Der Nebenkanzler Finanzminister Wolfgang Schäuble Ist Der Wichtigste Minister Im Schwarz-Gelben Kabinett
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REGIERUNG Der Nebenkanzler Finanzminister Wolfgang Schäuble ist der wichtigste Minister im schwarz-gelben Kabinett. Die FDP will ihn zu einer großen Steuerreform zwingen, er will sparen. Mit Merkel hat er sich zusammengerauft – vorerst. PHILIPP GUELLAND / DDP olfgang Schäuble sitzt im Sessel Genau deshalb hat Schäuble gute Aus- Schwarz-Gelb will Steuern auf Pump sen- einer kleinen „Challenger“ der sichten, der starke Mann des Kabinetts zu ken und den Haushalt konsolidieren. Ei- WBundeswehr und lobt Angela werden, der neue Nebenkanzler. Schon gentlich geht das nicht, aber Wolfgang Merkel. Er lobt ihre Intelligenz und ihren steht er im Zentrum eines ersten Zerwürf- Schäuble weckt bei vielen die Hoffnung, Sinn fürs Detail, er schwärmt von ihrem nisses der schwarz-gelben Regierung: Soll dass er es irgendwie doch hinbekommt, Charme. Sein Pressesprecher wirft ein, dass es eine große Steuerreform geben oder mit Erfahrung, Raffinesse, Härte und In- sie über einen starken politischen Instinkt nicht? FDP-Chef Guido Westerwelle fin- tellekt. verfüge. „Stimmt“, pflichtet Schäuble bei, det ja, CSU-Chef Horst Seehofer findet Er ist nun der alte Fuchs der deutschen „sie hat einen guten Instinkt.“ nein, Merkel findet irgendwas dazwischen, Politik, er hat es geschafft, seine Behinde- Die Maschine schwebt von Brüssel nach und Schäuble muss die Lösung finden. rung vergessen zu machen. Der Rollstuhl Berlin, es ist der Dienstag vergangener Wo- Die neue Regierung hatte einen misera- wurde bei ihm zum Symbol einer eigenen che, Schäuble war beim Treffen der EU-Fi- blen Start, weil sie sich auf keine einheit- Autorität, die sich aus der Meisterung eines nanzminister. Er hat jetzt genug vom Loben liche Interpretation ihres schwammigen schwierigen Schicksals speist. und beginnt über Merkels Schwächen zu und widersprüchlichen Koalitionsvertrags Schäuble war kein herausragender In- reden. Sie habe ja gern pflegeleichte Leute einigen konnte. Es hagelte Kritik, und nenminister, er irritierte durch alarmisti- um sich, sagt der neue Finanzminister der wenn es doch einmal Lob gab, dann galt es sche Sätze und stoppelte sich etwa ein CDU. Er lässt den Satz kurz stehen, und die Merkels Entscheidung, Wolfgang Schäuble neues BKA-Gesetz samt Online-Durchsu- Frage liegt nahe, ob er auch zu diesem Ty- zum Finanzminister zu machen. chung zusammen. Aber er erwarb sich die pus gehört. Er lehnt sich zurück und sagt: Seine Aufgabe ist es nun, das Paradox Aura eines Mannes, der das Wesen von „Ich bin nicht pflegeleicht.“ des Regierungsprogramms aufzulösen. Politik geistig durchdringt, der die Proble- 22 der spiegel 47/2009 Deutschland me ernsthaft angeht, er steht für Politik nung zu bringen. Dazu zwingt ihn die um den Erkenntnisfortschritt der FDP zu ohne Schmuck und Schnörkel. deutsche Schuldenbremse genauso wie der befördern. Deshalb kassiert er diese Vorschusslor- europäische Stabilitätspakt. Beide Vorga- Dabei spielen sie in verteilten Rollen. beeren. Nun muss er zeigen, ob er klar- ben will Schäuble einhalten. Das versprach Während Merkel in ihrer Regierungser- kommt im Interessengestrüpp von Kanz- er EU-Kommissar Joaquín Almunia und klärung am Dienstag vergangener Woche lerin, Ministerpräsidenten, CDU, CSU und seinen Amtskollegen bei seinem Antritts- mit FDP-Vokabular ein „einfaches, niedri- FDP. Zur Frage der großen Steuerreform besuch in Brüssel. ges und gerechtes“ Steuersystem, Stufen- verkündet Seehofer schon, die FDP werde An die Schuldenbremse, also jene neue tarif inklusive, ankündigt, relativiert „sich langsam von diesen Illusionen ver- Vorschrift im Grundgesetz, die dem Bund Schäuble bei jeder Gelegenheit. abschieden müssen“ (siehe Interview Sei- neue Schulden ab 2016 fast komplett ver- Ein großer Wurf sei nicht zu erwarten, te 24). Westerwelle findet dagegen, seine bietet, fühlt sich der ehemalige Verfas- mit dem Einsatz von knapp 20 Milliarden Partei habe „das denkbar beste Rezept ge- sungsminister besonders gebunden. „Also Euro lasse sich kein grundsätzlich neues 2008 2009 2010 PLANUNG 11,5 Ausnahme- zustand Nettokreditaufnahme des Bundes, in Milliarden Euro 49,1 Quelle: BMF Nettokreditauf- nahme des Bundes in Prozent des BIP: 3,5% Bisheriger Rekord: 2,8% im Jahr 1975 Regierungschefin Merkel, 86,1 Unionspolitiker* STEFAN BONESS / IPON STEFAN gen die Wirtschaftskrise“ (siehe SPIEGEL- werden wir 2011 mit der Konsolidierung Steuersystem basteln, sagt er. Von der Gespräch Seite 26). beginnen“, sagt er. Lieblingsidee der Liberalen, einen Stufen- Der nächste schwierige Termin für Das Vorhaben stößt sich aber mit den tarif zu installieren, hält der neue Finanz- Schäuble ist die Koalitionsklausur in dieser Steuerplänen der Regierung, denn ab 2011 minister ohnehin nichts. Früher schon be- Woche. Für den Steuerstreit hat Merkel will sie die Bürger um knapp 20 Milliarden zeichnete er das Konzept als „Mätzchen“, zweieinhalb Stunden eingeplant, aber Euro entlasten, was die Etatnöte verschärft. auch heute findet er kaum freundlichere Schäuble hat bereits klargemacht: „Wir Rund 50 Milliarden Euro, haben Regie- Worte, da ein Stufentarif als besonders teu- werden in der Klausurtagung nicht eine rungsexperten ausgerechnet, muss Schäuble er für den Fiskus gilt. zweite Koalitionsverhandlung machen.“ bis zum Ende der Wahlperiode sowieso ein- Merkel hegt ähnliche Vorbehalte. Der Nach außen gibt er sich koalitionstreu. sammeln, um den Bundeshaushalt konsoli- Stufentarif ist für sie ein Zugeständnis an Einen Widerspruch zwischen den Zielen dieren zu können. Steuernachlässe ab 2011 die FDP, keine Herzenssache. Der bislang der neuen Regierung, die Steuern zu sen- sind dabei nicht eingerechnet. übliche linear-progressive Tarif, dessen ken und gleichzeitig den Bundeshaushalt Schäuble und seine Kanzlerin wissen, Sätze mit zunehmendem Einkommen stei- wieder in Ordnung zu bringen, mag er dass beide Ziele zusammen kaum zu er- gen, bestehe doch auch aus Stufen, sagt nicht erkennen. „Wir müssen beides hin- reichen sind. Das öffentliche Eingeständnis die studierte Physikerin, nur eben aus ganz bekommen, beides ist notwendig.“ wollen sie in den Sommer nächsten Jahres vielen. Ihr Finanzminister Schäuble ver- Dabei hat der Finanzminister in stillem verschieben. Bis dahin, so hoffen die bei- weist in seinen Gesprächen mit Liberalen Einverständnis mit seiner Kanzlerin längst den, haben sich auch die Liberalen von eine Entscheidung getroffen, welches Ziel ihren Wolkenschiebereien verabschiedet. * Roland Koch, Peter Müller, Ronald Pofalla, Friedbert ihm wichtiger ist: den Haushalt in Ord- In der Zwischenzeit wollen sie alles tun, Pflüger am 26. Oktober in Berlin. der spiegel 47/2009 23 Deutschland gern darauf hin, dass Deutschland in der Statistik der Industrieländerorganisation OECD schon heute als Land mit Stufentarif geführt werde, wegen zahlreicher kleiner Treppen im Steuerverlauf. Die beiden sind auf gutem Weg, die FDP mit ihrer Zermürbungstaktik in die Knie zu zwingen. Denn angesichts der desolaten Haushaltslage gelten Steuersenkungen der- zeit als unpopulär. Der Sachverständigen- rat lehnt sie in seinem jüngsten Jahresgut- achten als überflüssig ab, selbst die Mehr- heit der Bevölkerung hält nichts davon. Schäuble sorgte dafür, dass im Koali- tionsvertrag alle Vorhaben unter einen Fi- nanzierungsvorbehalt gestellt wurden. Nun CSU-Chef Seehofer muss er seine Kabinettskollegen zur Spar- DAVID W CERNY / REUTERS DAVID samkeit verpflichten. Die Bilanz bislang ist gespalten. Vergangene Woche war Philipp Rösler bei ihm, der junge Gesundheitsminister „Nicht praxistauglich“ von der FDP. Über eine Stunde unterhiel- ten sich das jüngste und das älteste Kabi- Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, 60, über die Steuerpolitik nettsmitglied über die schwierige Finanz- der FDP und die Finanzierung des Gesundheitswesens lage der gesetzlichen Krankenversicherung und Schäubles politisches Meisterstück, SPIEGEL: Herr Ministerpräsident, in Ber- politik. Sie wirft Ihnen vor, den Koali- den Einigungsvertrag. lin tobt ein Streit über den Kurs in der tionsvertrag zu missachten. Am Ende hatte der Alte eine erfreuliche Steuerpolitik. Die FDP will mit aller Seehofer: Wir haben im Koalitionsver- Nachricht für den liberalen Nachwuchs- Macht eine grundlegende Steuerreform trag vereinbart, dass wir die Bürger politiker. Nächstes Jahr sollen die Kranken- mit einem Stufentarif, CDU-Finanz- um 24 Milliarden Euro entlasten, mög- kassen aus dem Bundesetat 3,9 Milliarden minister Wolfgang Schäuble stemmt lichst ab dem Jahr 2011. Davon sind Euro mehr erhalten. Rösler war zufrieden. sich dagegen. Was will die CSU? schon 5 Milliarden Euro verplant, für Der Zuschuss schmälert das Defizit der Seehofer: Ich bin dafür, dass wir den die Erhöhung des Kindergelds und Kassen, das Experten der Regierung auf Koalitionsvertrag einhalten. Das heißt, der Kinderfreibeträge im nächsten rund 7,5 Milliarden Euro beziffern. wir werden in einem ersten Schritt zum Jahr. Bleiben also noch 19 Milliarden Arbeitsminister Franz Josef Jung erleb- 1. Januar 2010 Familien und Unterneh- Euro. Mit diesem Geld sollen die klei- te eine andere Seite Schäubles. Er wollte, men zusätzlich um acht Milliarden nen und mittleren Einkommen ent- dass auch Hartz-IV-Empfänger von der Euro entlasten. Das ist ein großer lastet sowie die sogenannte kalte Pro- Kindergelderhöhung profitieren. Norma- Brocken. Im kommenden Jahr werden gression deutlich reduziert werden. lerweise wird das Kindergeld mit Leistun- wir dann nach der Steuerschätzung im Dazu stehen wir. gen aus dem Arbeitslosengeld II verrech- Mai darüber reden, wie es weitergeht. SPIEGEL: Die FDP will nicht nur