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Trinkwasser im Landkreis

TRINKWASSER IM LANDKREIS

TUTTLINGEN

Bericht zur Wasserversorgung und -qualität

Gesundheitsberichterstattung 0 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

IMPRESSUM PRESSM

Landratsamt Tuttlingen Gesundheitsamt Gesundheitsberichterstattung Werderstraße 19 78532 Tuttlingen

07461 - 926 4213 [email protected]

Redaktion: Dr. Dietmar Pommer unter Mitarbeit von: Dirk Krafft

Tuttlingen, 27.08.2020

Titelbild Roger McLassus; 2006. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 (Bild neu ein- gefärbt). Zugriff unter https://commons.wikime- dia.org/wiki/File:2006-02-13_Drop-impact.jpg am 30.09.2019

1 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT 3

ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNGEN 4

EINFÜHRUNG

Untersuchung der Trinkwasserqualität 6

Untersuchungspflicht auf Legionellen 7

Exkurs Legionellen 8

Überwachung der Trinkwasserqualität 9

Trinkwasseraufbereitung 10

Warnung der Bevölkerung bei Trinkwasserproblemen 12

METHODIK DER DATENERHEBUNG 13

ERGEBNISSE

Struktur- und Prozessdaten

Trinkwasserversorgung im Landkreis Tuttlingen 14

Trinkwasserverbrauch im Landkreis Tuttlingen 15

Trinkwasserpreise im Landkreis Tuttlingen 17

Investitionen in die Trinkwasserversorgung im Landkreis Tuttlingen 18

Trinkwasserqualität

Ergebnisse der Trinkwasseruntersuchungen im Landkreis Tuttlingen 19

Legionellenmeldungen im Landkreis Tuttlingen 19

radioaktive Stoffe im Trinkwasser des Landkreises Tuttlingen 20

Sanierungsbeispiel einer Wasserversorgungsanlage im Landkreis Tuttlingen 21

Warnung vor Trinkwasserproblemen in Baden-Württemberg 22

DISKUSSION 23

LITERATUR 32

2 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

VORWORT

„Wenn der Brunnen trocken ist, schätzt man erst das Wasser.“

Dieses arabische Sprichwort bringt unsere Beziehung zu Trinkwas- ser auf den Punkt. Wir haben uns daran gewöhnt, dass sauberes Trinkwasser zu jeder Zeit und uneingeschränkt zur Verfügung steht. Sauberes Trinkwasser ist für uns zur Selbstverständlichkeit geworden!

Wir vergessen dabei allzu oft, welcher große Aufwand notwendig ist, um die Versorgung mit sauberem und genussfähigem Trinkwasser sicherzustellen. Denn sau- beres Trinkwasser ist mitnichten eine Selbstverständlichkeit. Es erfordert ein ausgeklügeltes Wassergewinnungs-, Versorgungs- und Kontrollsystem, um Trinkwasser jederzeit in ausreichen- der Menge und guter Qualität bereitzustellen.

Wir dürfen daher nicht sorglos mit der wertvollen Ressource „Wasser“ umgehen. Die Trink- wassersysteme sind sehr sensibel und reagieren empfindlich auf äußere Einflüsse. Gerade tro- ckene und heiße Sommer wie in den letzten Jahren stellen die Wasserversorger dabei vor große Herausforderungen.

Die Trinkwasserversorgung hat für die Städte und Gemeinden in unserem Landkreis eine hohe Priorität. Der vorliegende Bericht soll für dieses wichtige Thema sensibilisieren und Hinter- grundinformationen zur Trinkwasserversorgung in unserem Landkreis liefern. Das Fazit des Be- richts ist dabei sehr erfreulich:

Das Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen hat eine ausgezeichnete Qualität und kann uneingeschränkt konsumiert werden!

Stefan Bär Landrat

3 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

ZUSAMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNGEN

ALLGEMEINES

Sauberes Trinkwasser ist von großer Bedeutung für die Gesundheit. Die Trinkwasserhy- giene hat entscheidend dazu beigetragen, Infektionskrankheiten und Seuchen in den In- dustrieländern einzudämmen und die Öffentliche Gesundheit zu verbessern.

Der Zugang zu sauberem Trinkwasser wurde von der UN als Menschenrecht deklariert. Trinkwasser gehört damit zu den elementaren Bereichen der Daseinsvorsorge. Die Priva- tisierung von Trinkwasserversorgungsanlagen ist vor diesem Hintergrund kritisch zu hin- terfragen.

STRUKTUR- UND PROZESSDATEN

Die Trinkwasserversorgung im Landkreis Tuttlingen wird zum überwiegenden Teil durch 6 überregionale Wasserversorgungsunternehmen und 18 regionalen Eigenvorkommen si- chergestellt. Bei den großen Wasserversorgern handelt es sich um öffentlich-rechtliche Ein- richtungen.

Die Städte und Gemeinden im Landkreis Tuttlingen investieren große Summen in die Trinkwasserversorgung. Insgesamt wurden in den vergangenen 10 Jahren mehr als 15 Mio Euro für die Optimierung der Trinkwasserinfrastruktur ausgegeben.

Im Jahr 2016 wurden im Landkreis Tuttlingen im Durchschnitt täglich 104 Liter Trink- wasser pro Person an Haushalte und Kleingewerbe abgegeben. Der Trinkwasserver- brauch im Landkreis Tuttlingen liegt damit unter dem Landes- und Bundesdurchschnitt.

Insgesamt hat sich der private Pro-Kopf-Verbrauch im Landkreis Tuttlingen zwischen 1991 und 2010 um rund 15% verringert. In den Jahren 2013 und 2016 hat sich der Was- serverbrauch gegenüber den Vorjahren jedoch aufgrund trockener und heißer Sommer wieder erhöht. Der tägliche Wasserverbrauch in den Städten und Gemeinden des Land- kreises variiert dabei deutlich.

Eine Häufung trockener und heißer Sommer kann die Trinkwasserversorgung speziell bei kleineren regionalen Eigenvorkommen vor Probleme stellen.

4 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

TRINKWASSERQUALITÄT

Trinkwasser ist eines der am besten kontrollierten Lebensmittel. Für kein anderes Le- bensmittel gibt es eine vergleichbare Kontrolldichte mit derart strengen Grenzwerten wie für Trinkwasser.

Das öffentliche Trinkwasserversorgung im Landkreis Tuttlingen hat eine ausgezeichnete Qualität. Von insgesamt mehr als 500 Reinwasserproben im Jahr 2019 waren lediglich 3% zu beanstanden. Das im Landkreis an die Verbraucher abgegeben Trinkwasser kann daher uneingeschränkt konsumiert werden und ist auch für die Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern geeignet.

Neben den öffentlichen Wasserversorgern müssen auch Betreiber einer privat-gewerbli- chen oder öffentlichen Wasserversorgungsanlage das Wasser regelmäßig auf Legionellen untersuchen lassen. Das Unterlassen der Legionellenuntersuchungen kann eine Straftat darstellen, die mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder einer Geldstrafe geahndet wird.

Im Jahr 2019 wurden im Landkreis Tuttlingen im privat-gewerblichen Bereich 104 Fälle erhöhter Legionellenzahlen gemeldet. Die Anzahl der Meldungen hat sich damit seit 2012 nahezu verdreifacht. Die Ursachen für die erhöhten Legionellenzahlen waren Mängel im Bereich der Hausinstallationen.

Die bisher erfolgten Untersuchungen auf Radioaktivität haben im Landkreis Tuttlingen keine Hinweise auf eine erhöhte Strahlenbelastung des Trinkwassers ergeben. Eine end- gültige Beurteilung ist jedoch erst nach Abschluss aller Untersuchungen möglich. Die noch ausstehenden Untersuchungen sollten daher rasch nachgeholt werden.

5 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

EINFÜHRUNG

Der Körper des Menschen besteht zu 60- Um diese hohe Qualität sicherzustellen, 65% aus Wasser. Es ist in allen Geweben und wird Trinkwasser lückenlos kontrolliert und Organen enthalten und an sämtlichen lebens- überwacht. Wasser aus der Leitung kann daher wichtigen Vorgängen und Prozessen beteiligt. überall in Deutschland uneingeschränkt und Es dient im Körper als Lösungsmittel, Trans- ohne weitere Aufbereitung getrunken werden. portmittel, Kühlmittel, chemischer Reaktions- Es kann zum Kochen sowie für die Zubereitung partner und als Baustoff. Zur Aufrechterhaltung von Speisen und Getränken – auch bei Säug- der Körperfunktionen ist der Mensch daher lingen und Kleinkindern - verwendet werden. zwingend auf eine regelmäßige Wasserzufuhr Der vorliegende Bericht gibt einen Über- angewiesen. Der durchschnittliche Wasserbe- blick über die Trinkwasserversorgung und die darf eines Erwachsenen wird von der Weltge- Ergebnisse der Trinkwasseruntersuchungen sundheitsorganisation WHO auf zwei Liter pro im Landkreis Tuttlingen. Tag beziffert. Je nach Konstitution, körperlicher Aktivität und klimatischen Bedingungen kann der individuelle Bedarf jedoch beträchtlich vari- ieren. Bereits bei einem Wasserverlust von 3% Untersuchung der Trinkwasserqualität kommt es zu Beeinträchtigungen der körperli- chen und geistigen Leistungsfähigkeit. Wasser In Baden-Württemberg werden rund 70% ist damit das essentiellste Lebensmittel für den des Trinkwassers aus Grund- und Quellwasser Menschen überhaupt. gewonnen, knapp 30% stammen aus Oberflä- chenwasser (Fluss-, See-, Talsperrenwasser, Für eine optimale Versorgung muss Was- Uferfiltrat und angereichertes Grundwasser) ser für den menschlichen Gebrauch (=Trink- [8]. Die Anforderungen an das abgegebene wasser) von hoher Qualität sein. In Trinkwas- Trinkwasser sind in der Trinkwasserverord- ser dürfen keine Krankheitserreger enthalten nung TrinkwV festgelegt. Der Zweck der Ver- sein und das Wasser darf keine gesundheits- ordnung ist es, schädlichen Eigenschaften haben. Es muss zudem geschmacklich neutral, farb- und ge- „die menschliche Gesundheit vor den ruchlos sein (§4 Abs. 1 TrinkwV). nachteiligen Einflüssen, die sich aus der Verunreinigung von Wasser ergeben, ... zu schützen“. i „Trinkwasser muss so beschaffen Damit umfasst die Trinkwasserverordnung sein, dass durch seinen Genuss o- nicht nur das Wasser für den menschlichen

der Gebrauch eine Schädigung der Verzehr, sondern auch Wasser für andere menschlichen Gesundheit … nicht zu be- häusliche Zwecke, wie für die Körperpflege, die sorgen ist. Es muss rein und genusstaug- Reinigung von Gegenständen sowie Wasser lich sein.“ für Lebensmittelbetriebe. Dagegen gilt die (§4 Abs. 1 TrinkwV) Trinkwasserverordnung nicht für natürliches Mineral- und für Heilwasser.

6 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

Entsprechend § 4 TrinkwV muss Trinkwas- Nach § 14 TrinkwV haben die Wasserver- ser frei von Krankheitserregern, genusstaug- sorger die Qualität des von ihnen in den Ver- lich und rein sein. Die Trinkwasserverordnung kehr gebrachten Trinkwassers anhand dieser legt dazu für bestimmte Wasserinhaltsstoffe Grenzwerte regelmäßig zu untersuchen. Sie Grenzwerte fest, deren Einhaltung es erlaubt, dürfen für diese Untersuchungen nur entspre- das Wasser als Trinkwasser freizugeben. Da- chend akkreditierte Untersuchungsstellen be- bei ist zum Teil ein Indikatorprinzip verwirklicht, auftragen. Der Umfang und die Häufigkeit der bei dem einzelne Parameter stellvertretend die Untersuchungen sind in der Trinkwasserver- Belastung für eine ganze Gruppe verwandter ordnung festgelegt. Die Untersuchungsfre- Substanzen widerspiegeln. quenz hängt dabei von der täglich abgegebe- nen oder produzierten Wassermenge ab und steigt mit zunehmender Wassermenge. i Grenzwerte gemäß TrinkwV

mikrobiologische Anforderungen (§5 TrinkwV ) . Krankheitserreger dürfen nicht in krankmachender Anzahl vorhanden

sein Untersuchungspflicht auf Legionellen . Anlage 1 TrinkwV legt für 2 mikrobi-

ologische Parameter Grenzwerte Besondere Pflichten für die Inhaber einer fest (3 Grenzwerte, falls das Wasser Wasserversorgungsanlage gelten hinsichtlich

in Behältnisse abgefüllt wird) der Untersuchung auf Legionellen. Nach § 14b chemische Anforderungen (§6 TrinkwV) TrinkwV müssen die Betreiber einer Versor- . chemische Stoffe dürfen nicht in gungsanlage das Wasser regelmäßig auf Legi- krankmachender Anzahl vorhan- onellen untersuchen, wenn den sein . Anlage 2 TrinkwV legt für 27 che- . „aus der Wasserversorgungsanlage Trink- mische Parameter Grenzwerte fest wasser im Rahmen einer gewerblichen o- Indikatorparameter (§7 TrinkwV) der öffentlichen Tätigkeit abgegeben wird, . hier sind sowohl Grenzwerte, als auch sonstige Anforderungen an . sich in der Wasserversorgungsanlage eine Trinkwasser festgelegt (z. Bsp. Großanlage zur Trinkwassererwärmung be- Geruch, Geschmack, Färbung, findet und Trübung) . Anlage 3 TrinkwV legt 20 allge- . die Wasserversorgungsanlage Duschen o- meine Indikatorpa-rameter sowie der andere Einrichtungen enthält, in denen Legionellen als speziellen Indika- es zu einer Vernebelung des Trinkwassers tor-parameter fest kommt“ radiologische Anforderungen (§7a TrinkwV) (§14b TrinkwV) . Trinkwasser darf keine radioakti- ven Stoffe in relevanten Mengen aufweisen Als Wasserversorger gelten in diesem Zu- . Anlage 3a Teil I legt für 2 Parame- sammenhang also nicht nur die zentralen und ter sowie für die Richtdosis Grenz- dezentralen Wasserwerke, sondern alle Instal- werte fest lationen, aus denen Trinkwasser unter den oben genannten Voraussetzungen abgegeben

7 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

wird. Die Untersuchungspflicht auf Legionellen Im gewerblichen Bereich müssen die Unter- betrifft damit insbesondere im gewerblichen suchungen auf Legionellen mindestens alle Bereich drei Jahre, im öffentlichen Bereich mindestens jährlich* von einem akkreditierten Labor durch- . Besitzer von Mehrfamilienhäusern, die geführt werden. Kommt es dabei zu Über- Mieter haben (Anmerkung: Anlagen von Ein- und Zweifa- schreitungen des in der TrinkwV festgelegten milienhäusern sind von der Untersuchungs- Technischen Maßnahmenwerts für Legionel- pflicht ausgenommen) len, werden die Prüfberichte seit 01.01.2018 di- rekt vom untersuchenden Labor an das zustän- sowie bei öffentlichen Einrichtungen dige Gesundheitsamt übermittelt (§15a . Sporthallen TrinkwV). . Fitness-Studios

. Schwimmbäder *Anmerkung: . Hotels Sind bei einer öffentlichen Anlage in drei aufei- . Krankenhäuser nanderfolgenden Jahren keine Beanstandungen . Heime festgestellt worden, so kann das Gesundheitsamt auch längere Untersuchungsintervalle von bis zu drei Jahren festlegen. Diese Verlängerung der Un- tersuchungsintervalle ist jedoch nicht möglich in Be- reichen, in denen sich Patienten mit höherem Risiko für Krankenhausinfektionen befinden (z.Bsp. Kran-

kenhäuser, Dialyseeinrichtungen).

Exkurs: Legionellen

Legionellen sind stäbchenförmige, im Wasser Legionellen werden insbesondere durch Einat- lebende Bakterien, von denen rund 50 verschie- men von erregerhaltigem Aerosol übertragen. Infek- dene Arten existieren. Sie vermehren sich insbe- tionsgefahr besteht überall dort, wo es zu einer Ver- sondere in warmem Wasser. Heißes Wasser über nebelung des Wassers kommt (z.Bsp. beim Du- 60°C tötet die Bakterien dagegen ab. schen, in Whirlpools, durch raumlufttechnische An- lagen). Abb. 1: Legio- nella pneumo- Die wichtigste Form einer Legionelloseerkran- phila, 3D-Anima- tion eines elektro- kung ist die Legionärskrankheit. Dabei kommt es nenmikroskopi- nach einer Inkubationszeit von 2-10 Tagen zu ei- schen Bildes nem plötzlichen Krankheitsbeginn mit grippeähnli- (Bildnachweis: chen Symptomen (Fieber bis über 40°C) und CDC/ Sarah Bai- ley Cutchin. CDC schwerer Lungenentzündung. Besonders gefährdet Public Health sind Patienten mit einem geschwächten Immunsys- Image Library tem und/oder Herz-/Lungenvorerkrankungen. Die PHIL, identifica- Sterblichkeit liegt bei 5-10%. Die Erkrankung kann tion number #22879) mit Antibiotika behandelt werden.

8 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

Überwachung der Trinkwasserqualität

Die Ergebnisse der Wasseruntersuchun- Zusätzlich zu den Stichprobenuntersuchun- gen werden von den Wasserversorgern an die gen der Gesundheitsämter sind die Betreiber zuständigen Gesundheitsämter weitergeleitet, einer Wasserversorgungsanlage verpflichtet, denen die infektionshygienische Überwachung Überschreitungen der Grenz- und Technischen der Wasserversorgungsanlagen obliegt (§§18ff Maßnahmenwerte, die im Rahmen ihrer laufen- TrinkwV). Die Überwachung durch die Gesund- den Routinekontrollen festgestellt wurden, un- heitsämter umfasst dabei sowohl die regiona- verzüglich dem Gesundheitsamt mitzuteilen. len und überregionalen Wasserversorgungs- Sie sind ferner verpflichtet, Belastungen des anlagen, als auch Hausinstallationen, aus de- Rohwassers sowie alle sonstigen außerge- nen Wasser für Dritte oder die Öffentlichkeit wöhnlichen Vorkommnisse, die Auswirkungen bereitgestellt wird, wie beispielsweise Miet- auf die Beschaffenheit des Wassers haben wohnungen, Kindergärten, Schulen, Kranken- können, dem Gesundheitsamt zu melden. häuser, Alten- und Pflegeheime. Die Wasser- Bei Überschreitungen der Grenzwerte hat versorgungsanlagen werden von den Gesund- das Gesundheitsamt unverzüglich zu entschei- heitsämtern, mit Ausnahme der Hausinstallati- den, ob eine Gefährdung der menschlichen onen im gewerblichen Bereich, mindestens Gesundheit zu befürchten ist und Maßnahmen einmal jährlich überwacht. zur Gefahrenabwehr anzuordnen sind. Die Im Rahmen der Überwachung sind die Be- Dringlichkeit dieser Abhilfemaßnahmen richtet gehung der Wasserversorgungsanlagen ein- sich dabei nach dem Ausmaß der Überschrei- schließlich der dazu gehörenden Schutzzonen tung der Grenzwerte und dem Grad der Ge- sowie die Entnahme und Untersuchung von sundheitsgefährdung. Lässt sich eine Gesund- Wasserproben vorgesehen. Landesweit wer- heitsgefährdung durch einfache Abhilfemaß- den von den Gesundheitsämtern dabei an rund nahmen, wie beispielsweise einem Abkochge- 8.000 Entnahmestellen stichprobenartig Was- bot vor dem Verzehr, nicht ausschließen, ord- serproben genommen, die von den 4 Chemi- net das Gesundheitsamt die Unterbrechung schen und Veterinäruntersuchungsämtern der betroffenen Wasserversorgung an. CVUAs und dem Landesgesundheitsamt LGA analysiert werden. Im Jahr 2018 wurden in Ba- i Unterbrechung der Wasserversorgung den-Württemberg insgesamt knapp 8.000 „… wenn das Trinkwasser mit Krankheits- Wasserproben untersucht. Die Beanstan- erregern in Konzentrationen verunreinigt ist, die unmittelbar eine Schädigung der mensch- dungsquote lag bei den CVUAs bei 10,6% und lichen Gesundheit erwarten lassen, und beim LGA bei 7,7% [4]*. … wenn keine Möglichkeit besteht, das verunrei-

nigte Wasser … hinreichend zu desinfizieren, oder

… wenn durch chemische Stoffe in Konzentrati- *Die Beanstandungsquoten sind aufgrund der onen verunreinigt ist, die eine akute Schädi-

nicht repräsentativen Stichprobenauswahl sowie gung der menschlichen Gesundheit erwarten aufgrund von Mehrfach- und Wiederholungsunter- lassen.“

suchungen nicht repräsentativ für die allgemeine (§9 Abs. 3 TrinkwV) Trinkwasserqualität in Baden-Württemberg.

9 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

Trinkwasseraufbereitung

Entspricht das zur Verfügung stehende Das Ergebnis der Aufbereitung ist von den Rohwasser nicht den Anforderungen der Trink- Wasserversorgern regelmäßig zu überprüfen. wasserverordnung, dann ist es vor der Abgabe Über die Art und den Umfang der durchgeführ- an den Verbraucher aufzubereiten. Dies gilt ten Aufbereitungsverfahren sowie über die nach §5 Abs.5 TrinkwV insbesondere bei einer Qualität des zur Verfügung gestellten Wassers Kontamination des Rohwassers mit Mikroorga- haben die Wasserversorger den Verbraucher nismen. Die bei Wasseraufbereitung verwen- durch geeignetes und aktuelles Informations- deten Verfahren richten sich dabei nach dem material zu informieren (§21 Abs. 1 TrinkwV). im Rohwasser enthaltenen Stoffen. Damit wird sichergestellt, dass das Wasser an der Übergabestelle an die Hausinstallation den Anforderungen der Trinkwasserverordnung entspricht. i Aufbereitungsverfahren für Trink- wasser

. Schwebstoffe im Wasser werden durch Flockung aggregiert und anschließend mit Kiesfiltern herausfiltriert.

. anorganische Stoffe (z. Bsp. Eisen, Mangan) werden abiotisch und biotisch oxidiert und anschließend mit Kiesfil- tern herausfiltriert. . organische Stoffe werden durch Ad- sorption an Aktivkohle oder durch biolo- gischen Abbau entfernt. . bei biologische Verunreinigungen durch Bakterien und Viren wird das Rohwas- ser durch Ultrafiltration (Abbildung 1) o- der durch Einleitung von Ozon desinfi- ziert. Im Anschluss an die Desinfektion wird eine Wiederverkeimung im Lei- tungsnetz durch Transportchlorung ver- hindert. . Oberflächengewässer werden häufig

mit Ozon behandelt. Dadurch werden organische Stoffe sowie Eisen- und

Manganverbindungen oxidiert und das Rohwasser zugleich desinfiziert.

. weitergehende Wasseraufbereitungs- verfahren sind die Enthärtung und die

Teilentsalzung mit Ionenaustauschern, Abb. 2: Ultrafiltrationsanlage zur Trinkwasserauf- Osmose oder weiteren Membranverfah- ren bereitung

10 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

Der Aufwand der Wasseraufbereitung wird Verunreinigungen des Grundwassers kön- wesentlich durch die Qualität des zur Verfü- nen in der Regel durch die ordnungsgemäße gung stehenden Rohwassers bestimmt. Diese Ausweisung von Trinkwasserschutzgebieten hängt bei der Nutzung von Grundwasser vor al- vermieden werden. Zu Problemen kann es al- lem von den Filtereigenschaften des geologi- lerdings bei Verschmutzungen in der unmittel- schen Gesteinsaufbaus ab. Das im Landkreis baren Umgebung des Entnahmegebietes kom- Tuttlingen und der Schwäbischen Alb vorherr- men, die durch Niederschläge in das Grund- schende Karstgestein setzt der Versickerung wasser eingetragen werden. Auch eine inten- des Wassers nur einen geringen Widerstand sive landwirtschaftliche Nutzung im Einzugsge- entgegen. Das Wasser versickert daher rasch biet der Entnahmestelle kann problematisch für in tiefere Schichten, wodurch die natürliche Fil- die Wasserqualität. sein. So steigt durch einen terwirkung des Bodens eher gering ist. Diese zu starken Gülleaustrag unter Umständen der geologische Filterung ist umso größer, je tiefer Nitratgehalt des Grundwassers an. Der Was- das Wasser in das Erdreich einsickern kann. serversorger muss dann durch Absprachen mit Von Bedeutung für die Qualität des entnomme- der Landwirtschaft auf eine Reduzierung der nen Rohwassers ist daher auch, ob es sich um Einbringung hinwirken oder durch eine ent- oberflächennahes Grundwasser oder Wasser sprechende Wasseraufbereitung Trinkwasser- aus tieferen Schichten handelt. qualität sicherstellen.

Abb. 3: Kalkstein- Aufschluss am Dreifaltigkeitsberg

- das Karstgestein der Schwäbi-

schen Alb setzt der Versickerung nur einen gerin- gen Widerstand entgegen

(Bildnachweis: Rames- sos, Zugriff unter https://commons.wiki- me- dia.org/wiki/File:Kalk- steinaufschluss.jpg am 10.12.2019)

11 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

Neben dem Zustand des zur Verfügung ste- Warnung der Bevölkerung bei Trink- henden Rohwassers und der Güte der Wasser- wasserproblemen aufbereitung hat insbesondere der Zustand des Versorgungsnetzes wesentlichen Einfluss Neben den bekannten Warnungen in Print- auf die Wasserqualität. Die Wasserversorger medien, Hörfunk und Fernsehen haben die für sind daher für den ordnungsgemäßen Zustand die Gefahrenabwehr zuständigen Behörden ihres Leitungsnetzes verantwortlich. Allerdings seit Oktober 2016 die Möglichkeit, die Bevölke- endet die Zuständigkeit des Wasserversorgers rung zusätzlich per App über Verunreinigungen bei der Übergabe an die Hausinstallation, also des Trinkwassers zu informieren. Die offizielle am Hausanschluss. Nach §8 der Trinkwasser- Warn-App NINA (Notfall-Informations- und verordnung muss die Wasserqualität jedoch Nachrichten-App) wird über das satellitenge- auch noch direkt an der Entnahmestelle, also stützte Modulare Warnsystem MoWaS des am Wasserhahn, gewährleistet sein. Verant- Bundes angesteuert und kann in App-Stores wortlich für die letzten Meter im Bereich der kostenlos heruntergeladen werden. Hausinstallation ist dabei der Eigentümer der Über NINA können die Bürgerinnen und Liegenschaft. Zu Problemen können hier vor Bürger gezielt vor Gefahrensituationen ge- allem die in manchen Regionen Deutschlands warnt und entsprechende Verhaltenshinweise in alten Häusern verwendeten Bleirohre führen, gegeben werden. Die Meldungen können da- die zu einer überhöhten Schwermetallkonzent- bei sowohl für einen bestimmten Ort (z.B. den ration an Blei beitragen können. Kritisch sind in Wohn-/Arbeitsort), als auch für den aktuellen diesem Zusammenhang auch nicht zertifizierte Standort empfangen werden. Die betroffene Armaturen, aus denen ebenfalls Metalle her- Region kann zudem über eine Kartenansicht ausgelöst und ins Trinkwasser abgegeben wer- angezeigt werden. den können.

Ungünstig für die chemische und biologi- sche Wasserqualität sind weiterhin nur spora- dische Entnahmen aus dem Leitungsnetz so- wie das Vorhandensein nicht mehr genutzter Leitungsabschnitte (Totleitungen). Aufgrund der Stagnation des über längere Zeiträume in den Leitungen stehenden Wassers kann es zu massiven Verschlechterungen der biologi- schen und chemischen Wasserqualität kom- men. Probleme aufgrund einer unzureichen- den Entnahme werden daher vor allem bei sin- kender Nachfrage evident. So sind beispiels- weise in einigen ostdeutschen Kommunen re- gelmäßig Gegenmaßnahmen wie Spülungen und Notentnahmen durch die Wasserversorger notwendig, um die geforderte Wasserqualität trotz sinkender Abgabemenge aufrechtzuer- halten. Abb. 4: Logo der NINA-App

12 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

METHODIK DER DATENERHEBUNG

Im Gefahrenfall erfolgt die Meldung Zur Überprüfung der Wasserqualität lassen von den vor Ort für die Gefahrenabwehr die regionalen Wasserversorger die Analyse zuständigen Behörden (z.B. Katastro- der Proben in der Regel von akkreditierten phenschutz-, Polizei-, Gesundheitsbe- Fremdlaboren durchführen. Die überregiona- hörde) mittels eines einheitlichen Melde- len Versorger verfügen zum Teil über eigene formulars an die zentralen MoWaS-Einga- Analyselabore. Die Daten zur Trinkwasserqua- bestationen bei der Leitstelle der Feuer- lität entstammen diesen Wasseranalysen der wehr Reutlingen (Meldungen mit niedriger Wasserversorger. Priorität – Warnstufe 3) oder beim Lage- zentrum der Landesregierung beim Innen- Die mittels Zuwendungen geförderten In- ministerium (Meldungen mit mittlerer und vestitionsmaßnahmen in die Trinkwasserver- höchster Priorität – Warnstufen 2 und 1). sorgung im Landkreis Tuttlingen wurden vom Von den zentralen Eingabestellen wird die Wasserwirtschaftsamt des Landkreises Tuttlin- Meldung dann in NINA eingestellt und je gen zur Verfügung gestellt. nach Priorität der Meldung zusätzlich an Die Daten zu den NINA-Warnmeldungen die Medien übermittelt. wurden durch Abfrage beim Lagezentrum der Landesregierung beim Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württem- berg erhoben.

Abbildung 5: Meldeschema bei Warnmeldungen; Auszug aus dem Meldeformular des In- nenministeriums Baden-Württemberg

1. ERGEBNISSE

13 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

ERGEBNISSE

STRUKTUR- UND PROZESSDATEN

Trinkwasserversorgung im Landkreis Tuttlingen

Im Landkreis Tuttlingen sind 99,9% der Be- Die Trinkwasserversorgung der 35 Städte völkerung an die an die öffentliche Wasserver- und Gemeinden des Landkreises im Jahr 2019 sorgung angeschlossen [8]. Die Trinkwasser- verteilt sich auf diese Versorger wie folgt: versorgung wird dabei durch 6 überregionale . 19 Städte und Gemeinden mit Fremd- Wasserversorgungsunternehmen und 18 regi- versorgung onalen Eigenvorkommen sichergestellt. Diese . 5 Städte und Gemeinden mit Eigenver- werden ergänzt durch etwa 30 aktenkundige sorgung Eigen- und Einzelwasserversorgungen. Zu den im Kreis vertretenen überregionalen Versor- . 11 Städte und Gemeinden mit gemisch- gern gehören: ter Versorgung (Abb. 6).

. Bodensee-Wasserversorgung . Zweckverband unteres Aitrachtal

. Zweckverband Baarwasserversorgung

. Zweckverband Hohenberggruppe . Zweckverband Wasserversorgung Heu- berg rechts der Donau . Zweckverband Wasserversorgung Obe- rer Neckar

Abb. 6: Trinkwasserversorgung der Städte und Gemeinden im Landkreis Tuttlingen 2019

5 Fremdversorgung 19 Eigenversorgung

gemischte 11 Versorgung

14 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

Trinkwasserverbrauch im Landkreis Tuttlingen

Abbildung 7 zeigt die tägliche Wasserab- schnitts. Der Verbrauch im Landkreis Tuttlin- gabe pro Einwohner an Haushalte und Klein- gen lag niedriger und im Mittel 13,5% unter gewerbe in Deutschland, Baden-Württemberg dem durchschnittlichen Verbrauch in Baden- und im Landkreis Tuttlingen in den Jahren Württemberg. Im letzten Erhebungsjahr 2016 1991 bis 2016*. In allen Regionen zeigte sich wurden im Landkreis Tuttlingen durchschnitt- bis 2010 ein abnehmender Wasserverbrauch. lich 104 Liter/Tag an Haushalte und Kleinge- Seit 2013 ist der Wasserverbrauch wieder et- werbe abgegeben [7, 8]. was angestiegen.

Der Verbrauch im Land Baden-Württem- *Daten zum Wasserverbrauch werden von den Sta- berg lag dabei mit zuletzt 119 Litern/Tag in tistischen Ämtern nur alle 3 Jahre veröffentlicht. Die Ver- etwa auf dem Niveau des Bundesdurch- öffentlichung der Daten des Jahres 2019 erfolgt voraus- sichtlich im Frühjahr 2021.

Abb. 7: täglicher pro Kopf-Wasserverbrauch in Deutschland, Baden-Württemberg und im Landkreis Tuttlingen 1991-2016 [2, 3]

150 144

Liter/EW*d 132 129 140 127 126 122 123 131 121 121 120 127 124 123 119 117 116 115 116 114 109 109 106 104 102 101 99 90

60

30

Tuttlingen Baden-Württemberg Deutschland

0 1991 1995 1998 2001 2004 2007 2010 2013 2016

15 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

Innerhalb des Landkreises Tuttlingen diffe- sich die prozentuale Verteilung des Wasserver- rierte der tägliche Wasserverbrauch zwischen brauchs im Jahr 2016 wie folgt dar (Abbildung den einzelnen Städten und Gemeinden be- 8), [8]: trächtlich. So lag 2016 der Verbrauch in der Gemeinde mit dem höchsten Wasserver- . ≤90% des Ø-Verbrauchs: 10 Gemeinden brauch mit 127 Litern um mehr als 2/3 über der . 91-110% des Ø-Verbrauchs: 22 Gemein- Gemeinde mit dem niedrigsten Verbrauch mit den

76 Litern. Bezogen auf den pro Kopf-Durch- . <110% des Ø-Verbrauchs: 3 Gemeinden schnittsverbrauch von 104 Litern/Tag stellte

Abb. 8: Wasserverbrauch in den Städten und Gemein-

den des Landkreises Tuttlingen 2016* *in % gemessen am pro Kopf-Durchschnittsverbrauch von

104 Litern/Tag [2]

Abbildung: Oliver Bacher

Stabsstelle GIS Landratsamt Tuttlingen

16 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

Trinkwasserpreise im Landkreis Tuttlin- gen

Der Gesamtpreis für Trinkwasser setzt sich aus einer fixen Grund- und ei- Abb. 9: Trinkwasserpreise ner verbrauchsabhängigen Verbrauchs- in den Städten und Gemeinden des gebühr zusammen. In Abbildung 9 sind Landkreises Tuttlingen 2019 [2] die Grund- und die Verbrauchsgebühren 11,00 2,57 in den Städten und Gemeinden des 9,41 2,32

Landkreises Tuttlingen im Jahr 2019 7,13 2,15 dargestellt. Insbesondere bei der Grund- 5,89 2,78 gebühr zeigte sich dabei eine große 5,35 2,57 Bandbreite. Die niedrigste Grundgebühr Bärenthal 4,82 2,82 Tuttlingen 5,27 2,33 hatte mit 0,44 EUR/Monat die Gemeinde 4,60 2,99 Talheim, die höchste Grundgebühr Böttingen 4,28 2,46 wurde mit 11,00 EUR/Monat in Renquis- Dürbheim 4,07 2,61 hausen erhoben. Durchschnittlich lag 4,34 2,30 die Grundgebühr im Landkreis Tuttlin- 4,92 1,71 Kolbingen 4,30 2,30 gen 2019 bei 3,53 EUR/Monat und da- 3,75 2,49 mit unter dem Landesdurchschnitt von 4,28 1,88 3,94 EUR/Monat. 3,97 2,10 Reichenbach 2,68 3,32 Die Bandbreite bei der Verbrauchs- 2,68 3,00 gebühr war dem gegenüber geringer. So 3,37 2,27 wurde die geringste Verbrauchsgebühr Emmingen-Liptingen 2,73 2,41 2,68 2,35 mit 1,50 EUR/m³ in , die 2,74 2,28 höchste mit 3,53 EUR/m³ in 1,87 3,00 fällig. Im Durschnitt der Tuttlinger Städte 2,78 1,98 und Gemeinden lag die Verbrauchsge- Königsheim 1,93 2,78 bühr 2019 bei 2,43 EUR/m³. Die durch- 1,71 3,00 2,14 2,46 schnittliche Verbrauchsgebühr im Land- 2,68 1,82 kreis lag damit über dem Landesdurch- Gunningen 0,54 3,53 schnitt von 2,20 EUR/m³ [8]. Seitingen-Oberflacht 1,61 2,12 Rietheim-Weilheim 1,34 2,14 Zwischen der Grund- und der Ver- 0,55 2,68 brauchsgebühr konnte kein Zusammen- Mühlheim a.d.D. 0,75 2,14 hang nachgewiesen werden. Eine hohe Wurmlingen 1,07 1,50 Talheim 0,44 1,82 Grundgebühr korrelierte nicht automa- 0 5 10 15 tisch mit einer hohen Verbrauchsgebühr € – oder umgekehrt (Person-Korrelationsko- Grundgebühr Verbrauchsgebühr effizient r = -0,02; vergl. Fußnote Seite 25). Ø3,53€/Monat Ø2,43€/m³

17 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

Investitionen in die Trinkwasserversor- gung im Landkreis Tuttlingen

In Tabelle 1 sind die mit Zuwendungen ge- Die größte Einzelinvestition wurde dabei förderten Investitionen in die Trinkwasserver- im Jahr 2017 von der Stadt Mühlheim mit rund sorgung im Landkreis Tuttlingen von 2010- 2,7 Mio. EUR für die Errichtung eines neuen 2019 zusammengestellt. Insgesamt wurden in Hochbehälters mit Ultrafiltrationsanlage vorge- den vergangenen zehn Jahren im Landkreis nommen [2]. Tuttlingen über 15 Mio. EUR in die Sicherstel- lung einer optimalen Trinkwasserqualität inves- tiert.

Tab. 1: geförderte Investitionsmaßnahmen in die

Trinkwasserversorgung im Landkreis Tuttlin- gen 2010-2019 (chronologisch geordnet)

zuwendungs- Stadt/Gemeindeabgerechnet Maßnahme fähige Baukosten Reichenbach 2010 Neubau HB Reichenbach, I. FA 291.898,60 EUR Immendingen 2010 Neubau PW Ippingen mit Ultrafiltration 546.775,58 EUR Mahlstetten 2010 Sanierung der Wasserversorgung I.FA 676.942,04 EUR Immendingen 2011 Hochbehälter Ippingen 669.048,44 EUR Böttingen 2011 Hochbehälter Friedhof (1. BA) 436.313,94 EUR Reichenbach 2012 Hochbehälter Reichenbach mit UF-Anlage (II. FA) 455.615,46 EUR Böttingen 2012 Hochbehälter Friedhof (2. BA) 254.046,50 EUR Buchheim 2012 Anschluß Jakobushof, Gründelbuch, Ulrichswinkel an die zentrale Wasserversorgung mit Kanalisation 95.700,00 EUR

Emmingen-Liptingen 2012 Hochbehälter Emmingen 805.868,51 EUR Geisingen 2013 Strukturgutachten ZV WV Unteres Aitrachtal 55.500,00 EUR Emmingen-Liptingen 2013 Anschluss an die BWV 920.838,00 EUR Tuttlingen 2013 Strukturgutachten WV Stadt Tuttlingen 52.000,00 EUR Buchheim 2014 Investumlage WW Langenbrunn, Aufbereitung 66.447,92 EUR Neuhausen o.E. 2014 Investumlage WW Langenbrunn, Aufbereitung 322.109,48 EUR Emmingen-Liptingen 2014 Investumlage WW Langenbrunn, Aufbereitung 148.369,32 EUR Rietheim-Weilheim 2014 Umstrukturierung der Wasserversorgung im OT Bulzingen. Hochbehälter etc. 956.250,00 EUR Geisingen 2014 Hochbehälter Leipferdingen 591.073,95 EUR Bau einer Fallleitung Buchheim 2014 174.100,00 EUR Geisingen 2015 Anschluss HB Hausener Berg (Fallleitung) 263.255,63 EUR Geisingen 2015 Förderleitung zum HB Hausener Berg - Investitionsumlage ZV Aitrachtal 115.934,70 EUR Immendingen 2015 Förderleitung zum HB Hausener Berg - Investitionsumlage ZV Aitrachtal 106.470,64 EUR Emmingen-Liptingen 2015 Förderleitung zum HB Hausener Berg - Investitionsumlage ZV Aitrachtal 53.235,32 EUR Buchheim 2015 Investumlage WW Langenbrunn, Reinwasserförderung 46.296,87 EUR Neuhausen o.E. 2015 Investumlage WW Langenbrunn, Reinwasserförderung 224.433,83 EUR

Emmingen-Liptingen 2015 Investumlage WW Langenbrunn, Reinwasserförderung 103.367,66 EUR Neuhausen o.E. 2015 Investitionsumlage ZV HeubergWV r.d.Donau; "Umgehung Neuhausen" 118.273,70 EUR Buchheim 2015 Investitionsumlage ZV HeubergWV r.d.Donau; "Umgehung Neuhausen" 24.398,66 EUR Emmingen-Liptingen 2015 Investitionsumlage ZV HeubergWV r.d.Donau; "Umgehung Neuhausen" 54.478,96 EUR Immendingen 2015 Überarbeitung des Wasserschutzgebietes für die Tiefbrunnen I bis VI im Weißenbachtal 17.000,00 EUR Spaichingen 2015 Druckerhöhung 410.721,30 EUR Rietheim-Weilheim 2017 Neustruktur der Wasserversorgung im Ortsteil Bulzingen 396.660,00 EUR Mühlheim a.D. 2017 Zentraler Hochbehälter mit Zu- und Ableitungen einschl. zentraler Druckerhöhung, 1. FA 2.700.500,00 EUR

Buchheim 2017 Investitionsumlage: Falleitung vom HB Obere Kreutter zum HB Buchheim 46.949,62 EUR Emmingen-Liptingen 2017 Investitionsumlage: Falleitung vom HB Obere Kreutter zum HB Buchheim 104.825,69 EUR Neuhausen o.E. 2017 Investitionsumlage: Falleitung vom HB Obere Kreutter zum HB Buchheim 227.577,60 EUR Bärenthal 2017 Neubau Hochbehälter Hüttenberg und Anschluß Schlößlemühle, 1 FA 724.000,00 EUR Mahlstetten 2018 DEA für neue Hochzone 217.555,00 EUR Mühlheim a.D. 2018 Fremdwasseranschluss 562.030,00 EUR Rietheim-Weilheim 2019 Neustrukturierung WV Rußberg 679.767,00 EUR TRINKWASSERQUALITÄT Geisingen 2019 Umbau HB Wartenberg und Neubau von zwei Löschwasserbehältern 481.202,82 EUR 15.197.832,74 EUR18 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

Ergebnisse der Trinkwasseruntersu- Abb. 10: Ergebnisse der Trinkwasseruntersuchun- chungen im Landkreis Tuttlingen gen im Landkreis Tuttlingen 2019 Im Jahr 2019 wurden von den Wasserver- - Rohwasser - sorgern 619 Untersuchungsprotokolle an das Gesundheitsamt weitergeleitet. Es handelte 42 mikrobiell 5 Trübung sich dabei um 116 Untersuchungen von Roh- 69 47 wasser und 503 Untersuchungen von aufberei- tetem Wasser.

Im untersuchten Rohwasser waren 40% der Proben mit Beanstandungen (n=47, davon ohne Beanstandung 42 aufgrund mikrobieller Verunreinigungen und mit Beanstandung 5 aufgrund zu starker Trübungswerte). Demge- - Reinwasser - genüber lag im Reinwasser der Anteil der be- 13 mikrobiell anstandeten Proben nur bei 3% (n= 15, davon 2 Geruch 13 durch mikrobielle Verunreinigungen und 2 488 15 durch Geruchsbeeinträchtigungen)*.

*incl. Mehrfach- und Wiederholungsuntersu- chungen

Abb. 11: Legionellenmeldungen im Legionellenmeldungen im Landkreis Landkreis Tuttlingen Tuttlingen 120 n 107* 104 Abbildung 11 zeigt die Anzahl der Legionel- 100 lenmeldungen im Landkreis Tuttlingen von 89 2012 bis 2019. Die Anzahl der Meldungen ist im Beobachtungszeitraum sukzessive ange- 80 70 stiegen, wobei insbesondere die Einführung 65 63 der Meldepflicht für Untersuchungslabore im 60 57 Jahr 2018 zu einer Erhöhung der Meldungen geführt hat. Insgesamt hat sich sie Anzahl der 40 35 Legionellenmeldungen beim Gesundheitsamt seit 2012 nahezu verdreifacht. 20

*Aufgrund eines guten Personalbestandes konnten 0 2014 Legionellenuntersuchungen aktiv nachgefragt wer- 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 den.

19 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

radioaktive Stoffe im Trinkwasser des Landkreises Tuttlingen Tab. 2: Erstuntersuchung auf radioaktive Stoffe Mit der Dritten Änderung der Trinkwasser- im Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen verordnung wurden 2016 die Betreiber einer (Stand 25.06.2020) ohne Beanstandung zentralen Wasserversorgungsanlage verpflich- unvollständig oder fehlend tet, ihr Wasser zum vorbeugenden Gesund- Quar- Quar- Quar- Quar- heitsschutz auf natürliche radioaktive Stoffe tal 1 tal 2 tal 3 tal 4 untersuchen zu lassen (§14a TrinkwV). Dazu Aldingen mussten die Wasserversorger bis zum Bärenthal 26.11.2019 eine Erstuntersuchung mit vier Un- Balgheim tersuchungen innerhalb eines Jahres* nach- Böttingen weisen (je 1 Untersuchung pro Quartal). Wer- Bubsheim den dabei die Parameterwerte nicht überschrit- Buchheim ten, kann das Gesundheitsamt den Betreiber Deilingen auf Antrag von der regelmäßigen Untersu- Denkingen chungspflicht für radioaktive Stoffe befreien. Dürbheim Durchhausen Bei allen bisher im Landkreis Tuttlingen Egesheim durchgeführten Untersuchungen lag die Radio- Emmingen-Liptingen aktivität immer unter den in der Trinkwasser- Fridingen verordnung festgelegten Grenzwerten. Aller- Frittlingen dings wurden bis zum 25.06.2020 erst gut ¾ Geisingen der vorgeschriebenen Untersuchungen durch- Gosheim geführt. Von 26 Städten und Gemeinden lagen Gunningen dabei die vorgeschriebenen vier Beprobungen Hausen ob Verena der Erstuntersuchung vollständig vor. 3 Städte Immendingen und Gemeinden hatten bis dato zwar Teiler- Irndorf gebnisse aus einzelnen Quartalen vorgelegt, Kolbingen Königsheim der gesamte Untersuchungszyklus war aber Mahlstetten noch nicht abgeschlossen. Aus 6 Städten und Mühlheim a.d.D. Gemeinden lagen noch aus überhaupt keinem Neuhausen ob Eck Quartal vollständige Untersuchungen auf Radi- Reichenbach oaktivität vor. Renquishausen Rietheim-Weilheim

Seitingen-Oberflacht Spaichingen Talheim *Wasserversorgungsanlagen, die bereits vor dem Trossingen 26.11.2015 in Betrieb waren, konnten die Erstuntersu- Tuttlingen chung über den kompletten Zeitraum bis zum 26.11.2019 Wehingen strecken. Wurmlingen

20 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

Sanierungsbeispiel einer Wasserver- sorgungsanlage im Landkreis Tuttlin- gen

Abbildung 12 zeigt beispielhaft die Ergeb- Im Mai 2007 wurde dann ein neuer Hoch- nisse vor und nach der Sanierung einer zentra- behälter mit moderner Ultrafiltrationsanlage in len Wasserversorgungsanlage im Landkreis Betrieb genommen. In der Folge hatte sich die Tuttlingen. Dargestellt sind die Trübungswerte Qualität des abgegebenen Trinkwassers deut- des an die Verbraucher abgegebenen Trink- lich verbessert. Grenzwertüberschreitungen wassers (NTU=Nephelometric Turbidity Unit*). bei der Wassertrübung waren nicht mehr auf- getreten. Vor der Sanierung wurde das Rohwasser lediglich desinfiziert und ohne weitere Aufberei- *Der Grenzwert für die Wassertrübung beträgt laut tung an den Endverbraucher abgegeben. In Trinkwasserverordnung 1,0 Einheiten. Entsprechend den dieser Zeitspanne kam es regelmäßig zu Über- Empfehlungen des Technologiezentrums Wasser Karls- schreitungen des NTU-Grenzwertes für die ruhe TZW sollte jedoch ein Wert von 0,1 Einheiten ange- Trübung. strebt werden, der zudem möglichst geringe Schwankun- gen aufweisen soll.

Abb. 12: Trübungswerte einer Wasserversorgungsanlage im Landkreis Tuttlingen vor und nach der Sanierung

9 NTU 8,3

8

7 vor der Sanierung nach der Sanierung 6

5

4 3 3

2 NTU-Grenzwert 1,1 1,1 1,1 0,8 1 0,5 0,3 0,3 0,15 0,1 0,2 0,2 0,2 0,2 0,1 0,1 0,1 0,2 0,08 0,1 0,1 0

21 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

Warnmeldungen vor Trinkwasserprob- lemen in Baden-Württemberg

In Abbildung 13 sind die Gefahrenmeldun- NINA eingestellt. Als Schutzmaßnahme für die gen, die im Jahr 2019 über die Warn-App NINA Bevölkerung wurde dabei von den zuständigen in Baden-Württemberg veröffentlicht wurden, Behörden jeweils der Gebrauch und Verzehr dargestellt. Insgesamt wurden 2019 über NINA des betroffenen Wassers untersagt bzw. ein 105 Meldungen abgesetzt [3]. Davon handelte vorheriges Abkochgebot angeordnet. es sich 31mal um Probetests der Warnsys- teme/Sirenen ohne tatsächlichen Gefähr- Lediglich 2 Warnmeldungen im Zusammen- dungshintergrund. Die Zahl der „echten“ Mel- hang mit Trinkwasser hatten andere Ursachen. dungen belief sich demnach auf 74 Meldungen. Einmal war es in Folge von Wasserrohrbrü- Trinkwasserverunreinigungen bildeten davon chen zu einer Störung der Wasserversorgung mit 12 Warnmeldungen landesweit die zweit- gekommen, mit der anderen Meldung wurde häufigste Gefährdungsgruppe. die Bevölkerung über eine Chlorung des Trink- wassers informiert - die aber wiederum auf- Ursache für die Trinkwasserwarnmeldun- grund einer zuvor festgestellten bakteriellen gen waren in erster Linie Verunreinigungen des Belastung des Wassers notwendig geworden Wassers, insbesondere durch Bakterien. Lan- sein dürfte. desweit wurden 2019 insgesamt 10 Meldungen aufgrund bakteriell verunreinigten Wassers in

Feuerwehreinsatz (Brand/Gefahrgut)

Abb. 13: NINA-Warnmeldungen in Baden-

Württemberg 2019 [3]* *ohne Probetests der Warnsysteme/Sirenen

2 Sonstige

Verunreinigung Feuerwehreinsatz (bakteriell) Verunreinigung (Brand/Gefahrgut) 10 38 Trinkwasser 12

Ausfall/ Störung Notruf 10

1 4 Wetter- 4 5 gefahren Sonstige Bomben- Strom- fund ausfall

22 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

DISKUSSION

Der Körper eines Erwachsener benötigt am sorge in den Fokus einer zunehmenden Libe- Tag durchschnittlich 2 Liter Wasser. Dieser Be- ralisierung. Dazu gehören beispielsweise das darf wird in Deutschland häufig durch Getränke Gesundheitswesen, Bildung, Verkehr, die aus abgefüllten Gebinden gedeckt. Der größte Energie- und eben auch die Wasserversor- Teil des an den Endverbraucher abgegebenen gung. Trinkwassers wird demnach nicht konsumiert, Privatisierungstendenzen der Trinkwasser- sondern für andere Zwecke verwendet. So versorgung liegt häufig die Annahme zu- wurden in Deutschland 2018 nahezu 2/3 des grunde, dass private Unternehmen wirtschaftli- an Haushalte und Kleingewerbe abgegebenen cher arbeiten würden als die Öffentliche Hand. Trinkwassers für Waschen und Körperpflege Die öffentlichen Haushalte würden zudem von sowie für die Toilettenspülung verbraucht – den kostenintensiven Maßnahmen beim Be- rund 76 Liter/Tag. Weitere 12% wurden benö- trieb und Erhalt der Trinkwasserinfrastruktur tigt für Wäsche waschen und je 6% für Ge- entlastet. Gerade einkommensschwache Län- schirrspülen und Raumreinigung/Auto- der sollen so mittels privater Unternehmen trotz pflege/Garten. Lediglich 4% des abgegebenen fehlender öffentlicher Mittel eine gut ausge- Trinkwassers wurden für Essen und Trinken baute und funktionierende Trinkwasserversor- verwendet [11]. gung für die Bevölkerung entwickeln und vor- Die Deckung dieses Bedarfs wird im Land- halten können. Kredite des Internationalen kreis Tuttlingen durch eine Kombination aus Währungsfonds und der Weltbank für finanz- überregionalen Wasserversorgungsunterneh- schwache Länder sind daher an die Vorgabe men, regionalen Eigenvorkommen sowie Ei- geknüpft, Privatisierungen u.a. in der Wasser- gen- und Einzelwasserversorgungsanlagen si- versorgung vorzunehmen. chergestellt. Es handelt sich dabei ausschließ- Die Privatisierung der Wasserversorgung lich um öffentlich-rechtliche Einrichtungen. Pri- führt jedoch nicht automatisch zu einer besse- vate Unternehmen sind an der Trinkwasserver- ren Effizienz mit mehr Investitionen und einer sorgung im Landkreis nicht beteiligt. besseren Versorgung der Bevölkerung. Denn Die Trinkwasserversorgung als Einrichtung im Gegensatz zur Öffentlichen Hand müssen der Öffentlichen Hand ist in Deutschland, ge- private Unternehmen Gewinne erwirtschaften. genüber einigen anderen europäischen Län- Für sie stehen wirtschaftliche Erwägungen im dern, wie Frankreich und England, die überwie- Mittelpunkt ihres Handelns. Das Management gende Organisationsform. Die Privatisierung eines überregional agierenden privaten Was- der Trinkwasserversorgung wird hierzulande e- serversorgungsunternehmens ohne direktem her kontrovers diskutiert. Allerdings rücken vor lokalen Bezug fühlt sich so in seinen Entschei- dem Hintergrund des GATS-Abkommens („All- dungen weniger dem Gemeinwohl verpflichtet gemeines Abkommen über den Handel mit als direkt gewählte kommunale Entschei- Dienstleistungen“ der Welthandelsorganisa- dungsträger. Kritiker befürchten daher, dass tion) und im Zuge des grenzüberschreitenden private Wasserversorgungsunternehmen eher Handels mit Dienstleistungen zunehmend kurzfristig-gewinnoptimiert als strategisch- auch Bereiche der Öffentlichen Daseinsvor- langfristig und sozial ausgewogen handeln. In

23 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

Folge dieses unter steigendem Wettbewerbs- Nichtsdestotrotz gibt es unter dem Druck druck stehenden gewinnorientierten Handelns klammer öffentlicher Kassen auch in Deutsch- würden notwendige Investitionen vernachläs- land Ansätze, die Trinkwasserversorgung zu sigt oder nur in gewinnbringenden Bereichen privatisieren. Die Details solcher „öffentlich-pri- getätigt, Umweltstandards nicht beachtet, die vater Partnerschaften“ (Public-private-Part- Trinkwasserqualität vernachlässigt und die nership PPP) sind oftmals kompliziert, schwer Verbraucherpreise angehoben. Die Trinkwas- zu durchschauen und nicht ohne Risiko. So hat serversorgung wäre mithin der öffentlichen die Stadt ihr Versorgungssystem im Kontrolle weitestgehend entzogen. Jahr 2002 im mehreren Schritten an die EnBW verkauft. In der Folge hat die EnBW durch Ent- Neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten lassungen und Erhöhungen der Trinkwasser- geht es bei der Diskussion um die Privatisie- preise die Rendite der Trinkwassersparte suk- rung der Trinkwasserversorgung daher immer zessive „optimiert“. Die Bevölkerung und die auch um soziale und ethische Gesichtspunkte. Stadtverwaltung standen der Privatisierung Die Vereinten Nationen haben auf ihrer Vollver- dadurch zunehmend kritisch gegenüber. Nach sammlung am 28. Juli 2010 das Recht auf Zu- einem erfolgreichen Bürgerbegehren 2010 ver- gang zu sauberem Wasser als Menschenrecht suchte die Stadt daher, die Wasserversorgung deklariert [12]. Es ist daher fraglich, ob Trink- zu rekommunalisieren und für 160 Mio EUR wasser einfach wie andere „normale“ Konsum- von der EnWB zurück zu kaufen. Der Rück- güter den Kräften des Marktes überlassen und kaufswert wurde von der EnBW jedoch auf frei gehandelt werden soll oder nicht vielmehr 650-700 Mio EUR taxiert. Die Stadt Stuttgart als elementare und lebensnotwendige Res- hat dagegen 2013 vor dem Landgericht Klage source zur Daseinsvorsorge der Kommunen eingelegt. Der Rechtsstreit über den Rückkauf gehört? der Stuttgarter Wasserversorgung ist bis dato nicht entschieden. Eine Privatisierung der

Wasserversorgung führt daher nicht immer zum erhofften Erfolg.

„Wie aus Wasser Geld wird“

„Trinkwasserversorgung privatisieren, um die Stadtkasse zu sanieren - ein

Konzept, das weltweit Schule gemacht hat.

Auch in Stuttgart und das nicht ohne Folgen.“

Schlagzeile aus SWR WISSEN odysso [9]

24 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

Im Landkreis Tuttlingen bietet die Wasser- Aus welchem Grund der Wasserverbrauch versorgung aufgrund ihrer starken Fragmentie- der Kommunen im Landkreis Tuttlingen so rung und kleinräumigen Prägung erheblich stark differiert (vergl. Abb. 8) kann nicht ab- schlechtere Voraussetzungen für private Groß- schließend beantwortet werden. Interkommu- unternehmen als in Ballungsräumen. Die auf- nale Verbrauchsdifferenzen sind jedoch nicht grund der geologischen Verhältnisse notwendi- ungewöhnlich und treten landesweit auf. Das gen Investitionsvolumina machen die Trink- Statistische Landesamt schlussfolgert: wasserversorgung im Landkreis zudem für ge- winnorientierte Unternehmen weniger lukrativ. „Der Pro-Kopf-Verbrauch schwankt Die hiesige Trinkwasserversorgung wird daher stark von Gemeinde zu Gemeinde und von den Kommunalverwaltungen der Städte hängt zum Beispiel vom Pendlersaldo, und Gemeinden verantwortet. Der Gebühren- Tourismus oder vom Wasserbedarf des ansatz für die Trinkwasserversorgung wird da- Kleingewerbes ab“ [1]. bei stark durch kommunalspezifische Gege- Weitere Gründe sind unterschiedliche Be- benheiten beeinflusst und variiert von Kom- wässerungsbedarfe für Hausgärten, die ihrer- mune zu Kommune. Dazu das Statistische seits wieder von der Siedlungsstruktur abhän- Landesamt Baden-Württemberg: gen (größere Garten in ländlichen Gemein- „Die Höhe der Trinkwassergebühr ist den). In diesem Zusammenhang kann auch der abhängig von den Rahmenbedingungen je nach Geologie unterschiedliche Aufwand für vor Ort und einer Vielzahl gleich- oder ge- die Errichtung eines privaten Brunnens, der genläufiger Faktoren. Neben der Menge wiederum die Wasserentnahme aus dem öf- und Qualität der nutzbaren eigenen Was- fentlichen Netz reduziert, eine Rolle spielen. servorkommen und der Kosten des Was- Schlussendlich können auch noch Abgren- serbezugs gehören dazu auch die kalku- zungsprobleme bei der Erfassung des Wasser- latorischen Kosten wie Abschreibungen bedarfs zwischen gewerblichem und privatem und Zinsen“ [1]. Bereich die Datenlage beeinflussen. Die Ursa- chen für den differierenden Wasserbrauch auf Zwischen der Höhe der kommunalen Trink- kommunaler Ebene sind also vielfältig und las- wassergebühren und dem Wasserverbrauch sen sich nicht auf einen oder einige wenige Pa- der einzelnen Städte und Gemeinden im Land- rameter reduzieren. kreis Tuttlingen besteht dabei allenfalls ein schwacher Zusammenhang. Niedrige Trink- wassergebühren gehen also nicht automatisch mit einem hohen Verbrauch einher (Person-Kor- relationskoeffizient zwischen Verbrauchsgebühr und Wasserverbrauch im Jahr 2016 r = -0,22*).

*Der Korrelationskoeffizient nach Pearson beschreibt die Stärke eines linearen Zusammen-

i hangs zwischen zwei Größen.

. der Korrelationskoeffizient kann einen Wert zwischen -1 und +1 annehmen. . je dichter er bei -1 oder +1 liegt, desto stärker ist der Zusammenhang . Werte um 0 signalisieren keinen Zusammenhang 25 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

Insgesamt hat sich der Pro-Kopf-Trinkwas- gionalen Eigenvorkommen reichen die Trink- serverbrauch seit 1991 jedoch sowohl auf Bun- wasservorkommen dann möglicherweise nicht des-, als auch auf Lands- und kommunaler mehr aus, um den durch Hitze und Trockenheit Ebene deutlich verringert (vergl. Abb. 7). Ur- angestiegenen Bedarf zu decken. Erschwe- sächlich für die Wassereinsparungen sind zum rend kommt hinzu, dass bei zurückgehender einen technische Weiterentwicklungen, die den Fördermenge hygienische Beeinträchtigungen Wasserverbrauch von Haushaltsgeräten und aufgrund des geringeren Durchflusses und feh- Armaturen verringern – auf der anderen Seite lenden Verdünnungseffektes stärker zum Tra- können die Einsparungen aber auch Ausdruck gen kommen. eines gestiegenen Verbraucherbewusstseins und einer höheren Wertschätzung für die Res- Wie schnell die normalerweise als selbst- source Wasser sein, was zu einem schonende- verständlich wahrgenommen Trinkwasserver- ren und sparsameren Verbrauch beigetragen sorgung dann akut gefährdet sein kann, wurde haben kann [9]. im Jahr 2015 im Landkreis Tuttlingen an der Stadt Mühlheim deutlich. Aufgrund einer extre- Bei der letzten Erhebung des Trinkwasser- men Trockenphase kam es bei der für die Was- verbrauchs im Jahr 2016 hat sich der private serversorgung der Stadt wichtigen Walterstein- Wasserverbrauch gegenüber den Vorjahren al- quelle nach Jahrzehnten zuverlässiger Nut- lerdings wieder etwas erhöht. Als mögliche Ur- zung zu einem deutlichen Rückgang der Schüt- sache für die Erhöhung sieht das Statistische tung, wodurch die Wasserversorgung der Stadt Landesamt den überwiegend trockenen und akut gefährdet war. In der Folge musste das warmen Jahresverlauf 2016 [9]. Eine Häufung Hallenbad als größter Trinkwasserverbraucher solch trockener und heißer Sommer kann die geschlossen und das Wasser aufgrund von Hy Wasserversorger vor große Probleme stellen, gieneproblemen vor Gebrauch abgekocht wer- weil sich Wasserreserven und Wasserbedarf den. diametral entwickeln. Speziell bei kleineren re-

Abb. 14: Hitze und Tro- ckenheit erhöhen den Wasserbedarf

(Bildnachweis: Frank Lie- big, Trockenheit im April 2019 in Südmecklenburg. CC BY-SA 3.0 DE li- cense, Zugriff unter https://upload.wikime- dia.org/wikipedia/com- mons/4/46/Trocken- heit_EO5P3465-2.jpg am 13.02.2020)

26 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

Die Stadt Mühlheim hat diese akute Gefähr- Der Aufwand für die Aufbereitungsmaßnah- dung der Trinkwasserversorgung zum Anlass men hängt maßgeblich von der Qualität des zur genommen, ihr Trinkwasserversorgungssys- Verfügung stehenden Rohwassers ab. Die tem aufwändig zu optimieren. Dieses Engage- Ausweisung von Trinkwasserschutzgebieten ment steht stellvertretend für die Investitions- ist hier eine wichtige Maßnahme, um nachtei- bereitschaft aller Städte und Gemeinden im lige Einflüsse auf die Rohwasserqualität zu ver- Landkreis, die in den vergangenen Jahren ringern. In Trinkwasserschutzgebieten können ebenfalls große Summen in die Optimierung bestimmte Handlungen verboten oder einge- der Trinkwasserinfrastruktur investiert haben. schränkt werden. Im Landkreis Tuttlingen, wo So lag die Gesamtsumme der in den letzten 10 das vorherrschende Karstgestein aufgrund der Jahren durch Zuwendungen geförderten Inves- raschen Versickerung nur eine geringe Filter- titionen im Landkreis Tuttlingen bei rund 15 Mio wirkung entfaltet, ist die Einhaltung der Trink- Euro (vergl. Tab. 11). Dabei handelt es sich al- wasserschutzgebiete von besonderer Bedeu- lerdings nur um die Investitionen, für welche tung. Leider werden die entsprechenden An- die Kommunen öffentliche Zuwendungen er- ordnungen der Kommunalbehörden oftmals halten haben. Der Gesamtbetrag der investier- nicht beachtet. Die Stadt Tuttlingen sah sich ten Gelder lag daher noch über der ausgewie- daher im Februar 2020 gezwungen, die Anord- senen Summe. nungen für das Trinkwasserschutzgebiet „Riedgraben“ zu verschärfen, da es immer wie- Der Erfolg der Investitionsmaßnahmen wird der ordnungswidrig befahren und durch Hun- an den Ergebnissen der Wasserversorger zur dekot verschmutzt worden war. Die Gefahr, Qualität des abgegebenen Trinkwassers deut- dass die dadurch verursachten Verunreinigun- lich. So waren im Jahr 2019 von insgesamt gen durch mehr als 500 Reinwasserproben lediglich 3% Nieder- zu beanstanden. Dabei war das zur Verfügung schläge in stehende Rohwasser aufgrund der hiesigen das Grund- geologischen Besonderheiten bei weitem nicht wasser ein- immer optimal. Im Gegenteil: in 40% der Roh- getragen wasserproben fanden sich Beanstandungen, in werden, soll den meisten Fällen aufgrund von bakteriellen mit den An- Verunreinigungen. Diese Beeinträchtigungen ordnungen wurden vor der Abgabe an den Endverbrau- minimiert cher durch eine entsprechende Aufbereitung werden. sicher entfernt. Die Quote an beanstandeten Proben im Reinwasser von nur noch 3% ist mit- hin ein Beleg für den Erfolg der Aufbereitungs- maßnahmen. Die in Abbildung 12 dargestellten Ergebnisse einer Wasserversorgungsanlage vor und nach der Sanierung stehen beispielhaft Abb. 15: Warnschild Trinkwasserschutz- gebiet dafür. (Bildnachweis: Joachim Müllerchen. Creative Commons Attribution 2.5 Generic license. Zugriff unter https://com- mons.wikimedia.org/wiki/File:Trinkwasserschutzge- biet_Wasserschutzzone_I.jpg am 18.02.2020)

27 Trinkwasser im Landkreis Tuttlingen

Neben der Beurteilung der physikalischen die festgelegten Grenz- und Technischen Maß- und biologischen Qualität verpflichtet die Trink- nahmenwerte überschritten wurden, im privat- wasserverordnung seit 2016 die Wasserver- gewerblichen Bereich in den vergangenen Jah- sorger auch dazu, das Wasser auf natürliche ren kontinuierlich an (vergl. Abb. 11). Ursäch- radioaktive Stoffe untersuchen zu lassen. Der lich für den Anstieg ist die in der Trinkwasser- Nachweis erfolgt mittels eines Untersuchungs- verordnung enthaltene Prüf- und Meldepflicht zyklus mit vier Einzeluntersuchungen, der bis auf Legionellen. §14b der Trinkwasserverord- zum 26.11.2019 abzuschließen war. Im Land- nung legt fest: kreis Tuttlingen wurden bis zum 25.06.2020 je- „Der Unternehmer und der sonstige doch erst gut ¾ der Einzeluntersuchungen Inhaber einer Wasserversorgungsanlage durchgeführt. Dabei hatten 26 Städte und Ge- … haben das Trinkwasser in der Wasser- meinden die vom Gesetzgeber vorgeschriebe- versorgungsanlage auf den Parameter nen vier Beprobungen auf Radioaktivität schon Legionella spec. … zu untersuchen oder komplett vorliegen – dem gegenüber lagen aus untersuchen zu lassen, wenn aus der 6 Städten und Gemeinden noch überhaupt Wasserversorgungsanlage Trinkwasser keine vollständigen Untersuchungen auf Radi- im Rahmen einer gewerblichen oder öf- oaktivität vor. fentlichen Tätigkeit abgegeben wird, …“

Es ist zwar nicht damit zu rechnen, dass im hiesigen Trinkwasser die Grenzwerte für Radi- oaktivität überschritten werden, eine endgül- Als Wasserversorger gelten in diesem Zu- tige Beurteilung ist jedoch erst nach Abschluss sammenhang also auch Besitzer von vermiete- aller Untersuchungen möglich. Die Untersu- ten Mehrfamilienhäusern sowie Sporthallen, chungen müssen daher vollumfänglich durch- Fitness-Studios, Schwimmbäder, Hotels, Kran- geführt werden, die Trinkwasserverordnung kenhäuser und Heime. Die Ursachen für die sieht keine Ausnahmeregelungen vor. Das Ge- höhere Beanstandungsquote im privat-ge- sundheitsamt hat daher bei den vorgeschriebe- werblichen Bereich liegen im Bereich der nen Untersuchungen auf Radioaktivität auch Hausinstallationen. Problematisch für die Was- keinen Ermessensspielraum. Erst wenn der serqualität sind hier insbesondere folgende Untersuchungszyklus mit den vier Einzelunter- Umstände: suchungen abgeschlossen und der Nachweis . zu geringe Warmwassertemperaturen nicht vorhandener Radioaktivität erbracht ist, (Soll-Temperaturen am Speicherausgang kann das Gesundheitsamt die Betreiber einer ≥60°C und im gesamten Leitungssystem Wasserversorgungsanlage von weiteren Un- ≥55°C) tersuchungen auf Radioaktivität befreien. Die . unzureichende Entnahmen Kommunen sollten die vorgeschriebenen Un- (z. B. bei Wohnungsleerstand) tersuchungen daher jetzt schnellstmöglich ab- . nicht fachgerecht von der Installation schließen. abgehängte Totleitungen Während die Beanstandungsquote bei den (Probleme durch Stagnationswasser) öffentlichen Wasserversorgern seit Jahren konstant in einem sehr niedrigen Bereich liegt, stieg dagegen die Anzahl an Proben, bei denen

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Um solche Probleme zu identifizie- Infektionsschutzgesetz - IfSG ren und zu beheben, müssen die Inha- ber einer privat-gewerblichen Wasser- § 74 Strafvorschriften versorgungsanlage ihr Wasser regelmä- „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geld- ßig auf Legionellen untersuchen lassen strafe wird bestraft, wer eine in § 73 … bezeichnete und Überschreitungen dem Gesund- vorsätzliche Handlung begeht und dadurch …einen in heitsamt melden. Dieser Untersu- § 7 genannten Krankheitserreger verbreitet.“ chungs- und Meldepflicht sind die Ei- gentümer in der Vergangenheit jedoch oftmals nicht vollumfänglich nachgekommen. Besteht der Verdacht, dass eine Legionel- Um die vorhandene Dunkelziffer auszumerzen, lenerkrankung in einem Hotel oder einer ande- wurde die Trinkwasserverordnung daher An- ren Reisunterkunft erworben wurde, wird dies fang 2018 dahingehend verschärft, dass Über- zusätzlich an das „Europäische Netzwerk zur schreitungen der Legionellenwerte nunmehr Erfassung reiseassoziierter Fälle von Legio- direkt vom untersuchenden Labor an das zu- närskrankheit“ gemeldet (kurz ELDSNet – Eu- ständige Gesundheitsamt gemeldet werden ropean Legionnaires` Disease Surveillance müssen. Die Zahl der Legionellenmeldungen Network). Von ELDSNet wird dann das vor Ort ist seitdem kontinuierlich angestiegen und hat für den Beherbergungsbetrieb zuständige Ge- sich seit 2012 nahezu verdreifacht (vergl. Abb. sundheitsamt informiert, das die zur Vermei- 11). dung weiterer Infektionen notwendigen Maß- nahmen einleitet. Liegt der Meldung mehr als 1 Allerdings greift die Meldepflicht für Labore Erkrankungsfall zugrunde, dann muss spätes- nur dann, wenn zuvor auch eine entspre- tens nach 6 Wochen der Erfolg der Maßnah- chende Untersuchung vom Eigentümer in Auf- men an ELDSNet zurückgemeldet werden. trag gegeben worden ist. Wenn jedoch entge- Bleibt diese Rückmeldung aus, werden die gen der gesetzlichen Verpflichtung aus Fahr- Kontaktdaten des Beherbergungsbetriebs von lässigkeit oder gar mit Vorsatz von vorneherein ELDSNet öffentlich bekanntgegeben. Das vor- gar keine Legionellenuntersuchungen beauf- sätzliche Unterlassen der vorgeschriebenen tragt wurden, bleibt ein möglicher Befall natür- Legionellenuntersuchungen beinhaltet daher lich unbemerkt. Das Unterlassen der Legionel- für die Eigentümer ein erhebliches Risiko, das lenuntersuchungen ist jedoch kein Kavaliers- im Einzelfall existenzbedrohend werden kann. delikt. Im günstigsten Fall handelt es sich „nur“ um eine Ordnungswidrigkeit. Sollte es jedoch aufgrund vorsätzlich unterlassener Untersu- chungen zu einer Legionellenerkrankung kom- Abb. 16: Logo men, stellt die unterlassene Untersuchung eine des „Europäischen Straftat dar, die nach §74 des Infektionsschutz- Zentrums für die gesetzes mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren o- Prävention und die der einer Geldstrafe geahndet wird – zzgl. pri- Kontrolle von Krank- heiten“ als Dachor- vatrechtlicher Schadensersatz- und Schmer- ganisation von zensgeldansprüche. ELDSNet (Bildnach- weis und © ecdc)

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Glücklicherweise sind im Landkreis Tuttlin- gen in der Vergangenheit nur wenig Legionel- loseerkrankungen aufgetreten. Das Robert Koch Institut weist seit 2001 für den Landkreis insgesamt nur 18 Legionellosen* aus [Stand

18.02.2020, [5]. Wie das Beispiel Ulm zeigt, kann sich diese niedrige Fallzahl aber schlag- artig ändern. In Ulm kam es 2010 durch eine kontaminierte Kühlanlage zu einer Belastung der Außenluft mit legionellenhaltigem Wasser- *Anmerkung: In der RKI-Statistik sind nur dampf. In der Folge erkrankten 65 Personen an Personen mit Wohnsitz im Landkreis Tuttlingen einer Legionellose, 5 Patienten starben. Solche ausgewiesen. Auswärtige Personen, die eine Legionellenepidemien treten in Deutschland Legionellose im Landkreis erworben haben, immer wieder auf. Inklusive Ulm weist das Ro- werden unter ihrem Heimatlandkreis erfasst. bert Koch Institut seit 2010 bundesweit 5 Aus- brüche mit insgesamt 362 Erkrankten und 11 Todesfällen aus (Stand Dezember 2018), [6].

Abb. 17: kontaminierter Wasserdampf aus Kühl- (Bildnachweis: ChNPP CC BY-SA 3.0 license. Zugriff un- anlagen kann Legionellenepidemien ter https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Zellstoff- auslösen werk_Rosenthal_17.jpg am 06.03..2020)

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Zusammenfassend hat das Trinkwasser im Erkrankungen schon manchem Reisenden den Landkreis Tuttlingen eine ausgezeichnete Urlaub verdorben haben. Vor diesem Hinter- Qualität. Wie schon die vorangegangenen Be- grund ist die Versorgung mit sauberem Trink- richte der Jahre 2009 und 2010 weist auch der wasser mithin eine der essentiellsten Infra- vorliegende Bericht bei den öffentlichen Was- strukturen überhaupt. serversorgern nur eine sehr geringe Quote an Beanstandungen aus. Das im Landkreis an die Verbraucher abgegeben Trinkwasser kann da- her uneingeschränkt konsumiert werden und ist auch für die Ernährung von Säuglingen und

Kleinkindern geeignet.

Diese gleichbleibend hohe Wasserqualität wird durch engmaschige Kontrollen überwacht und sichergestellt. Für kein anderes Lebens- Abb. 18: reines Trinkwasser aus dem mittel gibt es eine vergleichbare Kontrolldichte Wasserhahn – im Landkreis mit derart strengen Grenzwerten wie für Trink- Tuttlingen gewährleistet! wasser. Die über die Warn-App NINA ausge- (Bildnachweis: Klaus Ohlenschläger CC BY-SA 3.0 license. Zugriff unter https://de.wikipe- lösten 12 Warnungen vor Trinkwasserproble- dia.org/wiki/Trinkwasser#/media/Datei:Trinkwas- men sind daher im Verhältnis zur landesweit ser-Wasserhahn.jpgam 06.03..2020) jährlich an die Endverbraucher abgegebenen Wassermenge von nahezu 600 Mio m³ kein Hinweis auf eine ungenügende Wasserquali- tät, sondern vielmehr ein Beleg für das Funkti- onieren der Kontroll- und Warnsysteme.

Damit ist sichergestellt, dass im Bedarfsfall zielgerichtete Maßnahmen zum Schutz der Be- völkerung zeitnah eingeleitet werden können. Denn sauberes Trinkwasser ist nicht nur für den Einzelnen, sondern insbesondere auch in bevölkerungsmedizinischer Hinsicht von gro- ßer Bedeutung. So hat die Trinkwasserhygiene entscheidend dazu beigetragen, Infektions- krankheiten und Seuchen in den Industrielän- dern einzudämmen und die Öffentliche Ge- sundheit zu verbessern. Diese große Bedeu- tung sauberen Trinkwassers für die Gesund- heit kann insbesondere bei Reisen in Länder ohne die hiesigen Trinkwasserstandards unan- genehm deutlich werden, wo durch verunrei- nigtes Trinkwasser ausgelöste Magen-Darm-

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LITERATUR

1. Burr, R.; Rommel, K.: Wasserwirtschaftliche Daten für Stadt und Land. Statistisches Monatsheft Ba- den-Württemberg 9/2018. Zugriff unter https://www.statistik-bw.de/Ser- vice/Veroeff/Monatshefte/PDF/Beitrag18_09_08.pdf am 13.02.2020

2. Landratsamt Tuttlingen, Wasserwirtschaftsamt. Zuwendungsfähige Investitionsmaßnahmen in die Trinkwasserversorgung im Landkreis Tuttlingen 2010-2019. Persönliche Information vom 06.02.202

3. Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg, Lagezentrum. NINA- Warnmeldungen in Baden-Württemberg 2019. Persönliche Information vom 16.01.2020

4. Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg. Jahresbericht "Überwachung von Lebensmitteln, Bedarfsgegenständen, Kosmetika, Trinkwasser und Futtermitteln 2018". Zugriff unter https://www.verbraucherportal-bw.de/site/pbs-bw-new/get/docu- ments/MLR.Verbraucherportal/Dokumente/Dokumente%20pdfs/Verbraucherschutz/Gesundheitlicher%2 0VSchutz/Jahresberichte/JB%202018%20-%20gesamt.pdf am 14.01.2020

5. Robert Koch Institut. Legionelloseerkrankungen im Landkreis Tuttlingen. Abfrage über SURVSTAT@RKI 2.0. Zugriff unter https://survstat.rki.de/Content/Query/Create.aspx am 18.02.2020

6. Robert Koch Institut. Untersuchung von Legionelloseausbrüchen. Zugriff unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/L/Legionellose/OEGD/Vortragsfolien.pdf?__blob=publicationFile am 18.02.2020

7. Statistisches Bundesamt. Zugriff unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft- Umwelt/Umwelt/Wasserwirtschaft/Tabellen/ww-01-wasserabgabe1991-2016.html am 28.10.2019

8. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg. Zugriff unter https://www.statistik-bw.de/Umwelt/Was- ser/ und https://www.statistik-bw.de/Service/Veroeff/Statistik_AKTUELL/803409006.pdf am 28.10.2019

9. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg. Pressemitteilung 190/2018. Trinkwasserabgabe mit dem Bevölkerungswachstum gestiegen. Zugriff unter https://www.statistik-bw.de/Presse/Pressemittei- lungen/2018190 am 13.02.2020

10. SWR WISSEN odysso. Wasserprivatisierung – wie aus Wasser Geld wird. SWR Fernsehen, Beitrag vom 19.03.2015. Zugriff unter https://www.swr.de/odysso/wie-aus-wasser-geld-wird/- /id=1046894/did=15037312/nid=1046894/glelc3/index.html am 12.02.2020

11. Umweltbundesamt und Statistisches Bundesamt. Wasserverwendung im Haushalt 2013. Zugriff unter https://www.umweltbundesamt.de/daten/private-haushalte-konsum/wohnen/wassernutzung-privater- haushalte#direkte-und-indirekte-wassernutzung am 26.02.2020

12. UN-Vollversammlung. Resolution 64/292. Übersetzung durch den Deutschen Übersetzungsdienst. Zugriff unter https://www.un.org/Depts/german/gv-64/band3/ar64292.pdf am 27.02.2020

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