Deutschland

CDU-Politiker Bosbach „Ich möchte kein Problembär sein“

Merkel erstritten hat, sitzt Bosbach im Frühstücksraum des Hotels Malerwinkel in Bensberg, in seinem Wahlkreis. Er hat seinen Terminkalender mitgebracht, Tag für Tag will er belegen, wie er aus dem Herzen der Fraktion an ihren Rand ge - drängt wurde. Wie er bei der Entschei - dung über die Euro-Rettung seinem Ge - wissen folgte und damit zum Außenseiter bei seinen Parteifreunden wurde – und zum Gegner seines Freundes. Bosbach ist schwer krank. Er hat seit Jahren einen Herzschrittmacher und F I kämpft gegen den Krebs. Aber jetzt ist A L

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T noch ein politisches Leiden hinzugekom - I E Z

E men. Er steht am Rande seiner Fraktion, I D

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in Isolationshaft. Es ist, als wenn man ei - E T T

O nen Lebensnerv abgezwackt hätte. K

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T Anfang Juni meldet sich Bosbach in A N

A der Sitzung der Unionsfraktion zu Wort: „Ich habe erhebliche Zweifel, dass immer größere Rettungsschirme immer größere CDU Probleme dauerhaft lösen können.“ In Griechenland könne man sehen, dass die - se Strategie nicht aufgehe. „Stattdessen In Isolationshaft verlagern wir gigantische Risiken auf zu - künftige Generationen, ohne dass wir die Die Union ist Wolfgang Bosbachs politische Heimat, mit Probleme dauerhaft lösen und die wirk - lich entscheidenden Fragen beantwor - Fraktionschef ist er eng befreundet. Doch bei der ten.“ Er bekommt kräftigen Applaus. Euro-Rettung finden sich beide auf gegnerischen Seiten. Ende August kommt die Fraktion zu einer Sondersitzung zusammen. Die Ab - olfgang Bosbach sitzt im Auto ander auf, zum Teil auch Bevölkerungen, stimmung zum Rettungsschirm rückt nä - und greift zum Handy. Er ist Franzosen gegen Deutsche, Deutsche ge - her. Nun drehen sich die Debatten nicht Waufgewühlt, er kann nicht fas - gen Griechen. Aber Politik ist oft auch mehr um den Euro, jetzt geht es um die sen, was passiert ist. Eben hat ihm Kanz - eine Prüfung für die Freundschaft von Regierung – und damit um die Abweich - leramtsminister Ronald Pofalla an den Politikern. Manche sagen, es könne sie ler. Der Applaus für Bosbach wird dün - Kopf geworfen, er könne seine „Fresse“ auf Dauer nicht geben. ner. „Ab dann ging es kaum noch um die nicht mehr sehen. Bosbach muss das los - Bosbach und Kauder streiten über die richtige Strategie zur Lösung der Staats - werden, und deshalb schreibt er eine SMS Frage, ob ein Abgeordneter bei einer schuldenkrise“, erinnert sich Bosbach. an einen Mann, der ein Freund ist, Volker wichtigen Abstimmung seiner Überzeu - „Die Frage lautete: eigene Mehrheit, Kauder, Chef der Unionsfraktion im Bun - gung folgen darf oder sich der Linie sei - Kanzlermehrheit – ja oder nein.“ destag. Bosbach ist Mitglied dieser Frak - ner Fraktion unterordnen muss. Verzwei - Volker Kauder erhöht den Druck auf tion. „Ich bin gerade auf ganz üblem Ni - felt versuchen sie zu verhindern, dass es die Abweichler, höflich, aber energisch. veau beleidigt worden“, schreibt er. Kurz über dem Streit in der Sache zum per - Anfang September eröffnet er eine Frak - darauf liest er Kauders Antwort: „Wir sönlichen Bruch kommt. tionssitzung mit dem Hinweis auf die Er - bleiben doch Freunde.“ Knapp eine Woche nachdem Volker gebnisse einer Umfrage der Meinungsfor - Geht das? Können sie noch Freunde Kauder die Kanzlermehrheit für Angela scherin Renate Köcher: Das Wichtigste bleiben, nach all dem, was passiert ist? im bürgerlichen Lager sei die Geschlos - Bosbach, 59, und Kauder, 62, sind seit senheit. „Ab diesem Moment wurden wir langem befreundet, sie sind aus dem glei - Kritiker zu Problemfällen, denn wir stör - chen Holz geschnitzt, beides Typen, wie ten ja diese Geschlossenheit“, sagt Bos - sie die Union nicht mehr oft hat. Konser - bach. Er fühlt sich als Störfall. vativ und christlich, in der Mitte der CDU Eine Sitzung später sagt Kauder: „Die - zu Hause, bei schwierigen Themen wie jenigen, die meinen, nicht zustimmen zu der Patientenverfügung oder der For - können, sollten auch mal an einem Mikro schung an embryonalen Stammzellen vorbeigehen.“ Er denkt dabei an alle Ab - standen sie auf derselben Seite. Doch jetzt weichler, vor allem aber an den Haushäl - sind sie an einem Punkt, wo der eine in ter Klaus-Peter Willsch. Es gibt viel Ap - seiner Cheffunktion der Kanzlerin folgen plaus, Bosbach bezieht den Satz auf sich.

will und der andere seinem Gewissen. E Kauder und Bosbach verabreden sich D . O

Es geht um den Euro. Bosbach hat ge - T zum Gespräch, in der Woche vor der Ab - O F N

gen den erweiterten Rettungsschirm EFSF H stimmung. Kauder zückt eine Ausgabe O R gestimmt und damit gegen die Bundes - K des „Stern“. Willsch darf dort seitenlang regierung. Auf der großen Ebene bringt Fraktionschef Kauder, Abgeordnete seine Ansichten verbreiten. Muss es denn die Währungskrise Regierungen gegenein - Das Wichtigste ist Geschlossenheit jede Talkshow sein?, fragt Kauder seinen

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Freund. „Ich war doch nur bei Maybrit se im Fernsehen. Ich kann deine Fresse Illner“, sagt Bosbach. Er hat einen Zettel nicht mehr sehen.“ Pofalla packt seine dabei, auf dem notiert ist, welchen Fern - Akten, strebt zum Ausgang. Bosbach ist sehsendungen er abgesagt hat. Kauder verdattert, ruft dann: „Ronald, bleib doch sagt: Wolfgang, du bringst die Kollegen mal stehen.“ Pofalla bleibt nicht stehen, in Schwierigkeiten. Bosbach weiß das. Die ruft im Gehen: „Du machst mit deiner anderen Abgeordneten werden in ihrem Scheiße alle Leute verrückt.“ Bosbach: Wahlkreis gefragt, warum sie so folgsam „Ronald, warte mal, hast du mal ins sind, der Bosbach traue sich doch auch. Grundgesetz geschaut, das ist für mich Kurz vor der Abstimmung spricht ihn eine Gewissensentscheidung.“ Pofalla hat ein Kollege an: „Du hast jetzt vier Wo - die Tür erreicht, eilt zum Wagen: „Ich chen deine Show gehabt, aber jetzt kann deine Scheiße nicht mehr hören.“ stimmst du doch zu?“ – „Nein“, sagt Bos - Bosbach fährt nach Hause, schreibt die bach. Die Stimmung wird feindselig. SMS an Kauder. Bosbach will bei seinem Nein bleiben, Am Tag darauf erreicht ihn am Nach - DIPLOMATIE aber nicht zum Oppositionsführer inner - mittag eine SMS Pofallas. Vier dürre Wor - halb der eigenen Fraktion werden. Not - te des Bedauerns. Kleiner, unpersönlicher falls will er sich auf die Innenpolitik be - kann man sich nicht entschuldigen. Karlsruher schränken, sein Thema, und 2013 nicht „Ich kann mir das nur mit diesem enor - mehr kandidieren. „Sollte ich auf Dauer men Druck erklären, unter allen Umstän - das Gefühl haben, eigentlich ist deine den die Regierungsmehrheit zu schaffen“, Grabenkriege Meinung und Überzeugung nicht gefragt, sagt Bosbach im Hotel Malerwinkel. Diese Woche kann denn oberstes Ziel ist die Geschlossenheit, Nach der Abstimmung über den Ret - muss ich daraus Konsequenzen ziehen“, tungsschirm ruft ihn die Kanzlerin an. unbeschwert in die Mongolei sagt er. „Ich möchte nicht auf Dauer der „Hör mal, Wolfgang, das sind jetzt schwie - reisen. Ein in Berlin angeklagter Problembär sein.“ rige Tage“, sagt sie. Der Name Pofalla Geheimdienstmann des Landes In der Woche vor der Abstimmung fällt nicht, aber für Bosbach ist klar: Mer - ist längst auf freiem Fuß. schließen Kauder und Bosbach eine Art kel will ihn in der Unionsfamilie halten. „Lass uns treffen“, sagt Merkel. „Sofort“, taatsbesuche unterliegen weltweit sagt Bosbach. Nein, das gehe nicht. strengen, lange vorher festgelegten „Nächste Sitzungswoche?“, fragt Bosbach. SZeremonien. Deswegen auch ist be - Nee, sagt Merkel, lieber früher. Der Ter - kannt, welches Programm die Bundes - min ist an diesem Freitag. kanzlerin am Donnerstag dieser Woche Bosbach will in der Fraktion bleiben, in der Mongolei, dem Zentrum des alten aber da sind auch seine Überzeugungen. Dschingis-Khan-Reichs, absolvieren wird: „Ein großer Teil der Bevölkerung zweifelt Empfang in der Hauptstadt Ulan Bator stark daran, dass der eingeschlagene Weg mit militärischen Ehren durch den Minis - zum Erfolg führt, und an der Parteibasis terpräsidenten, Gespräch mit dem Staats - hält sich die Begeisterung auch in Gren - präsidenten, dann Mittagessen mit dem zen. Da kann man nicht die Haltung ein - Ministerpräsidenten.

P nehmen, weil die Bürger nicht alle Details Zwischendurch, exakt um 10.15 Uhr, D D

/ kennen, müssen sie sich halt auf die Re - soll ein Handelsabkommen unterzeichnet R E L

D gierung verlassen.“ werden. Die Mongolei gilt als hochattrak - A T S

D Merkel, Kauder, sie alle müssten mehr tives Schwellenland, arm an Menschen L O

H für ihren Kurs werben, sagt er. Wenn man zwar, aber reich an Kohle, Eisenerz, Kup - T R E

B schon weitere Souveränitätsrechte an fer oder Gold, entsprechend großzügig Kanzlerin Merkel, Helfer Pofalla Europa abgeben wolle, „geht das nicht leistet Berlin Entwicklungshilfe: Pro Jahr „Enormer Druck“ ex cathedra und auch nicht hau ruck wie sind es etwa 25 Millionen Euro. bei der Abschaffung der Wehrpflicht oder Viel Gesprächsstoff also für die weni - Waffenstillstand. „Weißt du was, Volker, der Energiewende. Da muss man die gan - gen Stunden Aufenthalt, keine Zeit wahr - bis Donnerstag mache ich nichts mehr. ze Partei überzeugen, nicht nur auf Re - scheinlich für den Fall Khurts. Dabei ist Ich will dann aber auch in Ruhe gelassen gionalkonferenzen.“ dieser Fall, der in der Mongolei spielt so - werden.“ Sie geben sich die Hand darauf. Donnerstag, wenige Stunden nach der wie in Frankreich, Belgien, Großbritan - Eine Anfrage des „Morgenmagazins“ Abstimmung über den Rettungsschirm, nien und in Deutschland, ein veritabler lehnt Bosbach ab. steht Bosbach wieder im Dienst seiner Polit-Krimi, der im Streit zwischen hoch - Am Montag vor der Abstimmung tagt Fraktion. Die Opposition will Arbeitsmi - noblen Institutionen deutschen Rechts - die NRW-Landesgruppe der Bundestags - nisterin ins Parla - wesens mündet: der Bundesanwaltschaft fraktion. Es gibt eine Probeabstimmung ment zitieren, die Union will das verhin - und dem Bundesgerichtshof. zum Rettungsschirm, drei Gegenstimmen. dern. Es kommt zum Hammelsprung, bei Und der, wie bei einem Krimi üblich, Die Sitzung ist zu Ende, einige sitzen dem die Abgeordneten den Plenarsaal mit einem Mord beginnt. noch zusammen, auf einmal hört Bosbach verlassen und dann an unterschiedlichen Ulan Bator, 2. Oktober 1998. Ein mas - seinen Kollegen , Eingängen wieder reingehen, um gezählt kiertes Duo, vielleicht auch ein ganzes auch einen Abweichler. „Was ist denn zu werden. Kommando, dringt in das Haus von San - jetzt los“, fragt Linnemann Kanzleramts - Bosbach ist da, natürlich, wie in alten jasuuren Zorig ein, dem jungen Infrastruk - chef Pofalla recht laut. „Du bist doch gar Zeiten stimmt er mit seiner Partei. Eine turminister und führenden Mitglied der nicht gemeint“, blafft Pofalla und zeigt Hand schlägt ihm von hinten auf die Nationaldemokraten, mit bester Aussicht auf Bosbach, „sondern der da.“ Schulter. Es ist die Hand des Freundes. auf den Posten des Regierungschefs. Mit Dann geht er Bosbach frontal an. „Je - „Na, geht doch“, sagt Kauder. Bosbach Messerstichen und Axthieben wird Zorig den Abend sehe ich dich mit deiner Fres - sagt nichts. PETER MÜLLER getötet. Das brutale Verbrechen ist ein

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