MARC DARCHINGER MARC Unionskollegen Merkel, Pofalla, Kauder: „Bei denen brennt die Hütte“

tionschef Peter Struck bereits. Struck ist UNION Fachmann für brennende Hütten. Zweieinhalb Jahre nach Beginn der Ende der Schonzeit Großen Koalition haben die Konservati- ven das Bündnis mindestens so satt wie die Sozialdemokraten. Dass die SPD mit sieht sich mit einem bislang nicht gekannten Wider- Gesine Schwan überraschend eine eigene Kandidatin für das Amt des Bundespräsi- stand ihrer Partei konfrontiert. Nie war der Unmut über die denten aufgestellt hat, hat die angestaute Rolle von CDU/CSU in der Großen Koalition größer als derzeit. Wut in den Unionsparteien erst richtig frei- gesetzt. er Streit in der Fraktion näherte denken: dass es so nicht weitergehen kann Vergangene Woche sackten CDU und sich seinem Höhepunkt, da hielt mit der Union. CSU dann auch noch in einer Infratest-di- Des nicht auf Formal ging es in dieser Sitzung um die map-Umfrage auf 34 Prozent, den niedrigs- seinem Platz. Er stand auf und marschier- Förderung der Solarenergie, die vielen in ten Wert seit langem. Seit dem schlechten te auf das Saalmikrofon zu. „Angela“, der Fraktion missfällt. Aber das war nur Ergebnis bei der letzten Bundestagswahl rief Riesenhuber und stach zornig mit der Anlass für das viel größere Unbehagen hätte die Union demnach weitere zweiein- seinem Finger in Richtung Bundeskanz- mit der Großen Koalition im Allgemeinen halb Millionen Wähler verloren. lerin, so, als wollte er sie aufpiksen. „An- und dem Führungsstil von Angela Merkel Gleich in mehreren internen Sitzungen gela, das darf uns nicht noch einmal pas- im Besonderen. Er werde bei der Solar- entlud sich der Frust der Konservativen sieren!“ energie notgedrungen zustimmen, erklär- über die üble Lage. Zu groß ist die Sorge, Man kennt Riesenhuber noch von te Riesenhuber schließlich, aber nur weil die Union könne in der Großen Koalition früher, ein lustiger Mann mit Segelohren, es um die Alternative gehe: „Deckeln wir nicht nur das Ringen um Sachfragen ver- zackigem Pony und bunter Fliege am Kra- die Photovoltaik, oder deckeln wir die lieren, sondern auch ihre Identität. Noch ist gen, der in den langen Kohl-Jahren in der Kanzlerin.“ Saarlands Ministerpräsident Peter Müller Rolle des Forschungsministers zu sehen Angela Merkel sieht sich in diesen Tagen der einzige prominente Unionspolitiker, der war. Er war ein bisschen in Vergessenheit einem bislang nicht gekannten Widerstand offen für ein rasches Ende der Großen Ko- geraten inzwischen, aber vorigen Diens- aus ihrer Partei gegenüber. Nie war der alition plädiert: „Wir dürfen uns nicht dem tag, bei der Sitzung der Unionsfraktion im Unmut über das Erscheinungsbild der Verdacht aussetzen, wir arbeiteten weiter Deutschen , war Heinz Riesen- Union in ihrer Kanzlerschaft größer. Nie zusammen, weil die politische Führung an huber so gegenwärtig wie nie. äußerte sich die Kritik an Merkel und ihren Ämtern klebt.“ Doch viele Kollegen Zornig stand er vor der CDU-Vorsitzen- ihrem Fraktionschef Kauder offener als in denken insgeheim genauso. den und sagte das, was viele der 223 Ab- den vergangenen Wochen. „Bei denen Angela Merkel achte kaum noch auf ihre geordneten von CDU und CSU derzeit brennt die Hütte“, freut sich SPD-Frak- Partei und nur noch auf ihre Regierung,

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heißt der Vorwurf. Sie nehme nicht wahr, von CDU und CSU zur Förderung von er- Dreimal musste sich Merkel persönlich dass gerade die treuesten Anhänger der neuerbaren Energien drohte zu einer Ge- in die Debatte einschalten. So oft, so ener- Union deshalb den Rücken kehrten. neralabrechnung mit der Politik Merkels gisch hatte sie noch nie intervenieren müs- Als Beleg wird parteiintern auch die Vor- zu werden. Die Abgeordneten hatten Zorn sen. Sie sagte, dass der Kompromiss aus bereitung eines Positionspapiers angeführt, und Zeit. den übergeordneten Gründen des Klima- das CDU und CSU an diesem Montag bei Es begann mit einer Entschuldigung. schutzes erforderlich sei, es sei nun ein- einer gemeinsamen Präsidiumssitzung im Fraktionschef erklärte ein- mal kompliziert, neue Technologien ein- bayerischen Erding vorstellen wollen. gangs, er habe leider eine Stimmbandent- zuführen. Da müsse die Union durch. Nachdem ein erster Versuch der Gene- zündung und könne deshalb Sie sagte, dass die Fraktion an ralsekretäre Ronald Pofalla und Christine nicht lange vortragen. Deshalb Für die Konser- dem Gesetz beteiligt gewesen Haderthauer gescheitert war, mussten sich sollten die Fachleute Katherina sei. „Mehr war nicht möglich.“ Merkel und Huber vorige Woche selbst an Reiche und den vativen ist die Dann sagte sie den Satz: „Auch eine Erklärung machen. Die CSU wollte Kompromiss mit den Genossen Familienpolitik ich muss ab und zu Kompromis- vor allem, dass ihr Steuerkonzept positiv über die Solarförderung erläu- Symbol für se eingehen.“ Höhnisches La- erwähnt und die Wiedereinführung der tern. Kaum hatten diese ihre all das, was chen in der Fraktion. Denn die Pendlerpauschale gefordert wird. Merkel Vorträge beendet, begann die falsch läuft Abgeordneten werfen der Kanz- lehnte dies ab. Sie verlangte, dass der Ge- Schlacht. in der Union. lerin ja gerade vor, von Anfang sundheitsfonds als große Leistung der Ko- Das ausgehandelte Paket sei an viel zu oft den Kompromiss alition gewürdigt wird. Für den hat aller- schlimmer als vorher, klagten die zu suchen. dings außer ihr kaum jemand Sympathien. ersten Redner. Die Subventionierung von Merkel spürte, dass es knapp werden Huber ließ Pofalla schließlich wissen, Offshore-Windenergie, Biomasse und Was- könnte. Als ihr enger Vertrauter, Wirt- dass die CSU auch damit leben könne, serkraft werde noch stärker ausgebaut als schaftsstaatssekretär , den Sit- wenn es keine gemeinsame Erklärung geplant. Das Ganze sei ein Sieg für Sig- zungssaal verließ, schickte sie einen Mit- gebe. So weit wollte es die Kanzlerin nicht mar Gabriel. arbeiter hinterher, um ihn zurückzuholen. kommen lassen. Es wurde eine gemeinsa- Der nordrhein-westfälische Abgeordne- Generalsekretär Pofalla wies sie sogar vor- me Erklärung vereinbart, wenn auch eine te Willi Zylajew zweifelte Merkels Be- beugend an, die Sitzung keinesfalls früh- andere, als Merkel vorgeschwebt hatte. hauptung an, der Mittelstand profitiere von zeitig zu verlassen. Jetzt komme es auf je- Bislang hat man den Christdemokraten dem Gesetz: „Einige werden verdienen, den einzelnen Unterstützer an. ihren Ärger über das Verhalten ihrer Vor- und die anderen werden bezahlen.“ Auch Am Ende wurde das Gesetz mit nur sitzenden nicht richtig anmerken können. der CSU-Abgeordnete Franz Obermeier neun Gegenstimmen durchgewinkt. Die Das liegt vermutlich daran, dass Konser- traute seiner Kanzlerin nicht. „Wieso pro- „gefühlte Ablehnung“ war jedoch viel vative die Neigung haben, zivilisierter mit fitiert denn die deutsche Wirtschaft von größer. „Ich habe so was noch nicht er- ihren Enttäuschungen umzugehen als etwa den Solarsubventionen, wenn 60 Prozent lebt“, sagte ein Abgeordneter hinterher. Sozialdemokraten. Und weil sie es ihrem der Fertigung im Ausland stattfinden?“, „Die Sache hing am seidenen Faden.“ Führungspersonal immer etwas leichter wollte Obermeier wissen. Alle Kritiker an Im Fraktionsvorstand hatte der frühere machen als die dauererregten Genossen. Merkels Kurs erhielten von den Abgeord- Geheimdienstkoordinator Bernd Schmid- Für christdemokratische Verhältnisse neten kräftigen Beifall. bauer eine Woche zuvor die Stimmung ei- war es deshalb fast ein revolutionärer Akt, Dann folgte der emotionale Auftritt von nes großen Teils der Abgeordneten Aus- was sich vorigen Dienstag über drei Stun- Heinz Riesenhuber, der sich auch von gut- druck verliehen. „Wir müssen endlich den im Unionsfraktionssitzungssaal des gemeinten Zwischenrufen nicht beruhigen deutlich machen, was unsere Politik aus- Reichstagsgebäudes abspielte. Die Sitzung ließ: „Heinz, nu lass gut sein!“ macht.“ Merkel habe der Fraktion ver- dammt viel zugemutet, „vom allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz bis zum Ge- sundheitsfonds“. Der Angriff richtete sich auch gegen Fraktionschef Volker Kauder. „Es kann nicht darum gehen, bedingungslos inhalt- lich gehorsam zu sein“, sagte Schmidbau- er an dessen Adresse. „Wir müssen uns überlegen, wie und wo wir die Kanzlerin unterstützen.“ Damit sprach Schmidbauer vielen im Fraktionsvorstand aus der Seele. Die Abgeordneten nervt, dass sie allein Mehrheitsbeschaffer für Regierungsbe- schlüsse sein sollen, deren Sinn sie nicht einsehen. Sie sorgen nun dafür, dass die Autorität des Fraktionschefs langsam zer- bröselt. „Muttis treuester Soldat“, so nennen sie ihren Chef inzwischen. Mutti, das ist die kompromisssüchtige Kanzlerin, und der Soldat, das ist Kauder. „Er kämpft nicht, jedenfalls nicht für uns“, klagen sie hinter vorgehaltener Hand. Der Mittelstandspolitiker Josef Schlar- mann benannte Kauder jüngst als Sinnbild

HANS-CHRISTIAN PLAMBECK HANS-CHRISTIAN dafür, wie Merkel Abhängigkeiten schaffe Unionsfraktion im Bundestag: Zivilisierter Umgang mit Enttäuschungen und diese dann nutze. Er sei das zentrale

der spiegel 24/2008 27 Problem einer CDU, die sich der Kanzlerin ergeben habe. Volker Kauder hatte sich immerhin mal vorgenommen, das zu ändern. Vor gut ei- nem Jahr war das, er hatte sich ein Herz gefasst und wollte „Phase zwei“ seiner Amtszeit als Fraktionschef ausrufen. „Wir müssen darauf achten, dass zentrales Ge- dankengut der CDU nicht vergessen wird“, sagte er damals und demonstrierte großes Selbstbewusstsein: „Es ist ja wohl so, dass das Parlament die Regierung kontrolliert und nicht die Regierung das Parlament.“ Er hat das dann schnell wieder vergessen. Seine Abgeordneten registrierten dage- gen genau, was alles gegen ihren Willen durchgesetzt wurde. Die Konservativen nehmen es Merkel übel, dass sie das tradi- tionelle Familienbild eiskalt entsorgt hat. Sie haben sich nicht für die CDU enga- giert, damit mehr Krippen für unter Drei- jährige gebaut werden. Für sie ist die Fa- milienpolitik Symbol für all das, was falsch läuft in der Union. Der Wirtschaftsflügel fühlt sich ebenfalls an den Rand gedrängt. Merkel hat die Steuern erhöht, statt sie zu senken. Sie hat einem Mindestlohn in der Postbranche zu- gestimmt. Sie hat sogar die rot-grüne Re- form des Arbeitslosengeldes teilweise rück- gängig gemacht. Auf einmal zeigt sich, dass der verhasste SPD-Kanzler Gerhard Schrö- der ein viel entschiedenerer Reformer war. Merkel hat die Verbitterung in immer größeren Teilen der Union gesehen. Sie hat geglaubt, sie könne sie ignorieren. Sie baut darauf, dass sie mehr Wähler in der Mitte gewinnt, als sie auf dem Traditions- flügel der CDU verliert. Das allerdings se- hen viele in der Partei anders. Ungeduldig warten sie nun auf ein Signal. Sie wollen, dass die Kanzlerin deutlich macht, dass CDU und CSU nicht alles mit sich machen lassen, nur um den Koalitions- frieden zu retten. Noch ist die Kanzlerin nicht bereit, diesem Drängen nachzugeben. Im Kanzleramt wird aber bereits sondiert, wo vielleicht Härte demonstriert werden kann. In der vergangenen Woche wurde man fündig. Die Benennung eines deut- schen EU-Kommissars, die im Sommer vor der Bundestagswahl ansteht, könnte ein Mittel sein, um die Genossen vorzuführen. Die SPD will unbedingt einen Sozialde- mokraten auf dem Kommissarsessel sehen, und Merkel will das verhindern. Im Kanz- leramt hat sie deshalb jetzt prüfen lassen, ob es ein vorgeschriebenes Verfahren für die Benennung des Kandidaten gibt. Die zuständige Abteilung 5 fand heraus, dass es keine Regeln für diesen Prozess gibt. Mer- kel könnte einfach ohne Verhandlungen, ohne Rücksprache einen Unionskandida- ten benennen. „Wenn die SPD nicht einlenkt“, sagt ein Vertrauter der Kanzlerin, „dann können wir es auch so machen.“ Markus Feldenkirchen, Ralf Neukirch, Christoph Schwennicke

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