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Plenarprotokoll 14/192

Deutscher

Stenographischer Bericht

192. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001

Inhalt:

Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag Ersten Gesetzes zur Änderung des der Abgeordneten Inge Wettig-Danielmeier Vereinsgesetzes und Dr. Edzard Schmidt-Jortzig ...... 18679 A (Drucksache 14/7026) ...... 18698 A Erweiterung der Tagesordnung ...... 18679 A b) Erste Beratung des von der Bundes- Absetzung der Tagesordnungspunkte 3 g und h regierung eingebrachten Entwurfs ei- sowie 18 c und d ...... 18679 D nes ... Strafrechtsänderungsgesetzes – § 129 b StGB (... StrÄndG) Absetzung des Tagesordnungspunktes 19, Auf- (Drucksache 14/7025) ...... 18698 B setzung des Tagesordnungspunktes 23 a und b c) Erste Beratung des von der Bundes- Nachträgliche Ausschussüberweisung ...... 18679 D regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes ... Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung Zusatztagesordnungspunkt 2: (Drucksache 14/7008) ...... 18698 B Abgabe einer Regierungserklärung: Aktu- elle Lage nach Beginn der Operation ge- d) Erste Beratung des von den Abgeordne- gen den internationalen Terrorismus in ten , Afghanistan ...... 18680 A (Recklinghausen), weiteren Abgeord- neten und der Fraktion der CDU/CSU Gerhard Schröder, Bundeskanzler ...... 18680 B eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Dr. CDU/CSU ...... 18684 C zur Verbesserung der Bekämpfung von Straftaten der organisierten Kri- Dr. Peter Struck SPD ...... 18688 B minalität und des Terrorismus Hans-Peter Repnik CDU/CSU ...... 18690 C (Drucksache 14/6834) ...... 18698 B Dr. Peter Struck SPD ...... 18690 D e) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes Dr. FDP ...... 18691 B zur Ergänzung der Kronzeugenrege- Joseph Fischer, Bundesminister AA ...... 18692 D lungen im Strafrecht (KrZErgG) (Drucksache 14/5938) ...... 18698 C Dr. FDP ...... 18694 C PDS ...... 18695 C f) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes , Bundesminister BMVg 18696 C zur Änderung der Strafprozessord- nung (§ 110 Abs. 1, § 111 f Abs. 3, § 163 a Abs. 6 StPO) Tagesordnungspunkt 3: (Drucksache 14/6079) ...... 18698 C a) Erste Beratung des von der Bundes- Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin regierung eingebrachten Entwurfs eines BMJ ...... 18698 D 18744 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001

Vizepräsidentin (A) und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Mecklenburg-Vorpommern (C) Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Die – Drucksachen 14/161, 14/25, 14/2689 – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Bei Enthaltung der FDP Berichterstattung: ist der Gesetzentwurf angenommen. Abgeordnete Christel Deichmann Dr.-Ing. Paul Krüger Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 c auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ableh- richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz nung des Antrags der Fraktion der PDS auf Drucksache und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu der Ver- 14/25 zur Ansiedlung einer Airbus-Fertigungsstätte in ordnung der Bundesregierung Mecklenburg-Vorpommern. Wer stimmt für diese Be- schlussempfehlung? – Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Verordnung zur Änderung abfallrechtlicher Gegen die Stimmen der PDS ist die Beschlussempfehlung Bestimmungen zur Altölentsorgung angenommen. – Drucksachen 14/6653, 14/6907 Nr. 2.1, 14/7056 – Weiter empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c sei- Berichterstattung: ner Beschlussempfehlung die Annahme einer Entschlie- Abgeordnete Rainer Brinkmann (Detmold) ßung. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Georg Girisch Gegenprobe! – Das ist einstimmig. Dr. Reinhard Loske Birgit Homburger Nun rufe ich die Tagesordnungspunkte 5 a und 5 b auf: Eva Bulling-Schröter Der Ausschuss empfiehlt, der Verordnung zuzustim- a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord- men. Wer ist für diese Beschlussempfehlung? – Die Ge- neten Alfred Hartenbach, Hermann Bachmaier, genprobe! – Enthaltungen? – Gegen die Stimmen der FDP (Hildesheim), weiteren Ab- ist die Beschlussempfehlung angenommen. geordneten und der Fraktion der SPD sowie den Abgeordneten (Köln), Grietje Bettin, Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 d auf: Irmingard Schewe-Gerigk, weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Geset- richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz zes zur Modernisierung des Schuldrechts und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu der Ver- ordnung der Bundesregierung – Drucksache 14/6040 – (Erste Beratung 171. Sitzung) Verordnung zur Änderung abfallrechtlicher (B) (D) Nachweisbestimmungen Beschlussempfehlung und Bericht des Rechts- – Drucksachen 14/6808, 14/6907 Nr. 2.2, 14/7055 – ausschusses (6. Ausschuss) Berichterstattung: – Drucksache 14/7052 – Abgeordnete Rainer Brinkmann (Detmold) Berichterstattung: Georg Girisch Abgeordnete Hermann Bachmaier Michaele Hustedt Hans-Joachim Hacker Birgit Homburger Alfred Hartenbach Eva Bulling-Schröter Dirk Manzewski Der Ausschuss empfiehlt, der Verordnung zuzustim- Norbert Geis men. Ich bitte diejenigen, die ihr zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Diesmal ist auch die Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten FDP dabei. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Volker Beck (Köln) Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 e auf: Dr. Evelyn Kenzler Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- richts des Ausschusses für Angelegenheiten der regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- neuen Länder (17. Ausschuss) zes zur Modernisierung des Schuldrechts – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr.-Ing. Paul – Drucksache 14/6857 – Krüger, und der Fraktion der CDU/CSU (zurückgezogen) (Erste Beratung 190. Sitzung) Ansiedlung einer Produktionsstätte für den Beschlussempfehlung und Bericht des Rechts- Airbus A 3XX in Mecklenburg-Vorpom- ausschusses (6. Ausschuss) mern – Drucksache 14/7100 – – zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Berichterstattung: Kutzmutz, Dr. , Dr. Dietmar Abgeordnete Hermann Bachmaier Bartsch, Dr. und der Fraktion der Hans-Joachim Hacker PDS Alfred Hartenbach Ansiedlung einerAirbus-Fertigungsstätte in Dirk Manzewski Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001 18745

Vizepräsidentin Anke Fuchs (A) Norbert Geis (Beifall bei der SPD) (C) Bernd Wilz Unbestreitbar bleibt aber, dass das Bürgerliche Gesetz- Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten buch als Gesamtkodifikation des Zivilrechtes von großer Volker Beck (Köln) dogmatischer Präzision und Konsequenz geprägt ist. Jörg van Christina Schenk (Norbert Geis [CDU/CSU]: Eine rechtsphilo- sophische Vorlesung ist das!) Es liegt je ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der PDS vor. – Ich komme schon noch dazu; das gefällt Ihnen wohl Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die nicht so ganz. – Dadurch haben zentrale Rechtsinstitute Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre unserer Wirtschaftsordnung, wie zum Beispiel das Eigen- keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. tum, klare Konturen erhalten. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Schon bald wurde jedoch erkannt, dass insbesondere in Hermann Bachmaier für die SPD-Fraktion das Wort. zwei Bereichen des Bürgerlichen Gesetzbuches grundle- gender Reformbedarf besteht. Das galt zum einen für das Familienrecht und zum anderen für das Schuldrecht. Es ist Hermann Bachmaier (SPD): Frau Präsidentin! sicherlich kein Zufall, dass es immer sozialdemokratisch Meine Damen und Herren! Wir diskutieren, wie wir das geführte Regierungen waren, die den Reformbedarf nicht auch gerade wieder gesehen haben, und verabschieden im nur sahen, sondern die notwendigen Reformen auch um- Bundestag häufig Gesetze, mit denen die Mehrzahl der setzten. Menschen in ihrem Alltag nicht allzu viel zu tun hat. Bei der heute zu verabschiedenden Modernisierung des (Beifall bei der SPD) Schuldrechts handelt es sich aber um ein Gesetz, mit des- Die überfällige Reform des Ehe- und Familienrechts sen Auswirkungen wir praktisch ständig konfrontiert sein wurde in den 70er-Jahren durch die sozialliberale Koali- werden. Ob wir Einkäufe im Kaufhaus tätigen, ob wir ei- tion vollzogen, obwohl Sie zuvor fast 20 Jahre regiert hat- nen Neu- oder Gebrauchtwagen kaufen, ob wir einen ten. Handwerker rufen, in einen Verkehrsunfall verwickelt sind, ein Haus bauen oder eine Eigentumswohnung kau- Nach jahrzehntelangen Vorarbeiten durch Gutachter fen, ein Darlehen aufnehmen oder einen Mietvertrag ab- und Kommissionen verabschieden wir heute ein moder- schließen, immer handelt es sich um Anwendungsfälle nisiertes Schuldrecht. Wir wollen es nicht weiter hinneh- des Schuldrechts. men, dass das Schuldrecht des BGB wegen seiner offen zutage liegenden Defizite einer weiteren Erosion ausge- Als das Bürgerliche Gesetzbuch am 1. Januar 1900 in (B) setzt wird. Schon längst haben Richterrecht und eine Viel- (D) Kraft trat, galt es als großer Wurf. Es hat die Rechtszer- zahl von Nebengesetzen den Kernbereich schuldrechtli- splitterung auf dem Gebiet des Zivilrechts in Deutschland cher Regelungen sukzessive verändert. beendet; es war das zentrale Gesetz zur Regelung der zivilrechtlichen Fragen. Das BGB war ein Spiegelbild der (Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir werden in der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ver- nächsten Zeit noch mehr haben!) hältnisse des heraufziehenden industriellen Zeitalters. Vertragsfreiheit, Gewerbefreiheit, umfassende Eigen- Das Schuldrecht des BGB ist zum Teil einfach lebens- tumsrechte und Testierfreiheit waren die Schlüsselbe- fremd, wenn man zum Beispiel an das Recht der Leis- griffe, auf denen sich die Wirtschaftsordnung des begin- tungsstörungen, also zum Beispiel an die verschiedenen nenden 20. Jahrhunderts aufbaute. Unmöglichkeitsregelungen denkt, die die Examensklau- suren vieler Studenten, aber weniger den Alltag prägen. Zum Teil geistern noch heute typische Vertragsformen der damaligen Zeit durch unser Zivilrecht, wenn man an (Norbert Geis [CDU/CSU]: Da hat er Recht! – die Verjährung der Ansprüche von Lohnkutschern, Ta- Alfred Hartenbach [SPD]: Da nickt sogar Herr gelöhnern und Wundärzten denkt. Leitbild des Zivilrechts Funke) war der selbstbewusste, eigenverantwortliche Bürger, von Darüber hinaus gibt das Gesetz auf viele drängende dem man annahm, dass er seine Interessen im Rechtsle- Fragen überhaupt keine Antwort. ben jederzeit zur Geltung bringen kann. Ein sozial- reformerischer Anspruch war dem BGB fremd. An die oft (V o r s i t z: Vizepräsident Dr. Hermann Otto schwerwiegenden Folgen höchst unterschiedlicher wirt- Solms) schaftlicher Macht hat der damalige Gesetzgeber mit Si- Deshalb mussten die Gerichte beispielsweise für das Ver- cherheit kaum gedacht. Schon deshalb wurde die „soziale schulden beim Vertragsabschluss, für die positive Ver- Kälte“ des Gesetzes, wie es hieß, von Anfang an beklagt. tragsverletzung und auch für den Wegfall und die Verän- Das ursprüngliche Familienrecht des BGB mit seiner derung der Geschäftsgrundlage eigenständig Lösungen patriarchalischen Grundstruktur war erzkonservativ, die entwickeln, die im BGB nicht vorgesehen waren. Behandlung der so genannten unehelichen Kinder diskri- (Rainer Funke [FDP]: Na und?) minierend. hat deshalb zutreffend fest- gestellt, dass das BGB bei seinem In-Kraft-Treten „mehr Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat die notwendi- das Endprodukt des 19. als der Auftakt des 20. Jahrhun- gen und zeitgemäßen Standards gesetzt, die man im BGB derts“ gewesen sei. vergebens sucht. 18746 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001

Hermann Bachmaier (A) Viele Nebengesetze haben inzwischen das Schuld- Bundesjustizministerin – dafür habe ich Verständnis – als (C) recht des BGB in den Schatten gestellt und seiner zentra- die große Reformerin in die Rechtsgeschichte unseres len Bedeutung beraubt. Das gilt vor allem für das Recht Landes eingehen. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, das den Betrof- (Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin: fenen bei der erdrückenden Fülle des Kleingedruckten zu Ich bin schon lange drin! – Alfred Hartenbach mehr Gerechtigkeit verhilft, für das Verbraucherkreditge- [SPD]: Ist sie schon!) setz und für das Gesetz zum Widerruf von Haustürge- schäften. Es ist gut, dass wir das Verbraucherschutzrecht Anders kann man sich die rastlose Suche nach vermeint- jetzt wieder in das BGB integrieren und damit verhindern, lich reformbedürftigen Gesetzen nicht erklären. dass es zu einem Sonderprivatrecht wird. Bewundernswert ist der Elan der Bundesjustizministe- (Beifall bei der SPD) rin deshalb, weil sie wider besseres Wissen und gegen Die unübersichtlich gewordenen und zerklüfteten Ver- noch so vehement und fundiert vorgetragenen fachlichen jährungsregeln lassen inzwischen jedwede innere Logik Rat jeden noch so falsch eingeschlagenen Weg konse- vermissen und sind zu Fallgruben für die Betroffenen ge- quent und munter zu Ende geht. worden. Nur noch Spezialisten finden sich in diesem La- (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei byrinth zurecht. Da Richter hier nicht korrigierend ein- der SPD) greifen können, ist der Gesetzgeber gefordert. Ermöglicht wird ihr die Tabula rasa des Rechtssystems Das heute zu verabschiedende Gesetz zur Modernisie- einzig durch die Stimmenmehrheit der Regierungskoali- rung des Schuldrechts ist deshalb zwingend geboten. Wir tion. schaffen damit transparente und gerechtere Regelungen für den zivilrechtlichen Alltag. Unbestreitbar ist, dass das Nach diversen Reformen und Reförmchen wird vor al- vorliegende Gesetz grundlegende Defizite des geltenden lem bei der so genannten großen Reform des Schuldrechts Schuldrechts beseitigt und das BGB wieder zum zentra- klar: Sie ist in dieser Form unnötig. Im Laufe des Gesetz- len Ort der Regelung der Rechtsgeschäfte des täglichen gebungsverfahrens wurden circa 200 Änderungen in dem Lebens macht. Es ist lange genug und hoch qualifiziert Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuld- über diese Reform diskutiert und gestritten worden. Jetzt rechts – sprich: der Schuldrechtsreform – durchgesetzt. gilt es, das umzusetzen, was sich jeweils als eine ver- (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das muss man sich nünftige Lösung herauskristallisiert hat. einmal auf der Zunge zergehen lassen!) Über mangelnden Dialog kann sich niemand beklagen. Diese Änderungen basieren im Wesentlichen auf Anträ- (B) Wohl deshalb findet dieses Gesetz auch eine so weitge- gen der unionsregierten Länder. (D) hende Zustimmung in den gesellschaftlichen Gruppierun- gen und Organisationen, denen die schon lange erkannten (Norbert Geis [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Defizite des Zivilrechts vertraut sind. Hierdurch wurde der Gesetzentwurf im Vergleich zur Ur- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) sprungsversion zwar verbessert, aber bereits die Notwen- digkeit einer solchen Masse an Veränderungen, die durch Die Schuldrechtsmodernisierung ist ein Vorhaben, das die Regierung und die Regierungskoalition auch bereit- 1978 von dem damaligen Bundesjustizminister Hans- willig akzeptiert wurden, zeigt, welch mangelnde Qualität Jochen Vogel begonnen und von seinen Nachfolgern, der Gesetzentwurf ursprünglich aufwies. Hans Engelhard und , fortgeführt und weiter vorangebracht wurde. Es ist dankenswert, dass unsere (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist der Punkt!) Bundesjustizministerin diese Arbeiten jetzt zu einem ge- Hier auf dem Rednerpult liegt das Ergebnis der Bera- lungenen Abschluss gebracht hat. tungen. Eine Zusammenfassung von 369 Seiten mit über (Beifall bei der SPD – Norbert Geis [CDU/ 200 Änderungsanträgen macht deutlich, dass der Aus- CSU]: Mithilfe des Herrn Bachmaier!) gangsentwurf eben nicht ausgereift war. Das lässt be- fürchten, dass selbst diese, jetzt zu entscheidende Fassung – Hundert Jahre nach In-Kraft-Treten des BGB war es darauf werde ich näher eingehen – für die Rechtspraxis auf höchste Zeit, das Schuldrecht einer gründlichen Renovie- Dauer nicht zu gebrauchen sein wird. rung zu unterziehen und es für das 21. Jahrhundert fit zu machen. Die Folge dieser mangelnden Qualität wird sein, dass es eine Anzahl von unerkannten Fehlern geben wird, die Herzlichen Dank. erst in den nächsten Jahren bemerkt werden dürften. Ein (Beifall bei der SPD) solch umfangreicher, übers Knie gebrochener Gesetzent- wurf Vizepräsident Dr. : Als (Joachim Stünker [SPD]: So ein Quatsch!) nächster Redner hat das Wort der Kollege Ronald Pofalla birgt nun einmal viele Unwägbarkeiten, die offenbar von von der CDU/CSU-Fraktion. der Frau Ministerin und den Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition billigend in Kauf genommen Ronald Pofalla (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine werden. Aber die besonders betroffenen Rechtsanwen- sehr verehrten Damen und Herren! Offensichtlich will die der – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001 18747

Ronald Pofalla (A) (Dirk Manzewski [SPD]: Sind alle dafür!) Zweitens. Die vollständige Reform des deutschen (C) Schuldrechts ist auch deswegen sinnlos, weil es mit aller- vom Kaufmann über den Rechtsanwalt bis hin zum größter Wahrscheinlichkeit bald von einem allgemein Richter – werden nicht vergessen, wer ihnen diese Re- gültigen europäischen Schuldrecht abgelöst wird. Über- form – ich bin geneigt, es so zu nennen – eingebrockt hat. legungen zu einem europäischen Schuldrecht sind in der Wäre der Gesetzentwurf zur Modernisierung des EU-Kommission bereits angelaufen. Im Rahmen der Eu- Schuldrechts ein Auto, das neu auf den Markt käme, so ropäisierung des Schuldrechts wird eine umfassende Ko- drohte Ihnen, meine Damen und Herren von der Regie- difizierung und Vereinheitlichung des Schuldrechts der rungskoalition, die Produkthaftung; denn Sie hätten zu Mitgliedstaaten angestrebt. Die von der jetzt beabsichtig- verantworten, dass die Serientauglichkeit nicht überprüft ten Reform betroffenen Rechtsanwender in Deutschland worden ist und das Produkt daher mit mangelnder Qua- werden also in einem überschaubaren Zeitraum gleich lität auf den Markt kommt. Unter diesen Umständen be- zweimal mit erheblichen Umstellungen eines wichtigen dauert man fast, dass es eine Produkthaftung für Geset- Bereichs des Zivilrechts konfrontiert. Genau das ist unzu- zesvorhaben wie dieses nicht gibt. mutbar. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber die Wähler werden Sie für diese unnötigen und für Damit wird in unverantwortlicher Weise Rechtsunsicher- andere mangelhafte Reformen schon zur Rechenschaft heit in Kauf genommen. ziehen. Drittens. Bereits bei der jetzigen Umstellung wird auf- Die so genannte große Reform des Schuldrechts weist grund der geplanten gravierenden Änderungen und der einige gravierende Fehler auf. Ich werde einige davon be- knapp bemessenen Übergangszeit mit erheblicher Rechts- nennen. unsicherheit zu rechnen sein, bis sich die Justiz und die Rechtsanwälte auf das neue Recht eingestellt haben und Erstens. Nur durch erheblichen Weiterbildungsauf- Grundsatzurteile in strittigen Fragen gefällt worden sind. wand werden sich Justiz und Anwaltschaft wie auch die Erst dann werden auch die aufgrund der kurzen Vorberei- anderen Rechtsanwender mit den anstehenden Neurege- tungszeit mit Sicherheit vorhandenen rechtstechnischen lungen vertraut machen können. Abgesehen davon, dass Mängel des Entwurfes zutage treten. Bereits das wesent- Anwaltschaft und die meisten anderen Rechtsanwender lich sorgfältiger vorbereitete zurzeit geltende Schuldrecht bereits ab dem 1. Januar kommenden Jahres alle neuen wies Fehler auf, die in mühevoller Arbeit durch jahrzehn- Verträge nach neuem Recht erstellen müssen und somit telange richterliche Rechtsfortbildung behoben wurden. die Zeit zur Vorbereitung viel zu kurz bemessen ist, wer- Ich denke, dass Sie den Gerichten mit der Umsetzung die- den auch erhebliche Kosten entstehen. (B) ses Entwurfes erneut viel Arbeit und den Parteien eines (D) (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der Zivilrechtsstreits viel Frustration bereiten werden. SPD) (Zuruf von der CDU/CSU: Wohl wahr!) – Ich habe gelernt: Wer keine Argumente hat, wird laut. Viertens. An dieser Stelle möchte ich auf den Faktor Ich entnehme Ihrer Lautstärke, dass Sie dem inhaltlich Zeit – in diesem Punkt verstehe ich Sie, Herr Kollege – das ist für mich nicht überraschend – nichts entgegen- Bachmaier, überhaupt nicht – im Zusammenhang mit die- zusetzen haben. sem Gesetzentwurf etwas genauer eingehen. Für eine (Lachen bei der SPD) wissenschaftliche Durchdringung des zur Diskussion ste- henden Gesetzentwurfes hat die Zeit nicht ausgereicht. Die Rechtsanwender werden Weiterbildungskurse, Li- teratur und Ähnliches benötigen, um die umfangreichen (Beifall bei der CDU/CSU) Gesetzesänderungen in der vorhandenen Zeit verinnerli- Die alten Vorschläge der Schuldrechtskommission, deren chen zu können. Die hierbei zu erwartenden Kosten für Arbeit überhaupt nicht abgewertet werden soll, sind kein die Praxis werden erheblich unterschätzt. Beleg für eine gründliche und sorgfältige Vorbereitung Ganz im Gegensatz zur Einschätzung der Frau Ministe- der Reform. Das umso weniger, als vom ursprünglichen rin, die in dem Gesetzentwurf für die öffentlichen Haus- Entwurf nach den bereits erwähnten circa 200 Änderun- halte keinerlei Kosten veranschlagt, werden auch auf die gen nicht mehr viel übrig ist. Die wissenschaftlichen Vor- öffentliche Hand nicht unerhebliche Kosten zukommen, arbeiten der Schuldrechtskommission waren im Hinblick wenn ganze Schuldrechtsbibliotheken in der Nacht vom auf den vorliegenden Entwurf nur in ganz engen Grenzen 31. Dezember 2001 zum 1. Januar 2002 Makulatur werden. verwendbar. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Müll!) In einem sagenhaften Tempo wurde der Gesetzentwurf zudem an allen Gremien des Bundestages und den Be- Zahllose Kommentare, Lehrbücher und Gesetzestexte troffenen vorbei durch das Gesetzgebungsverfahren ge- müssen in den vorhandenen Bibliotheksbeständen, in de- hetzt. Die mangelnde Einbeziehung des Deutschen Bun- nen sonst nur in unregelmäßigen Abständen eine Aktuali- destages ist eine Entwicklung, die mir am allermeisten sierung notwendig ist, ersetzt werden. Sorge bereitet und über die wir uns an anderer Stelle (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gesondert unterhalten sollten. Angesichts des Umfangs NEN]: Das spricht gegen jede Gesetzesände- der Reform habe ich einen solchen Zeitdruck in den letz- rung!) ten mehr als zehn Jahren in diesem Haus noch nicht erlebt. 18748 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001

Ronald Pofalla (A) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Alfred Hartenbach [SPD]: Das gehört doch (C) nicht hierher!) Eine solche Eile wird dem hohen Anspruch einer um- fassenden Reform des Schuldrechts nicht gerecht. Die dass diese Auffassung nicht dem geltenden Recht ent- Diskussion wurde am Parlament vorbei geführt. Ich be- spricht, weil eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist. tone: Die in der Verfassung und in der Geschäftsordnung (Alfred Hartenbach [SPD]: Die brauchen wir vorgesehenen Beteiligungen sind formal – in diesem hier doch nicht!) Punkt gibt es keinen Streit – alle eingehalten worden. Aber eine wirkliche Beteiligung des Parlamentes hat es Darüber ist nun Konsens erzielt worden. Ich habe mir von nicht gegeben. Ihnen, Herr Bachmaier, gewünscht – ich kann mich an die Kampfreden, die Sie acht Jahre lang gehalten haben, be- (Rainer Funke [FDP]: Sie war auch nicht ge- vor Ihre Partei die Regierung übernommen hat, noch sehr wollt! – Gegenruf des Abg. Alfred Hartenbach gut erinnern –, dass Sie wenigstens einmal kritisch ange- [SPD]: Herr Funke, mäßigen Sie sich!) merkt hätten, dass die Bundesregierung in Zukunft nicht Bei einer so grundlegenden Reform des Zivilrechtes soll- mehr so mit den Abgeordneten des Deutschen Bundesta- ten Sie als Abgeordnete der Koalitionsfraktionen darüber ges verfahren darf. nachdenken, ob Sie sich von Ihrer Regierung das bieten (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) lassen, was wir uns angesichts dieser Zeitknappheit haben bieten lassen müssen. Ich verstehe ja, dass sich die Bereitschaft, kritische An- merkungen zu machen, mit Blick auf mögliche Beförde- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) rungen, die hin und wieder anstehen, reduziert. Es kann nicht richtig sein, dass die Diskussion über die (Hermann Bachmaier [SPD]: Soll ich Oberab- fachlichen Aspekte quasi ausschließlich auf der Ebene der geordneter werden?) Fachbeamten und der Ländervertreter geführt wurde. Ich betone noch einmal: Die Länder, insbesondere der CSU- Auch die Justizministerin hätte sich, als sie noch Spre- regierte Freistaat Bayern, haben sehr gute Vorschläge ge- cherin der SPD-Arbeitsgruppe im Rechtsausschuss war, macht, die auch übernommen worden sind. niemals bieten lassen, dass eine Bundesregierung eine solche Reform am Bundestag vorbei durchzieht. Sie hätte (Norbert Geis [CDU/CSU]: 120!) Recht gehabt. Aber es war doch eine Diskussion der Beamten und keine (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) der Parlamentarier. Fünftens. Die so genannte große Reform löst zudem (B) Als Sie noch in der Opposition waren, haben Sie – Sie, längst nicht alle im Laufe der Rechtsanwendung aufge- (D) Herr Manzewski, waren damals in der Tat noch nicht Mit- laufenen Probleme. Vereinfachungen wurden keineswegs glied des Bundestages; ich meine die zahlreich vertrete- in allen Bereichen erreicht. Längst nicht alle privatrecht- nen älteren Kollegen Ihrer Fraktion – immer die man- lichen Sondergesetze mit Schuldrechtsbezug wurden gelnde Beteiligung des Parlamentes beklagt. An manchen so integriert, wie Sie es vorgeben. Ausgerechnet das Stellen – das möchte ich im Rückblick zugeben – haben Produkthaftungsgesetz, eines der bedeutendsten Neben- Sie Recht gehabt. Aber eine solch große Reform wie die gesetze, wurden außen vor gelassen. Es kann also summa jetzige faktisch an den Parlamentariern des Deutschen summarum von einer Beseitigung des Wildwuchses der Bundestages vorbei durchzuführen kann nicht im Inte- Sondergesetze überhaupt keine Rede sein. Auch für den resse dieses Hauses und kann schon gar nicht im Interesse einfachen Rechtsanwender wird das Gesetz nicht ver- der Bürgerinnen und Bürger sein, deren Repräsentanten ständlicher. Die Bildung abstrakter Begriffe und die schon wir im Deutschen Bundestag sind. Damit ist die Diskus- legendäre Verweisungstechnik des bisherigen Schuld- sion über die Modernisierung des Schuldrechts auch am rechtes werden noch exzessiver genutzt und gleichsam deutschen Volk vorbei geführt worden. auf die Spitze getrieben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Weiterhin sind auch noch grobe Wertungswider- Hermann Bachmaier [SPD]: So einen breit an- sprüche im Gesetz enthalten, die auch im Gesetzgebungs- gelegten Diskussionsprozess haben Sie nie verfahren nicht beseitigt werden konnten. Auf die Be- gemacht!) seitigung dieser offensichtlichen Ungereimtheiten zielten – Herr Bachmaier, ich sage Ihnen ehrlich: Ich hätte von einige Änderungsanträge der CDU/CSU-Bundestagsfrak- Ihnen an dieser Stelle etwas mehr Kritikfreudigkeit er- tion ab; doch stießen diese Änderungsvorschläge unver- ständlicherweise auf den Widerstand der Regierungsko- wartet. alition. Um Ihnen einmal vor Augen zu führen, warum (Norbert Geis [CDU/CSU]: Die hat er unter diese Änderungsanträge von der CDU/CSU-Bundestags- vier Augen auch gezeigt!) fraktion auch ins Plenum eingebracht worden sind, möchte ich Ihnen zwei offensichtliche Wertungswider- Ihre Regierung vertrat im Zusammenhang mit einem be- sprüche aufzeigen. stimmten Ratifizierungsverfahren die Auffassung, dass es nur der einfachen Mehrheit im Deutschen Bundestag be- Erstens geht es um die viel zu kurze Frist in dem ge- dürfe. Ich muss Ihnen sagen: Ich habe Hochachtung vor planten § 196 BGB. Bereits der Bundesrat hat empfohlen, Herrn Professor Meyer, Ihrem Kollegen, der den Mitglie- die Verjährungsfrist bei Ansprüchen auf Eigentums- dern Ihrer Regierung deutlich gemacht hat, übertragung und auf die Übertragung von Rechten an Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001 18749

Ronald Pofalla (A) Grundstücken auf 30 Jahre zu erhöhen. Aufgrund der Bei jedem Gesetzentwurf, ob es zur Lebenspartnerschaft (C) bestehenden Praxis und der Unzahl von weiterhin beste- war, ob es zur Zivilprozessordnung war oder jetzt bei der henden derartigen Grundschulden – um solche geht es Schuldrechtsreform ja – ist der Standpunkt der Bundesregierung unverständ- (Alfred Hartenbach [SPD]: Mietrechtsreform lich. Krasser Missbrauch könnte im Einzelfall die Folge nicht vergessen!) sein, wenn Sie hier nur eine kurze Verjährungsfrist vorse- hen. Das wird zulasten vor allem von Eigentümerinnen – Mietrechtsreform, ja; wenn wir eine Weile nachdenken, und Eigentümern von Häusern und Grundstücken gehen, fallen uns noch zehn andere ein –, erzählen Sie uns, es sei die entsprechende Eintragungen im Grundbuch vorge- alles zu schnell gegangen, Sie kämen nicht mehr hinter- nommen haben und diese, selbst wenn Tilgungen vorge- her, Sie kämen nicht mit. In der Tat, die Koalition hat sich nommen worden sind, im Grundbuch stehen lassen, weil einiges vorgenommen. Wenn Sie das aber bei jeder Re- sie Eintragungskosten sparen wollen. Wenn die Banken form vortragen, dann muss das Publikum langsam nach- denklich werden und sich fragen, ob das denn sein kann dann die Verjährungseinrede erheben, werden diese Ei- und wie wir bloß diese Geschwindigkeit aushalten. gentümerinnen und Eigentümer von Grundstücken und Häusern letztlich vor den Gerichten unter Verweis auf Auch ein anderes Argument, das Sie vorgetragen ha- diese kurze Verjährungsfrist abgewiesen werden. Sie rich- ben, lässt sich eigentlich schlecht gegen diese Reform an- ten damit großen Schaden an. führen, nämlich dass durch die Gesetzesänderung neue Gesetzessammlungen und neue Kommentarliteratur fällig Zweitens. Eine weitere von vielen Unverständlichkei- werden. Wenn man diesem Argument folgt, dann heißt ten ist der Wertungswiderspruch des § 199 Abs. 2 BGB in das natürlich letztlich: Wir machen nichts mehr. Dann der Entwurfsfassung. Hier wird völlig zu Unrecht mit können die Bibliotheken ihre Anschaffungsetats reduzie- zweierlei Maß gemessen. Zum einen unterliegen An- ren. Aber das kann ja wohl nicht ernsthaft gewollt sein. sprüche selbst aus geringfügigster Körperverletzung, auch im Falle leichtester Fahrlässigkeit, der 30-jährigen Nach rund 20 Jahren Diskussion in Wissenschaft und Verjährungsfrist des § 199 Abs. 2 BGB in der Entwurfs- Praxis über die Modernisierung des Schuldrechts hat Rot- fassung. Gleiches gilt im Fall der Gefährdungshaftung Grün jetzt gehandelt. Diese Reform ist die lang erwartete ohne jedes Verschulden des Schädigers. Zum anderen ver- umfassende Generalinventur des Bürgerlichen Gesetzbu- ches. jähren Schadensersatzansprüche wegen einer vorsätzli- chen sittenwidrigen Schädigung oder wegen der vorsätzli- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN chen Begehung einer Straftat nach § 823 Abs. 2 spätestens und bei der SPD) nach zehn Jahren. Das heißt: Fahrlässigkeitstaten, zum (B) Wir bringen unser angestaubtes BGB auf Vordermann. (D) Beispiel eine kleine Verletzung durch eine Ohrfeige, ver- Wir werden mit diesem modernen Zivilrecht auf interna- jähren nach 30 Jahren. Wenn aber jemand absichtlich je- tionaler Ebene wieder ernst genommen. Im Hinblick auf manden wirtschaftlich ruiniert, gilt eine kürzere Ver- ein europäisches Zivilgesetzbuch wird unser neues BGB jährungsfrist. Vorbildfunktion haben. Diese Wertungswidersprüche sind in dem Gesetzent- (Alfred Hartenbach [SPD]: Genau!) wurf enthalten. Deshalb – das will ich noch einmal deut- lich machen, da meine Redezeit gleich endet – lehnen wir Herr Kollege Pofalla, obwohl sich Ihre Fraktion in den diesen Gesetzestext so, wie er in der Ausschussfassung Ausschüssen – zumindest in den Berichterstatterge- heute zur Entscheidung ansteht, ab. Sie geben vor, eine sprächen – der Mitarbeit an diesem Jahrhundertwerk weit- gehend verweigert hat, hat der Kollege Geis in der Debatte Reform vorzunehmen. Es ist aber keine Reform. Sie wer- über den Justizhaushalt treffende Worte gefunden. Er den Rechtsanwender verunsichern, haben neue Wertungs- sagte, das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz sei – ich zi- widersprüche eingeführt und einen Teil der alten Pro- tiere – „zweifellos das bedeutendste zivilrechtliche Vorha- bleme nicht gelöst. Sie tragen die Verantwortung dafür. ben dieser Legislaturperiode“. Wir lehnen diesen Gesetzentwurf deshalb aus innerer Überzeugung ab. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ausnahmsweise haben Sie Recht, Herr Geis. Ich teile diese Einschätzung. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Volker Beck Umso bedauerlicher ist es, dass die Fraktion der Union vom Bündnis 90/Die Grünen. dieses bedeutende Vorhaben wegen einiger im Detail ab- weichender Vorstellungen nicht mittragen will.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Alfred Hartenbach [SPD]: Die FDP auch!) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Manchmal übertreiben Sie es mit Ihrer Oppositionsrolle Kollege Pofalla, manche Argumente nutzen sich durch einfach ein bisschen. In der Rechtspolitik verpassen Sie ständige Wiederholung ab. mit dieser Blockadehaltung den Modernisierungszug. (Joachim Stünker [SPD]: Hat er welche ge- Dasselbe gilt für die FDP. Obwohl Sie, Herr Kollege habt?) Funke, in den Berichterstattergesprächen, an denen Sie 18750 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001

Volker Beck (Köln) (A) immerhin teilgenommen und zu denen Sie einiges beige- sowie bei Abgeordneten der SPD) (C) tragen haben, Zustimmung signalisiert haben, wollen Sie Das freut die Verbraucherpartei Bündnis 90/Die Grünen. diese Reform nun offensichtlich nicht mehr unterstützen. Die Verbraucher werden ab Januar 2002 von einer ganzen Ich finde es wirklich beschämend, wie Sie sich aufgrund Reihe von Neuregelungen profitieren. Die spürbarste ver- ideologischer Zwänge mit dem Hinweis auf einzelne Vor- schriften – offensichtlich haben Sie Angst, mit einer Zu- braucherfreundliche Regelung ist sicherlich die Auswei- stimmung der Banken- und Wirtschaftslobby auf die Füße tung der Gewährleistungsfrist im Kaufrecht von sechs zu treten – zu einer Ablehnung durchgerungen haben. Monaten auf zwei Jahre. Wir haben darauf geachtet, dass diese Rechtsverbesserung den Verbrauchern an anderer Übrigens tut es mir auch für Ihren Parteifreund Klaus Stelle des Gesetzes nicht wieder genommen wird. Eine Kinkel Leid – er ist anwesend –; schließlich hat der Kol- Pflicht zur Rüge innerhalb der ersten zwei Monate, ähn- lege Kinkel noch im Jahre 1991 den Abschlussbericht der lich wie unter Kaufleuten, bleibt den Verbrauchern er- Schuldrechtskommission mit der Hoffnung versehen, es spart. werde alsbald auch zu einem entsprechenden Gesetzent- wurf kommen. Rot-Grün macht jetzt Kinkels Träume (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ wahr, so wie Rot-Grün bereits bei der ZPO-Reform CSU]: Unter Kaufleuten war das unverzüglich, die Träume Ihres Kollegen Schmidt-Jortzig verwirklicht nicht zwei Monate! Das ist ein Schmarren!) hat; aber das Im-Regen-stehen-Lassen der eigenen Das ist auch richtig so, weil sich viele Mängel naturgemäß Justizministerin und Justizminister hat bei der FDP ja erst nach viel längerer Zeit herausstellen. durchaus eine gewisse Tradition. Auch die Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger kann aus der Vergangenheit Gleichzeitig wird bei Schadenseintritt innerhalb der manches berichten. ersten sechs Monate nach Lieferung eine Beweislast- umkehr zugunsten der Verbraucher eingeführt. Die Resonanz bei den Expertinnen und Experten in der umfassenden Rechtsausschussanhörung war überwälti- (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ gend. Nahezu die gesamte Praxis unterstützt die Schuld- CSU]: Das ist ein Schmarren!) rechtsmodernisierung. Der von uns gewählten so genann- Die Haftung der Verkäufer wird auf Herstellerangaben ten großen Lösung wurde von der großen Mehrheit der und fehlerhafte Montageanleitungen erweitert und der Verbände gegenüber einer Art Salamitaktik, wie sie die Leistungsverzug – das hat meine Fraktion durchgesetzt – Opposition vorgeschlagen hat, der Vorzug gegeben, und tritt bei Verbrauchern nur dann ohne vorangegangene das zu Recht. Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern Mahnung nach 30 Tagen automatisch ein, wenn in der sowie den Rechtsanwendern in diesem Land nicht jedes Rechnung auf diese Rechtslage hingewiesen wurde. (B) Jahr eine neue Rechtslage zumuten. Wenn wir zunächst (D) nur die EU-Richtlinien umgesetzt hätten, dann hätten wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ein unüberschaubares Chaos an geltenden Rechtszustän- Meine Damen und Herren, diese Schuldrechtsmoder- den bekommen. nisierung trägt damit an vielen Stellen eindeutig die grüne Die renommierte Zivilrechtsexpertin Frau Professor Handschrift. Auch in den letzten Zügen des Gesetzge- Dauner-Lieb vom Deutschen Anwaltverein hat im letzten bungsverfahrens haben wir noch diverse Verbesserungen „Anwaltsblatt“ gesagt, der Diskussionsentwurf des BMJ im Detail erreichen können. So haben wir dafür gesorgt, vom August 2000 sei in einer beispiellosen Kraftanstren- dass die Verjährung von Ansprüchen bei Verletzung des gung des BMJ unter Mitwirkung von Wissenschaft und Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung künftig bis zum Praxis überarbeitet, geglättet und auch deutlich verbessert 21. Lebensjahr gehemmt ist. Sie ist im Übrigen auch so worden. Ich will mich diesem Lob an dieser Stelle aus- lange gehemmt, wie Opfer und Täter in einem Haushalt drücklich anschließen. Die Fachebene des Bundesminis- leben. Das ist eine vernünftige Regelung, die den tatsäch- teriums der Justiz hat in der Tat eine ganz bemerkenswerte lichen Umständen in solchen Fällen angemessen Rech- Arbeit geleistet. Mein Respekt gilt den zuständigen Refe- nung trägt. rentinnen und Referenten, die übrigens bis zuletzt auch gegenüber den Vorschlägen meiner Fraktion aufgeschlos- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sen waren. Herzlichen Dank! sowie bei Abgeordneten der SPD) Vielen Dank auch dafür, dass die Referenten des BMJ Bislang waren Schmerzensgeldansprüche ja häufig schon jetzt den verschiedenen Berufsgruppen bei den erforder- verjährt, bevor das Opfer überhaupt anfing, über solche lichen Fortbildungsveranstaltungen mit ihrem Sachver- Ansprüche nachzudenken. stand zur Seite stehen. Vor dem Hintergrund dieser vor- Bei der Neugestaltung der Verjährungsfristen ge- trefflichen und verantwortungsvollen Hilfeleistung durch lingt dem Entwurf die notwendige, weitgehende Verein- das Ministerium bin ich sehr zuversichtlich, dass die heitlichung des derzeitigen Wirrwarrs. Gleichzeitig wird Rechtsanwender im Hinblick auf die neue Rechtslage ab dem Gläubiger auch eine faire Chance eröffnet, seinen Januar 2002 bestens gerüstet sein werden. Anspruch geltend zu machen. Das Gesetz stellt deshalb Die Reform des Schuldrechts ist in erster Linie eine beim Verjährungsbeginn auf die Kenntnis oder die grob Reform für die Verbraucherinnen und für die Verbraucher fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von den an- in unserem Land. spruchsbegründenden Umständen ab. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Rainer Funke [FDP]: Auch grüne Ideologie!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001 18751

Volker Beck (Köln) (A) Meine Damen und Herren, die Schuldrechtsmoderni- Dafür trägt die Bundesjustizministerin Verantwortung; (C) sierung ist nicht nur eine Reform für alle Rechtsanwender, dies zeigt aber auch die Schwäche der die Regierung tra- sondern auch für die Bürgerinnen und Bürger, die in ihrer genden Koalitionsfraktionen. täglichen Arbeit nicht mit Paragraphen zu tun haben. (Alfred Hartenbach [SPD]: Mir kommen die Durch das Gesetz wird das Vertragsrecht wesentlich ver- Tränen!) einfacht. Es wird damit auch für die Bürgerinnen und Bür- ger durchschaubarer. Wir verhelfen dem BGB wieder zu Der Bundestag, der Rechtsausschuss und seine Bericht- dem Stellenwert, den es ursprünglich einmal besitzen erstatter haben auf dieses Gesetzgebungswerk kaum Ein- sollte. Dies tun wir, indem wir zahlreiche Verbraucher fluss nehmen können, auch wenn Herr Beck meint, dass schützende Nebengesetze in das BGB integrieren. Damit er als Grüner besonders Einfluss genommen hätte. wird sich die Rechtslage in Zukunft wieder allein aus dem Aus Sicht des Parlaments handelt es sich um einen völ- BGB ergeben. Richterrecht, das bislang nur Juristen und lig übereilten Gesetzentwurf. Zwar gab es sicherlich viele welche, die es werden wollten, kannten, wird jetzt aus- Beratungen zwischen dem Bundesjustizministerium, den drücklich in das Gesetz integriert. Ländern und auch einem Teil der Wissenschaft, an denen (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Am Ende ver- sich auch die Ministerialbürokratie der Bundesländer stehen es auch noch die Rechtspolitiker!) intensiv beteiligt hat, auf der anderen Seite ist aber das parlamentarische Beratungsverfahren trotz der anerken- Ich nenne als Stichworte: positive Vertragsverletzung, nenswerten Bemühungen, die Opposition in die Bericht- Culpa in contrahendo oder Wegfall der Geschäftsgrund- erstattergespräche einzubeziehen, von Anfang an ohne lage – all diese Rechtsinstitute stehen jetzt endlich im Ge- jegliche Auswirkung auf das Gesetzgebungsverfahren ge- setz. Das schafft nicht nur mehr Rechtssicherheit, auch blieben. der beliebte Hinweis: „Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung!“ wird mit dieser Reform wieder uneinge- (Dr. Klaus Kinkel [FDP]: Das ist sehr schränkt Geltung beanspruchen können. bedauerlich!) Deshalb ist es eine gute und eine bürgerfreundliche Re- Der heute zu beschließende Gesetzentwurf weist form. Ich glaube, Sie bieten hierzu einfach keine Alterna- – ebenso wie die noch geltende Regelung des tive. § 284 Abs. 3 BGB – erhebliche Mängel auf. In rund 150 Fällen sind Mängel – das ist unbestreitbar und aus- (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ drücklich zu erwähnen – aufgrund der Korrekturwünsche CSU]: Ein Wunschtraum!) des Bundesrates abgestellt worden. Dennoch haben wir Wenn wir Ihrem Weg gefolgt wären, hätten wir jetzt in mit Sicherheit in der Kürze der Zeit nicht alle Fehler ent- (B) schöner Regelmäßigkeit neue Rechtszustände in unserem deckt. Vor allem aber wird es neue Fehler gegeben haben. (D) Land. Die FDP hatte sich zu Beginn der Beratungen stets für Zu dem, was Sie zur europäischen Entwicklung gesagt die kleine Lösung ausgesprochen. Eine solche kleine Lö- haben, erwidere ich Ihnen, dass ich glaube, dass diese Re- sung ist aufgrund des Vorgehens der Bundesregierung form richtungsweisend werden wird, wenn sie denn zu- heute nicht mehr möglich. Das Gesetzgebungsverfahren stande kommt. Wir können aber den Verbraucherinnen hätte im Rahmen einer kleinen Lösung, die sich auf die und Verbrauchern in unserem Land nicht zumuten, noch Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie konzen- länger zu warten und sich auf den europäischen Weg zu triert, zu Beginn der Legislaturperiode in Gang gesetzt verlassen, nur weil dort Diskussionen begonnen worden werden müssen. Dieses Gesetz wäre dann hier auch zügig sind. beraten worden. Stattdessen hat man mit einem großen Gesetzentwurf, der erst zur Mitte der Legislaturperiode Vielen Dank, meine Damen und Herren. eingebracht wurde, darauf hingearbeitet, dass letztlich nur (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch mittels einer großen Lösung vorgegangen werden und bei der SPD) konnte. Der Entwurf lässt die europäischen Entwicklungen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort völlig unberücksichtigt. Ich will hier nicht weiter darauf hat jetzt der Kollege Rainer Funke von der FDP-Fraktion. eingehen, weil der Kollege Pofalla hierzu schon alles We- sentliche gesagt hat.

Rainer Funke (FDP): Herr Präsident! Meine Damen Einige Punkte könnte man inhaltlich sicherlich kriti- und Herren! Das so genannte Schuldrechtsmodernisie- sieren. Ich will aber auch positive Aspekte des Gesetzent- rungsgesetz, das heute in zweiter und dritter Lesung be- wurfes hervorheben: Die FDP begrüßt, dass durch den handelt werden soll, wird – da gebe ich Ihnen völlig Gesetzentwurf nunmehr endlich ein weit transparen- Recht – das Bürgerliche Gesetzbuch grundlegend verän- teres Vertragsrecht entsteht. dern. Es hat aber noch nie ein so bedeutsames und um- (Beifall bei der FDP) fangreiches Gesetz gegeben, bei dem der Bundestag als Dies gilt auch für die vereinfachten Bestimmungen im zentrales Gesetzgebungsorgan eine solch untergeordnete Leistungsstörungsrecht, das in der Tat im alten BGB zum Rolle gespielt hat. Schrecken der Studenten und sonstiger Rechtsanwender (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) reichlich kompliziert gewesen ist. Auch die Handhabbar- 18752 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001

Rainer Funke (A) keit des BGB dürfte in vielen Bereichen durch das Gesetz das kollektivrechtliche Arbeitsrecht nicht im BGB, son- (C) verbessert werden. Wir halten es jedoch für einen Irrglau- dern belassen es außerhalb des BGB. Das ist in meinen ben, dass durch die Aufnahme von bisher nicht gesetzlich Augen bezeichnend. kodifizierten Rechtsregeln, wie etwa der positiven Ver- (Beifall bei der FDP) tragsverletzung oder des Grundsatzes culpa in contra- hendo, eine leichtere Handhabbarkeit des Gesetzes für ju- Der Gesetzentwurf wurde, wiewohl die Einflüsse der ristische Laien ermöglicht wird. Koalitionsfraktionen auf den Entwurf sehr marginal wa- Die FDP unterstützt ausdrücklich die Vereinfachung ren, an einigen Stellen in den Beratungen dadurch sogar des in den letzten Jahrzehnten vollkommen unübersicht- noch verschlechtert, dass die Grünen – Herr Beck, hören lich gewordenen Verjährungsrechts. Die Verlängerung Sie ruhig zu, es betrifft Sie; es ist wirklich eine Unver- der Gewährleistungsfrist auf zwei Jahre wird von der schämtheit, dass Sie sich immer dann, wenn Sie ange- Regierungskoalition als großer Erfolg verkauft. Ich weiß sprochen werden, mit anderen unterhalten – nicht, worin der große Erfolg besteht. Es handelt sich um (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- eine 1:1-Umsetzung der europäischen Richtlinie. Die Ver- NEN]: Der Kollege Geis hat mich angespro- braucherfreundlichkeit, die hiermit erreicht werden sollte, chen! Da bin ich so höflich gewesen und habe wird dadurch minimiert, dass Industrie und Handel jetzt ihm zugehört!) dazu übergehen müssen, ihre Preise neu zu kalkulieren, weil sie inzwischen höhere Haftungsrisiken haben. sozusagen als Anwalt der Verbraucherverbände Formu- lierungen in das Gesetz eingebaut haben, die dem System Wir halten die Einarbeitung des AGB-Gesetzes in das des bisherigen BGB vollkommen widersprechen. Bürgerliche Gesetzbuch für unzweckmäßig – das haben wir in den Berichterstattergesprächen immer gesagt –, (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: nachdem das AGB-Gesetz auch durch die Recht- Sie sind ja Soziologen, keine Rechtler!) sprechung ein wirksames Instrument für den Verbrau- Beispielhaft nenne ich hier § 286 Abs. 3 des Entwur- cherschutz geworden ist. Bewährtes sollte man nicht ohne fes, der bei einem Schuldner, der Verbraucher ist, einen Not verändern. Verzugseintritt selbst dann nicht annimmt, wenn dieser Auch auf die Einarbeitung bisheriger Nebengesetze die bestellte Ware bekommen hat – Sie haben es erwähnt – hätte man aus systematischen Gründen verzichten kön- und Unsicherheit über den Zugang der Rechnung besteht. nen. Ich glaube, dass es richtig war, was die damalige Op- Eine solche Regelung hat noch nicht einmal die EU- positionsführerin im Rechtsausschuss, Frau Däubler- Richtlinie zum Verbrauchsgüterkauf gefordert. Gmelin, vertreten hat, dass nämlich die Nebengesetze (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (B) außerhalb des BGB geregelt werden sollten. NEN]: Aber ausdrücklich für möglich gehal- (D) (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Jürgen ten!) Gehb [CDU/CSU] – Dr. Herta Däubler-Gmelin, Es schien aber der Wille der Verbraucherverbände zu sein, Bundesministerin: Das ist doch falsch!) dass ein Schuldner zukünftig bereits durch die schlichte – Das ist kein Quatsch, Frau Ministerin, das halte ich Behauptung, es habe keine Rechnung beigelegen, einen wirklich – – Monat kostenlos und ohne die Möglichkeit des Gläubi- gers, die Forderung beizutreiben, über den Kaufgegen- (Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin: stand verfügen kann. Quatsch ist das nicht!) (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das kann man so – Das hatten Sie aber gesagt. nicht hinnehmen!) (Susanne Kastner [SPD]: Sie hat gesagt: Das Man kann also künftig jedem Verbraucher empfehlen, er ist falsch!) solle sich die Ware liefern lassen und behaupten, er habe – Dann entschuldige ich mich; das habe ich eben falsch keine Rechnung bekommen, weil er dann erst einen Mo- verstanden. nat später zahlen muss. (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Ungeachtet des (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist unmög- Inhaltes darf man von der Regierungsbank ei- lich!) gentlich nichts sagen! – Alfred Hartenbach Wie eine solche Regelung der Behauptung der Bun- [SPD]: Herr Senator in spe, gut aufpassen!) desregierung, sie wolle die so genannte schlechte Zah- – Lieber Herr Hartenbach, Sie wissen doch, wie gerne ich lungsmoral bekämpfen, entgegenkommen kann, ist nicht bei Ihnen bin. nachvollziehbar. Das kann auch nicht in ihrem Interesse sein; (Joachim Stünker [SPD]: Das kann nicht sein!) (Norbert Geis [CDU/CSU]: Herr Beck kennt Ausdrücklich zu kritisieren ist, dass nunmehr nach sein Interesse nicht so genau!) § 310 Abs. 4 BGB das individuelle Arbeitsrecht auch den Kontrollmechanismen der allgemeinen Geschäftsbe- denn der Käufer, der seine Rechnung bekommen hat und dingungen unterliegen wird. Das macht das Verfahren für dann nicht zahlt, indem er behauptet, er habe diese Rech- die Arbeitgeber, insbesondere die mittelständischen Ar- nung noch nicht bekommen, bereichert sich zulasten der- beitgeber, noch schwieriger. Interessanterweise regeln Sie jenigen Käufer, die ordnungsgemäß zahlen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001 18753

Rainer Funke (A) (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Norbert Ich bin mir sicher: Mit diesen Verbesserungen im (C) Geis [CDU/CSU]) Kaufrecht wird sich auch die Qualität der Produkte in den Regalen verbessern. Das kann auch nicht im Sinne der Marktwirtschaft sein. (Beifall bei der SPD) Die Justizministerin mutet mit diesem Gesetz, das in- nerhalb von kürzester Zeit beschlossen und in Kraft treten Die Produktinformation wird besser werden. Dies nützt wird, den beteiligten Berufsgruppen und Wirtschaftskrei- den Verbraucherinnen und Verbrauchern, dies nützt aber sen erhebliche Umsetzungsarbeit zu. Wir beraten dieses genauso den Herstellern, die hochwertige Produkte auf Gesetz dreieinhalb Monate vor seinem In-Kraft-Treten. den Markt bringen. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Es kommt auch (Norbert Geis [CDU/CSU]: Reines Wunsch- noch in den Bundesrat!) denken!) – Es muss auch noch durch den Bundesrat. Ich gehe da- Meine Damen und Herren, für die Verbraucherinnen von aus, dass es dort weitestgehend unverändert bleibt. und Verbraucher sind die Änderungen im Kaufrecht wahr- scheinlich die Änderungen, mit denen sie in ihrem tägli- Die Wirtschaft muss sich aber noch auf dieses Gesetz chen Leben am häufigsten zu tun haben. Die Änderungen einstellen. Die AGB-Bestimmungen müssen verändert bei den Regelungen zu Darlehensverträgen schützen sie werden. Die Wirtschaft muss sich zugleich auf viele an- bei ihrer wahrscheinlich größten Ausgabe. Als Reaktion dere Dinge einrichten, etwa die Änderung der ZPO und auf die Probleme von Verbraucherinnen und Verbrauchern der Insolvenzordnung, sowie die Formulare und das ge- bei fehlgeschlagenen Immobilienkäufen wurden von der samte Softwareprogramm für den Kaufvertrag verändern. Rechtsprechung entwickelte Sonderkündigungsmöglich- Dies ist schlicht unzumutbar und zeigt, dass diese Bun- keiten aufgegriffen. Auch die Formvorschriften zum Ver- desregierung kein Interesse am Gedeihen der Wirtschaft braucherdarlehensvertrag und zu den Vollmachten zum hat. Darlehensvertrag helfen, die Informationsvorschriften zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher durch- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. zusetzen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Die Modernisierung des Schuldrechts bringt weitere Verbesserungen für den Verbraucher mit sich: Die Rege- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als lungen über Widerrufsrechte bei den verschiedenen Ver- nächste Rednerin hat die Kollegin Jella Teuchner von der braucherverträgen werden vereinheitlicht. Die Verbrau- SPD-Fraktion das Wort. cherzentralen können sich die Ansprüche gegen ein (B) Unternehmen abtreten lassen und dann gerichtlich durch- (D) setzen. Damit sinkt das Prozesskostenrisiko für die Ver- Jella Teuchner (SPD): Herr Präsident! Meine lieben braucherinnen und Verbraucher. Zudem werden die Kolleginnen und Kollegen! Wir schließen heute die Bera- Verbandsklagemöglichkeiten des ABG-Gesetzes verein- tungen über die Modernisierung des Schuldrechtes ab. heitlicht. Damit stärken wir gleichzeitig den Verbraucherinnen und Verbrauchern den Rücken. Aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher – die Stellungnahmen der Verbraucherverbände unterstützen (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist eine Fest- dies – verbessert sich mit dem Projekt, über das wir heute stellung!) abstimmen werden, deren Stellung gegenüber den Anbie- Wir stärken wesentliche Verbraucherrechte, wir verein- tern. Wir geben ihnen die Möglichkeit, ihren Anspruch auf mangelfreie Waren, ihren Anspruch auf wahrheitsge- heitlichen und vereinfachen das Schuldrecht und wir wer- treue Informationen und ihre wirtschaftlichen Interessen ten die Verbrauchergesetze durch ihre Integration in das besser durchsetzen zu können, ohne die Anbieter über Ge- BGB auf. bühr zu belasten. Darüber freue ich mich und darin sehe Verbraucherinnen und Verbraucher stehen oft vor dem ich einen Teil der Modernisierung des Schuldrechts, die Problem, dass sie die Eigenschaften und die Qualität von längst notwendig war. Produkten nicht oder nur mit sehr hohem Aufwand fest- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ stellen können. Sie sind oft auf die Auskünfte von Handel DIE GRÜNEN) und Hersteller angewiesen. Auch Mängel sind oft nicht sofort sichtbar. Hier werden wir die Rechte der Verbrau- cherinnen und Verbraucher stärken: Erstmals wird jetzt im Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als BGB geregelt, dass der Verkäufer mangelfreie Produkte nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Dr. Evelyn übereignen muss; der Käufer bekommt einen Anspruch Kenzler von der PDS-Fraktion. auf Nacherfüllung. Die Beweislast wird beim Auftreten von Mängeln in den ersten sechs Monaten nach Lieferung Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Herr Präsident! Liebe zugunsten der Käufer umgekehrt. Insgesamt wird die Ver- Kolleginnen und Kollegen! Am 1. Januar des Jahres 1900 jährungsfrist bei mangelhaften Produkten zugunsten des trat das Bürgerliche Gesetzbuch in Kraft – ein denkwür- Käufers auf zwei Jahre ausgedehnt. Es wird eine Haftung diges Datum für ein außergewöhnliches Gesetz, das im für Herstellerangaben und Werbeaussagen über be- Laufe von über 100 Jahren mehrere geschichtliche Um- stimmte Eigenschaften der Ware eingeführt. brüche und zwei Weltkriege überlebt hat. Es hat sich aber, 18754 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001

Dr. Evelyn Kenzler (A) wie wir alle wissen, in bestimmten Teilen im Laufe der seiner Haftung für die versprochenen Eigenschaften, und (C) Jahrzehnte schlichtweg überlebt. Nicht umsonst wurde die Integration der verstreuten Verbraucherschutzgesetze vor wenigen Jahren das Kindschaftsrecht reformiert. Es in das Schuldrecht zu werten. Auch konnten seit der ers- ist deshalb endlich an der Zeit, dass auch die Einzelge- ten Lesung einige Verbesserungen gegenüber dem Ur- setze und richterlichen Rechtsfortbildungsakte, die das sprungsentwurf erreicht werden, zum Beispiel hinsicht- Schuldrecht weiterentwickelt haben und damit letztlich lich des Beginns der Verjährungsfrist in § 199 BGB oder das BGB am Leben halten, integriert werden. Dass uns auch der Verlängerung der Verjährung für Mängel- nach jahrzehntelangen Bemühungen um eine Reform ansprüche bei Bauwerken nach § 438 BGB. nunmehr europäische Richtlinien auf die Sprünge helfen, mag man bemängeln. Wichtig ist jedoch letztlich das Er- Problematisch dagegen erscheint mir weiterhin die gebnis und nicht der Anlass. Reduzierung der regelmäßigen Verjährungsfrist auf drei Jahre. Diese Frist ist extrem knapp und wird wohl Positiv werte ich allerdings, dass von der Bundesregie- nicht selten zum Verlust berechtigter Ansprüche führen. rung nicht die kleine, sondern die so genannte große Lö- Schließlich wird die Chance versäumt, auch völlig über- sung gewählt wurde. Leider sind die großen Lösungen holte Vorschriften anderer Titel des BGB der europä- trotz Vorarbeiten offenbar selten auch als schnelle Lösun- ischen Rechtslage anzupassen. So ist die Stellung einer gen zu realisieren. Es ist ein Problem, dass der Gesetzent- Bürgschaft gemäß § 232 Abs. 2 BGB weiterhin als Aus- wurf in der endgültigen Fassung sehr spät gekommen ist. nahmefall geregelt und § 239 BGB verlangt noch immer Das dürfte für die Rechtspraxis, die sich erfahrungs- einen inländischen Sitz. gemäß schon aus Zeitgründen erst mit dem Endresultat des Gesetzgebers vertraut macht, Schwierigkeiten mit Angesichts der Komplexität des Reformprojektes ist es sich bringen. Beim In-Kraft-Treten des BGB waren die sehr schwierig, einzelne Änderungsvorschläge zu ma- ersten Kommentare schon ein Jahr vorher auf dem Markt. chen, da sie zumeist die gesamte Systematik berühren. Auf der Frankfurter Buchmesse dürfte man heute vergeb- Wir haben daher einen Änderungsantrag verfasst, der lich nach einem Kommentar oder Lehrbuch suchen. einige Teilaspekte erfasst und sich weiterhin um die so ge- nannten Häuslebauer kümmert; denn die Verbrauchs- (Hermann Bachmaier [SPD]: Zuerst müssen güterkaufrichtlinie ordnet eine Reihe von Verträgen, für wir dies verabschieden!) die bisher Werkvertragsrecht Anwendung fand, nun- Zutreffend hat die Ministerin bei der Beschlussfassung mehr dem Kaufrecht zu. Das verbleibende Werkvertrags- im Bundeskabinett seinerzeit festgestellt, dass mit dem recht findet auf die Reparatur- und Wartungsverträge, auf vorliegendem Gesetzentwurf sichergestellt werden soll die Transportverträge, auf das geistige Werk sowie auf – ich zitiere –, „dass das Schuldrecht im BGB auch den Bauvertrag Anwendung. Das übrig gebliebene Werk- (B) zukünftig eines der wichtigsten Gesetze im Alltag der vertragsrecht des BGB bietet jedoch keine verlässliche (D) Bürgerinnen und Bürger bleibt“. Daran dürfte kein Zwei- Grundlage für die Regelung der Rechtsverhältnisse am fel bestehen. Doch es sollte auch ausgesprochen bür- Bau. Der überragenden Bedeutung des Bauens für die gerfreundlich – nicht nur im Sinne von „besser verständ- Wirtschaft und für den Verbraucher wird nicht genügend lich“ – und vor allem sozialer werden. Rechnung getragen. Wer die Entstehungsgeschichte des BGB einigermaßen Ich weiß, dass die Bundesregierung, so die Wähler es kennt, der wird sich an die alte Forderung seiner Kritiker, wollen, in der nächsten Legislaturperiode rechtliche Re- zum Beispiel von Anton Menger, erinnern – ich zitiere –: gelungen im Bereich des Baurechts plant. Nichtsdes- totrotz halte ich bereits jetzt die von uns vorgeschla- Unser Privatrecht muss ein Tropfen socialistischen genen Ergänzungen wie den Schutz vor möglicher Ver- Öles durchsickern! kürzung der Verjährung im Teil B der Verdingungsord- Nun trieft der vorliegende Gesetzentwurf keineswegs vor nung für Bauleistungen, die Einfügung eines Rechts auf sozialistischen Rechtsvorstellungen – keine Angst –, doch Sicherheitsleistung für den Verbraucher, die Verpflich- er wird ohne Zweifel ein sozialeres Schuldrecht bringen, tung zur genauen Beschreibung der Bauleistung durch ohne gleich eine Rechtsrevolution für den Verbraucher den Erbringer, die Aufnahme eines Rechts auf Kündi- auszulösen. Nebenbei bemerkt: Der Verbraucher be- gung des Vertrages, wenn einer Vertragspartei ein Fest- kommt nichts geschenkt. Die Belastungen, die auf die halten am Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann, Wirtschaft und den Handel zum Beispiel durch die ver- und die Ablehnung der Nachbesserung, wenn der Unter- längerte Gewährleistungsfrist zukommen, wird er mittra- nehmer unzuverlässig war, für nützlich und auch mach- gen müssen. Man wird sie auf ihn umlegen. Das Schuld- bar. Ich bitte daher um Zustimmung für unseren Antrag. recht bleibt also bürgerlich. Ich möchte zusammenfassen: Wir halten die Schuld- Auch wenn nicht alle Wünsche gereift sind: Es ist in rechtsreform, mit der das aus der Jahrhundertwende stam- der Tat bis zu einem gewissen Grad gelungen, den ange- mende Schuldrecht modernen Entwicklungen angepasst strebten Zuwachs an Übersichtlichkeit, Rechtssicherheit wird, grundsätzlich für erforderlich, und zwar über die und Europafähigkeit zu erreichen. Positiv sind grundsätz- Umsetzung der drei EG-Richtlinien hinaus. Wir hätten lich die Schaffung eines einheitlichen Tatbestandes der uns durchaus noch weiter gehende Änderungen vorstellen Pflichtverletzung, die Verlängerung der gesetzlichen Ge- können. Wir sind jedoch mit der eingeschlagenen Grund- währleistungsfrist, die konsumentenfreundliche Beweis- richtung trotz Kritik an Einzelpunkten einverstanden. Wir lastumkehr in § 476 BGB, die Verpflichtung des Verkäu- werden deshalb dem vorliegenden Gesetzentwurf zustim- fers, eine mangelfreie Ware zu liefern, einschließlich men. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001 18755

(A) (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten so spät den Referentenentwurf bekommen?) (C) der SPD) Dann ist mit Ihrer Beteiligung eine Kommission einge- setzt worden, die 1992 ihre Ergebnisse vorlegte. Sie wur- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort den nicht nur von uns, sondern auch von der CDU/CSU, hat jetzt die Bundesministerin der Justiz, Frau Dr. Herta vom Deutschen Juristentag und von anderen begrüßt. Däubler-Gmelin. Dann ist Ihnen aber die Luft unter dem Hut ausgegangen. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Zu der Diskussion Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der sind wir erst vor einem Jahr gekommen!) Justiz: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts ist wirk- Offiziell haben Sie erklärt, Sie warten noch auf die - lich etwas Besonderes. Da sich die Kolleginnen und Kol- päische Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. legen der CDU/CSU bei den Berichterstattergesprächen Nun liegt diese Richtlinie vor. Sie wissen ganz genau, nie haben sehen lassen, dass sie – darüber wurde so furchtbar gejammert – bis (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! zum 1. Januar 2002 umgesetzt werden muss. Das ist nicht wahr!) Dann müssen Sie sich einfach entscheiden. Wollen Sie hatte ich eigentlich gehofft, wir könnten wenigstens heute es machen wie der von mir sehr geschätzte Kollege eine inhaltliche Auseinandersetzung führen. Ich hatte Pofalla, der dieses Datum gar nicht erwähnt? Dann wun- mich auf die Rede von Herrn Pofalla schon richtig gefreut. dert es mich aber überhaupt nicht, dass in Ihrer Leider Gottes hat er seine Standardrede, die er hier schon Regierungszeit die Reisevertragsrichtlinie nicht rechtzei- oft gehalten hat, wieder aus der Schublade gezogen. Ob- tig umgesetzt wurde, was dazu geführt hat, dass die Bun- wohl Sie mich sozusagen ins Geschichtsbuch einsortieren desrepublik Deutschland Schadensersatz in Millionen- – das ist aber mittlerweile auch schon so häufig passiert, höhe zahlen musste. dass es nicht mehr originell ist –, finde ich das ein biss- Meine Damen und Herren, wenn wir dieses Datum chen schade. nicht einhielten, wäre die Schadensersatzverpflichtung Die Schuldrechtsmodernisierung ist wirklich etwas ungleich höher. Aber wenn wir dieses Datum akzeptieren Besonderes, weil sie die erste systematische und grundle- – das mussten wir, weil es einfach eine Vorgabe war –, gende, aber auch dringend notwendige Änderung unseres dann hat es überhaupt keinen Sinn, so zu tun, als könne Schuldrechtes seit dem In-Kraft-Treten am 1. Januar 1900 man das alles ad calendas graecas hinausschieben. ist. Es ist schade, dass die Auseinandersetzung in der Sa- (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: (B) che fehlt. Hätten Sie diese Modernisierung vollbracht – es Wir hätten eine Seite gebraucht!) (D) war genügend Zeit während der Regierung von CDU/ CSU und FDP –, Ich hätte erwartet, dass jemand von Ihnen, der sich be- teiligen will, an den zahllosen Symposien, an den Ge- (Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir haben viel ge- sprächen, an den Möglichkeiten, sich im Bereich der leistet! Wir konnten nicht alles machen!) Wissenschaft oder der Öffentlichkeit einzuklinken, teil- dann hätten Sie Jubelgesänge angestimmt. Ein bisschen genommen hätte. Dies ist nicht erfolgt. mehr Beteiligung und ein bisschen mehr Anerkennung Es gab in der Wissenschaft auch andere Meinungen, hätte auch der größten Oppositionsfraktion, der CDU/ zum Beispiel von den Kollegen Professoren Altmeppen CSU, nicht schlecht angestanden. und Wilhelm. Ich habe ihren fachlichen Standpunkt nicht (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ geteilt; aber sie hatten wenigstens einen. DIE GRÜNEN) (Norbert Geis [CDU/CSU]: Herr Pofalla hat sei- Sie wissen natürlich ganz genau, dass es kaum ein so nen Standpunkt in fünf Punkten dargestellt!) grundlegendes zivilrechtliches Modernisierungswerk ge- Jetzt will ich Ihnen einmal sagen, was sie geschrieben geben hat, das so breit, so intensiv und – nehmen wir al- haben, nachdem sie ihren Widerstand eingestellt hatten: les zusammen – so lange diskutiert worden ist. Sie seien auch bei den Vertretern der Oppositionsparteien (Widerspruch bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang gewesen. Diese seien „naturgemäß einer Kritik aufge- Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Frau Minis- schlossen“ gewesen, hätten „sich aber in grundsätzlichen terin!) und in Detailfragen des Entwurfs als überraschend wenig informiert“ präsentiert. Ich zitiere wörtlich: – Ihre Zwischenrufe gehören zum Geschäft. Sie waren ersichtlich mehr daran interessiert, von (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Von hier dürfen uns irgendwelche „Munition“ gegen die Regierungs- Sie rufen, aber nicht von der Regierungsbank!) arbeit zu erlangen, als dass sie sich für die Proble- Für die Öffentlichkeit sage ich: Schon 1978 wurde die matik einer derartigen Gesetzgebungsarbeit interes- Frage der Schuldrechtsmodernisierung – ich war damals sieren ließen. bereits Mitglied des Rechtsausschusses, Herr von Stetten – (Zurufe von der SPD: Hört! Hört! – Na so erörtert. was! – Norbert Geis [CDU/CSU]: Wer hat denn (Norbert Geis [CDU/CSU]: Warum haben wir das geschrieben?) 18756 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001

Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin (A) Ich habe dies mit Abscheu und Empörung zurückge- Das ist auch von der Sache her sinnvoll, und zwar ein- (C) wiesen. fach deswegen, weil diese Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zwei Schlüsselvorgaben enthält, die sinnvollerweise mit (Beifall bei der SPD) einer Modernisierung des Schuldrechts Hand in Hand ge- Allerdings muss ich den Standpunkt überdenken, nach- hen müssen. Das ist zum einen die Verlängerung der Ver- dem ich die Rede von Herrn Pofalla gehört habe. jährungsfrist für Mangelansprüche beim Kauf- und beim Werkvertrag. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist eine Ver- leumdung!) (Abg. Norbert Geis [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage) – Sie können das Dokument gern haben. Der Punkt ist: Das ist in der Öffentlichkeit bekannt. – Entschuldigen Sie, Herr Präsident. Der Kollege wartet, ich weiß. – Aber wenn Sie sich noch etwas gedulden, Herr Meine Damen und Herren, lassen Sie uns festhalten: Geis? Dieses Gesetz wurde nicht nur mit den Ländern diskutiert – dafür danke ich übrigens ganz besonders –, sondern (Norbert Geis [CDU/CSU]: Zehn Sekunden!) auch von einer sehr breiten wissenschaftlichen – kriti- – Danke schön. Bitte setzen Sie sich doch wieder. Ich schen und auch durchaus unterstützenden – Diskussion brauche noch einen Moment. begleitet. Wir haben einen sehr breiten Diskurs organi- siert. Deswegen ist es keine Schande, sondern gut, dass Die Verjährungsfrist beträgt also künftig statt bisher wir die Überlegungen und Anregungen aufgenommen ha- sechs Monate zwei Jahre. Natürlich haben Sie Recht, Herr ben, die ja im Vergleich zu denen der Schuldrechts- Funke: Das ist gut. Auch in einem weiteren Punkt haben modernisierungskommission vernünftiger und besser wa- Sie Recht: Das schreibt die entsprechende europäische ren. Nur so kann ein solches Gesetz entstehen. Wir hätten Richtlinie vor. Das ist eine Schlüsselvorgabe. Nur, wer es aber begrüßt, wenn Sie sich da ein bisschen stärker ein- dies gut findet und wer weiß, dass wir diese europäische gebracht hätten. Richtlinie umsetzen müssen, der darf nicht dagegen- stimmen, sondern muss zustimmen. Wertvolle Unterstützung erhielten wir übrigens nicht nur von Wissenschaftlern, von der Schuldrechtskommis- (Beifall bei der SPD – Ronald Pofalla [CDU/ sion, von Gerichten und gerade auch von Praktikern, son- CSU]: Wir müssen gar nichts!) dern auch aus den Berufsverbänden. Schauen Sie sich Das heißt, man kann nicht alles haben. Auch das muss doch die Stellungnahmen des Richterbundes, des Anwalt- man bedenken. vereins, der Anwaltskammern, der Notarkammern oder (B) der Handwerkskammern an! Sie waren alle der Meinung: Jetzt kann der Kollege Geis seine Zwischenfrage stel- (D) Jawohl, das muss jetzt sein. len. (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Mir schreiben sie aber anderes!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kol- lege Geis, die Frau Ministerin erlaubt Ihnen, eine Zwi- Meine Damen und Herren, lassen Sie uns noch einmal schenfrage zu stellen. Bitte schön. den Anlass hervorheben. Dies war zunächst einmal die Umsetzung von drei wichtigen europäischen Richtlinien. (Heiterkeit – Ronald Pofalla [CDU/CSU]: Die Eine dieser Richtlinien ist die europäische Verbrauchsgü- befiehlt uns ja auch, was wir machen terkaufrichtlinie. Über das Zeitlimit und über die Folgen müssen!) habe ich schon gesprochen. Jetzt ist aber noch die Frage: Hätte man das sinnvollerweise in zwei oder drei Stufen Norbert Geis (CDU/CSU): Ich bedanke mich für die umsetzen sollen? Darüber kann man doch reden. Darüber Erlaubnis zu einer Zwischenfrage. haben wir auch geredet, auch wenn Sie sich nicht daran beteiligt haben. Frau Ministerin, wenn es richtig ist, dass aufgrund der Umsetzung der vorliegenden europäischen Richtlinien (Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir sind doch zu zum 1. Januar 2002 sinnvollerweise das gesamte Werk zur Berichterstattergesprächen ohne Absprache Modernisierung des Schuldrechts verabschiedet werden einbestellt worden! Dann sind sie wieder ver- soll, wäre es dann nicht richtig gewesen, den entspre- legt worden!) chenden Diskussionsentwurf nicht erst ein Jahr vor Ver- – Die Zwischenrufe des allseits verehrten und geschätzten abschiedung, also ungefähr jetzt vor einem Jahr, auf den Kollegen Geis! Er weiß es in Wirklichkeit besser. Tisch zu legen? Im Übrigen ist von diesem Diskussions- entwurf, wie Sie selber wissen, fast nichts übrig geblie- Aber alle Beteiligten, die hier sehr intensiv mitgewirkt ben. Wäre es also nicht sehr viel besser gewesen, diese ge- haben, und gerade die Praktiker, die Anwender und die samte Diskussion – besonders im Hinblick darauf, dass Verbände haben gesagt: Wir wollen den Umsetzungsbe- Parlamentarier auch andere Verpflichtungen haben – ein darf und die Umsetzungskosten nur einmal. Wir wollen Jahr früher zu beginnen? Sie sollten bedenken, dass die sie nicht noch einmal haben, nachdem wir sie wegen der Diskussion über das BGB, das vor 100 Jahren rechtskräf- Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zum 1. Januar 2002 so- tig geworden ist, 20 Jahre gedauert hat. Im vorliegenden wieso haben. Dies muss hier nochmals festgehalten wer- Falle haben wir die Diskussion über den konkreten Ge- den. setzentwurf nur ein Jahr lang geführt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001 18757

Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin (A) Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der Jus- Fenster einbauen lassen, dann haftet dieser Ihnen als sei- (C) tiz: Herr Kollege Geis, Sie wissen wahrscheinlich ganz nem Kunden gegenüber länger, als er gegenüber seinem genau, dass wir zwischen 1978 und 1980 und dann wie- Lieferanten Gewährleistungsrechte geltend machen kann. der um das Jahr 1992 über diese Fragen lange diskutiert Das ist die Gewährleistungsfalle, die wir jetzt ausräumen. haben. In einem Punkt gebe ich Ihnen aber Recht: Ich Dafür ist uns gerade das Handwerk dankbar. hätte es sehr begrüßt, wenn auch der Bundestag während Im Leistungsstörungsrecht führen wir einen einheitli- der Verhandlungen über die Verbrauchsgüterkaufrichtli- chen Pflichtverletzungstatbestand ein; das ist erwähnt nie und die beiden anderen damit verbundenen europä- worden. Das „case law“, das die Rechtsprechung gerade ischen Richtlinien auf europäischer Ebene mitdiskutiert in diesen Fällen entwickelt hat, führen wir, soweit es sich hätte. Sie wissen ganz genau: Ich war damals nicht in der zu einem gesicherten Bestandteil des Rechts entwickelt Position, in der ich dies hätte sicherstellen können. Sie hat, wieder ins Bürgerliche Gesetzbuch zurück. Das Glei- wissen auch, dass ich europäische Richtlinienentwürfe che gilt für manche Sondergesetze. immer sehr rechtzeitig in die entsprechenden Gremien dieses Hauses einbringe. Nur, auch wenn eine Richtlinie Jetzt komme ich zu den, wie ich finde, merkwürdigen innerhalb von nur zwei bis zweieinhalb Jahren umgesetzt Behauptungen, die hier aufgestellt wurden. Es gibt zwei werden soll, muss man erst einmal einen Diskussionsent- Theorien, über die man streiten kann. Die eine Theorie wurf erarbeiten. besagt: Das Bürgerliche Gesetzbuch von 1900 soll als Leistung der deutschen Rechtskultur sozusagen wie eine Monstranz in einen Glaskasten gesperrt, gelegentlich aus- Selbstverständlich weiß ich, dass wir alle sehr viel zu gepackt, abgestaubt und wieder hineingestellt werden, tun hatten. Sie hatten diesen Gesetzentwurf zum ersten während das gesamte wirtschaftliche Leben seit Jahr- Mal im September des vergangenen Jahres auf dem Tisch. zehnten neben dem BGB durch „case law“ oder durch (Norbert Geis [CDU/CSU]: Im November!) Sondergesetze – insbesondere bei der Umsetzung von EU-Richtlinien – geregelt wird. – Nein, im September. Ich habe Ihnen in diesem Zusam- menhang einen persönlichen Brief geschrieben. Deswe- Wir haben gesagt, dass wir das nicht wollen. gen weiß ich das ganz genau. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das wird auch in Ich hätte es begrüßt, wenn Sie sich ein bisschen mehr Zukunft so sein!) beteiligt hätten. Unsere Schuld ist es nicht. Die Sache Deshalb machen wir das nur – das ist die zweite Theorie –, wäre es wert gewesen. Zudem haben wir nicht nur die soweit es sinnvoll und nützlich ist. Wir haben das in Be- Zahlen der Verjährungsfristen gemäß der ersten Vorgabe, zug auf das Mietrecht getan und wir machen das jetzt in von der ich bereits gesprochen habe – lassen Sie mich da- Bezug auf das Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbe- (B) rauf zurückkommen –, ausgetauscht, sondern auch das (D) dingungen. Verjährungsrecht wieder stimmig gemacht. Das heißt, wir haben das System des Verjährungsrechts wieder à jour Sehr geehrter Herr Pofalla, wenn Sie plötzlich der Mei- modernisiert und damit eine ganze Reihe von Ungereimt- nung sind, man solle das auch bei dem Produkthaf- heiten, aber auch von Fehlentwicklungen im Schuldrecht tungsgesetz machen, warum haben Sie das dann nicht be- beseitigt. antragt? Auch Sie hätten das in der Zeit nach 1992 tun können. (Ronald Pofalla [CDU/CSU]: Machen Sie die Sie haben dies nicht gemacht. Sie werden Ihre Gründe Gesetze oder wir? Das können Sie uns nicht dafür gehabt haben. Seien Sie also so freundlich und grei- vorwerfen! Sie wechseln ständig die Position! fen Sie uns deshalb nicht an! Sehen Sie vielmehr die deut- Null Linie!) lichen Vorzüge gerade für die Anwender in der Praxis! Ich persönlich halte es für falsch. Sie haben das nie bean- Der zweite strukturell entscheidende Punkt in der Ver- tragt. Aber uns das dann vorzuwerfen, das entspricht der brauchsgüterkaufrichtlinie klingt unscheinbar, ist aber für Qualität dessen, was Sie hier insgesamt vorgetragen ha- eine einheitliche Umsetzung absolut notwendig: Das ist ben. Das ist ziemlich flach. die Bestimmung in der Richtlinie selber, dass die Kaufsa- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ che den vertraglichen Vorgaben entsprechen und frei von DIE GRÜNEN – Ronald Pofalla [CDU/ CSU]: Mängeln sein muss. Sie selber wissen aus der bisherigen Nein, Sie wechseln ständig die Position, wie Rechtsprechung und aus dem BGB, dass es hier unglaub- immer! Keine Linie!) lich viele Wege gegeben hat. Zusammen mit der Schuld- rechtsmodernisierungskommission sind wir der Meinung, Das BGB erhält auf diese Weise als zentrale zivilrecht- dass eine Antwort genügt. Diese ist jetzt vorgelegt wor- liche Kodifikation wieder die Bedeutung und die Funk- den. Hierin werden wir im Übrigen von der Wissenschaft tion zurück, die sich mit einer solchen Institution der deut- und ganz besonders von der Praxis unterstützt. schen Rechtskultur verbinden sollten. Hinzu kommt, dass wir die Gewährleistungsfalle für Die Modernisierung bewirkt auch einen fairen Interes- das Handwerk abschaffen. Das erklärt, warum der Mittel- senausgleich. Auf der einen Seite steht das Interesse der stand und gerade das Handwerk für diese Reform sind. Verbraucher – darauf ist schon hingewiesen worden; ich Hinter der Gewährleistungsfalle verbirgt sich – für dieje- glaube, das ist eine gute Sache –, und zwar zum Beispiel nigen, die das nicht wissen – Folgendes: Wenn Sie in im Kaufrecht beim Mangelbegriff und bei den Gewähr- Ihrem Haus oder in Ihrer Wohnung von einem Glaser leistungsfristen. Auf der anderen Seite gibt es nicht nur 18758 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001

Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin (A) Vorzüge für den Mittelstand und das Handwerk, sondern (Ronald Pofalla [CDU/CSU]: Ein Jahr! (C) ebenso profitieren Wirtschaft und Vertrieb von klaren, ab- Täuschung!) gestimmten und teilweise kürzeren Verjährungsfristen zu sagen, dass es so ist, Herr Pofalla. oder Rückgriffsrechten, aber auch von erheblich pra- xisgerechteren Regelungen sowie von größerer Rechtssi- (Ronald Pofalla [CDU/CSU]: Sie täuschen, cherheit und damit, so hoffe ich, auch von einem erhebli- Frau Ministerin! Ein Jahr haben Sie angebo- chen Rückgang der Zahl der Rechtsstreitigkeiten. ten!) (Norbert Geis [CDU/CSU]: Die Bauhandwer- – Herr Pofalla, ich weiß, dass Sie heute nichts anderes sa- ker sind nach wie vor unzufrieden! – Ronald gen können. Aber es ist wirklich traurig. Sie sollten auch Pofalla [CDU/CSU]: Alle sind unzufrieden, mit über die Art und Weise, wie Sie sich hier einbringen, noch Ausnahme der Ministerin!) einmal nachdenken. – Das Bauhandwerk hat mit dem Schuldrechtsmoderni- (Ronald Pofalla [CDU/CSU]: Ein Jahr!) sierungsgesetz nicht unmittelbar zu tun. Das Werksver- tragsrecht und das Bauvertragsrecht sollten wir – aber Das scheint mir langsam ein persönliches Problem zu dann hoffentlich mit mehr Beteiligung der CDU/CSU- werden. Opposition – etwas später und gründlicher diskutieren. (Heiterkeit bei der SPD) (Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir haben ja selber Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Vorschläge gemacht, die Sie abgelehnt haben! Schluss noch eines sagen: Sehr viele haben mitgearbeitet. Es wäre gut gewesen, Sie hätten sie mitgenom- Ich bedanke mich keineswegs allein bei den vielen Wis- men!) senschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die konstruktiv Jetzt komme ich noch einmal zu der europäischen mitgearbeitet haben, ob nun kritisch oder nicht. Ich be- Ebene. Das schlägt dem Fass den Boden aus. danke mich vielmehr ausdrücklich auch bei den Ländern, die daran mitgearbeitet haben, auch wenn es diese (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das Argument ist Justizministerin und das Bundesministerium der Justiz nicht ohne!) waren, die den Diskussionsprozess von Anfang an darauf Jeder weiß ganz genau, dass die deutschen Schuldrechtler angelegt haben. Ich bedanke mich übrigens auch bei den bei der Aushandlung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Berichterstattern dafür, dass sie sich in diese schwierige deswegen so wenig gehört wurden, weil alle Nachbarlän- Materie so hervorragend eingearbeitet haben, bei allen, der gesagt haben, wir hätten keine modernen Regelungen; die sich hiervon angesprochen fühlen und die auch ange- (B) diese Regelungen seien für sie nicht interessant. Nun mo- sprochen sind. (D) dernisieren wir das Schuldrecht und gestalten es europa- kompatibel, damit wir bei der künftigen Erarbeitung eines Lassen Sie mich noch hinzufügen: Sie gestatten, dass europäischen Vertragsrechts den Fuß in der Tür haben. ich mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Aber das ist Ihnen auch wieder nicht recht. und insbesondere bei den Verantwortlichen der Abtei- lung I des Bundesministeriums der Justiz bedanke, (Ronald Pofalla [CDU/CSU]: Das ist völlig überflüssig!) (Beifall im ganzen Hause) – Sie wissen ganz genau, dass die EU-Kommission gerade die in langer und mühevoller Arbeit und zum Teil auch in angefangen hat, einen Fragebogen zu versenden. Die Aus- Arbeitsprozessen, die der normalen Arbeit eines Ministe- wertung dieses Fragebogens wird vielleicht irgendwann riums nicht entsprechen, nämlich in Zusammenarbeit mit dazu führen, dass die Notwendigkeit eines europäischen vielen Wissenschaftlern in zahllosen Symposien, diese Vertragsrechts von den Mitgliedstaaten bejaht wird. Aber schwierige Materie so hervorragend bearbeitet haben. wir wissen ganz genau, dass in den kommenden Jahren Herzlichen Dank! Ich glaube, das Ergebnis wird gut. damit nicht zu rechnen ist. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Deswegen sage ich: Wir schaffen ein europakompa- DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Evelyn tibles Recht, weil wir damit mehr Einfluss in Europa ha- Kenzler [PDS]) ben. Sie täten gut daran, es zu unterstützen. Jetzt noch etwas zu der Übergangszeit. Wir haben der Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort Wirtschaft sehr deutlich angeboten, mit dem, was hat jetzt der Kollege Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten man jetzt noch nicht umsetzen muss, zum Beispiel im Be- von der CDU/CSU-Fraktion. reich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, zu warten. Sie haben das in den Verbandsanhörungen abgelehnt. Sie Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU): haben unserem Weg zugestimmt und nicht Ihrer Kritik. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Ich habe bei der Diskussion, wenn ich die unterschied- DIE GRÜNEN – Ronald Pofalla [CDU/CSU]: lichen Interpretationen höre, den Eindruck, dass wir über Ein Jahr!) verschiedene Gesetzentwürfe diskutieren. Deswegen ist es auch ein Gebot der intellektuellen Red- Das kann man Ihnen, Frau Ministerin, natürlich nicht lichkeit, absprechen: Mutig sind Sie. Widerstand ermuntert Sie. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001 18759

Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (A) Sie gehen notfalls mit dem Kopf durch die Wand und zie- Eine der Hauptursachen war, dass Sie unsere Bitte, das (C) hen ihn erst zurück, wenn es wehtut. Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in Ruhe zu beraten und der Praxis – sowohl den Anwälten als auch den Rich- (Heiterkeit bei der CDU/CSU) tern, dem Handel und dem Handwerk – einen entspre- Damit haben Sie schon ganze Generationen Ihrer Partei- chenden Vorlauf zur Erarbeitung zu geben, kategorisch genossen und -genossinnen zur Weißglut gebracht. Sie abgelehnt haben. Die wenigen Paragraphen, die wegen streiten ja nicht nur mit uns im Rechtsausschuss, sondern der EU-Richtlinie hätten verändert werden müssen, hätten angeblich, so hört man, streiten Sie auch im Kabinett. fast auf einer Seite Platz gefunden und hätten völlig un- abhängig von der Schuldrechtsreform gut zum 1. Ja- (Norbert Geis [CDU/CSU]: Was? Wird da nuar 2002 in Kraft treten können; das Gesetz – über die- überhaupt noch gestritten?) ses werde ich nachher noch etwas sagen –, das im Grunde Mit der von Ihnen forcierten Zivilprozessrechtsre- vernünftig ist, wäre zum 1. Januar 2003 oder zum 1. Ja- form wollten Sie sich ein Denkmal setzen. Das Ge- nuar 2004 rechtzeitig, durchdacht und gründlich beraten schichtsbuch will ich einmal auslassen. Aber noch bevor in Kraft getreten. Sie sich zur Probe auf das Denkmal setzen konnten, war Diese Chance haben Sie, Frau Ministerin, vertan. Die der Sockel schon weggestoßen, weil die einhellige Mei- Schuldrechtsreform hätte noch immer Ihren Namen ge- nung der Anwälte, der Richter und der Professoren so tragen. So sind wir mit Sicherheit bereits ab Januar dabei, abenteuerliche Reformen in Grund und Boden ver- viele Reparaturgesetze und Ergänzungen zu erarbeiten dammte. und zu beschließen, um das richtig zu stellen, was in der Eile nicht durchdacht werden konnte. (Joachim Stünker [SPD]: Das ist aber jetzt nicht in Ordnung! Das ist das falsche Thema!) Ich kann mich im Übrigen ganz im Gegensatz zu Ihnen nicht daran erinnern, dass wir ein wichtiges Gesetz im Sie haben dann, wie man so schön sagt, lieber Herr Rechtsausschuss so dilettantisch wie das Schuldrechts- Stünker, „die Kurve gekratzt“, und Ihr Reformgesetz be- modernisierungsgesetz verabschiedet haben. Es war und kam eine Beerdigung erster Klasse. ist bei uns im Rechtsausschuss üblich, dass wir vor der Aber ein Glück: Es gab ja noch eine EU-Richtlinie und letzten Beschlussfassung jeden Paragraphen, manchmal einen Referentenentwurf, auf den Sie sich im Frühjahr mit sogar die Absätze einzeln beraten und abstimmen. Bei Macht stürzen konnten, obwohl noch im März, Frau Mi- diesem angeblichen Jahrhundertgesetz wurden nach kur- nisterin, Staatssekretär Professor Pick auf Anfrage zusi- zen allgemeinen Ausführungen Hunderte von Paragra- phen auf einmal beschlossen und durchgeboxt. cherte, dass dieser Referentenentwurf in dieser Legisla- (B) turperiode nicht in das Gesetzgebungsverfahren kommen (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (D) sollte, sondern nur die EU-Richtlinien umgesetzt werden NEN]: Aber nicht auf unser Verlangen, sondern sollten. im Einvernehmen der Obleute!) Sie haben dann Ihre Mitarbeiter in Tag- und Nachtar- – Wie kann man ein solches Gesetz in zwei Stunden beit einen Gesetzentwurf ausarbeiten lassen. Dass infolge durcharbeiten? Man hätte dafür zwei Tage gebraucht, um der Schnelligkeit einige Fehler passierten, liegt nicht an es vernünftig zu machen. diesen; aber uns knallten Sie ihn sozusagen auf den Tisch. Die Degradierung des Rechtsausschusses und vor allem Es wurde auch nicht 20 Jahre und auch nicht seit 1978 die Degradierung Ihrer eigenen Parteigenossen und Ihrer an dem Entwurf gearbeitet, sondern seit 1992 ruhte das Bündnisgenossen, der Grünen, von denen höchstens vier Gesetzgebungswerk dieser Kommission. Im Grunde ge- bis fünf Kollegen daran gearbeitet haben, ist offensichtlich. nommen hatten wir ihn erst in den letzten vier, fünf Mo- Dies ist nicht würdig und zeigt Ihre Wertschätzung. naten. Frau Ministerin, Sie haben gerade fast schwärmerisch Sie haben es sehr geschickt gemacht, Frau Ministerin: von der breiten Zustimmung von Verbänden und Profes- soren gesprochen. Sie müssen eine andere Klientel haben Sie haben die Entrüstung ein wenig gebändigt, indem Sie als wir. Wir erhalten auch heute noch ständig Warnungen sagten, Sie seien nach allen Seiten offen und Veränderun- vor dem Gesetz und Anträge auf Veränderungen, insbe- gen könne man noch jederzeit vornehmen. Entsprechende sondere die eindringliche Bitte, das In-Kraft-Treten des Wünsche kamen zu Hunderten: vom Bundesrat, von Ver- Gesetzes zu verschieben. bänden, von Rechtsgelehrten. Aber die Übersichtlichkeit nahm zunächst einmal ab. Berichterstattergespräche – Sie Als ein Beispiel nenne ich die Stuttgarter Rechts- haben es eben erwähnt; man hätte lange diskutieren kön- anwaltskammer – ich erwähne sie, weil sie unsere ge- nen – haben Sie uns wie ein Feigenblatt angeboten, weil meinsame Kammer ist; Sie kennen sie sehr gut –, die uns unmittelbar vor der Sitzung oder direkt zur Sitzung in ihrem aktuellen Kammerreport schreibt: „Bei der neue Synopsen, mal als zweite Synopse, mal als Ände- Schuldrechtsreform droht Chaos“, „Die überstürzte Um- rung, mal als Schlusssynopse, jeweils im Umfang von bis setzung der Schuldrechtsreform wird für viele Unterneh- zu 450 Seiten, vorgelegt wurden. Sie sollten sich daher mer hohe Verluste mit sich bringen und zudem zu einem nicht wundern, dass wir teilweise die aufoktroyierten und rechtlichen Chaos führen“, „Schaden für den Mittelstand und für die Verbraucher“, „Die Anwaltschaft gerät unter diktierten Termine abgelehnt haben. Druck“, „Experten fordern Verschiebung“. – Ich habe mit (Beifall bei der CDU/CSU) der Kammer in Stuttgart nur einen Verband genannt. 18760 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001

Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (A) Hektisch einberufene Seminare versuchen, das ergänzt hätte, dass sowohl die vertraglichen Nebenpflich- (C) Schlimmste zu verhindern. Hunderttausende von Betrie- ten als auch Pflichten im Vorfeld – gegebenenfalls auch ben müssen ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen än- zugunsten Dritter – mit aufgenommen worden wären. dern. 100 000 Anwälte und 20 000 Richter werden über Nacht zu Studenten – das ist nicht unbedingt falsch –, um Sie haben unnötigerweise die relativ klaren Unmög- das neue Recht richtig anzuwenden. lichkeitsregelungen, die in Zukunft den Streit zwischen ursprünglicher und nachträglicher subjektiver oder ob- (Heiterkeit bei der CDU/CSU – Zuruf von der jektiver Unmöglichkeit, dem subjektiven Unvermögen CDU/CSU: Die Repetitoren freuen sich!) und anderen Unmöglichkeitskonstruktionen vermeiden Sie waren – auch das muss man sagen –, Frau Minis- sollen, mit den Bestimmungen des § 275 Abs. 3 belas- terin, flexibel, um den Bundesrat mit ins Boot zu bekom- tet, der eher Soziologen als Juristen Ehre macht. Ich will men. Von fast 200 Änderungsanträgen haben Sie 120 diese Bestimmung nicht vorlesen, frage mich aber, ob er mehr oder weniger übernommen, um damit einige ver- § 242 BGB ergänzen oder ablösen soll. nünftige Ansätze in das Gesetz zu bringen. Ich will auf einige kurz eingehen. Die neuen §§ 280 ff. lassen in der Zukunft sicher noch manche Fragen aufkommen. Insbesondere ist fraglich, in- Die Verjährungsbestimmungen mit der regelmä- wieweit ein eventueller Vertrauensschaden, zum Beispiel ßigen Verjährung von drei Jahren sind eine klare Verein- durch § 284 BGB begründet, durch das positive Interesse fachung und Erleichterung für alle. Die schönen Klausur- der Erfüllung begrenzt ist. themen zu § 196 Abs. 1 und 2, § 197 und § 832 BGB mit der zwei-, drei- und vierjährigen Verjährungsfrist gehören (Unruhe bei der SPD) nun der Vergangenheit an. Aber leider – auch das muss ich – Es ist interessant, meine Damen und Herren von der sagen – sind im Gesetz noch zu viele Eigenfristen, zum SPD: Sie stimmen nachher einem Gesetzentwurf zu, ob- Beispiel beim Kauf- und Werkvertrag, vorgesehen. Auch wohl Sie nicht einmal der Debatte darüber zuhören wol- hier hätte man mit Ausnahme der Gewährleistungsfrist len. Die Diskussion ist wahrscheinlich ziemlich langwei- von zwei Jahren vereinfachen können. lig. Die Frage der Hemmung ist klar geregelt. Richtiger- weise wurde auf Anregung des Bundesrates aufgenom- (Zuruf von der SPD: So, wie Sie das men, wie bisher die Verjährungsfristen mit dem Ende des vortragen!) Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, beginnen zu Es handelt sich um einen Gesetzentwurf, den Sie in vier lassen. Ich wäre noch einen Schritt weitergegangen und Monaten durchgeboxt haben. Jetzt haben Sie nicht einmal (B) hätte unter Verweis auf § 199 Abs. 1 BGB den Beginn der zwei Minuten Zeit. (D) Verjährung gemäß § 212 BGB am Schluss des Jahres nach einer Unterbrechung beginnen lassen. Wenn man rechts- (Susanne Kastner [SPD]: Das liegt an der politisch begründet, aber rechtsdogmatisch nicht richtig Dynamik, wie Sie reden!) den Beginn der Verjährung auf das Jahresende setzt, so – Danke schön, Frau Kollegin. wäre es sicher kein Bruch gewesen, auch bei der Unter- brechung so zu verfahren. Im Zusammenhang mit §§ 280 ff. bleibt fraglich, ob ein eventueller Vertrauensschaden durch das positive Inte- Sie haben unserer Anregung leider nicht entsprochen, resse der Erfüllung begrenzt ist oder ob dies nur bei den die Verjährung bei Grundstücksgeschäften von zehn auf 30 Jahre heraufzusetzen, obwohl Sie wissen, dass häufig §§ 122 oder 179 gelten soll, nachdem der bisherige sehr lange Fristen notwendig sind. Wir werden heute ei- § 307 BGB beseitigt worden ist. nen entsprechenden Antrag einbringen. Bei der Frage der Verzugszinsen wird deutlich über- Sie haben auch nicht den Widerspruch zwischen langer zogen, um ordnungspolitisch die Zahlungsmoral zu ver- Verjährung für fahrlässig begangene Körperverletzung bessern. – Sie haben mit dem Schuldrechtsmoderni- und vorsätzlich sowie grob fahrlässig verursachte Vermö- sierungsgesetz einen guten alten Brauch und fast alle gensschäden gelöst. Zu diesem Bereich hat Kollege Gepflogenheiten, wie sie insbesondere für den Rechts- Pofalla einige Ausführungen gemacht. ausschuss galten, ohne Not über Bord geworfen. – Die EU-Richtlinie fordert Verzugszinsen von 7 Prozent über Die Bestimmungen des § 207 – Hemmung der Ver- dem Basiszinssatz. Das hätte genügt. Wenn ein säumiger jährung aus familiären und ähnlichen Gründen – sind, nachdem die Anregungen berücksichtigt wurden, ge- Zahler nun Zinsen zwischen 12 und 15 Prozent über dem glückt und klar. Basiszinssatz zu zahlen hat, könnten unter Umständen so- gar die Reglungen über den Wucher greifen. Warum wird Für unlogisch halte ich, dass dem alten § 241 BGB ein hier ein höherer Zinssatz festgeschrieben, als es die EU- Abs. 2 hinzugefügt wurde, der Schutzpflichten, so ge- Richtlinie fordert? nannte Nebenpflichten, regeln und auf diese Weise wohl das Rechtsinstitut der positiven Forderungsverletzung Das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, ersetzen soll, während vorvertragliche Pflichten der culpa das durch die Rechtsprechung entwickelt wurde, ist nun- in contrahendo im neuen § 311 Abs. 2 und 3 aufgenom- mehr richtigerweise normiert, und zwar im § 313. Damit men wurden. Besser und verständlicher wäre es gewesen, muss als Anspruchsgrundlage nicht mehr auf Treu und wenn man den guten alten § 242 durch einen Abs. 2 so Glauben zurückgegriffen werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001 18761

Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (A) Der frühere Titel 2 „Gegenseitiger Vertrag“ ist nun- Dagegen halte ich die Regelungen bezüglich des (C) mehr im Untertitel 4 „Einseitige Leistungsbestimmungs- Werkvertrages für geglückt, soweit in der Eile nicht Fol- rechte“ aufgegangen. geänderungen vergessen wurden. Unglücklich ist die Regelung in § 634 a bezüglich der Verjährung der Män- Die höchstkomplizierten früheren §§ 323 ff. wurden gelansprüche, die gegebenenfalls mit den Regelungen des zusammengefasst. Die Praxis wird erweisen, ob damit § 438 BGB kollidieren kann. Die restlichen Änderungen Klarheit geschaffen wurde oder ob – wie manche sagen – sind im Wesentlichen Folgeänderungen. Wir fürchten alle Klarheiten beseitigt wurden. Das Gleiche gilt im aber, dass aufgrund der Schnelligkeit der Beratungen über Übrigen für die Rücktrittsrechte gemäß §§ 346 ff. BGB. den Gesetzentwurf und der ebenfalls im Schnelllauf Man kann darüber streiten, ob es richtig ist, die Allge- durchgeführten Änderungen erhebliche Lücken bestehen meinen Geschäftsbedingungen in das BGB aufzuneh- bleiben werden. Die von Ihnen in das Gesetz aufgenom- men. Man hätte die Bestimmungen aber so anordnen müs- menen zahlreichen Ermächtigungen zu Rechtsverordnun- sen, dass sie nicht so unübersichtlich sind wie nunmehr gen zeigen, dass Sie selber nicht sicher sind, was noch al- mit den Bezeichnungen a, b, c, d und f. Damit werden die les kommen wird. Bestimmungen derart unübersichtlich, wie wir es bereits aus dem Reisevertragsrecht kennen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kol- Bei Nacht und Nebel haben Sie – wohl um den linken lege, kommen Sie bitte zum Schluss. Gewerkschaftsflügel zu befriedigen – die Anwendbarkeit der Bestimmungen über Allgemeine Geschäftsbedin- Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Ja. gungen für Arbeitsverträge mit aufgenommen. Das ist Dann möchte ich die Liste mit Namen von Professoren schlichtweg falsch. und Verbänden, die beklagen, dass die Beratung über das Das Kaufrecht ist zwar in erheblichem Maße auf den Gesetz im Schweinsgalopp durchgeführt worden sei und Kopf gestellt, wohl aber letztlich vereinfacht worden. Die dass es keine ordentliche Beratung gegeben habe, nicht Bestimmungen der §§ 450 und 451 sollen verhindern, mehr vorlesen. Sie kennen die Namen ohnehin schon. dass Schindluder mit unter Eigentumsvorbehalt gekauften Es ist schade, dass die Beratung über ein notwendiges Waren getrieben werden kann. Die Beweislastumkehr Reformgesetz nicht mit der notwendigen Gründlichkeit, – sie wurde schon eben angesprochen – ist insoweit abzu- Genauigkeit und wissenschaftlichen Begleitung durchge- lehnen, als es für Unternehmer innerhalb der Frist von bis führt wurde und dass die Anwender – das sind nicht nur An- zu sechs Monaten in der Regel nicht möglich sein wird, wälte und Richter, die sich von Berufs wegen schnell ein- den Gegenbeweis zu führen. Das ist Unfug und wird zu arbeiten können und müssen, sondern auch die Bürger – (B) erheblichen Einbußen bei den Gewerbetreibenden führen. keinerlei Zeit haben, sich auf die neuen Rechtsnormen (D) Die zweijährige Gewährleistungsfrist belastet schon ge- einzustellen. Es hätte, Frau Ministerin, ein gutes Gesetz nug. werden können. So ist es nur Stückwerk. Deswegen leh- Kollidieren dürfte in jedem Falle der neue § 478 BGB nen wir es ab. – Rückgriff des Unternehmers – mit § 377 HGB, – un- Danke schön. verzügliche Untersuchungs- und Rügepflicht –, der wie in § 478 Abs. 6 vorgesehen unberührt bleiben soll. Welche (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Bestimmung ist nun rechtmäßig, die eine oder die andere? Die fünf Paragraphen, mit denen im alten BGB die Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort Darlehensverträge abgespeist wurden, wurden der heu- zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen tigen Zeit angepasst, und zwar unter Aufhebung bisheri- Dr. Eckhart Pick von der SPD-Fraktion. ger Einzelgesetze. Dabei wurden klare Regelungen hinsichtlich des klassischen Darlehens, des Verbraucher- Dr. Eckhart Pick (SPD): Lieber Herr von Stetten, ich darlehens und auch des Sachdarlehens geschaffen. möchte eine Bemerkung, die sich auf mich bezog, richtig Von der Systematik her habe ich Bedenken, dass der so stellen. Wir haben am Anfang der Diskussion in der Tat genannte Existenzgründer nicht als Kaufmann, sondern darüber gesprochen, wie die drei EU-Richtlinien umge- als Normalverbraucher gesehen wird. Wenn ich § 507 setzt werden sollen. Ich habe damals – zu einem frühen richtig interpretiere, dann kann der Unternehmensgründer Stand der Diskussion – gesagt: Natürlich gibt es Überle- beliebig viele Darlehen oder Finanzierungshilfen oder gungen im Hause, das auch sukzessive zu machen. Darü- Ratenzahlungskäufe bis zu einem Betrag von jeweils ber haben wir in der Folgezeit diskutiert. Nach Rückspra- 50 000 Euro in Anspruch nehmen und wird, selbst wenn che auch mit den Verantwortlichen aus der Wirtschaft sind er Millionenbeträge schuldet, noch immer als Verbrau- wir zu dem Ergebnis gekommen, dass es besser sei, dies cher behandelt. Das kann wohl nicht richtig sein und uno acto statt sukzessive zu machen. Insofern ist das, was ich damals gesagt habe, nicht widersprüchlich gewesen. könnte durch immer wieder begonnene Neugründungen zu Missbrauch führen. In Zukunft muss jeder, der einem Ich möchte noch auf eine andere Bemerkung, die Sie Unternehmer etwas verkauft, fragen: Bist du Existenz- gemacht haben, eingehen. Manche tun immer so, als sei gründer oder nicht? Dies ist, nachdem wir im HGB den das Bürgerliche Gesetzbuch ein Monument, das nicht Kaufmannsbegriff klar und deutlich definiert haben, vom mehr verändert werden dürfe, und als sei es 1896 nach ei- Ansatz her falsch. ner umfassenden Diskussion im Reichstag verabschiedet 18762 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001

Dr. Eckhart Pick (A) worden. Das ist nicht der Fall. Es waren Diskussionen in halb Stunden lang!) (C) Kommissionen. Sie wissen auch, dass eine Kommission Wir setzen hiermit nicht nur drei EU-Richtlinien um, son- von Windscheid geleitet worden ist. Deswegen hatte der dern wir haben dies auch zum Anlass genommen, Herr erste Entwurf die süffisante Bezeichnung: der kleine Kollege Geis, das Schuldrecht umfassend zu moderni- Windscheid. – Daran hat sich im Laufe der Diskussion sieren. nicht viel geändert. (Zuruf von der CDU/CSU: Deformieren!) Im Reichstag selbst hat sich die Diskussion auch nicht um Dogmatik gedreht, sondern – wenn man sich recht er- Wir alle sind uns darüber einig – überhaupt gar keine innert – um den so genannten Wildschaden, der damals Frage –, dass es sich bei dem Bürgerlichen Gesetzbuch zum Beispiel von der deutschen Försterschaft zu einem nach wie vor um ein hervorragendes Gesetzeswerk han- großen Thema gemacht worden ist. Andere Themen ha- delt. Niemand wird das bestreiten, jedenfalls kein Jurist, ben in der Öffentlichkeit und im Reichstag damals keine der es kennt. Rolle gespielt. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist aber sehr (Rainer Funke [FDP]: Inzwischen hat sich absolut! – Zuruf von der CDU/CSU: Das sind aber das Parlamentsverständnis geändert!) aber nur sehr wenige!) Vielen Dank. Genauso wenig kann aber bestritten werden, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass das BGB in vielen Be- (Beifall bei der SPD) reichen nicht mehr praxisnah ist. Die im BGB so her- vorgehobenen vermeintlich wichtigen Unmöglichkeits- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zur Erwi- vorschriften taugen in der Regel heutzutage eigentlich nur derung hat das Wort Dr. von Stetten. noch für die Theorie. Die praxisrelevanten Probleme der Nicht- oder Schlechtleistung sind dagegen nur über die so genannten Rechtsinstitute geregelt. Ich halte es daher für Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU): eine Farce, wenn hier behauptet wird, mit dem heutigen Ich darf vielleicht daran erinnern, lieber Herr Staatssekre- BGB ließen sich alle Fälle lösen. Es ist gerade nicht dem tär, dass inzwischen rund 120 Jahre vergangen sind, wir BGB, sondern es ist insbesondere den von der Rechtspre- eine Demokratie sind und in den Rechten der Reichstag chung entwickelten Rechtsgrundsätzen und Rechtsinsti- eigentlich nicht mit dem Deutschen Bundestag verglichen tuten zu verdanken, dass viele der in der Vergangenheit werden sollte. aufgetretenen und nicht im BGB geregelten Probleme (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) gelöst werden konnten. (B) (D) Es ist richtig, dass Sie das Verfahren zur Diskussion ge- (Beifall bei der SPD – Norbert Geis [CDU/ stellt haben. Wir waren dann aber überrascht – insofern CSU]: Das wird auch in Zukunft so sein!) muss ich doch sagen, dass wir nicht rechtzeitig informiert Dass dies bis vor kurzem noch von allen so gesehen worden sind –, als es dann plötzlich im April/Mai hieß, worden ist, Herr Kollege Geis, zeigt doch nicht zuletzt die das Gesetz komme im Ganzen. Dann kam die Diskussion im Jahr 1978 eingesetzte Kommission zur Überarbeitung auf und die Berichterstattergespräche wurden angekün- des Schuldrechts, die ihren Abschlussbericht immerhin digt. Das war im Juni/Juli und im August/September. Da noch während Ihrer Regierungszeit vorgelegt hat. Man wurden wir einfach hin zitiert. Deswegen konnten wir kann also doch nicht ernsthaft behaupten, meine Damen nicht in dem Umfang mitarbeiten, wie es sonst der Fall ge- und Herren von der Union und von der FDP, dass eine wesen wäre. Modernisierung des BGB nicht notwendig ist. Der Rechtsausschuss hat diesen Gesetzentwurf nicht (Norbert Geis [CDU/CSU]: Von den Vorschlä- behandelt, sondern ist einfach darüber hinweggegangen. gen ist ja nichts übrig geblieben!) Das moniere ich und das finde ich bei einem solch wich- tigen Gesetzentwurf nicht gut. Ich bin ein glühender An- Die Behauptung, dass man sich für dieses wichtige Ge- hänger der Schuldrechtsreform und ich hätte gern noch setzesvorhaben – es ist ein wichtiges Gesetzesvorhaben – manches mehr geändert – so ist das nicht –, aber eben mit zu wenig Zeit genommen hat, kann ich ebenfalls so nicht der notwendigen Diskussion, Begründung und wissen- gelten lassen. Natürlich stand das Gesetzgebungsverfah- schaftlichen Begleitung. Das monieren wir und deswegen ren unter einem ehrgeizigen Zeitplan. Ich persönlich hätte lehnen wir den Gesetzentwurf ab. mir auch etwas mehr Zeit gewünscht. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist wenigstens ehrlich!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letz- tem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt erteile ich Aber, meine Damen und Herren: Seit 1978 befinden wir jetzt das Wort dem Kollegen Dirk Manzewski. uns in der Diskussion hierüber. Seit 1992 liegt der Ab- schlussbericht der Schuldrechtskommission vor. Dirk Manzewski (SPD): Herr Präsident! Meine (Norbert Geis [CDU/CSU]: Der aber nicht Damen und Herren! Am heutigen Tag debattieren wir ab- mehr Grundlage dieses Entwurfs ist!) schließend über die Schuldrechtsreform. Seit August 2000 ist der Gesetzentwurf des Bundesjustiz- (Norbert Geis [CDU/CSU]: Jetzt schon einein- ministeriums bekannt. Wer sich also rechtzeitig informie- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001 18763

Dirk Manzewski (A) ren wollte, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Das ist in zwei unserer Anhörungen bestätigt worden. (C) Union, der hätte dies auch rechtzeitig tun können. Kollege von Stetten, vielleicht waren Sie nicht dabei. Mir ist jedenfalls überhaupt nicht klar, wie man hier etwas an- (Norbert Geis [CDU/CSU]: Warum haben Sie deres behaupten kann. es dann nicht schon vor drei Jahren vorgelegt?) Um Ihnen das deutlich zu machen, zähle ich Ihnen das Dies wird übrigens selbst von den meisten der nur weni- gerne noch einmal auf: Der Deutsche Anwaltverein ist gen Gegner dieser Reform eingeräumt. dafür, die Bundesrechtsanwaltskammer ist dafür, der Mit den vorgenommenen inhaltlichen Veränderungen Deutsche Richterbund ist dafür, die Verbraucherverbände des BGB betreten wir auch nicht, wie hier vielfach sug- sind dafür und der überwiegende Teil der Wirtschaftsver- geriert worden ist, juristisches Neuland. Gesetze werden bände ist dafür. Zu denjenigen, die dafür sind, gehört in das BGB integriert, bestehende Rechtsinstitute endlich selbst die Creme der Rechtswissenschaftler. Ich erinnere normiert, Fristen überschaubarer gestaltet und im Rah- daran, dass sich die hoch angesehenen Professoren Medi- men der gewohnten Dogmatik neu entwickelte Rechts- cus, Canaris, Heinrichs und Westermann für die Schuld- grundsätze eingebaut. Meiner Auffassung nach wird jeder rechtsreform ausgesprochen haben. Für Nichtjuristen sei Anwender ohne größere Probleme mit diesen Vorschrif- gesagt: Das ist ungefähr so, als wenn Sie Anfang der 70er- ten arbeiten können. Jahre Fußball spielen und Sie haben Franz Beckenbauer, Günter Netzer, Uwe Seeler und Gerd Müller in Ihrer Wenn es im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zu Mannschaft und auf der anderen Seite steht die Truppe zahlreichen Änderungen durch das BMJ gekommen ist, von Rudi Völler vom letzten Wochenende. wie vorgetragen wurde, so halte ich das für absolut nicht ungewöhnlich. Das zeigt doch vielmehr, (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Norbert Geis [CDU/CSU]: Dass der ur- sprüngliche Entwurf miserabel war!) Um es klar zu sagen, liebe Gegner der Reform: Selbst ge- gen Finnland reicht es nicht. Und wenn man dann keine dass das BMJ nicht so borniert gewesen ist, sich gegen- vernünftigen Argumente findet, Herr Geis, dann versucht über sachlich vernünftigen Argumenten zu verschließen. man eben verzweifelt, sich welche zu basteln. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Norbert (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ Geis [CDU/CSU]: Und dass der Entwurf nicht CSU]: Die Elf von 1970 ist schon etwas veral- stimmte, Herr Manzewski!) tet!) Dass vor allen Dingen die Verbände, Herr Kollege – Ich habe mich auf den Anfang der 70er-Jahre bezogen. Geis, das Verfahren mit zahlreichen weiteren Änderungs- (B) Wer behauptet, die Änderungen des BGB belasteten (D) vorschlägen begleitet haben, ist ebenfalls nichts Unge- unsere Unternehmen mit unglaublichen Kosten, wöhnliches. Wenn man sich die Änderungsvorschläge nämlich etwas genauer anschaut, dann stellt man fest, (Norbert Geis [CDU/CSU]: Ja, natürlich!) dass es sich in der Regel entweder um Prüfbitten oder um weil sie unter anderem ihre Allgemeinen Geschäftsbe- puren Lobbyismus gehandelt hat. Das ist für ein Gesetz- dingungen ändern müssten, der liegt völlig neben der Sa- gebungsverfahren wirklich nichts Neues. che. Meine Vorredner von der Union und von der FDP (Beifall bei Abgeordneten der SPD) haben selbst eingestanden, dass zumindest die EU-Ver- brauchsgüterkaufrichtlinie zwingend in deutsches Recht Kollege Geis, ich gehe sogar noch weiter: Würde man umgesetzt werden muss. Das ist also die so genannte die Möglichkeit eröffnen, das geltende BGB kritisch zu be- kleine Lösung, für die Sie plädieren. Aber allein die Um- leuchten, würden – so ehrlich muss man doch wohl sein – setzung der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie würde be- die Aktenbände mit den eingereichten Änderungs- reits Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingun- vorschlägen den Umfang einer Strecke einmal quer durch gen nach sich ziehen. Und ob ich nun vier oder acht oder den gesamten Plenarsaal annehmen. zehn oder zwölf Geschäftsbedingungen in meinen vorge- (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ fertigten Vertragsformularen ändern muss, ist nun wirk- CSU]: So viel Zeug haben wir auch von Ihnen lich völlig egal, weil die Kosten im Wesentlichen bereits bekommen!) durch die erste Änderung ausgelöst werden. Was ist das Entscheidende? Entscheidend ist doch Die Unternehmen würde die Umsetzung der Forderun- – das ist hier völlig falsch wiedergegeben worden –, dass gen von Union und FDP vielmehr teuer zu stehen kom- die Schuldrechtsreform von der überwältigenden Mehr- men. heit der Verbände, Vereinigungen und Interessensgrup- (Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin: pierungen begrüßt und mitgetragen wird, auch wenn das Richtig!) dem einen oder anderen von Ihnen nicht passen mag. Ich erinnere daran, dass beide Parteien dafür plädierten, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und im ersten Schritt zunächst die kleine Lösung zu wählen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – und das Schuldrecht erst später umfassend zu reformie- Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ ren. Es ist doch eigentlich eindeutig, dass die Firmen dann CSU]: Das ist nicht so! Ich kann Ihnen die Liste dadurch mindestens zweimal mit diesen Kosten belastet vorlesen!) würden. Würde später irgendwann einmal noch eine Ver- 18764 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001

Dirk Manzewski (A) einheitlichung des Schuldrechts auf europäischer Ebene Aber das ist, lieber Kollege Geis, leider nicht möglich (C) dazukommen, müssten die Allgemeinen Geschäfts- – darüber sind wir uns doch eigentlich einig –, weil wir bedingungen ein weiteres Mal geändert werden, wodurch kein modernes Schuldrecht haben. Das ist nun einmal so. weitere Kosten entstehen würden. Es ist eindeutig so, dass sich die EU in solchen Fällen eher am niederländischen als am deutschen Recht orientiert. Und überlegen Sie sich doch einmal – ich sage das ins- Ich sehe das als ein Armutszeugnis für unser Recht an. besondere in Richtung der Juristen –, zu welcher Rechts- Deswegen begrüße ich es ausdrücklich, dass nun die Mo- unsicherheit das führen würde: Die Juristen müssten sich dernisierung des deutschen Schuldrechtes endlich erfolgt. binnen kurzer Zeit mindestens zweimal in ein neues Recht einarbeiten. Der gleiche Kaufgegenstand, der mehrmals (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ hintereinander verkauft wird, könnte – dieser Gesichts- DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Freiherr von punkt ist wichtig – bei jedem Verkauf unterschiedlichen Stetten [CDU/CSU]: Jetzt müssen Sie der Mi- Rechtsanforderungen unterliegen. Das würde nun wirk- nisterin danken! – Weitere Zurufe von der lich niemand mehr verstehen. CDU/CSU) (Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie hätten früher – Das will ich jetzt gerade machen, Herr Kollege von mit der Reform kommen müssen! Das ist unser Stetten, ich habe ja noch ein bisschen Zeit. Vorwurf!) Von einigen ist es schon gesagt worden – ich teile diese Wer behauptet, dass eine umfassende Reform des Auffassung –: Wir beschließen heute hier – ich bin des- Schuldrechts für Richter und Rechtsanwälte eine zu hohe halb angenehm überrascht und begeistert, dass so viele Hürde darstellt, der möge mir erklären, wie man diesen Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion anwesend dann dieses verkaufen will. sind – (Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie hätten früher mit (Beifall bei Abgeordneten der SPD – der Reform kommen müssen! Das ist es!) Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Die kennen das Gesetz noch nicht einmal rich- Und nicht umsonst – Herr Kollege Geis, und das können tig! – Norbert Geis [CDU/CSU]: Die wissen Sie hier nicht abtun – verlangen gerade diejenigen, die das nicht, über was sie abstimmen!) Recht anwenden müssen, wie eben Rechtsanwälte und Richter, eine umfassende Reform. Liebe Kolleginnen und vermutlich das wichtigste Gesetzesvorhaben im Bereich Kollegen von der Union und von der FDP, verschließen des Rechts in den letzten 20 bis 30 Jahren. Ich kann die Sie sich bitte nicht den Wünschen dieser Fachleute! Justizministerin nur beglückwünschen, dass sie sich ent- schlossen hat, tatsächlich diese umfassende Schuldrechts- (B) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten reform anzupacken. Ich möchte mich auch beim BMJ für (D) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) die hervorragende Mitarbeit und Unterstützung bedan- Lassen Sie mich noch etwas zum Vorschlag sagen, mit ken. Ich habe mich eingebunden gefühlt; ich war aller- einer umfassenden Reform zunächst noch abzuwarten, bis dings auch bei fast allen Besprechungen dabei. sich die EU hierzu positioniert hat. Ich würde mir wünschen, wenn Sie, liebe Kolleginnen (Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie hätten damit und Kollegen, bei der Abstimmung nachher Ihr „kons- früher kommen müssen!) truktives“ Verhalten aufgeben und dieser hervorragenden Reform zustimmen würden. Also, da kann ich wirklich nur lachen; denn die Verein- heitlichung des Schuldrechts wird auf EU-Ebene schon Ich danke Ihnen. seit Jahren angekündigt und nichts ist geschehen. Selbst (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ wenn sich die EU-Kommission jetzt endlich entschließen DIE GRÜNEN – Norbert Geis [CDU/CSU]: sollte, sich mit diesem Thema ausgiebig zu beschäftigen, Wir sollen unser konstruktives Verhalten aufge- dann ist weder gesagt, wie lange sie dafür braucht, noch ben? Das machen wir nicht!) ist gesagt, zu welchem Ergebnis sie dann kommt. Aber was für mich als Rechtspolitiker der SPD noch viel wich- tiger ist: Es kann doch nicht Ziel deutscher Rechtspolitik Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich sein, immer erst auf EU-Richtlinien zu warten, um diese schließe die Aussprache. dann in deutsches Recht umzusetzen. Wir kommen zur Abstimmung über den von den Frak- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ tionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen ein- gebrachten Gesetzentwurf zur Modernisierung des DIE GRÜNEN) Schuldrechts auf Drucksachen 14/6040 und 14/7052. Es Unsere Aufgabe muss es doch vielmehr sein, die EU- liegen je ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Richtlinien schon im Vorfeld so zu beeinflussen, dass sich und der Fraktion der PDS vor, über die wir zuerst abstim- vieles von unserem deutschen Recht in den EU-Richtli- men. nien wiederfindet. Das ist doch das Entscheidende. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das muss die Re- CDU/CSU auf Drucksache 14/7067? – Wer stimmt dage- gierung in Brüssel leisten und nicht durch den gen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist damit Deutschen Bundestag!) bei Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion mit den Stim- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 192. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2001 18765

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) men der Koalitionsfraktionen und der PDS-Fraktion und Küchler, Dr. , Klaus (C) bei Enthaltung der FDP-Fraktion abgelehnt. Barthel (Starnberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeord- Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der neten , Ekin Deligöz, PDS auf Drucksache 14/7080? – Wer stimmt dagegen? – Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist damit mit den Stimmen aller Fraktionen mit Ausnahme der PDS, die der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE zugestimmt hat, abgelehnt. GRÜNEN Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Lebensbegleitendes Lernen für alle – Wei- Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei- terbildung ausbauen und stärken chen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetz- – zu dem Antrag der Abgeordneten Werner entwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen Lensing, , Dr. Maria Böhmer, wei- der Koalitionsfraktionen und der PDS gegen die Stimmen terer Abgeordneter und der Fraktion der von CDU/CSU und FDP angenommen. CDU/CSU Dritte Beratung Zukunftsorientierte Weiterbildung durch Eigenverantwortung und Selbstorganisa- und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem tion – Ein Paradigmenwechsel Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf – zu dem Antrag der Abgeordneten Maritta ist damit bei den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie zu- Böttcher, Dr. , Dr. Klaus Grehn, vor in dritter Lesung angenommen. weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Für ein Bundesrahmengesetz zur Weiter- bildung Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Rechts- ausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksachen 14/6435, 14/3127, 14/5312, zur Modernisierung des Schuldrechts; Drucksachen 14/6170, 14/7005 – 14/6857 und 14/7100. Der Ausschuss empfiehlt, den Berichterstattung: Gesetzentwurf für erledigt zu erklären. Wer stimmt für Abgeordnete Dr. Ernst Dieter Rossmann diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Werner Lensing Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist damit Christian Simmert einstimmig angenommen. (B) (D) Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b sowie Maritta Böttcher Zusatzpunkt 5 auf: ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre- Pieper, Ulrike Flach, Birgit Homburger, weiterer gierung Abgeordneter und der Fraktion der FDP Berufsbildungsbericht 2001 Anforderungen an die Weiterbildung – Drucksache 14/5946 – – Drucksache 14/7075 – Überweisungsvorschlag: Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen- Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen- abschätzung (f) abschätzung (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Finanzausschuss Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Tourismus Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Haushaltsausschuss Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Widerspruch. Dann ist so beschlossen. richts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin spricht Technikfolgenabschätzung (19. Ausschuss) für die Bundesregierung die Bundesministerin Edelgard – zu dem Antrag der Abgeordneten Ernst Bulmahn. Frau Ministerin, Sie haben das Wort. Küchler, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Doris Ich bitte diejenigen Kollegen, die dieser Debatte nicht Barnett, weiterer Abgeordneter und der Frak- beiwohnen wollen, den Saal zu verlassen. – Frau Pieper, tion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. ich bitte Sie, das Gespräch zu beenden. – Frau Ministerin, Reinhard Loske, Hans-Josef Fell, Grietje ich denke, dass genügend Ruhe eingekehrt ist. Bettin, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN , Bundesministerin für Bildung Weiterbildung im Bildungssystem veran- und Forschung: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Her- kern – Chancengleichheit stärken ren und Damen! Eine gute und qualifizierte Berufsaus- – zu dem Antrag der Abgeordneten Ernst bildung ist die wichtigste Zukunftsvorsorge, die wir über-