bei der ist kulturelle Bildung pur und unterscheidet sich irgendwo in den neuen Bundesländern mit Beispiele und nicht durch Didaktik wirkt. gesamten Vermittlung von Kunst und Kultur die trotzdem von der üblicherweise praktizierten EU- und Bundesförderung beginnen sollen Ma- Freude an der Schönheit der Dinge, ganz ohne kulturellen Bildung. Hier geht es weder dar- riposa zu bauen? Nein, Hans-Jürgen Müller ist Der Verfasser ist Herausgeber von pädagogische oder didaktische Hintergedanken, um, kunsthistorische Zusammenhänge kennen zu solch pragmatischem Vorgehen, glücklicher- politik und kultur und Geschäfts- manchmal auf der Strecke. zu lernen, ein Bild zu interpretieren oder gar weise, vollständig ungeeignet. führer des Deutschen Kulturrates kultur kompetenz bildung politik und kultur • märz – april 2008 • Seite 

Sehnsüchtig auf das blicken, was sein könnte Stefanie Ernst interviewt Hans-Jürgen Müller kultur · kompetenz · bildung: Herr Müller in Ihrer Biographie ist an einer Stelle zu lesen, dass sie beim Anblick der äußeren Schönheit einer damals berühmten Schauspielerin betört waren, aber schnell feststellten, dass Schönheit oft nur eine Fassade ist. Was macht für Sie wirkliche Schönheit aus? Hans-Jürgen Müller: Die Frau auf die sich Ihre Frage bezieht, sah einer berühmten Schau- spielerin nur sehr ähnlich. Ich war damals 17 Jahre alt und wie andere Jungen auch, haben mich schöne Mädchen natürlich sehr interes- siert. Als junger Mensch kam ich gar nicht auf den Gedanken, dass zur äußeren Schönheit auch so etwas wie eine innere Schönheit gehört. Wenn Sie sich im Fernsehen die Sendung „Leute heute“ anschauen, dann sehen Sie größtenteils das, was ich damals feststellen musste. Eine äu- ßere schöne Hülle bei den Reichen und Schönen und sonst nichts. Schlimm ist nur, dass sie vielen Menschen, vor allem der jüngeren Generation, eine Art Vorbild sind. kkb: Wie meinen Sie das? HJM: Zum einen was die körperlichen Maße der Modelle beispielsweise betrifft. Dünngehun- gerte Körper, nur damit die Designerklamotten optimal wirken. Folge sind dann unsere mager- süchtigen Kinder, die als Ziel ihrer Sehnsüchte eine Karriere als Schauspielerin, Sängerin oder als Model anstreben. kkb: Und wer legt fest, was schön ist und was nicht? HJM: Eben leider Gottes die Mode. Ich erin- nere mich, dass ich in den Sechziger Jahren mit meiner Frau, die damals 25 Jahre alt war, durch die Züricher Innenstadt bummelte und wir ein traumhaftes Kleid entdeckten. Wir wollten es kaufen, aber die Verkäuferin schüttelte den Kopf: „Wir sind ein Geschäft für junge Leute.“ Twiggy – der magere Typ – war angesagt. Wir haben nur den Kopf geschüttelt, aber oft wird das spärlichste Individualgefühl durch Überwäl- Sitzplatz vor dem Sternhaus. Foto: U.H. Mayer, © MARIPOSA tigung mittels falscher Vorbilder zerstört. Zum Nutzen der Konsumgüterindustrie, wenn Men- Ich habe den Beruf des Schriftsetzers erlernt. Der kkb: Machen Sie auf MARIPOSA Seminare für kkb: Verstehen Sie sich als Galerist, der Kunst schen auf Werbekampagnen kritiklos reagieren, Goldene Schnitt war gewissermaßen mein täg- Eliten? Unterscheidet sich die dortige Kunst von zeigt? Oder durch Ihre Arbeit als Gestalter von besteht die Gefahr, dass auch ihr geistiges Ver- licher Begleiter. Ein halber Millimeter oder we- der Kunst der Massen? Hat die Kunst der Massen MARIPOSA als Künstler? halten auf anderen Gebieten steuerbar wird. niger entschieden dann über ein harmonisches eine andere Ästhetik? HJM: Der Spruch von Beuys jeder Mensch sei kkb: Wie wichtig ist Schönheit in Ihrem Le- Schriftbild. Nehmen Sie Werbeplakate eines HJM: Genau diese Frage zeigt nur, wie miss- ein Künstler trifft sicher in gewissem Sinn auf ben? Wahlkampfes. Schon ein schwarz angemalter verständlich die Arbeit der Künstler interpretiert mich zu. Ob früher als Galerist oder jetzt als HJM: Die Schöpfung ist auf Schönheit aufge- Zahn in einem lachenden Politikerportrait ver- wird. Der Künstler macht Kunst zunächst für sich MARIPOSA-Gestalter, beides, das Erkennen von baut. Jede Pflanze, ja fast die gesamte Tierwelt, unstaltet den Typ. Die Künstler Anne und Patrick selbst und hofft alle Menschen damit zu errei- Kunst und das Erschaffen von Kunst, setzt hohe bezaubert durch ihre Schönheit. Das Fernsehen Poirier haben mir einmal geschrieben: „Wir sind chen. Dass das leider ein frommer Wunsch ist, schöpferische Qualitäten voraus. Das betrifft widmet zurzeit einem Eisbär-Baby viele Sende- verantwortlich für die Schönheit der Welt. Wenn liegt an der fehlenden ästhetischen Erziehung allerdings auch die Sammler, wenn sie sich in stunden. Und der Mensch war in der Vergan- die Welt ihre Schönheit verliert, wird die Welt in den Schulen. Und deshalb sind es zunächst künstlerisches Neuland begeben. genheit stets bemüht der natürlichen Schönheit vergehen.“ So gesehen ist Schönheit für mich die so genannten Eliten, die sich für Kunst in- kkb: Was meinen Sie damit? eigene künstlerische Leistungen hinzuzufügen. sehr, sehr wichtig. teressieren. HJM: Nun, ich bin sicher, dass viele Menschen künstlerische Fähigkeiten besitzen. Aber be- reits in der Schule wird dieses Potential kaum gefördert, da man glaubt die jungen Menschen vor allem auf eine technisch perfekt funktionie- rende Welt vorbereiten zu müssen. Erst, wenn im Alter psychische Störungen, gar ernsthafte Krankheiten, kuriert werden müssen, entsinnt man sich der Notwendigkeit schöpferischen Arbeitens wieder. Und dann wird gemalt, ge- töpfert, gehäkelt usw. Glücklich der, der eben sehr früh zur Kunst gefunden hat und seine schöpferischen Fähigkeiten hier ausleben kann. Eben auch als Sammler. kkb: Ist Kunst für Sie Religion? Schönheit der Kunst als Religion? HJM: Diese Frage wird des Öfteren gestellt, ich kann sie nicht beantworten. kkb: Kann denn Schönheit die Welt verbes- sern? HJM: Wenn man Schönheit als die Vorstufe zur Wahrheit versteht, dann mit Sicherheit. Und dann wäre die Verlogenheit unserer Zeit eine Folge der Hässlichkeit unserer Welt. Konrad Lorenz hat sinngemäß gesagt, dass die Schön- heit der menschengeschaffenen kulturellen Umgebung offensichtlich notwendig ist, um den Menschen geistig und seelisch gesund zu erhalten. Die Blindheit für alles Schöne ist eine Geisteskrankheit, die man sehr ernst nehmen sollte, weil sie mit einer Unempfindlichkeit ge- gen das ethisch Verwerfliche einhergeht. kkb: Lorenz scheinen Sie ja gut zu kennen? HJM: Ich habe sein Buch „Die acht Todsünden“ mehrfach gelesen und mir gut gemerkt, was er zur Verhässlichung von Stadt und Land darin sagt. kkb: Kunstunterricht in der Schule? Was würden

Sie sich wünschen, wenn Sie Einfluss auf die

Kunsterziehung in den Schulen hätten? 

Gästehaus – Sternhaus. Foto: U.H. Mayer, © MARIPOSA Seite 3 kultur kompetenz bildung politik und kultur • märz – april 2008 • Seite 

kkb: Und können Sie der Computerspieleästhe-  Fortsetzung von Seite 2 tik einen gewissen Reiz abgewinnen? HJM: Sicherlich, aber wenn es nur um Ästhetik HJM: Dem Kunstunterricht gebührt eine Schlüs- geht wird’s fragwürdig. Ästhetik ohne Ethik ist selfunktion, dem bildenden Künstler eine neue Kosmetik. Rangordnung in der Gesellschaft. Jedem Ar- kkb: Wie sieht für Sie die Zukunft der Kunst chitektenteam, jedem größeren Betrieb, jeder aus? Parteizentrale und jedem Verwaltungsbüro soll- HJM: Ob die Kunst meine Erwartungen zu erfül- ten Künstler in freier Mitarbeit – wohlgemerkt len vermag wird in erster Linie davon abhängen, in freier – ihre Begabung und ihre Ideen zur ob der spekulative Bann, in den sie durch falsche Verfügung stellen – damit unsere Welt jenen Propheten geraten ist, gebrochen werden kann. geistigen Anstrich erhält, der sie menschen- Aber wie Kunst in zehn Jahren aussehen wird, würdig macht. kann niemand voraussagen. Ich weiß nicht kkb: Kunst wird, wie Musik, oftmals im Gegen- einmal, was ich in fünf Minuten denke. satz zu Mathematik oder Biologie als „weiches“ kkb: Auch MARIPOSA hat ein Weiterbildungs­ Schulfach angesehen. Wie erklären Sie sich, angebot für abiturienten, bei dem es um dass Kunst in unserer Gesellschaft einen so Fragen der Ästhetik geht. Können Sie uns kurz niedrigen Stellenwert hat, dass zum Beispiel bei schildern, wie ein solches Jugend-MARIPOSION Lehrermangel an Schulen diese künstlerisch- abläuft und wie die bisherigen Reaktionen der musischen Unterrichtsstunden verkürzt oder Teilnehmer waren? gestrichen werden? HJM: Die Jugend-MARIPOSIEN sind ein Weiter- HJM: Das können Sie erweitern. Überall, wenn bildungsangebot für begabte Schüler der Ober- beispielsweise der so wichtige Posten eines stufe, die sich für Ästhetik und Philosophie, für Leiters der Goethe-Institute neu zu besetzen Natur-, Kultur- und Gesellschaftswissenschaften ist, dann bekommt meistens eine ranghohe interessieren und im Unterricht in diesen Be- Persönlichkeit den Job – selbst wenn diese reichen Engagement und Kompetenz gezeigt keine Ahnung von Kunst hat. Als ich vor vielen haben. Jeweils acht Schüler und Schülerinnen Jahren eine Fernseh-Serie zum Thema „Kunst“ sind rund zwei Wochen Gäste und Mitarbeiter in konzipiert hatte, empfing mich im Süddeutschen der Zukunftswerkstatt MARIPOSA auf Teneriffa. Rundfunk Gerhard Kongelmann. Ein politischer MARIPOSA bietet Menschen aus aller Welt, aus Fernsehmann, dem es im Libanon zu gefährlich allen Bereichen der Kultur und Gesellschaft, der wurde. Zurück zu Ihrer Frage. Da die Bedeutung Politik und Wirtschaft, der Erziehung und Bil- von Kunst, Kultur und Schönheit für unser aller dung den ästhetischen Ort, den inspirierenden Leben so wenig begriffen wird, hat auch der Rahmen und „Spielraum“, die Welt anders und Kunsterzieher nur einen geringen Stellenwert. neu, in Zusammenhängen und Möglichkeiten zu kkb: Wahrscheinlich wurden Sie während Ihrer denken. Junge Menschen sind hier eine wichtige Zeit als Galerist häufig damit konfrontiert, dass Zielgruppe, weil sie häufig im besonderen Maße Kunst oder die Schönheit bestimmter, vorrangig Sensibilität für und Sehnsucht nach Entwürfen moderner Kunstwerke nicht verstanden wurde. des „Ganzen“ haben und noch viel Zeit und Jeder von uns kennt Kommentare zu Bildern Spielräume der Mitgestaltung „ihrer Welt“ vor wie „das hätte mein zweijähriger Sohn auch sich haben. Die Jugend-Mariposien sind locker oder sogar besser hinbekommen...“. Inwiefern strukturiert und weitgehend selbstorganisiert: hängen Ihrer Meinung nach die Ursachen einer Im Rahmen des 14-tätigen Aufenthalts werden solch vorschnellen Abwertung von Kunst mit Zeiten theoretischer Arbeit und Diskussion Schwächen in der Kunsterziehung zusammen? ergänzt durch Möglichkeiten der ästhetischen HJM: Na ja, das habe ich ja bereits gesagt. Nur, Rezeption und handwerklich-künstlerischen dass jeder glaubt, ein modernes abstraktes Bild Mitgestaltung von MARIPOSA, durch Spiel und auch malen zu können ist ja richtig. Jeder kann gemeinsame Unternehmungen zum Kennen heute Feuer machen oder ein Rad bauen. Kunst lernen der Insel und ihrer natürlichen und kul- hat eben ganz entscheidend etwas mit Erfindung turellen Sehenswürdigkeiten. zu tun. Und wenn man das als Kriterium anführt, kkb: Sie haben einmal gesagt, dass Sie häss- wird es auch meist begriffen. liche Tonfiguren oder schlecht gemachte Gar- kkb: Haben Sie alternative Vorschläge zur bes- tenzwerge zur Verzweiflung bringen können. seren Förderung des künstlerischen Potentials Es gibt ja durchaus Menschen, die sich bewusst von Kindern und Jugendlichen? für Plastikblumen oder Delphinbordüren in Das Glasperlenspiel – Lidia Karbowska. Foto: Helga Müller, © MARIPOSA HJM: Eine schwierige Frage. Ich habe mich der Wohnung entscheiden. Was als schön gilt, immer gewundert, wie aus kreativen, leben- ist also sehr relativ. Herr Müller, ist in solchen kkb: Das erinnert ein wenig an Arte oder HJM: Bei allen Entscheidungen unsere Kultur digen, lebenslustigen Kindern stinknormale Fällen in der Kunsterziehung etwas schief ge- 3Sat. Um die Zuschauer, die regelmäßig diese betreffend führen demokratischen Abstimmun- Erwachsene werden. Da beginnt für mich das gangen? Programme aufsuchen, muss man sich rein gen nur selten zu befriedigenden Ergebnissen. gesamte Bildungssystem fragwürdig zu werden. HJM: Nein, das glaube ich nicht. Auch Kitsch bildungstechnisch wohl keine Sorgen machen. Hier sollte das Prinzip Verantwortung gelten Fest steht, dass die Unbefangenheit und der hat seine besonderen Reize. Kitsch offenbart Verhält es sich mit MARIPOSA nicht ähnlich: Die und Vertrauen. humane Wettstreit bereits in der Schule dem sich als verdinglichte Sehsucht nach der hei- Menschen, die dort hinkommen, um über die Be- kkb: MARIPOSA wird von Ihnen und Ihrer Frau Leistungszwang geopfert werden. Ausnahmen len Welt von gestern und weist auf unerfüllte deutung von Schönheit und der Notwendigkeit als Geschenk an die Menschen verstanden. sind Gott sei Dank die Waldorfschulen. Wunschvorstellungen hin. Mein Vater besaß der Weltverbesserung zu sprechen, die müssen Ein Geschenk aus Dankbarkeit. Wofür sind kkb: Verstehen Sie sich als Visionär? Als Zu- einen Ölschinken mit dem bekannten Bild ei- davon nicht mehr überzeugt werden. Ich stelle Sie so dankbar, dass diesen wahrscheinlich kunftskind? Und ist die Gesellschaft überhaupt ner vollbusigen Zigeunerin. Meine Mutter war mir vor, dass die Besucher von MARIPOSA eh in unglaublichen Kraftakt der letzten Jahrzehnte reif für diese Idee der Schönheit? weniger gut gebaut. Heinrich Heine nannte den einer von ihnen jeweils bereits selbst geschaf- rechtfertigt? HJM: Ich habe mich immer als ein Mensch Kitsch das „Eiapopeia vom Volk, dem großen fenen schönen Umgebung leben. Wieso also HJM: Dankbar dafür, auf der Sonnenseite der gefühlt, der unglaubliches Glück hatte. Erstens: Lümmel.“ nicht die Schönheit des Ortes den Menschen zur Gesellschaft zu leben. Ich bin nicht in Afrika geboren. Zweitens: Ich kkb: Ein Vorwurf, dem Sie häufig ausgesetzt Verfügung stellen? kkb: Ein zentrales Motiv ihres Handels ist die bin nicht in Stalingrad verblutet. Drittens: Ich waren, ist, dass MARIPOSA für Auserlesene, HJM: Leider ist dem nicht so. Alle Menschen, Rettung der Schöpfung. Sind Sie eigentlich re- bin in einer Demokratie aufgewachsen. Und für Macher, für vom Leben Begünstigte konzi- die bisher an den MARIPOSIEN teilgenommen ligiös? Baut ihre Idee von MARIPOSA auch auf viertens in einer Zeit groß geworden, in der wir piert wurde. Überspitzt formuliert: Ein kleiner, haben, waren von der Besonderheit des Ortes einem vielleicht christlich geprägten Schöpfer- Deutschen vieles besser machen wollten. Op- elitärer Kreis von besonderen Menschen soll es sehr berührt. Wissen Sie, auch die so genannten glauben auf oder steht dahinter eine eigene timismus hat meine erste Lebenshälfte geprägt richten und die Welt vor der Zerstörung retten Begüterten haben ja eine Seele und können in ethische Grundauffassung? und da einer meiner Grundsätze lautet nie seine oder zumindest sensibilisieren und entgegen- unserer Welt nur existieren, wenn sie ihre Seele HJM: Da ich mir weder vorstellen kann, dass Ideale aufzugeben, bin ich sicherlich im Sinne wirkende Ideen konzipieren. Woher nehmen gewissermaßen durch einen „Panzer“ schützen. unser Universum vor 14 Milliarden Jahren in- des Wortes Idealist. Schönheit trägt jeder als Sie die Gewissheit, dass der größte Teil der Und dieser Panzer bricht in wenigen Tagen in nerhalb einer Millionstel Sekunde entstanden Sehnsucht in seinem Herzen. Aber man muss Menschheit in punkto Ästhetik „geführt“ wer- MARIPOSA auf und dann kommt der große sein soll, noch verstehe, was die Raupe bewegt sie neu sichtbar machen und das versuchen den müsste? Weltschmerz. Und den heilen sie dann selbst zum Schmetterling zu werden, glaube ich an wir – meine Frau und ich – mit unserem Projekt HJM: Das sind zwei Fragen. Wir wissen, dass durch die Erkenntnis, die sie bei uns gewonnen eine höhere Intelligenz. MARIPOSA. nur wenige Menschen, einfach aus Raumgrün- haben. Bei Jugendlichen ist das natürlich leichter kkb: Leiden Sie an der Hässlichkeit und Unzu- kkb: Inwiefern glauben Sie, dass Kinder und den, zu uns nach MARIPOSA kommen können. – weil vor allem die Elite seelische Defizite nur länglichkeit der Welt bzw. der Menschen? Jugendliche überhaupt noch ein Gespür oder Aber warum haben wir den Namen MARIPOSA, ungern zugibt. HJM: Um einen Teil, aber einen wichtigen, ein Interesse an „herkömmlicher Kunst“ haben? zu Deutsch Schmetterling, für unser Projekt kkb: Als Gegenargument führten Sie in einem mit den Worten Dostojewskis zu beantworten: Ist die Ästhetik zum Beispiel von Computerspie- gewählt? Weil der Schmetterling nach der Interview mit der Zeitschrift „Kunstforum“ an, „Sehnsüchtig blickt der, der ich bin auf den, der len nicht eine ganz andere als die eines August Chaostheorie durch seinen Flügelschlag über dass sich der Durchschnittsverdiener heutzutage ich sein könnte.“ Und das betrifft auch die Welt Macke oder eines Gerhard Richters? Vielleicht dem Atlantik einen Taifun über Japan auslösen auch einen Karibikurlaub leistet und ebenso bzw. meine Mitmenschen. Alles könnte besser ist das ästhetische Empfinden der kommenden kann. Also: kleine Ursache große Wirkung. Und gerne als Gast in MARIPOSA willkommen ist. sein und das gibt mir und meiner Frau die Kraft Generation viel stärker „digital“ geprägt. Wird zum zweiten Teil der Frage: Durch die ständi- Erreichen Sie den Durchschnittsverdiener als zum Weitermachen. sich die Kunst daran anpassen? ge Verunsicherung der Menschen durch die Zielgruppe? kkb: Und was plant der Ex-Galerist und MARIPO- HJM: Sicherlich üben Computerspiele einen Werbung, braucht es in punkto Ästhetik einer HJM: Stimmt doch auch. Ein Aufenthalt auf SA-Gestalter Hans-Jürgen Müller als nächstes? ungeheuren Reiz auf junge Menschen aus. Ich Führung. Und die bieten wir auf MARIPOSA MARIPOSA ist viel billiger als in einem 5-Sterne- HJM: Wir sind dabei eine Organisation aufzu- war einmal vor Jahren bei einem Hersteller von an. Um nur eine Aussage einer Teilnehmerin Hotel in der Karibik. Nur wir wollen ja keinen bauen, um den Kulturverfall zu stoppen. Eine Computerspielen und habe ihm vorgeschlagen an einem Jugend-MARIPOSION zu zitieren: Publikumsverkehr, wie auf der Insel Mainau Initiative, vergleichbar mit Greenpeace, die ein Spiel zu entwickeln, in dem es darum geht, „Durch MARIPOSA ist mir bewusst geworden, oder auf der Museumsinsel Hombroich. MARI- sich für den Erhalt der Natur einsetzen. Ich bin alle hässlichen Gebäude einer Stadt zu elimi- was die Medien mit einem machen, wie sie uns POSA ist eine zarte Pflanze, die nicht zertrampelt eigentlich immer wieder erstaunt, dass von Sei- nieren. Da hat man mich ausgelacht. Sehen abhalten, über die Dinge nachzudenken, wie werden darf. ten der Kulturschaffenden so wenig in Richtung Sie, solange das Töten in den Spielen Lustge- einem Gedanken in den Kopf gepresst werden. kkb: Die Vermittlung, was Schönheit ist und Zukunft zusammenläuft. Wenn wir nicht aufpas-

winne erzeugt, muss man nach den Ursachen Ich bin mir vieler Dinge bewusst geworden, die was nicht, scheint nicht recht vereinbar mit einer sen, gehört in wenigen Jahren die Bild-Zeitung

forschen. Ich habe immer gesagt, da, wo der im alltäglichen Leben bisher an mir vorbeige- demokratischen Debatte darüber, was schön und zur höheren Literatur und Mondrian wird man  Mensch keine Möglichkeit zur kreativen Mitge- zogen sind.“ So oder so ähnlich. Aber das zeigt was hässlich ist. Benötigt man zur Durchsetzung für ein Herzstärkungsmittel halten. staltung seiner Welt hat, wird er Befriedigung doch, dass Menschen auf MARIPOSA kritisch zu von dem Ideal der Schönheit auch eine Diktatur Seite 3 in der Zerstörung suchen. denken lernen. der Schönheit? Das Interview führte Stefanie Ernst kultur kompetenz bildung politik und kultur • märz – april 2008 • Seite 

Sommerküche. Foto: U.H. Mayer, © MARIPOSA

Eine Idee von Schönheit Michael Horbach Hans-Jürgen Müllers Beitrag für eine bessere Welt

Das erste Mal traf ich Hans-Jürgen Müller für die Summe von 25.000 DM den Kauf von Idee davon, wie eine Welt ohne Plastik, schrille geändert. Mir ist klar geworden, dass die Welt im Jahre 1986 in Köln. Ich war auf der Sinnsprüchen an, die auf eben jener Treppe auf Werbeflächen und steriler Farb- und Formge- der Kunststars, ob Richter, Rauch oder Gursky, Suche nach passenden Galerieräumen, MARIPOSA verewigt werden würden. Und ich staltung aussehen könnte. Eine wahrhaftige nicht mehr meine Welt ist, denn ihr mangelt es um auf diese Weise etwas Abwechselung muss zugeben, dabei handelte es sich um eine Alternative zu dem unappetitlichen Konsum- an Glaubwürdigkeit. Ihr fehlt es an der Erdver- in mein doch eher einseitiges Berufsleben verführerische Idee, sucht doch jeder Mensch und Einheitsbrei unserer durchkommerziali- bundenheit, die man bei der MARIPOSA- Kunst als Inhaber einer Wirtschaftsberatung zu etwas, das seine rein physische Existenz über- sierten Welt. Wenn man als Gast erst einige förmlich riechen und greifen kann. Die dortige bringen. Wie durch eine glückliche Fü- dauert. Er hat mich überzeugt, und so habe ich Tage lang beobachtet hat, mit welcher Geduld Kunst hat meine Seele berührt. Und genau das gung verhielt es sich so, dass zu diesem meine Unternehmensvision „Wir setzten uns Hans-Jürgen Müller das Pflastern eines kleinen meint wohl auch Hans-Jürgen Müller, wenn er Zeitpunkt Herr Müller auf der Suche nach für sozial Schwache ein“ eingravieren lassen. Weges dirigiert und dabei jeden einzelnen Stein den Künstlern, die in an seinem Projekt mitar- einem Nachfolger für seine renommierte Bei meinem ersten MARIPOSA-Besuch im No- sorgsam aussucht, dann versteht man, weshalb beiten wollen, einschärft: „Macht hier bloß keine Kölner Kunstgalerie war. Er wollte seine vember 2007 habe ich die goldene Treppe in MARIPOSA so einzigartig ist und mehr als 20 Kunst“. Die Schönheit auf MARIPOSA ist einfach, wirklich sehr gut laufende Galerie aufge- Augenschein nehmen können. Jahre Zeit in Anspruch genommen hat. natürlich, erdverbunden und klar. Und vor allem ben, da er sich, wie er mir sagte, für eine Wie es zu dieser Reise kam? Im April 2007, wäh- Die acht Schülerinnen der Abiturklasse der ist sie befreit von Plastik, Farben- und Material- völlig andere Lebensaufgabe entschieden rend des G8 Gipfels in Heiligendamm, nahm Geschwister-Scholl-Schule Stuttgart, mit de- wirrwarr. Denn Schönheit ist nicht kompliziert, habe. Noch heute klingt in meinen Ohren ich an einer vom BWA, dem Bundesverband für nen ich gemeinsam an dem MARIPOSION sondern zugänglich und verständlich: In der der Satz nach, mit dem er mir damals seine Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft, der teilnahm, haben schnell begriffen, wie eine Kunst, in der Architektur und in allen anderen Motivation für den Neuanfang schilderte: sich für eine gerechte Globalisierung einsetzt, Welt aussehen könnte, die von Künstlern und Lebensbereichen. Und sie hat mit Inhalt zu tun. „Ich möchte nicht, dass meine Kinder mich an einer Veranstaltung in Berlin teil. Dort hielt Handwerkern gestaltet wurde. Sie haben ver- In diesem Zusammenhang sei an die Fotografie eines Tages fragen: Was hast du denn neben Professor Yunus auch Helga Müller, die standen, dass ein solches Fleckchen Erde alle des Brasilianers Sebastião Salgado erinnert, der getan, um die Welt vor dem Untergang zu Ehefrau des Mannes, der mir einige Jahre zuvor Sinne berührt und sensibilisiert. „Ästhetik ohne 2007 den mit 10.000 Euro dotierten Fotopreis retten?“ So kam es, dass ich seine Galerie seine Galerie verkauft hatte, ein ergreifendes Ethik ist Kosmetik“, so lautet der Sinnspruch der Michael Horbach Stiftung erhalten hat. nebst Künstlern übernahm und er sich Referat über die Notwendigkeit von Schönheit von Hans-Jürgen Müller. Unter diesem Motto Hans-Jürgen Müller hat mich als jungen Gale- zusammen mit seiner Frau Helga auf den und Ästhetik. Ich war von dem Gehörten so wurde in den zehn Tagen meines Aufenthaltes risten das Sehen gelehrt und mich zum Kunst- Weg nach Teneriffa machte, um dort seine beeindruckt, dass ich umgehend Kontakt mit auf MARIPOSA viel über Werte und Werteverlust sammeln verführt. Jetzt, nach 20 Jahren habe Idee von einer anderen, besseren Welt in ihr aufnahm und ihr 25.000 Euro für MARIPO- geredet. Problematisch für unsere Gesellschaft ich durch sein MARIPOSA begriffen, welche die Tat umzusetzen. Er überließ mir seine SA – diesmal ganz freiwillig – zusicherte. Ihre ist, dass wir laut unserem eigenen Wirtschafts- Kunst nachhaltig ist. Müller ist älter geworden, Räume, seine Künstler und Kontakte und Freude war groß, war sie doch gerade auf der system funktionieren und folglich konsumieren sein Rücken hat sich ein wenig gebeugt. Ge- sorgte obendrein dafür, dass ich mit Olaf Suche nach einem Sponsor für das jährlich auf müssen. Auf diese Weise werden wir – auch beugt auch von der Last seiner Aufgabe? Zimmermann als Geschäftsführer einen MARIPOSA stattfindende Abiturienten-Sympo- weltweit betrachtet – immer stärker zu einer Ich wünsche mir, er wäre zufriedener mit dem, Kunstkenner an die Seite gestellt bekam, sium, welches zum Thema hatte „Nur durch Coca Cola, McDonald´s und neuerdings auch was er erreicht hat, aber es treibt ihn noch von dem ich das Geschäft mit der Kunst Schönheit können wir die Welt retten“. Dabei Starbucks Welt. Alle moralischen und kulturellen immer an, „alleine“ die Welt zu retten. Mit von Grunde auf erlernte. war die zentrale Frage des Symposiums „Wie Werte werden den ökonomischen Sachzwängen wie viel Einsatz, Zeit, Geld und Energie Helga sind wir Menschen eigentlich in der Evolution geopfert; wir verhalten uns gleichwohl so, als und Hans-Jürgen Müller ihren Beitrag für eine In den folgenden Jahren hatten Hans-Jürgen gedacht?“ Ich habe zehn Tage an der Veran- unterläge dieses Handeln einem Naturgesetz. bessere Welt geleistet haben und immer noch Müller und ich immer wieder sporadisch Kon- staltung teilgenommen und, glauben Sie es mir Entsprechend agieren leider auch die konserva- leisten, verdient Respekt und Hochachtung. Ihr takt. Meist ging es dabei um die finanzielle oder nicht, MARIOPSA als ein anderer Mensch tiven Politiker unseres Landes: Sie konservieren Engagement steckt an! Mögen sich noch 1000 Unterstützung für sein Projekt MARIPOSA, das verlassen. Nach wenigen Tagen an diesem Ort nicht, sondern lassen sich willig vor den Karren fortschrittliche Köpfe und offene Herzen von den er in der Zwischenzeit auf Teneriffa angegangen habe ich gefühlt, was die Müllers vorhaben. Die des Neoliberalismus spannen. beiden inspirieren lassen, so dass MARIPOSA hatte. Er war und ist ein Könner darin, Vorschlä- Gestaltung dieses terassenförmig angelegten MARIPOSA öffnet dem Betrachter die Augen für Wellen auslöst und der Welt ein Gegenmodell ge zu unterbreiten, die man nur schwerlich Gartens, nur 15 Autominuten von dem häss- die Schönheit der Welt und bietet zugleich eine aufzeigt. ablehnen kann. Mit den Worten „Die Treppe lichen Touristenort Los Americanos entfernt, zu Oase der Ruhe, lässt Raum zum Nachdenken, wird noch bestehen, wenn wir selbst schon Füßen des erhabenen Vulkanberges Pico del Hinterfragen und Fühlen. Für mich persönlich Der Verfasser ist Inhaber der Horbach- lange nicht mehr sind“, pries er Anno 1990 Teide liegend, vermittelt dem Besucher eine hat sich durch den Besuch auf Teneriffa einiges Wirtschaftsberatung kultur kompetenz bildung politik und kultur • märz – april 2008 • Seite 

Westeingang. Foto: U.H. Mayer, © MARIPOSA

Bildung als Geschmack am Schönen Jörg Zirfas Über die ästhetische Erziehung des Menschen

In der Moderne tut man sich bekannterma- unterschiedlichen Bildungsimplikationen fest- meingültiges auszugeben. Schönheit ist, obwohl an dem, was man hat, und man hat genau das, ßen schwer mit der Schönheit. Über Schön- halten, die von einem allgemeinverbindlichen, es keinen allgemeinen Begriff für sie gibt, etwas, was man als geschmackvoll empfindet. Wer heit zu sprechen, erscheint wissenschaftlich objektiven Modell bis zu einem radikal-individu- was allen Menschen mit Notwendigkeit gefällt. einen guter Geschmack, und dementsprechend unseriös, Schönheit gar allgemeingültig zu alistischen Modell von Schönheit reichen. Das von Kant favorisierte Bildungsmodell, das in seinem sozialräumlichen Feld „Bildung“ be- definieren, kann als ein Tabu gelten und Zunächst lässt sich historisch betrachtet ein nun Schönheit und Moral verklammert, ist die sitzt, kann kompetent mit eigenen und fremden selbst die weniger wissenschaftliche The- objektives Modell der Schönheit festhalten, das Tischgemeinschaft, die sich nicht nur über das Unterschieden umgehen; schlechter Geschmack matisierung von Schönheit gerät leicht ins man vor allem in der Antike und im Mittelalter gemeinsame Essen, sondern vor allem durch kann hier mehrfaches bedeuten: seichte Fahrwasser des Beliebigen – was findet. Schönheit wird definiert über feststehen- die gemeinsamen Diskurse wechselseitig 1. Ich kann nicht differenzieren zwischen gut zuletzt Umberto Eco mit seiner viel be- de Kategorien und Vorstellungen von Harmonie, „geschmacklich“ bildet. Für Kant ist Bildung und schlecht. sprochener und viel kritisierten Geschichte Symmetrie, Proportionalität etc. oder auch über der Versuch eine soziale Ent-Differenzierung 2. Ich lasse nur meine Differenzierungen gel- der Schönheit erfahren hat. Der Philosoph eine spezifischen Farb- und Lichtgestaltung, be- im ästhetischen und moralischen Geschmack ten oder aber: Gernot Böhme merkte in diesem Zusam- stimmte Musikarten etc. Schönheit liegt außer- zu bewirken. Anders formuliert: Das von Kant 3. Ich übertrage Unterscheidungen von einem menhang einmal an, dass es schon fast halb der Sinne des Subjekts. Geschmack bedeu- intendierte Weltbürgertum ist der Geschmack Gebiet auf das andere. eine Beleidigung darstelle, jemanden, der tet hier das Erfassen eines Schönheitskanons. am Geschmack der anderen. Und den können Und schließlich lässt sich idealtypisch ein schön ist, auch so zu nennen. Die schönen Gegenstände werden als schön wir in Gesprächen beim gemeinsamen Essen subjektives Modell der Schönheit herausar- erfahren, weil sie schön sind. Der Betrachter von erlernen. beiten, das mit der Auflösung des klassischen Nun bietet auch der Bildungsbegriff alles an- schönen Gegenständen oder der Hörer schöner Andere Überlegungen führen zu einem sozialen Schönheitsideals in der Moderne verknüpft ist. dere als Eindeutigkeit. Gemeint sein können Klänge kann gar nicht umhin, diese als schön zu Modell der Schönheit. Hierbei wird Schönheit Schönheit wird in diesem Modell über indivi- spezifische Fähigkeiten, Fertigkeiten oder qualifizieren. In diesen Schönheitstheorien ist in in Verbindung mit der Geltungsbedeutung von duelle Geschmackspräferenzen definiert und Schlüsselqualifikationen oder aber ein fest der Regel vor allem von den Fernsinnen Auge ästhetischen Inhalten und Formen im sozialen liegt innerhalb der subjektiven Sinnlichkeit. umrissener Satz spezifischer, oftmals kanoni- und Ohr die Rede, weil sie mit der klassischen Raum gebracht. Schönheit bezeichnet das Ge- Etwas ist schön, weil es dem Individuum ge- sierter (Wissens-) Kenntnisse. In der Formel Vorstellung verbunden sind, dass nur das schön schmacksempfinden einer bestimmten Gruppe, fällt. Geschmack liegt in der Originalität der von der „kategorialen Bildung“ (Klafki) wird sein kann, was man in Zahlenverhältnissen etwa des Bildungsbürgertums. Der Geschmack subjektiven Einbildungskraft. Letztlich entschei- die Dialektik von Können und Wissen, Ich und ausdrücken, d.h. wie in Malerei und Musik am Schönen ist ein soziales Konstrukt, etwas ist den individuelle Präferenzen darüber, ob ein Welt, Aneignung und Kritik zum Gegenstand messen konnte. Das Bildungsideal ist bei den schön, weil es einen sozial-geteilten Geschmack Gegenstand oder Sachverhalt als schön gelten fokussiert. Sodann benennt „Bildung“ in einem Griechen durch den Begriff kalokagathia, für die am Schönen gibt. Mit dem Soziologen Pierre kann. Noch schärfer formuliert: Es zeichnet biographischen Sinne einen lebenslangen, un- Römer durch den vir bonus und für die Christen Bourdieu (Die feinen Unterschiede, 1982) lassen die moderne Individualität aus, für sich selbst abschließbaren, Lernprozess und letztlich steht mit der Imitatio dei benannt. Als Ziel mensch- sich drei sozialräumliche Geschmacksrichtungen originelle Schönheitsideale festzulegen. Hierbei „Bildung“ seit den Diskussionen der deutschen lichen Lebens bezeichnen sie die vollkommene bestimmen: den Notwendigkeitsgeschmack stand die Genieästhetik der Aufklärung und Aufklärung für die Idee einer humanen, für alle Übereinstimmung von Schönheit und Moral, der Unterschichten; den ambitionierten Ge- Romantik Pate. Dieses Bildungsprogramm ist lebenswerten Gesellschaft. eine bestmögliche Ordnung des Menschen im schmack der Mittelschichten und schließlich durchaus anspruchsvoll. Schönheit liegt hier im Im Folgenden soll Bildung als Geschmack am Hinblick auf die Schönheit des Kosmos. Und den Luxus- bzw. Distinktionsgeschmack der quantitativen und qualitativen Schnittfeld von Schönen verstanden werden (vgl. Liebau/Zirfas, diese ließ sich buchstäblich berechnen. Oberschichten: „conspicuous consumption“. subjektiven Begegnungsformen und objektiven Schönheit. Traum – Kunst – Bildung, 2007). Die- Ein Modell der Schönheit, das Objektivität und Werden die Geschmäcker diffiziler, erfordert Gegebenheiten, und wird als individuelle Ent- se Formel hat den Vorteil, dass sie die genann- Subjektivität miteinander in Verbindung bringt, das von den Einzelnen ein höheres Maß an faltung von Erscheinungs- und Erlebnisformen ten Implikationen des Bildungsbegriffs aufgreift, hat Immanuel Kant in der Kritik der Urteils- Geschmacksdarstellung wie ein höheres Maß sowie von performativen und künstlerischen ohne diesen vorab auf eine Norm, etwa diejeni- kraft (1790) entworfen: Schönheit basiert auf an Geschmacksreflexion. Geschmack, so könnte Praktiken im Kontakt mit der Welt verstanden. ge des Bildungsbürgers, festzulegen. Fasst man interesselosem Wohlgefallen, d.h. auf einer man sagen, wird in der Moderne: individueller, Die Welt wird umso reicher, desto mehr ich sie nun die vorliegenden kulturwissenschaftlichen subjektiven Einschätzung, die gleichwohl für alle differenzierter und reflexiver zugleich. Nach wie  Überlegungen zur Schönheit zusammen, so Menschen Geltung beansprucht. Geschmack ist vor signalisiert Geschmack gesellschaftliche lassen sich vier idealtypische Modelle mit je der Versuch, ein individuelles Urteil als allge- Verortung und Status: Man findet Geschmack Seite 6 kultur kompetenz bildung politik und kultur • märz – april 2008 • Seite 

 Fortsetzung von Seite 5 Bildung als Geschmack aufnehmen und differenzieren kann. Aber auch das Umgekehrte gilt: Ich werde für mich reicher, da ich mehr Welt in mich aufgenommen habe. Favorisierte Bildungsmedien sind hier die Künste und die Sprachen, in denen sich die Individuen prononciert entfalten und darstellen können. Fassen wir die bisherigen Überlegungen zu- sammen, so betont das klassische Modell der Schönheit mehr die objektive Beschaffenheit einer Sache (Werkästhetik), während die mo- derne Schönheitsidee mehr den subjektiven Rezeptions- und Produktionsaspekt (Rezeptions- und Produktionsästhetik) betont. Während die klassische Schönheit daher eher auf ästhetische Erziehung zum Schönen setzt, verweist der Zu- sammenhang von Geschmack und Schönheit in der Moderne auf den Gedanken der Bildung im (künstlerischen) Spiel. Friedrich Schiller meinte dazu: „Der Mensch soll mit der Schönheit nur spielen, und er soll nur mit der Schönheit spielen“ (Briefe über die ästhetische Erziehung des Men- schen, 1795). Wer spielt, bildet sich und seinen Geschmack am Schönen, weil er sich zweckfrei mit Gegenständen und Sachverhalten ausein- andersetzen kann. Der Gebildete spielt nicht um sich zu bilden, sondern er bildet sich, weil er spielt. Schönheit braucht Bildung – sei es als rezeptive Bildung der Wahrnehmung, Erfahrung und Interpretation von Schönheit als Kunst- oder Naturschönheit; sei es als produktive Bildung der Formung und Gestaltung des Schönen, nicht zuletzt des schönen Lebens. Die Erkenntnis und Praxis des Schönen ist ohne Geschmacksbildung im zweckfreien Spiel nicht zu haben.

Der Verfasser ist Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Histo- rische Anthropologie und Mitglied des Interdisziplinären Zentrums Äs- thetische Bildung an der Universität Erlangen Arbeit von Tobias Hauser – im Hintergrund Gästehaus Paloma. Foto: U.H. Mayer, © MARIPOSA

Kunst und Geschmack Eckart Liebau Perspektiven ästhetischer und kultureller Bildung

„Über Geschmack lässt sich nicht streiten.“ Nach dieser these könnte man eindeutig dem Spieltrieb verbunden und daraus ein Pro- in der Erfahrung zu lösen, muss man „durch das Wir assoziieren mit diesem Sprichwort unterscheiden zwischen geschmackvoll und jekt der gesellschaftlichen Emanzipation, eines ästhetische den Weg nehmen […], weil es die gewöhnlich, dass Geschmack eine sub- geschmacklos – und Geschmack wäre auto- ästhetischen Staates entwickelt, das er dem Schönheit ist, durch welche man zu der Freiheit

jektive, ja geradezu eine Privatsache sei, matisch guter Geschmack. Schiller hat daran französischen Revolutionsmodell gegenüber- in der sich die ganze Buntheit und Vielfalt angeknüpft und das Projekt obendrein massiv gestellt hat : „Um jenes politische Problem [des  individueller Vorlieben legitimerweise politisch aufgeladen; er hat die Schönheit mit „Bau(s) einer wahren politischen Freiheit“, E.L.] Seite 7 zeigen dürfe. Ob jemand die Alpen liebt oder das Meer oder die Mittelgebirge, ob er lieber klettert, schwimmt oder wandert, das ist ganz seine Sache. Bewegungsvor- lieben, Schmeckvorlieben, Sehvorlieben, Tastvorlieben, Hörvorlieben, Riechvorlie- ben – nichts könnte individueller sein. Für Geschmacksangelegenheiten gibt es keine objektiven Kriterien, weder der Wahrheit noch der Richtigkeit. Was wir angenehm finden, entzieht sich der Diskussion; Ge- schmack ist Ausdruck unserer Individua- lität: „De gustibus non est disputandum.“ Jeder hat seinen eigenen Geschmack, und niemand muss sich für seinen Geschmack rechtfertigen. Die Äußerung „Das ist Ge- schmackssache“ beendet jede Diskussi- on.

Diese Haltung kommentiert Kant allerdings als geschmacklos: Der Satz „Ein jeder hat seinen eigenen Geschmack“ ist der, „womit sich jeder Geschmacklose gegen Tadel zu verwahren denkt“. Also muss es doch etwas geben, das die bloße Subjektivität übersteigt und das eine Unterscheidung zwischen geschmackvoll und geschmacklos möglich macht. Die Lösung, die Kant dann nach vielerlei Wendungen findet, liegt bekanntlich in der Schönheit, im „interes- selosen Wohlgefallen“: Es ist nicht nur möglich, sondern auch nötig, ästhetische Urteile mit dem Anspruch auf allgemeine Geltung jenseits der rein individuellen Unterscheidung zwischen dem Angenehmen und dem Unangenehmen zu fällen, obwohl das ästhetische Urteil nur auf subjektive Empfindungen gegründet werden kann. Das interesselose Wohlgefallen an der reinen Form macht danach den Geschmack aus. Nur das Schöne kann interesselos gefallen – das An- genehme ist immer mit subjektivem, sinnlichem Interesse, das Gute immer mit objektivem, moralischem Interesse verbunden. Schachplatz mit Klangsäulen von Robin Minard. Foto: U.H. Mayer, © MARIPOSA kultur kompetenz bildung politik und kultur • märz – april 2008 • Seite 

als Bildung nicht nur auf die – selbstverständlich  Fortsetzung von Seite 6 notwendigen – domänenspezifischen Kompe- tenzen, sondern auf das Leben insgesamt, auf wandert“, heißt es in den Briefen ‚Über die die Kultivierung des Alltags, und damit auch auf ästhetische Erziehung des Menschen‘. das Angenehme und das Gute. Genau an dieser Kant mit Schiller kombiniert wäre zweifelsfrei Stelle liegt die zentrale soziale Rückbindung eine äußerst elegante Lösung des Problems ästhetischer Bildung zur kulturellen Bildung, weil des Geschmacks und der ästhetischen Bildung. sie hier zur Geschmacksbildung wird und damit Wenn man dann noch etwas Wieland, Herder, von vornherein mit dem Problem ungleicher Goethe und Humboldt beimischt, hat man die Geschmacksvoraussetzungen zu tun hat. Sie wunderbare klassisch-idealistische Bildungs- muss also die nur kultursoziologisch beschreib- theorie vor sich, mit ihrer Betonung der Kunst, baren Differenzen immer voraussetzen und in der Sprache, der Freundschaft, der Geselligkeit gewissem Umfang an sie anknüpfen – wie bei – eine Art kultivierter Freizeittheorie unter der jedem anderen Bildungsprozess auch. Aber Perspektive eines allmählichen historischen sie kann und muss gleichzeitig auf die verän- Fortschritts zu harmonischer Identität. Na- dernde Kraft der künstlerischen Werke und der türlich ist so etwas in unserer Zeit, in der der ästhetischen Ausdrucksformen selbst vertrauen, Anteil der Arbeitszeit an der Lebenszeit radikal deren Fremdheit nicht in trivialen Lern- und zurückgegangen ist, wiederum hoch attraktiv. Aneignungsprozessen aufgelöst werden kann, Und dennoch sind an dieser eleganten Lösung die vielmehr immer ein rätselhaftes Gegenüber begründete Zweifel angemeldet worden. darstellen, deren bildende Wirkungen daher niemals genau kalkulierbar sind und sein Macht können. Nur an der objektiven Kultur kann sich die subjektive Kultur in Einfall und Übung „Wie verändert sich der allgemeine Geschmack? bilden. Dabei kann sich ästhetische Bildung in Dadurch, dass Einzelne, Mächtige, Einflußreiche den verschiedensten Formen und Medien voll- ohne Schamgefühl ihr hoc est ridiculum, hoc est ziehen. Bildende Kunst, Musik, Literatur, Sport, absurdum, also das Urteil ihres Geschmacks und Theater, Tanz, Musik (Chor, Orchester, Big-Band, Ekels aussprechen und tyrannisch durchsetzen Rock-Band), Puppenspiel, Fotographie und – sie legen damit vielen einen Zwang auf, aus Film, Computergraphik und -musik, Clownerie, dem allmählich eine Gewöhnung noch mehre- Pantomime, Akrobatik – man findet kein Ende, rer und zuletzt ein Bedürfnis aller wird“, schreibt wenn man die Künste und die Ausdrucks- und Friedrich Nietzsche im Paragraph 39 des „Ersten Darstellungsformen aufzählen will. Aber es Buchs“ der Fröhlichen Wissenschaft. müssen freie, zweckfreie Künste sein, die ihren Hier bleibt von der idealistischen Hoffnung und Sinn in sich selbst tragen. Nur dann können ihrer Annahme einer quasi objektiven, intersub- sie auch die Macht verleihen, die nur durch jektiv geteilten Schönheit nichts mehr über; hier die ästhetische Bildung zu gewinnen ist: die geht es um Macht, um Konkurrenz, um Durch- Macht, so leben, arbeiten und sich ausdrücken setzung. Veränderungen im Massengeschmack zu können, dass es zugleich die eigene und die folgen aus Veränderungen im Geschmack der Freiheit aller fördert. In modernen Zeiten lernt Herrschenden; deren Bedürfnisse, deren Vorlie- man für das Leben am besten durch die Kunst. ben prägen die Richtung, in die sich dann auch Da hat Schiller schon Recht. der Massengeschmack bewegen wird. Retten, Der Text bildet eine stark gekürzte Fassung von d.h. das Leben ertragen, kann sich nur der „Über Geschmack lässt sich (nicht) streiten. Einzelne, der sich auf den Weg an die Grenzen Perspektiven ästhetischer Bildung.“ In: Ders./ der Erfahrung begibt und sich selbst wenigstens Jörg Zirfas (Hrsg.): Schönheit. Traum – Kunst zeitweilig zum ästhetischen Phänomen macht: – Bildung. Bielefeld 2007, S. 209 ff. „Als ästhetisches Phänomen ist uns das Dasein immer noch erträglich, und durch die Kunst ist Der Verfasser ist Professor für uns Auge und Hand und vor allem das gute Pädagogik und Sprecher des Gewissen dazu gegeben, aus uns selber ein Interdisziplinären Zentrums solches Phänomen machen zu können... Wir Ästhetische Bildung an der brauchen alle übermüthige, schwebende, Universität Erlangen Edelsteingrotte von Sylvia und Toni Reich. Foto: U.H. Mayer, © MARIPOSA tanzende, spottende, kindische und selige Kunst, um jener Freiheit über den Dingen nicht verlustig zu gehen, welche unser Ideal von uns fordert“, so noch einmal Nietzsche.

Nietzsche nimmt damit die Trennungen zurück,

die Kant so stark betont hatte, die Trennung  Gebildet oder Naturwissenschaftler? zwischen dem Angenehmen, dem Guten und Seite 7 dem Schönen. Die bildungstheoretische Renaissance des Zoon ästhetikon Katrin Platzer Wenn man die Geschmackstheorie Nietzsches soziologisch interpretiert, erweist sie sich als erstaunlich aktuell. Mit ganz ähnlichen Bildung ist mehr als der Erwerb von Wissen Bildhauen in Beziehung: „Kehre ein zu Dir selbst Unter Bezug auf Schmid hat der Heidelberger Argumenten beschreiben Norbert Elias oder – aber was genau? Der deutsche Bildungs- und sieh Dich an; und wenn Du siehst, dass Pädagoge Carl-Peter Buschkühle das Konzept Pierre Bourdieu den Zusammenhang von gesell- begriff hat sich in der europäischen Aufklä- Du doch nicht schön bist, so tue wie der Bild- der „Künstlerischen Bildung“ entworfen, das schaftlicher Entwicklung und gesellschaftlicher rung und den neuhumanistischen Debatten hauer, der von einer Büste, die schön werden unter der Voraussetzung, dass jeder Mensch Reproduktion. Auf dem Geschmack beruht der im 18. und 19. Jahrhundert ausgeformt. soll, hier etwas fortmeißelt, hier etwas ebnet, ein Künstler ist, dazu aufruft, das eigene Leben Sinn für den eigenen Platz in der Gesellschaft Mindestens fünf Bestimmungen sind nach dies glättet, das klärt, bis er das schöne Antlitz und die Umwelt „künstlerisch zu gestalten“. Der und darauf beruht die Logik der Wahlver- Wilhelm Voßkamp wesentlich: Erstens liegt der Büste vollbracht hat: So meißle auch Du „zentrale Bildungswert“ dieses Konzeptes be- wandtschaften; man weiß spontan, was sich die Vorstellung eines Subjekts als einen fort, was unnütz, und richte, was krumm ist.“ steht nach Buschkühle darin, dass die rezeptive für wen gehört und damit auch, wohin man einmaligen, entwicklungsfähigen Wesens Bildung ist Gestalten an sich selbst, wobei der ebenso wie die produktive Auseinandersetzung selbst gehört. zugrunde. Zweitens verknüpft sich hiermit Selbstbildungsakt nicht beliebig und zufällig mit Kunst das Individuum darin unterstützt, die Idee der Vervollkommnung des Indivi- vonstatten geht, sondern sich an einem inneren sich in der komplexen und heterogenen Ge- Ästhetische und kulturelle Bildung duums wie der menschlichen Gattung. Hier- Bild orientiert, das herauszuarbeiten ist. genwartsgesellschaft zu verorten, indem die aus ergeben sich drittens gesellschaftliche Die beschriebenen Zusammenhänge deuten auf „Fähigkeiten zu differenzierten Wahrnehmungs- Die aktuellen deutschen Debatten über die Implikationen, der Gebildete übernimmt die ästhetischen Aspekte der Bildung hin. Ästhe- leistungen, zu selbständigen Bedeutungser- ästhetische und kulturelle Bildung knüpfen öffentliche und soziale Funktionen. Eine tische Bildung ist in den letzten Jahren zu einem zeugungen und zu visionärem, imaginativem einerseits noch immer ziemlich umstandslos wichtige Rolle spielt viertens das Problem Schwerpunkt der bildungspolitischen Diskussion Denken“ geschult werden. an die politischen und pädagogischen Diskurse der ästhetischen Versöhnung von Indivi- avanciert. Was ist darunter zu verstehen? Der Während die ästhetische Bildung den Aspekt zur Kulturpädagogik der 1970er und 1980er duum und Gesellschaft, schließlich wird Begriff Ästhetik ist dem griechischen „aisthesis“ der Wahrnehmung betont, rückt die künstle- Jahre an; andererseits sind deutlich neue die Zersplitterung der Moderne bereits im entlehnt und bedeutet sinnliche Wahrnehmung. rische Bildung den Aspekt der Gestaltung in Perspektiven sichtbar. Die ästhetische Bildung 18. Jahrhundert spürbar. Fünftens kann Ästhetische Bildung bezeichnet zunächst eine den Vordergrund. An die handlungsorientierte erfährt eine deutliche Aufwertung; der explizite Wissenschaft nicht vollständig mit Bildung Ausbildung der sinnlichen Wahrnehmungsfä- Pädagogik von John Dewey anknüpfend, spricht Bezug auf die freien Künste bildet dabei das verrechnet werden, ihr kommt jedoch eine higkeit, darüber hinaus einen eigenen Typus von sich Buschkühle für eine konstruktivistische wesentliche Merkmal. Der Begriff der kultu- große Bedeutung zu. Welterkenntnis. Ästhetische Bildung, die eine Didaktik aus. Geeignete Lehr- und Lernar- rellen Bildung ist demgegenüber wesentlich wissenschaftskomplementäre Weltbegegnung rangements unterstützen ein entdeckendes, weiter und unspezifischer; hier geht es um Ein neues Interesse an Bildung ist zu verzeich- darstellt, „ist ein Modus, Welt und sich selbst im selbstreguliertes, multiperspektivisches und kol- alle Formen der Kultur. Dabei steht meistens nen, das durch die gesellschaftliche Situation Verhältnis zur Welt und zur Weltsicht anderer zu laboratives Lernen. Mit Blick auf die inhaltliche der Bezug auf die Entwicklung subjektiver der Postmoderne bestimmt ist, deren plurale erfahren.“ (G. Otto) Komplexität und den zeitlichen Bedarf stellt die Ausdrucks- und Darstellungsformen und die Differenz nach kultureller Synthese verlangt. In diesem Zusammenhang hat der Berliner Phi- fächerübergreifende kollaborative Projektarbeit Formung des Alltagslebens im privaten Leben, Von einer Krise des Subjekts ist die Rede. Das losoph Wilhelm Schmid den Begriff der Lebens- die angemessene Arbeitsform dar, die kreative in der Öffentlichkeit oder auch in der Politik im postmoderne Subjekt stellt sich dar als ein kunst in die Diskussion eingeführt, hierunter Handlungskompetenzen im Sinne diskursiver Mittelpunkt. widersprüchliches Konstrukt von Identitätsfrag- versteht er die „Möglichkeit und Anstrengung und präsentativer Fähigkeiten befördert. Ästhetische Bildung ist etwas anderes als eine menten. Seit PISA scheint das Ziel einer ganz- […], das Leben auf reflektierte Weise zu führen Das gegenwärtige Bildungssystem stellt die bloße Förderung einer abstrakten Kreativität. heitlichen Persönlichkeitsentwicklung überholt. und es nicht unbewusst einfach nur dahingehen erforderlichen Rahmenbedingungen für ein Sie bezieht sich auf die Entfaltung von Leib- Der Fokus liegt auf sektorieller Kompetenzbil- zu lassen.“ Lebenskunst bedeutet nach Schmid solches Lernen bislang nur in begrenztem Maße lichkeit und Sinnlichkeit in Spiel und Kultur; dung mittels „basaler Kulturwerkzeuge“. Der die „Kunst eines bewusst geführten Lebens“, bereit. Außerschulische Fördermaßnahmen sie bezieht sich auf kulturelle Formgebung für Darmstädter Erziehungswissenschaftler Horst eine „fortwährende Gestaltung des Lebens können das schulische Angebot unterstützen,

das Zusammenleben im Alltag; sie bezieht sich Rumpf attestiert der PISA-Studie eine Aufgabe und des Selbst“. Das Konzept der Lebenskunst indem sie unterschiedliche Weisen der Wirk-

auf die Entwicklung der Person. Sie gewinnt der „Welt des Ausdrucks“ zugunsten der „Welt als antwortet auf die Herausforderung an jeden lichkeitsaneignung und Weltwahrnehmung, des ihre produktions- und rezeptionsästhetischen Sache“. Diese Engführung der Bildungsdebatte Einzelnen, in der Vielfalt der postmodernen  Horizonte am Maßstab der Kunst und den hat weit reichende Konsequenzen. Plotin, ein Gesellschaft seinem Leben selbst Sinn und künstlerischen Ausdrucksformen, aber sie zielt großer Alter, setzte den Begriff Bildung mit dem Gestalt zu geben. Seite 8 kultur kompetenz bildung politik und kultur • märz – april 2008 • Seite 

 Fortsetzung von Seite 7 Gebildet oder Naturwissenschaftler?

Umgangs mit Anderen und der Persönlichkeits- entwicklung einbinden. Das Heidelberger Life- Science Lab, eine Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ, Heidelberg), hat die individuelle Förderung mathematisch und naturwissenschaftlich-technisch beson- ders interessierter und engagierter Schüler zur Aufgabe, insofern ist der Schwerpunkt auf die Life-Sciences gerichtet, die den Standort besonders prägen. Zugleich sollen solche Lernprozesse eingeleitet werden, die zur Entwicklung fächerübergrei- fender Kompetenzen und bildungsrelevanter Persönlichkeitsmerkmale beitragen. Im Heidel- berger Life-Science Lab werden darum neue didaktische Ansätze wie Partizipation an au- thentischen Forschungs- und Entwicklungstätig- keiten, Vermittlung fachspezifischer Repräsen- tations- und Diskursformen und kollaboratives Lernen in wissensbildenden Gemeinschaften erprobt. Es wird eine enge Verknüpfung von autodidaktischen Lernelementen, kollaborati- onsorientierten Elementen mit Wissenschaftlern sowie schulischen, von Lehrern arrangierten Aktivitäten angestrebt. In einer Phase, in der sich junge Menschen intensiv mit der eigenen Identität auseinander- setzen, in der sie verschiedene Daseinsformen, Lebensstile und rollenverhalten erproben und in der sie sich selbst und ihren Ort in der Gesellschaft auswählen müssen, kommt der ästhetischen bzw. der künstlerischen Bildung eine wesentlich Bedeutung zu, indem sie die jungen Menschen auf dem Weg zur Identitäts- konstruktion unterstützt. Darum umfasst die Förderung ein außerschulisches Programm in Kunstinstallation „Monadologie“ von Frank Schubert in der Galeria M. Foto. U.H. Mayer, © MARIPOSA Form von: · öffentlichen Vorlesungen, die zwischen na- Die europäische Wissenschaft gewinnt vor Rede von den zwei Kulturen im Anschluss an C.P. Modi der Weltaufschließung: Verstand und Ge- turwissenschaftlichen, lerntheoretischen und vierhundert Jahren ihre moderne Form durch Snow wäre für Goethe unverständlich gewesen, fühl ermöglichen Lernen und Verstehen. Fischer philosophischen Inhalten wechseln, experimentelles Vorgehen und technische An- er plädierte für eine Verbindung der humani- zitiert den jungen Einstein: „Es ist ein herrliches · Arbeitsgruppen, in denen die Schüler unter wendung. Der Preis, der für ihren Siegeszug stischen und naturwissenschaftlichen Bildung. Gefühl, die Einheit eines Komplexes von Er- mentorieller Leitung selbst Ort, Zeit und In- bezahlt wurde, war das Verlassen der Ebene des Goethe bestand darauf, dass „das Studium der scheinungen zu erkennen, die der direkten halt der kollaborativen Projektarbeit bestim- Phänomens, die später von Goethe kritisierte Natur von unschätzbarem Wert für eine rechte Wahrnehmung als getrennte Dinge erscheinen.“ men, das Spektrum der AGs schließt neben „zerstückelte Art, die Natur zu behandeln“. Bildung sei und die Naturwissenschaften daher Die Ästhetik erscheint als der Kulminations- naturwissenschaftlichen Disziplinen wie Che- Das wissenschaftliche Nachdenken hat jedoch für jeden denkbaren Menschen unentbehrlich punkt, der die Snowschen Kulturen miteinander mie, Biologie, Physik, usw. auch die Mathe- nicht erst in der Neuzeit, sondern bereits in seien.“ verbinden kann: „Der Sachverstand bedarf der matik, die Philosophie und die Kunst ein, der griechischen Antike angehoben. Aristoteles Goethe kämpfte gegen die physikalische Optik Ergänzung durch Erkenntnismethoden, die es · Wochenendseminaren, in denen die arbeit notiert: „Alle Menschen streben von Natur aus in Newtons Farbenlehre. Was ist unter Farbe zu erlauben, den Eigenwert der Natur und ihre der arbeitsgemeinschaften erweitert wird nach Wissen; dies beweist die Freude an den verstehen? Ist Farbe das, was wir sehen und er- Schönheit zu erfassen, ohne dabei den einzig und Sinneswahrnehmungen, denn diese erfreuen an leben? Oder ist Farbe das, was wir messen und tragfähigen Boden der Wissenschaftlichkeit · (inter)nationalen Ferienakademien, in denen sich, auch abgesehen von dem Nutzen, und vor berechnen? Selbstverständlich ist Farbe beides: aufzugeben.“ die Teilnehmer die von ihnen erworbenen Fä- allen anderen die Wahrnehmungen mittels der Das „Subjekt der Erkenntnis auch als subjektives higkeiten im (inter)nationalen Kontext sehen Augen“. Es ist die Schönheit der Natur, die den Element – und nicht nur als objektivierte Pro- Die Verfasserin ist Leiterin des Heidel- und einordnen. Menschen verlockt, da der Mensch ein „zoon jektion – [wird] innerhalb der wissenschaftlichen berger Life-Science Lab am Deutschen Der erste Satz der Autobiographie „Der Teil und ästhetikon“, das heißt ästhetisch neugierig ist. Erkenntnis gesehen und verstanden.“ (Frank Krebsforschungszentrum (DKFZ, Hei- das Ganze“ des deutschen Physikers Werner Naturwissenschaft erweist sich als essentieller Schweitzer). Goethe deutete wissenschaftliche delberg) Heisenberg lautet: „Wissenschaft wird von Teil der Bildung und der Kultur. Wie es dahin Tätigkeit im Kontext von Selbstbildungsprozes- Menschen gemacht.“ Das Betreiben von Wissen- kam, dass Natur- und Geisteswissenschaften sen, das heißt als Mittel der Selbstfindung und schaft ist dem Menschen ein inneres Bedürfnis. durch einen tiefen Graben getrennt wurden, Kultivierung des Selbst. Wissenschaft wird auch für Menschen gemacht, rekonstruiert Werner Kutschmann in seinem In Dietrich Schwanitz’ Bestseller „Bildung. Alles, sie will unsere Lebensverhältnisse verbessern. Buch „Naturwissenschaft und Bildung“. Die was man wissen muss“ findet sich auf Seite 482 der Satz: „Naturwissenschaftliche Kenntnisse Impressum müssen zwar nicht versteckt werden, aber zur Bildung gehören sie nicht.“ Der Wissenschafts- kultur · kompetenz · bildung theoretiker Ernst Peter Fischer hat Schwanitz im Rekurs auf Goethes Farbenlehre mit dem kultur · kompetenz · bildung erscheint als viel zitierten Diktum, die Wissenschaft sei als regelmäßige Beilage zur Zeitung politik Kunst zu denken, widersprochen. „Die andere und kultur, herausgegeben von Olaf Zim- Bildung“, die Fischer fordert, greift die klassische mermann und Theo Geißler. Bildungsidee wieder auf, wenn er beklagt, dass die Wissenschaft „es verlernt hat, neben Deutscher Kulturrat e.V. der logischen Erklärung, die sie glänzend und Chausseestraße 103 großartig liefert, auch die sinnliche Erkenntnis 10115 Berlin zu berücksichtigen, die es komplementär zu Tel: 030/24 72 80 14 ihr gibt.“ Fax: 030/24 72 12 45 Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften Internet: www.kulturrat.de und Kunst sind gleichermaßen bedeutende E-Mail: [email protected]

Redaktion In der vergangenen Ausgabe der Beilage Olaf Zimmermann (verantwortlich), kultur · kompetenz · bildung zum Thema Gabriele Schulz, Andreas Kolb, „Kulturelle Bildung und Tanz“ haben wir Kristin Bäßler, Stefanie Ernst Bilder des Fotografen Dominik Mentzos abgedruckt. Leider haben wir es versäumt, Verlag die Namen der Tänzer mit abzudrucken. ConBrio Verlagsgesellschaft mbH Dies möchten wir hiermit nachholen: Brunnstraße 23 93053 Regensburg Seite 1: Ander Zabala Internet: www.conbrio.de Seite 3: Ander Zabala E-Mail: [email protected] Seite 4: Jone San Martin Seite 5: Yoko Ando Herstellung, Layout Seite 6: Anna Tenta ConBrio Verlagsgesellschaft Seite 7: linkes Foto: Ander Zabala / Petra Pfaffenheuser rechtes Foto: Yoko Ando Seite 8: Cyril Baldy / Jone San Martin Gefördert vom Bundesministerium für Seite 9: linkes Foto: David Morrow Bildung und Forschung Seite 12: William Forsythe / Ander Zabala Galeria M – mit Arbeit von Joseph Kosuth. Foto: Helga Müller, © MARIPOSA