Ausg. Nr. 89 • 08. November 2010 Unparteiisches, unabhängiges und kostenloses Magazin speziell für Österreicherinnen und Österreicher in aller Welt in vier verschiedenen pdf- Formaten • http://www.oe-journal.at Regierungseinigung auf Sparbudget

SPÖ und ÖVP wollten aktuelle Wirtschaftszahlen abwarten, um dem Nationalrat ein – wie es heißt – ausgewogenes Budget vorzulegen. Es soll aus der »Schuldenfalle« führen. Foto: BKA/HOPI-Media - Bernhard W. Holzner

Bundeskanzler Werner Faymann (l.) und Vizekanzler Finanzminister Josef Pröll bei der Regierungsklausur in Bad Loipersdorf

uch wenn es der Regierung gelungen tiert. Naturgemäß brachte sich jede/jeder, gen ohnedies zu knapp bemessen wären. Und Awar, mit dem im Dezember 2009 zur der von den angekündigten Einsparungen nicht nur mögliche Einsparungen, ja sogar Konjunkturbelebung und Beschäftigungsför- betroffen sein könnte, in Position, um mög- ein unverändertes Fortführen der Budgets derung beschlossene, fast zwei Milliarden lichst deutlich zu machen, wie gefährlich hätte schon katastrophale Auswirkungen. Und Euro schwere Konjunkturpaket II die Aus- Einschnitte für die Allgemeinheit in den je- schnell sind Institutionen ausgemacht, die wirkungen der Weltwirtschaftskrise für unser weiligen Einflußbereich wären. Viele unse- zuallererst zur Kasse gebeten werden soll- Land verhältnismäßig gering zu halten (und rer heimische Medien waren überfüllt mit ten: etwa im Gesundheits- und Bildungswe- zwar anerkannterweise besser, als es vielen tollen Vorschlägen, wo, besser gesagt: auf sen; aber auch National- und Bundesrat, anderen gelungen ist), es muß „jetzt“ irgend- wessen Kosten, Einsparungen getätigt wer- Landesregierungen und Gemeinden stehen wo herkommen. Und genau darüber wurde den könnten, untermauert mit eindeutigen an erster Stelle. in den vergangenen Monaten hitzig debat- Beweisen dafür, daß die eigenen Förderun- Lesen Sie weiter auf der Seite 3 ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 2 Die Seite 2

Liebe Leserinnen und Leser, nach der letzten Gesetzesänderung war es ruhig geworden um das Briefwahlrecht – Wahlbetrug bei einer Landtagswahl und der darauf- folgende Rücktritt eines Bürgermeisters verliehen der Frage über neue gesetzliche Regelungen aber neue Brisanz. Die Verfassungs- sprecherin der Grünen, Daniela Musiol, hatte ein Expertenhearing einberufen, in dem Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk, Gesandte Brigitte Blaha (AuslandsösterreicherInnen-Abteilung im Außenministerium), Robert Stein vom Innenministerium und Jürgen Nationalfeiertagsfeiern 2010 S 27 Em vom AÖWB ihre Standpunkte darstellten. Lesen Sie mehr darüber in der Ausgabe 90, die am 30. November einscheinen wird. Michael Mössmer

Der Inhalt der Ausgabe 89

Sozialpartnerdialog 9 Wasseraufbereitungsanlage für die Steirischer Landeshauptmann Slowakei 56 angelobt 11 Zehntausende beim Volksgruppentag im Parlament 12 Wiener Sicherheitsfest 57 Eisenstadt wird E-Mobil S 36 Teuerungsabgeltung 13 »Haus der Natur« und National- Wirtschaftspolitische Steuerung 14 park - eine starke Symbiose 58 Engagement für Frauen Individuellere Trauerfeiern 59 in Konfliktsituationen 16 Fest des jugendlichen Gemeinsame Vorstellungen für Ideenreichtums 60 Gemeinsame Agrarpolitk 17 KWP-Geburtstagsfest mit Zu Gast in einem zerrissenen Land 18 Bürgermeister Häupl 61 Österreich brachte New York Viel Vergnügen im alten Wien zum Tanzen 23 Having a Good Time in Old 62 »Wiener Ball« in Noordwijk. 24 Er hieß Maurer… Alt-LH Andreas Maurer ist gestorben S 64 Ein Shtetl in Ägypten? Alt-LH Andreas Maurer ist im Von Rudolf Agstner. 25 91. Lebensjahr verstorben 64 So feierte Österreich den Goldene Ehrenmedaille Nationalfeiertag 2010 in Wien 27 an Albert Hochleitner 68 Erlebnis Bundesheer Schwungräder speichern Von Michael Ellenbogen. 31 Öko-Energie 69 Nationalfeiertag in Tel-Aviv, Haifa, Paketbomben: Frühwarnung Zürich, London und München 33 ist möglich 70 »Burgenland Journal« Infrarot-Halbleiterlaser entwickelt 71 Eisenstadt wird E-Mobil 36 Forschungszentrum für Picasso: Frieden und Freiheit S 76 Startschuß für 90 Wölfe und Hunde 72 neue »Green Jobs« 37 Potential für die Risikokapitalfonds zur Belebung berühmte Mariazellerbahn 74 der heimischen Wirtschaft 38 Picasso: Frieden und Freiheit Gute Idee, Burgenland 39 in der Wiener Albertina 76 Ein Fest für Bischof Iby 40 Harun Farocki - Karl Prantl ist gestorben 41 Weiche Montagen / Soft Montages 82 Giselbert Hoke in Eisenstadt 42 POWER UP – Female Pop Art 84 Int. Jugend-Klavierwettbewerb Window Shopping im Südburgenland 44 im Wien Museum am Karlsplatz 86

Alfons Benedikter ist am 50 Jahre Österreichische Übernachten einmal anders S 99 3. November in Bozen gestorben. 45 Mediathek... 88 Für Binnenmarkt und Bürgerrechte 46 eBooks, eAudios, ePapers 90 Impressum: Eigentümer und Verleger: Österreich Recht auf faires Verfahren 48 Serie »Österreicher in Hollywood« Journal Verlag; Postadresse: A-1130 Wien, Dr. Scho- Neues vom Arbeitsmarkt 49 von Rudolf Ulrich – diesmal: ber-Str. 8/1. Für den Inhalt verantwortlicher Her- ausgeber und Chefredakteur: Michael Mössmer; Lek- Gustav von Seyffertitz 91 Platz 2 in der Euro-Zone 51 torat: Maria Krapfenbauer. jede Art der Veröffentli- Österreichs Industrie Abbazia chung bei Quellenangabe ausdrücklich erlaubt. Fotos schwungvoll in den Winter 52 Von Michael Ellenbogen 94 S. 1: BKA/HOPI-Media - Bernhard W. Holzner; S.2: ORF/Hans Leitner; BLMS; ZVG; The Museum Geringste Weinernte seit 13 Jahren 53 Übernachten einmal anders 97 of Modern Art, New York © Succession Picasso/ Wien 74 Mio. Euro durch Ballsaison 55 Auf Kufen über Schnee und Eis 99 VBK, Wien 2010; SkiWelt Wilder Kaiser - Brixental.

In Zusammenarbeit mit dem Auslandsösterreicher-Weltbund und »Rot-Weiss-Rot« – http://www.weltbund.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 3 Innenpolitik

Wie eingangs erwähnt, wollte vor allem schon zu wissen glaubt, wann die Krise vor- er. Die Wahrheit, die die Bundesregierung Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) die weite- bei ist“, so der Kanzler. Dennoch geben die den Menschen bis nach den Wahlen ver- re Entwicklung der Konjunktur abwarten, Prognosen Anlaß, stolz „auf die Leistungen schweigen wolle, sehe so aus, daß „Faymann bevor er das anstehende Sparpaket schnüren in unserem Land zu sein“. und Pröll den Österreichern im Budget 2011 wollte. Die sei, wie er sagte, entscheidend da- Finanzminister Pröll definierte sein Ziel ein milliardenschweres Steuererhöhungspaket für, in welcher Relation Kürzungen bei den für die Budgetsanierung mit „Sozial verträg- unter den Christbaum legen werden“, warn- Ausgaben zu nötigen Einnahmen stünden. Je lich, wirtschaftlich vernünftig und finanziell te Strache. mehr, so Pröll, durch steigende Einnahmen nachhaltig“. Unter dieser Prämisse gelte es Auch BZÖ-Obmann Josef Bucher wies aus den laufenden Steuern lukriert werden nun: „Zuerst sparen und Effizienzen stei- darauf hin, daß der Grund für die Budget- könne, desto weniger müßten Steuern erhöht gern“, so Pröll. „Alles, was wir tun, muß verschiebung die zwei Landtagswahlen in werden, um die not- Wien und der wendigen Einnahmen Steiermark seien. zu erreichen. Unter- „Die Wählerinnen und stützung erhielt er Wähler sollen ganz darin von Bundes- offensichtlich nichts kanzler Werner Fay- vom rot-schwarzen Be- mann (SPÖ), der zwar lastungsbudget erfah- Banken und „Reiche“ ren. Pröll belügt mo- nach dem Verursa- natelang die Menschen cherprinzip für die und haut dann den Beseitigung der ent- Steuerzahlern und standenen Schäden dem Mittelstand mit verstärkt zur Kasse der Steuerkeule eine bitten wollte, aber durchaus auch dafür war, sozial gerecht und leistungsgerecht sein. über den Kopf. Das ist blanker Zynismus“, die Budgetrede des Finanzministers zu ver- Alles, worüber wir reden, muß sozial ver- zeigte sich Bucher empört. schieben. In einem Brief an Nationalrats- träglich und wirtschaftlich vernünftig sein. Die Menschen und die Wirtschaft würden präsidentin Barbara Prammer haben Fay- Und alles, worüber wir reden und was wir sich gerade in diesen Zeiten Verlässlichkeit mann und Pröll am 2. Juli angekündigt, daß tun, muß das zukünftige Wachstum in den erwarten. „Wir brauchen eine Bundesregie- der 22. Oktober als Termin für die Vorlage Mittelpunkt stellen. Wir werden Österreich rung, die durch Mut besticht endlich die not- des Budgetentwurfs für 2011 (wie prinzipiell mit dieser Budgetsanierung wieder auf den wendigen Reformen anzugehen. Rot und in der Verfassung festgeschrieben 10 Wachstumspfad zurückführen“, so Pröll wei- Schwarz laufen aber vor Reformen in der Ver- Wochen vor Jahresbeginn) nicht eingehalten ter. waltung, bei den Pensionen, im Gesundheits- werden könne. Stattdessen wurde mit dem 9. „Unser gemeinsames Ziel ist es, am 1. system, im Schulwesen usw., die uns auf die Dezember ein Termin genannt, der aber ein Jänner 2011 ein Budget vorzulegen“, so Pröll, Dauer nicht erspart bleiben, davon. Diese Inkrafttreten des Budgets mit 1. Jänner 2011 der in diesem Zusammenhang auch auf die Verzögerungstaktik werden die Steuerzahler noch gewährleiste. frühzeitige Information an das Parlament leider noch zu spüren bekommen.“ über die Verschiebung verweist. „Mit dem Eva Glawischnig, Bundessprecherin der Terminverschiebung stößt auf Kritik jetzt vorgeschlagenen Zeitplan ist ein Be- Grünen, sprach ebenfalls von einem Ver- Wenige Tage später, am 7. Juli, stellten schluß noch dieses Jahr möglich und dieser fassungsbruch durch die Regierung und sich Faymann und Pröll in einer National- bietet ausreichend Zeit, die vorgeschlagenen zeigte sich bestürzt darüber, daß „“dieser ratssitzung unter dem Thema „Verfassungs- Maßnahmen eingehend zu diskutieren. Be- Gesetzesbruch sanktionslos bleiben“ solle. bruch oder Gebot vorsichtiger Budgeterstel- sondere Zeiten bedürfen besonderer Maß- Sie schlug ironisch vor, man möge die Ver- lung?“ der geschlossenen und scharfen Kri- nahmen“, so Pröll abschließend. fassung dahingehend ändern, daß die Ge- tik der Oppositionsparteien FPÖ, BZÖ und Die Opposition tobte. setze für alle BürgerInnen, mit Ausnahme Grüne. Faymann kündigte an, die Regierung Heinz-Christian Strache, Bundespartei- der Bundesregierung, bindend seien. „Recht werde „Ende Oktober alle wesentlichen Maß- obmann der FPÖ, erklärte, „was sich die muß aber Recht bleiben“, so Glawischnig. nahmen vorstellen. Uns ist wichtig, daß alle Bundesregierung mit der Verschiebung des Man habe es hier mit einer eindeutigen Maßnahmen – ausgaben- und einnahmensei- Budgets für 2011 erlaubt, ist nun einmal ein Verfassungsbestimmung zu tun und die Ver- tig – für Stabilität sorgen. Wir wollen politi- glatter Verfassungsbruch. Und es ist ein fassung müsse unbedingt eingehalten wer- sche Rahmenbedingungen schaffen, die fair Schlag ins Gesicht des Parlamentarismus den! „Sonst muß man sich fragen, was über- und gerecht sind.“ Die Budgetbegleitgesetze und der Demokratie.“ Faymann und Pröll haupt noch etwas zählt in dieser Republik.“ würden bereits Ende Oktober in Begutach- würden Nationalrat und Bevölkerung ver- Sie verlangte Fairness gegenüber der Bevöl- tung gehen. Er wies überdies darauf hin, wie höhnen. Strache bezeichnete die Vorgangs- kerung, welche die Möglichkeit haben müs- wichtig es sei, bei der Budgeterstellung auf weise der Bundesregierung als entlarvend. se, in die Budgetberatungen adäquat einge- das Wirtschaftswachstum und damit auf die Einziger Hintergrund seien die Landtags- bunden zu sein. Dies umso mehr, als zu be- Beschäftigung zu achten. „WIFO und IHS wahlen in Wien und in der Steiermark. „Sie fürchten stehe, daß dieses neue Budget massi- haben ihre Prognosen für 2011 zwar angeho- nehmen einen Verfassungsbruch in Kauf, um ve Einsparungen und Kürzungen im Sozial- ben, aber Grund zur Entwarnung ist das noch den Menschen nicht vor diesen Wahlen die bereich bringen werde. Und dagegen werde

Foto: http://www.bilderbox.biz keiner. Jeder ist ein Scharlatan, der jetzt Wahrheit eingestehen zu müssen“, kritisierte ihre Fraktion härtesten Widerstand leisten.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 4 Innenpolitik Foto: ÖVP / Jakob Glaser v.l.: Wirtschafts-Staatssekretärin Christine Marek (ÖVP), Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP), Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), Umweltminister Niki Berlakovich (ÖVP), Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ), Verkehrs- ministerin Doris Bures (SPÖ), Innenministerin Maria Fekter (ÖVP), Vizekanzler Finanzminister Josef Pröll (ÖVP), Bundeskanz- ler Werner Faymann (SPÖ), Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ), Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) und Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) auf der Regierungsbank bei der Budgetdebatte am 7. Juli 2010 im Hohen Haus. Die Wahlen sind vorbei Die Kompromisse nehmen. „Fünf Punkte meines Programms Zwei Tage nach der Gemeinderatswahl in Faymann: Das Budget eine konnten verwirklicht werden“, zeigte sich Wien zeigte sich Finanzminister Pröll am »Gemeinschaftsleistung« Faymann erfreut. Bankenabgabe, Abschaf- 12. Oktober nach dem Ministerrat froh über Am 23. Oktober, dem zweiten Klausur- fung der Kreditvertragsgebühr, eine Anhe- die Einigung hinsichtlich des Budgetfahr- tag, gab Bundeskanzler Werner Faymann ge- bung der Stiftungsbesteuerung, zusätzliche plans. Der festgelegte Zeitplan sah eine Aus- meinsam mit Finanzminister Josef Pröll die Umsatzsteuereinnahmen, ein Aus des Zinsen- arbeitung sämtlicher budgetrelevanter The- Regierungs-Einigung für das Budget 2011 abzugs bei der Anschaffung von Konzern- men in vier Arbeitsgruppen mit den Ländern, bekannt. Wesentliche Maßnahmen reichen anteilen sowie eine Kapitalertragssteuer von die sich mit den Themen Pflege, Bildung, bis 2014. 400 Millionen Euro jährlich inve- Wertpapieren tragen eine klare sozialdemo- Budget, Stabilitätspakt sowie Deregulierung stiert die Bundesregierung für Schulen (80 kratische Handschrift. „Alle Maßnahmen und Gesetzesdurchforstung beschäftigten. Mio.) und Universitäten (80 Mio.) sowie für sind unbefristet“, stellte der Bundeskanzler Zehn Tage später zogen sich die Koalitions- die thermische Sanierung (100 Mio.). 40 klar. partner zu einer Regierungsklausur in den Millionen Euro fließen in den Kassenstruk- Die Hacklerregelung bleibt, wie verspro- steirischen Kurort Bad Loipersdorf zurück, turfonds. „Mit den Offensivmitteln können chen, bis 2013 bestehen. „Wir haben Verbes- um die Ergebnisse der Arbeitsgruppen zu- 80.000 zusätzliche Ganztagsschulplätze ge- serungen im System vorgenommen“, sagte sammenzuführen und die notwendigen Kom- schaffen werden“, so der Bundeskanzler, Faymann. Ab 2014 wird das Pensionsalter promisse zu finden. Viele wundern sich, wie- „wir erhöhen auch die Studienqualität.“ für Langzeitversicherte um zwei Jahre von so eine Entscheidungsfindung so kompliziert Der Kanzler würdigte überdies, daß „die 60 auf 62 Jahre angehoben. Der Kauf von ist – vergessen aber, daß hier zwei Parteien Verhandlungen konstruktiv waren“ und das Zeiten wird dann nicht mehr möglich sein zusammenarbeiten (müssen), die grundsätz- Budget eine „Gemeinschaftsleistung“ sei. Be- und bereits ab nächstem Jahr teurer werden. lich verschiedene Zugänge zur Umsetzung sondere Sorgfalt sei auf auf dessen soziale politischer Inhalte haben. Und dazu gezwun- Ausgewogenheit gelegt worden. „Die Men- Pröll: Budgetpaket ist gen sind, der jeweils eigenen Basis klarma- schen standen im Mittelpunkt der Budget- Weg aus der Schuldenfalle chen zu müssen, daß auch noch so wichtige verhandlungen. Das Vertrauen in die Politik „Mit diesem Paket schlagen wir den Weg Ziele ohne Einverständnis des Regierungs- zu stärken ist unser oberstes Ziel“, so Fay- aus der Schuldenfalle ein“, erklärte Finanz- partners nichts anderes sind, als Wünsche. mann. Wirtschaftsaufschwung, Sparsamkeit minister Josef Pröll. „Es wird mehr gespart Und da meist ziemlicher Zeitdruck herrscht, und die „konkrete soziale Verantwortung“ und es gibt – im Gegensatz zu den ursprüng- werden Einigungen auf den kleinsten ge- seien die entscheidenden Parameter der Ver- lichen Plänen – weniger Steuern“, so Pröll, der meinsamen Nenner oft zu Erfolgen – jeder handlungen gewesen. für die Zukunft einen Defizitpfad für 2012 will den Rückhalt in der eigenen Partei Zwei Drittel der neuen Steuern wird die von bereits 2,9 Prozent, für 2013 2,5 Prozent sichern und, schließlich, bei der nächsten Bundesregierung von Banken, Vermögens- und 2014 2,2 Prozent prognostiziert. „Wir Wahlauseinandersetzung Erster werden. zuwächsen und Teilen der Wirtschaft ein- haben somit nicht nur das Detailbudget für

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 5 Innenpolitik

2011 geschnürt, sondern auch eine klare aus Maßnahmen wie die Einführung der Ban- des, Karl Blecha, mit dem Ergebnis zufrie- Tangente bis 2014 vorgelegt.“ kenabgabe, einer Kapitalertragssteuer auf den seien, dann müsse es sich um einen „Jeder wird in dieser schwierigen wirt- Wertpapiere, der Anhebung der Zwischen- besonderen Pfusch handeln. schaftlichen Situation seinen Beitrag leisten, steuer zur Stiftungsbesteuerung auf 25 Pro- doch mit einer gerechten Lastenverteilung in zent, einer Flugticketabgabe oder einem Bucher: Was hier vorliegt, ist der blanke Wahnsinn Verbindung mit klugem Sparen sichern wir CO2-Zuschlag zur NOVA(Normverbrauchs- nicht nur Wohlstand und Arbeit, sondern abgabe) und der Mineralölsteuer zusammen. „Die Katze ist jetzt aus dem Sack. Was schaffen auch die Rahmenbedingungen für So trägt die Erhöhung der Tabaksteuer im hier vorliegt, ist der blanke Wahnsinn. Fi- wichtige Investitionen und geben Österreich Ausmaß von 150 Millionen Euro dazu bei, nanzminister Pröllnocchio hat es tatsächlich somit eine Perspektive für eine nachhaltige den Kassenstrukturfonds zu speisen. „Wir zustande gebracht, Massensteuern einzufüh- Zukunft“, so Pröll, der die Schwerpunktset- haben die Ausgabenstruktur des Landes ren“. Mit diesen scharfen Worten kritisierte zung des Budgetfahrplans skizzierte: „Wir beim Sparen gehalten. Das ermöglicht uns, BZÖ-Bündnisobmann Josef Bucher das müssen forciert in jenen Bereichen handeln zusammen mit der Konjunktur, auch Spiel- „SPÖ-ÖVP-Hallooween-Budget“. und sparen, wo mehr Geld ausgegeben wird, raum für Offensivthemen. Das Ergebnis ist Was uns jetzt blühe, sei der Preis für das als wir uns leisten können. Sowohl auf der ein Kompromiß, der für Österreich wichtig jahrelange Zuwarten. „Seit 2006 ist diese Ausgabenseite als auch bei den Einnahmen ist und den ich mit vollem Herzen trage“, so rot-schwarze Koalition am Werken. Vier steht eine gute, faire Balance für uns im Pröll abschließend. Jahre hätte man schon sehen können, daß Mittelpunkt.“ Reformen nötig sind. Jetzt werden diese Re- Der Beschluß einer „Kostenbremse“ bei Strache: Statt echter Verwaltungs- formen naturgemäß immer teurer und wer- den Pensionsregelungen ist ein Schwerpunkt reform wird weiterdilettiert den auch all jene treffen, die überhaupt des Budgetplans: „Wir haben einen Weg ge- Mit dem Schröpfbudget bereite die Bun- nichts für diese Finanzmarktkrise können“, funden, um die Kostendynamik im Pensions- desregierung den ÖsterreicherInnen einen meinte Bucher. system zu bremsen“, so Finanzminister Josef traurigen 26. Oktober, erklärte FPÖ-Bun- „Dieses 60:40 ist ein einzigartiger Bluff. Pröll, der darauf verweist, daß durch die desparteiobmann Heinz-Christian Strache. Ursprünglich wollte Pröllnocchio nämlich unveränderte Fortführung der Hacklerrege- Anstatt unser Heimatland zukunftsfähig zu 60 Prozent über Einsparungen und 40 Pro- lung zwischen 2014 und 2019 bis zu 4,8 Mil- machen, werde gnadenlos abkassiert, vor zent über Steuern hereinbekommen. Jetzt liarden Euro an Zusatzkosten anfallen wür- allem bei Familien, Kranken und Senioren. geht er aber den Weg, daß er auch bei den den. „Durch die neue Übergangsregelung, Dies sei völlig inakzeptabel. Einsparungen auch jenen das Geld weg- die wir jedoch nicht im Dauerrecht imple- Gerade die Kürzungen im Familienbe- nimmt, die das Geld am dringendsten brau- mentiert haben, fallen nur 280 Millionen pro reich würden zeigen, daß die Bundesre- chen – nämlich den Familien, den Pflege- Jahr an“, erklärte Pröll und verwies auf wei- gierung noch immer nichts dazugelernt bedürftigen, den Studierenden und den sozi- tere Maßnahmen zur Kostenreduktion: Ge- habe. Für immer mehr Familien werde das al Schwachen. Das ist an Perversion nicht plant ist auch eine Änderung bei den In- Leben unleistbar, warnte Strache. Die mehr zu überbieten. Das ist ein Praktikan- validitätspensionen, die Aliquotierung der Armutsfalle schnappe gerade hier immer tenbudget, das im Grunde jeder an einem Sonderzahlungen und das Aussetzen der Pen- gnadenloser zu. Dies betreffe auch immer Nachmittag zustande bringt. Jetzt müssen all sionsanpassung im ersten Jahr. mehr Mittelstandsfamilien. Es könne wohl jene zum Aderlaß, die für diese Krise nichts „Wir haben uns in den Verhandlungen an kaum in Sinne der Gründerväter der Zweiten können“, so Bucher und weiter: „Diese Bun- das Prinzip 60 Prozent ausgabenseitige Sa- Republik sein, Österreich zu einem Land der desregierung hat ihren Job nicht verstanden, nierung und 40 Prozent einnahmenseitige Kinderlosen zu machen, wo sich bald nur denn Rot und Schwarz hätten bei diesem gehalten. Es ist ein Paket, das uns ermög- mehr Reiche Nachwuchs leisten könnten. Budget auf die Langzeitperspektive sehen licht, den Schuldenstand Österreichs in den Wieder einmal hätten SPÖ und ÖVP die und auf die Generationengerechtigkeit ach- Griff zu bekommen und die Defizite zu re- Chance verpaßt, mit einer echten Verwal- ten müssen. Durch dieses Budget werden die duzieren. Daher sind wir übereingekommen, tungsreform die Grundprobleme anzupacken, Familienerhalter und die Jugend bestraft, die den Mittelstand nicht durch leistungshem- kritisierte Strache. Stattdessen dilettiere man eigentlich für die Zukunft die Verantwortung mende Eigentums- oder breite Vermögens- weiter vor sich hin und schaue ungeniert zu, tragen sollen.“ Der richtige Weg sei gewe- steuern zu belasten“, so der Finanzminister, wie der Mittelstand immer weiter zerbrösle. sen, an die Strukturen heranzugehen und der auch betont, daß man „nicht nur fanta- Auch bei den Pensionen ziehe die Reformen zu setzen. sielos gekürzt oder Steuern erhöht“ habe, Bundesregierung eine blutige Spur durch sondern immer auch im Gegenzug darauf den Mittelstand, auf den sie es offenbar Kogler zu Budget: Unambitioniert, geachtet hat, daß die Menschen entlastet besonders abgesehen habe, ergänzt der frei- uninspiriert und ungerecht werden. „Wir haben die Bankenabgabe ein- heitliche Seniorensprecher, Werner Neu- „SPÖ und ÖVP sind offensichtlich in die- geführt, aber im Gegenzug die Menschen bauer. Damit schwäche die rot/schwarze ser Konstellation nicht zu den notwendigen durch die Streichung der Kreditvertragsge- Bundesregierung die Kaufkraft der wichtig- finanz- und wirtschaftspolitischen Reformen bühr entlastet. Die Mineralölsteuer wird er- sten Konsumentengruppe, zum massiven in der Lage", erklärte der Budget- und Fi- höht, im Gegenzug auch die Pendlerpau- Schaden der Wirtschaft. „Viel ungeschickter nanzsprecher der Grünen, Werner Kogler. schale“, so Pröll. kann man sich nicht anstellen“, stellte er „Unambitioniert und uninspiriert ist dieses Insgesamt bedeutet das Steuereinnahmen fest. Wenn nicht einmal der Obmann des Paket. Von Investitionen in Bildung und Uni- in der Höhe von 1,169 Milliarden Euro für ÖVP-Seniorenbundes, Andreas Khol und versitäten in der notwendigen Höhe ist weit 2011. Diese Summe setzt sich unter anderem der Präsident des SPÖ-Pensionistenverban- und breit nichts zu sehen. Die dafür vorgese-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 6 Innenpolitik henen Ausgaben sind angesichts des Bedarfs sie als „leichtfertige Zerstörung von Öster- lich bessere finanzielle Ausstattung zurück- eine Provokation.“ Die groß angekündigten reichs Zukunft“, die man sich nicht bieten greifen, wovon letztendlich das gesamte Bil- SPÖ-Vorhaben seien, so Kogler, auf dem lasse. „Der Budgetplan der Regierung ist ein dungssystem profitieren würde.“ Klar sei, Weg versumpert. „Auch nach diesem Paket brutaler Rundumschlag gegen die Studieren- daß der unregulierte Hochschulzugang Mas- bleibt die riesige Gerechtigkeitslücke im den“ sagte Sigrid Maurer vom ÖH Vorsitz- senstudien erzeugt habe und diese sozial österreichischen Steuersystem bestehen. Es team. selektiv wirkten. ist einfach nicht einzusehen, daß Millionen- Die zuständige Wissenschaftsministerin, Unterstützung finden die protestierenden erben in Österreich immer noch steuerfrei Beatrix Karl, erklärte in der ORF-Sendung StudentInnen von mehreren Seiten, nämlich gehen.“ Von einer Beseitigung oder auch nur „Pressestunde“ unter anderem, die Universi- vom Unterstützung bekamen die Studenten Halbierung der Privilegien im Stiftungs- täten hätten bis 2013 ein abgesichertes Bud- auch von der Universitätenkonferenz. Rek- bereich könne nach einer ersten Bewertung get. Ab dann werde es einen finanziellen torenschef Hans Sünkel bat alle Rektoren keine Rede sein. Mehrbedarf von ungefähr 250 Millionen Eu- um Nachsicht für jene Studierende, die Lehr- Heftige Kritik übte Kogler an den nicht ro geben. „Da die öffentlichen Ausgaben für veranstaltungen fernbleiben, um an den De- vorhandenen Strukturreformen im Budget. die Universitäten weit über dem OECD- mos teilnehmen zu können. Zuvor hatte Sün- „Die überhöhten Förderungen und Struktur- Schnitt liegen“, möchte Karl „vor allem die kel die Kürzung der Familienbeihilfe als un- probleme bei den Förderungen werden über- private Finanzierung forcieren. Dieser ,Fi- ausgewogen und nicht sinnvoll kritisiert. haupt nicht angegangen“, sagte Kogler. nanzierungsmix‘ soll aus öffentlichen Mit- Grünen-Chefin Eva Glawischnig sicherte „Diese Regierung und die Bundesländer sind teln, Studienbeiträgen und Beiträgen aus der den StudentInnen volle Unterstützung für zu wirklichen Staats- und Verwaltungs- Wirtschaft bestehen“, so Karl. die Proteste zu, das BZÖ ließ verlauten, man reformen nicht fähig und nicht willig.“ ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger halte die Kürzung der Familienbeihilfe für „Die Wirtschafts- und Budgetkrise wäre ergänzt, Studienbeiträge mit einem treffsiche- verfassungswidrig. eine große Chance für Strukturreformen. ren Stipendiensystem seien eine sozial ge- Das wird offensichtlich nicht begriffen. Eine rechte Maßnahme und brächten eine Umver- »Nicht so schlecht«, wirkliche Ökologisierung des Steuersystems teilung von oben nach unten. „Das Modell wenn auch nicht begeistert ist nicht erkennbar. Die von Pröll viel strapa- der Studienbeiträge ist fair und gerecht … Christoph Leitl, Präsident der zierten grünen Arbeitsplätze werden mit die- Wenn die österreichischen Universitäten von Wirtschaftskammer Österreich ser Budgetstruktur durch öffentliche Anreize denjenigen, die es sich leisten können, Stu- sieht die Ergebnisse distanziert: „Die Bud- jedenfalls nicht unterstützt. Wir werden sie dienbeiträge bekommen würden, könnten getpläne der Regierung weisen in etlichen auch weiter mit der Lupe suchen können.“ die heimischen Hochschulen auf eine deut- Bereichen in die richtige Richtung. So ist

Die Präsentation der Budgeteinigung von Bad Loipersbach löste auch außerhalb der Einsparungen im Außenministerium Parteien eine Welle der Entrüstung aus, die Die Budgetpläne der österreichischen Liste ist lang und reicht von kirchlichen Ein- Bundesregierung werden sich auch auf den richtungen wie Caritas und Diakonie, Fami- internationalen Auftritt Österreichs aus- lienverband und Familienbund, über Auto- wirken. „Es wird mir nichts anderes übrig fahrervereinigungen. bleiben, als Botschaften zu schließen“, er- klärte Außenminister Michael Spindeleg- Am Beispiel Universitäten ger am 25. Oktober gegenüber der Die lautstärksten Proteste kamen bisher Presseagentur (APA) unmittelbar vor dem von Studierenden, die ja im Herbst 2009 vor EU-Außenministerrat in Luxemburg. Auch allem durch die Besetzung des Audimax an in seinem Ressort werde es schmerzliche der Universität Wien und zahlreiche Demon- Einschnitte geben, auch Botschaften müß- strationen auf sich und die, wie sie sagen, ten geschlossen werden, welche, wollte er unzumutbaren Studienbedingungen an Öster- noch nicht verraten. Zuerst wolle er mit reichs Universitäten aufmerksam machten. den Partnerländern in dieser Sache auch Auch wenn sie sich später auf Pressekon- das Einvernehmen herstellen. „Es soll nie- ferenzen und einzelne Aktionen zurückgezo- mand aus der Zeitung erfahren, daß in sei- gen hatten, in denen sie, neben anderen For- nem Land eine Botschaft geschlossen derungen, mehrere Hundert Millionen Euro wird“, so Spindelegger. zusätzlicher Budgetmittel reklamierten, sind Stolz könne man auf die Budgetpläne Foto: BKA/HOPI-Media - Bernhard W. Holzner sie nun wieder auf die Straße gegangen: in zwar nicht sein, hier habe man aber realis- Außenminister Michael Spindelegger Wien, Graz, und Linz. tischerweise den Fokus auf das gelegt, was Die 80 Millionen Euro, die im Budget als notwendig sei: nämlich Einsparungen zu rungsmitglied. Die Antwort müsse in zusätzliche Zahlung an die Universitäten ein- bewerkstelligen, damit es überhaupt eine Richtung Reformen gehen, und die seien geplant sind, lehnt die Österreichische Hoch- Zukunft gebe. „Wir sind dramatisch in schmerzlich, das sei gar keine Frage. schülerschaft (ÖH) als „Bodenlose Frech- unserem Budgetdefizit angestiegen, und „Aber ich sehe keine Alternative“, so der heit“ ab, die Kürzung der Familienbeihilfe das bedarf einer Antwort“, so das Regie- Außenminister. vom bisher 25. auf das 24. Lebensjahr sieht

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 7 Innenpolitik Foto: BKA/HOPI-Media - Bernhard W. Holzner v.l.: Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ), Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (VP), Umweltminister Niki Berlakovich (ÖVP), Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP), Wirtschafts-Staatssekretärin Christine Marek (ÖVP), Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ), Vizekanzler Finanzminister Josef Pröll (ÖVP), Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ), Verkehrsmini- sterin Doris Bures (SPÖ), Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ), Gesund- heitsminister Alois Stöger, Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), Innenministerin Maria Fekter (ÖVP), Finanzstaats- sekretär Reinhold Lopatka (ÖVP), Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP), Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (SPÖ) und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP)

etwa die Förderung der thermischen Sanie- einbußen kostet“, sagte Tumpel und schlägt bei der Langzeitversichertenregelung ge- rung und die Abschaffung der Kreditver- vor, in diesem Bereich „die Details noch ge- wahrt bleibe und es keine vorzeitigen Ände- tragsgebühr ebenso zu begrüßen wie die Ab- nau zu diskutieren“. rungen beim Antrittsalter geben werde, beur- sicht, mehr Geld für Schulen, Universitäten Insgesamt sieht daher die Arbeiterkam- teilt der ÖGB-Präsident positiv, „und ebenso und Forschung zur Verfügung zu stellen. mer in den Fragen der Familienmaßnahmen die Tatsache, daß es auch nach 2014 möglich Große Strukturreformen etwa in der öffent- noch Klärungsbedarf, etwa bei der studenti- sein wird, nach 45 Jahren abschlagsfrei in lichen Verwaltung oder im Gesundheitswe- schen Mitversicherung. Als positiv bezeich- Pension zu gehen.“ sen fehlen aber praktisch zur Gänze. Da ver- net Tumpel jene Absichtserklärungen, die Da ein wesentlicher Teil der Mehreinnah- misse ich Pläne, gemeinsam mit den anderen eine Fortführung der Kinderbetreuungsmil- men den Bundesländern über den Finanzaus- Gebietskörperschaften verbindliche Ziele liarde ankündigen – dafür müsse nun aber gleich zufließen werde, erwarte der ÖGB, und Maßnahmen zu fixieren. Jetzt müssen auch tatsächlich Geld gewidmet werden, daß ein wesentlicher Teil davon zweckge- sich auch die Länder bewegen. Da erwarte verlangte der AK-Präsident. Die Unklar- bunden für Pflege und Betreuung (im Rah- ich mir erste Ergebnisse bei der Budgetrede heiten „zeigen ganz deutlich welche drama- men der Sozialmilliarde) verwendet werde. des Finanzministers im Parlament“. Und: tischen Auswirkungen sich ergeben hätten, Ein Wermutstropfen sei die Erhöhung der „Viele der Steuermaßnahmen wären nicht wenn – wie von Wirtschaft- und Industrie- Mineralölsteuer, der ÖGB bleibe dabei, daß nötig gewesen, hätte man größere Struktur- seite gefordert – nur ausgabenseitig saniert es sich dabei nicht um eine Ökosteuer hand- reformen angepackt. Erneuern statt besteu- worden wäre“, so Tumpel. le. Allerdings scheine es mit Verbesserungen ern wäre besser gewesen. Aber immerhin für PendlerInnen doch einen gewissen wird der Mittelstand – er trägt schon jetzt die Erich Foglar, Präsident des Ausgleich zu geben. Hauptlast bei den Steuern – nicht überpro- Österreichischen Gewerkschaftsbundes Nach Vorliegen aller Details werde der portional belastet. Hier konnten ärgste Be- sieht „auf den ersten Blick wesentliche ÖGB eine abschließende Beurteilung vor- drohungen abgewendet werden. Finanzmini- Forderungen des ÖGB bei der Budgetsanie- nehmen. „Unser Jahresschwerpunkt FAIR ster Josef Pröll blieb auch auf Sparkurs, alle rung wieder, vor allem was einnahmenseiti- TEILEN hat offenbar gewirkt, von rein aus- Bevölkerungsgruppen werden in die Budget- ge Maßnahmen betrifft, die nicht zulasten gabenseitigen Maßnahmen, wie es noch zu sanierung einbezogen.“ der sozial Schwachen gehen“. Das Paket Jahresbeginn geheißen hat, ist die Bundes- liege nun in groben Zügen vor, es sei positiv, regierung im Verlauf der vergangenen Mo- Herbert Tumpel, Präsident daß sich die Bundesregierung offenbar geei- nate abgekommen.“ der Arbeiterkammer nigt habe. „Wir beurteilen es als äußerst po- sieht die Kürzungen der Familienbeihilfe am sitiv, daß die Bundesregierung die Forderung Veit Sorger, Präsident der Österreichi- Budgetentwurf der Bundesregierung kri- des ÖGB nach einnahmenseitigen Maßnah- schen Industriellenvereinigung tisch. Man müsse schon überlegen, ob es men aufgegriffen hat, denn noch vor weni- bezeichnete die Ergebnisse der Budgetge- gerecht sei, bildungswillige Familien zu tref- gen Monaten war nur von ausgabenseitigem spräche der Bundesregierung als „zwei- fen. Als Härte bezeichnet Tumpel die Strei- Sparen die Rede“, sagt Foglar. „Vorhaben schneidig“. Grundsätzlich positiv seien die chung der Familienbeihilfe für jugendliche wie Bankenabgabe, Ende der Stiftungspri- verstärkten Mittel für die „Zukunftsthemen“ Arbeitsuchende. „Da sieht man, daß das von vilegien oder vermögensbezogene Steuern Universitäten und Schulen sowie Investitio- der ÖVP immer verlangte ausgabenseitige werden wesentlich dazu beitragen das Defi- nen in thermische Sanierung und das schnel- Sparen die Familien große Einkommens- zit zu reduzieren.“ Daß der Vertrauensschutz lere Sinken des Defizits auf unter drei

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Pröll: »Jeder leistet seinen Beitrag«

Weg aus der Schuldenfalle 13. Familienbeihilfe gerettet Aktiengewinne werden künftig mit einer Von heutigen 4,1 Prozent wird die Neu- Mit einer Modifikation konnte die 13. Fa- Kapitalertragssteuer von 25% belegt, die verschuldung bis 2012 unter 3 Prozent, bis milienbeihilfe gerettet werden. Künftig wer- Zwischensteuer bei Privatstiftungen wird 2014 unter 1,9 Prozent liegen. Das ist sogar den vom 6. bis 15. Lebensjahr pauschal 100 auf 25% angehoben. Die Gruppenbesteue- besser als ursprünglich geplant. Die Euro ausgezahlt. Zu einer Reduktion rung wird nicht angetastet. Neuverschuldung wird reduziert, indem kommt es bei der Anspruchsdauer und dem teure und ungerechte Strukturen – etwa bei einkommensabhängigen Mehrkindzuschlag. Steuersystem wird ökologisiert, der Hacklerregelung – verändert werden. Dafür wird der Selbstbehalt bei Schulbü- Pendler werden entlastet chern abgeschafft. Das Steuersystem wird ökologisiert. Weniger neue Steuern – Mehr Geld gibt es für thermische Sanie- mehr Zukunftsinvestitionen Mehr Effizienz bei rung und „Green Jobs“. Dafür wird eine Mit diesen Maßnahmen sind weniger Wirtschaftsförderung Flugticketabgabe eingeführt (8 Euro bei neue Steuern nötig als geplant. Dafür gibt Eine Effizienz bei diversen Programmen Flügen in Europa, 40 Euro für längere es ab 2011 mehr Zukunftsinvestitionen. der Wirtschaftsförderung bringt rund 5 Distanzen). Bei der NOVA wird ein CO2- Insgesamt gibt es 400 Millionen Euro pro Millionen Euro jährlich. Zusätzlich wird Zuschlag eingeführt. Bei der Mineralöl- Jahr: der Eigenaufwand gekürzt. steuer wird ein CO2-Zuschlag eingeführt (4 100 Millionen Euro für Forschung und Cent pro Liter Benzin, 5 Cent pro Liter Entwicklung, Landwirtschaft: Einkommen Diesel). Pendler werden entlastet (+5% bleiben unangetastet 100 Millionen Euro für die Umwelt, Pendlerpauschale), Spediteure müssen we- 80 Millionen Euro für die Schulen, Gute Nachricht für die Bauern: Das Ein- niger Kfz-Steuer für ihre LKWs zahlen. 80 Millionen Euro für die Universi- kommen wird nicht angetastet, Flächen- täten und zahlungen bleiben unberührt. Reduziert Weitere Maßnahmen 40 Millionen Euro für die Gesundheit. werden lediglich die Projektfördergelder, Die Erhöhung der Tabaksteuer bringt mehr Effizienz und Qualität gibt es bei jährlich rund 150 Millionen Euro – ebenso Kostenbremsen im Pensions- Projektbeurteilungen. viel wie ein Betrugsbekämpfungspaket. Das system und bei Pflege sorgt dafür, daß die ehrlichen Steuerzahler Damit das Pensionssystem finanzierbar Kreditvertragsgebühr nicht draufzahlen. bleibt und nicht unter dem Ansturm auf die wird abgeschafft Frühpensionen zusammenbricht, werden Bei den Banken wird die Kreditver- Korrekturen Kostenbremsen eingebaut. Statt Mehrko- tragsgebühr abgeschafft. Dadurch werden Nach teils sehr heftigen Protesten, die sten von 4,8 Milliarden Euro entstehen nur die Konsumenten entlastet: Bei einem Kre- aus den Religionsgemeinschaften, den Fa- Mehrkosten von 280 Millionen Euro in dit von 100.000 Euro erspart man sich z.B. milienvertretern und aus dem Bildungs- den nächsten vier Jahren. Das Antrittsalter 800 Euro. Die Bankenabgabe wird jährlich bereich kamen, erklärten sich Bundeskanz- für die Hackler-Regelung wird ab 2013 rund 500 Millionen Euro bringen. Kleine ler und Vizekanzler bereit, mit Vertretern angehoben, der Nachkauf von Schul- und und mittlere Regionalbanken werden davon von jenen, die sich am meisten als unge- Studienzeiten wird verteuert, der Nachkauf nicht betroffen sein. recht behandelt fühlen, Gespräche zu füh- von Ausübungsersatzzeiten wird kosten- ren mit dem Ziel, dort und da noch „abzu- pflichtig gemacht. Durch das neue Pfle- Keine Eigentumssteuer federn“ und Härten auszugleichen. Das gepaket kommt es zu weiteren Einspa- Das private Vermögen bleibt unangeta- Sparpaket an sich solle aber keinesfalls rungen. stet, die Vermögenssteuer kommt nicht. wieder aufgeschnürt werden.

Prozent. „Es ist insbesondere auch gelungen, druck gegen neue oder erhöhte Steuern aus- gen sehr genau beobachten und die Stimme von Regierungsseite zuvor angedachte Ver- gesprochen. Ausgabenseitige Konsolidierun- zeitgerecht sehr deutlich erheben“. schlechterungen etwa bei der Gruppen- so- gen – das haben Erfahrungen in anderen Staa- wie Vermögenssubstanzbesteuerung abzu- ten gelehrt – sind grundsätzlich zielführen- Der weitere Fahrplan wenden. Das ist ein standortpolitischer Er- der und nachhaltiger als schwerpunktmäßig Plenarberatungen des Nationalrats sind folg. Die Industrie vermißt gleichzeitig in einnahmenseitige Ansätze. Wenn schon neue für den 17. und 18. November vorgesehen. weiten Bereichen notwendige strukturelle Steuern eingeführt oder bestehende angeho- Der Finanzminister wird seine Budgetrede Reformen, die den Industrie- und Arbeits- ben werden, sollte dies in jedem Fall Len- am 30. November halten. Die Ausschußbe- standort Österreich im internationalen Wett- kungseffekte und keine wachstumsdämpfen- ratungen über den Budgetentwurf sollen am 9. bewerb nachhaltig absichern sollten“, so den Auswirkungen haben“, betonte Sorger Dezember beginnen und am 10. sowie vom Sorger. Insbesondere bei der „Hackler-“ und hinsichtlich die steuerlichen Belastungen in 13. bis 16. Dezember fortgesetzt werden. Im Invaliditätspension seien die Vereinbarungen den Bereichen Treibstoff, Tabak, Banken Plenum wird der Bundesvoranschlag vom „sicherlich nicht weitgehend und mutig und Aktien. Man werde daher die Umset- 20. bis 22. Dezember beraten, womit er vor genug“. zung der einnahmenseitigen Maßnahmen Weihnachten beschlossen werden und mit 1. „Die Industrie hat sich immer mit Nach- und ihre „gesamtwirtschaftlichen Auswirkun- Jänner 2011 in Kraft treten kann.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 9 Innenpolitik Sozialpartnerdialog Umfassendes Paket gegen Lohn- und Sozialdumping und für Integration – Sozialpartner präsentierten gemeinsame Vorschläge

um Auftakt des „Sozialen Dialogs der greift“, sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar. einzubringen und so Handel und Konsumen- ZSozialpartner“ in Bad Ischl präsentierten „Lohn- und Sozialdumping ist ein sozialpo- ten mit frischen, hochqualitativen Lebens- die vier Präsidenten der Sozialpartnerorgani- litisch unerwünschter Effekt: Menschen mitteln zu versorgen. Zur Lösung dieser Fra- sationen Wirtschaftskammer, Gewerkschafts- wird für ihre Arbeit der gerechte Lohn vor- ge laufen derzeit Gespräche mit den bund, Landwirtschaftskammer und Arbeiter- enthalten und der Sozialversicherung und Sozialpartnern und dem Sozialministerium, kammer am 18. Oktober ein umfassendes dem Staat fehlen Einnahmen“, sagte Foglar. so der Präsident der Landwirtschaftskammer Paket, das Maßnahmen zur Bekämpfung von Die Vorschläge der Sozialpartner würden Österreich, Gerhard Wlodkowski. Im Sinne Lohn- und Sozialdumping und Vorschläge klare Regeln schaffen. Behörden könnten von Wachstum und Beschäftigung, dem Ge- für künftige Zuwanderung, Stichwort „Rot- überprüfen, ob Unterentlohnung vorliege, neralthema der heurigen Bad Ischler Ge- Weiß-Rot-Card“ enthält. Thema der heuri- egal ob die Beschäftigten ÖsterreicherInnen spräche, unterstützte der LK Präsident den gen Beratungen war „Wachstum – Beschäf- seien oder aus neuen EU-Ländern kämen. Vorschlag für ein Gesetz gegen Lohn- und tigung – Integration“. Sozialdumping und führte als Negativbei- spiel Vorgänge in Schlachthöfen Deutsch- Leitl: Leistungsträger mit lands an, die auch auf heimischen Verarbei- offenen Armen empfangen tungsbetriebe negative wirtschaftliche Aus- „Die Sozialpartner packen heiße Eisen an wirkungen hätten. und formen daraus brauchbare Werkzeuge“, begrüßt WKÖ-Präsident Christoph Leitl das Tumpel: Bestmögliche Ausbildung Gesamtpaket der Sozialpartner: „Das ,Aus- bleibt Ziel länderthema‘ wird politisch mißbraucht, wie Arbeiterkammer-Präsident Herbert Tum- kein anderes Thema. Mit der ,Rot-Weiß-Rot- pel erklärte, daß die Lage auf dem Arbeits- Card‘ wollen wir dem entgegentreten, dem markt und die Absenkung der Arbeitslosig- Schutzbedürfnis der Bevölkerung entspre- keit in Österreich unverändert wichtig ist. chen, Sorgen nehmen und Ängste abbauen. Daher muß Qualifizierung und Ausbildung Leistungsträger, die in der ganzen Welt be- weiter Zielsetzung bleiben. Tumpel setzt da- gehrt sind und ihre Qualifikationen in unse- her auf die Fortsetzung des bisherigen Kur- ren Standort einbringen wollen, sollen in ses, damit die Jungen die bestmögliche Aus- Österreich mit offenen Armen empfangen bildung für die Zukunft bekommen. Für be- werden. Sie stützen den Wirtschafts- und reits im Inland lebende Menschen mit nicht Sozialstandort, zahlen Steuern und Abgaben österreichischem Hintergrund fordert Tumpel und erbringen wichtige Arbeiten.“ Der Das sei sowohl im Sinn der Arbeitnehmer als verstärkte Integrationsbemühungen. Dazu Wirtschaftskammerpräsident nahm auf die auch im Interesse aller Unternehmen, die ihre zählen die Erwerbung einer ausreichenden guten heimischen Arbeitsmarktdaten Bezug: Beschäftigten schon korrekt bezahlen. Die Sprachkompetenz und die Errichtung von „In Europa kann kein anderes Land mit bes- Behörden müßten auch personell aufgestockt Kompetenzzentren. In diesen Zentren sollen seren Arbeitslosenzahlen aufwarten als werden, fordert Foglar. Bei der „Rot-Weiß- die Qualifikationen und Fähigkeit der Men- Österreich. Hier sind wir Nummer eins. Da- Rot-Card“ sei es der Arbeitnehmerseite be- schen bewertet und anerkannt und eventuel- mit das auch weiterhin so bleibt, legen die sonders wichtig gewesen, daß es nicht aus- ler Qualifizierungsbedarf erhoben werden. Sozialpartner die ,Rot-Weiß-Rot-Card‘ vor schließlich ein kriterien-, sondern ein bedarfs- Darüber hinaus soll das AMS ihr Angebot an und appellieren auf eine rasche Gesetzwer- geleitetes System der Zuwanderung geben diese Zielgruppe verbessern, um die Inte- dung.“ Leitl begrüßt auch Maßnahmen soll. „Der Bedarf muß sich nach dem Arbeits- gration am Arbeitsmarkt zu verstärken. gegen Lohn- und Sozialdumping: „Die Wirt- markt richten und wird von den Sozialpart- schaft tritt für einen fairen Wettbewerb ein.“ nern gemeinsam festgelegt“, sagte Foglar. Fischer: Schritt in richtige Richtung Bundespräsident Heinz Fischer hat für Foglar: Unterentlohnung Wlodkowski: Landwirtschaft auch nach „klare, nachvollziehbare, vernünftige Re- ist strafbare Handlung 1. Mai 2011 auf Erntehelfer angewiesen geln“ für eine „bedarfsgerechte“ Einwande- „Wer seine Mitarbeiter ab 1. Mai 2011 Die Öffnung des heimischen Arbeits- rung appelliert. Das Thema Migration werde unter Kollektivvertrag bezahlt, begeht eine marktes für die Länder Mittel- und Osteuro- aufgrund seiner Reichweite, Langfristigkeit strafbare Handlung und muß mit Konse- pas ab 1. Mai 2011 stellt die Landwirtschaft und Emotionalität in ganz Europa diskutiert, quenzen rechnen. Die Sozialpartner haben vor neue Herausforderungen, da sie auch und sei „oft auch zentrales Wahlkampf- sich auf Vorschläge zur Verhinderung von danach auf Erntehelfer und Saisonniers an- thema“, sagte Fischer am 21. Oktober bei Lohn- und Sozialdumping geeinigt, wir hof- gewiesen sein wird. Diese tragen nämlich einer Konferenz zum Thema „Demografie, fen, daß die Regierung diese rasch auf- wesentlich dazu bei, die Ernte rechtzeitig Migration und europäische Identität“ im

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Radio Kulturhaus in Wien, ohne speziell die Csörgits: Lohn- und Sozial- Mindeststandards und jenen der Erweite- jüngste Wien-Wahl anzusprechen. „Die ,Rot- dumping Riegel vorschieben rungsländer nicht in Luft auflösen würden. Weiß-Rot-Card‘ ist glaube ich ein Schritt in SPÖ-Sozialsprecherin Renate Csörgits „Die so genannte ,Rot-Weiß-Rot-Card‘ die richtige Richtung“, so Fischer. sagte, „durch das geplante Paket ist es in- und ist in Wahrheit in erster Linie eine ,Afrika- Fischer sprach weiters das Fehlen euro- ausländischen Firmen nicht möglich, eine Karte‘, d.h. eine Karte zur Einschleusung päischer Regelungen bei Migrationsfragen Entlohnung unter dem österreichischen kol- von Billigarbeitskräften aus Drittstaaten im an. „Gemeinsame europäische Regelungen lektivvertraglichen Lohnniveau anzubieten.“ Interesse der Großkonzerne, denn innerhalb waren bisher nicht möglich.“ Der Einwan- Das Paket sichert gleiche Arbeitsmarkt- und der EU gibt es ja die Arbeitnehmerfreizü- derungsdruck auf die Länder Europas, aber Lohnbedingungen für alle Arbeitsverhältnis- gigkeit und daher die Möglichkeit, bei Be- auch die Erwartungshaltungen seien sehr se nach Auslaufen der Übergangsfristen ab darf Arbeitskräfte zu lukrieren“, erläuterte unterschiedlich. und schützt so die ArbeitnehmerInnen. Kickl im Zusammenhang mit den diesbezüg- Eine Bezahlung unter Kollektivvertrag lichen Plänen der Bundesregierung. Es sei Mitterlehner: Rot-Weiß-Rot-Card macht wäre nach den Vorschlägen der Sozial- eine Tatsache, daß bereits das jetzt vorhan- Wirtschaftsstandort Österreich attraktiver partner ab 1. Mai 2011 somit eine strafbare dene Kontingent an sogenannten Schlüssel- Wirtschaftsminister Reinhold Mitterleh- Handlung. „Menschen sollen für ihre Arbeit arbeitskräften, wo es Einkommensunter- ner sieht die Sozialpartner-Einigung als Auf- gerecht entlohnt werden“, betont Csörgits. grenzen gebe, nicht annähernd ausgeschöpft wertung des Wirtschaftsstandortes Öster- Das neue Paket garantiert, daß nach Öffnung werde. Welche Schlüsselarbeitskräfte wolle reich: „Die ,Rot-Weiß-Rot-Card‘ wird genau des Arbeitsmarktes für die neuen EU-Mit- man also mit dieser Karte lukrieren? „In jenen hoch qualifizierten Menschen, die wir gliedsstaaten die heimische Wirtschaft ausrei- Wahrheit geht es der Regierung und den in Österreich dringend brauchen, die Zu- chend vor unlauterem Wettbewerb geschützt Sozialpartnern darum, einen Zuwanderungs- wanderung erleichtern. Durch das neue bleibt. Weiters werde der faire Wettbewerb kurs für Menschen aus anderen Gesell- Punktemodell gibt es dafür künftig klare und zwischen den Unternehmen gewährleistet schaftsordnungen und Kulturkreisen mit transparente Kriterien“, freut sich Mitter- und sichergestellt, daß die vorgegebenen Ab- einer Wischi-Waschi-Karte zu tarnen und so lehner. „Damit sind unsere Unternehmen gaben und Sozialbeiträge ins Sozialsystem zu tun, als handle es sich um ein strenges auch im internationalen Wettbewerb um die einbezahlt werden. „Die Ergebnisse zur ,Rot- Kontrollinstrument für den Zugang zum besten Köpfe deutlich konkurrenzfähiger.“ Weiß-Rot-Card‘ sind eine Basis für weitere Arbeitsmarkt, wo es sich in Wahrheit um or- Neben dem bedarfsorientierten Fachkräf- Gespräche, die in den nächsten Tagen zwi- ganisierte Zuwanderung inklusive Familien- te-Zuzug begrüßt Mitterlehner auch die ge- schen Sozial- und Innenministerium und den angehöriger handelt. planten Erleichterungen für die Universitäts- Sozialpartnern stattfinden werden.“ Absolventen aus Nicht-EU-Staaten sowie Ebner: Rot-Weiß-Rot-Card darf nicht bis Ende 2013 aus Rumänien und Bulgarien: Kickl: Verschiebung der Arbeits- Freikarte für Einwanderung werden „Ausländische Studenten können künftig marktöffnung ist wirksamster Schutz BZÖ-Generalsekretär Christian Ebner leichter in Österreich bleiben, wenn sie ihr „Der einzig wirksame Schutz gegen die sieht die Gefahr, daß sich die von den So- Studium abgeschlossen haben“, sagt Mitter- Bedrohungen des heimischen Arbeitsmark- zialpartnern vorgestellte „Rot-Weiß-Rot- lehner. „Wir bilden also künftig nicht mehr tes durch billige Arbeitskräfte aus unseren Card“ zu einer Einwandererfreikarte ent- nur für teures Geld aus und schicken die östlichen Nachbarländern ist die Verschie- wickelt. „Der Ansatz, daß nur eine kleine Absolventen dann nach Hause, sondern kön- bung der Öffnung des Arbeitsmarktes auf Zahl von auch wirklich benötigten Arbeits- nen ihr Wissen auch in den heimischen Un- unbestimmte Zeit“, sagte FPÖ-General- kräften nach Österreich kommen darf, ist ternehmen besser nützen. Gerade für eine sekretär Herbert Kickl in Richtung Bundes- richtig und wird seit Jahren vom BZÖ gefor- stark exportorientierte Volkswirtschaft wie regierung. Es sei erste Aufgabe einer verant- dert. Es darf aber nicht sein, daß die ,Rot- Österreich sind die interkulturellen Kompe- wortungsbewußten Politik, „sich Gefahren, Weiß-Rot-Card‘ zur Eintrittskarte für unbe- tenzen der Beschäftigten ein wichtiger Er- die vorherzusehen sind, erst gar nicht auszu- schränkte Zuwanderung auf den österreichi- folgsfaktor“, so Mitterlehner. setzen.“ schen Arbeitsmarkt wird. Dieses Modell der Darüberhinaus ist die „Rot-Weiß-Rot- Eine Verschiebung der Öffnung des Ar- Sozialpartner ist völlig unausgegoren und Card“ für Mitterlehner ein wichtiger Schritt, beitsmarktes bis zu einem Zeitpunkt, wo hätte daher besser in der Schublade bleiben um Österreich fit für den demographischen Lohnniveau und Wirtschaftskraft in den sollen“, so Ebner. Wandel zu machen. Ohne eine qualifizierte neuen EU-Ländern zumindest annähernd das Ebner sieht in diesem Zusammenhang Zuwanderung bekäme Österreich mittel- und österreichische Niveau erreicht hätten, sei das große Probleme beim Familiennachzug und langfristig gesellschaftliche Probleme, weil die einzig effektive Schutzmaßnahme. Ein bei der Zuwanderung von Akademikern. „Es es schon bis 2025 um ein Viertel weniger österreichisches Gesetz gegen Sozialdum- muß sichergestellt sein, daß nicht willkürlich Menschen zwischen 20 und 24 Jahren geben ping sei zur Verhinderung von Arbeitsanrei- Angehörige nach Österreich einwandern, die würde. „Durch die Rot-Weiß-Rot-Card wird zen für Beschäftigte, deren Mindestlöhne in dann wiederum das Sozialsystem belasten. die Zuwanderung besser gesteuert und läuft Ungarn, der Slowakei oder Tschechien bei Auch ist es bei der hohen Akademiker- bedarfsorientiert ab. Damit erhöhen wir rund 300 Euro liegen würden bzw. für Ar- arbeitslosigkeit undenkbar, daß alle Aka- nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Un- beitslose, die in den neuen EU-Ländern ver- demiker aus Nicht-EU-Ländern automatisch ternehmen, sondern schaffen auch bessere glichen mit Österreich nicht einmal eine nach Österreich kommen dürfen, um hier ein Voraussetzungen für eine nachhaltige Inte- Minimalabsicherung hätten, nicht das geeig- halbes Jahr einen Job zu suchen.“ gration von Migranten in Österreich“, schloß nete Mittel, so Kickl, weil sich dadurch die Der BZÖ-Generalsekretär fordert die rot- Mitterlehner. Unterschiede zwischen österreichischen schwarze Bundesregierung auf, endlich das

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BZÖ-Ausländer-Check-Modell umzusetzen. nis der ,Großparteien‘ Aktivität bei der Ein- Österreich zu bewerten und berücksichtigen, „Damit wird sichergestellt, daß nur die Gu- wanderungspolitik vorzutäuschen. Die Grü- macht beim flexiblen Arbeitsmarkt des 21. ten von den Besten als Schlüsselarbeitskräfte nen haben ein konkretes Arbeitsmigrations- Jahrhunderts viel mehr Sinn als die konturlo- nach Österreich geholt werden können. modell ausgearbeitet, das sich die Sozial- se Aufzählung von Migrantengruppen ohne Mittels Punktesystem nach kanadischem partner wenigstens anschauen hätten kön- Konzept, wie und mit welchen Spielregeln oder australischem Vorbild sollen diejenigen nen. Über ein Punktesystem Ausbildungen, man sie ins Land holen will. Nach den der- Arbeitskräfte ins Land geholt werden, die Kenntnisse, Berufserfahrungen, Mangelbe- zeit bekannten – wenigen – Details kann die Wirtschaft wirklich braucht und aus dem rufe, Sprachkenntnisse und Bindungen zu man nur sagen: Nicht genügend, setzen.“ eigenen Arbeitslosenpool und innerhalb der EU nicht zu besetzen sind. Derzeit gibt es, abgesehen von einer kleinen Anzahl von Schlüsselarbeitskräften, ohnehin keinen Be- Steirischer Landeshauptmann angelobt darf.“ Nur wer den ,Ausländer-Check‘ beste- he, dürfe nach Österreich zuwandern, habe Neue Landesregierung der Steiermark einstimmig dabei aber noch keinerlei Anspruch auf Fa- gewählt – Konstituierende Sitzung des Landtages Steiermark milien- und Sozialleistungen des Staates, „sondern muß sich diesen Anspruch erst erarbeiten. Durch Leistungen wie legale Ar- beit, bezahlte Steuern und Beiträge sowie Integrationsleistungen können Punkte erar- beitet werden, die einen sukzessiven Zugang zu den Leistungen gewähren. So müssen der Integrationswille, die Anerkennung der Kultur und der Gesetze, die Sprache sowie eine gesicherte Existenz nachgewiesen wer- den“, erklärte Ebner.

Korun: »Rot-Weiß-Rot-Card« schwammig bis zur Inexistenz „Die heutige Ankündigung der Sozial- partner zur angeblich fertig verhandelten ,Rot-Weiß-Rot-Card‘ besteht wieder einmal bloß aus Überschriften. Daß man Hochqua- lifizierten- und AkademikerInnen-Einwan- derung will ist eine Binsenweisheit, alle Eck- punkte wie Gruppengröße, genauere Bedin-

gungen, Art und Länge des Aufenthaltsrechts Foto: Foto Frankl der Betroffenen bleiben uns die Sozialpartner LH Franz Voves (l.) und LH-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer allerdings schuldig. Vor allem auch die Ant- wort auf die Frage, aufgrund welcher Anrei- ei der konstituierenden Sitzung des Land- Schützenhöfer (ÖVP) sprach von einer „Re- ze jemand, der sich als Hochqualifizierter Btages Steiermark wurden am 21. Okto- formpartnerschaft der Vernunft mit wach- zwischen den USA, Kanada, Australien und ber die Abgeordneten zum Landtag Steier- sendem Vertrauen“. „Wir haben den absolu- Österreich entscheiden kann, für Österreich mark angelobt, weiters wurden das Land- ten Willen, unseren Beitrag zu leisten, damit entscheiden soll“, erklärt die Integrations- tagspräsidium mit Manfred Wegscheider als dieses Land eine gute Zukunft hat. Es ist sprecherin der Grünen, Alev Korun. Erstem Landtagspräsidenten, Franz Majcen schwer in Zeiten, wo es enger wird und die Qualifizierte und FacharbeiterInnen sol- als Zweitem Landtagspräsidenten und Ur- Mittel weniger werden, gerecht zu bleiben. len erst ab 1. Mai 2012 einwandern dürfen. sula Lackner als Dritter Landtagspräsidentin Wir versuchen es, denn wir wollen, daß die Bis dahin wird die unpraktische und sinn- sowie die Mitglieder der steirischen Landes- Steiermark gewinnt.“ freie Schlüsselkraftregelung also fortgesetzt regierung gewählt. Umwelt- und Verkehrslandesrat Gerhard – wissend, daß sie eher der Verhinderung der Der wiedergewählte Landeshauptmann Kurzmann (FPÖ) unterstrich in seiner Rede qualifizierten Arbeitsmigration dient als zur Franz Voves (SPÖ) versicherte, er werde den Wählerauftrag, den man erhalten habe, Beschäftigung von benötigten Facharbeite- „alles tun, um weiterhin ein Landeshaupt- „um für das Land und die Bevölkerung zu rInnen. Und die Saisonarbeiterregelung, die mann für alle Steirerinnen und Steirer zu arbeiten“. „Wir sind bereit, Verantwortung mit einer Saisonbeschäftigung überhaupt sein“. Bei der anstehenden Budgetkonsoli- zu übernehmen.“ nichts mehr zu tun hat und für „billige“ und dierung gäbe es große Brocken zu erledigen. Am 22. Oktober wurde Franz Voves von rechtlose Arbeitskräfte sorgt, soll völlig Es sei wichtig, die vorhandenen Mittel effi- Bundespräsident Heinz Fischer in dessen unangetastet bleiben. „Das ist kein Einwan- zient einzusetzen, ohne aber die sozial Amtsräumen in der Wiener Hofburg für die derungskonzept, sondern ein dahergenudel- Schwächsten dabei zu übersehen, so Voves. nächsten fünf Jahre als Landeshauptmann tes Papier, um nach dem Wiener Wahlergeb- Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann angelobt.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 12 Innenpolitik Volksgruppentag Podiumsdiskussion über »Perspektiven der Jugend« – SchülerInnen messen zweisprachigem Unterricht große Bedeutung zu

sterreich habe allein schon wegen seiner ÖGeschichte eine enorme Verantwortung, was Minderheitenrechte betreffe. Das erklär- te Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Perspektiven der Jugend“ anläßlich des Volksgruppentags im Parlament am 19. Ok- tober. Im Anschluß an das zweisprachige Theaterstück „Koroško kolo / Kärntner Rei- gen“ der Gruppe Sanjelovec/Traumtänzer diskutierten Schülerinnen und Schüler aus Kärnten, Burgenland, Wien und Südtirol un- ter anderem über die Bedeutung von mutter- sprachlichem Unterricht, Vorurteile gegen- über Mitgliedern der österreichischen Volks- gruppen, fehlende zweisprachige Ortstafeln in Kärnten und den einen oder anderen schie- fen Blick bei Verwendung der Muttersprache in der Öffentlichkeit. In ihrem Impulsreferat hob Nationalrats-

präsidentin Prammer insbesondere die Not- Foto: Parlamentsdirektion / Carina Ott wendigkeit hervor, in politische Bildung Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, Ulrike Truger und Rudolf Sarközi bzw. „Demokratiebildung“ zu investieren. Demokratie sei die einzige Gesellschafts- Oberwart, zeigte sich überzeugt, daß je- umstritten seien, und plädierte dafür, die slo- form, die gelernt werden müsse, meinte sie, mand, der zweisprachig aufwachse, toleran- wenische Umgangssprache stärker zu för- es gehe unter anderem um Partizipation, das ter gegenüber fremden Sprachen und gegen- dern. Türk unterstrich, die Aufarbeitung der Aufbringen von Verständnis für Minderhei- über Fremden im allgemeinen sei. nationalsozialistischen Vergangenheit in ten und das Bewußtmachen des Umstands, Pavel Brezina machte auf die lange Tra- Kärnten sei Voraussetzung, um bestehende daß Menschenrechte unteilbar seien. Hier dition der tschechischen Komensky-Schule Ressentiments zwischen „Deutschkärntnern“ stehe man, so Prammer, vor großen Heraus- in Wien aufmerksam. Er selbst sei als Kind und Kärntner Slowenen zu beseitigen und forderungen. Allgemein machte Prammer von Tschechien nach Wien gekommen, eine Grundlage für ein künftiges Mitein- geltend, daß Sprache wesentlich zur Identität schilderte er, und profitiere vom bilingualen ander zu schaffen. Er forderte zudem, den beitrage, und wertete es als enorme Berei- Unterricht in allen Fächern. Seine ganze Staatsvertrag in vollem Umfang zu erfüllen. cherung, zweisprachig aufzuwachsen. Familie seien Tschechen, durch den Tsche- Weitere Podiumsdiskussionen im Rah- Am Podium saßen neben Prammer und chisch-Unterricht von Kindheit an, könne er men des Volksgruppentags fanden zu den Moderatorin Ani Gülgün-Mayr (ORF) vor- sich mit ihnen problemlos verständigen. Themen „Vertretung der Volksgruppen“ wiegend Schülerinnen und Schüler aus zwei- Alexander Sarközi, Schüler einer deutsch- (Impulsreferat Staatssekretär Josef Oster- sprachigen Schulen bzw. Schulen mit englischsprachigen Schule im 22. Wiener mayer), „Schule und Bildung“ (Impulsre- Unterricht in einer Volksgruppensprache. Sie Gemeindebezirk, verwies darauf, daß Ro- ferat Unterrichtsministerin Claudia Schmied) werteten es als großen Vorteil, auch in ihrer manes erst seit kurzem eine „kodifizierte“ sowie „Wirtschaft und regionale Zusammen- Muttersprache und nicht nur in Deutsch Sprache sei und damit unterrichtet werden arbeit“ (Impulsreferat Staatssekretär Rein- unterrichtet zu werden. könne. Als positives Beispiel für Sprachen- hold Lopatka) statt. Zu den Podiumsteilneh- Fehlender Unterricht in der Mutterspra- vielfalt und gelungene Integration im Un- mern gehörten unter anderem Rudolf Vouk, che führe zu Assimilierung, gab etwa Lara terricht hob Johanna Fritz ihre Schule, das Rudolf Sarközi, Susanne Weitlaner und Domeneghetti von der Südtiroler Kunstschu- GRG Ödenburgerstraße in Wien 21, hervor. Martin Ivancsics. le Cademia zu bedenken und äußerte die Die beiden Kärntner Schüler am Podium, Parallel zu den Podiumsdiskussionen Befürchtung, daß kleine Sprachgruppen wie Dominik Urak vom slowenischen Gymna- wurde mit Musikdarbietungen, der Puppen- die ladinische auszusterben drohten. Auch sium und Fabian Türk von der zweisprachi- theatergruppe Lutke Mladje KDZ, Lesungen die Burgenlandkroatin Lisa Racz wies auf gen Handelsakademie in Klagenfurt, spra- sowie Filmen von Ingrid Konrad, Gisa das Problem der Assimilation von Kindern chen auch politische Aspekte an. So wertete Ruland, Milena Osip, Marika Schmiedt und und Jugendlichen hin. Teresa Wild, Schüle- es Urak als unverständlich, daß zweisprachi- Emmerich Gärtner-Horvath auch viel Kul- rin des zweisprachigen Gymnasiums in ge Ortstafeln in Kärnten nach wie vor turelles geboten.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 13 Innenpolitik Teuerungsabgeltung 91 Prozent der ASVG-Pensionisten erhalten 1,2 Prozent

ie Kommission zur langfristigen Pen- Beginn der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 ne und mittlere Pensionen eine Wertanpas- Dsionssicherung hat in ihrer Sitzung vom merkbar ist und auch in der Langfristanalyse sung erhalten müssen“, so Blecha in einer 19. Oktober den Richtwert für die Pensions- vor wenigen Wochen zum Ausdruck kam. ersten Stellungnahme. Die Seniorenvertreter erhöhungen 2011 festgestellt. Dieser Richt- Danach ist in den nächsten Jahren mit einem betonten, daß die Pensionisten mit einer hal- wert wird aus dem Durchschnitt der Infla- höheren Bundesbeitrag zu rechnen, als dies ben Milliarde Euro einen großen Anteil zur tionsrate von August 2009 bis Juli 2010 noch vor 2 Jahren prognostiziert worden ist. Budgetkonsolidierung leisten. errechnet. Es ergibt sich daraus ein Wert von In erster Linie ist dies auf die zu erwarten- „Daß die Regierung Pensionen zwischen 1,2 Prozent. Damit liegt er zwar etwas niedri- den, wesentlich geringeren Steigerungen der 2000 und 2310 Euro geringer erhöht und ger als die Inflationsrate im Sommer 2009, Beitragseinnahmen als in den Jahren bis darüberliegende Pensionen keine Erhöhnung aber wesentlich höher als zum Zeitpunkt der 2008 zurückzuführen. Die Zuwachsraten der erhalten, konnte nur angenommen werden, Feststellung des letzten Richtwertes vor Aufwendungen sind in diesen Prognosen weil die Regierung versprochen hat, mit uns einem Jahr. Damals wurden die Pensionen höher als jene der Einnahmen. über die Schaffung eines Pflegefonds, zur um 1,5 Prozent erhöht, obwohl die aktuelle Neuregelung der Pensionskassen-Pensionen Inflationsrate unter 1 Prozent betrug. Hundstorfer: Pensionen stabilisiert und über Änderungen beim Alleinverdiener- Der Richtwert ist nicht automatisch „Es ist uns bei den Budgetverhandlungen absetzbetrag für Pensionisten zu verhan- gleichbedeutend mit der faktischen Pensions- gelungen, in sozial ausgewogener Form die deln“, so Blecha. erhöhung. Nach dem Gesetz hat der Bundes- Ausgabendynamik bei den Pensionen für die Die Aussetzung der Pensionsanpassung minister für Arbeit, Soziales und Konsumen- kommenden Jahre zu stabilisieren. Insge- im ersten Pensionsjahr, die vom Pensioni- tenschutz den Anpassungsfaktor für die samt werden wir 2011 286 Mio. Euro in die- stenverband (PVÖ) abgelehnt wird, waren Pensionen durch Verordnung festzulegen, sem Bereich einsparen, wobei uns die höhe- nicht Gegenstand der Verhandlungen. wobei er auf den Richtwert zwar Bedacht zu re Beitragsgerechtigkeit besonders am Her- „Durch die konsequenten Verhandlungen nehmen hat, aber nicht daran gebunden ist. zen gelegen war“, erklärte Sozialminister und durch die Unterstützung von Bundes- Durch die geltende Rechtslage ist eine nach Rudolf Hundstorfer am 27. Oktober. Mit dem kanzler Werner Faymann ist es uns gelungen der Pensionshöhe differenzierende Erhö- Volumen von 286 Mio. Euro liege man sogar für die große Mehrheit ein Plus herauszuho- hung nicht vorgesehen, wie dies bis 2010 der über den Vorgaben aus dem Budgetpfad, der len und Kürzungen zu verhindern, so Blecha Fall war, als höhere Pensionen nur mit einem eine Verringerung der Ausgaben in der Höhe abschließend. Das sei einzigartig in Europa. Fixbetrag erhöht wurden. Eine vergleichbare von 247 Mio. Euro festschrieb. Mit struktu- Regelung für 2011 könnte aber per Gesetz rellen Eingriffen, die ab 2014 zu wirken Khol: Vertretbares Ergebnis vorgesehen werden. beginnen, werden die Ausgaben für die „Der heutige Abschluß der Pensionsver- Abgesehen von der Feststellung des Langzeitversichertenregelung stark zurückge- handlungen liefert für kleine und mittlere Richtwertes wurde in der Pensionskommis- führt. „Ab 2014 und den folgenden Jahren Pensionen ein vertretbares Ergebnis – sion auch die Aufwertungszahl der Pensio- werden wir über vier Milliarden Euro für die 90 Prozent der gesetzlichen Pensionen wur- nen für die Berechnung der Bemessungs- Langzeitversichertenregelung weniger aus- den somit die Teuerung abgegolten. Pensio- grundlagen bei der Pensionsberechnung fest- geben müssen“, so Hundstorfer. nisten über 2.310,– Euro brutto leisten je- gelegt. Dieser Wert beträgt 1,021 und ent- Der größte Einzelposten bei den Einspa- doch ein zum Teil schmerzliches Solidar- spricht der Veränderung der durchschnitt- rungen ist auch ein wichtiger Schritt für mehr opfer. Erstmals müssen diese eine Null- lichen Beitragsgrundlagen im Jahr 2009 Beitragsgerechtigkeit. Der Bund wird schritt- Lohnrunde hinnehmen“, hält Andreas Khol, gegenüber 2008. weise seine Partnerleistung für die Pensions- amtierender Präsident des Österreichischen Weiters wurde die Höchstbeitragsgrund- versicherungsbeiträge der Bauern und Ge- Seniorenrates und Bundesobmann des Öster- lage für 2011 ermittelt. Sie wird monatlich werbetreibenden reduzieren. reichischen Seniorenbundes, nach dem 4200 Euro und täglich 140 Euro betragen. Bis Abschluß der Pensionsverhandlungen fest. zu diesen Grenzen sind Beiträge für das un- Blecha: Ein Plus für die große Mehrheit „Zu Verhandlungsbeginn hatten wir selbständige Erwerbseinkommen zu zahlen, „91 Prozent der ASVG-Pensionisten er- selbst Einsparungsmöglichkeiten im Pen- dementsprechend werden auch nur Arbeit- halten eine Teuerungsabgeltung von 1,2 Pro- sionssystem durch nachhaltige Reformen nehmerInnen-Einkommen bis zu dieser Gren- zent“, gab PVÖ-Präsident Karl Blecha am vorgelegt. Ein Teil davon wurde zur künfti- ze für die Pensionsbemessung anerkannt. 25. Oktober nach dem Ende der letzten Pen- gen Sicherung der Pensionen umgesetzt – In der gleichen Sitzung wurde auch die sionsverhandlungsrunde im Bundeskanzler- leider nicht alle. Insgesamt haben wir Pen- kurzfristige Prognose über die Einnahmen amt bekannt. „Unsere Forderung Pensionen sionisten durch die Reformen und die Pen- und Ausgaben in der Pensionsversicherung bis 2000 Euro brutto die Teuerung abzugel- sionsanpassung zur nötigen Budgetkonsoli- diskutiert und zur Kenntnis genommen. Die ten wurde erfüllt. Bundeskanzler Werner dierung eine halbe Milliarde Euro beigetra- jüngsten Daten bestätigen den Trend, der seit Faymann hat sich dafür eingesetzt, daß klei- gen“, hält Khol weiter fest.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 14 Österreich, Europa und die Welt Wirtschaftspolitische Steuerung Zur Bewältigung der Herausforderungen, die durch die jüngste Finanzkrise zutage getreten sind, bedarf es grundlegender Veränderungen bei der wirtschaftspoliti- schen Steuerung in Europa. Zu diesem Zweck hat der Europäische Rat den Bericht der Arbeitsgruppe »Wirtschaftspolitische Steuerung« gebilligt. Foto: European Union, 2010 Erste Reihe, v.l.: Silvio Berlusconi, Brian Cowen, Donald Tusk, José Manuel Barroso, Nicolas Sarkozy, Dalia Grybauskaite, Yves Leterme, Herman Van Rompuy, Demetris Christofias, Traian Basescu, Jerzy Buzek, Victor Orbán, Lars Løkke Rasmussen, George Papandreou and Catherine Ashton; Zweite Reihe, v.l.: José Luis Rodríguez Zaptero, Fredrik Reinfeldt, Borut Pahor, José Socrates, Angela Merkel, Mari Kiviniemi, Werner Faymann, Boyko Borissov, Andrus Ansip, David Cameron, Lawrence Gonzi, Iveta Radicová, Mark Rutte, Jean-Claude Juncker and Valdis Dombrovskis ie Umsetzung dieses Berichts wird ein kere Institutionen zu schaffen. Der Europäi- hierüber Bericht zu erstatten. In Anerken- Dwesentlicher Schritt hin zur Stärkung sche Rat ruft zu einem beschleunigten Vor- nung der Bedeutung der Reformen der Ren- der wirtschaftlichen Säule der WWU sein: gehen bei der Annahme der sekundären tensysteme sollten gleiche Rahmenbedin- Die Finanzdisziplin wird gestärkt, die Über- Rechtsvorschriften auf, die für die Umset- gungen innerhalb des SWP gewährleistet wachung der Wirtschaftspolitik ausgeweitet zung eines großen Teils der Empfehlungen werden. und die Koordinierung vertieft werden. Der erforderlich sind. Ziel ist es, daß der Rat und Vor dem Hintergrund des Berichts der Bericht enthält ferner die Leitprinzipien für das Europäische Parlament bis zum Sommer Arbeitsgruppe „Wirtschaftspolitische Steue- einen soliden Rahmen für das Krisenmana- 2011 Einigung über die Gesetzgebungsvor- rung“ und zur Gewährleistung eines ausge- gement und für stärkere Institutionen. Der schläge der Kommission erzielen, wobei zu wogenen und nachhaltigen Wachstums sind Europäische Rat hat sich auf das weitere beachten ist, daß die im Bericht der Arbeits- sich die Staats- und Regierungschefs darin Vorgehen im Anschluß an die Arbeit der Ar- gruppe und die in jenen Vorschlägen behan- einig, daß die Mitgliedsstaaten einen ständi- beitsgruppe geeinigt. Wie auf seiner Tagung delten Fragen nicht vollkommen deckungs- gen Krisenmechanismus zur Wahrung der vom 16. September 2010 vereinbart, hat der gleich sind. Dadurch wird gewährleistet, daß Finanzmarktstabilität im gesamten Euro- Europäische Rat auch einen Gedankenaus- die neuen Überwachungsregelungen so bald Währungsgebiet einrichten müssen, und er- tausch zur Vorbereitung auf das G20-Gip- wie möglich wirksam umgesetzt werden. suchen den Präsidenten des Europäischen feltreffen in Seoul und die Klimakonferenz Dies wird zu einer erheblichen Stärkung der Rates, mit den Mitgliedern des Europäischen von Cancún sowie die Gipfeltreffen mit den wirtschaftlichen Säule der WWU führen, Rates Konsultationen über eine begrenzte Vereinigten Staaten, Rußland und der Ukrai- was einen Vertrauenszuwachs bewirken und Vertragsänderung zu führen, die hierzu er- ne geführt. somit zu nachhaltigem Wachstum, Beschäf- forderlich ist, wobei Artikel 125 AEUV („no Der Europäische Rat billigt den Bericht tigung und Wettbewerbsfähigkeit beitragen bail out“-Klausel) nicht geändert würde. der Arbeitsgruppe „Wirtschaftspolitische wird. Der Europäische Rat begrüßt die Absicht Steuerung“. Durch die Umsetzung dieses Der Europäische Rat ersucht den Rat, die der Kommission, in enger Absprache mit dem Berichts wird es möglich sein, die Finanz- Arbeiten zu der Frage, wie den Auswirkun- Präsidenten des Europäischen Rates Vorbe- disziplin zu stärken, die Überwachung der gen der Rentenreform bei der Durchführung reitungsarbeiten zu den allgemeinen Merk- Wirtschaftspolitik auszuweiten, die Koordi- des Stabilitäts- und Wachstumspakts Rech- malen eines künftigen neuen Mechanismus nierung zu vertiefen und einen soliden Rah- nung getragen wird, zu beschleunigen und durchzuführen, unter anderem zu der Rolle men für das Krisenmanagement sowie stär- dem Europäischen Rat im Dezember 2010 der Privatwirtschaft und der Rolle des IWF

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 15 Österreich, Europa und die Welt sowie den äußerst strikten Auflagen, an die hinsichtlich der Pläne zur Haushaltskonsoli- erhoben. Eine verfrühte Diskussion über die Durchführung solcher Programme ge- dierung, der Reform der Finanzmarktregu- Vertragsänderungen würde die EU lähmen. knüpft sein sollte. lierung, des sozialen Zusammenhalts, der Ufern die Schulden eines EU-Landes aus, Der Europäische Rat wird sich auf seiner Schaffung von Arbeitsplätzen und der Not- gibt es bereits die Möglichkeit vorbeugender Tagung im Dezember 2010 erneut mit die- wendigkeit weiterer Strukturreformen. Auch Eingriffe. Überdies hat die EU für derartige sem Thema befassen, damit die endgültige muß besonders auf die Wiederherstellung Fälle ein Frühwarnsystem entwickelt. „Da Entscheidung über die Grundzüge eines eines ausgewogenen Weltwirtschaftswachs- braucht man niemandem mit der politischen Krisenmechanismus und eine begrenzte tums geachtet werden. Die Europäische Union Keule drohen“, sagte Faymann über den Vor- Vertragsänderung getroffen wird, so daß erwartet, daß die Baseler Vereinbarung, die schlag Deutschlands und Frankreichs. Ledig- etwaige Änderungen spätestens Mitte 2013 einen wichtigen Schritt zur Stärkung der glo- lich vier bis sechs Staaten hätten sich dafür ratifiziert werden können. balen Stabilität der Finanzmärkte darstellt, ausgesprochen. Der Präsident des Europäischen Rates auf dem G20-Gipfeltreffen bestätigt wird. Faymann betonte, daß für die Bereit- beabsichtigt, anschließend im Benehmen mit Die Europäische Union betont, daß die stellung eines dauerhaften Euro-Rettungs- den Mitgliedsstaaten die Frage des Rechts Märkte weiterhin offen bleiben müssen, den schirms 2013 keine Vertragsänderung erfor- der Mitglieder des Euro-Währungsgebiets Doha-Verhandlungen neue Dynamik verlie- derlich sei. EU-Kommissionspräsident Jose auf Teilnahme an den Beschlußfassungsver- hen werden muß und eine wachstumsorien- Manuel Barrosso bekräftigte , daß kein EU- fahren mit Bezug zur WWU im Falle einer tierte Entwicklungsagenda verabschiedet Land darüber abstimmen müsse, wenn et- permanenten Gefährdung der Stabilität des werden muß. Sie unterstreicht, daß Protek- waige Änderungen nur den Haftungsschirm gesamten Euro-Währungsgebiets zu prüfen. tionismus in jeder Form ebenso wie Wech- betrafen. Im Dezember wird diese Frage Die Staats- und Regierungschefs heben selkursmaßnahmen, die auf kurzfristige wieder diskutiert werden. hervor, daß es – parallel zur Stärkung der Wettbewerbsvorteile abzielen, vermieden Finanzdisziplin in der Europäischen Union – werden müssen. Pröll warnte vor jahrelanger Blockade von entscheidender Bedeutung ist, daß der Die auf der G20-Ministertagung vom Vizekanzler Finanzminister Josef Pröll Haushaltsplan der Europäischen Union und 23. Oktober 2010 erzielte Einigung über die (ÖVP) hat anläßlich eines Treffens der der nächste mehrjährige Finanzrahmen die Reform des Internationalen Währungsfonds Europäischen Volkspartei im Umfeld des Konsolidierungsbemühungen widerspiegeln, wird dazu beitragen, die Wirksamkeit, EU-Gipfels davor gewarnte, daß eine EU- die die Mitgliedsstaaten unternehmen, um Glaubwürdigkeit und Legitimität des IWF zu Vertragsänderung durch Volksabstimmun- Defizite und Schulden auf einen nachhalti- erhöhen, und ihn in die Lage versetzen, seine gen in EU-Ländern jahrelang blockiert wer- geren Pfad zu führen. Unter Achtung der Rolle bei der Unterstützung des Funktionie- den könnte. Dem deutsch-französischen Rolle der verschiedenen Organe und der rens des internationalen Währungs- und Fi- Vorstoß stehe er kritisch gegenüber. Zur deut- Notwendigkeit, Europas Ziele zu erfüllen, nanzsystems zu erfüllen. Die Quotenreform schen Forderung nach einem EU-Stimm- wird der Europäische Rat auf seiner näch- sollte zusammen mit der Reform der rechtsentzug als ultimative Sanktion für sten Tagung erörtern, wie sichergestellt wer- Führungsstruktur des Fonds zu einem einzi- Defizitsünder sagte Pröll, er sehe das sehr den kann, daß mit der Ausgabenpolitik auf gen und umfassenden Paket geschnürt und kritisch, sei aber auf einer Linie mit der deut- europäischer Ebene angemessen zu diesen im selben Zeitrahmen beschlossen werden. schen Bundeskanzlerin Angela Merkel, daß Anstrengungen beigetragen wird. Weitere Arbeiten sind auf dem Gebiet der man Defizitsünder stärker an die Kandare neh- Abgaben und Steuern für Finanzinstitute men müsse. „Es gibt eine Reihe von Maß- G20-Gipfletreffen in Seoul sowohl auf internationaler als auch auf inter- nahmen, die kurzfristig deutliche Verbesse- Die Weltwirtschaft erholt sich allmählich ner Ebene erforderlich. Im Einklang mit dem rungen bringen und ohne Vertragsänderung von der Krise. Nach wie vor gibt es jedoch Bericht des Rates sollte eine weiter reichen- unverzüglich umgesetzt werden können.“ eine Reihe von Fragen, denen auf globaler de Koordinierung zwischen den verschiede- In Hinblick auf den von Deutschland Ebene weiterhin besondere Aufmerksamkeit nen bestehenden Abgabesystemen erfolgen, geforderten permanenten Euro-Krisenme- gewidmet werden muß, darunter die Risiken damit Doppelbelastungen vermieden werden. chanismus mit Einbeziehung privater Gläu- für die finanzielle Tragfähigkeit, die unvoll- Der Rat wird ersucht, dem Europäischen Rat biger sehe er „Handlungsbedarf“, um eine ständige Instandsetzung des Finanzsektors, im Dezember 2010 hierüber Bericht zu er- Perspektive für nach 2013 zu haben, sagte die hohe Arbeitslosigkeit, die Volatilität der statten. Ferner sollten die verschiedenen Op- Pröll. Es könne einen Kompromiß geben, Weltrohstoffpreise und wieder auftretende tionen zur Besteuerung des Finanzsektors allerdings müßten die Europäische Zentral- globale makroökonomische Ungleichge- wie auch bewährte Verfahren zur Verhinde- bank (EZB) und der EU-Finanzministerrat wichte. Der Europäische Rat hat die vom Rat rung von Steueroasen und Steuerhinter- (Ecofin) dazu noch Detailarbeit leisten. Die vereinbarten Leitlinien bestätigt und die ziehung geprüft werden. Frage, ob dazu eine Änderung des EU-Ver- Prioritäten erörtert, für die sich die Vertreter trags notwendig sei, sei zu diskutieren, aller- der EU und der EU-Mitgliedsstaaten, die der Faymann: Stimmrechtsentzug dings glaube er nicht, daß dies die EU G20 angehören, auf dem Gipfeltreffen in für Defizitsünder wäre Unsinn weiterbringe. Seoul einsetzen werden. Von dem Gipfeltref- Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) Ab 1. Jänner werde es das sogenannte fen muß ein ehrgeiziges Signal für die kon- hat zum Abschluß des EU-Gipfels einen „Europäische Semester“ geben. Hier gehe es krete und rasche Durchführung der Maß- Stimmrechtsentzug für Länder mit zu hohem darum, daß die EU schon früher über natio- nahmen ausgehen, die in dem Rahmen für Budgetdefizit als „unvorstellbar und unsin- nale Haushaltspläne der Mitgliedsländer starkes, nachhaltiges und ausgewogenes nig“ kritisiert. Zuvor hatte Deutschlands informiert wird, ohne daß dabei in das natio- Wachstum vereinbart wurden, insbesondere Bundeskanzlerin Merkel diese Forderung nale Budgetrecht eingegriffen werde.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 16 Österreich, Europa und die Welt Engagement für Frauen in Konfliktsituationen Außenminister Spindelegger fordert im Sicherheitsrat zusätzliches Engagement: »Beteiligung von Frauen in Friedensprozessen immer noch beschämend niedrig«

uch wenn Fortschritte zu verzeichnen Asind, insgesamt ist die Beteiligung von Frauen in Friedensprozessen noch immer be- schämend niedrig“, konstatierte Außen- minister Michael Spindelegger nach der Sit- zung des UN-Sicherheitsrates vom 26. Okto- ber, die dem zehnjährigen Jubiläum der Re- solution 1325 „Frauen, Frieden und Sicher- heit“ gewidmet war. In einem gemeinsamen Pressegespräch mit der US-Außenministerin Hillary Clinton betonte Spindelegger das Engagement Ös- terreichs für den Schutz von Zivilisten in be- waffneten Konflkten. „Frauen und Mädchen sind in den modernen Kriegen zu einer be- sonderen Zielscheibe geworden. Vergewalti- gungen werden brutal als Kriegsmittel ein- gesetzt. Die Mehrheit der Flüchtlinge sind

Frauen und Kinder“, so der Außenminister. Foto: BMeiA / Bernhard J. Holzner © HOPI-MEDIA Die vor zehn Jahren vom Sicherheitsrat US-Außenministerin Hillary Rodham Clinton und Außenminister Michael Spindelegger beschlossene Resolution 1325 zielt genau in diese Richtung: verbesserter Schutz für konkrete Ziele und Messlatten, um den Er- nach aktuellen Schätzungen die Beteiligung Frauen und stärkere Einbindung von Frauen folg oder Mißerfolg bei der Umsetzung der von Frauen in Friedensverhandlungen unter bei Friedensverhandlungen und beim Wie- Resolution zu messen, können wir keine zehn Prozent liegt und in 300 Friedensver- deraufbau. „Wir wissen mittlerweile von Schritte nach vorne machen. Sie werden hel- trägen der letzten 20 Jahre nur in 18 Bezug- vielen Beispielen, daß es effizienter und ef- fen, die internationale Gemeinschaft dorthin nahmen auf sexuelle Gewalt enthalten sind, fektiver ist, Entwicklungshilfe über die be- zu lenken, wo noch am meisten zu tun ist“, dann ist dies ein klares Signal, daß akuter troffenen Frauen der Region abzuwickeln“, sagte Spindelegger. „Wenn zum Beispiel Handlungsbedarf besteht.“ so Spindelegger. „Wir haben es allerdings noch nicht geschafft, diese Erkenntnis auch Neues zwischen Österreich und Mazedonien international zu institutionalisieren.“ Der Außenminister begrüßte Fortschritte ultureller Austausch auf allen Ebenen für die kulturelle Zusammenarbeit zwischen wie etwa die Schaffung der UN-Organisa- Kvertieft die Kenntnis und verbessert das Österreich und Mazedonien. Erstmals bietet tionseinheit „UN Women“ unter der Leitung Vertrauen für die Position des anderen. „Die es uns die Gelegenheit, gemeinsam Vorha- der früheren chilenischen Präsidentin Mi- Weiterentwicklung der Kulturbeziehungen ben auf dem universitären und schulischen chele Bachelet sowie die Bestellung von Mar- zwischen Österreich und Mazedonien – pa- Sektor ebenso wie in den Bereichen Kunst got Wallström als Sonderbeauftragte für rallel zur Stärkung der politischen und und Kultur sowie der Jugend und des Sports sexuelle Gewalt in Konflikten. „Generalse- menschlichen Beziehungen – ist uns deshalb zu realisieren. Auch die im Dezember 2009 kretär Ban Ki-moon bekennt sich zu einer ein besonderes Anliegen. Mit dem neuen erfolgte Visaliberalisierung ist ein Zeichen stärkeren Einbindung von Frauen und hat Kulturabkommen wollen wir unser enges dieses immer enger zusammenwachsenden viel dazu beigetragen, daß mehr Frauen in- und freundschaftliches Verhältnis auch ins- Europas.“ nerhalb der UNO in hochrangigen Funktio- besondere in den Themenbereichen Wissen- Abschließend bekräftige der Außenmini- nen Verantwortung für Friedensarbeit über- schaft, Bildung und Kultur weiter intensivie- ster auch Österreichs Haltung gegenüber nehmen“, so Spindelegger. ren“, so Außenminister Michael Spindeleg- einem EU-Beitritt Mazedoniens: „Österreich Bei dieser Sicherheitsratssitzung wurde ger im Rahmen der Unterzeichnung des unterstützt Mazedoniens Weg in Richtung einstimmig eine Erklärung angenommen, in Kulturabkommens mit der mazedonischen Europäische Union. Eine Annäherung und der unter anderem auch die Einführung von Kulturministerin Elizabeta Kanceska-Mi- ein späterer Beitritt sind Schlüsselkompo- Indikatoren unterstützt wurde. „Diese Indi- levska in Wien. Spindelegger weiter: „Das nenten für Frieden, Sicherheit, Stabilität und katoren sind mehr als simple Statistik. Ohne neue Abkommen schafft die formelle Basis Wohlstand in der Region.“

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 17 Österreich, Europa und die Welt Gemeinsame Vorstellungen für Gemeinsame Agrarpolitk Bilaterales Arbeitsgespräch der Landwirtschaftsminister Aigner und Berlakovich: Kämpfen für Sicherheit und Leistung – »Gutes Geld für gute Arbeit!«

ie Zukunft der europäischen Agrarpoli- Dtik nach 2013 ist das bestimmende Thema für die Landwirte in Europa. „Ich freue mich, daß meine deutsche Amtskol- legin Ilse Aigner der Einladung nachgekom- men ist, um diese wichtigen Themen zu dis- kutieren“, so Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich anläßlich des bilateralen Arbeits- gesprächs Österreich/Deutschland mit der deutschen Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner am 19. Oktober. „Für die Gemeinsa- me Agrarpolitik (GAP) nach 2013 ist es wichtig, daß wir uns austauschen und den engen Dialog weiterführen“, so Aigner und Berlakovich. Berlakovich verdeutlicht seinen Stand- punkt: „Ich bin für Evolution statt Revolu- tion, ich kämpfe für Sicherheit und Leistung, das heißt ,Gutes Geld für gute Arbeit“‘. Insbesondere kämpft Berlakovich dabei für Sicherheit und Leistung, denn die Krise im Foto: BMLFUW/Kern Vorjahr hat gezeigt, daß eine Einkommens- Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich und seine deutsche Amtskollegin Ilse Aigner trafen einander zu einem Arbeitsgespräch in Wien. sicherung für unsere Bauern notwendig ist. Zudem muß es eine leistungsgerechte Vertei- staaten mit derzeit besonders niedrigen rung in der 2. Säule mit den bisherigen Ko- lung der EU-Mittel geben. „Die Beibehal- Direktzahlungen ist für beide Ressortchefs finanzierungssätzen, sowie für die Beibehal- tung einer finanziell gut ausgestatteten vorstellbar, jedoch keine Verteilung nach tung des bisherigen Verteilungsschlüssels Zwei-Säulen-Struktur ist für uns beide einer dem Gießkannenprinzip. auf die Mitgliedsstaaten. Zudem muß es wei- der Grundpfeiler in der Landwirtschafts- terhin Maßnahmen geben, um die Bewirt- politik“, erklärte Aigner Direktzahlungen schaftung in den Berggebieten abzusichern. Beide Minister begrüßten die Ankündi- Beim Thema „Direktzahlungen“ sprechen gung von EU-Agrarkommissar Dacian Cio- sich Aigner und Berlakovich für die 1. Säule Markt los, Mitte November seine Vorstellungen zu als Grundeinkommen aus, sie sei wichtig für Aigner und Berlakovich sprechen sich für präsentieren. Planungssicherheit. Abgelehnt wird eine Ver- die Beibehaltung und Stärkung der Markt- schiebung der Ausgleichszulage in die 1. Säu- orientierung aus, Stichwort Wettbewerbs- Gemeinsame Positionen le sowie eine EU-weite einheitliche Flächen- fähigkeit. Zudem ist aufgrund zunehmender So sind sich Deutschland und Österreich prämie („flat-rate“). Fakultativ für Mit- Preisschwankungen ein Sicherheitsnetz not- darüber einig, daß es keine Renationalisie- gliedsstaaten soll es bestimmte limitierte wendig. Die beiden Ressortchefs sprechen rung der Gemeinsamen Agrarpolitik geben Möglichkeiten gekoppelter Zahlungen ge- sich für mehr Markttransparenz und Markt- soll. „Seit über 40 Jahren ist die GAP der ben, ebenso eine Flexibilität für die Mit- macht für landwirtschaftliche Produzenten wichtigste gemeinsame Politikbereich der gliedsstaaten bei der Mittelverteilung im Mit- sowie für eine Stärkung von Erzeugerorgani- EU, so soll es bleiben“, so Aigner und Ber- gliedsstaat. Eine Vereinfachung von Cross sationen und Branchenverbänden aus. lakovich. Zudem sprechen sich die Ressort- Compliance Bestimmungen wird angestrebt. chefs für eine Beibehaltung der 2-Säulen- Resümee Struktur, eine ausreichende finanzielle Aus- Ländliche Entwicklung Für Aigner und Berlakovich ist klar: „Die stattung, eine Weiterentwicklung der GAP, Aigner und Berlakovich sind sich darüber Internationalisierung hat unserer Landwirt- eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und einig, daß die „Ländliche Entwicklung“ von schaft gut getan. Europa hat hier schon vor Innovation und eine nachhaltige, umweltge- zentraler Bedeutung für Aufrechterhaltung Jahren den richtigen Weg eingeschlagen. rechte Produktion aus. Eine begrenzte Mit- der ländlichen Räume ist. Daher sind sie Jetzt darf Europa aber auch nicht nachlas- telumschichtung zugunsten von Mitglieds- auch für die Beibehaltung der Kofinanzie- sen.“

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 18 Österreich, Europa und die Welt Zu Gast in einem zerrissenen Land Die zweite Bürgermeisterreise des Jahres 2010 führte ins Machtzentrum der Europäischen Union, der belgischen Hauptstadt Brüssel. Bei vielen politischen Terminen und einem intensiven Gemeindebesuch stach vor allem eines ins Auge: Die Zerrissenheit des belgischen Staates, die Probleme zwischen Flamen und Wallonen dominieren den politischen Alltag. Foto: Österreichischer Gemeindebund Die zweite Bürgermeisterreise des Jahres 2010 führte 50 Bürgermeister nach Brüssel ins Machtzentrum der Europäischen Union.

m Jahr der Staatsgründung Belgiens, Aufgaben unterscheiden sich die belgischen darunter. „In diesem Bereich gibt es in Bel- I1831, verfügte das Land über eine Ge- Gemeinden zum Teil sehr deutlich von den gien kaum Freiwillige“, weiß Gemeinde- meindestruktur, die der heutigen österreichi- österreichischen Kommunen, wie die heimi- bund-Chef Mödlhammer. „Wir fahren mit schen Gliederung ähnlich ist. Inzwischen hat schen Bürgermeister bei einem Besuch der dem österreichischen System hier viel besser sich die Anzahl der Gemeinden von 2739 auf neuen Bürgermeisterin Marleen Mertens der und zumindest um die Hälfte billiger.“ nun 589 Gemeinden reduziert. Die Zusam- Gemeinde Grimbergen, in der Nähe von menlegung von Gemeinden ist auch heute Brüssel gelegen, feststellten. So ist etwa die Schwellenwerte auch noch ein politisch gewünschtes Ziel und Sicherheit Gemeindesache, jede Gemeinde ein europäisches Thema wird vom belgischen Staat mit Geldprämien verfügt über einen eigenen Polizeiwachkör- Schon vor dem Besuch in Grimbergen, unterstützt. Bis zu 1,5 Millionen Euro zahlt per, der auch bezahlt werden muß. Blankes am Beginn der Reise, hatten die österreichi- die Bundesebene jenen Gemeinden, die sich Erstaunen rief auch die Tatsache hervor, daß schen Bürgermeister ein höchst anspruchs- für eine Fusion entscheiden, erfuhr die rund etwa die Feuerwehren zwar auch Gemeinde- volles Programm zu absolvieren. Die mei- 50köpfige Gemeindebund-Delegation bei angelegenheit sind, es jedoch in sehr vielen sten Teilnehmer waren aufgrund der frühen einem Arbeitsbesuch im flämischen Innen- Gemeinden keine eigenen Wehren gibt. Flugzeiten schon um vier Uhr früh aufge- ministerium. „Grimbergen, immerhin eine Stadt mit rund standen, der erste Tag war voll mit politi- 35.000 Einwohnern, hat keine eigene Feuer- schen Terminen und Arbeitsgesprächen auf 18.000 Einwohner in einer wehr, sondern bedient sich der Wehr aus der europäischer Ebene. Beim Besuch des EU- durchschnittlichen Gemeinde Nachbargemeinde“, wunderte sich Gemein- Parlamentes und im Gespräch mit EU- Dementsprechend liegt die durchschnitt- debund-Vizepräsident Alfred Riedl. Die Parlamentarier Paul Rübig deponierte Ge- liche Einwohnerzahl einer belgischen Ge- Kosten dafür sind enorm. Rund 40 Euro pro meindebund-Präsident Helmut Mödlham- meinde derzeit bei 18.000 Einwohnern. Mehr Einwohner und Jahr kostet Grimbergen die mer auch die Forderungen der Gemeinden. als die Hälfte der Gemeinden hat zwischen Feuerwehr. In Österreich liegt dieser Wert, „Die Verlängerung der Schwellenwerte- 10.000 und 25.000 Einwohner. Auch in den trotz vielfacher Anzahl an Wehren, deutlich Verordnung ist auch ein europäisches

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 19 Österreich, Europa und die Welt

Thema“, so Mödlhammer. „Hier wünschen wir uns die Unterstützung des EU-Parla- mentes.“ Diese Forderung hatte er auch schon zuvor bei einem Treffen mit Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, deponiert und sich seiner Unter- stützung versichert. „Es ist gerade in der Krise für die Wirtschaft und für die Ge- meinden essentiell, daß die Vergabeverfah- ren im niederschwelligen Bereich nicht ewig dauern“, so Mödlhammer. Die sogenannten „Einheimischenmo- delle“ standen auch auf der Agenda der Ge- spräche mit MEP Paul Rübig und danach mit dem österreichischen EU-Botschafter in Brüssel, Hans-Dietmar Schweisgut. „Es gibt viele Gemeinden in Österreich, vor allem Tourismusgemeinden, in denen sich junge Fa- milien Grundstücke zu Marktpreisen gar nicht mehr leisten können. Hier ist es notwendig, daß die Gemeinde auch Grundstücke für Einheimische zu besseren Konditionen an- Auch bei beim österreichischen EU-Spitzendiplomaten Hans-Dietmar Schweisgut bieten kann, sonst nimmt die Flucht aus die- fanden die Gemeindevertreter offene Ohren. sen Gemeinden zu“, so Mödlhammer.

Stabilitätspakt wird von Brüssel genau beobachtet Nicht zuletzt waren auch, vor allem im Gespräch mit Botschafter Schweisgut, der demnächst als EU-Vertreter nach Tokio geht, die finanziellen Sorgen der Gemeinden so- wie die Zukunft der ländlichen Räume ein wichtiges Thema. „Die derzeitigen Verhand- lungen zum Stabilitätspakt in Österreich wer- den von der Europäischen Union sehr genau beobachtet“, erklärte Schweisgut. „Zur Be- wältigung der Krise ist es wichtig, daß die Nationalstaaten ihre Budgets in den Griff be- kommen. Daran hängt zum Teil auch die Frage, wieviel an Geldern für die neue Förderperiode von 2013 bis 2020 zur Verfügung steht.“

Seit Monaten keine Regierung in Belgien Fotos: Österreichischer Gemeindebund Nach einer kurzen Stärkung in der öster- Arbeitsbesuch in der Gemeinde Grimbergen bei Bürgermeisterin Marleen Mertens reichischen EU-Botschaft in Brüssel ging es schließlich weiter zu einem weiteren Arbeits- in der Bevölkerung, der sich für eine Los- reichischen Bürgermeister das Land auch termin, dieses Mal im flämischen Innenmini- lösung von Belgien und Wallonien aus- touristisch ein wenig erkunden. Vor allem sterium. „Mir war nicht bewußt, wie groß spricht. Dem entgegen stehen die Wallonen, die Hauptstadt Brüssel ist strukturell und die Zerrissenheit dieses Landes ist“, merkte die eine Trennung vehement ablehnen. Die touristisch sehenswert. Das Machtzentrum ein Bürgermeister an. Tatsächlich ringt man Hauptstadt Brüssel wiederum – geographisch der EU verfügt einerseits über zahllose Glas- in Belgien seit Monaten um eine neue Re- in Flandern gelegen – ist inzwischen weitge- paläste, andererseits über eine entzückende gierung, die Spannungen zwischen dem hend von den französischen Wallonen domi- alte Innenstadt, aus einer Zeit in der Brüssel nördlichen Landesteil Flandern, in dem nie- niert. „Ein fast unlösbares Dilemma“, stöhnt nur 100.000 Einwohner hatte. Inzwischen derländisch gesprochen wird, und dem süd- Mödlhammer. „Ich bin froh, daß wir bei uns sind es weit mehr als eine Million Bewohner lichen Landesteil Wallonien, in dem franzö- derartige Probleme nicht haben, das lähmt und EU-Mitarbeiter, die sich in der europä- sisch gesprochen wird, nimmt mit jedem den gesamten Staatsapparat.“ ischsten und internationalsten Metropole des Jahr zu. Den Flamen geht es wirtschaftlich Mit Stadtrundfahrten durch Brüssel und Kontinents tummeln. besser, hier gibt es auch einen großen Anteil nach Brügge schließlich konnten die öster- http://www.gemeindebund.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 20 Österreich, Europa und die Welt Botschafter der Kompetenz und China erweist Öster- der Hilfsbereitschaft Österreichs reich höchste Ehre Bundeskanzler Werner Faymann zeichnete die drei Retter der Bergleute in Chile mit Goldenen Verdienstzeichen der Republik Österreich aus. egonnen hat die Reihe hochrangiger chi- Bnesischer Besucher im Österreich-Pavil- lon auf der Expo Shanghai bereits vor der Eröffnung im Mai des Jahres mit dem Be- such von Chinas Nummer fünf, Li Chang- chun. Den krönenden Abschluß bildete am 31. Oktober der Überraschungsbesuch von Chinas wichtigster Frau: Mit Liu Yandong, seit 2007 einziges weibliches Politbüromit- glied, erwies der Gastgeber China dem klei- nen Österreich am letzten Expo-Tag noch einmal alle Ehre. „Wir verstehen es als ein Zeichen höchsten Respekts, daß unser Pa- villon einige der wichtigsten chinesischen Regierungsmitglieder im Rahmen der Expo begrüßen durfte“, erklärte Regierungskom- missär Hannes Androsch. „Gerade im Vor- Foto: BKA / Andy Wenzel feld des 40jährigen Bestehens diplomatischer Bundeskanzler Werner Faymann, Heinrich Tilz, Johannes Pemberger, Peter Lanschober und Staatssekretär Josef Ostermayer (v.r.) im Bundeskanzleramt Beziehungen zwischen Österreich und China

ch habe das erste Mal die Gelegenheit, Wertschöpfung bei, Forschung und Entwick- Iechte Helden zu ehren, die durch techni- lung erhalten unser hohes Beschäftigungs- sches Know-how und hohe Einsatzbereit- niveau“, sagte der Kanzler. Das müsse auch schaft Menschenleben gerettet haben“, sagte in das Bildungssystem noch stärker einflies- Bundeskanzler Werner Faymann bei der sen. „Viele Menschen wissen nicht, was alles Überreichung des Goldenen Ehrenzeichens an Technik notwendig ist, um den Wohlstand der Republik Österreich an jene drei Öster- zu sichern. Trotzdem stehen Techniker oft reicher, die Mitte Oktober an der spektakulä- im Hintergrund. Durch ihre Leistung haben ren Rettung von 33 Bergleuten in Chile be- sie dazu beigetragen, das Bild des Techni- teiligt gewesen waren: Peter Laschober aus kers aufzuwerten.“ dem burgenländischen Oberwart sowie die Im Beisein des chilenischen Botschafters beiden Kärntner Johannes Pemberger aus Labbe Villa, des Geschäftsführers der Firma Hüttenberg und Heinrich Tilz aus Knap- ÖStU-Stettin, Harald Pacher, dem Arbeit- penberg. „Ich war selbst aufgeregt und habe geber der Männer, den Familienangehörigen bei der Übertragung im Fernsehen mitgefie- sowie Staatsekretär Josef Ostermayer und bert“, sagte der Bundeskanzler. Vor den zahlreichen geladenen Gästen übergab der Augen der Weltöffentlichkeit hätten diese Kanzler die hohen Auszeichnungen: „Sie drei Männer gezeigt, daß Österreich in der sind Botschafter der Kompetenz, der Ein- Technik eine herausragende Rolle spiele. satzfreude und der Hilfsbereitschaft Öster- „Österreich braucht noch mehr Techniker reichs. Wir sind sehr stolz auf sie“, schloß und Technikerinnen, denn sie tragen viel zur der Bundeskanzler. Foto: EXPO Office Austria Buch über Clemens Holzmeister in Ankara Regierungskommissär Hannes Androsch im Jahr 2011 war die Expo eine ausgezeich- m 19. Oktober wurde das von der türki- der Salzburger Festspiele ermöglicht. Cle- nete Gelegenheit, um unsere guten Bezie- Aschen Architektin Aydan Balamir in mens Holzmeiser verbrachte insgesamt ca hungen zu vertiefen.“ Türkisch und Englisch neu herausgegebene 17 Jahre in der Türkei. Er wurde von Atatürk Die größte Weltausstellung aller Zeiten Buch über Clemens Holzmeister an der als einer der deutschsprachigen Architekten ist am 31. Oktober nach sechs Monaten mit Middle East Technical University in Ankara zum Bau der neuen Hauptstadt Ankara ein- einem Besucherrekord von 73 Millionen Men- vorgestellt. Die Herausgabe des Buches geladen. Seine Gebäude prägen bis heute das schen zu Ende gegangen. Auch der Öster- wurde durch das Außenministerium, das Stadtbild Ankaras. Die wichtigsten Bauten reich-Pavillon war ein voller Erfolg: Rund Wissenschaftsministerium und durch Spon- dabei sind das Parlament, der Präsidenten- 3,3 Millionen Besucher haben in dem von sorenmittel der Gemeinden Wien, Innsbruck palast, das Ministeriumsviertel und, u.a., BMWFJ und WKÖ finanzierten Pavillon und Salzburg sowie des Vereins der Freunde einige Banken. High-Tech aus Österreich bestaunt.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 21 Österreich, Europa und die Welt Herwig van Staa übernimmt wichtige Funktion im Europarat irols Landtagspräsident Herwig van Staa waltung. Ein besonderes Augenmerk wird Twurde am 26. Oktober anläßlich der Ple- Präsident van Staa auch auf die aktive Mit- narsitzung des Kongresses der Gemeinden arbeit am Stabilitätspakt für Südosteuropa und Regionen (KGRE) in Straßburg einstim- legen. mig für die neue Funktionsperiode zum van Staa ist bereits seit 1995 Leiter der Präsidenten der Kammer der Regionen im österreichischen Delegation im KGRE. 1996 KGRE gewählt. wurde er zum Vizepräsidenten der Kammer Für Präsident van Staa, der schon seit der Gemeinden, 1998 zu deren Präsidenten geraumer Zeit Mitglied des KGRE ist, kam und 2002 zum Präsidenten des KGRE ge- diese Wahl durchaus überraschend. Umso wählt und übte diese Funktion für zwei Jahre erfreuter zeigte er sich über das einstimmige aus. Er ist Mitglied des Präsidiums des KGRE Ergebnis: „Ich empfinde diese Wahl natür- und weiters Vorsitzender der EVP-Fraktion. lich auch als eine Bestätigung und Wert- Der KGRE ist das Organ der lokalen und schätzung meiner umfangreichen politischen regionalen Gebietskörperschaften im Euro- Aktivitäten auf europäischer Ebene im parat. Es kann Entschließungen und Emp-

Dienste der Länder und Gemeinden.“ Als Foto: AdR-Pressestelle fehlungen an die Parlamentarische Versamm- wichtige Themen in der Kammer der Regio- Landtagspräsident Herwig van Staa bei lung und an das Ministerkomitee richten, hat nen und im Europarat generell sieht van Staa seiner Rede im KGRE also, ähnlich dem EU-Ausschuß der Regio- für die nächste Zeit die Verabschiedung des Bergregionen und des Entwurfes einer Eu- nen, beratenden Charakter. Entwurfes einer Europäischen Charta für ropäischen Charta für regionale Selbstver- http://www.coe.int/congress

Innsbruck zu Besuch in Tiflis

m Juli dieses Jahres überbrachten Gesandte Iaus Tiflis Bürgermeisterin Christine Op- pitz-Plörer die offizielle Einladung zum Stadtfest in der Hauptstadt Georgiens. Vom 23. bis zum 25. Oktober besuchte deshalb Innsbrucks Bürgermeisterin gemeinsam mit StRin Marie-Luise Pokorny-Reitter die geor- gische Hauptstadt. „Wir konnten im Rahmen dieser Reise nicht nur die Städtepartner- schaft selbst intensivieren, sondern werden uns auch für humanitäre Projekte in der Region engagieren“, so Oppitz-Plörer. Begleitet wurden die beiden Politikerin- nen von einer kleinen Delegation, bestehend Foto: Bauer v.l.: Andrea Wagner-Hager (CARE Österreich), Paul Kummer, Mamuka Katsarava aus Barbara Kobler (Büro der Bürgermei- (Leiter Amt für Soziales und Kultur), Bgm. Christine Oppitz-Plörer, Nina Mataradze sterin, zuständig für internationale Ange- (Leiterin Amt für Internationale Beziehungen), Oberbürgermeister Giorgi Ugulava, legenheiten), Karin Bauer (Diözese Inns- Giorgi Korkashvili (Leiter Amt für Ökologie und Grünanlagen), StRin Marie-Luise bruck) und Paul Kummer (ehemaliger Stadt- Pokorny-Reitter und Karin Bauer (Diözese Innsbruck). rat von Innsbruck). Kummer wurde die Ehre se an der Universität Innsbruck. Auch die Die internationale Hilfsorganisation CARE zuteil, im Rahmen der Feierlichkeiten in Teilhabe am Know-How Innsbrucks bezüg- betreibt in Khurvaleti in der Nähe von Tiflis Tiflis die Ehrenbürgerschaft der Stadt verlie- lich der Ausrichtung Olympischer Winter- ein Flüchtlingslager für georgische Vertrie- hen zu bekommen. Sein intensiver Einsatz spiele ist für Ugulava von Interesse, möchte bene der letzten militärischen Konflikte in für die seit 1982 bestehende Städtepartner- sich Tiflis doch für die Europäischen Olym- der Region. Unter anderem wurde eine Trut- schaft schuf das Fundament für eine enge pischen Winterjugendspiele 2015 bewerben. hahnfarm besichtigt, die für die Flüchtlinge Beziehung, die nun wieder verstärkt gepflegt Außerdem schlug Bgm. Oppitz-Plörer einen errichtet wurde und ihnen eine geregelte Ar- werden soll. Schüler-Austausch vor, der georgischen Kin- beit ermöglicht. Besonders beeindruckt zeig- Wichtige Programmpunkte des Besuches dern den Besuch des städtischen Ferienla- te sich Bgm. Oppitz-Plörer von einem Hilfs- waren unter anderem das Treffen mit Ober- gers Wildmoos ermöglicht. Ugulava betonte projekt in Gori, das auf Aus- und Weiterbil- bürgermeister Giorgi Ugulava. Dieser brach- aber die Absicht, dies in erster Linie Kran- dung für Flüchtlingsfrauen setzt. Hier möch- te im Gespräch mit der Innsbrucker Stadt- ken oder Kindern aus sozial schwachen Fa- te sie in Innsbruck engagierte Frauen finden, delegation den Wunsch zum Ausdruck, die milien zu ermöglichen. die sich für entsprechende Einzelprojekte in erfolgreichen Aktivitäten der Partnerschaft Bgm. Oppitz-Plörer stellte ihren Besuch der Region um Tiflis einsetzen. weiter zu vertiefen, etwa die Hochschulkur- aber auch ins Zeichen humanitärer Projekte. http://www.innsbruck.gv.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 22 Österreich, Europa und die Welt WKÖ eröffnet neue Außenhandelsstelle Impulse für in Almaty/Kasachstan das Miteinander

m 3. November eröffnete die Außen- ist kein einfaches Land, Bürokratie und it Jahresende wird Vorarlberg den Awirtschaft Österreich der Wirtschafts- mangelnde Rechtssicherheit erschweren die MVorsitz in der Internationalen Boden- kammer Österreich offiziell die neue öster- Marktbearbeitung. Gerade für Erstexpor- seekonferenz wieder turnusmäßig abgeben. reichische Außenhandelsstelle in Almaty, der teure ist es hier nicht leicht, wenn sie auf Landeshauptmann Herbert Sausgruber zog größten Stadt Kasachstans. WKÖ-Vizeprä- sich alleine gestellt sind. Das war Grund ge- am 2. November im Pressefoyer ein positi- sident Richard Schenz hat, gemeinsam mit nug für die AWO, ihr Engagement in dieser ves Resumee der zu Ende gehenden Vor- sitzperiode: „Es ist gelungen, in vielen Be- reichen wertvolle Impulse für das Mitein- ander in der Bodenseeregion zu setzen.“ Zu den Schwerpunkten des Vorarlberger IBK-Vorsitzes im Jahr 2010 zählte das The- ma Jugendbeschäftigung. Mehr als 160 Lehr- linge haben heuer am Lehrlingsaustausch- programm Xchange teilgenommen. Im Rah- men einer Fest- und Informationsveran- staltung werden ihnen ihre Diplome über- reicht. Es sei erfreulich und wichtig, daß immer mehr Lehrlinge die Möglichkeit nüt- zen, um Auslandserfahrungen zu sammeln und als Teil ihrer Ausbildung ein Praktikum in einer anderen Region oder einem anderen Land zu absolvieren, sagte LH Sausgruber.

Foto: Außenwirtschaft Österreich Der Gesundheitsförderung wurde im v.l.: Sektionschef Josef Mayer, Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Rahmen der IBK-Zusammenarbeit ebenfalls Jugend, Erbol Shormanov, stv. Gouverneur der Stadt Almaty, Ursula Fahringer, große Aufmerksamkeit gewidmet. Vorarl- Österr. Botschafterin in Kasachstan, Michael Müller, Österr. Handelsdelegierter in berg spiele hier schon lange eine führende Kasachstan, Richard Schenz, Vize-Präsident der Wirtschaftskammer Österreich Rolle, betonte IfS-Geschäftsführer Stefan (WKÖ) und Karl Hartleb, stv. Leiter der Außenwirtschaft Österreich (AWO) Allgäuer und verwies als Beispiel auf das er- der österreichischen Botschafterin in Kasach- Region zu verstärken, denn ein österreichi- folgreiche Modell der kostenlosen Vorsorge- stan, Ursula Fahringer, dem neuen Handels- sches Büro vor Ort ist von enormer Bedeu- untersuchung. Für das IBK-Symposium „Für delegierten in Kasachstan, Michael Müller, tung, damit unsere Unternehmen die beste- Gesundheitsförderung und Prävention“ mit sowie hochrangigen kasachischen Vertretern henden Geschäftschancen in Zentralasien der Verleihung des IBK-Gesundheitspreises aus Politik und Wirtschaft die Eröffnungsze- wahrnehmen können.“ am 11. November rechnen die Veranstalter remonie vorgenommen. Generell setzt die kasachische Regierung mit bis zu 400 TeilnehmerInnen. „Unser neuer AWO-Stützpunkt, der 115. auf Modernisierung des Landes und Diversi- Als weiteren Schwerpunkt nannte Saus- in unserem globalen Netzwerk aus Außen- fizierung der Wirtschaft, um die Rohstoffla- gruber den „6. österreichischen Lokale Agen- handelsstellen und Marketingbüros, dem stigkeit zu überwinden. Unter anderem wer- da 21-Gipfel“, bei dem die Frage „Was hält weltweit zweitgrößten Außenwirtschafts- den der Ausbau der Agrarindustrie, die An- die Gesellschaft zusammen?“ im Mittelpunkt netzwerk nach den USA, liegt an der siedlung von verarbeitender Industrie und stand. Auch die künftige EU-Regionalpolitik Schnittstelle Europas mit Asien und wird die der Infrastrukturausbau forciert. Gerade für wurde von den Regierungschefs der Boden- Brückenkopffunktion für österreichische österreichische Unternehmen, die in diesen seeanrainerländer eingehend diskutiert. Da- Unternehmen auf ihrem Weg nach Zentral- Gebieten mit Know-how und High-Tech bei wurde vereinbart, gemeinsam und aktiv asien, in eine der Boom- und Hoffnungsre- punkten können, bieten sich künftig entspre- die Belange der Bodenseeregion in die euro- gionen für unsere Exportwirtschaft, darstel- chend viele Chancen. Die sieht Handelsdele- paweite Debatte einzubringen. len“, erklärte Schenz. Kasachstan mit seinen gierter Müller für österreichische Unterneh- Eines der wesentlichen Projekte der IBK nur 16 Millionen Einwohnern ist flächenmäs- men in den Bereichen Zulieferung zur Öl- im Bereich Bildung ist die Internationale sig der neuntgrößte Staat der Erde und ver- und Gas-, Bergbauindustrie, Anlagen für die Bodensee-Hochschule (IBH). Dieser europa- fügt wie kaum ein anderes Land dieser Welt rohstoffverarbeitende Industrie, Moderni- weit beachtete Hochschulverbund besteht über einen gigantischen Reichtum an Roh- sierung und Neubau von Infrastruktur, Agro- aus inzwischen 29 Hochschulen und feiert be- stoffen: von Erdöl und Erdgas, über Kohle, industrie, Konsumprodukte hoher Qualität reits sein 10-Jahre-Jubiläum. „Es war wich- Erze und Mineralien bis hin zu Uran. Eine sowie bei erneuerbarer Energie, Umwelt- tig, diesen Schwerpunkt im Bereich Bildung gezielte Modernisierung der Infrastruktur technik. Die Außenhandelsstelle Almaty ist zu setzen. Die positive Entwicklung der Ko- und die forcierte Industrialisierung des auch für Kirgistan, Tadschikistan und Turk- operation ist für das Aus- und Weiterbildungs- Landes versprechen eine mittelfristig hohe menistan zuständig. angebot der gesamten Bodenseeregion von Wachstumsdynamik. Schenz: „Kasachstan http://portal.wko.at/wk/startseite_ch.wk?chid=5 Bedeutung“, resummierte Sausgruber.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 23 Österreich, Europa und die Welt Österreich brachte New York zum Tanzen Österreich Werbung sorgte mit »Dance Austria!« für publikumswirksame Aktion Foto: Österreich Werbung / David Plakke 4000 New YorkerInnen folgten der Einladung der Österreich Werbung zu »Dance Austria« auf den Josie Robertson Plaza.

ie Österreich Werbung lud am 16. Okto- zent bei den Gästen aus den USA verzeich- Höhepunkt: Tausende Tanzbegeisterte dreh- Dber zum Open Air-Walzertanzen vor der nen, in der bisherigen Sommersaison stiegen ten ihre Runden zu den Klängen des berühmten Oper in New York. Beim großen die Ankünfte sogar um 17 Prozent. Wir gehen Donauwalzers über das „Tanzparkett“ und Tanzevent „Dance Austria! The Big Waltz @ davon aus, daß sich dieser Trend fortsetzen verwandelten den Josie Robertson Plaza für Lincoln Center“ fanden sich über 4000 wird“, freut sich Stolba über die Zuwächse 15 Minuten in den wahrscheinlich größten Tanzbegeisterte vor der Kulisse der Lob- auf dem US-amerikanischen Markt. Um die Freiluft- „Ballsaal“ der Welt. Im Anschluß an meyr Luster der Met ein, um auf dem Josie Gäste aus den USA für Österreich zu begei- das große Walzerfinale wurde unter den Teil- Robertson Plaza zu den Klängen von Johann stern, setzt die Österreich Werbung in ihrer nehmern der Gewinner einer Traumreise für Strauß zu tanzen und ein hochwertiges Kul- Marktbearbeitung vor allem auf die Bereiche zwei von New York nach Wien gezogen. Der turprogramm zu genießen. „Es ist ein schö- Kultur, Architektur und Design. Preis inkludiert Flugtickets von Austrian nes Gefühl zu sehen, wie begeistert österrei- Das Programm rund um den gemeinsa- Airlines, drei Nächte im Hotel Sacher Wien, chische Kultur in dieser Weltstadt aufge- men Donauwalzer brachte ein Stück öster- sowie zwei Eintrittskarten zur Fête Impériale nommen wird – ist doch das kulturaffine reichischer Kultur mitten ins Herz von New in der Spanischen Hofreitschule im Juli 2011. New Yorker Publikum eine besonders wich- York: Eröffnet wurde der Event mit einem Zufrieden zeigte sich auch Michael Gigl, tige Zielgruppe für den österreichischen Expreß-Walzerkurs von zwei erfahrenen Organisator des Events und Region Manager Tourismus“, zeigte sich ÖW-Geschäftsfüh- Broadway Choreographen. Eigene Tanzleh- der Österreich Werbung Nordamerika und rerin Petra Stolba, die eigens aus Wien anrei- rer in der Menge sorgten dafür, daß auch Australien: „Mit traditioneller Werbung al- ste, vom Enthusiasmus der New Yorker be- Ungeübte die Kunst des Walzertanzens erler- leine ist es immer schwieriger, mit unserer geistert. nen konnten. Es folgten Darbietungen von Botschaft anzukommen. ,Dance Austria!‘ ist Die USA sind mit über 1,1 Millionen Balletttänzern, Volksopern Soprano-Star ein Versuch, unsere Gäste auch auf einer Nächtigungen der wichtigste Übersee-Her- Beate Ritter, dem Tiroler Jazz-Trompeter emotionalen Ebene anzusprechen. Die Be- kunftsmarkt für den österreichischen Tou- Franz Hackl, sowie Walzer-Klänge gespielt geisterung des Publikums zeigt uns, daß die rismus. Nach durch die Wirtschaftskrise von einem Ensemble der Juilliard School of Rechnung voll aufgegangen ist.“ Unterstützt bedingten Rückgängen in den vergangenen Music und Tanzdarbietungen, die Wiener wurde der Event von Austrian Airlines, Ho- drei Jahren kann derzeit eine sehr positive Walzer und Broadway verschmelzen ließen. tel Sacher Wien, der Spanischen Hofreit- Entwicklung beobachtet werden. „Seit Jah- Zum Sonnenuntergang fand der Abend schule und dem Radiosender WQXR. resbeginn konnten wir ein Plus von 10 Pro- mit dem gemeinsamen „Big Waltz“ seinen http://www.austria.info

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 24 Österreich, Europa und die Welt »Wiener Ball« Am 5. Feber 2011 lädt die »Stiftung Österreich Kultur & Wirtschaft« in den Niederlanden zum 45. Debutantenball nach Noordwijk.

m Jahre 1965 ergriff die Tochter des da- Imaligen Konsuls in den Niederlanden, Veronica von Brunner, die Initiative, einen Ball in den Niederlanden gemäß der öster- reichischen Tradition zu organisieren. Die Organisation des Balles lag damals in Händen des “Vereines der Österreicher in den Niederlanden”. Der erste Ball wurde in Amsterdam abge- halten. Dieser Ball war sehr erfolgreich und es entwickelte sich – trotz einiger Ausfälle – eine jährlich zurückkehrende Tradition, die in den Niederlanden seinen Niederschlag fand und zu einem der schönsten Bälle aus- erkoren wurde. Inzwischen ist dieser Ball eine Visitenkarte geworden zur Auswechs- lung der österreichischen und niederländi- schen Tradition – und traditionell wird der Ball in der Faschingszeit abgehalten. Der „Wiener Ball“ ist der einzige Debutantenball Prof. Harry Kopietz, Erster Wiener Landtagspräsident, Graaf Dennis Festetics de in den Niederlanden und ist seinem großen Tolna, General-Honorarkonsul von Ungarn, Marlene Koelewijn-Usel, Präsidentin Vorbild, dem „Wiener Opernball“, nachemp- der ÖKW, Isabelle Vinkeles Melchers, Vorstandsmitglied, Jörg Bele, Honorarkonsul funden. Und wenn auch einige Ortswechsel von Österreich (Eindhoven) und Paul Erkelens, Kassier der ÖKW, »Regie« (v.l.) beim »Wiener Ball« 2009 im Grand Hotel Huis ter Duin in Noordwijk. vorgenommen wurden, Regie und Planung des Balles selbst blieben immer dieselbe. In den vergangenen zehn Jahren liegen sie in den Händen der „Stiftung Het Oostenrijkse Debutantenbal“, zu Deutsch „Stiftung Öster- reich Kultur & Wirtschaft“ (ÖKW). Dieses Jahr ist das Grand Hotel Huis ter Duin in Noordwijk ein vollwertiger Partner in der Organisation des Balles. Der Vorstand der Stiftung ÖKW weiß sich unterstützt durch den Österreichischen Botschafter in den Niederlanden, Wolfgang Paul, durch das Ehrenkomitee, das Damenkomitee, das Grand Hotel Huis ter Duin und durch viele freiwil- lige Mitarbeiter – und natürlich durch die festliche Anwesenheit der Gäste. Ebenso willkommen sind natürlich Spon- soren, wie sie seit vielen Jahren die Ab- haltung des Balles ermöglichen. Viele Va- rianten werden hier vom ÖKW angeboten und neue Ideen sind gerne willkommen: ob Foto: Stiftung Österreich Kultur & Wirtschaft Sie nun mit „Naturalien“ für die Tombola Impression von der traditonelen Eröffnungszeremonie des »Jungdamen- und oder mit Geldspenden beitragen wollen, ob Jungherrenkomitees« Sie Ihre Produkte im Umfeld des Balles prä- Familie, Freunde oder Geschäftspartner ein- karten und vieles andere mehr. Der ÖKW sentieren oder Einschaltungen im Ball- zuladen. In jedem der Pakete ist ein „VIP wird Ihnen sicher gerne alle Details dazu programm buchen wollen; besonders einla- Dinner“ für 10 Personen mit Getränkeaus- erklären – damit Sie zum Gelingen des dend klingen dann auch die Sponsorpakete wahl von 21:00 bis 03:00 Uhr enthalten; je „Wiener Balls“ am 5. Feber 2011 beitragen „Mozart“, „Schubert“ und „Strauß“, die nach Preis besteht die Möglichkeit der Fir- können. wohl vor allem dafür gedacht sind, die menpräsentation auf Eintrittskarten, Speise- http://wienerball.huisterduin.com/

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 25 Österreich, Europa und die Welt Ein Shtetl in Ägypten? Ein Besuch von Maadi bei Kairo

Von Rudolf Agstner *)

ouristen, denen Ägypten in einer Woche Tgeboten wird, davon ein oder zwei Tage in Kairo, verirren sich selten dorthin – in diese englische Gartenstadt 10 km südlich von Kairo. Sie erschließt sich dem Besucher auch nicht auf den ersten Blick – am Nil ist sie durch eine Ansammlung häßlicher Hochhäuser, deren leider immer mehr wer- den, im Osten durch neue Stadtviertel umge- ben. Siedlungen nach englischem Vorbild waren gegen Ende des 19. Jahrhunderts überall ein vogue – in Wien erinnert das „Cottage“ im 18. Bezirk, in Bern das von der „Berne Land Company“ erschlossene Kir- chenfeld und in Brüssel die „Cité Floréal“ an diese Epoche gepflegter Villenarchitektur. In Ägypten hätte man derlei aber kaum er- wartet. Die Geschichte des modernen Maadi begann mit Heluan, dem vom deutschen Arzt Wilhelm Reil auf schachbrettartigem Grund- riß gegründeten Luft- und Schwefelbad 32 km südlich von Kairo. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war „Helouan les Bains“ ein weltberühmter Kurort, wo gekrönte Häup- ter, Aristokraten und „the rich and famous“ den Winter verbrachten. Heute ist Heluan eine Industriestadt mit über 500.000 Ein- wohnern, einem Stahl- und mehreren Ze- mentwerken, deren Qualm die Sonne ver- dunkelt, und die jeden Gedanken an einen Foto: http://www.interamericaninstitute.org / Jewish Heritage James B. Kiracofe Heil- und Kurort vertreiben. Die Shaar Hashamaim- Synagoge in der Adly-Straße im Zentrum von downtown-Kairo. Um den Kurgästen die umständliche An- reise mit Nil-Dampfer und Kutsche zu erspa- geplanten Bahnlinie in Richtung Nil Land zu geschehen? Glücklicherweise war Jacques ren, schlugen 1888 die drei Bankiers Moise kaufen, und nannte rasch 138 feddan (zu je de Menasce im Vorstand der Egyptian Delta Cattaui, Jacques de Menasce und Felix 4200 m² oder 58 Hektar) sein Eigentum. Light Railways Ltd., die im Nil-Delta ein Suares dem Khediven Tawfik, der in Heluan Baron Jacques de Menasce (1850-1916), En- Schmalspureisenbahnnetz betrieb und nach einen Palast besaß, den Bau einer Eisen- kel von Yacoub Cattaui Bey und Neffe von Investitionsmöglichkeiten suchte. Am 20. bahnlinie Kairo – Heluan vor. Am 30. April Moise Cattaui (1849-1924), investierte sein April 1904 gründete diese Gesellschaft ein 1888 erhielt ein Konsortium der Firmen Geld im Osten der alten Militäreisenbahn. Tochterunternehmen namens „Egyptian Jacub Moise Cattaui Fils & Cie., Menasce Als 1889 die als Suares-Linie bekannte Bahn Delta Land and Investment Company“ Fils &. Cie. und Suares Frères & Cie. die nach Heluan fertiggestellt war, kauften (EDLICO). Unter den Gründungsmitgliedern Konzession zum Bau, Betrieb und Verwal- Victor Moussa Mosseri (1873-1923) und der EDLICO war wieder Baron de Menasce tung der Eisenbahn. Elie Nessim Mosseri (1879-1940) in der Nä- zu finden. Felix Suares (1844-1906), verheiratet mit he von Maadi al Khabiri Land zu beiden Eine Weichenstellung erfolgte schon Henriette Aslan Cattaui, begann westlich der Seiten des Schienenstranges auf. Bis 1904 wenige Tage später, als am 29. April die waren die Mosseris Eigentümer von 434 fed- Teilhaber der Egyptian Delta Light Railways *) Gesandter Dr. Rudolf Agstner ist Angehöriger des dan (182 Hektar). Elie Mosseri war Cousin vor der Wahl standen, entweder mit der Bundesministeriums für europäische und internatio- von Jacques de Menasce und mit Felix „Cairo Metropolitan and Helwan Company“ nale Angelegenheiten. Der Historiker hat einige Bü- cher und unzählige Arbeiten zur österreichischen Suares und Moise Cattaui Bey verwandt. oder mit der „Societé Anonyme des Tram- Geschichte veröffentlicht. Was sollte nun mit diesem Landbesitz ways du Caire“ zu fusionieren. Hinter der

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„Cairo Metropolitan“ standen die Familien die maximale Bauhöhe, das Verhältnis Levy wurde Lee. Die Gründung des Staates Cattaui, Menasce und Suares, hinter der bebauter Fläche zu Garten, Farbe der Fen- Israel und der Krieg von 1956 hatten auf die Kairoer Tramwaygesellschaft der belgische sterläden, Dachform, Breite der Gehsteige gutsituierten jüdischen Einwohner Maadis Baron Empain. u.ä. fest und stellte damit sicher, daß sich noch kaum Auswirkungen. Schließlich blieben die Cattauis, Me- Maadi zu einer typisch englischen Garten- In dem südlich von Maadi gelegenen nasces und Suares unter sich. Aus diesem stadt entwickelte. Schon bald kamen die er- Heluan arbeiteten seit Ende der 50er-Jahre Grund sollte sich Maadi mit jüdischem sten Einwohner, darunter nicht nur Eng- deutsche und österreichische Ingenieure im Kapital und britischen Verwaltern zu einer länder oder ägyptische Paschas, auch Öster- Auftrag von Präsident Gamal Abdel Nasser englischen Gartenstadt entwickeln. Baron reicher, Deutsche und Schweizer und zahl- an Raketen und dem Kampfflugzeug „HA Empain und seine Gesellschaft mußte sich reiche Juden. (Heluan Aircraft) 300“, mit denen Ägypten anderswo umsehen und begann 1906 östlich Der Umstand, daß Moise Cattaui 1904 den zionistischen Nachbarstaat zerstören von Kairo mit dem Bau von Heliopolis, das die ungarische Staatsbürgerschaft erworben wollte. Viele dieser gut bezahlten Techniker durch französische und belgische Architek- hatte – die Menasces hatten diese schon seit wohnten in Maadi. Der letzte Österreicher ten phantasievoll im hindu-sarazenischen 1849 – und die anderen Cattauis unter öster- aus dieser ursprünglich mehrere Dutzend Stil gebaut wurde. reichisch-ungarischem Schutz standen, führ- umfassenden Runde betrieb später in Kairo- Eine der ersten Aktivitäten der EDLICO te dazu, daß vor 1914 auch österreichische Mohandessin das Restaurant „Tirol“, er starb betraf im Dezember 1904 den Ankauf des Architekten in Maadi bauten. Es lag nahe, vor kurzem. den Brüdern Mosseri gehörenden Areals von daß Eduard Matasek, Partner von Moritz Erst Nassers Nationalisierungswelle von 1,8 km². EDLICO zahlte 200 ägyptische Youssef Cattaui, seine eigene Villa in Maadi 1960 bis 1962 läutete das Ende des jüdi- Pfund per feddan; die Mosseris hatten errichtete; er bezog sie nie, da er vor deren schen Maadi ein. 1962 wurde die EDLICO ursprünglich zwischen 42 und 50 Pfund Fertigstellung 1912 in Alexandrien starb. verstaatlicht. Der Sechs-Tage-Krieg bedeu- bezahlt; es blieb ein Gewinn von 65.000 Die Villa wurde 1995 abgerissen. Ein Bau- tete 1967 das endgültige Aus für die jüdi- ägyptischen Pfund. Victor Mosseri Bey, der meister von Cattaui & Matasek, Carl Schej- schen Bewohner Maadis, die in die USA, ältere der Brüder, war großzügig: 1905 stif- noha aus Budweis, errichtete vor 1914 vier nach Großbritannien, Frankreich, fallweise tete er das Land für die Shaar Hashamaim- Häuser in Maadi, darunter die „Villa auch nach Israel auswanderten. Mit ihrem Synagoge in der Adly-Straße im Zentrum Austria“ für den Postkartenverleger Joseph Exodus wurden Straßen und Plätze, die nach von downtown-Kairo. Daß sie von seinem Max Lichtenstern (1876-1958) aus Wien; die Cattaui, Menasce, Suares und Rolo benannt Cousin, dem Architekten Moritz Yousef Villa wurde bis zu ihrem Tod 1996 von sei- waren, nach ägyptischen Politikern umge- Cattaui und dessen Partner, dem Wiener Ar- ner Tochter Anni Gismann bewohnt. Die tauft. Viele Villen wechselten sehr preiswert chitekten Eduard Matasek errichtet wurde, Möglichkeit, die Villa günstig als Residenz den Eigentümer, manche auf mysteriöse war wohl kaum Zufall; daß sie im Wiener für den österreichischen Botschafter in Kairo Art… Erinnerungen an das Jahr 1938 in Jugendstil gehalten ist, überrascht den Be- zu kaufen, wurde von Österreichs Außen- Österreich werden wach, und ein Vergleich sucher, der sich durch die bewaffneten ministerium leider nicht genutzt. mit dem Schicksal so mancher Villa im Cot- Wächter nicht abschrecken läßt, aber doch. Im 1. Weltkrieg hatten die Österreicher tage-Viertel um den Wiener Türkenschanz- Als 1907 der Preis auf 540 Pfund per fed- und Deutschen Maadi verlassen – nun ka- park drängt sich auf. dan gestiegen war, verkauften auch die men Soldaten aus Australien und Neusee- Niemand kümmerte sich mehr um die Erben des 1906 verstorbenen Felix Suares land. In der Periode zwischen den beiden Bauordnung, und mit der von Präsident Sa- ihre 138 feddan an EDLICO. Das Areal des Weltkriegen – Ägypten war seit 1923 ein un- dat verkündeten Wirtschaftspolitik der „Öff- 1916 verstorbenen Jacques de Menasce abhängiges Königreich – installierten sich in nung“ bestimmten ab den 70er-Jahren zu- konnte EDLICO erst 1926 erwerben. der nun fashionablen Gartenstadt weitab von nehmend Bauspekulanten das Gesicht von Nach dem ursprünglichen Plan bestand Kairo Ägypter, Levantiner, Franzosen, Tür- Maadi. Die Menasces, Cattauis und Suares Maadi aus 143 Parzellen zu je 2 feddan, die ken, Griechen, Schweizer, Mitteleuropäer würden ihre englische Gartenstadt Maadi wiederum in 8 Bauflächen zu 1050 m² geteilt und noch mehr Engländer. Die größte Be- heute nicht mehr wiedererkennen. Zahlrei- wurden; daneben gab es 137 Parzellen von völkerungsgruppe bildeten Juden; die Ge- che Villen wurden abgerissen, unförmige jeweils 500 m². Das Straßennetz wurde gend südlich der 83. Straße hatte den Spitz- Hochhäuser traten an ihre Stelle. Sie rücken jenem Khartoums, der Hauptstadt des anglo- namen „jüdisches Viertel“. Meir Biton, der auch immer näher an den 1000 Jahre alten ägyptischen Sudans, nachempfunden, das Gärtner der EDLICO, stiftete 1932 eine Sy- jüdischen Friedhof von Bassateen heran, der gerade zuvor von britischen Ingenieuren nagoge, die heute noch steht. Maadi ist der noch vor hundert Jahren einsam auf halbem angelegt worden war. Dann wurden Bäume einzige Ort Ägyptens, der zuerst eine Syna- Weg zwischen Kairo und Maadi lag. Dort ist gepflanzt, Poincianas, Jacarandas, Lebbekhs goge und erst später eine Moschee erhielt – auch Maadi-Mitgründer Elie Mosseri begra- und Tacomas. Zum Chefarchitekten wurde die König Fuad I-Moschee wurde 1939 er- ben – vielleicht ist es gut, daß er den Verfall Ariston St. John Diamant bestellt (1874- richtet. Maadis nicht mehr erlebt. 1950), der später die American University in Im 2. Weltkrieg dienten die Kasernen am Heute gibt es wieder ein bescheidenes, Kairo baute. 1908 standen die ersten 15 Häu- Rande von Maadi insgesamt 76.000 neusee- „expatriate“ jüdisches Leben in Maadi. Es ser nach englischem Vorbild, 1909 wurde ländischen Soldaten unter General Freyberg beherbergt die Residenz des israelischen der Bahnhof gebaut, so daß Maadi nun mit als Quartier. Die ersten jüdischen Bewohner Botschafters in Kairo und ist bevorzugte der Kairo-Heluan-Bahn erreichbar war, 1910 verließen Maadi schon 1942, als sich Rom- Wohngegend der israelischen Diplomaten. das erste Café eröffnet. Eine detaillierte und mels Afrika-Korps Alexandrien näherte. Auch die Meir Biton-Synagoge wird zu jedermann verpflichtende Bauordnung legte Andere änderten einfach den Namen – aus hohen Festtagen geöffnet.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 27 Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag am 26. Oktober So feierte Österreich den Nationalfeiertag 2010 Foto: Bundesheer / Foto: Gerhard Simader Ein Blick auf den Wiener Heldenplatz mit den TeilnehmerInnen am Sonderministerrat (Bildmitte) und den RekrutInnen. er Nationalfeiertag 2010 begann tradi- präsident Fischer zu den Rekruten: „Sie lei- tionelle Sonderministerrat fanden diesmal Dtionell mit den Kranzniederlegungen sten heute ihr Treuegelöbnis an einem be- nicht im Bundeskanzleramt, sondern im beim Grab des unbekannten Soldaten in der sonderen Platz und an einem besonderen Rahmen der Angelobung von rund 1170 Re- Krypta des Äußeren Burgtores. Der Ober- Tag.“ Weiters erinnerte Fischer an die Er- krutInnen des Österreichischen Bundeshee- befehlshaber des Österreichischen Bundes- eignisse im Jahr 1955, die Verabschiedung res am Heldenplatz statt. heeres, Bundespräsident Heinz Fischer, und des Neutralitätsgesetzes und die Wiederer- Erstmals nahmen an den Feierlichkeiten die Bundesregierung, angeführt von Bundes- richtung des Österreichischen Bundeshee- am Heldenplatz die Vertreter des österreichi- kanzler Werner Faymann und Vizekanzler res: „Das Bundesheer wurde auf Basis der schen Widerstandes gegen das NS-Regime Josef Pröll, gedachten der Opfer und der Wehrpflicht errichtet und ist in der Verfas- sowie die Opferverbände teil. Ihnen dankte Gefallenen der beiden Weltkriege, die für sung verankert“, so der Oberbefehlshaber. Bundeskanzler Werner Faymann ganz be- Österreichs Freiheit ihr Leben lassen mus- sonders. „Viele haben für ihren Widerstand sten. Dort legten auch die Verbände der Frei- Faymann: Österreich mit dem Tod, viele mit der Internierung in heitskämpfer und Opfer des Faschismus, der bekennt sich voll zur Neutralität Konzentrationslagern bezahlt. Sie, deren politisch Verfolgten und des KZ-Verbandes „Wir danken den Soldaten und Soldatin- Verwandte von den Nazis ermordet wurden, einen Kranz nieder. Bisher fand die Zere- nen für den Einsatz, den sie in der Vergan- sollen wissen: Das heutige Österreich schul- monie der Opferverbände am 30. Oktober genheit und in der Gegenwart für unser Land det den Toten und den Überlebenden des unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. geleistet haben und leisten“, sagte Bun- österreichischen Widerstandes Dank und deskanzler Werner Faymann. Dieser Dank Anerkennung“, sagte Faymann. Feierliche Angelobung am Heldenplatz gelte nicht nur für die Arbeit im Katastro- In den Mittelpunkt seiner Rede stellte der Rund 1170 Soldaten aus der Bundes- phenschutz, sondern auch jenen, die ihren Bundeskanzler drei aktuelle Punkte: die hauptstadt Wien und aus Niederösterreich Dienst beim Auslandseinsatz leisten, wofür Neutralität Österreichs sowie die bisherigen leisteten ihr Treuegelöbnis auf die Republik Österreich in der Welt besonders geachtet Leistungen und die künftige Entwicklung Österreich am Wiener Heldenplatz. Bundes- werde. Die Rede des Kanzlers und der tradi- des Österreichischen Bundesheeres.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 28 Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag am 26. Oktober

man dem Österreichischen Bundesheer und seinen Soldatinnen und Soldaten aufrichtig danken“, sagte der Kanzler. Die Sicherheitsstrategie und die sich dar- aus ableitende Organisation des Bundes- heeres seien in den nächsten Monaten neu festzulegen. Damit sei der Start für eine offe- ne Diskussion gegeben. Die Erfahrungen und Modelle anderer Länder Europas, die sich für ein Berufsheer entschieden haben, seien dabei einzubeziehen. „Es darf sich nie- mand der Diskussion verschließen. Wer sich vor der Frage drückt, wie die militärische Landesverteidigung von morgen in einem geeinten Europa aussehen kann, der erweist dem Land keinen guten Dienst“, sagte Fay- mann. Daher gelte es zu analysieren, zu dis- kutieren, abzuwägen und dann zu entschei- den. Die wichtigsten Fragen dabei seien: Wie der Katastrophenschutz auch in Zukunft

Foto: Bundesheer / Foto: Gerhard Simader gewährleistet werden könne, wie Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann legt in der Krypta des Äußeren Burgtores am Bundesheer seine international anerkannte, Grab des unbekannten Soldaten einen Kranz nieder. hohe Qualität für die Zukunft wahren und ausbauen könne und welche Erfordernisse an die Landesverteidigung im 21. Jahrhun- dert zu stellen seien. „Ganz Österreich ist auf ihre Aufgaben und auf ihre Leistungen stolz“, sagte der Bundeskanzler abschließend zu den Re- krutInnen, die im Rahmen dieser Feier ange- lobt wurden.

Pröll: Unseren Kindern ein sicheres gut entwickeltes Land übergeben Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll ging in seiner Rede auf die wichtigsten Her- ausforderungen für die Republik der nächsten Zukunft ein: „Das grundlegende Ziel unserer Arbeit für Österreich soll es sein, unseren Kindern ein sicheres, gut entwickeltes und mit allen Chancen ausgestattetes Land zu übergeben. Das ist die erste Seite des Gene-

Foto: BKA/HBF / Harals Minich rationenvertrags. Dazu zählt als oberste Prio- Bundeskanzler Werner Faymann, Vizekanzler Josef Pröll, Verteidigungsminister rität ein geordneter finanzieller Haushalt und Norbert Darabos und Generalstabschef Edmund Entacher beim Abschreiten der daher der Abbau der Schulden. Schulden Ehrengarde. sind aber nicht nur ungerecht gegenüber der „Es wäre ein Fehler, am heutigen Tag zu reichs Neutralität in Frage stelle, erweise nächsten Generation. Sie sind auch eine Um- sagen, daß wir die Neutralität nicht mehr dem Land einen schlechten Dienst. verteilung von unten nach oben. Denn je brauchen“, sagte der Kanzler. Österreich be- Faymann betonte, daß das Österreichi- mehr Zinsen wir für unsere Schulden zahlen kenne sich auch weiterhin voll zur Neutra- sche Bundesheer sich heute mit Fug und müssen, desto abhängiger ist unser Land lität. „Österreich hat seine Neutralität als Recht als international tätige Friedenstruppe vom internationalen Finanzmarkt. Öster- Chance gesehen. Als Chance, über eine sehen könne. „Wo immer ich im Ausland reich muß bereits Schulden aufnehmen, um glaubwürdige Politik dem kleinen Land im hinkomme, genießt unser Land großes An- die acht Milliarden Euro Zinsen für unsere Herzen Europas Respekt und Ansehen in der sehen für seine Einsätze“, sagte Faymann. derzeitigen Schulden zu tilgen. Wir müssen Staatengemeinschaft zu verschaffen. Als Vom Golan bis nach Zypern, von Bosnien uns von dieser Abhängigkeit der Finanz- Chance, sich in Konflikten auf die Seite der bis zum Tschad, vom Kongo bis zum Koso- märkte lösen und wieder mehr Spielraum für Menschlichkeit zu stellen. Als Chance dafür, vo gelte Rotweißrot als Banner des Friedens eigenständige Politik schaffen. Mit dem auf der richtigen Seite zu stehen.“ Wer Öster- und der Völkerverständigung. „Dafür muß Budget 2011 sowie dem Budgetpfad bis 2014

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 29 Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag am 26. Oktober haben wir einen groben Kurs aus der Schul- denfalle eingeschlagen, diesen Kurs sollten wir einhalten. Nur damit sichern wir uns auch den Spielraum für Investitionen in neues Wachstum und damit neue und siche- re Arbeitsplätze“, so Pröll. Zur Bedeutung des Bundesheeres sagte Pröll: „Die Wehrpflicht garantiert die Sicher- heit unseres Landes und ist ein wichtiger Bestandteil der österreichischen Identität. Allerdings gilt es, diese ins 21. Jahrhundert zu bringen und den gesamten Bereich der Landesverteidigung, der auf eine Rolle zu Zeiten des Kalten Krieges ausgerichtet ist, neu zu positionieren. Erst nach der Defini- tion der neuen Aufgaben des Heeres werden wir daran gehen, das Bundesheer neu zu or- ganisieren“, sagte Pröll, der die Wichtigkeit des österreichischen Bundesheeres vor allem entlang von drei Säulen skizziert: den Ka- tastrophenschutz, die humanitären Einsätze im Ausland und die Zukunft des Zivildien- stes als unbezahlbaren Beitrag für Gesund- Foto: BKA/Zinner heit und Soziales. Tag der offenen Tür im Bundeskanzleramt. Im Bild der grüne TIsch, an dem die Für die gedeihliche Entwicklung und Ministerräte tagen. Die Schilder zeigen, wer der Regierungsmitglieder wo sitzt. wirtschaftliches Wachstum des Landes be- zeichnet der Parteiobmann die zwei Themen penteile und deren Aufgaben aus der Nähe cherheitsfest“ veranstaltet, im Rahmen des- Bildung und Umwelt als entscheidend. „In zu erleben (siehe Seite 31). Der ganze Tag sen eine Leistungsschau der Blaulichtorga- der Ausbildung unserer Kinder steckt der bot Interessantes und auch selten zu Sehen- nisationen geboten wurde. Schlüssel für die Fortentwicklung der Repu- des: die Wiener Museen luden ebenso zum blik, gezielte und vernünftige Investitionen „Tag der offenen Tür“, wie die Präsident- Die traditionelle Fernsehansprache sind das Ziel unserer Politik“. Nicht zuletzt schaftskanzlei, das Parlament, das Palais Ep- Am Abend hielt dann Bundespräsident entscheidend seien der Bereich Umwelt und stein, das Bundeskanzleramt, das Außen- Heinz Fischer seine alljährliche Ansprache, die Nutzung erneuerbarer Energien. „Der ministerium und das Haus der Europäischen die das ORF Fernsehen übertrug. Lesen Sie Ausbau von modernen Umwelttechnologien Union. Auf dem Rathausplatz wurde ein „Si- diese hier im Wortlaut: ist nicht nur eine Verantwortung sondern auch eine große Chance, die darin bestehen- den Wachstumschancen zu nutzen“, so Pröll abschließend.

Darabos: Bundesheer ist not- wendiger Bestandteil Österreichs Verteidigungsminister Norbert Darabos erklärte; „Wir brauchen das Bundesheer für die Sicherheit in unserem Land.“ Die ÖsterreicherInnen hätten einen Anspruch darauf, daß ihnen das Bundesheer zur Seite stehe wenn sie Hilfe brauchen. Die Neutra- lität, so der Minister weiter, habe sich abso- lut bewährt und müsse daher auch künftig sicherheitspolitische Leitlinie bleiben. „Das hindert uns nicht, im internationalen Krisen- management solidarisch zu sein“, sagte der Minister.

Besucherrekord

Nach der feierlichen Angelobung der Foto: © Parlamentsdirektion / Bildagentur Zolles/ Mike Ranz RekrutInnen nutzten rund 750.000 Besu- Tag der offenen Tür im Parlament und Palais Epstein: Warteschlange vor dem cherInnen die seltene Gelegenheit, die Trup- Parlamentsgebäude

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 30 Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag am 26. Oktober

Guten Abend, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute, am 26. Oktober, feiern wir unse- ren Nationalfeiertag. „Warum gibt es eigent- lich einen Nationalfeiertag?“, bin ich kürz- lich von einem Schüler gefragt worden. Die Antwort lautet: Weil es das Bedürfnis gibt, einen historisch bedeutsamen Tag dem eige- nen Land, der eigenen Geschichte und unse- ren gemeinsamen Werten zu widmen. Aus diesen Gründen gibt es in fast allen Ländern der Welt einen Nationalfeiertag. In Österreich ist dies der 26. Oktober, der Tag an dem 1955 das Neutralitätsgesetz be- schlossen wurde, nachdem der letzte auslän- dische Besatzungssoldat unser Land verlas- sen hatte.

Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Am 8. Juli 2010 hat nach einem sehr er- freulichen Wahlergebnis meine zweite Amts- periode als Bundespräsident begonnen. Die Foto: ORF/Hans Leitner Prinzipien der Überparteilichkeit, der Aus- Am Abend des Nationalfeiertags stand traditionell die Rede von Bundespräsident Heinz Fischer auf dem ORF-Programm. gewogenheit und des Brückenbauens, sowie die Bedachtnahme auf das Wohl des ganzen Meine Damen und Herren! lassen, bezahlen wir morgen doppelt in Landes werde ich auch in meiner 2. Amts- Ein zweites Thema, das mir aufgrund Form von verringerter Konkurrenzfähigkeit, periode hochhalten. meiner Funktion sehr am Herzen liegt, ist von verlorenen Arbeitsplätzen und schlech- Heute möchte ich drei Themen besonders unser Bundesheer. Das Österreichische Bun- ter Platzierung in der internationalen Wis- ansprechen: desheer kann mehr und leistet mehr als viele sensgesellschaft. Erstens: Wir haben jetzt genügend Bei- von uns annehmen. Dennoch ist es legitim, Daher habe ich Verständnis für die spielsfälle, um zu erkennen, daß wir im Be- immer wieder über Reformen nachzudenken Sorgen von Wissenschaftern, Lehrenden und reich des Flüchtlingswesens, der Asylpolitik und zu diskutieren. Aber die Grundregel muß Studierenden. und der Zuwanderung aus Fehlern lernen lauten: Von dem in der Verfassung und auch und einiges besser machen müssen. in der gemeinsamen Regierungserklärung Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Es steht außer Streit, daß es keine unbe- verankerten Prinzip der Allgemeinen Die Bundesregierung hat am vergange- grenzte, ungeregelte Zuwanderung nach Wehrpflicht – ergänzt um Berufs- und Miliz- nen Wochenende – wenn auch verspätet ge- Österreich geben kann. Das gibt es in kei- soldaten – wird nur abgegangen, wenn ein genüber dem von der Verfassung vorgegebe- nem Land Europas. eindeutig besseres Modell auf dem Tisch nen Zeitplan – Grundzüge für den Staats- Daher muß die Zuwanderung nach klaren liegt. Besser heißt auch, daß es nicht teurer haushalt 2011 vorgelegt. Man kann darin Regeln und unter Bedachtnahme auf die In- ist als das bestehende System. Mit einem das Bemühen zur Dämpfung des Budget- teressen unseres Landes organisiert sein. Wort: zuerst prüfen, dann entscheiden. defizites auf der Basis eines Kompromisses Ohne die Probleme zu übersehen, die damit Noch einen dritten Punkt möchte ich zwischen den beiden Regierungsparteien verbunden sind, aber auch ohne die Chan- heute anschneiden: Es kann nicht oft genug erkennen und anerkennen. Was wir aber cen zu übersehen, die in einer vernünftig ge- gesagt werden, wie wichtig Schule, Bildung, darüber hinaus benötigen, ist ein längerfri- regelten Zuwanderung liegen. Die in Vorbe- Wissenschaft und Forschung für die Zukunft stiger Reformkompaß, eine Perspektive reitung befindliche Rot-Weiß-Rot-Card soll- unseres Landes sind. 2020, die erkennen läßt, daß wir Verantwor- te ein Schritt in die richtige Richtung sein. Unser Bildungssystem muß auf der Er- tung für die Zukunft übernehmen und dabei Und was den Umgang mit Menschen fahrung und dem Wissen unserer Bildungs- das Prinzip der sozialen Ausgewogenheit betrifft, die schon viele Jahre hier sind, die experten beruhen, sich an den Interessen von nicht außer Acht lassen. unsere Sprache sprechen und integriert sind Eltern und Kindern orientieren und von Jetzt liegen zwei Landtagswahlen hinter und wo allenfalls auch Kinder betroffen motivierten Lehrerinnen und Lehrern getra- uns, die viel Kraft gekostet und viel Aufmerk- sind, da entstehen die meisten Härtefälle. gen werden. Denn das beste Bildungssystem samkeit gefunden haben. Daher ist es wich- Diesem Personenkreis nach bestimmten Kri- ist gerade gut genug! Da ist kein Platz für tig, daß die beiden kommenden Jahre ge- terien ein Bleiberecht zu geben, würde viel Kompetenz- und Machtspiele, denn es geht nützt werden, um bisher ungelöst gebliebene Arbeit sparen, aber auch viele Tränen und um Regelungen für die Zukunft unserer Kin- Aufgaben zu lösen und an einer solchen län- viel Kritik. der in ganz Österreich. gerfristigen Perspektive zu arbeiten. Damit Vergessen wir nicht: Jedes Aktenstück Das führt mich zum Thema Wissenschaft kann auch das Vertrauen in die Politik und enthält das Schicksal einer Familie. Und hin- und Forschung: Was wir auf diesem Gebiet in unser demokratisches System gefestigt wer- ter jedem Namen steht ein Mensch. heute an notwendigen Investitionen unter- den. Und das ist dringend notwendig!

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 31 Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag am 26. Oktober Erlebnis Bundesheer Am 26. Oktober jeden Jahres feiert die Republik Österreich ihren Geburtstag.

Von Michael Ellenbogen *) Alle Fotos: Michael Ellenbogen Jene Organisation, die maßgeblich als Garant für die Sicherheit des Landes bezeichnet werden kann, das Österreichische Bundesheer, präsentierte sich auch heuer wieder mit einer umfassenden Leistungsschau auf dem Wiener Heldenplatz. mmer wieder wird dieses Datum mit dem Bundeskanzleramt oder die Präsident- dessen Einrichtung und Ausrüstung, sondern IAbzug des letzten Besatzungssoldaten der schaftskanzlei auch „von innen“ kennen zu lud auch zum Verweilen ein. Ein älterer Mann, Besatzungsmächte in Verbindung gebracht lernen. von den vielen Eindrücken und Attraktionen und diese nur teilweise zutreffende Tatsache Jene Organisation, die maßgeblich als sichtlich ein wenig erschöpft, nützte die Ge- als Grund für die alljährlich statt findenden Garant für die Sicherheit des Landes be- legenheit sich kurz auf dem weichen Lager Gedenkfeiern angegeben. Der wahre Grund, zeichnet werden kann, das Österreichische auszuruhen. „Ist das fein, da liegt man aber warum gerade der 26. Oktober als „Natio- Bundesheer, präsentierte sich auch heuer weich“, stellte dieser fasziniert fest und er- nalfeiertag“ im Jahre 1965 per Gesetz einge- wieder mit einer umfassenden Leistungs- hob sich alsbald wieder. führt wurde, ist die Verabschiedung des schau. Trotz immer wieder auftretender Noch mehr Interesse bedingte der Kampf- Bundesverfassungsgesetzes über die öster- Imagekrisen stellt sich die Institution als mo- panzer Leopard 2A4, der dem Publikum vor reichische Neutralität zehn Jahre zuvor, also derner und hochprofessioneller Dienstlei- den Pforten zur Nationalbibliothek seine im Staatsvertragsjahr 1955. In den ersten 10 stungsbetrieb dar, der im Bedarfsfall auf ver- Wendigkeit mit zahlreichen außergewöhn- Jahren der II. Republik Österreich wurde schiedenen Ebenen tätig wird. Ob nach den lichen Manövern unter Beweis stellte. Der dieser Zeitpunkt als „Tag der Fahne“ be- Flutkatastrophen oder bei den verheerenden „Leopard“ sicherte in der Folge auch die zeichnet, an dem die Staatsbürger allerdings Muren- oder Lawinenabgängen hilft das Präsentation eines speziell ausgerüsteten noch ihren beruflichen Verpflichtungen nach- Bundesheer und unterstützt dabei auch zivi- Entschärfungskommandos, das mittels eines gehen mußten. Die gesetzliche Feiertagsruhe le Organisationen. Bei der Leistungsschau ferngesteuerten, sich auf Ketten fortbewe- für den Nationalfeiertag gilt erst seit 1967. auf dem Wiener Heldenplatz konnte sich der genden Roboters, die Schiebetüre eines Mer- Neben den zahlreichen Festveranstaltungen Besucher über die umfangreiche Ausbildung cedes-Kleinbusses, in dem sich „der Spreng- haben die Bürger die Möglichkeit, staatstra- der Soldaten zu Rettungssanitätern oder satz“ augenscheinlich befand, vorsichtig öff- gende Institutionen, wie das Parlament, das Bergespezialisten informieren. Ein auf dem nete. Speziell ausgebildete Suchhunde hatten Heldenplatz aufgestelltes Feldspital fokus- bei dem Fahrzeug zuvor Alarm geschlagen. *) Michael Ellenbogen lebt und arbeitet als freier Jour- nalist in Wien und hat sich auf Geschichte und mili- sierte nicht nur die staunenden Blicke der Auch das Faltstraßengerät der Pioniere, tärhistorische Themen spezialisiert. Damen und Herren aller Altersgruppen auf das bei instabilem Untergrund zur sichern

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 32 Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag am 26. Oktober

Fortbewegung von Heeresfahrzeugen ver- wendet wird, mutete nahezu futuristisch an. Die Faltstraße aus Kunststoffelementen kann in Bedarfsfall von einem ÖAF-Spezialfahr- zeug aufgerollt werden. Die Leistungsschau der österreichischen Streitkräfte begeisterte besonders Kinder und Jugendliche. Eine Gruppe von Knaben interessierte sich für den Puch G 290/LP „Sandviper“, jenem be- währten Geländewagen, der beim Tschad- Einsatz des Bundesheeres zum Einsatz kam. Ein junger Soldat in heller Tarnuniform hob einen der Jungen auf das Fahrzeug und er- klärte ihm das überschwere Maschinenge- wehr MG 2. Der Bub lächelte fasziniert und faßte nach dem Haltegriff der Waffe, um diese zu drehen. Einige Meter weiter erklär- te ein engagierter Unteroffizier einem älte- ren Paar die Panzerhaubitze M 109 A5Ö. Sie blickten nahezu ehrfürchtig auf den stähler- nen Riesen, der schützend vor dem Reiter- denkmal Prinz Eugens zu stehen schien. Bei der Leistungsschau auf dem Wiener Heldenplatz konnte sich der Besucher über „Die jungen Männer müssen alle schlank die umfangreiche Ausbildung der Soldaten zu Rettungssanitätern informieren. und rank sein, wenn sie in den Panzer stei- gen“, stellte die Dame fest, nachdem sie ein- gehend die engen Luken des schweren Fahr- zeuges begutachtet hat. Auch die Vielfalt der zahlreichen Spezial- ausstattungen und Ausrüstungen, wie jene der Kampfschwimmer und Kommando- einheiten, beeindruckten junge und alte Besucher gleichermaßen. Ein Familienvater, mit zwei kleinen Buben an den Händen, meinte zu seiner Frau: „Der sieht ja aus wie der Wurzelsepp“, als er sich dem Soldaten in einem grünen Tarnanzug mit langen Fäden und zweigartigen Accessoires näherte, der aus der Ferne tatsächlich wie eine exotische Pflanze aussah. Wie ein stählerner Flugsaurier präsentier- te sich der S-70 „Black Hawk“, der modern- ste Hubschrauber des Bundesheeres, und zog die Blicke Hunderter neugieriger Be- trachter magisch an. Das dunkelgrüne High- Tech-Fluggerät wurde nach dem tragischen »Der sieht ja aus wie der Wurzelsepp«: ein Soldat in einem grünen Tarnanzug mit langen Fäden und zweigartigen Accessoires. Lawinenunglück von Galtür angekauft und bildet heute das Rückrat der Hubschrauber- Bevölkerung kann also beruhigt schlafen, Waffengattungen und die Vielfalt des Lei- flotte des Bundesheeres. Ein junger, sport- denn ein unerlaubtes Eindringen fremder stungsspektrums der größten österreichi- licher aussehender Mann umarmte seine Luftfahrzeuge, ohne entsprechende militäri- schen Friedens- und Einsatzorganisation zu Freunde und meinte lächelnd: „Wenn ich mir sche Gegenreaktion ist heute nicht mehr informieren. Junge Menschen interessierten den Black Hawk so ansehe, fahre ich viel möglich. Lange Besucherschlangen dräng- sich auch vermehrt für die Ausbildungs- und ruhiger in den Schiurlaub.“ ten sich vor der Stiege des Ausstellungsmo- Jobangebote des Bundesheeres. Das Militär Jahrzehntelang war der Schutz des öster- dells im Maßstab 1:1 das der EADS-Kon- ist in wirtschaftlich turbulenten Zeiten ein reichischen Luftraumes ein Thema das bei zern anläßlich der Leistungsschau zur Ver- sicherer Arbeitgeber bei dem Fähigkeiten, Bürgern aber auch bei Fachleuten kritische fügung gestellt hatte. Die Veranstaltung des Interessen und Talente junger Österreicher Diskussionen auslöste. Durch die Beschaf- Bundesheeres ist alljährlich ein Publikums- gefördert werden. Auch heuer war die um- fung des Eurofighter EF 2000 wird eine zeit- magnet. fassende Heeresschau wieder ein großer gemäße Luftraumüberwachung rund um die Rund 750.000 Besucher fanden heuer den Erfolg. Uhr und zu jeder Jahreszeit garantiert. Die Weg auf den Heldenplatz um sich über die http://www.bundesheer.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 33 Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag am 26. Oktober Generalkonsulat Zürich – zwei hohe Auszeichnungen

m 25. Oktober, dem Vorabend des dies- Ajährigen Nationalfeiertags, lud die Generalkonsulin der Republik Österreich in Zürich, Petra Schneebauer, zu einer Feier- stunde in die traditionsreiche Aula der Uni- versität Zürich, in der Winston Churchill einst seine berühmte Europarede („Let Europe arise“) hielt. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurden den beiden gebürtigen Vorarlbergern, Prof. Ernst Fehr und Gerhard Schwarz, die von Bundespräsident Heinz Fischer verliehenen Ehrenzeichen übergeben. Nachdem sich die Generalkonsulin beim „Hausherrn“, Rektor Prof. Fischer, für die Gastfreundschaft bedankt hatte, gab sie ihrer Freude Ausdruck, „daß viele unserer Schwei- Foto: Österreichisches Generalkonsulat Zürich zer Freunde dieser heutigen Einladung ge- Generalkonsulin Petra Schneebauer mit Gerhard Schwarz und Prof. Ernst Fehr (r.) folgt sind: stellvertretend für alle hier An- ben. Dennoch haben die beiden im Jahr 2002 wesenden begrüße ich in unserer Mitte ganz gemeinsam ein Buch – ,Psychologische herzlich – fast einen weiteren Hausherrn, Grundlagen der Ökonomie‘ herausgegeben“, nämlich den Regierungspräsidenten des leitete die Generalkonsulin die Ehrung der Kantons Zürich, Hans Hollenstein – sowie beiden Wissenschaftler ein. Regierungsrat Roland Brogli und Staats- Professor Ernst Fehr, seit 1994 als or- schreiber Peter Grünenfelder. Sehr willkom- dentlicher Professor der Mikroökonomik men heiße ich auch den Zürcher Kantons- und experimentellen Wirtschaftsforschung ratspräsidenten Gerhard Fischer, sowie die an der Universität Zürich tätig, hat das Ös- Kantonsrätinnen Rosmarie Frehsner und terreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft Regine Sauter, die Zürcher Gemeinderats- und Kunst erhalten. Er ist weltweit führen- präsidenten Marina Garzotto und die Natio- der Ökonom und Vertreter der „psycholo- nalräte Corina Eichenberger und Hans Kauf- gischen Wende in der Ökonomie“. Die Ge- mann.“ Als „treue Gäste unserer Empfänge“ Foto: Universität Zürich; Tom Haller neralkonsulin: „Ich weiß, Herr Prof. Fehr begrüßte sie die Stadtpräsidenten Franz Ho- Prof. Ernst Fehr will in seiner Bescheidenheit nicht, daß ich stettmann (Stein am Rhein) und Rudolf Lü- es erwähne, doch ich muß es dennoch tun: er scher (Laufenburg). Dann wies die General- gehört schon seit einigen Jahren immer wie- konsulin auf eine Besonderheit hin: „Es ent- der zu den Top-Favoriten für den Nobelpreis spricht durchaus nicht den diplomatischen in der Sparte Wirtschaft – den Schweizer Gepflogenheiten, daß zwei Österreicher als Nobelpreis, den Marcel Benoist-Preis, hat er Botschafter in einem Land akkreditiert sind, ja bereits 2008 erhalten.“ doch in der Schweiz ist dies möglich. Be- Gerhard Schwarz erhielt das Goldene grüßen Sie mit mir, stellvertretend für alle Ehrenzeichen für Verdienste um die Repu- heute hier anwesenden Österreicherinnen blik Österreich. Schwarz, der als „die bril- und Österreicher, den Botschafter der Repu- lanteste Feder unter den deutschen Wirt- blik Österreich in Bern, Herrn Dr. Hans-Peter schaftsjournalisten“ gilt, sollte eigentlich Manz, sowie den aus Tirol stammenden EU- den väterlichen Betrieb übernehmen und Botschafter in der Schweiz, Dr. Michael entschloß sich zu einem Wirtschaftsstudium Reiterer.“ in St. Gallen mit dem eigentlichen Ziel, sich Foto: Österreichisches Generalkonsulat Zürich Gerhard Schwarz der Wissenschaft zuzuwenden. Doch es kam Was die beiden Geehrten verbindet anders, ein Praktikum beim ORF brachte ihn „Kommen wir nun zu den Protagonisten ihrer frühesten Jugend mit der Schweiz in zum Journalismus. Da ihn Qualitätsjourna- des heutigen Abends. So mögen sich manche Verbindung stehen. Beide lassen sich in die lismus interessierte, bewarb er sich bei der unter Ihnen fragen, was die beiden – Prof. Kategorie ,Ökonomen‘ einreihen; der eine „Neuen Züricher Zeitung“, wo er, nach einem Dr. Ernst Fehr und Dr. Gerhard Schwarz – ist Journalist, der andere Wissenschafter und kurzen Umweg in die Wirtschaft, schließlich miteinander verbindet. Gut, es handelt sich ihre geistige Ausrichtung, ihre Interpretation doch aufgenommen wurde. Derzeit ist er um zwei Österreicher, genauer gesagt um wirtschaftlicher Vorgänge, würde man salopp Wirtschafts-Chefredakteur und stellvertreten- zwei gebürtige Vorarlberger, die schon seit ausgedrückt, als unterschiedlich beschrei- der Chefredakteur.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 34 Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag am 26. Oktober Die Tiroler Militärmusik in Israel

nläßlich des österreichischen National- Afeiertags am 26.Oktober gaben, wie jedes Jahr, der österreichische Botschafter Michael Rendi und seine Frau, Rendi- Wagner, den traditionellen Empfang in der Residenz des Botschafters. Ebenfalls unter den Gastgebern waren Oberst Nikolaus Egger, der Militärattaché von Österreich, und seine Frau, sowie Gabriele Feigl, die Direktorin des österreichischen Kulturfo- rums in Tel Aviv. Diesmal war eine Rekord- zahl von Gästen erschieinen – zwischen 550 und 600 Personen – und sie wurden kulina- risch sehr verwöhnt: von den Köchen des „Ausbatt“, des österreichischen Batallions der UNO Truppe auf den Golanhöhen (bes- ser bekannt unter „Blauhelme“), das für die Überwachung der Ruhe an der Grenze zu Syrien zuständig ist. In seiner Ansprache – in ausgezeichnetem Englisch – erwähnte der Botschafter die exzellenten Beziehungen zwischen den beiden Staaten, was sich, unter anderem, in den zahlreichen Staatsbesuchen Militärmusiker mit MilKpm Obstlt. Hannes Apfolterer, Rektor Markus Bugnyar, Österr. in Israel des Bundespräsidenten, Bundes- MilAttaché Oberst Nikolaus Egger mit Gattin im Österr. Hospiz in Jerusalem kanzlers, Vizekanzlers und verschiedenen Bundesministern ersehen läßt. Auch in der zweijährigen Amtszeit Österreichs als nicht- ständiges Mitglied des Weltsicherheitsrats der Vereinten Nationen hat es konsequent die Sanktionen gegen den Iran – wegen des- sen Nuklearprogramms – unterstützt. Die Re- gierung Israels war durch den stellvertreten- den Ministerpräsidenten Mosche („Bogey“) Ya'alon repräsentiert, der in seiner Rede ebenfalls darauf hinwies, daß das Verhältnis zwischen den beiden Staaten das denkbar beste ist. Während der Veranstaltung spielten sechs Musiker der Tiroler Militärmusik, unter der Leitung des Oberstleutnants Hannes Apfol- terer, leichte Unterhaltungsmusik. Wie be- reits vorher besprochen, kamen die Musiker am nächsten Tag nach Haifa, um in einem Seniorenheim des Vereins der Mitteleuro- päer vor den Bewohmern und den Mitglie- dern der Freundschaftsgesellschaft Israel- Foto: Militärmusik Tirol Österreich in Haifa zu spielen; am selben Konzert der Militärmusik Tirol im Schneider-Kinderspital in Petah Tiqua Vormittag waren sie bereits im „Schneider Kinderspital“ bei Tel Aviv aufgetreten. Der nach Haifa kam, war wohl kein reiner Zufall: te, überreichte der Vorsitzende dem Oberstlt. Musiknachmittag in Haifa war ein ganz gros- der Vorsitzende der Freundschaftsgesell- Apfolterer eine CD mit israelischer Musik ser Erfolg, das sehr zahlreich erschienene schaft Israel-Österreich in Haifa (der Ver- (Noomi Schemer) und erhielt zwei CDs mit Publikum war begeistert vom ausgezeichnet fasser dieser Zeilen) ist nämlich mütterli- Programmen der Tiroler Militärmusik. Es zusammengestellten – und ebenso gespiel- cherseits Tiroler Abstammung, seine Eltern war ein denkwürdiger Nachmittag, an den ten! – Programm (keine Märsche!), wobei haben in Innsbruck gelebt und sind dort be- alle Teilnehmer noch lange mit Vergnügen Obstlt. Apfolterer die elektronische Orgel graben. Zum Abschluß der Veranstaltung, zurückdenken werden. spielte. Daß die Tiroler Militärmusik auch bei der jede Nummer starken Applaus ernte- Peter F. Michael Gewitsch

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 35 Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag am 26. Oktober Österreichisch-Bayerische Gesellschaft in München

m 26. Oktober 2010 fand traditionell Ader Festakt im Großen Konzertsaal der Hochschule für Musik München statt. Rund 700 Gäste waren der Einladung der Österreichisch-Bayerischen Gesellschaft unter ihrem Präsidenten, C. P. Wieland, ge- folgt, davon 30 Persönlichkeiten des Konsu- larischen Korps. Der Bayerische Minister- präsident, Horst Seehofer, wurde von Martin Zeil, Staatsminister für Wirtschaft, vertreten, die Staatskanzlei von Protokollchef Ministe- rialdirigent Axel Bartelt und vielen Ministe- rialräten. Die Polizeipräsidenten von Bayern, München und Oberbayern, die Präsidenten des Landgerichtes I und Amtsgericht Mün- Foto: Evelyn Watzka Ein Eindruck von den Feierlichkeiten der Österreicher-Bayerischen Gesellschaft chen waren gekommen, ebenso Vertreter der IHK, Banken, der Messe München und viele Gesellschaft den Festakt gemeinsam mit dem gebildet werden. Künstler, die eine große Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissen- Österreichischen Generalkonsulat. General- Zukunft vor sich haben. schaft, Kunst und Kultur bewiesen damit die konsulin Ingrid Pech dankte in ihrer Rede Nach diesem Kunstgenuß bedankte sich Verbundenheit mit Österreich. dem Präsidenten und seiner Frau für die her- Präsident Wieland mit mehreren Blumen- Zum Anlaß des Nationalfeiertags erläu- vorragende Organisation. Nach dem Bericht sträußen und bat zum Empfang in das Foyer terte Wieland in seiner Ansprache, neben der über Österreichs Außenpolitik kam der der Hochschule für Musik: zu köstlichem Begrüßung der vielen Ehrengäste, den An- künstlerische Teil des Festaktes. Wiener Gulasch mit Semmelknödel, Weine wesenden dessen Geschichte bzw. Entstehung Es war ein herausragendes Konzert mit der Winzer Krems, Trumer-Bier und Vöslauer und Österreichs Stellung in der EU. Staats- einem Wunderkind als Pianistin: die 9jährige Mineralwasser, Säfte von Rauch Vorarlberg, minister Martin Zeil überbrachte Grußworte spielte – zum Erstaunen aller Gäste – Fre- sowie sehr viel Süßes von Manner Wien – der Bayerischen Staatsregierung. Er brachte deric Chopins „Impromptu cis-moll, op. 66“ was die Festgäste bei bester Laune hielt. Nach die hervorragenden Wirtschaftsbeziehungen auswendig und fehlerfrei auf einem Steinway- guten Gesprächen trennte man sich erst gegen mit Österreich und die hervorragende Zu- Konzertflügel. Es folgten noch großartige Mitternacht. Auch der Staatsminister fühlte sammenarbeit zum Ausdruck. In diesem Jahr Darbietungen der weiteren fünf Hochbe- sich im Kreis der Mitglieder der Gesellschaft organisierte die Österreichisch Bayerische gabten, die alle im Mozarteum Salzburg aus- und deren Gäste besonders wohl.

Österreicher Klub London

m Nachmittag des wunderschönen 24. AOktober lud der Österreicher Klub London zur traditionellen Nationalfeiertags- Feier ein. Es ist schon fast Tradition, daß man sich im K & K George in Earls Court zu die- ser Feier trifft. Zahlreiche ÖsterreicherInnen fanden sich ein, um gemeinsam die Bundes- hymne zu singen. Jürgen Bischof, Präsident des ÖKL, hielt die Festansprache. Anschlies- send wurde das Buffet eröffnet: Leberknödel- und Fritattensuppe, Schweinsbraten mit Sauerkraut und Knödel, Wiener Schnitzl mit Kartoffelsalat, Kaiserschmarrn, Sachertorte und Apfelstrudel – alles was das Herz des Österreichers höher schlagen läßt. Musika- lisch wurde man auch verwöhnt, mit einer Ziehharmonika wurde so richtig österrei- chisch aufgespielt. Es war ein wunderbarer Nachmittag mit lieben ÖsterreicherInnen, an dem gemeinsam ein Land gefeiert wurde: Foto: Austrian Club London unser Österreich – unsere Heimat. Das K & K George in Earls Court war wieder Ort der Feierlichkeiten in London.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 36 »Burgenland Journal« Eisenstadt wird E-Mobil 560.000 Euro für E-Cars und E-Car-Sharing – Landwirtschaftsminister Berlakovich: Internationale E-Mobilitäts-Vorreiter nun flächendeckend in Österreich Foto: BLMS Eisenstadt erhielt den Zuschlag zur E-Mobilitätsmodellregion aus dem Förderprogramm des Klima- und Energiefonds. Im Bild v.l.: Niki Berlakovich (Umweltminister), Ingmar Höbarth (Klimafonds-Geschäftsführer), Andrea Fraunschiel (Bürgermeisterin von Eisenstadt), Josef Münzenrieder (Vorstandsdirektor Bewag), Erwin Tinhof (Umweltstadtrat), Peter Engert (GF Raiffeisen- Leasing) und Hans Lukits (Bewag Vorstandssprecher).

008 initiierte der Klima- und Energie- zum Jahr 2020 auf Österreichs Straßen zu richtungsweisende Praxisergebnisse, die 2fonds den Aufbau von E-Mobilitäts-Mo- bringen. Nun gibt auch Eisenstadt einen dann wiederum in andere Regionen einflie- dellregionen und unterstützt ihn seither wesentlichen Impuls zur Zielerreichung. Die ßen können.“ gemeinsam mit dem Umweltministerium. Zukunft der Mobilität muß klimafreundlich Nun ist auch Eisenstadt eine von fünf in ganz sein“, so Niki Berlakovich. Fraunschiel: Setzen den Verkehr unter Österreich: Im Rahmen der diesjährigen Aus- Insgesamt gibt es in Österreich fünf E- Strom und e-mobilisieren Eisenstadt! schreibung hat die burgenländische Landes- Mobilitäts-Modellregionen (Rheintal - Vlotte, „In Eisenstadt wird Zukunft gelebt. Ich hauptstadt neben Wien und Graz das Rennen Salzburg, Wien, Graz, Eisenstadt). Unter- bin stolz darauf, daß wir vom Klima- und gemacht. Zukünftig werden in Eisenstadt schiedliche Zielgruppen, geografische und Energiefonds als Modellregion ausgewählt nun vor allem E-Cars und E-Car-Sharing- demografische Voraussetzungen sowie Ge- wurden“, freut sich Eisenstadts Bürgermei- Autos unterwegs sein und für ein besseres schäftsmodelle werden erprobt und bereiten sterin Andrea Fraunschiel. Mit dem Projekt Klima sorgen. Österreich für den unaufhaltbaren Mega- „Eisenstadt e-mobilisiert“ bringt die Frei- Umweltminister Niki Berlakovich zeigt trend E-Mobilität vor. stadt Innovationen auf die Straße und nimmt sich ganz besonders erfreut, daß nun auch Klimafonds-Geschäftsführer Ingmar Hö- eine Pionierrolle in Österreich ein. Die Eisenstadt E-Mobilitäts-Modellregion ist: barth: „Wir setzen schon heute internationa- EisenstädterInnen wollen beweisen, daß ihre „In E-Mobilitäts-Modellregionen wird die le Standards für E-Mobilitäts-Modellre- Stadt als Wirtschaftszentrum, Schul- und Zukunft gelebt und wichtige Erfahrungen für gionen auf der ganzen Welt. Eisenstadt wird Einkaufsstadt sowie Einpendlergemeinde ein die breite Markteinführung von E-Mobilität mit seinem E-Car-Sharing und E-Ruf-Taxi- idealer Standort ist, um Elektromobilität gewonnen. Wir haben in der Energiestrategie Modell einzigartig in unserem Programm. nachhaltig auf verschiedenen Ebenen einzu- das Ziel formuliert, 250.000 Elektroautos bis Wir versprechen uns von Eisenstadt daher führen. „Klimaschutz ist uns sehr wichtig –

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 37 »Burgenland Journal« mit unserer Modellregion setzen wir hier kommenden Jahrzehnte, mit dem wir einen werden. Die Bewohner solcher Anlagen einen bedeutenden Schritt in die Zukunft“, relevanten Beitrag zum Umweltschutz lei- können sich die Fahrzeuge einfach nach so die Bürgermeisterin. sten und die Abhängigkeit von fossilen Ener- Bedarf flexibel ausleihen und die Verrech- gieträgern minimieren“, sind sich BEWAG nung erfolgt über die Betriebskosten. Peter BEWAG: Elektro-Mobilität als zentrales Vorstandssprecher Hans Lukits und sein Vor- Engert, Geschäftsführer der Raiffeisen- Thema der kommenden Jahrzehnte standskollege Josef Münzenrieder einig. Leasing: „Bei allen großen Initiativen, die Die Verbreitung von E-Mobilen wird mit die Einführung von Elektromobilität in Ös- dem Projekt „Eisenstadt e-mobilisiert“ mo- Raiffeisen-Leasing: Innovatives terreich forcieren, hat sich die Raiffeisen- dellhaft für das ganze Burgenland vorange- Bike-Sharing bei Wohnhausanlagen Leasing als Partner engagiert. Die hier in trieben, der gesteigerte Strombedarf dafür aus Neben der Optimierung des Pendler- Zukunft gewonnenen Erfahrungen werden zusätzlichen erneuerbaren Energiequellen verkehrs ist das in Eisenstadt entwickelte uns die Weiterentwicklung dieses Systems in gedeckt. Unter der Marke ElectroDrive Bur- Modell des Bike-Sharing für Wohnhausan- anderen österreichischen Städten ermög- genland will die BEWAG einen Teil des bur- lagen besonders interessant: Rund 80 Pro- lichen.“ genländischen Individualverkehrs auf elek- zent der täglichen Verkehrswahl wird zu http://www.lebensministerium.at trisch betriebene Fahrzeuge umstellen. Bis Hause getroffen. Durch Bike-Sharing bei http://www.klimafonds.gv.at Jahresende sollen im Burgenland außerdem Wohnhausanlagen soll fossiler innerstädti- http://www.eisenstadt.at zehn Ladestationen errichtet werden. „Elek- scher Verkehr durch kostengünstig gemiete- http://www.bewag.at tro-Mobilität ist ein zentrales Thema der te Bikes, Scooter und City-Cars vermieden http://www.raiffeisen-leasing.at Startschuß für 90 neue »Green Jobs« Das Burgenland setzt auf Windkraft als Zukunftstechnologie.

as Burgenland macht große Schritte in DRichtung Stromautarkie. Nachdem in der Kalenderwoche 42 die Genehmigungs- bescheide für zwei neue Windparks mit ins- gesamt 69 Windrädern erteilt wurden, prä- sentierten Landeshauptmann Hans Niessl, KO Christian Illedits und Volker Kendziorra, Serviceleiter der Firma Enercon GmbH, in- ternational renommierter Hersteller und Ent- wickler von Windkraftanlagen, ein Konzept zur Schaffung von 150 sogenannten hoch- wertigen „Green Jobs“, die im Zuge eines neuen Servicezentrums für den Anlagen- aufbau im Technologiezentrum in Neusiedl am See geschaffen werden sollen. Die ersten 90 Interessenten für diese

„Green Jobs“ werden schon ab jetzt gesucht. Foto: Bgld. Landesmedienservice Eine entsprechende Ausschreibung wird bis Volker Kendziorra, Serviceleiter der Firma Enercon, Landeshauptmann Hans Niessl Ende des Jahres laufen. Für all diese „Green und KO Christian Illedits (v.l.) Jobs“, die in nächster Zeit entstehen werden, Berufe werden als Windkraftanlagentech- lichen Ausbildung wird die Firma BEWAG gibt es verschiedene Maßnahmen, die zeit- niker bezeichnet. In zwei Tranchen werden einen Lehrlingsverbund mit der Enercon bil- lich aufeinander abgestimmt sind. So kön- insgesamt 24 Personen ausgebildet. Die Vor- den. Das bedeutet konkret, daß die Basis- nen sich ab sofort Arbeit suchende Elek- bereitungsarbeiten dazu sollten im Dezem- ausbildung bei der BEWAG, die Facharbei- triker, die bereits in einem Dienstverhältnis ber abgeschlossen sein, im März wird bereits terausbildung im Enercon-Stammwerk in stehen, für eine Höherqualifizierung bewer- gestartet. Ergänzend dazu sollen bis Septem- Deutschland durchgeführt wird. Die Ausbil- ben. Die Kosten dafür werden vom AMS für ber 2011 weitere 30 Elektriker höher qualifi- dung wird insgesamt 3,5 Jahre dauern. Be- Arbeitssuchende bzw. von der Firma Ener- ziert werden. Die Aufnahme dafür wird ab reits im Dezember wird es dazu zwei Lehr- con für Elektriker, die derzeit einen Job März 2011 erfolgen. lingsinfotage im bfi Neusiedl bzw. im bfi haben, übernommen. Die Ausbildung erfolgt Zusätzlich sollen ab September 2011 in Mattersburg geben, bei denen diese Berufe in Kooperation mit dem bfi in Neusiedl am verschiedenen Tranchen rund 50 Lehrlinge beworben werden. Details zu den Stellenaus- See. ausgebildet werden. Dabei werden insge- schreibungen der Enercon Austria GmbH Die zweite Maßnahme bildet eine Fach- samt 24 Lehrlinge überbetrieblich – das be- sind im Internet bei Enercon unter dem arbeiterintensivausbildung. Diese dauert 18 deutet über Lehrwerkstätten des bfi ausge- Stichwort „Karriere“ in Erfahrung zu brin- bis 21 Monate und ist eine Mischung aus den bildet. Außerdem soll es auch eine betriebli- gen. Berufen Elektrik und Mechatronik. Diese che Ausbildung geben. Bei dieser betrieb- http://www.enercon.de

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 38 »Burgenland Journal« Risikokapitalfonds zur Belebung der heimischen Wirtschaft 15, 7 Mio. Euro für burgenländische Klein- und Mittelbetriebe

andeshauptmann Hans Niessl und sein LStellvertreter Franz Steindl stellten am 20. Oktober gemeinsam mit Wirtschafts- kammer-Vize-Präsident GD Julius Marhold sowie den WiBAG-Vorständen Peter Schmitl und Franz Kast und dem Vorstandsvorsit- zenden der BRM Burgenländische Risiko- kapital Management AG, Klaus Stinakovits, den neuen Risikokapitalfonds vor. „Der neue Fonds wurde ins Leben geru- fen, um den KMU frisches Eigenkapital zu- zuführen, das den Unternehmen zur Finan- zierung von Veränderung bereit stehen soll“, erklärte WiBAG-Vorstand Peter Schmitl bei der Vorstellung des neuen Risikokapital- fonds. Dessen Volumen beträgt vorerst 15,7 Mio. Euro, könnte aber in den nächsten Jah- ren noch ausgestockt werden. Finanziert wurde der Risikokapitalfonds zu 64 Prozent von der WiBAG über EU- und Landesmittel

und zu 36 Prozent über im burgenländischen Foto: BLMS Finanzmarkt tätige Banken und Versicherun- LH Hans Niessl und LH-Stv. Franz Steindl stellten gemeinsam mit WK Vize-Präsi- gen sowie der Wirtschaftskammer. „Der dent GD Julius Marhold sowie den WiBAG-Vorständen Peter Schmitl und Franz Kast und dem Vorstandsvorsitzenden der BRM Burgenländische Risikokapital Fonds dient zur Stärkung des Eigenkapitals Management AG, Klaus Stinakovits, den neuen Risikokapitalfonds vor. von Unternehmen und zur Finanzierung von Veränderungsstrukturen etwa bei Akquisitio- Haftungen des Landes für Unternehmens- der WiBAG als ausführendes Organ ihren nen, Nachfolgelösungen, Betriebsansiedlun- kredite ermöglichen“, erklärte Landeshaupt- Erfolgsweg fortsetzen werden. Mit dem gen und Spin-Offs. Damit werden auch Ar- mann-Stellvertreter Franz Steindl. „Mit dem neuen Fonds sollen die Gestaltungsmög- beitsplätze gesichert“, informierte dazu Risikokapitalfonds haben wir ein modernes lichkeiten der Betriebe gestärkt werden. WiBAG-Vorstand Franz Kast. Grundsätzlich Instrument zur Belebung der Wirtschaft „Der Risikokapitalfonds richtet sich an richtet sich der Fonds an alle Branchen. geschaffen“, so Steindl abschließend. burgenländische Unternehmen, die das Ka- Landeshauptmann Hans Niessl: „Wir WK-Vize-Präsident GD Julius Marhold pital für Veränderungsstrukturen benötigen“, müssen gute Rahmenbedingungen für Wirt- sieht die Wirtschaftskrise auch im Burgen- betonte auch BRM VD Klaus Stinakovits. schaftswachstum und Beschäftigung schaf- land noch nicht als völlig überwunden an, ist Der Fonds soll den Unternehmen in einer fen – der Risikokapitalfonds ist hier eine aber überzeugt, daß die am Markt offensiv Road-Show in Eisenstadt und Oberwart prä- wichtige Maßnahme“. Niessl weiter: „Gera- agierenden burgenländischen Unternehmen sentiert werden. de in wirtschaftlich schwierigen Zeiten war mit Unterstützung der Wirtschaftspolitik und http://www.brm-ag.at auf die Klein- und Mittelbetriebe Verlaß. Nach der Wirtschaftskrise benötigen die bur- genländischen KMU für betriebsnotwendige Empfang für Chile-Retter im Landhaus Investitionen und die Umsetzung ihrer Wachstumsenergie frisches Eigenkapital, er Seilwindenfahrer Peter Laschober konzerns Östu-Stettin, der die Minenarbeiter das der neue Fonds rasch und unbürokratisch Daus Oberwart, der an der Rettung der 33 mit einer Schachtförderanlage aus 600 Me- zur Verfügung stellen kann.“ Kumpel im Bergwerk von San Jose in Chile tern Tiefe zurück ans Tageslicht geholt hatte. „Eine Grundvoraussetzung für die Um- beteiligt war, wurde am 22. Oktober von „Bei dieser einzigartigen Rettungsaktion setzung von Unternehmens-Projekten ist die Landeshauptmann Hans Niessl und dem federführend dabei zu sein, das ist auch eine entsprechende Finanzierung. Deshalb haben Oberwarter Bürgermeister LAbg. Gerhard Landesauszeichnung wert, weil das ein Vor- wir uns Ende 2008 angesichts der Finanz- Pongracz im Landhaus in Eisenstadt in bild ist für unsere Gesellschaft im Bereich krise besonders um die Finanzierung ange- Empfang genommen. Laschober ist einer der Einsatzbereitschaft und der Kompetenz“, nommen und neue Richtlinien erstellt, die von drei Mitarbeitern des Leobener Bau- so der Landeshauptmann.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 39 »Burgenland Journal« Gute Idee, Burgenland »Innovationsoffensive« soll Forschungsquote ankurbeln – Aktionsplan wird nun umgesetzt

er Wirtschaftsstandort Burgenland soll seit 1995 eingeläutete Strukturwandel der „IOB 2020“ für die burgenländischen Unter- Ddurch eine höhere Forschungs- und Ent- burgenländischen Wirtschaft sowie die Stär- nehmungen hervor, der für die weitere Ent- wicklungsquote künftig weiter aufgewertet kung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirt- wicklung und Wettbewerbsfähigkeit einen werden. Aus diesem Grund beauftragte Lan- schaftsstandortes nachhaltig sein. Bis 2014 hohen Stellenwert habe. Nur durch eine opti- deshauptmann Hans Niessl die Wirtschafts- stehen dafür 50 Mio. Euro zur Verfügung. male Zusammenarbeit zwischen den För- service Burgenland Aktiengesellschaft LH-Stv. Franz Steindl sagte, daß Inno- derstellen des Bundes und des Landes sowie (WiBAG) mit der Erstellung des Aktions- vation, Forschung und Entwicklung bis 2020 der burgenländischen Unternehmungen und planes „Innovationsoffensive Burgenland ein unverzichtbarer Schwerpunkt der burgen- ihrer finanzierender Banken könnte das an- 2020“. Die von Niessl und seinem Stell- ländischen Wirtschaft sein müsse damit der gestrebte Ziel einer Verdoppelung der der- vetreter, Franz Steindl, dazu eingerichtete Task Force hat nun den fertig erstellten Ak- tionsplan vorgelegt. Damit beginnt die schrittweise Umsetzung, der gezielte Auf- holprozess des Burgenlandes bei Innovation, Forschung und Entwicklung. Ausgangspunkt für den Aktionsplan war ein Innovationsgipfel mit nationalen und burgenländischen Wirtschaftsexperten sowie der burgenländischen Sozialpartner. Gemein- sam wurde intensiv diskutiert, um gemein- sam gezielte und auf die burgenländische Wirtschaftsstruktur abgestimmte Maßnah- men einzuleiten. Am 14. Oktober wurde der nunmehr fertiggestellte Aktionsplan präsen- tiert und die Umsetzung der „Innovations- offensive Burgenland 2020“ unter dem Slo- gan „Gute Idee, Burgenland“ gestartet. Hauptziel ist die Anhebung der derzeitigen F&E-Quote von 0,6 auf 1,5 Prozent des bur- genländischen Bruttoregionalprodukts (BRP). Foto: Bgld. Landesmedienservice Franz Kast und Peter Schmitl, Gen. Dir. KommR Julius Marhold, LH-Stv. Franz Der Aktionsplan „IOB 2020“ wurde unter Steindl und LH Hans Niessl (v.l.) stellten den fertigen Aktionsplan vor. der Leitung der WiBAG erstellt und umfaßt drei Aktionsfelder, die sich mit den Themen wirtschaftliche Aufholprozeß des Burgen- zeitigen F&E-Quote bis 2020 tatsächlich IFE-Bewußtseinsbildung und Standortmar- landes weiter anhalte und das Burgenland Realität werden. „Innovation ist die Trieb- keting (AF1) sowie IFE-Förderungen und nicht wieder zur „verlängerten Werkbank“ feder des Wirtschaftswachstums“, ist Mar- Leitthemen (AF2) und IFE-Beratungen und werde. Er fordert dafür eine verstärkte Ko- hold überzeugt. Kooperationen (AF3) befassen. operation mit den Bundesförderstellen Ös- Die WiBAG-Vorstände Peter Schmitl und Dazu Landeshauptmann Hans Niessl: terreichische Forschungsförderungsgesell- Franz Kast sowie Hans Binder, Geschäfts- „Um die Stärkung von Forschung und Inno- schaft GmbH (FFG) und der Austria Wirt- führer der Technologieoffensive Burgenland vation zu erzielen, hat das Land Burgenland schaftsservice Gesellschaft mbH (AWS) GmbH (TOB), heben die optimale Zusam- die „Innovationsoffensive Burgenland 2020“ sowie die rasche Erstellung „niederschwelli- menarbeit aller Task Force-Mitglieder her- ins Leben gerufen. Ziel ist es, die burgenlän- ger Förderrichtlinien“ für IFE-Projekte der vor. Nur so konnte in extrem kurzer Zeit der dische Forschungs- und Entwicklungsquote burgenländischen KMU ein. „Die Förderun- Aktionsplan „IOB 2020“ erarbeitet werden, bis zum Jahr 2014 auf 1,5 Prozent zu heben. gen müssen für alle Betriebe zugängig sein, wodurch nunmehr bei konsequenter Umset- Weiters soll die Standortattraktivität des Bur- vor allem sollen auch Klein- und Kleinst- zung eine Verdoppelung der burgenländi- genlandes für Wissen und Innovation geho- betriebe intensiv von Coaches begleitet wer- schen F&E-Quote und in weiterer Folge das ben sowie bei Wirtschaft und Beschäftigung den“, so Steindl. Heranführen der Standortqualität des Bur- ans österreichische Mittelfeld angenähert Gen. Dir. KommR Julius Marhold, Vize- genlandes für Wissen und Innovation und werden. Bis zum Jahr 2020 werden auf un- präsident der Wirtschaftskammer Burgen- der burgenländischen Wirtschaft sowie Be- terschiedlichen Ebenen Zeichen gesetzt, um land, hob als Interessensvertreter der burgen- schäftigung ans österreichische Mittelfeld das Burgenland als innovativen Wirtschafts- ländischen Wirtschaft die Bedeutung einer gelingen sollte. standort auszubauen“. Nur dann würden der optimalen Umsetzung des Aktionsplanes http://www.lnf2010.at/

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 40 »Burgenland Journal« Ein Fest für Bischof Iby Bischof Iby: »Bin ein überzeugter und fanatischer Burgenländer« – Das Land bedankte sich beim emeritierten Bischof mit einer Festveranstaltung.

anze 18 Jahre lang stand Bischof Paul GIby an der Spitze der Diözese Eisen- stadt. 1992 wurde er zum Bischof ernannt und im Jänner 1993 geweiht. Im August die- ses Jahres gab er bei der Vigilfeier zum 50. Jahrestag der Gründung der Diözese Eisenstadt offiziell seinen Abschied bekannt. Das Land Burgenland bedankte sich am 29. Oktober in einer Festveranstaltung im Land- tagssitzungssaal des Eisenstädter Landhau- ses beim Bischof für seine Verdienste und den Einsatz für das Burgenland. Zu den Festgästen zählten neben Landeshauptmann- Stellvertreter Franz Steindl, Landesrätin Mi- chaela Resetar, Landtagspräsident Gerhard Steier und Landesamtsdirektor Robert Tau- ber, Bischof Ägidius Zsifkovics und Super- intendent Manfred Koch sowie Vertreter der Kirche. „Bischof Dr. Paul Iby steht für eine Kirche des Dialogs und des Miteinanders, dieses Miteinander ist ein wichtiger Be- standteil der burgenländischen Identität“, sagte Landeshauptmann Hans Niessl bei der Verabschiedung von Bischof Paul Iby im Landhaus. Der Landeshauptmann bezeich- nete den Bischof in seiner Festrede als „Brückenbauer zwischen den Menschen, LH-Stv. Franz Steindl mit dem Reisegutschein nach Singapur), Bischof Paul Iby zwischen den Konfessionen und über die (mit einem Foto mit Papst Bendikt XVI.) und LH Hans Niessl (mit einem ge- Grenzen des Landes hinaus“. Er habe sich schnitzen Relief) bei der Verabschiedung (v.l.) im Landhaussaal in Eisenstadt. herausragende Verdienste um das Burgen- land, gerade in der Funktion als Jugend- schen den Evangelischen Christen des Bur- mit Freude auf die Bischofsjahre zurück, bischof auch für die Republik Österreich genlandes und Bischof Iby hervor: „Es gibt wobei mir der Dialog für das Burgenland erworben, so Niessl weiter. „Das Land Bur- sehr viele Beispiele, wo diese gute Zu- sehr wichtig war. Sehr gerne denke ich an die genland und Bischof Dr. Paul Iby – diese sammenarbeit zum Ausdruck kommt. So Seligsprechung von Ladislaus Batthyány- Kombination war immer von einem gemein- haben wir gemeinsam einen Brief zum Tag Strattmann am 23. März 2003 in Rom, sowie samen Weg geprägt“, hob der Landeshaupt- des Judentums gemeinsam verfaßt und der an die 80- und 85-Jahr Feier des Burgen- mann weiters hervor. Als Mensch Paul Iby Opfer des Faschismus gemeinsam gedacht. landes und der Gedenkfeier zum Fall des sei er ein Burgenländer mit Leidenschaft und Eine gute Zusammenarbeit hat es auch beim Eisernen Vorhanges“. Und der Bischof be- Heimatverbundenheit. „Das Burgenland und Ökumenischen Sozialfonds gegeben“. Das dankte sich bei Landeshauptmann Hans seine Menschen waren und sind immer ein Trennende der beiden christlichen Kirchen Niessl und bei den Regierungsmitgliedern Teil seines Herzens“, betonte Niessl und sei nie verschwiegen worden, aber die für die gute Zusammenarbeit und auch für zählte in seiner Rede die vielen Facetten der Hauptkraft wurde in das Verbindende gelegt, die Unterstützung der Renovierung der Persönlichkeit Paul Iby auf. Das wären die so Koch weiter und wünschte Bischof Iby Domkirche seitens des Landes. Begeisterung für Musik, seine humorvolle viel Kraft und Segen. Bischof Iby wurde 1991 mit dem Kom- Seite, seine Dialogbereitschaft und seine „Ich freue mich sehr über die vielen aner- turkreuz des Landes ausgezeichnet und 2003 Reisefreude. Anschließend überreichten kennenden Worte und die Dankesfeier“, mit dem Komturkreuz mit Stern und ist Niessl und Steindl dem „reisefreudigen sagte Bischof Paul Iby und blickte in seiner Ehrenbürger zahlreicher burgenländischer Bischof“ einen Reisegutschein nach Singa- Rede auf einige Höhepunkte des gemeinsa- Gemeinden. „Ich bin ein überzeugter und pur. men Weges der Diözese und dem Land Bur- fanatischer Burgenländer und das werde ich Superintendent Manfred Koch hob in sei- genland zurück, dabei „stand das Gemein- auch künftig bleiben“, sagte der Bischof ab- ner Festrede die gute Zusammenarbeit zwi- same immer im Vordergrund“. „Ich blicke schließend.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 41 »Burgenland Journal« Karl Prantl ist gestorben Er war einer der prägendsten Bildhauer Österreichs – sein Lebenswerk war der Steinbruch in St. Margarethen.

b tonnenschwere Kolosse gebend um. Ich hatte zuletzt Ende Ooder kleine Meditationssteine Juli die Möglichkeit ihn persönlich – Steine sind in Ihren Händen in Pöttsching zu besuchen“, so mehr als ein Material. Sie sind Ostermayer. Anstoß und Ausgangspunkt einer „Vor unserem gemeinsamen spirituellen Auseinandersetzung“, burgenländischen Hintergrund sagte Kulturministerin Claudia möchte ich meinen hohen Respekt Schmied am 25. November 2008 für seine Erfolge als Künstler und in ihrer Ansprache anläßlich der Impulsgeber zum Ausdruck brin- Verleihung des „Großen Österrei- gen. Ohne sein Engagement wäre chischen Staatspreises 2008“, die St. Margarethen mit dem Sympo- höchste Kunst-Auszeichnung der sium Europäischer Bildhauer nicht Republik Österreich, an den zur Geburtsstätte zahlreicher wei- Bildhauer Karl Prantl. Neben der terer Impulse in Europa, Amerika Würdigung seines Werkes wies und Asien geworden“, so Oster- Schmied auch auf Prantls uner- mayer. müdliches Ringen um Akzeptanz „Mit Karl Prantl ist ein Alt- für sein Lebenswerk im Steinbruch meister der burgenländischen und St. Margarethen hin. Nicht einmal österreichischen Kunstszene von zwei Jahre später verstarb Prantl uns gegangen“, sagte Burgenlands am 8. November im 87. Lebens- Kulturlandesrat Helmut Bieler: jahr. „Für die heimische Kunstszene ist Karl Prantl wuchs in seinem es ein trauriger Tag, denn der Geburtsort Pöttsching im Burgen- gebürtige Pöttschinger hat sehr viel land in einer österreichisch-unga- für die Kunst und Kultur seines rischen Beamtenfamile auf. Von Heimatlandes geleistet.“ 1946 bis 1952 studierte er an der Prantls größtes Verdienst sei die Akademie der bildenden Künste Initiative und Durchführung zum Wien bei Albert Paris Gütersloh Internationalen Bildhauersympo- und erhielt als Abschluß ein Bildhauer Karl Prantl † sium in St. Margarethen, wodurch Diplom für Malerei. Sein großes er international Künstler ins Bur- Verdienst ist es, mit der Idee der Bildhauer- schaften fand er in seinen Werkstoffen. Er genland gebracht und somit auch das Symposien und deren Nachfolgeprojekte, nutzte sie, um die Menschheit an das Univer- Kunstland Burgenland mitbegründet hat. den Skulpturenstraßen, eine neue Entwick- selle und Essenzielle zu erinnern. Im Stein- „Prantls Name wird auch dauerhaft mit dem lung angestoßen zu haben, die Kunst für alle bruch St. Margarethen hat er ein monumen- Burgenland verbunden sein.“ Das 50jährige unmittelbar sicht- und erlebbar im öffent- tales Erbe der Bildhauerei geschaffen und Jubiläum des Symposiums im Vorjahr konn- lichen Raum etablierte. hinterlassen, dem sich Österreich verpflich- te er noch mitfeiern. „Karl Prantl hat mit seiner Kunst höchste tet fühlt. Für mich waren die Begegnungen Zahreiche Auszeichnungen haben schon internationale Anerkennung erlangt. Für mit Karl Prantl an seinen Wirkungsstätten im zu seinen Lebzeiten Prantls Bedeutung als Österreich war er einer der bedeutendsten Burgenland oder in seinem Atelier im Prater Bildhauer hervorgehoben. 1923 in Pöttsching Bildhauer der Zweiten Republik“, sagte stets eine besondere persönliche Bereiche- geboren, ist er zeitlebens mit seiner Heimat- Bundeskanzler Werner Faymann. „Durch die rung“, so Kulturministerin Claudia Schmied. gemeinde verbunden geblieben und hat auch Gründung des internationalen Bildhauer- „Mit Karl Prantl verliert Österreich einen hier einen großen Teil seiner Arbeiten aufge- symposiums in St. Margarethen im Burgen- der bedeutendsten Verteter der Bildhauerei stellt. „Ein großer Künstler ist von uns ge- land wurde er weit über die nationalen Gren- dieses Jahrhunderts“, zeigte sich Staats- gangen. Er hat seine Spuren hinterlassen, die zen hinaus bekannt und geschätzt. Er hat sekretär Josef Ostermayer von der Nachricht den nachfolgenden Generationen Orientie- damit einen hohen Maßstab für die Kunst- des Todes von Karl Prantl betroffen. rung sein können“, so Bieler. szene gesetzt“, so Faymann. Dieses Erbe „Die Möglichkeit der öffentlichen Aus- Allen Reaktionen war gemeinsam, daß gelte es nun zu bewahren. einandersetzung mit Kunst, des unmittelba- der Familie des Verstorbenen tiefe Anteil- „Karl Prantl war einer der prägendsten ren Erlebens setzte der Träger des Großen nahme gelte. Bildhauer Österreichs, ein wichtiger und Österreichischen Staatspreises für Bildende http://www.karlprantl.at

Foto: Rolf Ruppenthal, Wadgassen / Released under the GNU Free Documentation License. streitbarer Advokat der Kunst. Seine Bot- Kunst mit seinen Skulpturenstraßen beispiel- http://www.roemersteinbruch.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 42 »Burgenland Journal« Giselbert Hoke in Eisenstadt Die kaum bekannte Eisenstädter Arbeit von Giselbert Hoke, einem führenden Vertreter der österreichischen Malerei der Nachkriegszeit, nimmt innerhalb der monumentalen Wandmalerei und kirchlichen Kunst nach 1945 einen hohen Rang ein. Foto: Bundesdenkmalamt Das Giselbert Hoke-Werk »Christus in Emmaus« im heutigen Gymnasium der Diözese Eisenstadt

nsbesondere im Burgenland blieb dieses Durch die Unterstützung des Malers Prof. sie als eines der bedeutendsten Beispiele der IWerk der damaligen Avantgarde ohne ver- Josef Dobrowsky innerhalb einer von der österreichischen Monumentalmalerei nach gleichbares Beispiel, entspricht jedoch in Apostolischen Administratur Burgenland 1945. Sowohl in der Ausführungstechnik als seinem selbstbewußten künstlerischen Aus- einberufenen Jury, der sich u.a. auch der auch stilistisch schließt die Eisenstädter druck dem starken Erneuerungs- und Moder- bedeutende Kunsthistoriker Otto Benesch Arbeit an die Klagenfurter Bilder an. nisierungswillen im Land, der auch von der und Msg. Otto Mauer angehörten, erhielt der Die sechs Wandgemälde sind auf jeweils Kirche geteilt wurde, nach dem Zweiten damals 33jährige Giselbert Hoke den Auf- zwei im rechten Winkel zusammenlaufende Weltkrieg. trag für die Wandgemälde. Hoke dürfte durch Wände des Foyers aufgeteilt und umgeben Auf einem Grundstück, das ehemals der Dobrowsky zur Teilnahme am Wettbewerb damit einen zentralen, allgemeinen Aufent- jüdischen Familie Wolf gehörte, wurde west- in Eisenstadt eingeladen worden sein, wobei haltsbereich. Die Bildfelder erstrecken sich lich oberhalb des Esterházyparks in Eisen- Dobrowsky erst nach intensiver Kontroverse über die gesamte Raumhöhe von 2,9 Meter stadt 1959/60 die „Bildungs- und Erzie- mit Otto Mauer seinen Favoriten durchset- und weisen je nach Wandfläche eine Breite hungsstätte“ der Diözese Eisenstadt (Katho- zen konnte. zwischen etwa 4 bis 5,5 Meter auf. Als Mal- lische Lehrerbildungsanstalt, heute Gymna- Hoke, geboren 1927, absolvierte sein technik hat Hoke im Prinzip das klassische sium der Diözese Eisenstadt) errichtet. Der Studium an der Akademie der Bildenden Fresko gewählt, allerdings in seiner charak- stark funktional orientierte Bau erhielt an- Künste in Wien. Sein erster großer Auftrag, teristischen, pastosen Mischtechnik überar- schließend in den Stiegenhausfoyers eine die Wandmalereien für den neuen Haupt- beitet. Der Zyklus trägt im 2. Obergeschoß bemerkenswerte künstlerische Ausstattung, bahnhof in Klagenfurt (Entwurf 1949/51, die Signatur: „G. HOKE 60“. für die ein Wettbewerb ausgeschrieben wor- 1954-56 ausgeführt), hatte damals für einen Das vom Künstler wohl weitgehend selbst den war. öffentlichen Skandal gesorgt, heute gelten erstellte ikonographische Konzept – eine kon-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 43 »Burgenland Journal« krete inhaltliche Vorgabe seitens des Auftrag- gebers gab es nicht – hat als Grundthema die religiöse und geistige Bildung. Dabei geht Hoke von traditionellen biblischen Inhalten und Motiven des Neuen Testaments aus. Kräftig-intensive Farbakkorde in großflä- chigem Auftrag dominieren die Bildfelder, in die wenige Figuren wirkungsvoll hinein- gesetzt sind; der Bildraum selbst wird weit- gehend in große Farbflächen aufgelöst. Die Farbigkeit mit den damit verbundenen Sym- bolwerten unterstreicht, interpretiert bzw. dominiert schließlich das Bildprogramm, wobei die Gegenständlichkeit grundsätzlich weitgehend erhalten bleibt. Stilistisch steht der Künstler unter dem Einfluß der klassischen Moderne, insbeson-

dere in seiner offenkundigen Orientierung am Foto: Bundesdenkmalamt Expressionismus, Kubismus und Fauvismus, 2. Obergeschoß wobei sich besonders die Nähe zu Picasso und Matisse zeigt. Der Einfluß eines Paris- Aufenthalts des jungen Künstlers scheint sich hier bemerkbar zu machen, doch entwickelt Hoke daraus eine für die frühe Schaffens- phase unverwechselbare selbstständige Hand- schrift. In den letzten beiden Jahren erfolgte – parallel zur Unterschutzstellung – die Re- staurierung dieser über einen langen Zeit- raum fast in Vergessenheit geratenen Arbei- ten im Einvernehmen mit dem Landeskon- servatorat für Burgenland. Es ist ein beson- ders schöner Aspekt der Restaurierung, daß die Tochter des Künstlers selbst, eine ausge- bildete Restauratorin, den Auftrag dafür er- halten hat. Bereits eingearbeitet und geschult an der speziellen Freskotechnik des Vaters durch Foto: Bundesdenkmalamt die vorangegangene Restaurierung der Kla- Die Restauratorin, gleichzeitig Tochter des Künstlers, während der Retusche. genfurter Bahnhofsgemälde, konnte sie die Arbeiten ohne relevante methodische und technische Probleme durchführen. Die Ma- lereien präsentierten sich aufgrund der Mal- technik in einem sehr soliden, kompakten Zustand, die Positionierung in den Foyers einer Schule brachte allerdings naturgemäß über die Jahre diverse mechanische Beschä- digungen mit sich, sodaß es sich vorwiegend um eine Reinigung und umfangreiche Re- tuschierarbeit von zahlreichen kleinen Fehl- stellen in den unteren Bildzonen handelte. Dadurch wurde schließlich die ursprüngliche Wirkung der Malerei wiedergewonnen, so- daß die intensive Leuchtkraft und Frische der Farbigkeit den Betrachter durch die Kraft dieser Bilder von Neuem beeindruckt. Dankend entnommen der Serie „Denkmal des Monats“ des Bundesdenkmalamts (BDA) Foto: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license. http://www.bda.at Fresko »Wand der Kläger« im Bahnhof Klagenfuirt

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 44 »Burgenland Journal« Int. Jugend-Klavierwettbewerb im Südburgenland Ein neuer Klavierwettbewerb feierte in Oberschützen seine höchst erfolgreiche Premiere – Nachwuchspflege trägt Intentionen von Jenö Takács Rechnung Foto: Institut Oberschützen der Grazer Kunstuniversität enö Takács war – vergleichbar mit Haydn rorInnen Christoph Sischka (Deutschland), Kategorie A: 1. Preis: Ilona Csanálosi Jund Liszt in den Jahrhunderten davor – Elisabeth Schonefeld-Fheodoroff (Öster- (Ungarn) sicherlich der bedeutendste burgenländische reich), Johannes Kutrowatz (Österreich), 2. Preis: Johannes Gugg Komponist des 20. Jahrhunderts. Zeitlebens Zuzana Niederdorfer-Paulechova (Slowakei), (Österreich) setzte sich der Komponist und Pianist als Pä- Balasz Szokolay (Ungarn) und Jerry Perkins 3. Preis: Marie-Sophie Decker dagoge aber auch eifrig für die musikalische (USA) unter dem Vorsitz von Eugen Jakab (Deutschland) Frühförderung ein. Die Jugend lag ihm ganz (Österreich) zu stellen. Der vom Institut Ober- Kategorie B: 1. Preis: Maximilian besonders am Herzen, was sich auch in sei- schützen unter Federführung von Aima Karl Kromer (Österreich) nen Kompositionen widerspiegelt. Dieser Labra Makk durchgeführte Wettbewerb glie- 2. Preis: Mitra Kotte (Öster- Wettbewerb richtet sich an den Tastennach- derte sich in drei Alterskategorien: die Ka- reich) (zugleich Preis für die wuchs der Jahrgänge 1994 bis 2000 und steht tegorie A (10-12 Jahre), B (13-15 Jahre) und beste Interpretation eines damit voll und ganz im Sinne von Jenö C (16-18 Jahre). Hierfür standen, gestiftet Werkes von Jenö Takács) Takács“, sagte dazu Burgenlands Kulturlan- u.a. von den Klavierfirmen Steinway und 3. Preis: Bobita Andrejcsik desrat Helmut Bieler. Yamaha, den Grazer Klavierhäusern Streif (Ungarn) und Ádám Balogh Preisgelder im Wert von 8000 Euro wur- und Fiedler, der Takács-Stiftung und dem (Ungarn) den durch eine renommierte, internationale Land Burgenland Preisgelder im Gesamt- Kategorie C: 1. Preis: Beatrice Stelzmüller Fachjury vergeben. Die einzelnen Wertungs- wert von 8200 Euro zur Verfügung. Den von (Österreich) runden wurden im Kammermusiksaal des Rundfunk, Fernsehen und Printmedien viel 2. Preis: Ivett Gyöngyösi Instituts Oberschützen der Kunstuniversität beachteten Wettbewerb unterstützten weiters (Ungarn) Graz vom 28. bis 31. Oktober 2010 öffent- eine Reihe von lokalen Sponsoren (Gemein- 3. Preis: Tobias Kaltenbrunner lich ausgetragen. de Oberschützen, Kulturzentrum Oberschüt- (Österreich) Ausgeschrieben wurde der Wettbewerb zen, Kur- und Thermenhotel Bad Tatzmanns- Die Preisträgerinnen und Preisträger bestrit- von der Jenö Takács-Stiftung und dem Insti- dorf, Zonta International Burgenland, Stadt- ten am 31. Oktober in Oberschützen das Ab- tut Oberschützen der Grazer Kunstuniver- hotel Pinkafeld, Cafe Restaurant Kulturzen- schlußkonzert des Wettbewerbs, bei dem sität. Ziel war es, in Österreich einen inter- trum Oberschützen, Firma Europrint, Hotel auch die Preise verliehen wurden. national ausgerichteten Jugendwettbewerb Restaurant Spiegel Bad Tatzmannsdorf). Es ist geplant, diesen Wettbewerb künftig zu etablieren, der dem Schaffen des großen, In allen Kategorien waren Pflichtstücke im Abstand von zwei Jahren fortzusetzen. im Burgenland geborenen Komponisten und (u.a. jeweils ein Werk von Takács) und frei 2012, zum 110. Geburtstag von Takács, wird Pädagogen Jenö Takács (1902-2005) ver- gewählte Werke vorzutragen. Das hohe er wiederum Ende Oktober in Oberschützen pflichtet ist. Dem Aufruf folgten 44 junge künstlerische Niveau erlaubte es, sämtliche stattfinden. Er hat beste Chancen, sich zu PianistInnen aus den zehn Ländern Deutsch- Preise (inklusive eines Sonderpreises für die einem weithin ausstrahlenden Markenzeichen land, Estland, Israel, Lettland, Österreich, beste Wiedergabe eines Werkes von Jenö der musikalischen Nachwuchsförderung im Rumänien, Serbien, Slowakei, Tschechien Takács) zu vergeben. Die Preisträgerinnen Burgenland zu entwickeln. und Ungarn, um sich dem Urteil der Ju- und Preisträger 2010 sind: http://www.takacscompetition.org

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 45 Aus Südtirol Prägende Gestalt der Autonomie-Geschichte Alfons Benedikter ist am 3. November in Bozen gestorben.

lfons Benedikter war eine prägende AGestalt der Südtiroler Nachkriegsge- schichte, einer der Architekten der Auto- nomie und der Vater unseres Raumord- nungs-Systems.“ Mit großem Bedauern hat Landeshauptmann Luis Durnwalder am 3. November die Nachricht vom Tod Alfons Benedikters aufgenommen, der nicht zuletzt über drei Jahrzehnte lang Mitglied der Süd- tiroler Landesregierung war. Auch wenn nicht immer einer Meinung, so hat Benedikter doch gemeinsam mit Sil- vius Magnago, dessen Stellvertreter als Lan- deshauptmann er fast 30 Jahre hindurch ge- wesen war, maßgeblich am Südtiroler-Auto- nomiegebäude mitgebaut. „Südtirol hatte das große Glück, in seiner schwierigsten Zeit zwei so außergewöhnliche Köpfe wie Magnago und Benedikter an der Spitze zu haben, die mit ihrem Einsatz, ihrem Ver-

handlungsgeschick und ihrer Beharrlichkeit Foto: Autonome Provinz Bozen - Südtirol die Autonomie wesentlich geprägt, die sich Alfons Benedikter war eine prägende Gestalt der Südtiroler Nachkriegsgeschichte. gleichzeitig aber auch bestens ergänzt haben“, so Landeshauptmann Durnwalder. Zeiten erlebt, wenn Südtirol Benedikter als terschen Raumordnung und des von ihm auf Benedikter habe, so Durnwalder, in den Verhandlungspartner stellte: Benedikter den Weg gebrachten ersten Landschafts- Verhandlungen mit Rom immer als Hard- habe Gesetze, Dekrete und Rundschreiben schutzgesetzes sei Südtirol das Schicksal liner gegolten, habe sich deshalb auch gegen der Ministerien auswendig gekannt und auch allzu weitgehender Zersiedelung erspart ge- das Paket und danach gegen die Streit- nicht davor zurückgescheut, die Ministerial- blieben. „Das ist eine Leistung, die wir nicht beilegung gestellt. „In den Verhandlungen beamten ruhig und kühl auf Fehler hinzu- hoch genug einschätzen können“, so Durn- mit Italien war es wichtig, auf Persönlich- weisen, so Andreotti. walder, der allen Angehörigen des verstorbe- keiten wie Alfons Benedikter verweisen zu Neben der Bedeutung Benedikters für die nen ehemaligen Landeshauptmann-Stellver- können um zu zeigen, daß das Paket keine Autonomiegeschichte erinnert Durnwalder treters auch im Namen der gesamten Lan- großzügige Geste Italiens Südtirol gegenü- heute auch an dessen Verdienst, früh genug desregierung sein Beileid ausgedrückt hat. ber war, sondern ein Kompromiß, dem auch den Wert einer rigiden Landschaftsschutz- „Benedikter“, so das Fazit des Landes- die Südtiroler selbst nur schweren Herzens und Raumordnungspolitik erkannt zu haben. hauptmanns, „wird als prägende Gestalt in zustimmen konnten“, so der Landeshaupt- „Benedikter war ein Naturschützer, noch be- unsere Autonomiegeschichte eingehen, ich mann. vor es diesen Begriff überhaupt gegeben hat, werde ihn als fleißigen, detailverliebten Trotz seiner Paket-Gegnerschaft habe denn er hat begriffen, wie wichtig es ist, die Politiker und Verwalter in Erinnerung behal- sich Benedikter bei dessen Umsetzung be- Kultur- und Naturlandschaften vor allzu ten, als zähen Verhandler, als gewieften Ju- sonders hervorgetan und dabei in Rom an weitgehenden Eingriffen zu schützen“, so risten, als loyalen politischen Partner und nicht weniger als 60 Ministerratssitzungen der Landeshauptmann. Dank der Benedik- streitbaren Kontrahenten.“ teilgenommen, bei denen es um so wichtige Durchführungsbestimmungen zum Autono- Verzicht auf 150 Millionen Großer Verdienstorden miestatut ging, wie die Regelung der Zwei- sprachigkeit, des ethnischen Proporzes oder uf fast 150 Millionen Euro an mög- en Großen Verdienstorden des Landes die Finanzregelung für Südtirol. Benedikter Alichen Steuerzuschlägen verzichtet die DSüdtirol hat Landeshauptmann Luis habe sich dabei als ebenso harter wie ge- Landesregierung, um die Bürger nicht weiter Durnwalder am 3. November dem Intendan- schickter Verhandler erwiesen, betont Durn- zu belasten. Dies ist am 25. Oktober mit der ten des Bayerischen Rundfunks, Thomas walder, der dafür Giulio Andreotti als Zeu- endgültigen Genehmigung von Haushalts- Gruber, überreicht. Er habe auch maßgeblich gen anführt, der behauptet hatte, die italieni- und Finanzgesetzentwurf 2011 festgeschrie- dazu beigetragen, daß Südtirol das deutsche schen Verhandler hätten stets schwierige ben worden. Fernsehen beziehen könne, so Durnwalder.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 46 Europa Für Binnenmarkt und Bürgerrechte Die Europäische Kommission will Stärkung des Binnenmarkts durch Wirtschaftswachstum und den Ausbau der Rechte der Bürger bessern. Foto: Viviane Reding, Vizepräsidentin und Kommissarin f. Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft und Michel Barnier, Kommissar f. d. Binnenmarkt

er EU-Binnenmarkt bildet das Funda- cher wird, wenn sie ihre EU-Rechte aus- sollen sich wohlfühlen, wenn sie ins Ausland Dment für mehr als 60 Jahre europäische üben, z.B. bei der Heirat, beim Hauskauf reisen, dort studieren oder ihren Wohnsitz Integration. Die Barrieren, die einst den frei- oder bei der Autozulassung in einem anderen wählen. Und überall müssen Bürger diesel- en Verkehr der Waren und Dienstleistungen Mitgliedsstaat. ben Rechte haben.“ zwischen Lissabon und Helsinki versperrten, Bei der Akte für den Binnenmarkt geht es Michel Barnier, Kommissar für den wurden aus dem Weg geräumt. Heute profi- darum, Wirtschaftswachstum, Wettbewerbs- Binnenmarkt, erklärte: „Die Märkte müssen tieren die Unternehmen von einem Markt fähigkeit und sozialen Fortschritt mittels für die Wirtschaft und unsere Bürger von mit 500 Millionen Verbrauchern. Wer ins Maßnahmen zu fördern, die allen Markt- Nutzen sein. Das macht unsere Gesellschaft Ausland gereist ist, dem dürften die dra- teilnehmern – Unternehmern, Verbrauchern aus. Doch gerade jetzt leistet der EU-Bin- stisch gesunkenen Mobiltelefongebühren und Arbeitnehmern – das Leben erleichtern. nenmarkt für Wachstum und sozialen Fort- nicht entgangen sein. Die gemeinsame Wäh- „Die Freizügigkeit ist ein hoch geschätz- schritt nicht so viel wie er könnte. Er sollte rung erleichtert das Reisen und Einkaufen tes Gut in der Europäischen Union. Mit dem mehr bieten, damit die Bürger und große wie im Ausland. Arbeitnehmern wurden wesent- unaufhaltsamen Verschwinden der Binnen- kleine Unternehmen auf ihre Kosten kom- liche Rechte zuerkannt. Die Menschen kön- grenzen für Waren, Dienstleistungen und men. Hier besteht dringender Handlungsbe- nen in jedem der 27 Mitgliedsstaaten leben, Menschen kamen Unternehmen und Bürger darf. Europa kann es sich nicht leisten, sein arbeiten und studieren. Die Europäer können in den Genuß immenser Vorteile. Ich möch- Potenzial ungenutzt zu lassen. Deshalb legen auf diese Erfolge stolz sein; aber Unterneh- te auf unsere bisherigen Erfolge aufbauen, wir heute 50 Vorschläge vor, die bis 2012 in men und Bürger wissen auch, daß die Wahr- damit jeder – ob Tourist, Student, Arbeit- Kraft treten sollen, damit der Binnenmarkt nehmung ihrer Rechte noch immer mit nehmer oder Firmenchef – vom europäischen noch besser funktioniert.“ Hindernissen verbunden ist. In zwei am Raum der Freiheit, der Sicherheit und des 26. Oktober veröffentlichten Berichten zeigt Rechts voll profitieren kann“, sagte Viviane Den Bürgern das Leben erleichtern die Europäische Kommission eine Reihe von Reding, Vizepräsidentin und Kommissarin Im Bericht über die Unionsbürgerschaft – konkreten Lösungen auf, mit denen sie das für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft. dem ersten seiner Art – werden die täglichen Vertrauen in den Binnenmarkt stärken will. „Heute geht es mir darum sicherzustellen, Probleme von Bürgern behandelt, die in be- In ihrem Bericht über die Unionsbürger- daß die letzten Hindernisse, mit denen stimmten Bereichen ihres Lebens Grenzen schaft schlägt die Kommission Maßnahmen Bürger bei der Ausübung ihrer Rechte kon- überwinden, sei es, indem sie in einem ande- vor, mit denen das Leben der Bürger einfa- frontiert sind, beseitigt werden. Die Bürger ren EU-Land reisen, studieren, arbeiten oder

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 47 Europa sei es, indem sie dort heiraten, ein Haus oder wird derzeit überarbeitet. Die Kommission voranzubringen, europäische Satzungen ein Auto kaufen. Der Bericht umfaßt 25 Maß- beginnt aktuell mit der öffentlichen Konsul- für solche Organisationen vorschlagen. nahmen, die die Kommission in den näch- tation zur Neuauflage des Programms, an Die Kommission wird ferner längerfristi- sten drei Jahren ergreifen will, um den euro- der man sich in allen 23 Amtssprachen der ge – auch ethisch motivierte – Investi- päischen Bürgern das Leben zu erleichtern: EU im Internet beteiligen kann. tionen fördern und Optionen für etwaige Touristen/im Ausland lebende Bürger: Kennzeichnungsregelungen ausloten. Die Kommission möchte die Vorschriften Ein Binnenmarkt für mehr Wachstum zum Schutz von Ferienreisenden bei- Unsere 20 Millionen Unternehmen mit Wichtigste Prioritäten spielsweise vor dem Bankrott ihres Rei- ihren 175 Millionen Arbeitsplätzen spielen für die Verbraucher severanstalters während ihres Urlaubs eine Schlüsselrolle, wenn wir wieder Wachs- Online-Handel: Die jungen Europäer aktualisieren. Außerdem sieht sie zusätz- tum erreichen wollen. Die Akte für den können nicht verstehen, warum sie ihre liche Möglichkeiten, die Rechte der Fahr- Europäischen Binnenmarkt beinhaltet we- Musik nicht einfach jederzeit auf jeder gäste für alle Verkehrsarten auszubauen sentliche Erleichterungen für den Mittel- Website kaufen können. Der Online- und die Rechte von Fluggästen (z.B. bei stand, der über 99 Prozent der europäischen Markt ist heute äußerst leistungsschwach. erheblichen Verspätungen und wenn Flü- Unternehmen stellt. Aber der Wohlstand und Daher wird die Kommission 2011 Be- ge gestrichen werden) durchzusetzen. Sie das Wachstum Europas hängen nicht aus- stimmungen vorlegen, damit die Urheber baut das Recht auf konsularischen Schutz schließlich von den europäischen Unterneh- und Künstler ihre Produkte in ganz von EU-Bürgern aus, deren Heimatstaat men ab. Ein gutes Sozialsystem, hochwerti- Europa mittels einer Zentralstelle verkau- nicht in einem Drittland vertreten ist, ge Bildung, wettbewerbsfähige Arbeitsplät- fen können und angemessen für ihre indem sie den rechtlichen Rahmen kon- ze und Löhne sind ebenso wichtig. Die Arbeit entlohnt werden. Darüber hinaus kretisiert und sowohl die Bürger als die Binnenmarktakte soll Europas in hohem werden sich die vollständige Umsetzung Konsularbediensteten für dieses Thema Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirt- der Dienstleistungsrichtlinie und neue sensibilisiert. schaft stärken und stellt die Menschen als Regeln für den elektronischen Geschäfts- Verbraucher: Die Kommission unter- Verbraucher, Steuerzahler, Arbeitnehmer, verkehr positiv auswirken. stützt die Bürger dabei, im Fall von Pro- Investoren, Unternehmer, Patienten oder Berufliche Qualifikationen: In den Mit- blemen mit einem Händler entschädigt zu Rentner ins Zentrum des Binnenmarkts. gliedsstaaten sind derzeit 4600 Berufe werden, indem sie durch die Förderung unterschiedlich reguliert. Deswegen ist alternativer Streitschlichtungsverfahren Wichtigste Prioritäten eine Überarbeitung der Richtlinie über und Mediation rasche und kostensparen- für die Unternehmen die Anerkennung von Berufsabschlüssen de grenzübergreifende nichtgerichtliche Kapital für KMU: KMU haben es oft überfällig. Die Kommission ist über- Vergleichsmöglichkeiten erleichtert. schwer, notwendige Finanzmittel zu fin- zeugt, daß die Einführung eines „Berufs- Paare: Die Kommission wird Rechtsakte den. Die kleineren europäischen Unter- Ausweises“ erheblich zum Bürokratieab- vorschlagen, die für internationale Paare nehmen werden von potenziellen Inve- bau beitragen würde. die Frage klären, welches nationale Recht storen kaum wahrgenommen, und die auf ihr gemeinsames Haus oder Bank- Voraussetzungen für die Börsennotierung Den Binnenmarkt zu konto anwendbar ist und welche Gerichte sind komplex. Die Kommission wird vor- einem Erfolg machen zuständig sind. schlagen, dies zu ändern, die KMU durch Ohne wirkungsvolle Durchsetzung käme Arbeitnehmer: Die Kommission entwik- die Vereinfachung der Rechnungsle- der Binnenmarkt rasch zum Stillstand. Die kelt ein neues System für den elektroni- gungsvorschriften finanziell zu entlasten EU-Mitgliedsstaaten sind für die rechtzeitige schen Informationsaustausch zwischen und ihnen einen besseren Zugang zu und ordnungsgemäße Umsetzung der EU- den nationalen Behörden, um für Men- öffentlichen Aufträgen zu verschaffen. Vorschriften in ihr nationales Recht verant- schen, die in einem anderen EU-Land Um weitere Kosteneinsparungen auf den wortlich. Über die üblichen Durchsetzungs- arbeiten, die Übertragung ihrer Sozial- Weg zu bringen, wird die Kommission maßnahmen hinaus wird die Kommission versicherungsansprüche zu vereinfachen die Einführung einer gemeinsamen Steuer- mit den Mitgliedsstaaten regelmäßig Ge- und zu beschleunigen. bemessungsgrundlage für grenz-übergrei- spräche über beispielsweise die Bewertung Autobesitzer: Die Kommission wird fend tätige Unternehmen prüfen. von EU-Rechtsakten und alternative Streit- Rechtsakte vorschlagen, um Bürokratie Initiative für soziales Unternehmertum: beilegungsmöglichkeiten führen. und Formalitäten für die Zulassung des in Europa verfügt über ein enormes Poten- Um den Prozeß voranzutreiben, eröffnet einem anderen EU-Land gekauften Autos tial für die Entwicklung des sozialen die Kommission eine offene, umfassende zu reduzieren. Außerdem wird sie eine Unternehmertums. In den letzten Jahren europaweite Diskussion mit sämtlichen in- Lösung für Fälle finden, in denen von haben viele Einzelpersonen, Stiftungen teressierten Kreisen über die Akte für den Bürgern verlangt wird, die Zulassungs- und Unternehmen Initiativen ergriffen, Binnenmarkt. Die Kommission wird die Zi- steuer zweimal zu zahlen. um bedürftigen Personen mit Lebens- vilgesellschaft noch intensiver an Dialog und mitteln, Unterkunftsmöglichkeiten, ärzt- Konsultation beteiligen. Insbesondere möch- Neues Programm licher Versorgung, Arbeitsplätzen und te sie ihre Expertengruppen für Verbrau- »Europa für die Bürger« Bankdienstleistungen unter die Arme zu cherverbände, Gewerkschaften, Wirtschafts- Das Programm „Europa für die Bürger“, greifen. Damit mehr grenzübergreifende vertreter und Gebietskörperschaften zugäng- mit dem u.a. Städtepartnerschaften und Aktionen möglich werden, wird die lich machen. Programme für die Bürger gefördert werden, Kommission, um die Sozialwirtschaft http://europa.eu/index_de.htm

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 48 Europa Recht auf faires Verfahren Justizminister der EU schreiben Recht auf Verdolmetschung und Übersetzung in Strafverfahren fest

ie Justizminister der EU-Staaten haben Festlegung gemeinsamer EU-Normen für erhalten hat oder umfassend über die Kon- Deinen Richtlinienvorschlag angenom- Strafverfahren vor. Danach müssen die EU- sequenzen eines solchen Verzichts infor- men, der das Recht auf Dolmetsch- und Über- Länder dafür sorgen, daß Verdächtigte und miert worden ist. setzungsleistungen in Strafverfahren gewähr- Beschuldigte umfassende Dolmetsch- und Die Kosten der Übersetzung und Verdol- leistet. Die Europäische Kommission und Übersetzungsleistungen in Anspruch neh- metschung trägt nicht die betroffene Person, das Europäische Parlament hatten der Rege- men können. sondern der Mitgliedsstaat. Ohne gemeinsa- lung bereits im Juni zugestimmt. Dies ist die Das Europäische Parlament stimmte im me Mindestnormen, die ein gerechtes Ver- erste EU-Maßnahme überhaupt, mit der ge- Juni mit großer Mehrheit dem ausgehandel- fahren garantieren, werden Justizbehörden meinsame Mindestnormen für Verteidigungs- ten Entwurf zu. Voraussetzung dafür war ein eine Person nur ungern an ein Gericht in rechte in Strafverfahren festgelegt werden. Kompromiß, auf den sich Rat, Kommission einem anderen Land überstellen. Das kann Sie garantiert den Betroffenen das Recht auf und Parlament am 27. Mai verständigt hat- zur Folge haben, daß EU-Vorschriften zur Hinzuziehung eines Dolmetschers in Straf- ten. Das Parlament bestätigte diesen Kom- Verbrechensbekämpfung – wie der Europäi- verfahren vor allen Gerichten der EU und promiß am 15. Juni. sche Haftbefehl – nicht in vollem Umfang auf Rechtsberatung in ihrer Sprache. Eine angewandt werden. 2007 wurde in 11.000 Fäl- solche Maßnahme, die EU-weit faire Verfah- len ein Europäischer Haftbefehl ausgestellt, ren für jedermann sicherstellt, ist längst 2005 nur in 6900 Fällen. Nach Ansicht der überfällig. Ihr werden weitere Maßnahmen Kommission sollten die EU-Bestimmungen zur Festlegung gemeinsamer EU-Normen über die Verfahrensrechte, darunter das für Strafverfahren folgen. Die EU-Mit- Recht auf Verdolmetschung und Überset- gliedsstaaten haben nun drei Jahre Zeit, um zung, bei diesen Haftbefehlen in Zukunft die EU-Regelung in innerstaatliches Recht grundsätzlich Anwendung finden. umzusetzen. Statt der üblichen zwei Jahre haben die „Die Verabschiedung der ersten Richt- EU-Mitgliedstaaten nun drei Jahre Zeit, linie über Verfahrensrechte ist ein Meilen- diese Vorschriften umzusetzen, damit die stein bei den Bestrebungen, den Bürgern ein erforderlichen Übersetzungen angefertigt faires Verfahren zu garantieren. Für die werden können. Europäische Kommission ist dies ein wichti- ger erster Schritt zur Stärkung der Rechte Foto: http://www.bilderbox.biz Hintergrund der Verteidigung in Europa und zur Korrek- Die Richtlinie garantiert den Bürgern das Nach dem Vertrag von Lisabon kann die tur des ungleichen Kräfteverhältnisses zwi- Recht auf Verwendung ihrer eigenen EU Maßnahmen zur Stärkung der Rechte der schen Verteidigung und Anklage“, so Vize- Sprache in Verhandlungen und Vernehmun- EU-Bürger erlassen. präsidentin Viviane Reding, die für das Res- gen in allen Abschnitten eines Strafverfah- Da die ersten, umfassenden Vorschläge sort Justiz zuständig ist. „Es ist ein großer rens vor einem Gericht der EU. Darüber hin- über Verfahrensrechte zur Gewährleistung Verdienst der Berichterstatterin des Europäi- aus haben sie Anspruch auf Information und fairer Verfahren, die die Kommission 2004 schen Parlaments, Baroness Sarah Ludford, Rechtsberatung in ihrer eigenen Sprache. unterbreitet hatte, nicht die einstimmige sowie des spanischen und belgischen Vorsit- Die Kommission bestand auf das Recht Unterstützung der EU-Regierungen erhiel- zes, daß diese Vorschriften so schnell ange- auf Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen ten, verfolgt die Kommission jetzt, wie im nommen werden konnten. Jetzt ist es an den in Strafverfahren, weil es entscheidend dazu Stockholmer Programm vom Dezember Mitgliedsstaaten, sie möglichst bald in beiträgt, die uneingeschränkte Einhaltung 2009 vorgesehen, einen Stufenansatz: in den innerstaatliches Recht umzusetzen und anzu- der Europäischen Menschenrechtskonven- nächsten vier Jahren wird sie nach und nach wenden, damit sie den Bürgern zugute kom- tion und der Rechtsprechung des Straß- Maßnahmen zu Verfahrensrechten vorlegen, men. Wir sollten den Moment nutzen und burger Gerichtshofs sowie der Charta der die faire Verfahren garantieren sollen. Den mit verstärkter Kraft auf ein ausgewogenes Grundrechte zu garantieren. Vorschlag für die zweite Maßnahme – das Verhältnis zwischen den Befugnissen der Die Richtlinie garantiert zudem, daß die Recht auf Rechtsbelehrung – legte die Anklage und den Verfahrensrechten der Ver- Bürger eine schriftliche Übersetzung aller Kommission im Juli vor. Rat und Parlament teidigung hinarbeiten. Ich würde es daher maßgeblichen Unterlagen wie der Anklage- sind bereits mit dem Kommissionsvorschlag sehr begrüßen, wenn Parlament und Rat auch schrift erhalten und bei allen Anhörungen befaßt. Als nächstes plant die Kommission den Vorschlag der Kommission vom Juli und Vernehmungen sowie bei Treffen mit für 2011 eine Richtlinie über das Recht auf über die Rechtsbelehrung schnell aufgreifen ihren Rechtsanwälten Anspruch auf Beizie- Rechtsbeistand und das Recht auf Kommu- würden.“ hung eines Dolmetschers haben. Auf diese nikation mit Angehörigen, Arbeitgebern und Am 9. März legte die Kommission die Rechte kann nur verzichtet werden, wenn Konsularbehörden. erste einer Reihe von Maßnahmen zur der Betreffende zuvor eine Rechtsberatung http://ec.europa.eu/index_de.htm

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 49 Wirtschaft Neues vom Arbeitsmarkt Besonders bei Langzeitarbeitslosen und Jugendlichen – Stark sinkende Arbeitslosigkeit in der Metall- und der Baubranche

er erfreuliche Trend am österreichi- rungsgeld stehen für Maßnahmen zur Re- Krise am stärksten betroffen gewesen. Der Dschen Arbeitsmarkt setzt sich auch im integration von Langzeitarbeitslosen im kom- deutliche Rückgang der Arbeitslosigkeit in Oktober weiter fort. Mit 226.137 vorge- menden Jahr um 56 Millionen Euro mehr zur diesem Bereich zeige daher, daß die Krise merkten Arbeitslosen ist die Arbeitslosigkeit Verfügung. Mit diesen Mitteln werden ver- nachläßt. „Der kräftige Zuwachs offener im Vergleich zum Vorjahr um 19.386 (-7,9 stärkt Beschäftigungsprojekte, sozialökono- Stellen um 18,5 Prozent auf 32.915 erleich- Prozent) deutlich gesunken“, sagte Sozial- mische Betriebe und gemeinnützige Be- tert Arbeitslosen den Wiedereinstieg ins minister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) zu den schäftigungsprojekte unterstützt.“ Erwerbsleben“, schloß der Minister. aktuellen Arbeitsmarktdaten für den Monat Oktober. Er- Mitterlehner: Gute Arbeit freulich sei zudem, daß die der Unternehmen schafft Arbeitslosigkeit in acht Bun- neue Jobs desländern zurückgeht – Wirtschaftsminister Rein- besonders stark in Vorarlberg hold Mitterlehner (ÖVP) (-19,7 Prozent), in der Steier- sieht die Arbeitsmarktdaten mark (-16,5 Prozent) und als Beleg für die gute Arbeit Oberösterreich (-15,1 Pro- der österreichischen Unter- zent). Die Zahl Schulungs- nehmen. „Der Aufschwung teilnehmer (71.827 Personen) der Wirtschaft gewinnt an ist im Oktober ebenfalls um Breite und beflügelt in allen 1.970 Personen (-2,7 Prozent) Branchen auch den Arbeits- gegenüber dem Vorjahr rück- markt. Viele Betriebe sind läufig. „Durch die besser lau- den Strukturwandel in der fende Wirtschaft, hat sich Krise aktiv angegangen und auch die Arbeitsmarktlage können daher jetzt neue Jobs klar verbessert. Als Instru- anbieten. Diesen Erfolgsweg ment zur Bekämpfung der wollen wir gezielt unterstüt- Krise haben wir in den ver- zen“, sagt Mitterlehner. Po- gangenen beiden Jahren die sitiv auswirken werde sich Schulungsmaßnahmen stark auch die Offensive für die ausgeweitet, hier können wir thermische Sanierung, die ab nun aufgrund der besseren 2011 jährlich mit 100 Mil- Arbeitsmarktlage das Angebot Die Betriebe nehmen mehr Lehrlinge auf als im Vorjahr lionen Euro dotiert ist. „Da- reduzieren“, so der Sozialmi- mit schaffen wir in Verbin- nister. Der Rückgang bei Arbeitslosen und Es gebe im Oktober auch weniger Lehr- dung mit unseren neuen Förderungen für Schulungsteilnehmer zusammengezählt macht stellensuchende und mehr offene Lehrstel- Öko-Innovationen zusätzliche Green Jobs“, mit 21.356 den stärksten Rückgang seit len, sodaß die Lehrstellenlücke kleiner so Mitterlehner. März 2008 aus, verdeutlichte Hundstorfer. geworden ist. „Wir werden uns in den kom- Einen erfreulichen Trend gibt es bei der Für Hundstorfer ist es ein besonderer Er- menden Monaten besonders darum bemü- Jugendarbeitslosigkeit, die im Vergleich zum folg der aktiven Arbeitsmarktpolitik, daß die hen, daß Jugendliche, die derzeit in überbe- Vorjahr um fast zehn Prozent zurückgegan- Langzeitarbeitslosigkeit (-20,3 Prozent) und trieblichen Ausbildungsstätten ihren Beruf gen ist. Gleichzeitig hat sich die Lehrstel- die Jugendarbeitslosigkeit (-9,8 Prozent) erlernen, eine Anstellung in einem Unter- lenlücke verringert, die Zahl der offenen auch im Oktober im Vergleich zum Vorjahr nehmen finden. Durch die besser werdenden Lehrstellen ist um 15,8 Prozent gestiegen. deutlich zurück gegangen ist. „Wir haben Wirtschafts- und Arbeitsmarktdaten, ist es „Unsere gute Lehrlingsausbildung trägt ent- mit zahlreichen Maßnahmen in diesen schwie- den Betrieben möglich, wieder mehr Lehr- scheidend dazu bei, daß wir im EU-Ver- rigen Segmenten klare Impulse geben kön- linge aufzunehmen“, zeigt sich Hundstorfer gleich die drittniedrigste Jugendarbeits- nen, so daß wir uns bei der Jugendarbeitslo- zuversichtlich. losigkeit verzeichnen. Die Betriebe nehmen sigkeit zu den Besten in Europa zählen kön- Die Arbeitslosigkeit sinke in allen Ka- mehr Lehrlinge auf als im Vorjahr und brau- nen“, so Hundstorfer. „Wir werden 2011 tegorien und Berufsgruppen. Besonders in chen wegen des demographischen Wandels trotz eines leicht rückläufigen Budgets in der den Metall- und Elektroberufen ist die Ar- auch langfristig zusätzliche Fachkräfte“, so aktiven Arbeitsmarktpolitik weitere Schwer- beitslosigkeit mit -26,8 Prozent und in der Mitterlehner, der vor allem die duale Aus- punkte in der Bekämpfung der Langzeitar- Baubranche mit -10,7 Prozent stark zurück- bildung im Betrieb und in der Berufsschule

Foto: http://www.bilderbox.biz beitslosigkeit setzen. Durch das Aktivie- gegangen. Die Metallbranche sei von der forcieren will.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 50 Wirtschaft

Kickl: Letztes Zwischenhoch vor Schatz: Jugendarbeitslosigkeit ist weniger erfreulich, das Ziel müsse sein, dem Ansturm aus Osteuropa bleibt massives Problem daß die Menschen direkt in den Betrieben Als letztes Zwischenhoch vor dem An- „Jeder Jugendliche, der keinen Job findet fixe Beschäftigung finden, fordert Kaske. sturm aus Osteuropa bezeichnet FPÖ-So- und herumsitzen muß, braucht die volle Die Arbeitslosigkeit ging im Oktober im zialsprecher Herbert Kickl die Arbeitsmarkt- Aufmerksamkeit und Unterstützung. Daß Jahresvergleich um 7,9 Prozent zurück. Ins- daten. „Ab 1. Mai 2011 droht den österrei- ÖVP-PolitikerInnen die Streichung der Fa- gesamt waren 226.137 Menschen ohne chischen Arbeitnehmern enorme Gefahr, milienbeihilfe für diese Zielgruppe unter Arbeit, 71.827 Männer und Frauen befanden wenn nämlich die EU-Übergangsfristen für dem Titel ,verstärkte Anreize zur Aufnahme sich in Schulungen. Trotz der positiven Zah- den Schutz des heimischen Arbeitsmarkts eines Jobs‘ schön reden, ist zynisch. Das darf len dürfe jetzt nicht bei Schulungs- und auslaufen“, so Kickl. Es sei daher völlig so nicht durchgehen!“, fordert Birgit Schatz, Qualifizierungsmaßnahmen gespart werden. unverständlich, daß die Regierung auf EU- ArbeitnehmerInnensprecherin der Grünen Gerade jetzt sei es wichtiger denn je, daß die Ebene noch immer keine Maßnahmen ergrif- anläßlich der Oktober-Arbeitsmarktdaten Regierung der Bekämpfung der Arbeits- fen und Versuche unternommen habe, die und fast 40.000 arbeitslosen Jugendlichen. losigkeit höchste Priorität widmet, denn Frist für Österreich zu verlängern. „Wir sind Durch die aktuell vorgeschlagenen Bud- mittelfristig gäbe es noch keine Entwarnung, durch die immense Finanz- und Wirtschafts- getkürzungen sollen künftig die Eltern ar- heißt es vom ÖGB-Arbeitsmarktsprecher. krise mit einer völlig anderen Situation kon- beitsloser Jugendliche zwischen dem 18. „Wir müssen abwarten, wie sich die frontiert. Dem muß auch die EU Rechnung und 21. Lebensjahr keine Familienbeihilfe Budgetkonsolidierung national und interna- tragen. Unser Arbeitsmarkt ist nach wie vor mehr ausbezahlt bekommen. „Diese Strei- tional auf den Arbeitsmarkt auswirkt. Wir viel zu labil, um so viele Menschen aufzu- chung wird massive Probleme verursachen. sind noch nicht über den Berg. Gerade Be- nehmen“, erklärt Kickl. Meist sind die betroffenen Familien nicht schäftigungsverhältnisse wie Leih- oder Auf der anderen Seite schütze ein Ar- wohlhabend und kommen jetzt schon kaum Zeitarbeit seien ein Indiz dafür, daß die beitsplatz heutzutage nicht mehr vor Armut. durch. Und die Jungen? Die sind frustriert, Krise noch nicht ganz vorüber ist“, so Kaske „Der Großteil jener Stellen, die seit dem weil sie nicht arbeiten, eigenes Geld verdie- abschließend. Vorjahr geschaffen wurden, sind Jobs und nen und ausziehen können. Ohne Familien- nicht Arbeitsplätze, die einen Menschen, beihilfe werden sie dann noch zum finan- Tumpel: Gute Nachrichten vom Arbeits- geschweige denn eine Familie ernähren kön- ziellen Klotz am Bein. Das ist sicher keine markt – aber nicht für alle gleich gut nen“, so Kickl. Die Löhne würden seit Jah- motivierende Ausgangsposition, für den Mit rund 298.000 Arbeitsuchenden (rund ren immer mehr an Kaufkraft verlieren. Einstieg in eine perspektivenreiche Zu- 226.000 registrierte Arbeitsuchende und fast Armut trotz Arbeit sei ein weitverbreitetes kunft“, ist die ArbeitnehmerInnensprecherin 72.000 Personen in Schulungsmaßnahmen Phänomen. überzeugt. „Statt jene auszupressen, bei des AMS) setzt sich der rückläufige Trend Genau in diese triste Entwicklung schla- denen kaum mehr was zu holen ist, sollte die auch im Oktober fort. Das ist ein Rückgang ge nun auch noch die Regierung mit ihrem ÖVP stärker in Richtung Besteuerung der um rund 22.000 gegenüber dem Vergleichs- Sparbudget. „Faymann und Pröll lassen ein- wirklich Reichen gehen. Da tut sich ja bei monat im Vorjahr. An sich also eine positive fach die Menschen die Zeche zahlen, anstatt diesem Budgetpaket kaum was.“ Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. „Aber sich auch nur ein bißchen mit Struktur- und Schatz fordert weiter, daß Jugendlichen es gibt bestimmte Gruppen, die es trotzdem Verwaltungsreformen auseinander zu set- eine gute Bildung und Ausbildung ermög- auf dem Arbeitsmarkt weiterhin schwer zen.“ licht werden muß, damit sie eine reale haben“, sagt Arbeiterkammer-Präsident Her- Chance auf stabile Arbeitsplätze, von deren bert Tumpel zur Lage auf dem Arbeitsmarkt. Ebner: Österreich hinkt Einkommen man leben kann, erhalten. Insbesondere gilt das aktuell für Langzeit- hinter Deutschland her Leider verfolge die ÖVP aber offenbar eine beschäftigungslose und für Frauen, bei de- „Der Rückgang bei den Arbeitslosenzah- völlig andere Strategie. Schatz: „Die ÖVP nen der Rückgang weniger stark war. „Hier len ist kein Verdienst der Regierung, sondern sorgt mit ihrer Politik dafür, daß jene, die die müssen wir gegensteuern“, sagt Tumpel: „Was nur der internationalen Konjunktur – insbe- ÖVP-Parteikasse füllen, immer genug wir jetzt brauchen, sind qualitativ hochwerti- sondere der deutschen – zu verdanken. Billigstarbeitskräfte zur Verfügung haben. ge Maßnahmen für Langzeitbeschäftigungs- Österreich hinkt hinter Deutschland her“, Anders ist die konsequente Verweigerung lose und für Frauen, um deren Wiederein- erklärte BZÖ-Generalsekretär Christian Eb- einer Bildungsreform und auch das jetzige gliederung in den Arbeitsmarkt zu sichern.“ ner. Im Vergleichszeitraum sei die Arbeitslo- Daumenschraubenansetzen bei den arbeits- Bei Frauen kommt es vor allem darauf an, sigkeit in Deutschland um 8,8 Prozent zu- losen Jugendlichen nicht zu interpretieren.“ daß sie nach einer Babypause weniger als rückgegangen, zudem werde durch die tau- bisher einen beruflichen Abstieg hinnehmen senden Schulungen die Statistik geschönt. Kaske: Arbeitslosigkeit sinkt, Leih- müssen. „Dazu brauchen Frauen auch die Im Gegensatz zu den Jahren 2000 bis und Zeitarbeit nimmt jedoch zu Unterstützung der Arbeitsmarktpolitik. Wir 2006 ist Deutschland im Wirtschaftswachs- „Es ist erfreulich, daß sich der Arbeits- können uns keine Verschwendung von tum wieder vor Österreich. Für Ebner ist dies markt weiter erholt. Dennoch bemerken wir, Know-How leisten“, betont Tumpel. Der AK- „der traurige Verdienst der Reformen ver- daß in den letzten Monaten – gerade in der Präsident setzt daher auf eine stärkere Fo- weigernden Bundesregierung. Der dauernde Metallbranche, wo es im Oktober einen star- kussierung der Arbeitsmarktpolitik auf Qua- Griff ins Börsel der Menschen und das Dre- ken Beschäftigtenzuwachs gab – die Zeit- litätsmaßnahmen statt auf billige Massen- hen an der Steuerschraube ist zudem Gift für und Leiharbeit stark gestiegen ist“, erklärte kurse. „Nur so können wir bestimmten Grup- eine positive Entwicklung der Wirtschaft“, vida-Bundesvorsitzender und ÖGB-Arbeits- pen wie Langzeitbeschäftigungslosen, Frauen warnte Ebner. marktsprecher Rudolf Kaske. Dieser Trend und Älteren wirksam helfen“, so Tumpel.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 51 Wirtschaft Platz 2 in der Euro-Zone Allianz und Lisbon Council präsentieren aktuelle Studie »Euro Monitor« – Österreich liegt bei ausgewogenem Wachstum an zweiter Stelle

ie Ergebnisse des „Euro Monitor“ der bar nach der Finanz- und Wirtschaftskrise der strukturellen Wettbewerbsfähigkeit und DAllianz und des „Lisbon Councils“ zei- einen ausreichend stabilen Wachstumskurs Produktivität“, so Littich. gen: 13 von 16 Staaten sind nur Mittelmaß, frei von wirtschaftspolitischen Fehlentwick- Dabei sei man in der Allianz überzeugt, Griechenland und Irland gefährden gar die lungen. So sieht der Monitor auch bei drei daß das von der EU-Kommission vorgeschla- Stabilität der Eurozone. Um die Glaubwür- der vier führenden Länder – Deutschland, gene Verfahren bei einem übermäßigen Un- digkeit der gemeinsamen Währung beizube- Österreich und den Niederlanden – Hand- gleichgewicht (Excessive Imbalance Proce- halten, muß sich in Sachen Wirtschaftspoli- lungsbedarf bei der vergleichsweise schwa- dure) ein gutes Instrument wäre, um Un- tik einiges ändern, erklären die Allianz chen Inlandsnachfrage und beim Schulden- gleichgewichte zu vermeiden und zu korri- Experten. gieren. Aber letztlich liege die Verantwor- „Die 16 Länder der Eurozone müssen tung bei den Ländern selbst, jetzt zu han- mehr leisten, um die Stabilität ihrer gemein- deln. Der „Euro Monitor“ soll mit seiner samen Währung und deren Glaubwürdigkeit Analyse die notwendige Transparenz dafür an den Finanzmärkten zu sichern“, erklärt bieten und den Prozeß begleiten. Die Auto- Wolfram Littich, Vorstandsvorsitzender der ren des „Euro Monitors“ empfehlen für die Allianz Gruppe in Österreich. Dazu zählen bevorstehende Sitzung des EU-Ministerrats, der Abbau staatlicher und privater Schulden die von der EU-Kommission befürwortete ebenso wie die Erhöhung der Wettbewerbs- Gesetzgebung für eine bessere Kontrolle der fähigkeit. Mittelfristig ist ein jährliches rea- Finanzpolitik und makroökonomischer Un- les Wirtschaftswachstum von mindestens gleichgewichte schnell und ohne eine weite- 2 Prozent notwendig, um substanziell die re Verwässerung einzuführen. Dazu benötige Verschuldung und Arbeitslosigkeit im Euro- Foto: Allianz die Eurozone nicht nur ein verbessertes Mo- raum abzubauen. Für 2011 werden nur 1,7 Wolfram Littich, Vorstandsvorsitzender nitoring, sondern auch klare und verbindli- der Allianz Gruppe in Österreich Prozent erwartet. che Regeln für die Mitgliedsstaaten. Der Sta- abbau. Alle drei verletzen das Maastricht- bilitäts- und Wachstumspakt sollte ebenso Europameister bei Beschäftigung, Kriterium mit einem Schuldenstand von eindeutige Regeln und wirksame Sanktions- Produktivität und Ressourceneffizienz mehr als 60 Prozent in Relation zum Brutto- möglichkeiten erhalten. Den Sparprogram- Wirft man einen Blick auf die einzelnen inlandsprodukt. Die größten Divergenzen men in den einzelnen Ländern sollten umge- Indikatoren der Studie, so zeigt sich, daß innerhalb der Eurozone stellt der Monitor in hend strukturelle Reformen folgen. sich Österreich im Vergleich gut schlägt. den Bereichen „Wettbewerbsfähigkeit und „Der Euro Monitor 2010: Indikatoren für Österreich konnte gegenüber dem Vorjahr in Inlandsnachfrage“ sowie „Verschuldung pri- ausgewogenes Wachstum“ ist die erste Stu- Relation zu vielen anderen Mitgliedern der vater inländischer Sektoren und Vermö- die ihrer Art nach der Eurokrise. Gemeinsam Euro-Zone seine Platzierungen halten. In der genspositionen gegenüber dem Ausland“ herausgegeben von den Volkswirten der Kategorie „Finanzielle Nachhaltigkeit“ wur- fest. Letzteres gilt vor allem für die vier Allianz SE und der Brüsseler Denkfabrik de Rang 4 erreicht, die „Verschuldung priva- Schlußlichter Portugal, Spanien, Irland und The Lisbon Council analysiert der Monitor ter inländischer Sektoren und Nettoauslands- Griechenland. Während Irland und Grie- die 16 Staaten der Eurozone auf Basis von vermögenssituation“ liegt mit Platz 3 ebenso chenland die Stabilität der Eurozone akut 15 quantitativen Indikatoren in vier Kate- auf Vorjahresniveau, bei der „Wettbewerbs- gefährden, drohen Portugal und Spanien bei gorien: Finanzielle Nachhaltigkeit; Wettbe- fähigkeit und Inlandsnachfrage“ konnte einer wirtschaftlichen Abkühlung zu einem werbsfähigkeit und Inlandsnachfrage; Be- Platz 2 gefestigt werden. Bei „Beschäfti- Risiko zu werden. schäftigung, Produktivität und Ressourcen- gung, Produktivität und Ressourceneffi- effizienz sowie Verschuldung privater inlän- zienz“ ist Österreich „Europameister“. Über Strukturelle Reformen notwendig discher Sektoren und Vermögenspositionen alle insgesamt 15 quantitativen Indikatoren Seit der Einführung des Euro haben sich gegenüber dem Ausland. Als makroökono- gerechnet, bedeutet das für Österreich einen bedeutende Ungleichgewichte in der EWU misches Monitoring- und Frühwarnsystem guten zweiten Platz hinter Deutschland. entwickelt, welche die Glaubwürdigkeit des dient der Monitor dazu, bestehende und neu Euro gefährden. Praktisch alle Staaten in der aufkommende wirtschaftspolitische Fehlent- Wirtschaftspolitische Eurozone haben ihre Haushalte noch nicht wicklungen aufzudecken. Erstmals werden Reformen notwendig im Griff. Jedes Zögern droht zu einer Be- bei dieser Analyse auch Faktoren wie der Deutschland konnte neben Malta als ein- lastung für den Euro zu werden. „Glaub- demografische Wandel und der Umgang mit ziges Land seine Bewertung gegenüber 2005 würdige Konsolidierungsschritte und Re- natürlichen Ressourcen einbezogen, weil sie verbessern und führt die Rangliste vor Öster- formen müssen in den verschuldeten Län- aus Sicht der Allianz Volkswirte einen reich, Luxemburg und den Niederlanden an. dern schnell eingeführt und umgesetzt wer- wesentlichen Einfluß auf das nachhaltige Keines der 16 Länder zeigt jedoch unmittel- den. Ebenso dringend ist eine Verbesserung Wachstum einzelner Länder haben.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 52 Wirtschaft Österreichs Industrie schwungvoll in den Winter Bank Austria EinkaufsManagerIndex im Oktober auf konstant hohem Niveau – Starke Produktionsausweitung trotz abnehmendem Auftragsplus

ach der guten Auftragsentwicklung in Nden Vormonaten hat die österreichische Industrie im Oktober kräftig Personal aufge- stockt und die Produktion stark ausgeweitet. Die Neuaufträge nehmen zwar weiter zu, aber nicht mehr so rasch wie bisher. Gleiches gilt für die Auftragsbestände und die stark steigenden Inputkosten belasten weiterhin die heimischen Betriebe“, skizziert Bank Austria Chefökomom Stefan Bruckbauer die aktuellen Trends in der Verarbeitenden Industrie Österreichs. Der Bank Austria EinkaufsManagerIndex (EMI) gibt einen Überblick über die Lage in Östereichs Industrie in einer Gesamtzahl. „Im Oktober liegt der Bank Austria Ein- kaufsManagerIndex mit 56 Punkten nur einen Tick unter dem Wert vom Vormonat und signalisiert damit weiterhin ein hohes in der Verarbeitenden Industrie fiel 2009 um ren Industrieentwicklung gibt der aktuelle Wachstumstempo“, so Bruckbauer. Seit mitt- 12,6 Prozent, die Beschäftigung sank um nur Bank Austria EinkaufsManagerIndex ein et- lerweile einem Jahr befindet sich die öster- rund 6 Prozent. Viele Fachkräfte wurden – was uneinheitliches Bild ab. Zum einen ging reichische Industrie im Aufwind. Der Indi- oft öffentlich unterstützt durch die Kurzar- das Wachstum des Neugeschäfts im Oktober kator liegt seitdem über der Wachstums- beitsregelungen – in den Betrieben gehalten, geringfügig zurück, insbesondere die schwelle von 50 Punkten. Wenn auch die sodaß die Produktivität je geleisteter Ar- Exportaufträge haben spürbar an Dynamik Dynamik mittlerweile etwas nachgelassen beitsstunde in der heimischen Industrie 2009 verloren. Auch die Auftragspolster wachsen hat, die Erholung in der Industrie verläuft um etwa 5,5 Prozent sank. Seit Beginn der nicht mehr so rasch wie bisher. Zum anderen sehr robust. Erholung nimmt die Produktion deutlich sind die Lieferzeiten gestiegen und das Das Umfeld der österreichischen Indu- rascher als die Beschäftigung zu, die Pro- Verhältnis zwischen Auftragseingängen und strieunternehmen hat sich in den vergange- duktivität steigt wieder. Auch im Oktober den Lagerbeständen zeigt im Vergleich zu nen Monaten erheblich günstiger entwickelt, hat sich daran nichts geändert, das Beschäf- den Vormonaten wieder einen Anstieg – ein als ursprünglich erwartet. „Der starke Rük- tigungswachstum ist trotz höherer Dynamik in der Vergangenheit sicheres Anzeichen für kenwind aus Deutschland hält die Geschäfte weiterhin geringer als die Produktionsaus- eine dynamische Entwicklung der Industrie. in Österreich am Laufen, die Belastungen weitung. „Da sich die Anzeichen für eine Beschleuni- durch steigende Rohstoffpreise und stark Mit Blick auf die Ertragslage werden gung sowie eine Verlangsamung der Indu- schwankende Wechselkurse können wegge- intensive Anstrengungen zur Steigerung der striedynamik die Waage halten, scheint gesi- steckt werden. Die Produktion wurde im Produktivität unternommen, zumal der Hand- chert, daß die österreichische Industrie das Oktober deutlich ausgeweitet und zwar er- lungsrahmen der österreichischen Industrie im Oktober eingeschlagene Wachstumstem- heblich stärker als in den beiden Vormona- in den vergangenen Monaten durch die po in den kommenden Monaten zumindest ten“, sagt Bruckbauer. Der Produktionsindex Preisentwicklungen auf den Rohstoffmärk- weitgehend beibehalten kann. Wir gehen für stieg auf 58,1 Punkte und liegt damit weiter- ten schwierig war. Höhere Energie- und Vor- das Gesamtjahr 2010 mittlerweile von einem hin deutlich über dem langjährigen Durch- materialpreise belasten, wenn auch die Anstieg der Industrieproduktion von bis zu schnittswert. durchschnittlichen Einkaufspreise nicht mehr 7 Prozent real aus“, so Bruckbauer. Die „Das kräftige Produktionswachstum er- so rasch wie vor einem halben Jahr steigen. Industrie bleibt auch über den Jahreswechsel forderte ein deutliches Aufstocken der Die Anhebung der Verkaufspreise fiel im hinaus kräftig in Schwung und wird ganz Personalkapazitäten. Im Oktober wurde die Oktober deutlich geringer aus. „Aufgrund wesentlich zur Fortsetzung der Erholung der Beschäftigung in der Industrie so stark wie des scharfen Wettbewerbs ist es derzeit nicht Gesamtwirtschaft im kommenden Jahr bei- seit Herbst 2006 nicht mehr erhöht“, so Bank möglich, die zusätzliche Kostenbelastung tragen. Austria Ökonom Walter Pudschedl. Im Zuge durch die höheren Einkaufspreise in vollem Anm.: Dieser Beitrag enthält die Original- der Krise blieb der Personalabbau hinter dem Umfang an die Kunden weiterzureichen“, daten aus der Monatsumfrage unter Ein- Produktionsrückgang zurück. Die Produktion hält Pudschedl fest. Hinsichtlich der weite- kaufsleitern der Industrie Österreichs.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 53 Wirtschaft Geringste Weinernte seit 13 Jahren 2010 wird zum Jahr der Herausforderung für die Winzer

er Witterungsverlauf des Jahres 2010 Dhat den österreichischen Winzern ihr gesamtes Know-How und Können abver- langt. Nach einem Winter, der mit Kälte und im Februar fast frühlingshaften Temperatu- ren spielte, begann auch der März mit eisi- gen Temperaturen und endete frühlingshaft. Der April hielt den Westen und Süden Öster- reichs trocken, in den Weinbaugebieten gab es starke Regenfälle, Hagelschauer und Überflutungen. Im Mai folgten teils viele Niederschläge, dafür wurde an Sonne ge- spart. Auch der Juni war eher ein holpriger Start in den Sommer. So sorgte Regen und Kälte während des Blütezeitpunktes für Be- fruchtungsprobleme und verbreitet schwa- chen Fruchtansatz. Der Zeitpunkt der Blüte war ca. zwei Wochen später als im letzten Jahr, was wieder einmal einen „normalen“ Blütezeitpunkt bedeutete. Während die Witterung bis Ende Juli relativ trocken war, prägten ab August viele Niederschläge das weitere Vegetationsjahr. Das resultierte in einem hohen Infektionsdruck und damit viel Arbeit zur Erhaltung der Traubenqualität. Foto: BMLFUW Zum Glück spielte Hagel keine so große Rol- Die Pflege eines Weingartens erfordert viel Handarbeit. le wie in den letzten Jahren. Die eher kühle und feuchte Witterung im September führte Burgenland Die zeitgerecht gelesenen Trauben lassen dazu, daß nicht auf eine höhere Gradation Wie in den anderen Weinbaugebieten, heuer einen sehr fruchtigen, kernigen Jahr- der Trauben gewartet wurde, sondern die Le- wurde es nach einem grundsätzlich guten gang erwarten, der guten Sorten- und Ge- se möglichst gesunder Trauben im Vorder- Wetterverlauf im August richtig feucht. bietscharakter aufweist und nicht zu breit grund stand. Auch Ende Oktober erschwerte Eisenstadt war mit 255 l/m2 Regen nicht nur und üppig wirken wird. Auch wenn man sich die feuchte Witterung noch die Lesearbeit. der niederschlagreichste Ort, dies ist sogar über gute Qualität freut ist ein Wermuts- der höchste Wert der letzten 65 Jahre. Somit tropfen dabei: bei der Menge wird mit einem Geringe Erntemenge wurde der Lese von gesunden Rotweintrau- Minus von 40 % gerechnet. Ging man im August noch von einem um ben der Vorzug vor einer möglichen höheren 14 % unter dem Durchschnitt liegenden Er- Gradation gegeben. Im Seewinkel war die Steiermark gebnis von 2,2 Mill. hl aus, so wurde mitt- Lese mit Anfang Oktober weitgehend abge- In der Steiermark liegt die Erntemenge lerweile diese Schätzung deutlich nach unten schlossen, nur noch Spezialitäten wurden am heuer etwas über dem Vorjahr, aber ebenfalls revidiert. Erwartet wird laut Josef Pleil, Stock belassen. Auch im Mittelburgenland wetterbedingt unter dem Durchschnitt. Eine Präsident des Österreichischen Weinbauver- war Zweigelt zu diesem Zeitpunkt weitge- vergleichsweise gute Blüte mit wenig Ver- bandes eine Ernte die deutlich unter 2 Mill. hend geerntet, bei Blaufränkisch wurde noch rieselung sowie ein relativ trockener Som- hl liegt, eine derart kleine Ernte gab es zugewartet, solange es die Traubengesund- mer mit nur geringen Unwetterschäden lie- zuletzt 1997. Besonders hohe Einbußen ver- heit erlaubte. Im Südburgenland begann die ßen auf gute Menge und Qualität hoffen. zeichnet heuer Niederösterreich, wobei vor Hauptlese erst Mitte Oktober, hier freut man Doch dann wurde die Steiermark förmlich allem das Weinbaugebiet Weinviertel fast sich auch über mehr Ertrag und weitgehend „zugeschüttet“. Über 400 Millimeter Regen um ein Viertel weniger erwartet, aber auch gesunde Weingärten, da sie von der Witte- seit August zwang teilweise zu schneller im Gebiet Wagram sowie dem Kamptal und rung dieses Jahr begünstigt waren – die Re- Lese, um die bis dahin gute Traubenge- der Wachau wird mit deutlich geringerer genmengen waren geringer als in den ande- sundheit nicht zu verlieren und Einbußen Menge gerechnet. ren Gebieten. durch den plötzlichen Fäulnisdruck in Kauf

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 54 Wirtschaft nehmen zu müssen. Somit war die Lese 2010 den ebenfalls gehaltvolle lagerfähige Weine den Grünen Veltliner wurde aber erst richtig vielerorts bereits Mitte Oktober zu Ende. zu finden sein, die sich durch ein gutes begonnen. Die gebietsweise unterschiedli- Laut Weinbaudirektor Werner Luttenberger Säurerückgrat und Fruchtigkeit auszeichnen. chen Lesezeitpunkte lassen schon dadurch wird man sich mit rund 170.00 Hektoliter einen interessanten Jahrgang in Nieder- zufriedengeben müssen. Legt man den steiri- Niederösterreich österreich erwarten. schen Pro-Kopf-Verbrauch zugrunde, wären Neben dem schlechten Blütewetter war rein rechnerisch die Keller in einem halben heuer auch ein schwächerer Traubenansatz Die Qualität 2010 Jahr geleert. Wenn auch die Menge die Er- festzustellen, womit die Erntemenge weit Von schlank, fruchtig und säurebetont bis wartungen nicht erfüllt hat – die Qualität des unter dem Durchschnitt liegt. Wettermäßig zu reifen, voll ausbalancierten Weinen wird Jahrgangs wird durchaus positiv. Die Weine war Mitte September bereits fast die einein- mit dem Jahrgang 2010 in Österreich alles werden sich sehr frisch präsentieren, eine halbfache Jahresniederschlagsmenge zu ver- zu finden sein. Der weithin der Traubenge- hervorragende Fruchtigkeit haben und aus- zeichnen. Das stellte hohe Ansprüche an die sundheit wegen gewählte frühere Lesezeit- reichend Alkohol besitzen. Die Säure wird Weingartenarbeit – einerseits wettermäßig punkt ergibt moderate Alkoholgehalte, die „knackiger als in den vorigen Jahren sein“ so zeitgerecht zu Spritzen, andererseits vor- den Trinkfluß unterstützen. Freuen kann Luttenberger. sorglich nochmals zu Spritzen und dadurch man sich auf jeden Fall über gute fruchtige aufgrund der Wartezeiten mögliche – und und duftige Weißweine, die mit einer pikan- Wien dann auch leider auch wirklich eintretende - ten Säure und vor allem einer ausgezeichne- Durch gewissenhafte Weingartenarbeit Regenfälle in Kauf zu nehmen. Oder das ten Fruchtbrillanz ausgestattet sind. Auch wurde eine etwas größere Erntemenge als im Risiko zu wagen – und sollte die Trauben- bei Rotweinen wird es ein fruchtig – würzi- Vorjahr erreicht, doch die Folgeschäden des gesundheit leiden dann auch sofort zu lesen. ger Jahrgang. großen Hagels aus dem Jahr 2009 an den Keine leichte Entscheidung, und sie Der Jahrgang 2010 war bereits im Wein- Rebstöcken drücken immer noch auf den wurde unterschiedlich getroffen, wobei die garten eine große Herausforderung für die Ernteschnitt. Regional unterschiedlich war Regenmengen auch sehr unterschiedlich WinzerInnen. Die Eigenheiten des Wetter- bezirksweise die Traubenqualität und der ausfielen. Von Vorteil war dabei, daß das verlaufes verlangten schnelles Reagieren bei Fäulnisdruck, so gibt es beim Regen Unter- sehr feuchte Wetter durch die niedrigen der Weingartenarbeit, aber genauso bei der schiede diesseits und jenseits der Donau von Temperaturen im September die Fäulnis Lese, und letztendlich bei der Vinfikation. bis zu 300 mm! Auch in Wien zeigt sich heuer nicht weiter gefördert hat. Und so waren Dieses Jahr beweisen die österreichischen welcher Betrieb seine Weingartenarbeit gut Anfang Oktober zwar die ersten Jungweine WinzerInnen wieder, daß sie ihr Handwerk im Griff hatte. Neben leichten Weinen wer- schon fertig gefüllt am Markt, die Lese für beherrschen!

Jedes fünfte Lebensmittelgeschäft steht in NÖ Flugplan 2010/2011 n keinem anderen Bundesland gibt es so ie Wintersaison 2010/2011 beginnt am Iviele Lebensmittel-Einzelhandelsgeschäf- DFlughafen Wien mit der Aufnahme von te wie in Niederösterreich. Nach einer Studie vier neuen Destinationen und zahlreichen des Handelsforschungsinstitutes RegioPlan Aufstockungen von Flugverbindungen. Er- Consulting, die dem NÖ Wirtschaftspresse- sichtlich sind diese Neuigkeiten im ab 31. dienst vorliegt, wurden 2009 im Gebiet zwi- Oktober 2010 gültigen und erhältlichen schen Enns und Leitha 1.324 Lebensmit- Winterflugplan des Flughafen Wien. telläden gezählt. Das sind mehr als ein Fünf- Austrian Airlines startet mit Beginn des tel aller rund 6.000 Standorte in Österreich Winterflugplanes einmal wöchentlich eine und deutlich mehr als in Wien, das bei einer Direktverbindung nach Male. Ab 24. Dezem- ähnlich großen Bevölkerung wie in Nieder- ber 2010 wird diese Verbindung auf zweimal österreich nur von 804 Lebensmittelge- wöchentlich aufgestockt. Zusätzlich nimmt schäften versorgt wird. Austrian Airlines die Strecke Wien – Mum- Platzhirsch im Land ist der Rewe-Kon- bai wieder auf, geflogen wird fünfmal pro zern, der mit seinen Billa-, Merkur-, Penny- Woche. Beginnend mit Februar 2011 startet und Adeg-Filialen in Niederösterreich 438 NIKI direkte Flüge nach Valencia. Diese Lebensmittelgeschäfte betreibt. Auf Platz neue Destination wird zweimal wöchentlich zwei folgt mit 386 Standorten die Zentrale angeflogen. Wataniya Airways bietet ab dem Einkaufs- und VertriebsgmbH (ZEV) - die Winterflugplan eine direkte Verbindung

Dachorganisation der von den beiden Wald- Foto: http://www.bilderbox.biz dreimal pro Woche nach Beirut an. viertler Großhandelsunternehmen Kastner spar- und Interspar-Märkte. Schon deutlich Der Taschenflugplan ist von 31. Oktober und Kiennast gesteuerten Nah&Frisch- abgeschlagen die übrigen Marktteilnehmer: 2010 bis 26. März 2011 gültig und gibt eine Läden. Die Diskonter Hofer und Lidl kommen in genaue Übersicht über Direktflüge, ausge- Den dritten Rang nimmt die Spar AG ein. Niederösterreich auf 83 bzw. 47 Standorte, wählte Umsteigeverbindungen und nützliche Die Handelskette mit der Tanne im Logo Zielpunkt auf 71 und der sonstige Lebens- Informationen rund um den Flughafen. führt in Niederösterreich 220 Spar-, Euro- mittel-Einzelhandel auf 79 Standorte. http://www.viennaairport.com

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 55 Wirtschaft 74 Mio. Euro durch Ballsaison Bis 8. März werden 365.000 Ballgäste auf 450 Wiener Bällen erwartet – laut Umfrage dürfen die Wiener Unternehmer mit einem guten Geschäft rechnen.

m Höhepunkt der Wirtschaftskrise lies- werden rund 9 Millionen Euro (Vorjahr: 8 der Vorbereitungen 220 Euro aus. Der Fri- Asen sich die WienerInnen das Tanzen Millionen Euro) veranschlagt. Die Gastrono- surentrend: klassisch-elegant Weg von unge- und Feiern nicht nehmen, jetzt, wo es wieder mie erwartet Einnahmen von 5,4 Millionen zähmten hochgesteckten Locken und hin aufwärts geht, wird es sogar noch besser Euro (Vorjahr: 5 Millionen Euro), die Taxi- zum klassisch eleganten Look. Das ist auch werden. Der Optimismus ist ungebrochen unternehmen 3,6 Millionen Euro (Vorjahr: 3 heuer wieder der Trend für die nächste und äußert sich nicht nur in positiven Er- Millionen Euro). Ballsaison. Sauber gekämmte extravagante wartungen, sondern auch in steigenden Aus- Vorbereitungen vor dem Ball entwickeln Frisuren mit glänzendem Haar und wenige gaben in den Höhepunkt der Wiener Lebens- sich unterschiedlich Gegenüber dem Vorjahr große glamouröse Locken verbunden mit freude – den klassischen Wiener Ball. „Noch mehr Wienerinnen und Wiener als bisher planen in dieser Saison Bälle zu besu- chen, und auch internationale Gäste zieht das einzigartige Flair der Ballstadt Wien in zunehmenden Maße an“, sagt Brigitte Jank. 250.000 Wiener (Vorjahr: 235.000) wollen in dieser Saison einen Ball besuchen, jeder Vierte auch mehrere. Rund 115.000 Gäste (Vorjahr: 80.000) werden aus den Bundes- ländern und dem Ausland erwartet. „Die Wiener tanzen in den Aufschwung und un- terstützen damit die positive Stimmung, die die Wirtschaft braucht“, so Jank, die sich auf eine aktuelle Studie der KMU-Forschung Austria im Auftrag der Wirtschaftskammer Wien stützt. Im Schnitt planen die Besucher 220 Euro (Vorjahr: 215 Euro) auszugeben. Durch die gestiegene Zahl der Ballgäste bedeutet das eine Gesamtwertschöpfung von rund 74 Millionen Euro. In der letzten Saison betrug die Gesamtwertschöpfung 67 Mil- lionen Euro. Einen schönen Abend mit der/dem Part- sind die Ausgaben, die unmittelbar für den flachen Seiten oder Nackenpartien machen nerIn zu verbringen, das Flair zu genießen Ball getätigt werden, in etwa gleich geblie- den Besuch beim Friseur unumgänglich. Um und Freunde zu treffen sind die wichtigsten ben. Rund die Hälfte der Besucher will einen Üppigkeit und Volumen zu erzielen kommen Motive für einen Ballbesuch. Daran wird Friseur aufsuchen, einen Besuch im Kos- Füllmaterialien, Haartressen und feine un- sich auch in der kommenden Ballsaison metiksalon haben auch heuer nur 10 Prozent sichtbare Haarnetze zum Einsatz. Auch nichts ändern. Aber auch die Möglichkeit zu der Frauen auf jeden Fall vor. Flechteffekte finden beim Romantiklook tanzen und die Musik zu genießen „lockt“ Leicht gestiegen ist die Investitionslust in ihre Verwendung, werden dort aber ebenfalls die WienerInnen auf die zahlreichen Bälle in eine neue Garderobe. 30 Prozent der Ball- zum Eyecatcher. „Big-Hair“ heißt der neue Wien. besucher wollen in neue Schuhe (Vorjahr: 25 Look! Mit Verwendung von mehreren Haar- Prozent), 20 Prozent in eine neue Ball- teilen kann sich auch die Kurzhaarträgerin Unmittelbare Ausgaben steigen garderobe (Vorjahr: 15 Prozent) und 20 Pro- vor diesem Trend nicht verstecken. Grund- An direkten Ausgaben planen die Wiener zent in Schmuck und Accessoires (Vorjahr: sätzlich richtet sich das Frisurenstyling nach Ballbesucher in der kommenden Saison rund 20 Prozent) investieren. Mit 5 Prozent der dem Ballkleid und dem Typ der Trägerin. 38 Millionen Euro für Ballkarten und Tisch- Befragten ist, wie auch im Vorjahr, die Be- Mutige Damen bleiben beim hochtoupierten reservierungen sowie für Speisen/Getränke reitschaft, sich unter professioneller An- „Big-Hair-Look“, dürfen dabei aber neben am Ball (Vorjahr: 33 Millionen Euro). Für leitung bei Tanzkursen vorzubereiten, eher glatten Partien auch unfrisierte filzige Ele- neue Ballgarderobe, Schuhe und Accessoi- gering. mente belassen. Perfektion in der Gestal- res/Schmuck rechnen die Ballbesucher mit tung, sowie Erfahrung beim Kreieren der Ausgaben in der Höhe von 22 Millionen Ausgaben für die Wiener Bälle Proportionen setzen die Hohe Kunst des Euro (Vorjahr: 17 Millionen Euro). In den Durchschnittlich geben die Wienerinnen Frisierens voraus und die überläßt man dem Friseurbesuch und die Kosmetikbehandlung und Wiener für einen Ballbesuch inklusive Profi!

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 56 Wirtschaft Wasseraufbereitungsanlage für die Slowakei Siemens Österreich hat den Auftrag erhalten, für das neue Stahlwerk von Slovakia Steel Mills, a.s (SSM) in Strážské, eine Wasseraufbereitungsanlage zu liefern.

as Kompaktstahlwerk von Slovakia DSteel Mills in Strážské ist für die Er- zeugung von rund 600.000 Tonnen Baustahl pro Jahr ausgelegt. Dazu verfügt es über die komplette Prozesskette aus Lichtbogenofen, Sekundärmetallurgie, einer dreisträngigen Stranggießanlage und einem Walzwerk. Die Stahlerzeugung erfordert große Mengen von aufbereitetem Wasser, das für die direkte und indirekte Kühlung eingesetzt wird.

Wasserkompetenz »Made in Austria« Siemens Water Technologies Slowakia, das Kompetenzzentrum für komplexe Was- serprojekte der Siemens AG Österreich, hat den Auftrag bekommen. Das Kompetenz- zentrum wird von der Division Industry So- lutions (Sektor Industrie) Österreich gesteu- ert. „Die zentrale Aufbereitungsanlage von Siemens wird pro Stunde etwa 7.000 Ku- Foto: Siemens bikmeter behandeltes Wasser bereitstellen. Die Wasseraufbereitungsanlage für das neue Stahlwerk in der Slowakei schont die Umwelt, da das Kühlwasser des Kompaktstahlwerks wiederverwertet wird. Neben Kühltürmen, Pumpstationen und Drucksandfiltern beinhaltet die technische wird. Das weniger verschmutzte Wasser aus Typ S7 300. Die Visualisierung erfolgt mit Ausrüstung unter anderem Dosierstationen der Sekundärkühlung durchläuft eine dem HMI-System WinCC. Darüber hinaus und Einrichtungen zur Schlammbehand- Nebenstrom-Filtration. Diese senkt die Kon- liefert Siemens auch die Prozeßinstrumentie- lung“, erklären Siemens-Vorstand Kurt Hof- zentration gelöster Feststoffe und Schweb- rung zur Überwachung der Wasserqualität, städter und Robert Monsberger, Leiter der stoffe, bevor das Wasser in die Kühltürme darunter Messgeräte für Durchfluß, Druck, Division Industry Solutions (IS). Monsber- gepumpt wird. Temperatur oder Füllstände. Sämtliche Pum- ger, der auch dem gesamten CEE-Cluster Die zugehörige Schlammbehandlungs- penantriebe sind mit Frequenzumrichtern leitet, freut sich, daß das Wasser-Kompe- anlage dient der Aufbereitung des schlamm- ausgestattet. Dies ermöglicht die gezielte tenzzentrum mit Sitz in Wien zum Zug haltigen Rückspülwassers aus den Sand- Ansteuerung und damit einen energiesparen- gekommen ist. „Wir verfügen im gesamten filtern. Zur Trennung von Wasser und den Betrieb der Pumpen. CEE-Cluster – der insgesamt 19 Länder um- Schlamm wird ein Lamellenabscheider ein- Siemens Österreich hat die Geschäftsver- faßt – über ein einzigartiges Know-How in gesetzt. Um die Abscheidung von Feststof- antwortung des 19 Länder umfassenden diesem Bereich“. „Siemens arbeitet an inno- fen zu erleichtern, wird der Schlamm zu- Siemens-Cluster „Central Eastern Europe" vativen Lösungen. Es ist für uns wichtig, nächst mit geeigneten Polymeren versetzt. (CEE). Mit Juli 2009 wurde der Cluster CEE dass die Wasserkompetenz ‚Made in Austria’ Das so vorgeklärte Wasser durchläuft erneut um die Länder Türkei und Israel erweitert. weltweit Anklang findet“, erklärt Hofstädter. einen Sandfilter und kann danach ebenfalls Im gesamten Cluster arbeiten über 45.000 Das stark belastete Wasser aus der wieder dem Kühlsystem zugeführt werden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Direktkühlung von Gießanlage und Walz- Der verbleibende Schlamm wird eingedickt letzten Geschäftsjahr einen Umsatz von 9,5 werk wird zunächst in einen Fliehkraft- und in einer Filterpresse entwässert. Ein Teil Milliarden Euro erwirtschafteten. abscheider geleitet, um Zunder zu entfernen. des metallhaltigen Schlamms kann in der Der Industry Sector ist der größte der drei Anschließend wird Öl mithilfe eines Skim- Produktion wiederverwendet werden. Siemens Sektoren Industry, Energy und mers abgeschieden. Über nachgeschaltete Healthcare. Weltweit sind 222.000 Mitar- Drucksandfilter werden die noch verbleiben- Simatic automatisiert komplette beiterInnen in diesem Sektor beschäftigt, den Feststoffe herausfiltert. Im anschließen- Wasseraufbereitungsanlage 4.800 davon im Cluster CEE. Mehr als den Kühlturm wird die Temperatur des Automatisiert wird die gesamte Wasser- 100.000 Kunden weltweit vertrauen auf Wassers um 10 bis 15 °C abgesenkt, bevor es aufbereitungsanlage mittels speicherpro- Industrielösungen von Siemens. wieder in die Kühlsysteme zurückgeführt grammierbarer Steuerungen vom Simatic http://www.siemens.com/water

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 57 Chronik Zehntausende beim Wiener Sicherheitsfest Am 25. und 26. Oktober 2010 fand am Wiener Rathausplatz die alljährliche Leistungsschau der Wiener Einsatz- und Hilfsorganisationen unter dem Motto »Mit Sicherheit für Sie da« statt.

bwohl sich die Sonne kaum zeigte, Oströmten Zehntausende WienerInnen vor das Rathaus um sich mit den Organisa- tionen bekannt zu machen. Modernste Ein- satzfahrzeuge, darunter auch ein Notarzthub- schrauber des ÖAMTC, neueste Ausrüstungs- gegenstände, spektakuläre Einsatzvorführun- gen, Rettungshunde, Sicherheitstipps der Blaulichtorganisationen, Informationen durch zahlreiche Magistratsabteilungen und ein spannendes Unterhaltungsprogramm für die ganze Familie waren die Highlights dieser Veranstaltung.

»K-Kreis« – Baustein für sichere Stadt Der sogenannte „K-Kreis“ bildete den Mit- telpunkt der Veranstaltung. „Der ,K-Kreis‘ steht weltweit als einzigartiges Symbol für die Zusammenarbeit der freiwilligen und be- ruflichen Wiener Hilfs- und Einsatzorganisa- tionen sowie zahlreicher Magistratsabteilun- gen. Die Mitglieder dieser Sicherheits- Plattform demonstrierten ihr perfektes Zu- sammenspiel und zeigten, warum Wien zu den sichersten Städte der Welt zählt. Der „K- Kreis“ bietet: Katastrophenschutz Katastrophenhilfe Komunikation und Kompetenz. Drehscheibe und gemeinsame Anlaufstelle des „K-Kreises“ ist die Stadt Wien, Magi- stratsdirektion – Krisenmanagement und So- fortmaßnahmen und die Helfer Wiens (Wie- ner Zivilschutzverband).

Von Seiltechnikvorführungen bis zu »Sofortmaßnahmen« Fotos: Die Helfer Wiens Als Publikumsmagneten erwiesen sich Einsatzvorführungen beim Wiener Sicherheitsfest nicht nur spektakuläre Einsatzvorführungen von Mensch und Tier, wie etwa Darbie- Ausbildungsstand in einer spannenden Seil- Ein buntes Rahmenprogramm für Groß tungen der Polizeidiensthunde. Rettungs- technikvorführung. Nicht fehlen durfte auch und Klein sorgte für abwechslungsreiche teams zeigten, worauf es beim Leben retten die Wiener Berufsfeuerwehr mit modernsten Unterhaltung und das Konzert der „Polizei wirklich ankommt und gaben durch spekta- Einsatzfahrzeugen und ihren neuesten Aus- Musik Wien“ ließ die gefühlten Temperatu- kuläre Einsatzvorführungen Einblicke in rüstungen. Aber auch das Magistrat, wie ren ansteigen. Die Vereinigten Bühnen Wien ihre oft gefährlichen Einsätze. Darüber hin- etwa die Magistratsdirektion Krisenmanage- rundeten das Programm mit einem Best of aus demonstrierte die WEGA (Wiener Ein- ment und Sofortmaßnahmen (MDKS) gab aus „Tanz der Vampire“ ab. satzgruppe Alarmabteilung) ihren hohen Einblicke in ihren spannenden Alltag. http://www.diehelferwiens.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 58 Chronik »Haus der Natur« und National- park - eine starke Symbiose

m „Haus der Natur“ in Salzburg fand am I27. Oktober die Unterzeichnung der Part- nerschaftsvereinbarung zwischen dem „Haus der Natur“ und dem Nationalpark Hohe Tauern statt. Der derzeitige Vorsitzende des länderübergreifenden Nationalparkrates, Na- tionalparkreferent und Kärntens Landes- hauptmann-Stv. Uwe Scheuch, die Salzbur- ger Nationalparklandesrätin Doraja Eberle, der Tiroler Landesumweltreferent LHStv. Hannes Gschwentner und der Leiter des Hauses der Natur, Norbert Winding, beken- nen sich damit zu einer über Jahrzehnte ge- wachsenen Zusammenarbeit, die nun in eini-

gen Eckpunkten auch für die Zukunft ein Foto: Büro LHStv. Scheuch fester Bestandteil der Weiterentwicklung des Wolfgang Urban, LH-Stv. Uwe Scheuch (Kärnten), Norbert Winding LH-Stv. Han- Nationalparks Hohe Tauern sein soll. nes Gschwentner (Salzburg) und die vier Nationalparkranger Matthias Berger, Valeria Hochgatterer, Gerald Sturm und Jonathan Pucher (vordere Reihe, v.l.) Bereits seit der Gründung des National- parks besteht eine enge Zusammenarbeit wird dieser Symbiose nun ein würdiger Voraussetzung, daß sich sowohl die Wis- zwischen diesem und dem Haus der Natur. Rahmen gegeben, welcher über die nächsten senschaft als auch die Umweltbildung quali- Das Nationalparkzentrum Mittersill, zahlrei- Jahre weiterhin die Entwicklung des tativ hochwertig entfalten kann“, sind sich che Ausstellungen, Infostellen, Lehrwege, Nationalparks im Bereich Wissenschaft und die Direktoren des Hauses der Natur und des Publikationen und eine umfassende Daten- Umweltbildung bereichern wird.“ Nationalparks, Norbert Winding und Peter bank zur Fauna und Flora der Hohen Tauern Schwerpunkte der vereinbarten Zusam- Rupitsch, Direktoriumsvorsitzender des sind sichtbare Ergebnisse dieser Koope- menarbeit sind die Biodiversitätsdatenbank Nationalparkrates, einig. ration. des Nationalparks, die Aus- und Weiter- Nicht umsonst gilt der Nationalpark „Die bisherige Zusammenarbeit zwi- bildung der Nationalpark-Ranger sowie die Hohe Tauern heute als „größtes Freiluft- schen dem Haus der Natur und dem Na- Kooperation bei wissenschaftlichen Projek- labor“ sowie als „größtes Klassenzimmer“ tionalpark Hohe Tauern ist seit Jahren im ten. „Wir profitieren beide immens vonein- Österreichs. Der Nationalpark Hohe Tauern Bereich Know-how und Umweltbildung ander. Das Haus der Natur stellt wissen- und das Haus der Natur leisten mit der heute besonders erfolgreich“, freut sich Scheuch. schaftliches Know-how zur Verfügung, der unterzeichneten Kooperation außerdem „Mit diesem Partnerschaftsübereinkommen Nationalpark und sein Management sind einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie und der österreichweiten Nationalparkstrategie. An diesem Tag absolvierten auch vier Nationalpark-Ranger erfolgreich ihre Ab- schlußprüfung im Haus der Natur. Valeria Hochgatterer, Gerald Sturm, Jonathan Pu- cher und Matthias Berger sind nun nach dreijähriger theoretischer und praktischer Ausbildung im Nationalpark Hohe Tauern geprüfte Nationalpark-Ranger. Die Ranger- ausbildung wurde zusammen mit dem Haus der Natur entwickelt. Die einzelnen Ausbildungsmodule wer- den über die Nationalparkakademie Hohe Tauern abgewickelt. Die Ranger sind das Aushängeschild des Nationalparks Hohe Tauern. Mit ihrer umfassenden Ausbildung

Foto: Nationalpark Hohe Tauern vermitteln sie den Besuchern die einzigarti- Ein Gletscherlehrweg demonstriert eindrucksvoll die Folgen der rasanten ge Natur des Parks. Veränderungen – auch im Nationalpark. http://www.hohetauern.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 59 Chronik Individuellere Trauerfeiern Wie würden die WienerInnen eine Bestattung gestalten?

Der Wiener Zentralfriedhof: 500 FriedhofsbesucherInnen wurden vor Allerheiligen zu ihren konkreten Wünschen befragt. iese Frage stellte das Meinungsfor- Befragten. Immer mehr WienerInnen wür- wird der Körper des Verstorbenen bei minus Dschungsinstitut Peter Hajek Public den sich an einen professionellen Nachruf- 196 Grad auf Trockeneis gelagert und in ein Opinion Strategies kurz vor Allerheiligen redner wenden: Immerhin 30 Prozent der spezielles Institut in der Nähe von Detroit, 500 Wienerinnen und Wienern im Auftrag Befragten ziehen diese weltliche Begleitung USA, überführt. Dort hofft man, eines Tages der B&F Wien – Bestattung und Friedhöfe einer geistlichen vor. in der Lage sein zu können, den Toten wie- GmbH. Die Antworten zeigen, daß der allge- Bei der Wahl der Bestattungsform sind der zu erwecken“, erklärt Fertinger. Die meine Trend zur Individualisierung auch vor die Wienerinnen und Wiener zurzeit noch Überführung in die USA sowie die entspre- einem traditionellen Ritus wie der Trauer- konservativ: „Die traditionelle Erdbestattung chende Konservierung auf Trockeneis kann feier nicht Halt macht. 49 Prozent wünschen mit Sarg ist nach wie vor die häufigste Art die Bestattung Wien auf Wunsch durchfüh- sich mehr Individualität und weniger Tradi- der Bestattung in Wien“, berichtet Christian ren. tion bei der eigenen Bestattung. Neun Pro- Fertinger, Geschäftsführer der B&F Wien. Generell gibt es kein anderes Bestattungs- zent sind unentschieden und 25 Prozent set- Die Bestattung und Friedhöfe Wien spüren unternehmen in Österreich, das vergleichba- zen auf die bewährten Rituale. den Trend zur Individualisierung seit gerau- re Erfahrung mit internationalen Überfüh- Eine tiefergehende Befragung hat die mer Zeit in den Beratungsgesprächen und rungen hat, erklärt Fertinger. „Wir organisie- konkreten Wünsche der Wienerinnen und setzen auf höchstmögliche Flexibilität und ren rund 150 Flug-Überführungen pro Jahr. Wiener für den letzten Weg abgefragt. Die ein großes Angebot von Gestaltungsmög- Viele davon in Länder wie Israel, Iran oder Befragten haben zum Teil sehr genaue Vor- lichkeiten. Fertinger: „Natürlich versuchen Saudi Arabien.“ Bei manchen Konfessionen stellungen, wie ihre eigene Bestattung ablau- wir, möglichst alle Wünsche der Hinterblie- kommt neben der aufwendigen Bürokratie fen sollte: Die Wünsche gehen vom Verlesen benen umzusetzen. Allerdings müssen diese auch noch erheblicher Zeitdruck aus religiö- des Lieblingsgedichts über das Abspielen den geltenden Gesetzen entsprechen.“ sen Gründen dazu: Menschen mosaischen spezieller Musikstücke bis zum Trauerkon- Erst kürzlich mußte das Ansinnen eines oder muslimischen Glaubens sollten inner- dukt mit Pferdekutsche Wieners abgelehnt werden, der verfügen halb von 24 Stunden nach dem Ableben 44 Prozent der Befragten wünschen sich wollte, daß nach seinem Ableben die Asche bestattet werden. „Unser Team schafft das in eine alternative Bestattung wie Einäsche- von der Mittelfeldauflage des Hanappi-Sta- vielen Fällen – auch wenn der Ort der Be- rung, See-, Baum- oder sogar Diamant- dions verstreut werden solle. Das Wiener stattung Tausende Kilometer von Wien ent- bestattung. Auch bei Kleidung, musikali- Sanitätsgesetz untersagt das Verstreuen der fernt liegt“, so Fertinger. scher Begleitung und Blumenschmuck reicht Asche eines oder einer Verstorbenen. Für Bestattungen in Wien steht den Hin- die Spannbreite von schlicht bis individuell Einen noch ungewöhnlicheren Wunsch terbliebenen ein breites Spektrum an Mög- und geht oft bis ins Detail (Ergebnisse siehe kann die Bestattung Wien gegebenenfalls er- lichkeiten zur Verfügung, um den letzten beiliegende Charts). Spezielle, für sie wich- füllen: „Es hat zwei Anfragen von Wienern Weg eines Angehörigen so individuell wie tige, Lieder als Begleitung auf der Trauer- für eine kryonische Konservierung nach dem gewünscht zu gestalten. feier wünscht sich knapp die Hälfte der Ableben gegeben. Bei diesem Verfahren http://www.bestattungwien.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 60 Chronik Fest des jugendlichen Ideenreichtums Beeindruckender Präsentationsabend zum Jugendprojektwettbewerb 2010 Fotos: VLK/Ch. Kees Beeindruckender Präsentationsabend zum Jugendprojektwettbewerb 2010 im ORF-Landesstudio Dornbirn enn engagierte junge Menschen ihre Die Gruppe Culture Factory Y schaffte es Mit „Bio-Bücher-Ei“ landete die Gruppe WKreativität und ihren Ideenreichtum mit „Politik on Tour“ auf den zweiten Rang. Junge Bibliothek, Walsertal auf Platz drei. im Teamwork einbringen, dann kommen Und die Gruppe Offene Jugendarbeit Dorn- dabei unterhaltsame und zugleich hochinte- birn erreichte mit ihrem Projekt „Fenster- ressante Projekte heraus.“ Mit diesen Worten salat“ den vierten Rang. Aufgrund des lobte Vorarlbergs Landesrätin Greti Schmid besonderen Sozialen Engagements durfte die Darbietungen beim regionalen Präsen- sich die Hoch-Einradgruppe aus Götzis über tationsabend zum Jugendprojektwettbewerb einen Sonderpreis freuen. 2010 am 16. Oktober in Dornbirn. Auch das Rahmenprogramm am Prä- 12 Projektgruppen mit insgesamt 80 be- sentationsabend konnte sich sehen lassen. teiligten Jugendlichen aus ganz Vorarlberg Die Dancecrews „PPM, PPG und die Dance stellten sich im ORF-Landesstudio dem Pu- Crasher“ der Jugendarbeit Westend sorgten blikum. Sie waren von der Jury in einer Vor- für Stimmung und beste Unterhaltung. Und bewertung ausgewählt worden, um am das leibliche Wohl der Gäste, Freunde und Präsentationsabend die Besten zu ermitteln. Fans wurde mit einer klimagerechten Jause Im Anschluß an die bunten und informativen des Jugendarbeitsprojektes „Gute Geister“ Projektvorstellungen sowie die Juryberatung aus Lustenau bedient. stand das Ergebnis fest: Der Sieg ging an die Die prämierten Jugendprojekte werden Gruppe der Offenen Jugendarbeit Vorarlberg beim interregionalen Finale ver- Bregenzerwald mit ihrem Projekt „Schlag- treten, das am 20. November im Kulturlokal kräftig mit Verstand“. Die Jury begründete Krempel in der Schweizer Stadt Buchs über ihre Entscheidung insbesondere damit, daß die Bühne gehen wird. Dort präsentieren sie gerade im Zeitalter wo Mobbing ein großes sich gemeinsam mit den GewinnerInnen der Thema ist, dieses auch angesprochen werden Jugendprojektwettbewerbe aus Lichtenstein darf und soll. Landesrätin Greti Schmid gratulierte und St. Gallen.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 61 Chronik KWP-Geburtstagsfest mit Bürgermeister Häupl Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser feierte 50. Geburtstag

enau vor 50 Jahren, nämlich am 7. Ok- Gtober 1960, wurde der gemeinnützige Fonds „Kuratorium Wiener Pensionisten- Wohnhäuser“ (KWP) vom Wiener Gemein- derat gegründet. Aus diesem Grund feierten die rund 300 BewohnerInnen und Mitarbei- terInnen im Pensionisten-Wohnhaus Marga- reten am 17. Oktober ein großes Geburts- tagsfest. Unter den Gratulanten: Bürger- meister Michael Häupl, die Präsidentin des KWP, Gesundheits- und Sozialstadträtin Sonja Wehsely sowie Bezirksvorsteher Kurt Wimmer. „Die Häuser zum Leben haben sich in den vergangenen 50 Jahren dynamisch ent- wickelt. In den 1960er Jahren haben sie leist- bare, neue Wohnstandards gesetzt, jetzt geht es den BewohnerInnen zusätzlich auch um

ein sozial sicheres Wohnen mit Betreuung Foto: Schaub-Walzer / PID im Alltag. Darüber hinaus bieten die Häuser Bürgermeister Michael Häupl, Präsidentin des KWP, Gesundheits- und Sozialstadt- zum Leben neben gelebten Hausgemein- rätin Sonja Wehsely, die Geschäftsführerin des KWP, Gabriele Graumann, und die 90jährige Josefa Capek feierten den 50. Geburtstag des KWP. schaften ein abwechslungsreiches Freizeit- programm, das seinesgleichen sucht“, strich Bürgermeister Häupl die Vorzüge der Häuser zum Leben hevor. Gleichzeitig betonte Häupl die Zukunftsperspektive: „Die Häuser zum Leben werden auch in Zukunft ein attraktives Angebot für die WienerInnen bie- ten. Die vier Innovativen Wohn- und Pflege- häuser, zwei werden bereits gebaut, sind ein Garant dafür.“ Die 31 „Häuser zum Leben“ bieten selbst- bestimmtes Wohnen und damit Lebens- qualität für rund 9300 BewohnerInnen in fast allen Bezirken. Gemeinsam mit den 172 Pensionistenklubs und Seniorentreffs der Stadt Wien ist das KWP österreichweit der größte Anbieter von SeniorInnenbetreuung. Die „Häuser zum Leben“ waren bei ihrer

Gründung unter Bürgermeister Franz Jonas Foto: KWP und Wohlfahrtsstadträtin Maria Jacobi 1960 »Häuser zum Leben«: Partnerschaftliches Zusammenleben wie in der eigenen als wichtige soziale Leistung der Stadt für Wohnung einen gesicherten Lebensabend der Kriegs- so stehen heute für die SeniorInnen die Be- leistungsstandards wurden umgesetzt, um generation eingerichtet worden. In den dar- treuungssicherheit bei Erkrankung oder den gestiegenen Anforderungen gerecht zu auffolgenden Jahrzehnten entwickelte sich Pflegebedürftigkeit, die Erhaltung der sozia- werden. die Organisation weiter und ist heute in Ös- len Kontakte und eine aktive Freizeitgestal- Gefeiert wurde der Geburtstag zeitgleich terreich führend bei Wohn- und Pflegeein- tung im Vordergrund. Der Marktentwicklung in allen 31 „Häusern zum Leben" mit den richtungen für SeniorInnen. entsprechend wurde das KWP daher in den BewohnerInnen sowie 3400 MitarbeiterIn- Während zu Beginn der häufigste Ein- letzten Jahren einem starken Wandel unter- nen. zugsgrund die komfortablere Wohnung war, zogen. Zeitgemäße Ausstattungs- und Dienst- http://www.kwp.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 62 Chronik Viel Vergnügen im alten Wien Having a Good Time in Old Vienna Foto: Österreich Journal Das Riesenrad im Wiener Prater zählt – neben dem Stephansdom – zu den weltbekannten Wahrzeichen der Stadt.

echnik dominiert heute die Welt der Un- te, um über die Neuordnung Europas zu be- zum Sperl oder Sophienbadsaal, alles drehte Tterhaltung – MP3-Player, Internet, Fern- raten und sich dabei köstlich zu amüsieren. sich im Walzertakt. sehen. Die Menschen im Wien des 19. Jahr- Staatskanzler Metternichs strenges Regi- Auch das Theater erlebte im Wiener hunderts konnten davon nicht einmal träumen ment führte zum Revolutionsjahr 1848. Auf Biedermeier seine Blütezeit. Einige der und doch setzten sie Maßstäbe des Ver- Befehl des jungen Kaisers Franz Joseph wich berühmtesten Bühnen der damaligen Zeit gnügens für die damalige Zeit und teilweise die mittelalterliche Stadtmauer der Ringstraße fielen jedoch der Umgestaltung der Innen- auch für die Gegenwart. In Tanzsälen, die bis und ihren Prachtbauten. Wien verschmolz stadt zum Opfer und sind heute nur noch zu 10.000 Gäste faßten, ließen sie sich zu den mit seinen Vorstädten und wuchs rasant. Als Erinnerung. Das alte Hofburgtheater am Klängen von Joseph Lanner oder Johann Begleitmusik zu diesen historischen Ereig- Michaelerplatz, das Kärntnertortheater an Strauß verzaubern. Im Prater wurde Venedig nissen eroberte ein neuer Tanz im Dreivier- der Stelle des heutigen Hotel Sacher oder samt Lagunen und echten Gondeln nachge- teltakt die Welt. das in der Praterstraße. Erhalten baut, Buffalo Bill zeigte seine „Wild West blieben: Das , ewig ver- Show“. In Hietzing stand eine Kopie der Al- Wiener Tanzvergnügen bunden mit dem Schauspieler und Libret- hambra von Granada und die größten Zir- und Theaterzauber tisten von Mozarts „Zauberflöte“, Emanuel kusse der Welt waren zu Besuch. Das Buch Die Hauptstadt der Donaumonarchie Schikaneder, oder das Theater in der Josef- „Viel Vergnügen im alten Wien“ von Erich wurde zur Weltstadt der Musik. Der Sie- stadt. Große Namen wie Ferdinand Raimund Vorrath, erschienen im Carl Gerold’s Sohn geszug des Walzers war nicht mehr aufzu- und Johann Nestroy, die auch selber in ihren Verlag, lädt zu einer fröhlichen Reise in die halten. Längst vergessene Tanzpaläste von Stücken spielten, oder Josef Anton Stranitz- Vergangenheit der einstigen Kaiserstadt ein. monumentalem Ausmaß stillten die Sehn- ky, dem Schöpfer des Wiener Wurschtels, Das 19. Jahrhundert war für Wien eine sucht der Menschen nach glanzvollen Fe- bilden den Grundstein für die vielseitige bewegte Zeit. Am Anfang hallte Kanonen- sten. Das Apollo mit seinen 36 Sälen bot bis Wiener Theaterszene der Gegenwart. donner der Schlachten von Aspern und zu 10.000 Gästen Platz, ähnlich das Odeon Deutsch-Wagram bis in die Innenstadt. oder Schwendner’s Kolosseum. Johann Prater und Zirkus Napoleon residierte für kurze Zeit in Schön- Strauß Sohn gab sein Debut im Dommayers In Erich Vorraths Buch kommt auch der brunn bis sich der Wiener Kongreß einniste- Casino in Hietzing 1844. Vom Hofball bis älteste Vergnügungspark der Welt mit seiner

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 63 Chronik

Beitrag“ ließ nicht lange auf sich warten. Franz von Suppé, Karl Millöcker, um nur einige zu nennen, bis hin zu Emmerich Kál- mán oder Franz Lehár drückten der Operette ihren eigenen Stempel auf. Und natürlich Johann Strauß Sohn. Vorrath erinnert auch an die großen Sängerinnen und Sänger sowie Schauspieler jener Zeit, wie Marie Geistin- ger, Josefine Gallmeyer oder Alexander Girardi.

Beim Heurigen und den Schrammeln Eine Vergnügungsreise durch das alte Wien wäre nicht komplett ohne die tradi- tionsreiche und unsterbliche Institution des Heurigen und des Wiener Liedes. In drei Kapiteln widmet sich Erich Vorrath den be- rühmten Buschenschänken und ihren Wein- bauern, die sich bis heute erhalten haben

Abbildungen: commons.wikimedia / Autor unbe- kannt sowie den Volkssängern, die das Wiener Das Kärntnertortheater um 1830 – an seiner Stelle steht heute das Hotel Sacher. Lied unsterblich gemacht haben. Allen voran die legendären Schrammeln, aber auch abwechslungsreichen Geschichte nicht zu wanderte auch in die Welt der Operette, er- Edmund Guschelbauer, Emilie Turecek alias kurz. Der Prater, der sich vom kaiserlichen muntert von keinem geringeren als Jacques Fiakermilli oder Josef Bratfisch, im Haupt- Jagdrevier zur Erlebnismeile der Superlative beruf eigentlich Leibfiaker von Kronprinz entwickelte, hatte schon immer einen beson- Rudolf. Ihre größten Erfolge feierten sie alle deren Platz im Herzen der WienerInnen . Für in den berühmten Heurigen der Stadt, wie die Kleinsten eröffnete 1835 das erste Kas- dem Stahlehner, dem Gschwandner oder der perltheater, das Fernweh der Erwachsenen 10er Marie. wurde mit dem Bau einer Miniaturausgabe Erich Vorraths Buch „Viel Vergnügen im Venedigs mit echten Lagunen und Gondeln alten Wien“ ist zugleich Einladung und gestillt. 1897 erhielt Wien sein berühmtes Streifzug in die Vergnügungswelt der Donau- Wahrzeichen – das Riesenrad. metropole im 19. Jahrhundert. Mit unterhalt- Der Prater diente auch als Kulisse für samen und zugleich wissenswerten Anekdo- Aufführungen der berühmtesten Zirkusse ten und Details erzählt Vorrath, wie die Wie- jener Zeit – allen voran Barnum & Bailey’s nerInnen trotz oder vielleicht wegen großer „Größte Schaustellung der Welt“. Auch jener und folgenreicher historischer Ereignisse Mann, der lange vor John Wayne für die eine Leichtigkeit des Seins zelebrierten, die Menschen im 19. Jahrhundert der Inbegriff ihresgleichen auch in der Gegenwart sucht. des amerikanischen Cowboy war, Buffalo Die wichtigsten Protagonisten dieser fröh- Bill, machte mit seiner „Wild West Show“ lichen Seiten des damaligen Lebens schufen zweimal in Wien Station. Amerikanische Ur- musikalische und literarische Kunstwerke einwohner, Coltduelle vor dem Saloon und von Weltgeltung und gaben „ihrem“ Wien Rodeos – hautnah im Wiener Prater. jenen Esprit, der diese Stadt weiterhin prägt und weltberühmt macht. Könige des Walzers und der Operette http://www.cgs-verlag.at Die Entstehungsgeschichte des Walzers ist untrennbar mit seinen berühmtesten Schöp- Johann Strauß Sohn (1825–1899) Viel Vergnügen im alten Wien fern verbunden. Allen voran Joseph Lanner Offenbach. „Glauben Sie mir, Walzertänze, Having a Good Time in Old Vienna und Johann Strauß Vater, die sogar eine Zeit so charmant sie auch sein mögen, sind nicht Von Erich Vorrath Verlag: Carl Gerold’s lang zusammen auftraten. Beide hinterließen genug für einen Mann Ihrer Begabung. Sie Sohn Verlagsbuch- ein großes musikalisches Vermächtnis. müssen sich aufraffen, für die Bühne zu handlung KG, Wien, Strauß schenkte der Welt aber auch drei schreiben. Operetten“, sagte Offenbach bei Mai 2009, Hardcover, Söhne: Johann, Joseph und Eduard, die in ihrer ersten Begegnung. 230 x 250 mm, 144 S. die Fußstapfen ihres Vaters traten und die „Was uns so wienerisch erscheint, stammt Deutsch/Englisch bedeutende Walzer-Dynastie begründeten. in Wahrheit aus Paris – Jacques Offenbach Viele Farb- und SW- Johann Strauß Sohn wurde bald der größte gilt als der eigentliche Schöpfer der Operet- Abbildungen Euro 39,-, ISBN: 978-3-9502631-2-1 und weltberühmte Walzerkönig. Er beließ es te“, schreibt Erich Vorrath in seinem Kapitel http://www.cgs-verlag.at aber nicht nur beim Dreivierteltakt, sondern über diese Musikform. Aber der „Wiener

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 64 Personalia Er hieß Maurer… er war ein Bauer – und er wurde zum Baumeister Niederösterreichs. Am 26. Oktober starb Altlandeshauptmann Andreas Maurer im 91. Lebensjahr.

Von Herbert Pollak und Hans Maad *)

Andreas Maurer hat das schönste Denk- mal erhalten, das ein Mensch bekommen LH Pröll: »Das Land trägt seine Handschrift« kann, sagt Landtagspräsident Hans Penz in seiner berührenden Trauerrede, Maurer stehe in den Herzen der Mitmenschen. ie Sonne lacht vom Himmel, doch die DStimmung im Landtagssaal ist am Mit- tag des 29. Oktober mehr als gedrückt, als der Präsident des Landtags zu seiner „schmerzlichsten und gleichzeitig auch ehrenvollsten Aufgabe“ schreitet. Es ist eine Trauerrede, in der Hans Penz sichtlich be- wegt nach jenen Worten sucht, die dem Ver- storbenen gerecht werden sollten.

»Man ist fassungs- und sprachlos« Natürlich müsse man bei einem Men- schen, der 91 Jahre sei, damit rechnen, daß jener Tag nicht mehr fern sei, wo man für immer Abschied nehmen müsse. „Und doch, ist es dann so weit, ist man fassungslos, LH Erwin Pröll gratulierte 2009 Alt-LH Andreas Maurer zum 90. Geburtstag. sprachlos und wortlos“, artikuliert Penz leise r hat dieses Land geliebt. Er war die- letzt „ein aufrichtiger Begleiter, ein hilfrei- und doch zugleich auch voller Emotion. Esem Land bis in die tiefste Seele ver- cher Ratgeber und ein väterlicher Freund“ „Sei der, der Du bist“, riet Andreas Mau- bunden und er hat sein Leben diesem Land gewesen. rer immer, ein Grundsatz, den der Alt-Lan- gewidmet“, sagte Landeshauptmann Erwin Andreas Maurer habe auch nach sei- deshauptmann selbst wie kein anderer ver- Pröll im Rahmen der Trauersitzung der nem Ausscheiden aus der Landesregierung körperte und den er seinen Weggefährten NÖ Landesregierung zum Tod von Lan- „das Land nie aus den Augen verloren“, immer wieder in Erinnerung rief. Mit diesem deshauptmann a. D. Andreas Maurer. sagte der Landeshauptmann abschließend: Grundsatz habe Andreas Maurer Unschätz- Ohne Andreas Maurer wäre Nieder- „Andreas Maurer war ein großer Sohn un- bares für unser Land geleistet, sowohl österreich „nicht das, was es heute ist, und seres Landes, eine große Persönlichkeit menschlich wie politisch. „Er besaß schier nicht dort, wo es heute ist“, so Pröll in sei- und ein großartiger Mensch.“ unerschöpfliche Kraft, Leidenschaft und ner Trauerrede: „Er hat das Fundament für Andreas Maurer war über 16 Jahre Überzeugung. Eigenschaften, die in Maurers das heutige Niederösterreich gelegt. Er Mitglied der NÖ Landesregierung und hat schrecklichen Erfahrungen aus der Zeit des war der Baumeister Niederösterreichs.“ an rund 700 Regierungssitzungen teilge- Kriegs und des Nationalsozialismus wurzel- Den Bau von Straßen und Brücken, die nommen. Von November 1966 bis Jänner ten“, erinnert Penz. Es sind dies Erlebnisse, Verbesserung von Schulstruktur und 1981 bekleidete er das Amt des Landes- die den Betroffenen nicht mehr los lassen. Schulorganisation, den Beschluß einer hauptmannes. „Er sprach noch vor wenigen Tagen davon, neuen Landesverfassung, die Abwicklung Nach der Trauersitzung der NÖ Lan- als ich ihn in seinem Haus in Trautmanns- von großen Betriebsansiedlungen und die desregierung trat auch der NÖ Landtag zu dorf besuchte.“ Neuordnung der Gemeindestruktur nannte einer Trauerkundgebung zusammen. Da- Landeshauptmann Pröll u. a. als Beispiele nach folgte der Abschied durch die Lan- Die großen Leistungen für das Wirken seines Vor-Vorgängers. desregierung und die Landtagsabgeord- eines großen Politikers „Andreas Maurer hat Spuren hinterlassen. neten in der Landhauskapelle. Nach der Andreas Maurer hat am Beginn seiner Ära Das Land trägt seine Handschrift“, so Pröll. Verabschiedung der Vereine hat Diözesan- als Landeshauptmann gewaltige Herausfor- Durch seine Persönlichkeit sei Andreas bischof Klaus Küng die feierliche Einseg- derungen meistern müssen. Er hat ein Land, Maurer ein „Vorbild im Dienst und Dienen nung vorgenommen. Im Anschluß erfolgte das durch einen Skandal erschüttert war, an der Heimat“, gewesen, betonte der die Überführung des Sarges nach Traut- *) Herbert Pollak ist seit 1. August 2007 Redaktionslei- Landeshauptmann weiters. Für ihn persön- mannsdorf, wo am 30. Oktober die Bei- ter der NÖ Ausgabe der „Österreichischen Bauern- lich, so Pröll, sei Andreas Maurer bis zu- setzung stattfand.

zeitung“, Hans Maad schreibt dort seit August 2005. Foto: ZVG

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 65 Personalia wieder geeint, er hat den Ausbau der Infra- struktur vorangetrieben, er hat Niederöster- reich wirtschaftlich auf die Überholspur gebracht – unter seiner Ägide wurden die Donaubrücken in Krems, Hainburg und Melk gebaut und die Landesausstellungen in den Regionen eingeführt. Andreas Maurer habe damit die Saat für ein neues Selbstbewußtsein, für ein nieder- österreichisches Landesbewußtsein gelegt.

Oft gab es heftige Widerstände Heftig war der Widerstand gegen die Ge- meindezusammenlegungen, die Maurer ini- tiiert hat. Er habe Niederösterreich vom Agrar- land zum Industrieland gemacht, war Weg- bereiter eines neuen Demokratieverständ- nisses, in dem Niederösterreich als erstes Bundesland eine Verfassung erhielt, in der LH Erwin Pröll bei der Trauersitzung der NÖ Landesregierung die Mitbestimmungsrechte von Bürgern und Gemeinden festgeschrieben wurden. Vorrei- ter war Niederösterreich auch in anderen Dingen. Als erstes Bundesland erhielt es ein Raumordnungsgesetz, ein Sportförderungs- gesetz, ein Landwirtschaftsgesetz und eine Umweltschutzanstalt. Der verstorbene Alt-Landeshauptmann sei ein Mensch klarer Wertvorstellungen ge- wesen. Maurer seien die Achtung vor ande- ren, der Respekt vor der Schöpfung und sein tiefer Glaube ein festes Fundament gewesen. Und Maurer, so der Landtagspräsident, hat mit seiner starken Persönlichkeit bewiesen, daß sich menschliche Größe und politischer Erfolg nicht ausschließen müssen.

Warum Maurer ein moderner Politiker war Andreas Maurer war wahrscheinlich der Einsegnung in der Landhauskapelle durch Bischof Klaus Küng modernste Politiker seine Zeit. Dies argu- mentiert Penz mit Maurers Bereitschaft und Fähigkeit auf Menschen zuzugehen, zuzuhö- ren und immer auch dazuzulernen. Das sei auch Maurers Gabe zuzuschreiben, mit jedermann auf Augenhöhe zu sprechen, er konnte mit gekrönten Häuptern genauso kommunizieren, wie mit Gemeindefunktio- nären. Legendär auch Maurers Liebe zum Land und seinen Menschen, seine Verbundenheit mit der Blasmusik, die sich auch so doku- mentiert hat, daß Maurer das Mundstück für sein geliebtes Baßflügelhorn immer in seiner Hosentasche mit gehabt habe.

Lebensleistung schon zu Lebzeiten anerkannt

Andreas Maurer habe jenen Mut und Fotos: NLK Johann Pfeiffer Weiblick gezeigt, der heute in der Tages- Die Mitglieder der Landesregierung vor dem Niederösterreichischen Landhaus

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 66 Personalia Foto: NLK Johann Pfeiffer Landeshauptmann Erwin Pröll verabschiedet sich von seinem Vor-Vorgänger in der Kirche von Trautmannsdorf.

politik so oft vermißt werde. Er hat Politik und ÖVP-Chef Josef Pröll. Angeführt von Aus den Kondolenzen gemacht, aber nicht indem er Papiere vorleg- Erwin Pröll und Landtagspräsident Hans Bundespräsident Heinz Fischer te, sondern Politik vorlebte. Das „Wir“ sei Penz war die gesamte NÖ Landesregierung Bundespräsident Heinz Fischer hat in ihm immer wichtiger als das „Wer“ gewe- bei dem Begräbnis anwesend. einem Schreiben der Witwe des verstorbe- sen. Zelebriert hat des Requiem der ememali- nen niederösterreichischen Alt-Landeshaupt- Daß dies alles offenbar auf fruchtbaren ge Wiener Weihbischof Helmut Krätzl, der manns Andreas Maurer kondoliert. Darin Boden gefallen ist, zeige die Tatsache, daß als „Freund dem Freund“ dankte und Maurer würdigte das Staatsoberhaupt, daß Maurer Maurers Lebensleistung schon zu seinen als „erdverbunden, lebensnah und uner- als Gemeindemandatar, Landesrat und vor Lebzeiten erkannt und anerkannt wurde. schrocken“ charakterisierte. Namens Kardi- allem während seines 15jährigen Wirkens „Das ist eine Gnade“, urteilt Penz. nal Christoph Schönborn und der Erzdiözese als Landeshauptmann maßgeblich zum wirt- Und in christlicher Überzeugung sagt Wien würdigte Bischof Krätzl den Ver- schaftlichen Aufschwung und zur Moder- Hans Penz: „Danke für alles, was Du für uns storbenen für sein glaubwürdiges christli- nisierung Niederösterreichs beigetragen gewesen bist und was Du für dieses Land ches Lebenszeugnis, für sein Beispiel als Fa- habe. Vom Tod Maurers habe er mit großer geleistet hast.“ milienvater und für seine hervorragende Betroffenheit gehört. Dieser habe Nieder- Politik. Ganz besonders galt Bischof Krätzls österreich und seinen Menschen mit großer Begräbnis unter großer Anteilnahme Dank auch der Gattin des Verstorbenen, Hingabe gedient. Weit über die Grenzen des Requiem und Beisetzung von Altlandes- Hermine. Assistiert bei der Meßfeier haben Bundeslandes würden sich daher viele Men- hauptmann Ök.-Rat Andreas Maurer haben der Klosterneuburger Propst Bernhard schen mit Dankbarkeit und großem Respekt am 30. Oktober im Heimatort des Ver- Backovsky, der Herzogenburger Propst seiner erinnern – „und auch ich werde ihm ewigten in Trautmannsdorf an der Leitha Maximilian Fürnsinn und der Melker Altabt stets ein ehrendes Angedenken bewahren“, stattgefunden. Gemeinsam mit Hunderten Burkhard Ellegast. Auch der Evangelische schreibt der Bundespräsident. Trauergästen haben zahlreiche Wegbegleiter Superintendent Paul Weiland hat an den dem Verstorbenen die letzte Ehre erwiesen. Feierlichkeiten teilgenommen. Bundeskanzler Werner Faymann Aus der Politik erwähnt seien Landes- Danke der „Österreichischen BauernZeitung“, Bundeskanzler Werner Faymann würdig- hauptmann a.D. Siegfried Ludwig, Außen- daß wir diesen Beitrag übernehmen durften! te Andras Maurers Lebenswerk: „Österreich minister a.D. Alois Mock sowie Vizekanzler http://www.bauernzeitung.at verliert mit Andreas Maurer einen großen

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 67 Personalia

Patrioten, der sich um Österreich und sein österreichischen Landeshauptmannes. „Ich nach. Mit Maurer verliert Österreich eine Land Niederösterreich im höchsten Maße bin sehr betroffen von Maurers Ableben, der echte und äußerst verdiente Politiker-Per- verdient gemacht hat. Die österreichische viele Weichen für ein fortschrittliches Nie- sönlichkeit“, schloß Grillitsch. Bauernschaft verliert eine ihrer prägenden derösterreich gestellt hat. Mein Mitgefühl Persönlichkeiten des letzten Jahrhunderts.“ gilt besonders seiner Witwe Hermine, mit Landesrätin Barbara Rosenkranz Andreas Maurer sei in allen seinen Funk- der er über 60 Jahre lang verheiratet war“, so „Mit Alt-Landeshauptmann Maurer ver- tionen als Gemeinderat in Trautmannsdorf Preineder. liert Niederösterreich einen verdienten Po- an der Leitha, als Landtagsabgeordneter, Lan- „In all seinen Funktionen hat er stets die litiker, die Maxime seines Tuns waren im- desrat und von 1966 bis 1981 als Landes- bäuerlichen Werte hochgehalten. Mit An- mer die Menschen in diesem Land!“, sagte hauptmann von Niederösterreich in der ihm dreas Maurer verliert die Bauernschaft eines LR Barbara Rosenkranz. „In seiner Amtszeit eigenen, sympathischen Art der Volksver- ihrer großen Vorbilder. Andreas Maurer wird wurde der Grundstein für das heutige Nie- bundenheit immer bei den Sorgen und Nöten aber nicht vergessen werden. Seine Vorbild- derösterreich gelegt, herausragende Ver- der Menschen gewesen. „Sein Herz und seine funktion wird über seinen Tod hinaus erhal- dienste hat sich Maurer in der Neuaufstel- ganze politische Kraft galten seinem Hei- ten bleiben“, so Preineder abschließend. lung der Infrastruktur in unserem Bundes- matland Niederösterreich und der österrei- land erworben“, so die Landesrätin weiter. chischen und niederösterreichischen Bauern- Bauernbund-Präsident Fritz Grillitsch „Ich möchte daher seiner Familie meine schaft“, so Faymann. „Andreas Maurer war eine politische aufrichtige Anteilnahme ausdrücken, An- „Namens der Bundesregierung und in Persönlichkeit, die Sachpolitik, Handschlag- dreas Maurer wird in den Herzen der Nieder- meinem eigenen Namen möchte ich der Fa- qualität und Wertorientierung auf sich verei- österreicher bleiben“, schloß Rosenkranz. milie von Alt-Landeshauptmann Maurer und nen konnte. Das macht den NÖ Alt-Landes- dem Land Niederösterreich mein tiefemp- hauptmann auch zum Vorbild für unser heu- Klubobfrau der NÖ Grünen, fundendes Mitgefühl über den Verlust dieser tiges politisches Entscheiden und Handeln“, Marlene Petrovic großen politischen Persönlichkeit zum Aus- bedauert Bauernbund-Präsident Fritz Gril- Madeleine Petrovic, Klubobfrau der Grü- druck bringen. Wir werden Andreas Maurer litsch das Ableben des 91jährigen Politikers. nen Niederösterreich, konnte den Tod von in guter Erinnerung bewahren“, schloß der „Tief im Bauernstand verwurzelt, verstand Alt-Landeshauptmann Andreas Maurer Bundeskanzler. Maurer die Sorgen und Bedürfnisse der „noch gar nicht fassen: Er war stets präsent ländlichen Bevölkerung. Zugleich ist es ihm bei allen festlichen Anlässen in Niederös- Vizekanzler Josef Pröll aber auch gelungen, notwendige Neuerun- terreich oder im Palais Niederösterreich in Tief betroffen über das Ableben des lang- gen durch- und umzusetzen und das Land Wien. Erst vor kurzem hat er ein Buch prä- jährigen Landeshauptmannes von Nieder- Niederösterreich mit Sorgfalt und Umsicht sentiert. Sein Tod ist noch sehr unwirklich“, österreich, Andreas Maurer, zeigte sich ÖVP- für alle Bevölkerungsteile weiterzuentwick- so Petrovic. Die Grüne ist sich aber sicher, Bundesparteiobmann Finanzminister Josef keln“, so Grillitsch. Wie kein Zweiter habe daß er auch weiterhin präsent sein wird. Pröll. „Die Volkspartei verliert mit Andreas Maurer somit die 70er- und 80er-Jahre in „Sein Herz schlug für Niederösterreich. Er Maurer einen großen Niederösterreicher, der seinem Bundesland und darüber hinaus war ein ruhiger und besonnener Landes- wesentlich am Aufbau des Bundeslandes geprägt. „Seine Ära als Landeshauptmann hauptmann, der das Land mit seinen Worten nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligt war und als Obmann des NÖ Bauernbundes und Taten geprägt hat – so einen Mann ver- und sich stets mit ganzer Seele für die Men- wirkt auf seine Nachfolger bis heute positiv gißt man nicht“, so Petrovic. schen in Niederösterreich, speziell für den Bauernstand, eingesetzt hat“, so Pröll. Andreas Maurer, Erinnerungen Bearbeitet von Gerda Mraz „Andreas Maurer war ein großer Euro- päer und Niederösterreicher. Er war auch ein ndreas Maurer, Jahrgang 1919, gilt als Ausbau des höheren Schulwesens. 1980 er- großer Reformator, der stets die Zeichen der AUrgestein der österreichischen Politik. öffnet er in Niederösterreich die 1000. Schule. Zeit erkannt hat und der mit seinem uner- Sein Lebensplan war, die Bauernwirtschaft Die Historikerin Gerda Mraz hat die müdlichen Einsatz für die Weiterentwicklung der Eltern zu übernehmen. Aber es kam autobiographischen Texte aufgezeichnet und seines Bundeslandes die Grundlagen für die anders. Als Mittzwanziger lehnte er sich ge- um eine sorgfältig recherchierte, umfangrei- beispiellose Erfolgsgeschichte Niederöster- gen Maßnahmen des Bezirksbauernrates auf che Fotodokumentation über Persönlichkeit reichs gelegt hat. Unser Mitgefühl gilt in die- und wurde anschließend in dieses Gremium und Lebensweg des Autors ergänzt. sen Stunden seiner Familie und seinen An- berufen. Das war der Anfang einer steilen gehörigen“, so Pröll abschließend. politischen Karriere. Andreas Maurer war Andreas Maurer, von 1964 bis 1966 Landesrat unter Leopold Erinnerungen Bundesratspräsident Martin Preineder Figl und 1966 bis 1981 Landeshauptmann Bearbeitet von Gerda „Andreas Maurer war nicht nur ein von Niederösterreich. Die wichtigsten Neue- Mraz Baumeister des modernen Niederösterreich, rungen seiner Zeit sind der Ausbau des Stras- 2009, 208 S. er war auch ein bodenständiger und prinzi- sennetzes, der Bau von drei Donaubrücken, 149 s/w u. farb. Abb. pientreuer Politiker, der von seiner bäuer- zahlreiche bildungspolitische Maßnahmen 23,5 x 15,5 cm lichen Herkunft tief geprägt war“, sagte der wie ein flächendeckendes Netz von kosten- Gb. mit SU. Bundesratspräsident und Stellvertretende freien Kindergärten und Schulen und das Preis: € 24.90 Obmann des NÖ Bauernbundes Martin Prein- Ende der achtklassigen Volksschule und die 978-3-205-78314-5 eder zum Ableben des ehemaligen nieder- Einführung der Hauptschulpflicht bzw. den http://www.boehlau.at/978-3-205-78314-5.html

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 68 Personalia Goldene Ehrenmedaille an Albert Hochleitner Würdigung des Engagements des langjährigen Siemens Generaldirektors durch die Stadt Wien

iens Finanz- und Wirtschaftsstadträtin WVizebürgermeisterin Renate Brauner überreichte am 3. November im Beisein von Bürgermeister Michael Häupl sowie zahlrei- cher hoher Ehrengäste aus Politik, Wirt- schaft und Wissenschaft in feierlichem Rah- men die „Ehrenmedaille der Bundeshaupt- stadt Wien in Gold“. Träger dieser hohen Auszeichnung ist Albert Hochleitner, lang- jähriger Vorsitzender des Vorstandes der Siemens AG Österreich sowie ehemaliger Präsident der Industriellenvereinigung (IV) Wien. In ihrer Laudatio bezeichnete Brauner Hochleitner als „exzellenten Manager und profunden Kenner der österreichischen Wirtschafts- und Politiklandschaft, der in verschiedensten Funktionen den Wirt- schafts- und Industriestandort Wien nachhal- tig positiv geprägt hat“. Unter seiner Füh- rung entwickelte sich Siemens Österreich zur viel zitierten „Perle“ und ertragreichsten Tochter innerhalb des weltweiten Konzerns. Siemens Österreich bekam zusätzliche Ver- antwortung für zahlreiche Landesgesell- Foto: media wien / PID schaften und entwickelte sich zu einem An- Albert Hochleitner erhält »Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold«, im Bild mit Bürgermeister Michael Häupl (l.) und Vizebürgermeisterin Renate Brauner. bieter einer vielfältigen Angebotspalette von hochinnovativen Produkten und Dienst- nische Physik zu studieren. 1965 schloß er und 2005, nach seinem Ausscheiden aus leistungen. „Albert Hochleitner hat damit das Studium mit der Sponsion zum Diplom- dem Vorstand, Mitglied des Aufsichtsrates nicht nur das Unternehmen in eine viel ver- ingenieur ab. Seine berufliche Laufbahn der Siemens AG Österreich. Neben seiner sprechende Zukunft geführt, er hat auch den begann bei den damaligen Wiener Schwach- Funktion bei Siemens war Albert Hoch- Standort Wien nachhaltig aufgewertet“, so stromwerken, wo er 1967 Abteilungsleiter leitner u.a. auch langjähriger Präsident der Brauner. Hochleitner habe stets „visionär in der Softwareentwicklung für den Bereich Industriellenvereinigung Wien, Obmann des die Zukunft geblickt“ und durch sein En- Energietechnik wurde. Im Jahr 1977 über- Fachverbandes der Elektro- und Elektronik- gagement gerade auch im Forschungs- und nahm er die Leitung der Abteilung Ent- industrie sowie Mitglied des Rats für For- Technologiebereich maßgeblich zur erfolg- wicklungen für Automatisierungs- und Leit- schung- und Technologieentwicklung. reichen Entwicklung Wiens als Wissens- technik des Bereiches Programm- und Hochleitner wurde für seine außerordent- hauptstadt beigetragen. Hochleitner habe Systementwicklung bei der 1971 gegründe- lichen Verdienste um die stete Weiter- „den europäischen Gedanken mit Leben ten Siemens AG Österreich. Unter seiner entwicklung des Wirtschaftsstandortes Wien erfüllt“ und durch die Forcierung überregio- Führung entwickelte sich die Siemens bereits mehrfach ausgezeichnet. Wie zum naler Kooperationen auch zur Positionierung Programm- und Systementwicklung (PSE) Beispiel mit dem „Großen Silbernen Ehren- Wiens als Wirtschaftsdrehscheibe im Herzen zu einem der international größten Soft- zeichen für Verdienste um die Republik von Zentral- und Osteuropa wesentlich bei- warehersteller. Österreich“, mit dem „Goldenen Ehrenzei- getragen, betonte die Vizebürgermeisterin. Nach einigen Jahren beruflicher Tätigkeit chen für Verdienste um das Land Wien“, der im Ausland, erfolgte im Jahr 1992 die „Ehrenmedaille der Wirtschaftskammer Albert Hochleitner Ernennung zum ordentlichen Vorstandsmit- Wien“, dem „Bundesverdienstkreuz des Ver- Albert Hochleitner wurde am 4. Juli 1940 glied der Siemens AG Österreich. 1993 dienstordens der Bundesrepublik Deutsch- in Wien geboren. Nach der Matura begann er wurde Hochleitner stellvertretender Vorsit- land“ oder dem Ehrendoktorat der techni- an der Technischen Hochschule Wien Tech- zender, 1994 Vorsitzender des Vorstandes schen Wissenschaften der TU Wien.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 69 Wissenschaft & Technik Schwungräder speichern Öko-Energie Auf der Suche nach Energiespeichermethoden verbindet man an der Technischen Universität (TU) Wien modernste Technologie mit bewährten Ideen: High-Tech-Schwungräder sollen Energie stundenlang konservieren.

as nützt eine Solarzelle, wenn man nung des Rotors verändert seinen Abstand Wden elektrischen Strom tagsüber er- zum Magnetlager und kann zu Problemen zeugt, aber erst in der Nacht benötigt? Was führen“, meint Harald Sima, einer der Wis- nützt ein Windkraftwerk, wenn die stärksten senschaftler, der am Projekt arbeitet. Aus Böen nicht genutzt werden können? Energie diesem Grund werden komplexe mechatro- stundenlang effizient speichern zu können nische Komponenten entwickelt, mit denen ist ein wichtiges Forschungsziel, ganz be- die Position des Rotors ständig genau erfaßt sonders im Zusammenhang mit alternativen und gegebenenfalls mit Elektromagneten Energieformen wie Photovoltaik oder Wind- rasch reguliert werden kann. Das System kraft. An der TU Wien versucht man nun optimiert sich laufend selbst. dieses Problem mit elektronisch geregelten Wenn das Schwungrad dazu dienen soll, Schwungradspeichern zu lösen. Energie stundenlang ohne große Verluste zu Mächtige Karbonfaserschwungmassen speichern, darf auch die Steuerelektronik sollen in Zukunft Energie speichern. „Ein nicht viel Energie benötigen. Darin liegt eine erster Prototyp wiegt 160 kg und erreicht der größten Herausforderungen für das For- eine Drehzahl von 500 Umdrehungen pro schungsteam. „Jeder Steuerungseingriff mit Sekunde“, erklärt Alexander Schulz, der den aktiven Magnetlagern erfordert Energie, gemeinsam mit Prof. Johann Wassermann doch der permanente Energiebedarf, der un- Forschungsprojekte zu dieser Thematik am ter normalen Betriebsbedingungen auftritt, Institut für Mechanik und Mechatronik der soll bei diesem System minimiert werden“, TU Wien leitet. In einem einzelnen Rotor ist erklärt Alexander Schulz. Viele anspruchs- Alexander Schulz wechselt den dabei eine Energie von mehreren Kilowatt- Magneten des Schwungrades aus volle Forschungsfragen – von der Rege- stunden gespeichert – genug, um einen gan- lungselektronik bis zum Rotordesign – müs- zen Haushalt stundenlang zu versorgen, so- den jeweiligen Betriebszustand des Rotors sen dafür gelöst werden. lange die Sonneneinstrahlung für Photovol- anpassen und kleine Abweichungen ständig taik nicht stark genug ist. korrigieren. „Schon allein die Wärmeausdeh- Umweltfreundlicher Lösungsansatz Gewöhnliche Akkus weisen eine sehr Schwebende Schwungräder eingeschränkte Lebensdauer auf und beste- Schwungräder werden bereits heute als hen zum Teil aus ökologisch bedenklichen Kurzzeit-Energiespeicher eingesetzt. Aller- und zudem nur schwer verfügbaren Mate- dings führen Reibungsverluste dazu, daß rialien. Hier soll das Schwungrad-System schon nach Minuten ein beträchtlicher Teil punkten: 25 Jahre soll die Lebensdauer des der gespeicherten Energie für die Nutzung neuen Energiespeichers betragen, und selbst- verloren geht. Der rotierende Karbonzylin- verständlich darf keine Gefahr vom hochtou- der bewegt sich an der Außenseite mit bis zu rigen Rotor ausgehen. Die komplette Lage- 3400 km/h – also etwa viermal so schnell rung inklusive Regelungselektronik ist re- wie ein Jumbojet. Wenn er sich im Vakuum dundant ausgelegt, sodaß selbst ein Ausfall stundenlang ohne große Reibungsverluste einzelner Komponenten nicht zu einem ern- drehen soll, muß ein berührungsloses Magnet- sten Problem führt. In diesem Fall kann der lager verwendet werden. Die Entwicklung Rotor unbeschädigt zum Stillstand gebracht solcher Schwungräder wurde erst durch ex- werden. Die Forschungsarbeit des Flywheel- trem starke Permanentmagnete aus einer Teams an der TU Wien mündete bereits in Neodym-Eisen-Borverbindung interessant. zwei Patentanmeldungen. Bis man einen „Der ganze Rotor schwebt mit etwa einem Schwungrad-Energiespeicher für zuhause Millimeter Abstand zum Stator“, erklärt kaufen kann, wird wohl noch einige Zeit ver-

Prof. Wassermann. Allerdings genügt es Fotos: TU Wien gehen, doch Interesse von Kooperationspart- nicht, den Rotor einfach magnetisch zu Skizze des Schwungrades nern aus der Industrie zeichnet sich bereits lagern. Das Lager muß sich selbstständig an mit Karbon-Mantel ab.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 70 Wissenschaft & Technik Paketbomben: Frühwarnung ist möglich Neue Technologie riecht sofort winzigste Sprengstoffspuren

or Paketbomben, wie sie momentan Vweltweit auftauchen, ist eine frühzeitige Warnung möglich. Forscher aus Österreich haben dafür einen „Sprengstoff-Schnüffler“ entwickelt. Diese neue, hochsensible Tech- nologie kann winzigste Konzentrationen ex- plosiver Stoffe in der Luft sofort aufspüren. Damit können jene Sicherheitslücken, die der- zeit weltweit wieder für Terrorangst sorgen, geschlossen werden. Das erklären die Wis- senschaftler des Instituts für Ionenphysik und Angewandte Physik sowie des Spin-off-Un- ternehmens Ionicon Analytik in Innsbruck. „Der neue Gefahren-Spion reagiert be- reits auf einzelne Moleküle gefährlicher Substanzen in der Luft, die von solchen Pa- keten ausgehen. Er kann Sprengmittel, wie das zuletzt in den Paketbomben in London und Dubai gefundene stabile und hochexplo- sive zur Nitrogylzerin-Familie zählende Pentaerythrityltetranitrat (PETN) in Echt- zeit, das heißt sofort, detektieren“, sagt der Physiker Prof. Tilmann Märk von der Uni- versität Innsbruck und Geschäftsführer der Ionicon Analytik GmbH. Das Innenleben des neuen „Schnüfflers“ basiert auf Protonen-Tausch-Reaktions-Mas- senspektrometrie (PTR-MS). Die Masse von Teilchen wird bei diesem Verfahren im Ver- hältnis zu ihrer elektrischen Ladung be- stimmt. Einzelne, in der analysierten Luft enthaltene Substanzen können so schnell und einfach nachgewiesen und auch sicher iden- tifiziert werden. „Eines unter 10.000 Mil- Foto: Ionicon liarden Teilchen in der Luft ist für den Das Innenleben des neuen »Schnüfflers« basiert auf Protonen-Tausch-Reaktions- Massenspektrometrie (PTR-MS). Nachweis und die Erkennung eines bedenk- lichen Stoffes ausreichend. Das gilt auch für ten Stoffe sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Analytik in Innsbruck als Weltmarktführer chemische Kampfstoffe und weitere gefähr- Dies zeigen auch die Ergebnisse umfangrei- technologisch ausgefeilter PTR-MS Ana- liche Substanzen oder Drogen. Sicherheits- cher internationaler Tests, die die österrei- lyseinstrumente etabliert. Mit Grundlagen- behörden könnten durch den Einsatz solcher chischen Wissenschaftler in Kooperation mit forschungen für die hochsensible neue Schnüffler sofort wegen Terrorgefahr Alarm Einrichtungen, die Sprengmittel oder chemi- Technologie, die jetzt auch direkt für unsere schlagen“, betont Märk. sche Kampfstoffe verwenden dürfen, durch- Sicherheit unter anderem auf Flughäfen ein- Das neue Gerät ist extremst empfindlich geführt haben. Das Institut für Ionenphysik setzbar ist, begannen die Wissenschaftler des und im mobilen Einsatz äußerst präzise. Ein- und Angewandte Physik in Innsbruck arbei- Institutes für Ionen- und Angewandte Physik gesetzt wurde es bisher in militärischen Ein- tet bei diesen Entwicklungen mit den der Universität Innsbruck unter damaliger richtungen, der Umweltforschung und der Universitäten New York (USA), Prof. Kurt Leitung von Prof. Werner Lindinger und Lebensmittelkontrolle. Die Analyse ist so Becker und Birmingham (Großbritannien), Prof. Tilmann Märk bereits in den 1980er ausgefeilt, daß auch Stoffe ähnlicher Struk- Prof. Chris Mayhew zusammen. Jahren. Damals ging es um grundlegende tur und Zusammensetzung unterschieden Als Spin-off-Unternehmen der Universi- Eigenschaften von Elektronen und Ionen und werden können. Der Anzahl der untersuch- tät Innsbruck ist das Unternehmen Ionicon- deren kollektives Verhalten in Plasmen.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 71 Wissenschaft & Technik Infrarot-Halbleiterlaser entwickelt Zwei Forschergruppen rund um a.Univ.Prof. Dr. Gunther Springholz und a.Univ.Prof. Wolfgang Heiss vom Institut für Halbleiter- und Festkörperphysik haben neue Infrarot-Halbleiterscheiben-Laser entwickelt, die neue Wellenlängen ermöglichen.

iese kleinen Laser führen zu neuen An- nierten Laserwellenlänge ab“, sagt der Wis- Dwendungen wie beispielsweise in den senschaftler. Das aktive Lasermaterial be- Bereichen der Umweltanalytik, Klimafor- steht aus hauchdünnen, nur circa 30 Atom- schung, medizinische Diagnostik, Abgas- lagen dicken Bleiselenid (PbSe)-Quanten- analytik oder Fertigungstechnik. Diese er- filmen. Die „Mikrodisk“-Laser besitzen eine folgreiche Entwicklung wurde in der renom- laterale Größe von nur 15 Mikrometer Durch- mierten Wissenschaftszeitschrift „Nature messer und wurden mittels Lithographiever- Photonics“ als ein Forschungshighlight aus- fahren im Reinraum des Instituts hergestellt. gewählt. Dieser Reinraum ist nur einer von zwei Durch die Verwendung von Materialen Reinräumen in ganz Österreich, die aus- wie den Blei-Salz Halbleitern und durch ein schließlich der Forschung gewidmet sind. verbessertes Design in Form von sogenann- „Durch die Weiterentwicklung der Halb- ten Mikrodisk-Resonatoren konnten neue leiter-Bauelemente könnte in naher Zukunft Laser für den mittleren infraroten Wellen- auch der ganz ungekühlte Betrieb bei Raum- längenbereich von bis zu 4.3 Mikrometer bei temperatur ermöglicht werden, was noch einer Betriebstemperatur von bis zu 2 Grad a.Univ.Prof. Dr. Gunther Springholz effizienter wäre“, betont Springholz. Celsius entwickelt werden. Laser für das mittlere Infrarot (unsichtbare gebündelte Lichtquellen) werden typischerweise in Be- reichen wie Umweltanalytik, Klimafor- schung, oder medizinische Diagnostik ein- gesetzt. Durch die Erschließung dieses wich- tigen Wellenlängenbereichs mit den neuen, einfachen und kostengünstigen Halbleiter- Bauelementen werden die vielfältigen An- wendungen vereinfacht, da es bisher dafür nur sehr teure und spezielle Laser gegeben hat. Beispielsweise könnten damit noch gün- stigere, einfache und genauere medizinische Analysen oder Autoabgas-Kontrollen durch- geführt werden. „Mit unseren neuen Infra- rot-Halbleiterscheibenlaser können Laser- systeme entwickelt werden, die noch kleiner, energieeffizienter, langlebiger und kostengün- Rasterelektronen-Mikroskopieaufnahme eines Infrarot-Mikrodisk-Lasers stiger sind“, sagt Springholz.

Vergleichsweise geringe Verluste Die Lichtemission von herkömmlichen Halbleiterlasern war bisher bei Raumtem- peratur auf Wellenlängen kürzer als 3.3 Mi- krometer limitiert. Im längerwelligen Spek- tralbereich treten üblicherweise starke „nicht-strahlende“ Verluste auf womit die Anregung des Lasers nicht mehr als Licht abgestrahlt wird, sondern in Form von Wär- me verloren geht. Bei den neuen Infrarot- Halbleiterscheibenlasern aus Blei-Salz Halb- leitern treten dagegen vergleichsweise gerin-

ge Verlusten auf. „Diese Laser erfordern Alle Fotos: JKU Linz daher nur sehr geringe Anregungsleistungen Laser für das mittlere Infrarot werden typischerweise in Bereichen wie und strahlen bei einer einzigen scharf defi- Umweltanalytik, Klimaforschung, oder medizinische Diagnostik eingesetzt.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 72 Wissenschaft & Technik Forschungszentrum für Wölfe und Hunde Am 21. Oktober wurde das Wolf Science Center (WSC) zur Erforschung der geistigen Leistungen und der Kooperationsfähigkeit von Wölfen und Hunden eröffnet. Alle Fotos: Wolf Science Center Wölfe sind wie Menschen hochsozial und kooperieren bei der Jagd, bei der Aufzucht von Jungen und beim Verteidigen des Reviers. nter der Leitung der ForscherInnen tensbiologie der Universität Wien und einer UKurt Kotrschal, Friederike Range und der Initiatoren des Wolf Science Center. Zsófia Virányi von der Universität Wien ent- stand im niederösterreichischen Ernstbrunn Wölfe und Hunde nach ein weltweit einzigartiges Zentrum mit gleichem Muster aufgezogen neuen Forschungsansätzen und ausgezeich- Die längste Zeit lebten Menschen als neter Tierhaltung. Die Universität Wien un- Jäger und Sammler. Diese zeigten große terstützt das große wissenschaftliche Poten- Achtung vor Wölfen, die sie als „Brüder“ tial des WSC maßgeblich. und sogar als Botschafter zur Geisterwelt Wölfe sind wie Menschen hochsoziale betrachteten. Wesen und kooperieren bei der Jagd, bei der Diese positive Einstellung änderte sich Aufzucht von Jungen und beim Verteidigen radikal mit dem Wechsel zu Ackerbau und des Reviers. „Wahrscheinlich deshalb wurde Viehzucht. Der Wolf wurde vom Freund der Wolf in Form des Hundes zum engsten zum Feind, während sich Hunde rasch zu tierischen Begleiter des Menschen. Daher ist vielseitig einsetzbaren Partnern entwickel- es besonders interessant, zu erforschen, wie ten. Aber immer noch üben Wölfe eine klug Wölfe sind – wie sie ihre geistigen Fä- geheimnisvolle Faszination auf Menschen higkeiten einsetzen, wie sie ihre Zusammen- aus. Sie werden geliebt und gefürchtet, sie arbeit organisieren und wie sich Wölfe von lassen niemanden unberührt. Hunden unterscheiden“, erklärt Kurt Kotr- Die Menschen eroberten in Begleitung schal, Professor am Department für Verhal- der Hunde erfolgreich die Welt. Dank der

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 73 Wissenschaft & Technik

Hilfe des Menschen zählen Hunde heute zu den erfolgreichsten Wirbeltieren. Dies bedeutete allerdings den Niedergang von „Stammvater Wolf“. Einst erfolgreich- ster Jäger der Nordhemisphäre, lebt der Wolf nun in zersplitterten Rückzugsgebieten, lokal immer noch vom Aussterben bedroht. Für ihre Forschung benötigen die Wis- senschafterInnen kooperative Wölfe und Hunde, die nach gleichem Muster aufgezo- gen und trainiert werden. „Durch Beobach- tung alleine ist es unmöglich, auf die geisti- gen und psychischen Mechanismen der Tiere zu schließen. Daher arbeiten wir derzeit mit elf gut trainierten und kooperativen Timber- wölfen sowie vier Hunden, die wie Wölfe aufgezogen und trainiert werden“, sagt Kotrschal. In zwei Jahren sollen es bereits 20 Wölfe und ebenso viele Hunde sein. Die In zwei Jahren sollen in Ernstbrunn bereits 20 Wölfe und ebenso viele Hunde leben. Wölfe, darunter „Kaspar“ und „Nanuk“, hö- ren auf ihre Namen, beherrschen etwa 20 un- terschiedliche Kommandos und können an der Leine geführt werden.

Partner auf Augenhöhe Ausgezeichnete Tierhaltung ist ein gro- ßes Anliegen des Forschungsteams. „Unsere Wölfe und Hunde betrachten wir als Partner auf Augenhöhe; die Tiere werden zu nichts gezwungen, das Training erfolgt ausschließ- lich über positive Anreize. Entsprechend gerne arbeiten die Wölfe und Hunde mit uns. Sie bekommen damit jene Herausforderungen und Förderungen, die Wölfen in Gehegehal- tung allzu oft fehlen“, erläutert Kotrschal. Im Wildpark Ernstbrunn, nur 40 Kilometer von Wien entfernt, entstanden Großgehege für Wolfs-und Hunderudel sowie ein Arbeitsge- bäude und ein Testgehege. Dieses ermöglicht Die GründerInnen: Friederike Range, Kurt Kotrschal und Zsófia Virányi (v.l.) BesucherInnen, die Forschung an Wölfen und Hunden hautnah zu erleben. Ab Herbst ste- hen den Wölfen 16.000 m² Fläche zur Ver- fügung, den Hunden weitere 4000 m². Füh- rungen werden an Wochenenden angeboten.

Das Wolf Science Center wurde vor drei Jahren als Verein von Kurt Kotrschal (Verhaltensbiologe) sowie Friede- rike Range und Zsófia Virányi (Kognitions- biologinnen) gegründet – Wissenschaftle- rInnen mit jahrelanger Erfahrung in Ver- haltens- und Kognitionsforschung an Affen, Hunden, Vögeln und Wölfen. Sie forschen zu den biologischen Wurzeln der Koopera- tion beim Menschen ebenso wie zu Grund- lagen für die Beurteilung von wildlebenden Wölfen und zum Konfliktmanagement zwi- schen Wölfen und Menschen. http://www.wolfscience.at Gruppenfoto vom 26. Oktober, dem Eröffnungstag des Wolf Science Centers

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 74 Wissenschaft & Technik Da fährt der Zug d’rüber Eine Betriebssimulation FH St. Pölten zeigt das Potential der berühmten Mariazellerbahn

ie Mariazellerbahn rollt bald in eine be- Dtriebsame Zukunft – mit schnellerem Tempo, nostalgischen Dampfloks und einem Taktfahrplan. Diese erfolgversprechenden Zu- kunftsaussichten sehen WissenschaftlerInnen der Fachhochschule St. Pölten. Welche kon- kreten Maßnahmen zum Erfolg führen, ana- lysierten sie anhand einer Betriebssimulation am Studiengang Eisenbahn-Infrastruktur- technik. Über 21 Viadukte, durch 19 Tunnel, hin- auf auf 890 Meter Seehöhe: Seit mehr als 100 Jahren bringt die Mariazellerbahn Pend- lerInnen, TouristInnen und PilgerInnen vom niederösterreichischen St. Pölten in den 84 Kilometer entfernten steirischen Wallfahrts- ort Mariazell. Dabei gleicht die knapp zweieinhalbstündige Fahrt in der histori- schen Schmalspurbahn einer nostalgischen Panoramafahrt. Das liegt nicht nur an der malerischen Landschaft, sondern auch an der Infrastruktur und den Bahnhöfen: Diese wurden seit ihrer Errichtung in den Jahren der k. u. k. Monarchie wenig verändert und können ihr Alter nicht verbergen. Jetzt steht die Übernahme der Regionalbahn durch das Land Niederösterreich bevor; das bietet die Gelegenheit, sich über die Streckensanie- rung Gedanken zu machen. Daß diese sogar mit wirtschaftlicher Attraktivität einherge- hen kann, zeigen ExpertInnen der FH St. Pöl- ten. Im Rahmen einer Bachelorarbeit am Stu- diengang Eisenbahn-Infrastrukturtechnik wurden dazu die Infrastruktur und der Be- trieb dieser einzigartigen Bahnstrecke ge- nauer unter die Lupe genommen. Auf Basis einer Betriebssimulation konnten Maßnah- Foto: Philipp Mackinger menvorschläge entwickelt werden, deren Um- Die Mariazellerbahn fährt seit 100 Jahren über 21 Viadukte, durch 19 Tunnel, hin- auf auf 890 Meter Seehöhe – eine technische Meisterleistung damaliger Zeit. setzung der Mariazellerbahn als Nahver- kehrsmittel und auch als Touristenattraktion kann. Das ermöglicht eine budgetgerechte erklärt Philipp Mackinger, Autor der Bache- mehr Bedeutung geben würden. So könnte Planung und Umsetzung: In einer ersten Stu- lorarbeit an der FH St. Pölten. die Mariazellerbahn in Zukunft für Pend- fe sollten gewisse Mindestanforderungen Zu den baulichen Maßnahmen, die für lerInnen eine echte Alternative zum Straßen- des modernen Fahrgastes erfüllt werden – einen Taktfahrplan nötig wären, gehören verkehr darstellen – und gleichzeitig Tou- wie z. B. moderne Fahrzeuge und komforta- zum einen die Renovierung der Langsam- ristInnen und WallfahrerInnen ein histori- ble Haltestellen. Ein Taktfahrplan würde fahrstellen und der Um- und Ausbau der sches Erlebnis aus dem Dampflokzeitalter in dann die Attraktivität der Bahn enorm stei- Kreuzungsbahnhöfe. Dadurch kann an vie- malerischer Landschaft bieten. gern. Dazu sind bauliche Maßnahmen not- len Stellen schneller gefahren werden. Zum wendig, die wir mit unserer Simulation klar anderen müßte der Betrieb auf einen „signa- Da fährt der Zug drüber definieren konnten. Durch eine optimierte lisierten Zugleitbetrieb“ umgestellt werden. „Unsere Analyse zeigt, daß eine Moder- Streckenführung wäre als zweite Stufe sogar Das bedeutet, daß die Bahnhöfe mit Rück- nisierung in zwei getrennten Stufen erfolgen ein S-Bahn-ähnlicher Betrieb möglich“, fallweichen, Lichtsignalen und Gleisfrei-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 75 Wissenschaft & Technik

schaffung einer neuen Fahrzeugflotte bedeu- tet aber keinesfalls, daß die Originallokomo- tiven, die zum Teil schon seit 1911 tagtäglich im Einsatz sind, in Zukunft am Abstellgleis verrosten werden. Ganz im Gegenteil – sie könnten vermehrt für Nostalgiefahrten ge- nutzt werden. Das würde das Angebot noch attraktiver machen und mehr TouristInnen und Eisenbahnfans auf die Strecke locken. Insgesamt könnten diese Maßnahmenvor- schläge die Mariazellerbahn zu einem effi- zienten und modernen Nahverkehrsmittel machen – das wirtschaftlich attraktiv auf der Schmalspur unterwegs ist. Die Arbeit des Studiengangs Eisenbahn-Infrastrukturtech- nik zeigt damit auch den smarten Einsatz von spezieller Simulationssoftware auf, die rasch und kostengünstig realistische Alter- nativen für technische und betriebswirt- schaftliche Probleme liefern kann.

Foto: Priwo / GNU Free Documentation License Über die Fachhochschule St. Pölten Ziel der FH St. Pölten ist es, das Angebot der Mariazellerbahn attraktiver zu machen Die Fachhochschule St. Pölten ist An- und damit mehr TouristInnen und Eisenbahnfans auf die Strecke locken. bieterin praxisbezogener und leistungsorien- meldeanlagen ausgestattet werden müssen. Kundenstrom tierter Hochschulausbildung in den Berei- So können einzelne FahrdienstleiterInnen Tatsächlich könnten Teile der Moderni- chen Technologie, Wirtschaft und Gesund- dann zentral mit einer Fernsteueranlage die sierung der Mariazellerbahn auf einer – zur heit & Soziales. In mittlerweile 14 Studien- gesamte Strecke bedienen – und bei uner- Zeit der Erbauung – revolutionären Inge- gängen werden mehr als 1800 Studierende warteten Störungen rasch und effizient rea- nieurleistung aufbauen: Die Bahnstrecke betreut. Neben der Lehre widmet sich die FH gieren. Insgesamt garantiert das einen zuver- wurde als eine der weltweit ersten ihrer Art St. Pölten intensiv der Forschung. Die wis- lässigen Betrieb und regelmäßige Zugsfol- elektrifiziert. So könnten moderne Elektro- senschaftliche Arbeit erfolgt innerhalb der gen – zwei für PendlerInnen sehr bedeutende triebwagen zum Einsatz gebracht werden. Studiengänge sowie in eigens etablierten Kriterien. Gleichzeitig würde diese Neuerung Diese sind besonders spurtstark und schaffen Instituten, in denen laufend praxisnahe und die optimale Kombination von planmäßigem sogar im Winter die Bergstrecken mit Leich- anwendungsorientierte Forschungsprojekte Verkehr und touristischen Sonderfahrten tigkeit. Zusätzlich würden die Fahrgäste da- entwickelt und umgesetzt werden. ermöglichen. rin auch viel komfortabler reisen. Die An- http://www.fhstp.ac.at Auf Basis dieser Neuerungen könnte dann sogar ein weiterführender Ausbau bis hin zum S-Bahnverkehr passieren. Diesem steht nicht einmal die besonders schmale Spurweite der Mariazellerbahn im Wege. Denn, wie Vergleiche aus der Praxis zeigen, die maximale Fahrtgeschwindigkeit kann auch auf diesen Spurweiten bedeutend ange- hoben werden. Auf Streckenteilen der Mariazellerbahn, wie etwa zwischen St. Pöl- ten und Loich, sind sogar zwischen 70 und 100 Kilometer pro Stunde möglich. Die da- für notwendigen Umbauten würden nicht ein- mal die ganze Strecke betreffen, wie Bern- hard Rüger, Fachexperte von der FH St. Pöl- ten, ausführt: „Die engsten Kurven müßte man begradigen, an einigen Stellen schlan- kere Weichen einbauen und Trassierungen optimieren. Bedenkt man aber, daß die Strecke ohnehin saniert werden muß, um einen Weiterbetrieb zu gewährleisten, relati- Foto: Herbert Ortner / GNU Free Documentation License Frisch hauptuntersuchte Lok 4 der Salzkammergut-Lokalbahn und die Mh.6 der viert sich der Aufwand durch die Vorteile Mariazellerbahn im Bahnhof Steinakirchen am Forst an der Schmalspurbahn eines S-Bahn-ähnlichen Verkehrs.“ Wieselburg - Gresten in Niederösterreich.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 76 Kultur Picasso: Frieden und Freiheit Die Ausstellung in der Albertina zeigt den bedeutendsten Maler des 20. Jahr- hunderts von einer bislang nahezu unbekannten Seite – bis 16. Jänner 2011.

Pablo Picasso, Das Leichenhaus, Paris 1944-1945; The Museum of Modern Art, New York © Succession Picasso/VBK, Wien 2010.

ie Albertina präsentiert Pablo Picasso in eines der wichtigsten Hoffnungssymbole dung einer spanischen republikanischen DKooperation mit der Tate Liverpool als und Zeichen der Friedensbewegung – bis hin Familie schafft er eines der neben Guernica politisch und sozial engagierten Künstler zu Stillleben mit subtilen und versteckten wichtigsten Bilder gegen das Franco-Regi- und hinterfragt so das gängige Bild dieses Kommentaren zum Weltgeschehen und me in Spanien. Jahrhundertgenies. Anhand von 200 Expo- Hinweisen auf Picassos politische Einstel- Wie ein roter Faden ziehen sich die gra- naten aus über 60 internationalen Sammlun- lung. vierenden globalen Krisen seiner Zeit – der gen veranschaulicht die Ausstellung in histo- Im Jahr 1944 tritt Picasso der Kommuni- Spanische Bürgerkrieg, die Kubakrise, der risch-chronologischer Reihenfolge, wie Pi- stischen Partei Frankreichs bei und wird die- Koreakrieg, der algerische Unabhängigkeits- casso in seinen Bildern dem Krieg und sei- ser bis zu seinem Tod im Jahr 1973 treu blei- krieg – durch sein Werk. Wenige Tage nach nen Greueltaten Ausdruck verlieh. Die Pa- ben. Im gleichen Jahr arbeitet Picasso an Ausbruch der Kubakrise 1962, als Präsident lette der Betrachtungen dieser Ausstellung dem Gemälde „Das Leichenhaus“, das auch Kennedy die Blockade bekannt gibt, beginnt reicht von Picasso als Historienmaler über am Beginn der Ausstellung in der Albertina Picasso an der Reihe Raub der Sabinerinnen sein Schlüsselmotiv der Friedenstaube – steht. Mit dieser Dokumentation der Ermor- zu arbeiten. Inspiriert wird er dazu von Nico-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 77 Kultur las Poussins „Raub der Sabinerinnen“ von 1637/38 und Jacques Louis Davids „Die Sabinerinnen“ von 1799. Mit seinen freien Paraphrasen auf die große Krise des Römi- schen Reichs reagiert Picasso auf die dro- hende Katastrophe eines dritten Weltkriegs und atomaren Armageddons. Den algerischen Unabhängigkeitskrieg dokumentiert er mit den Frauen von Algier – Picasso beginnt noch im ersten Monat der kriegerischen Auseinandersetzungen daran zu arbeiten. Der Künstler beruft sich auf das gleichnamige Werk Delacroix’. Während dessen „Frauen von Algier“ von 1834 für den Beginn der französischen Koloniali- sierung Algeriens stehen, symbolisieren Picassos Variationen das Ende der französi- schen Fremdherrschaft. Eine wichtige Position in der Ausstellung nimmt auch die 1949 geschaffene Friedens- taube ein, die zum internationalen Zeichen der Friedensbewegung und zum Symbol der Hoffnung im Kalten Krieg wurde. Viele Werke Picassos aus dieser Zeit dienten aus- drücklich Propagandazwecken für die kom- munistische Sache und die Friedensbewe- gung. 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer wirft die Ausstellung einen zeitgemä- ßen Blick auf Picassos Werk aus der Ära des Kalten Kriegs und beleuchtet, wie sich der Künstler über ideologische und ästhetische Ideale von Ost und West hinwegsetzte. „Ich kam zum Kommunismus, wie man an einen Brunnen kommt.“ Pablo Picasso, Stillleben mit Gitarre, 1942, Öl auf Leinwand (Picasso) Albertina, Wien © Succession Picasso/VBK, Wien 2010 Für Picasso, der sein Heimatland Spanien Das Leichenhaus sich Picassos eigene existenzielle Bedro- unter Francos Regime verlassen und im fran- Ebenso entstanden höchst politische Ge- hung, aber auch sein Widerstand gegen jede zösischen Exil die Besetzung von Paris mälde, wie unter anderem das Monumental- Form der Unterdrückung wider. durch die Nazis erlebt hatte, war die Zu- werk „Das Leichenhaus“ von 1945. Neben Mit schlichten Gebrauchsgegenständen wendung zur kommunistischen Partei nur den erschreckenden Bildern der Konzentra- reflektiert Picasso die Härte und Entbeh- natürlich. Er sah den Kommunismus und tionslager inspirierte Picasso hierzu ein rungen dieser Zeit. Traditionelle Vanitas- dessen Friedensideal als Weg, den Faschis- Dokumentarfilm über eine republikanische Symbole wie der menschliche Totenkopf mus aus der Welt zu verbannen, trat selbst spanische Familie, die in der eigenen Küche oder Tierschädel erinnern als Memento mori 1944 der kommunistischen Partei Frank- brutal ermordet wurde. „Das Leichenhaus“ ist an die ständige Präsenz des Todes. Die Eule reichs bei und blieb bis an sein Lebensende nach „Guernica“ seine bedeutendste politische ist für Picasso ein Totenvogel, der an die Mitglied. Arbeit. Picasso, der im Krieg viele Freunde Vergänglichkeit des Daseins gemahnt. Anlaß Aus einer enormen Großzügigkeit und und Kameraden verloren hat, betrauert mit für das Motiv war eine verwundete Jung- Überzeugung heraus spendete Picasso der diesem Gemälde, so wie auch mit dem eule, die der Künstler erfolgreich aufgezo- kommunistischen Partei viel Zeit und Geld Denkmal für die für Frankreich gefallenen gen hat. und stellte darüber hinaus auch seine Kunst Spanier, seine Familie – das spanische Volk. in ihre Dienste. Die von Picasso betriebene Las Meninas Propaganda war für die Partei von immen- Stillleben Zwischen August und Dezember 1957 ent- sem Wert: Der zu diesem Zeitpunkt bereits Auch in zahlreichen eindrucksvollen Still- stehen Picassos Variationen nach Velázquez’ weltbekannte Künstler gestaltete zahlreiche leben finden Kriegsstimmung, Verlust und bedeutendstem Gemälde, „Las Meninas“ von Poster und Flugblätter und schuf auf Anfrage Entbehrung Ausdruck. In seinen Betrachtun- 1656. Picasso verwandelt dieses Meister- auch immer wieder Zeichnungen für partei- gen über die Vergeblichkeit des Handelns werk in eine unverhohlene Anklage des nahe Zeitungen. und die Sterblichkeit des Menschen spiegelt Franco-Regimes und dessen royalistischer

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Stillleben mit Totenkopf, Porree und Kanne, 14. März 1945 Fine Arts Museums of San Francisco © Succession Picasso/VBK, Wien 2010

Politik. Seine Paraphrasen entpuppen sich rend der Kubakrise ein. Picasso ist sich der und der Volksrepublik China. Mit zahlrei- als bittere Satire auf Francos Spiel mit der generalisierenden Wucht des antiken Mythos chen Varianten des Motivs unterstützte Pi- Monarchie. Die königlichen Gestalten mu- sehr bewußt und sieht darin eine Möglich- casso die kommunistische Partei in Frank- tieren zu Karikaturen der Gegenwart. Die keit, die Gegenwart zu verarbeiten und zu reich und anderen Ländern sowie radikale vielen Varianten der Infantin Margarita verstehen. Wie zuvor in „Guernica“ und dem Organisationen im Westen. Der Künstler gab Maria beziehen sich auf den ersten offiziel- „Leichenhaus“ geißelt der Künstler in dieser sogar seiner Tochter das spanische Wort für len Auftritt von Juan Carlos’ Schwester, der Serie die Gewalt. Seine Vorstellung von Krieg Taube als Namen: Paloma. In den 1950er Infantin Maria Pilar, und das Selbstporträt und dessen Auswirkungen konzentriert sich Jahren war dieses Schlüsselmotiv seiner Velázquez’ verwandelt Picasso in einen In- deutlich auf das Leid der Opfer, vor allem Kunst so populär, daß es auch als Karikatur quisitor: Auch zwanzig Jahre nach Ausbruch der Frauen und Kinder: Deformierte, von für die anti-kommunistische Propaganda des Spanischen Bürgerkriegs sind immer Soldaten zertrampelte Körper bringen Hilf- benutzt wurde. In der New York Times etwa noch zahlreiche Republikaner im Gefängnis. losigkeit und Verzweiflung zum Ausdruck. spottete man über „Picassos fette kleine Picasso unterstützt aktiv die Kampagne Taube“. „Amnestie für Spanien“ und fordert die Frei- Die Taube – Picassos Symbol lassung der Inhaftierten. In seiner Meninas- für Frieden und Freiheit Krieg und Frieden Serie protestiert er zugleich gegen die un- Durch seine Taube, die zum ersten Mal 1951 und 1952 arbeitet Picasso im Auf- menschliche Behandlung der Gefangenen: auf dem Poster des 1. Internationalen Welt- trag der kommunistischen Stadtverwaltung Die auf dem Gemälde Velázquez’ erschei- friedenskongresses in Paris 1949 zu sehen von Vallauris in Südfrankreich an den Wand- nenden Geistlichen liegen in Picassos kriti- war, eröffnete sich Picassos Kunst für Mil- gemälden „Krieg und Frieden“. Sie sind für scher Neuformung ermordet in Särgen. Die lionen von Menschen. Unzählige weitere die säkularisierte Schloßkapelle geplant, die Stuckrosetten des Originalgemäldes verwan- Male fand das Motiv von da an Verwendung, zum Friedenstempel umgestaltet werden delt Picasso in bedrohliche Fleischerhaken, schmückte unter anderem die Plakate der soll. Die nach Leo Tolstois napoleonischem auf denen die Opfer der Tortur aufgehängt Friedenskonferenzen in Breslau, Paris, Epos benannten Kompositionen sind Picas- werden. Stockholm, Sheffield und Rom. Sie wurde sos bedeutendste politische Statements seit zum allgegenwärtigen Zeichen der Friedens- dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Krieg Der Raub der Sabinerinnen bewegung und zu einem der bis heute wich- und Frieden stellt mit großer Kraft und Die Serie „Der Raub der Sabinerinnen“, tigsten Hoffnungssymbole schlechthin. Die Anschaulichkeit dar, wozu der Mensch fähig entstanden im Herbst 1962, fängt den Taube zierte Schals, Tassen, Poster, T-Shirts ist: Er ist Bestie und Monster, aber auch Machtkampf zwischen Ost und West wäh- und Briefmarken in der Sowjetischen Union Humanist.

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Zu den Fresken der Kapelle in Vallauris hohen Anspruch einer klassischen Bildkom- instabile Vierte Republik beendet und ohne gibt es über 200 Vorstudien. Picasso malt die position zu verbinden. Manet thematisierte Wahlen die präsidial geführte Fünfte Repub- beiden Wandgemälde schließlich auf Pa- ein Tabu – die Prostitution im Bois de lik ausruft. neele, die an den Seitenmauern der kleinen Boulogne – und löste mit der unverblümten Kirche befestigt werden. 1958 fügt er an der Darstellung im Pariser Salon des Refusés Mütter und Musketiere Stirnwand ein weiteres Gemälde hinzu: Vier 1863 einen Skandal aus. Picassos Auseinan- In Picassos letztem Lebensjahrzehnt Figuren in den Farben Schwarz, Weiß, Gelb dersetzung mit Manets provokantem Thema überwiegen in seinem Werk zwei Themen: und Rot symbolisieren das friedliche Zu- ist nicht zuletzt eine Sympathiekundgebung Frauen und Musketiere. Die Frau – als Alle- sammenleben der vier Menschenrassen. für die beginnende sexuelle Revolution und gorie der Liebe und in ihrer Rolle als Mut- 1958 wird die Kapelle in Vallauris eröff- die Hippiebewegung mit ihrer Forderung ter – gilt als Inbegriff für Harmonie und net, jedoch bald darauf wegen der Spannun- nach freier Liebe. Wieder ist in Frankreich Geborgenheit und für die Sehnsucht nach gen zwischen Picasso und der rechtsgerich- der Pariser Bois de Boulogne Brennpunkt dem Frieden. In ihrer starken erotischen teten gaullistischen Regierung wieder ge- dieser gesellschaftlichen Revolution. Ausstrahlung versinnbildlicht sie Fruchtbar- schlossen. Picasso bewundert Manet aber nicht nur keit und Empfängnis und verweist auf den als Künstler, sondern auch als überzeugten Ursprung des Lebens in der sexuellen Be- Das Frühstück im Freien Republikaner und politischen Aktivisten: gierde. Musketiere verkörpern dagegen die Zwischen 1959 und 1962 paraphrasiert Manet war tief enttäuscht über den Sturz der Kämpfer, die gierig nach Abenteuer und Picasso Édouard Manets berühmtes Ge- Pariser Kommune 1871, die versuchte, Paris Beute Ausschau halten. Picasso stellt sie als mälde „Frühstück im Freien“ (1863) in zahl- nach sozialistischen Vorstellungen zu ver- überhebliche Soldaten dar, geckenhaft und reichen Gemälden, Zeichnungen und Druck- walten. Nach ihrer Niederschlagung erfolgte lächerlich in ihrer selbstgefälligen Virilität. grafiken. Picasso ist von der schnellen, skiz- die Proklamation der Dritten Republik. Für Für den überzeugten Pazifisten und Unter- zenhaften Malweise Manets ebenso faszi- Picasso wiederholt sich 1958 die Geschich- stützer der Anti-Vietnamkrieg-Bewegung niert wie von dessen unkonventioneller Kühn- te, als General de Gaulle die politisch schwa- symbolisiert der Musketier, diese gerade in heit, dieses antibürgerliche Sujet mit dem che und durch häufigen Regierungswechsel den 1950er und 1960er Jahren durch Dumas'

Stillleben mit Kerzenhalter, 8. April 1944 © Collection Centre Pompidou, Dist. RMN/Jacqueline Hyde © Succession Picasso/VBK, Wien 2010

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Roman populärste Figur des Soldaten, nicht Heroik, sondern Krieg und Barbarei.

Sichtweisen auf Picasso In den USA war Picassos Sympathie für den Kommunismus nicht gerne gesehen. Sie brachte dem Künstler, der als „staatsfeind- licher Fremder“ galt, sogar eine Klage beim FBI ein, die bis zu seinem Tod offen blieb. Im paranoiden Amerika der McCarthy-Ära wurden Personen, die Picasso nahestanden – wie z. B. Charlie Chaplin –, als verdächtig betrachtet, und am Höhepunkt des Kalten Kriegs in den 1950er Jahren war Picassos Ruf aufgrund seiner kommunistischen Einstel- lung in Amerika so stark in Mitleidenschaft gezogen, daß ihm die Behörden, als er 1950 zum ersten Mal in die USA einreisen wollte, um an der dortigen Friedenskonferenz teil- zunehmen, die Ausstellung eines Visums verweigerten. Die Arbeiten der Schaffensperiode nach 1944, vor allem die Wandgemälde Krieg und Frieden, galten im Westen als Picassos am wenigsten erfolgreiche Werke, wohingegen der Künstler im Osten auf Kritik stieß, weil er sich nicht auf einer Linie mit der Kommunistischen Partei der Sowjetunion befand, was den Sozialistischen Realismus betraf. Zwischen diesen beiden Polen ent- wickelte Picasso seine eigene künstlerisch- politische Haltung, die er selbst wie folgt beschrieb: „Ich habe nicht den Krieg gemalt, weil ich nicht zu den Malern gehöre, die hin- ausgehen und etwas abbilden wie ein Fo- Raub der Sabinerinnen (nach David), Mougins, 2.-4. November 1962 tograf. Aber ich habe keinen Zweifel daran, Fondation Beyeler, Riehen/Basel © Succession Picasso/VBK, Wien 2010 Foto: Robert Bayer, Basel daß auf diesen Gemälden Krieg herrscht.“ Forschungsarbeit von Lynda Morris – ver- Weltkrieg an der Schnittstelle zwischen Ost Picasso machte mit vielen seiner Arbeiten sucht, eine eingehende wissenschaftliche Ana- und West lag, ein idealer Ausstellungsort: Im offen Propaganda für die kommunistische lyse dieser Schaffenszeit unter Einbeziehung Jahr 1952 war die Stadt Gastgeberin des Sache und die Friedensbewegung und prote- von Sichtweisen zu Picasso aus Nordame- Weltfriedenskongresses, auf dessen Veran- stierte damit gegen Krieg und Unter- rika, Westeuropa, Osteuropa und der Rus- staltungsplakat Picassos Zeichnung einer drückung. Er nahm in seinem Werk explizit sischen Föderation vorzunehmen. „Picasso: Taube in einem Kreis aus miteinander ver- Stellung zu den globalen politischen Krisen Frieden und Freiheit“ ist eine umfassende bundenen Händen zu sehen war. seiner Zeit. Gleichzeitig enthielten seine Still- Schau mit Meisterwerken zum Thema Krieg Die von der Tate Liverpool in Koopera- leben, die zahlreichen Interpretationen von und Frieden ab den 1940er Jahren, die durch tion mit der Albertina Wien organisierte Themen aus der klassischen Mythologie tagespolitische Drucksorten und zeitaktuel- Ausstellung verändert, erweitert und revolu- (wie Raub der Sabinerinnen) und Varianten les biografisches Textmaterial wie Briefe, tioniert möglicherweise das bislang gängige von Meisterwerken der Kunstgeschichte Archivdokumente, Publikationen und Zei- Bild, das wir von Picasso haben. Der häufig (Velázquez’ „Las Meninas“ und Manets tungen ergänzt wird. ausschließlich als extrovertierter Frauenheld „Frühstück im Freien“) subtile und versteckte Während die Ausstellung sich generell wahrgenommene Künstler erscheint hier in Kommentare zum Weltgeschehen und Hin- mit der globalen Rolle Picassos und seiner einem sozialen und kulturellen Kontext, der weise auf Picassos politische Einstellung. Kunst unter dem Gesichtspunkt seiner Un- in der bisherigen Beschäftigung mit diesem Picassos Mitgliedschaft in der kommuni- terstützung der kommunistischen Partei und systematisch entpolitisierten Maler oft aus- stischen Partei ab 1944 und der Nieder- der Friedensbewegung auseinandersetzt, bot geblendet wurde. schlag, den sein politisches Engagement in sich als Schwerpunkt für die Präsentation in „Nein, die Malerei ist nicht dazu gedacht, seinem Werk fand, sind wohl das letzte na- Liverpool der Besuch des Künstlers in Groß- Wohnungen zu schmücken. Sie ist ein Werk- hezu unerforschte Terrain bei der Beschäfti- britannien aus Anlaß seiner Teilnahme am zeug des Angriffs und der Verteidigung im gung mit diesem Künstler. Die Ausstellung – Friedenskongreß in Sheffield 1950 an. Auch Krieg gegen den Feind.“ (Picasso) Ergebnis der siebenjährigen intensiven Wien ist als Stadt, die nach dem Zweiten http://www.albertina.at

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Pablo Picassos Leben im Zeitraffer

1881 25. Oktober: Pablo Ruiz P. (P.) wird Tod in einer Serie von Stillleben. 1957 Mai: Große Retrospektive im New in Málaga geboren. 1947 August: P. beginnt in der Manufaktur Yorker Museum of Modern Art; die Aus- 1918 P. heiratet Olga Koklova. Bis zum Madoura in Vallauris (bei Nizza) Kerami- stellung reist weiter ins Art Institute of Ausbruch des Bürgerkriegs in Spanien 1936 ken anzufertigen. Chicago und ins Philadelphia Museum of ist P. weitgehend unpolitisch; sein Werk 1948 P. unterstützt die Proteste der Vete- Art. Wegen Picassos Verbindungen zum entsteht unabhängig von zeitgeschicht- ranen der Abraham-Lincoln-Brigade, der Kommunismus ist es unmöglich, ihn in die lichen Ereignissen. P. ist mit der Erfindung USamerikanischen Division der internatio- USA einzuladen. August: P. beginnt mit der des Kubismus ebenso wie mit der Rückkehr nalen Brigaden im Spanischen Bürger- Arbeit an der Serie Las Meninas (nach zum Klassizismus in der 1920er Jahren der krieg. 23.-28. August: P. nimmt am Frie- Velázquez). Es handelt sich um eine führende Bahnbrecher der Moderne. denskongress im polnischen Breslau teil. Auseinandersetzung mit einem der wich- 1936 Die Republikaner ernennen P. in An- Er besucht das Konzentrationslager Au- tigsten Werke der Geschichte der spani- erkennung seines Widerstands gegen die schwitz, wo ihm der polnische Präsident schen Malerei, aber auch um eine kritische Machtergreifung Francos zum Direktor des einen Orden verleiht. Oktober: P. spendet Stellungnahme zu den aktuellen politischen Prado. eine Million (alte) Francs für den Bergar- Ereignissen unter General Franco in 1937 26. April: Bombardement der baski- beiterstreik in Nordfrankreich. Spanien. Herbst: Im Auftrag der UNESCO schen Stadt Guernica. P. malt als Reaktion 1949 Februar: Louis Aragon besucht P. im entwirft P. ein Wandbild für den Hauptsitz darauf das gleichnamige Gemälde, das Atelier und wählt die Lithografie einer der Organisation in Paris. weltweit zum Symbol gegen den Krieg Taube als Motiv für das Plakat des Welt- 1959 P. beteiligt sich an einer internationa- wird. Es wird im spanischen Pavillon der friedenskongresses in Paris aus. Die Dar- len Kampagne, die eine Amnestie für die Pariser Weltausstellung gezeigt. stellung wird als „Friedenstaube“ weltweit immer noch inhaftierten republikanischen 1940 14. Juni: P. lehnt Einladungen der USA bekannt. 19. April: Geburt von Françoise Häftlinge im franquistischen Spanien for- und anderer Länder ab, aus dem besetzten Gilots und Picassos Tochter Paloma. dert. Ab August: P. malt Variationen zu Frankreich zu fliehen. Aus dem freiwilli- 1950 29. Januar: Der kommunistische Ge- Édouard Manets Frühstück im Freien (bis gen Exil unterstützt er die Widerstandsbe- meinderat von Vallauris ernennt P. zum 1962). wegung. 25. August: Wegen der Bedrohung Ehrenbürger. März: P. wird als einer von 1961 2. März: Heirat mit Jacqueline Roque durch deutsche Truppen in Royan kehrt P. zwölf „Kämpfern für den Frieden“ ausge- in Vallauris. 25. Oktober: P.s 80. Ge- für die verbleibende Zeit des Kriegs nach wählt, um dem amerikanischen Kongress burtstag; Feierlichkeiten drei Tage später in Paris zurück. in Washington 50 Millionen Unterschriften Vallauris. 1944 August: Nach der Befreiung von Paris des Stockholmer Appells gegen Atomwaf- 1962 Die sowjetische Regierung verleiht P. wird P. als führender Vertreter einer von den fen zu überreichen. Die USA verweigern P. den Internationalen Lenin-Friedenspreis. Faschisten verdammten Kunst als Held das Einreisevisum. November: P. erhält Im Herbst: Nur zehn Tage nach Ausbruch gefeiert. Junge Schriftsteller, Fotografen, zusammen mit Paul Robeson (1898-1976) der Kubakrise beginnt P. an der Serie Künstler, Intellektuelle und GIs statten ihm und Pablo Neruda (1904-1973) den Preis „Raub der Sabinerinnen“ und seinen wochenlang Besuche in seinem Atelier ab. des Weltfriedenskongresses. Bildern des „Kampfes zwischen Hummer 5. Oktober: Die kommunistische Tageszei- 1951 18. Januar: P. beginnt mit der Arbeit und Katze“ zu arbeiten. tung L’Humanité meldet, daß P. der PCF an Massaker in Korea, einer offenen politi- 1965 P. erkrankt an einem Magengeschwür (Kommunistische Partei Frankreichs) bei- schen Stellungnahme zur US-Militär- und wird in Paris operiert. Es ist sein letz- getreten ist. Er glaubt, daß der Kommunis- intervention in Korea. ter Aufenthalt in der Stadt. mus einen Ausweg aus den faschistischen 1952 Empört über den Koreakrieg, malt P. 1966 Eine Picasso-Ausstellung im Mos- Greueltaten des Spanischen Bürgerkriegs für eine säkularisierte Kirche in Vallauris kauer Puschkin-Museum wird mithilfe von und des Zweiten Weltkriegs bietet. zwei gegenüberliegende Wandgemälde: sie Ilja Ehrenburg organisiert. 1945 Februar-Mai: Fertigstellung von Das zeigen den Krieg und den Frieden. 1967 P. lehnt die Aufnahme in die französi- Leichenhaus. Es beruht auf einem spani- 1954 P. beginnt kurz nach Ausbruch des sche Ehrenlegion ab. schen Filmbericht über eine republikani- Algerienkriegs an der Serie „Die Frauen 1968 23. März: P. übermittelt eine schriftli- sche Familie, die in ihrer Küche ermordet von Algier“ zu arbeiten. che Solidaritätserklärung zum Tag der wurde. Juni: Die PCF (Kommunistische 1955 P. erwirbt die Villa La Californie Intellektuellen für den Frieden in Vietnam. Partei Frankreichs) ehrt P. bei ihrem zehn- oberhalb von Cannes. P. stellt für das Plakat zum Marsch auf ten Parteikongreß, bekräftigt aber noch ein- 1956 25. Oktober: Picassos 75. Geburtstag Washington (Mitte November 1968) der mal ihre Forderung nach Realismus in der wird in der Manufaktur Madoura gefeiert. amerikanischen Vietnamkriegsgegner die Kunst. Werke Picassos aus dem Besitz des sowje- Zeichnung Physiognomie des Kriegs zur 1946 Juli: P. zieht ins Obergeschoß des tischen Staates werden in Moskau und Le- Verfügung. Museums von Antibes an der Côte d’Azur. ningrad (heute St. Petersburg) in einer von 1971 Zu Picassos 90. Geburtstag findet Er kümmert sich um eine verletzte Eule; Ilja Ehrenburg organisierten Ausstellung eine Ausstellung im Louvre statt. bald findet man das Tier als Symbol für den gezeigt. 1973 8. April: P. stirbt in Mougins.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 82 Kultur Harun Farocki Weiche Montagen / Soft Montages Von 23. Oktober 2010 bis 9. Januar 2011 im Kunsthaus Bregenz

Harun Farocki, Immersion, 2009, 2-Kanal-Videoinstallation, Farbe, Ton, 20 Min. Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg/ Paris

it Harun Farocki stellt das Kunsthaus 1968 bis heute und präsentiert erstmals in den Serie Auge/Maschine (2001-2003), die MBregenz einen Filmemacher und Europa drei speziell für diesen Anlaß ent- zusammen mit Ernste Spiele im ersten Künstler vor, dessen Werk die Geschichte standene Videoinstallationen, die Teil der Obergeschoß des KUB vorgestellt wird, des politischen Films seit den späten 1960er- Serie Ernste Spiele sind und mit Unterstüt- setzt Farocki dieses zu wirtschaftlichen Jahren maßgeblich geprägt hat. Neben über zung des KUB realisiert wurden. Für diese Produktionsbedingungen in Beziehung. Er 100 Produktionen für Fernsehen und Kino neuen, jeweils acht Minuten langen Video- zieht Vergleiche zwischen Überwachungs- hat Farocki seine Überlegungen zum Verhält- installationen hat Farocki Aufnahmen in mechanismen in kriegerischen Auseinander- nis von Gesellschaft, Politik und bewegtem Militäreinrichtungen der USA gedreht und setzungen und dem Einsatz von Kameras in Bild auch als langjähriger Autor und Re- die eigenen Sequenzen mit Ausschnitten aus zivilen Situationen wie zum Registrieren dakteur der Zeitschrift „Filmkritik“, als Ku- Computersimulationen kombiniert. Die an von Bewegungen an öffentlichen Orten und rator sowie als Professor in Berkeley und Spiele erinnernden Programme werden von zur Kontrolle von Arbeitsabläufen in hoch Wien vermittelt. Seine große Bedeutung für Soldaten genutzt, um an ihren Rechnern den technisierten Industrieanlagen. Aus seiner die bildende Kunst spiegelt sich sowohl in Ernstfall im Irak, in Afghanistan und in Sicht ersetzen Krieg und Industrie gleicher- Überblickspräsentationen seiner Filme in In- potenziellen Krisengebieten zu proben. Eine maßen zunehmend das menschliche Auge stitutionen wie der Tate Modern in London als weitere Variante stellt die ebenfalls zur Serie durch Computer, natürliche Augenarbeit auch in Einzelausstellungen im Wiener MU- Ernste Spiele zählende Arbeit Immersion wird in beiden Bereichen immer stärker von MOK, dem Jeu de Paume in Paris und dem dar, bei der es um Reinszenierungen trauma- Maschinen übernommen. Kölner Museum Ludwig wider. Wie wichtig tischer Kriegserlebnisse der Soldaten mithil- Ein genaues Schauen, ein visuelles und seine Filme und Installationen im Kunst- fe solcher Simulationstechnologien geht, die kognitives Abtasten der ästhetisch eindrückli- kontext sind, läßt sich nicht zuletzt an seiner in diesem Fall zu therapeutischen Zwecken chen Bilder von drei geografisch verschiede- zweimaligen Teilnahme an der „documen- eingesetzt werden. nen Produktionsstätten ist bei der 2-Kanal- ta“, in den Jahren 1997 und 2007, ermessen. Das Verhältnis von Technik und Krieg 16-mm-Filminstallation Vergleich über ein Die vom Kunsthaus Bregenz organisierte, spielt bereits in früheren Arbeiten des Drittes von 2007 gefragt. Diese wird zusam- bis dato umfangreichste Überblicksausstel- Künstlers eine entscheidende Rolle. In der men mit der Doppelvideoinstallation Gegen- lung in Österreich umfaßt den Zeitraum von aus drei separaten Installationen bestehen- Musik, 2004, und einer umfangreichen Film-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 83 Kultur

bibliothek mit 25 Arbeiten im zweiten Stock eines Ortes mit lebenden, organisch pulsie- verschiedenen Blicken auf das WM-End- präsentiert. Vergleich über ein Drittes zeigt renden Körpern und entwirft ein Porträt die- spiel von 2006 konfrontiert. Gezeigt werden in einer Doppelprojektion Aufnahmen von ser Stadt, das in der Tradition von Filmen nicht nur die für die regulären Zuschauer Ziegelproduktionen und der Verarbeitung aus den 1920er- Jahren wie Der Mann mit damals sichtbaren Bilder des Spiels, sondern von gebrannten Steinen zu Bauwerken in der Kamera von Dziga Vertov oder Berlin - auch computergenerierte Abstraktionen des Afrika, Indien und Europa. Im sachlichen Die Sinfonie der Großstadt von Walter Rutt- Spielflusses, Vektorvermessungen von Spie- Modus des Dokumentarfilms gedreht, kommt mann steht. Von beiden Filmen sind in lerkörpern und einzelne Spieler in der Nah- diese Arbeit ohne gesprochenen Kommentar Farockis Installation Ausschnitte zu sehen. sicht. Wir hören und sehen, wie die Ana- aus und wirkt allein über die suggestive Gegen-Musik entstand im Rahmen von lysten das Spiel kommentieren, und beob- Atmosphäre des Gezeigten. Auch wenn im „Europäische Kulturhauptstadt Lille 2004“ achten die Reaktionen der Trainer. Aber Vergleich zwischen kollektiver Produktion und rekurriert mit seinem Originaltitel Farockis Arbeit enthält auch die weniger in Afrika und dem in Europa durch Ma- Contre-Chant, der gesprochen ähnlich klingt spannenden Bilder von Kameras, die leere schinen bestimmten Herstellungsprozeß wie „Contrechamp“ (dt. Gegenschuß), eben- Versorgungswege und verlassene U-Bahn- emotional Unterschiede zu spüren sind, ent- so auf filmimmanente Aspekte, die gerade Stationen oder den sich im Verlauf des Spiels zieht sich der Film doch einer eindeutigen auch in der Doppelprojektion der Arbeit ver- verfärbenden Sommerhimmel einfangen. Stellungnahme. Allerdings macht er allein deutlicht werden. Und es ist die für Harun Das Spiel, das im Sommer 2006 1,5 Mil- durch das Aufzeigen archaisch wirkender Farocki charakteristische Form der Doppel- liarden ZuschauerInnen auf der ganzen Welt Produktionsbedingungen bei indischen projektion, die es ihm ermöglicht, sowohl verfolgt haben und das auch wegen des Hochhausbauten die Parallelität von ver- einen regulären sukzessiven Ablauf einzel- unrühmlichen Kopfstosses Zidanes Fußball- schiedenen Industrialisierungsstufen inner- ner Bilder als auch eine Gleichzeitigkeit in fans und Laien gleichermaßen beschäftigte, halb einer Gesellschaft bewußt und verdeut- ihrer Beziehung herzustellen. Durch das wird hier zu einer Metapher für das komple- licht so die Fragwürdigkeit einer traditionel- Hin- und Herspringen der Bilder entstehen xe Verhältnis von Unterhaltung, Kontrolle, len Fortschrittsvorstellung. In Gegen-Musik trotz der teilweise harten und unvorhersehba- Kampf und Medien. verwendet Harun Farocki fast ausschließlich ren Schnitte weiche Montagen, die der Bemerkenswert an der Bregenzer Aus- bereits existierendes Material. Hierzu zählen Ausstellung in Bregenz ihren Titel geben. stellung ist nicht allein die außergewöhnli- Aufnahmen aus Schlaflabors sowie von Zu den bekanntesten und beliebtesten che Vielfalt der gezeigten Arbeiten, sondern Überwachungs- und Kontrollkameras, die Arbeiten Farockis zählt sicherlich die auf der auch ihre verschiedenen Präsentationsfor- den Auto-, Zug- und UBahn- Verkehr eben- letzten „documenta“ für viel Aufsehen sor- mate, die raumgreifende Installationen, eine so im Blick haben wie die Fußgänger. Er gende und im dritten Stockwerk des KUB Filmbibliothek und eine Werkschau im ört- vergleicht Bilder der Kanalisation und ab- präsentierte Arbeit Deep Play. Auf zwölf lichen Metrokino umfassen. strahierte Schautafeln zum Funktionieren Projektionsflächen wird der Besucher mit http://www.kunsthaus-bregenz.at Foto: Markus Tretter / © Kunsthaus Bregenz, Harun Farocki Harun Farocki, Ernste Spiele I: Watson ist hin, 2007, Auge/Maschine II, 2002, Ausstellungsansicht 1. OG, Kunsthaus Bregenz

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 84 Kultur POWER UP – Female Pop Art Evelyne Axell, Sister Corita, Christa Dichgans, Rosalyn Drexler, Jann Haworth, Dorothy Iannone, Kiki Kogelnik, Marisol, Niki de Saint Phalle von 5. November 2010 bis 20. Februar 2011 in der Kunsthalle Wien Foto: Kunsthalle Wien, Foto/photo: Stephan Wyckoff Ausstellungsansicht/exhibition view Kunsthalle Wien "POWER UP.

e choose to LOOK at LIFE all the gende weibliche Positionen erreichen. Im Spa- bleiben als feministische Vorreiterpositionen, WTIME, and though we realize that they nnungsverhältnis von Abstraktion und Fi- die mit Selbstinszenierungen wie Evelyne are in one sense adult comic books, they are guration, Warenkult und Kapitalismuskritik, Axell, Niki de Saint Phalle und Kiki also full of things that speak ...“ Die Welt der High & Low ähnelt das Werk der ausgestell- Kogelnik maximales Aufmerksamkeitspo- Zeichen, der Werbeslogans und der Logo- ten Künstlerinnen in Material, Thema und tential bündeln, doch kämpferisch, kritisch kultur war für Sister Corita nicht weites Öd- Arbeitsweise an vielen Stellen dem ihrer und außergewöhnlich. Die Ausstellung po- land, sondern bot ihr den Stoff für eine männlichen Kollegen. Die Künstlerinnen do- stuliert keine genuin feminine Kunst, son- Kunst, die sich aus dem Alltag nährt. Das kumentieren und hypostasieren die Prosperi- dern will den Fokus der Pop Art auf hervor- Werk von Sister Corita steht exemplarisch tät der Nachkriegsjahre, reflektieren die ragende Künstlerinnen, deren identitätsbil- wie auch das von Evelyne Axell, Christa Oberflächlichkeit der Konsumkultur, entlar- dende Arbeit und ihre Perspektive auf die Dichgans, Rosalyn Drexler, Jann Haworth, ven wie Christa Dichgans den Mythos Ware Rolle der Frau in einer Gesellschaft richten, Dorothy Iannone, Kiki Kogelnik, Marisol als leere Hülse der zivilisatorischen Errun- die in den 1960er Jahren stark patriarchalisch und Niki de Saint Phalle für feminine Stra- genschaft oder affirmieren wie Jann Haworth ausgerichtet war. tegien der künstlerischen Selbstermächti- in Soft Sculptures Gegenstände zu überdi- Die Sicht dieser Künstlerinnen revidiert gung in der Zeit der Popkunst, maßgeblich in mensionierten Kitschobjekten. In der Plakati- ein männliches Blickregime und die Darstel- den 1960er Jahren. Kunstgeschichtlich pri- vität der einfachen Formensprache, der Ver- lungen von Frauen wie Tom Wesselmanns mär mit männlichen Protagonisten verbun- wendung von neuen Materialien wie Plastik entindividualisierte Matrizen des weiblichen den, will „POWER UP – Female Pop Art“ sowie einer grellen Farbauswahl treffen die Körpers, Mel Ramos malerische Verschmel- eine Revision der Pop Art durch herausra- Popfrauen den Geschmack der Masse und zungen von Warenanpreisungen und lasziv

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 85 Kultur dargestellten Akten als Objekte des Begeh- rens und Allen Jones sado-masochistisch arrangierte Sexgefährtinnen. Stattdessen be- schreiben sie wie Jann Haworth, Kiki Ko- gelnik und Marisol das Korsett, in dem die Fremd- und Selbstdarstellung der Frau in die- ser Zeit gefangen ist, zeigen wie Christa Dichgans den Versuch mit der Kunst aus einem häuslichen Leben auszubrechen und öffentlich sichtbar zu werden und stellen wie Evelyne Axell sowie Dorothy Iannone den weiblichen Körper, Liebe und Sexualität pro- vokativ zur Schau. In einer ikonoklastischen Geste überpinselt Rosalyn Drexler Zeitungs- vorlagen, setzt sich mit Klischeebildungen und Gendertypisierungen in Hollywood Fil- men sowie Superstarkonstruktionen ausein- ander. Offen für die populäre Kultur um sich herum verwendet Sister Corita in einem frü- hen Akt des culture jammings Werbepro- paganda als Teile einer neuen Message, die demokratisch und serigrafisch produziert sowie billig veräußert wird. Ihre Arbeiten beinhalten genauso wie diejenigen von Kiki Kogelnik, Marisol und Niki de Saint Phalle kritische Kommentare auf Ereignisse der Zeit und politische Gegebenheiten wie den Vietnamkrieg. Die Damen der Années Pop führen Selbst- ermächtigungsstrategien vor, feiern weibli- che Sexualität und Lust, verwenden in Bad- Girl-Manier Pin-Ups, Exzerpte der Konsum- kultur und Fragmente einer manchmal allzu © Estate of Evelyne Axell und/and VBK, Wien, 2010, Foto: Paul Louis banalen Alltagswelt, sie kommentieren ge- Evelyne Axell, Ice Cream, 1964, Courtesy Serge Goisse, Belgium sellschaftliche Veränderungen und machen in deutlich autobiografisch gefärbten Werken das Persönliche zum Politischen. In protofe- ministischen Arbeiten konterkarieren sie den affektiven Tod, den coolen und anonymen Stil klassischer Pop Art. Ihre Werke stellen eine idiosynkratische Erweiterung des etablierten Kanons auch durch eine tradierte weibliche Formensprache, die Verwendung von Texti- lien, ornamentalen Elementen und einer nai- ven Bildsprache dar. Gemein sind ihnen mit der Stilrichtung der Humor und die Non- chalance einer Lebenseinstellung, die sich bis heute in verschiedensten Facetten und Spielarten der zeitgenössischen Kunst fort- schreibt. Ausstellungskatalog: „POWER UP – Female Pop Art“ Hg.: Kunsthalle Wien, Gerald Matt, Angela Stief. Erscheint bei Dumont. Mit Texten von Belinda Grace Gardner, Anke Kempkes, Thomas Mießgang, Kalliopi Mi- nioudaki, Mark Rappolt, Aaron Rose, Sid Sachs, Angela Stief, Martin Walkner. 288 Sei- ten, deutsch und englisch. € 29,95 Esra und John Hartung, Courtesy Contemporary Fine Arts, Foto: Jochen Littkemann, Berlin http://www.kunsthallewien.at Christa Dichgans, Stilleben mit Frosch, 1969

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 86 Kultur Window Shopping Eine Fotogeschichte des Schaufensters von 25. November 2010 bis 13. März 2011 im Wien Museum am Karlsplatz Foto: Wien Museum Hemdkragenauslage des Warenhauses Herzmansky in der Wiener Mariahilfer Straße, um 1938/39; Anonym; Silbergelatine

as Schaufenster entwickelte sich seit zeigt bisher noch nie präsentierte dokumen- zu können – erst das Schaufenster konnte Ddem 19. Jahrhundert zu einem zentralen tarische Aufnahmen aus der Sammlung des das enorme Warenangebot öffentlich vermit- und vielschichtigen Ort moderner Konsum- Wien Museums ebenso wie Beispiele aus teln. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts war die kultur und trug wesentlich zum Antlitz der dem Bereich der künstlerischen Fotografie. Herstellung großflächiger Glasscheiben modernen Stadt bei. Es präsentierte die un- Neben Arbeiten von August Stauda, Emil technisch möglich, mit der Elektrifizierung glaubliche Fülle einer neuen Warenwelt ähn- Mayer, Martin Gerlach jun., Franz Hub- wurde der zweite wichtige Schritt getan, der lich wie in Ausstellungen und etablierte eine mann, Barbara Pflaum, Lucca Chmel, Ger- zur rasanten Verbreitung der Schaufenster bis dahin unbekannte Form des Flanierens hard Trumler, Trude Lukacsek oder Didi führte. Die „Bühne der Warenwelt“ entfalte- und Schauens: das „Window Shopping“. Als Sattmann sind historische Auslagendokumen- te ihre volle Wirkung erst in der Nacht, „eine Bühne für die Wareninszenierung übte das tationen von Warenhäusern und Geschäften Märchenpracht, wie sie die Virtuosen der Schaufenster eine enorme Anziehungskraft wie Herzmansky, Gerngross oder Palmers zu arabischen Nächte nicht träumen konnten“, aus – nicht nur auf PassantInnen und Kauf- sehen. Ergänzt werden sie durch Schaufen- so ein begeisterter Zeitgenosse. Nicht immer lustige, sondern auch auf VertreterInnen der sterzeitschriften und Fotobildbände. waren die Reaktionen so positiv, so kritisier- Literatur, Kunst und Fotografie. Neben der ten kirchliche Vertreter die Allgegenwart des Fotokunst popularisierte auch die Dokumen- Die Inszenierung der Waren Kommerzes, die Heimatschutzbewegung be- tarfotografie die neuen visuellen Codes, Das Schaufenster ist unmittelbar mit der kämpfte die „Verschandelung“ des Stadtbil- nicht zuletzt über die seit der Zwischen- industriellen Massenproduktion verbunden. des durch die „Reklameseuche“, nicht zuletzt, kriegszeit boomenden illustrierten Zeit- Die Zurschaustellung und Inszenierung von weil Einbauten von Schaufenstern auf alte schriften und über die Reklameliteratur. Die Waren war sowohl für die HändlerInnen als Bausubstanz oft wenig Rücksicht nahmen. Ausstellung, die im Rahmen von „Eyes On. auch für die ProduzentInnen notwendig ge- Pioniere des modernen Schaufensters Monat der Fotografie Wien“ eröffnet wird, worden, um im Konkurrenzkampf überleben waren die Warenhäuser, die zum Schauplatz

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 87 Kultur und Symbol der modernen Konsumgesell- schaft wurden, neben dem Kohlmarkt, dem Graben und der Kärntner Straße entwickelte sich die Mariahilfer Straße mit Shopping- Tempeln wie dem Warenhaus Herzmansky und Stefan Esders’ „Zur großen Fabrik“ im späten 19. Jahrhundert zur führenden Ge- schäftsstraße: „Hier sind wir Großstadt“, ju- belte die Neue Freie Presse 1895. Um den richtigen „Shop-Appeal“ zu erreichen, wurden DekorateurInnen engagiert, vor allem in der Textilindustrie etablierten sich Schaufenster- figuren, beliebt waren auch „Stapelfenster“, bei denen wenige Artikelsorten in großer Zahl symmetrisch angeordnet wurden. Die professionelle Schaufenstergestaltung insze- nierte eben nicht nur Luxus, sondern auch Massenware und trug somit wesentlich zu deren Ästhetisierung bei. Der Schaufenster- bummel war nicht nur Teil einer neuen Kon- sumpraxis, sondern gehörte zur Stadtwahrneh- mung und -erfahrung. „Window Shopping“ war gleichbedeutend mit „in der Stadt sein“ und bot darüber hinaus Frauen eine willkom- mene „legitime“ Möglichkeit, sich unbeglei- tet in der Öffentlichkeit bewegen zu können.

Eine Geschichte der Wiener Schaufensterkultur Das Schaufenster wurde schnell zum be- liebten Motiv der fotografischen Stadtdoku- mentation und der künstlerischen Fotografie, für die u. a. die Spiegelungseffekte der Aus- lagenscheiben eine ästhetische Herausfor- derung darstellten. Alle in der Ausstellung gezeigten Fotos wurden in Wien aufgenom- men, wobei es auffällig ist, daß sie häufig das Alte, Relikthafte und Kuriose und weni- ger das Innovative oder Moderne zeigen. So Postkarte mit Nachtansicht einer Auslage der Fa. Palmers, 1950er Jahre hielt der Dokumentarfotograf August Stauda um 1900 vor allem jene Formen von Aus- lagen fest, die zum „aussterbenden Alt-Wien“ gehörten, also etwa Vitrinen an Portalen oder „normale“ Fenster, die als Schaufenster be- nutzt wurden. ArchitekturfotografInnen wie Martin Gerlach jun. oder Lucca Chmel kon- zentrierten sich auf moderne Gebäude, Ver- treter der Moment- und Straßenfotografie wie Emil Mayer beobachteten die Pas- santInnen beim Schauen und „Gustieren“, in der sozialkritischen Fotografie wird dieser Blick noch einmal geschärft auf jene, die sich die augstellten Waren nicht leisten kön- nen. Den Fokus auf die Präsentation der Waren legen FotografInnen wie Trude Lu- kacsek, die sich seit den 1980er Jahren vor allem für jene Geschäfte interessiert, die im

Verschwinden begriffen sind. Foto: Wien Museum / Foto Votava Foto: Wien Museum http://www.wienmuseum.at Auslage mit Fernsehapparaten, 1955

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 88 Kultur 50 Jahre Österreichische Mediathek… … das sind mehr als 100 Jahre österreichische Kultur- und Zeitgeschichte in Ton und Bild.

m Jahr 1960 als Sammelstelle für Schall- „…das alles ist sehr kompliziert…“ (Bun- Tondokument einer parlamentarischen Kör- Iplatten gegründet, hat sich die Institution deskanzler Fred Sinowatz, 1983), „Öster- perschaft der 1. Republik ist? – Diese und in diesen 50 Jahren weit über ihre ursprüng- reich ist frei“ (Außenminister Leopold Figl, viele historische andere Tonaufnahmen mehr liche Aufgabe hinaus entwickelt. Heute lie- 1955) und viele andere gehören zum Ge- sind auf der Website der Österreichischen gen in den Archiven mehr als 1,5 Millionen dächtnis der Nation und haben sich im Laufe Mediathek online abrufbar: Tonaufnahmen aus den unterschiedlichsten ihrer Geschichte verselbständigt, der korrek- http://www.mediathek.at/akustische-chronik Sammlungen, die in diesen 50 Jahren zu- te Zusammenhang oder auch das korrekte sammengetragen wurden: Die wichtigsten Zitat ist vielfach verloren gegangen – hier Für alle zugänglich politischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts, sind es dann Archive wie die Österreichische Bewahren und Sammeln ist ein Aspekt, Musik, Literatur, Zeitdokumentation – für Mediathek, die nicht nur für die dauerhafte die Zugänglichkeit ein anderer. Heute ist es jedermann frei zugänglich – alles vor Ort, Bewahrung und die öffentliche Zugänglich- das Bestreben der Österreichischen Media- aber auch schon sehr vieles im Internet keit sorgen, sondern auch dafür, daß der thek, möglichst viele Medien online zur http://www.mediathek.at Kontext gewahrt wird. Verfügung zu stellen. Die Idee einer ortsun- Historischen Tonaufnahmen kommt eine abhängigen Benutzung entstand in der da- Gedächtnisort besondere Bedeutung zu, allein schon des- maligen Phonothek jedoch bereits viele Audiovisuelle Medien schaffen eine le- halb, weil sie rare Dokumente sind. Wer Jahre vor den heutigen Möglichkeiten, die bendige Erinnerung, audiovisuelle Archive denkt schon daran, daß die Aufnahme mit das Internet bietet. Schon 1970 kam der bewahren dieses Gedächtnis. Medien spielen Kaiser Franz Joseph aus dem Jahr 1915 (eine Gedanke auf, die Bestände der Phonothek eine bedeutende Rolle in der kollektiven Er- Schellackplattenedition des k.k. Militär- über Telefon zugänglich zu machen: 1973 innerung, die apparative Abbildung von Witwen- und Waisenfonds) zum ersten Mal wurde der „TÜD“, der „Telefonische Über- Tönen und Bildern ist eine Technik, die die die Gelegenheit bot, die Stimme des Kaisers tragungsdienst“ eingerichtet. Man konnte menschliche Erinnerung revolutioniert hat. einer breiteren Bevölkerungsschicht zugäng- sich telefonisch aus einer wachsenden Zahl Zitate wie, die „…sauren Wiesen…“ (Bun- lich zu machen? Oder, daß eine Sitzung des von aufbereiteten Vorträgen und Interviews despräsident Rudolf Kirchschläger, 1985), NÖ Landtages vom 30. 10. 1934 das einzige ein Dokument auswählen und anschließend

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 89 Kultur

über Telefon – und zu den Kosten der gel- tenden Telefongebühren – anhören. Trotz dieser, für ein AV-Archiv damals revolutio- nären Idee, die im bescheidenen Umfang einen Teil der heutigen Möglichkeiten des Internet vorwegnahm, konnte sich diese Form der Benutzung nicht durchsetzen und der TÜD wurde nach wenigen Wochen wieder eingestellt: „Die Möglichkeit, dass Archiv- aufnahmen auf solche Weise vielleicht – gewollt oder ungewollt – aktuelle Akzente im gesellschaftspolitischen Alltag erhalten könnten, rief mit einem Male Befürchtungen hervor, weshalb sich Stimmen vernehmen ließen, die den TÜD sogar ein gefährliches Instrument für eine ,unkontrollierbare Infor- mation‘ der Bevölkerung zu erblicken glaub- ten“, so Eckehard Bamberger, ehemaliger Leiter der Österreichischen Phonothek.

Dokumentieren Digitalisierungsanlage in der Österreichischen Mediathek Die Phonothek widmete sich, neben dem Sammeln als ihrer Hauptaufgabe, schon in der Frühzeit ergänzenden Betätigungsfel- dern, wie der Produktion von Tonträgern oder dem aktiven Herstellen von Quellenmaterial. Die Phonothek dokumentierte regelmäßig Musikaufführungen, literarische Lesungen, Diskussionsveranstaltungen, wissenschaftli- che Symposien oder Pressekonferenzen. Dieser Bestand an Aufnahmen, vor allem aus den 60er-, 70er- und 80er-Jahren stellt heute einen Kernbestand der Sammlung dar, nicht zuletzt deshalb, weil hier einmalige Aufnahmen dokumentiert und erhalten wer- den wie etwa Lesungen von Ingeborg Bach- mann, Ilse Aichinger, Peter Handke, Ernst Jandl, Gerhard Rühm, Peter Weibl, Hans Weigl, Friedrich Torberg, Christine Busta, Friederike Mayröcker oder Andreas Oko- Foto: Österreichische Mediathek / R. Hubert Foto: Österreichische Mediathek penko, wissenschaftliche Vorträge von Anna Eine der neuen Voxboxen im Publikumsbetrieb der Österreichischen Mediathek. Freud oder Theodor Adorno sowie eine um- fangreiche Sammlung an eigens produzier- Sammeln Kammeroper zu erwähnen, der letzte große ten Interviews mit Persönlichkeiten aus dem Die Sammlungen sind das Herzstück des Sammlungszuwachs war die Sammlung Gün- Geistes- und Kulturleben. Archivs. Im Laufe ihrer 50jährigen Geschich- ther Schifter mit über 24.000 Schellacks. Daneben wurden seit den 1970er Jahren te konnten von der Mediathek wichtige Heute bewahrt die Österreichische Me- die Plenarsitzungen des Österreichischen Na- Sammlungen übernommen werden, so etwa diathek in ihren Archiven rund 500.000 Trä- tionalrats mitgeschnitten und ab Mitte 1976 1987 die Sammlung Teuchtler, mit rund ger mit insgesamt mehr als 1,5 Millionen die Hörfunkjournale des ORF (online unter 80.000 Schellack-Platten, in den 90er-Jahren Einzelaufnahmen. http://www.journale.at). Der Aufgabe der ORF-Bestände, Bestände des Kreisky- 50 Jahre sind ein Anlaß, auf vergangene Institution, die Zeit akustisch zu dokumen- Archivs, Interviews aus dem Österreichi- Erfolge zurückzublicken, aber viel mehr ein tieren, kam man, mit den damals vorhande- schen Staatsarchiv und Bestände des Sen- Anlaß, einen Blick auf die laufenden zu- nen Mitteln möglichst umfassend nach. Die ders Rot-Weiß-Rot. Im folgenden Jahrzehnt kunftsweisenden Projekte zu werfen: Von Aufnahmen sind heute charakteristische ist die Übernahme von Bändern und Platten ganz neuen, in der Österreichischen Mediat- audiovisuelle Zeitdokumente und wurden des Medienservice, die Platten des Techno- hek entwickelten Ansätzen im Bereich der damals, obwohl zum Teil ursprünglich Mas- logischen Gewerbemuseums, weitere ORF- Videodigitalisierung bis hin zu weiteren In- senmedien, kaum bis gar nicht dokumentiert, Bestände, Holocaust-Interviews, Bestände ternetprojekten. Die Inhalte des Archivs was auch noch nachträglich als Leistung die- der Wienbibliothek, der Musikuniversität, werden so nachhaltig gesichert und bewahrt, ser Institution geschätzt werden muß. des Theaters in der Josefstadt, der Wiener der Zugang wird vereinfacht.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 90 Kultur eBooks, eAudios, ePapers Virtuelle Bücherei Wien geht an den Start – Ausleihen rund um die Uhr in den Büchereien Wien

eit Anfang Oktober bieten die Büchereien SWien ein neues Online-Service an: Unter http://www.virtuellebuecherei.wien.at kön- nen über 2300 digitale Medien per Down- load ausgeliehen werden. Voraussetzung ist eine gültige Büchereikarte und ein Computer mit Internetzugang. Die Virtuelle Bücherei ist 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Wo- che geöffnet. Die Medien können bequem von Zuhause aus entliehen werden. „Die Büche- reien Wien reagieren damit auf den veränder- ten Medienkonsum. Es ist ein zeitgemäßer Service für eine Generation für die digitale Medien selbstverständlich sind“, erklärte Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch. Er lud sich als erster Nutzer der Virtuellen Bücherei das eBook „Der Feind im Schatten“, den neuen Wallander-Krimi des Bestseller- Foto: Pressefoto Votava / PID Autors Henning Mankell, auf den Laptop. Die Bücherei kommt nach Hause: Büchereien Wien Leiter Markus Feigl, Stadtrat Christian Oxonitsch und Katharina M. Bergmayr, Büchereien Wien-Online (v.l.) Breites Angebot Einen Schwerpunkt bilden Ratgeber zum Thema Beruf und Karriere; zahlreiche eBooks und eAudios geben Tipps für die perfekte Bewerbung und das Weiterkommen im Job. SchülerInnen finden Lernhilfen und Sachbücher zu sämtlichen Fachgebieten. Aber natürlich kommen auch die Unterhal- tung und das Vergnügen nicht zu kurz: Wer einen spontanen Trip nach Paris plant, kann schnell den entsprechenden Reiseführer downloaden und einen Französisch-Sprach- kurs als eAudio auf seinem MP3-Player mit- nehmen. Entspannende (Urlaubs-)Lektüre bieten zahlreiche Bestseller von Henning Man- kell über Jo Nesbo bis zu Michael Köhlmeier. Infos aus Politik, Wirtschaft und Kultur kön- nen tagesaktuell in den digitalen Ausgaben von „Spiegel“ oder „FAZ“ nachgelesen wer- den. Der Bestand der Virtuellen Bücherei wird laufend erweitert und aktualisiert.

Klare Vorteile Diese Innovation bringt zahlreiche Vor- Entscheidet man sich für eine Ausleihe, kann öffnen und steht sofort wieder anderen Nut- teile für die KundInnen der Büchereien Wien: das Medium nach dem Download entweder zerInnen zur Verfügung. Das bedeutet, es Die virtuelle „Zweigstelle“ der Büchereien direkt geöffnet oder abgespeichert werden. können auch keine Mahngebühren durch Wien kennt keine Schließzeiten. Die Aus- eBooks im ePub-Format können auch auf E- verspätete Rückgabe entstehen! Das Service leihe kann an jedem Ort mit Internet-An- Book-Readern gelesen werden, eAudios las- ist für alle NutzerInnen mit einer gültigen schluß erfolgen und funktioniert ganz ein- sen sich auf MP3-Playern abspielen. Eine Büchereikarte kostenlos. fach: Man deponiert das gewünschte Medium Rückgabe der eMedien ist nicht erforderlich, http://www.virtuellebuecherei.wien.at wie beim Online-Shopping im „eMedien- nach Ablauf der Leihfrist (bei eBooks z.B. 2 Die Einscheibung muß persönlich erfolgen, korb“, wo es 30 Minuten reserviert bleibt. Wochen) läßt sich das Medium nicht mehr der Hauptwohnsitz muß in Österreich sein.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 91 Serie »Österreicher in Hollywood«

Der Wiener Autor Rudolf Ulrich dokumentiert in seinem Buch »Österreicher in Hollywood« 400 Einzel- biografien mit beigeschlossenen Filmografien und über 12.000 Film- und Fernsehproduktionen aus Hollywood mit österreichischer Beteiligung. In dieser Folge portraitiert er Gustav von Seyffertitz Schauspieler/Regisseur

bevor ihn der Theaterimpresario Heinrich Conried (aus Bielitz, Österreichisch-Schlesien) 1895 von Wien an das deutschsprachige Irving Place Theatre in New York engagierte. Seyffertitz, begabt auch als Komiker, glänzte in bekannten Rollen, führte Regie und gehörte (lange Zeit kaum englisch sprechend) zehn Jahre dem Haus an der Fourteenth Street an. Nachdem sich der Produzent Charles Frohman für ihn interessierte wechselte er in dessen Imperium. Der noble adelige Akteur inszenierte für den mehrfachen Theaterbesitzer und Manager zahlreiche Stücke, „The Silver Girl“ von Edward Peble (1907), Arthur Conan Doyles „The Fires of Fate“ (1909), „L’Aiglon“ von Edmond Rostand (1910), in dem er auch als Kaiser Franz I. von Österreich erstmals in einem englischsprachigen Part auftrat, „The Argyl Case“ eines Autorenkollektivs (1912) oder „The Prodigal Husband“ (1914) von Nicodemi/Morton und führte dabei die Froh- man-Stars Maude Adams, Margaret Anglin, John Drew und Ethel Barrymore zu herausragenden Erfolgen. Als Charles Frohman, Freund und Förderer, bei der Torpedierung und Versenkung des englischen Passagierschiffes „Lusitania“ im Mai 1915 durch ein deutsches Un- terseeboot vor der südirischen Küste ums Leben kam, endete Seyf- fertitz’ Broadway-Karriere. Bei seinem Filmdebüt 1917 im kalifornischen Lasky Studio in der Douglas-Fairbanks-Produktion „Down to Earth“, stand Seyffertitz bereits im sechsten Lebensjahrzehnt. Die hagere Erscheinung und sein markantes Profil prädestinierten ihn, steife höhere Offiziere zu spielen, Ärzte, finstere Wissenschaftler und klassische Erzschurken. Zu den größten wie prominenten Screen Heavies und Menace Players der Stumm- und frühen Tonfilm-Ära zählend, brachte ihm seine Interpretation oft bedrohlicher Typen enthusiastische Kritiken

Akke Fotos: Archiv Ulrich ein. Vor allem als den Film tragender Holmes-Gegenspieler Professor Gustav von Seyffertitz

arl Viktor Bodo Maria von Seyffertitz, geboren am 4. August K18621) im Schloß Haimhausen (unweit nördlich von München) entstammte väterlicherseits einer Tiroler Familie, deren männliche Mitglieder hohe Beamten- und Offiziersränge in Diensten des Kaisers einnahmen. Der Vater Guido Baron von Seyffertitz aus Innsbruck agierte zu dieser Zeit als Ministerialkonzipient in Wien, die Mutter Anna Gräfin von Butler Clonebough, genannt Haimhausen, blickte auf namhafte irische Vorfahren zurück. Gustav, der zweite Sohn des Ehepaares, verbrachte seine Jugend weitgehend in Wien (sein Vater starb 1866 in Innsbruck, die Mutter vermählte sich 1868 in Wien erneut), und wandte sich nach der Schulzeit und Ausbildung im Benediktinerstift Melk im Alter von 21 Jahren im Gegensatz zu den Vorstellungen seiner Familie der Schauspielerei zu. Seyffertitz verfügte gemäß alten amerikanischen Zeitungsberich- ten bereits über eine mehr als zehnjährige Erfahrung als Schauspieler, Sänger und Regisseur in häufig wechselnden Engagements, an Bühnen Gustav von Seyffertitz als Leiter des österreichischen Ge- heimdienstes und der deutsche Star Marlene Dietrich als in Straßburg, im Opernensemble des Berliner Konzerthauses, in feindliche Agentin X-27 in Josef von Sternbergs auf dem Colmar und als Mitglied am berühmten Hoftheater im sächsischen Mata Hari-Thema basierenden Paramount-Spionagestreifen Meiningen (wo zur selben Zeit auch Albert Bassermann tätig war), »Dishonored« von 1931.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 92 Serie »Österreicher in Hollywood«

Gustav von Seyffertitz und Wanda Hawley in einer Produktion der Artcraft Pictures Corporation "Old Wives for New" (1918). Das von Cecil B. DeMille inszenierte, schon vom Titel her skandalträchtige Drama schockte das Publikum, sorgte aber an den Kinokassen für großen Andrang.

Moriarty in Samuel Goldwyns „Sherlock Namen), nannte sich Gustav von Seyffertitz gnomie. Er brachte in der neuen Dekade des Holmes“ (teilweise in Europa gedreht) (wenn auch sehr ungern) unter Verwendung Tonfilms, der ihm (obwohl stark akzentbe- neben John und in der Cosmopolitan- einer veränderten Version des Mädchenna- haftet) keine Umstellungsschwierigkeiten Produktion „The Face in the Fog“ (beide mens seiner Mutter kurzfristig G. Butler Clon- bereitete, gleichfalls effektvolle, wenn auch 1922), neben dessen Bruder Lionel blough 2). Der Darsteller warb in Liberty- weniger spektakuläre Parts auf die Lein- Barrymore, als ausgesprochener Scene Stea- Bond-Filmen in Gestalt des Uncle Sam, pa- wand, so in „Seven Faces“ („Sieben Gesich- ler in der Rolle des bösartigen, inhumanen rodierte in „To Hell with the Kaiser“ und ter“, 1929) von Berthold Viertel, in zwei Protektors einer Kinderfarm in Mary Pick- „Swat the Kaiser“ (1918) den deutschen Kai- Filmen seines Wiener Freundes Josef von fords Horror-Vehikel „Sparrows“ („Sperlinge ser und nahm 1919 für die Famous Players- Sternberg, dem Marlene-Dietrich-Melodram Gottes“, 1926), aber auch als zaristischer Lasky Corporation bei der filmischen Adap- „Dishonored“ („Entehrt“, 1931) und „Shan- General Alexandroff und Partner Greta Gar- tion des Kinderbuch-Klassikers „The Secret ghai Express“ (1932), in „Queen Christina“ bos im MGM-Spionagedrama „The Myste- Garden“ von Frances Hodgson Burnett erst- („Königin Christine“, 1933), erneut mit der rious Lady“ (1928) entfaltete er alle Facetten mals im Regiesessel Platz. 1921 stellte er bei mit ihm befreundeten Greta Garbo oder in seiner Schauspielkunst. Vitagraph in den drei gut aufgenommenen der Kriminalkomödie „Remember Last Hollywood hat ihn letztlich doch nie ganz Romanzen und Dramen „Princess Jones“, Night?“ („Was geschah gestern Nacht?“, typisiert, wie einige seiner sympathischen Ein- „Closed Doors“ sowie „Peggy Puts It Over“ 1935). Die Regisseurgilde, darunter Cecil B. sätze in charmanten Komödien, „Grounds den heute vergessenen Star Alice Calhoun DeMille, Raoul Walsh, Ernst Lubitsch, Rou- for Divorce“ (1925) oder „Vamping Venus“ heraus. Die 20er-Jahre zählten zu seiner kre- ben Mamoulian und Frank Capra, schätzte (1928), beweisen. Während des Ersten Welt- ativsten Schaffensperiode, viele substanziel- sein Können. kriegs, der Zeit großer Antipathie gegen alles le und pivotale Rollen waren besonders auf Die Rolle des Fürsten Metternich in dem Teutonische (und der Zurückhaltung der sein Talent zugeschnitten, in speziellen Close- 1939 in Mexiko von Warner Brothers produ- amerikanischen Filmindustrie beim Engage- ups mit Bodenlicht akzentuierten Kamera- zierten historischen Drama „The Mad ment von Akteuren mit deutschklingenden leute Seyffertitz’ charakteristische Physio- Empress“, das tragische Mexiko-Abenteuer

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 93 Serie »Österreicher in Hollywood«

it dem Buch „Österreicher in Holly- Mwood“ legte der Zeithistoriker Rudolf Ulrich die lang erwartete Neufassung seines 1993 erstmals veröffentlichten Standardwer- kes vor. Nach über zwölfjährigen Recherchen konnten 2004 die Ergebnisse in Form einer Greta Garbo in einem ihrer frühen Erfolge und Gustav von Seyffertitz (Mitte sit- revidierten, wesentlich erweiterten Buchaus- zend) im MGM-Drama »The Mysterious Lady« des Regisseurs Fred Niblo (1928). Der Film basiert auf dem 1915 bei Ullstein erschienenen Roman »Der Krieg im gabe vorgelegt werden. „Diese Hommage ist Dunkel« des Altösterreichers Ludwig Wolff aus Bielitz. nicht nur ein Tribut an die Stars, sondern auch an die in der Heimat vielfach Unbe- von Kaiser Franz Josephs Bruder Maximi- Memorial Parks in Glendale, Los Angeles kannten oder Vergessenen und den darüber- lian und seiner Gattin Carlotta, markierte das County. hinaus immensen Kulturleistungen österrei- Ende der filmischen Tätigkeit des inzwischen chischer Filmkünstler im Zentrum der Welt- 77jährigen bei großen Studios und kleineren 1) Gustav von Seyffertitz wird in der älteren kinematographie gewidmet: „Alles, was an Independents wie Mascot und Monogram. In Fachliteratur als gebürtiger Wiener bezeich- etwas erinnert, ist Denkmal“, schließt der einer über zwei Jahrzehnte umfassenden in- net, mit Geburtsdatum 4. August 1863. Letzte- Autor. teressanten und produktiven Karriere berei- res beruhte darauf, daß sich der Schauspieler Rudolf Ulrich und der Verlag Filmarchiv cherte der Darsteller, Partner einer Reihe zwischen 1903 und 1909 aus unerfindlichen Austria bieten Ihnen, sehr geehrte Leserinnen legendärer Leinwandidole und einer der Gründen um ein Jahr jünger machte. Das Cer- und Leser, die Mög- wirklichen Aristokraten Hollywoods, mit tificate of Death (Nr. 1901-1970) des County lichkeit, in den kom- of Los Angeles enthält ebenfalls die unzutref- seinem Gesamtwerk von über 120 vollende- fende Jahresangabe 1863, diese ist zudem auch menden Monaten im ten und memorablen Portraits das Horror-, auf der Urnen-Grabplatte im Forest Lawn Me- „Österreich Journal“ Abenteuer- sowie Mystery-Genre, Crimes morial Park in Glendale (L.A.) enthalten. einige Persönlichkei- und Historiendramen, wovon viele zu Seyffertitz’ Geburtsjahr 1862 ist indes in Unter- ten aus dem Buch Schlüsselwerken der Filmgeschichte zählen. lagen des katholischen Pfarramts Haimhausen „Österreicher in Hol- Gustav von Seyffertitz, der sich in den belegbar und fand inzwischen auch Eingang lywood“ kennenzuler- Jahren von 1903 bis 1924 mehrfach in in neuere biografische Angaben. nen. 2) Europa aufhielt, seit 1922 US-Bürger, fünf- In Seyffertitz’ Filmografie finden sich dazu auf ihn selbst zurückgehende Namensvariatio- mal verheiratet, starb am 25. Dezember 1943 nen: Clonbough, Cloneblough und Clone- Rudolf Ulrich im Motion Picture Relief Home in Los baugh. Der Schauspieler variierte aber auch „Österreicher in Hollywood“; 622 Seiten, Angeles, in dem er sein letztes Lebensjahr seinen richtigen Namen, in Gustave Seyffer- zahlreiche Abb., 2. überarbeitete und erwei- verbrachte. Die Urnen-Beisetzung erfolgte titz, George von Seyffertitz und G. V. von terte Auflage, 2004; ISBN 3-901932-29-1; im Great Mausoleum des Forest Lawn Seyffertitz. http://www.filmarchiv.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 94 ÖJ-Reisetip Das altösterreichische Abbazia Auch Österreich hatte einst seine »Riviera«, die von mondänen Gästen und Genießern des Reiches schon im Frühjahr gerne aufgesucht wurde.

Von Michael Ellenbogen *) Alle Fotos: Michael Ellenbogen Hotelier Wilfried Holleis erwarb die ehemalige »Villa Neptun« und ließ sie zum Luxusressort »Hotel Miramar« ausbauen.

bbazia, heute Opatija, einst ein verschla- ren des 19. Jahrhunderts zu Ehren seiner Ge- senschaftlich begründeter Therapien ent- Afenes Fischerdorf, erweckte ob seiner mahlin errichten. Sein Sohn, Paolo Scarpa, sprachen. Vom Bahnhof Opatija-Matulji lieblichen Gestade in der Bucht von Kvarner beabsichtigte, die Villa zu einem Kurhotel, in führte eine elektrische Straßenbahn durch das Interesse österreichischer Unternehmer, dem man den Gästen alle Behandlungen und die Stadt bis ins benachbarte Lovran. die alsbald die Möglichkeit wahrnahmen, aus Therapien wie in einem Sanatorium zu Teil Doch die Zeiten änderten sich alsbald. dem kleinen Nest eine mondäne „Curstadt“ werden lassen wollte, umzugestalten. Doch Die Stadt fiel nach dem Ende des I. Weltkrie- zu schaffen, in der sich der Adel ebenso wie Scarpa fehlte für die notwendigen Adap- ges in den italienischen Herrschaftsbereich Unternehmerdynastien und Bankiers ein tierungen seines Hauses die nötigen finan- und nach 1945 gehörte die einst mondäne Stelldichein gaben. Eigentlich heißt der Ort ziellen Mittel. Im Zuge des Ausbaus der Küstenstadt zur Volksrepublik Jugoslawien. Sankt Jakobi, doch der Name ist heute nur Eisenbahnlinie von Wien nach Rijeka, die an In dieser Ära legten die prunkvollen Bau- wenigen Liebhabern der Region ein Begriff. Opatija vorbeiführte, wurde das Städtchen lichkeiten Zeugnis von ruhmreicheren Zei- Doch wie begann einst der Aufstieg vom schließlich auch für die Südbahngesellschaft ten ab. Opatija fiel bis 1991 in eine Art kleinen Dörfchen zur Erholungsmetropole interessant und sie erstand schließlich die Dornröschenschlaf, bis sich die verantwort- Europas? „Villa Angiolina“ und ließ daraus das erste lichen Entscheidungsträger der Gemeinde Die erste heute noch bestehende Villa Luxushotel Abbazias entstehen. Der „Grund- wieder der glanzvollen Vergangenheit er- Angiolina ließ der aus Fiume stammende stein“ für rasante Entwicklung zum interna- innerten und die Hotels ebenso wie die Unternehmer Iginio Scarpa in den 40er Jah- tional renommierten Kurort war gelegt. Ge- Infrastruktur den Standards der Gegenwart diegene Bleiben, die höchsten Ansprüchen anpaßten. *) Michael Ellenbogen lebt und arbeitet als freier Jour- nalist in Wien und hat sich auf Geschichte und mili- genügten entstanden ebenso wie Sanatorien, Heute knüpft der stilvolle Kurort wieder tärhistorische Themen spezialisiert. die in jener Epoche dem letzten Stand wis- an seine Blütezeit an. Auch österreichische

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 95 ÖJ-Reisetip

Die Gäste der Urlaubsdestination in Kroatien genießen die Vielfalt ausgewählter Wellness-Angebote, die gerade im »Hotel Miramar« ein besonderes Maß an Qualität besitzen. Man kann aber auch »nur« faulenzen (siehe unten).

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 96 ÖJ-Reisetip

Unternehmer, wie der erfolgreiche Hotelier Wilfried Holleis, erkannten das Potential der Stadt und erwarb die ehemalige „Villa Nep- tun“, die er zum Luxusressort „Hotel Mira- mar“ ausbauen ließ. Das im Jahre 1876 er- richtete Gebäude wurde dem eklektischen Baustil des Schlosses Miramar bei Triest nachempfunden und ließ sich bereits nach der Fertigstellung als architektonisches Juwel bezeichnen. Das Haus wurde bereits damals als Hotel geführt und stand eine Zeit lang im Eigentum von Laure Gräfin Henckel- Donnersmarck. Die schloßähnliche Baulich- keit überstand den I. und den II. Weltkrieg ebenso, wie die gesellschaftlichen Verände- rungen der vergangenen Jahrzehnte. Bereits als Kind verbrachte Wilfried Holleis viele Sommer bei seinen Großeltern in Abbazia und entdeckte den Charme und den Wert der ehrwürdigen Villa. Die einstige, bereits vom österreichischen Schriftsteller Alexander Roda Roda lite- rarisch verewigte Stadt scheint gegenwärtig eine Renaissance zu erfahren. Wer in der Epoche des Fin de Siècle auf sich hielt und gesellschaftliche Relevanz vermittelte, ver- brachte die Sommermonate im Seebad an der oberen Adria. Heute genießen die Gäste der Urlaubsdestination in Kroatien die Viel- werden Rheuma, aber auch chronisch auftre- Was ist nun das geheime Rezept dieser falt ausgewählter Wellness-Angebote, die tende Haut- und Atemwegerkrankungen auf paradiesisch anmutenden Oase in der Kvar- gerade im Hotel Miramar ein besonderes präventive Weise behandelt. Alle Gäste, die nerbucht? Es ist ein ideales Zusammenspiel Maß an Qualität besitzen. In einer streßge- von diesen Erkrankungen nicht betroffen verschiedener auf einander abgestimmter prägten Gegenwart sind Orte der Ruhe und sind, lassen bei einer Thalasso-Therapie die Genußebenen, deren gemeinsame Wirkung Muse besonders wertvoll, vor allem, wenn Energie und die daraus resultierende regene- den Wohlfühleffekt bildet. Dafür verant- erschöpfte Gäste „ihre Batterien wieder auf- rierende Wirkung des Meeres auf sich wir- wortlich sind die Kosmetikerinnen, aber laden“ und die beschaulich, ja sinnliche an- ken. Die gesundheitsbewußten weiblichen auch die Physiotherapeuten und Kosmetiker, mutende Landschaft rund um die Bucht von Gäste erwartet diesbezüglich ein wirklich die in Österreich ausgebildet wurden. Im Jah- Kvarner genießen wollen. außergewöhnlicher Genuß, bei dem mit re 2004 wurde die Hotelanlage in Anwe- Jedes Wohlfühl-Arrangement wird auf einem Peeling des ganzen Körpers begonnen senheit von Otto von Habsburg, Sohn des die Wünsche des jeweiligen Besuchers abge- und mit einer Entschlackungspackung aus letzten Kaisers, Karl I., eröffnet und ent- stimmt. Damen wie Herrn haben bestimmte Algen auf wohltuende Weise fortgesetzt wickelte sich mittlerweile zu einer Destina- Auswahlmöglichkeiten, die auch nach per- wird. Danach folgen eine erfrischende Ganz- tion für vornehmlich europäische Gäste, die sönlichen Vorstellungen zusammengestellt körpermassage sowie eine Gesichtslymph- das gehobene Service des Hauses schätzen. werden. Der Genußreigen beginnt mit einem drainage. Die abschließende Hydramaske Aber nicht nur die wohltuenden Ange- Meerwasserbrandungsbad, danach folgt eine rundet dieses Erlebnis ab. Eine engagierte bote des Adria-Relax-Ressorts sind die klassische Thalgo-Gesichtsmassage, die Gruppe junger Damen und Herren verwöh- Highlights, die Freunde wahrer Genüsse schließlich mit einer klassischen Mani- und nen die Hausgäste in angenehmer und ent- schätzen, sondern auch außergewöhnliche Pedicure kombiniert wird. Als krönender spannender Atmosphäre, in der Alltagsge- Arrangements mit wahrhaft historischem Abschluß folgt noch eine Aroma-Ganz- danken keinen Platz mehr haben und ange- Background, wie die Reise mit dem Majestic körpermassage und man fühlt sich wie neu nehme Träume die Seele reinigen. Esprit und Imperator Zug vom 14. bis 17. April 2011. geboren. Vitalität sind jene Zauberworte, mit denen Wer das Erlebnis einer wahren Zeitreise vom Ein bereits in der Antike bekanntes und Männer wie Frauen den Besonderheiten und Südbahnhof in Wien bis zum Bahnhof Ab- neuerdings wiederentdecktes Wohlfühlge- Belastungen des Lebens optimal begegnen bazia-Mattuglie genießen will, wird nicht heimrezept nennt sich Thalasso, das bei den können. Dieses Wissen war bereits in der nur das außergewöhnliche Ambiente, son- alten Griechen so viel wie Meer bedeutete. Hochkultur der alten Ägypter bekannt. dern auch die feine Speisenauswahl auf sich Mit den wertvollen Gaben der unendlich Heilende und energiespendende Elemente wirken lassen. scheinenden Wasserflächen, vor allem dem wie Mineralien und Meersalz aus dem Toten http://www.hotel-miramar.info ursprünglichen und reinen Meerwasser, aber Meer befreien den belasteten Körper vom http://www.grandhotel-zellamsee.at auch ausgewählten Arten bestimmter Algen alltäglichen Ballast. http://www.imperialtrain.com

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 97 ÖJ-Reisetip Übernachten einmal anders Abseits der klassischen Unterkünfte lassen sich neue Facetten des österreichischen Winters entdecken. Egal, ob im Iglu-Camp, in einem Hüttendorf direkt im Ski- gebiet, in einer Luxushütte oder einem Hotel mit eindrucksvoller Architektur – diese Winternächte versprechen besonderes Erlebnis. Foto: SkiWelt Wilder Kaiser - Brixental Wer eine Iglu-Suite im Alpeniglu®-Dorf in der Tiroler Skiwelt Wilder Kaiser Brixental bucht, erwirbt damit pure Winterromantik.

nter der Kuppel eines Iglus in Tiefschlaf Das Wort Lodge ist die englische Be- Wohnungen ist eine eigenständige „Boxen- Ufallen, diese Erfahrung machen die zeichnung für Loge: ein komfortabler Auf- einheit“ aus Holz und Glas, die mit den übri- Gäste auf dem Feuerkogel hoch über dem enthaltsort mit bestem Blick auf die Bühne gen Boxen zu einem zweistöckigen Kom- Traunsee in Oberösterreich. Zuvor gilt es, der Natur. Die Lodge am Krippenstein in plex verschraubt wurde. die Behausung eigenhändig auf den Berg zu Oberösterreich zählt mit ihrer Lage auf 2000 http://www.holzboxen-planneralm.at stellen. Beim Iglu-Baukurs erfahren die Teil- Metern wohl zu den höchst gelegenen ihrer Mitten im Tiroler Zillertal, in Ramsau, nehmer die Kniffe und Tricks der Inuits Art. Der aus Holz gezimmerte Bau inmitten zieht ein flippiges und buntes Lifestyle Hotel http://www.capricorn-adventures.at. der verschneiten „Wildnis“ des Dachstein- die Blicke auf sich. Das Mountain & Soul Wer eine Iglu-Suite im Alpeniglu®-Dorf plateaus ist Basislager für Freerider, aber beherbergt zwei Suiten und 19 Zimmer, wo- in der Tiroler Skiwelt Wilder Kaiser Brixen- auch für Schneeschuh- und Mushingtouren- bei kein Refugium dem anderen gleicht: tal bucht, erwirbt damit pure Winter- geher http://www.lodge.at. Wände und Fliesen in kräftigen Farben, Mu- romantik: ein funkelnder Sternenhimmel, Eingebettet in die steppenartige Natur- stertapeten und Einzelstücke für die Möblie- Fondue auf Eistischen, Drinks aus Eis- landschaft am Rande des Nationalparks Neu- rung sind hier ebenso wie zeitgenössische gläsern und wohlig-warme Gemütlichkeit siedler See liegt die burgenländische St. Mar- Kunstwerke State of the Art. beim Kuscheln auf Rentier-Fellen im typi- tins Therme & Lodge. Wie es sich für eine http://www.mountainandsoul.at schen Inuit-Rundbau Lodge gehört, gilt das Hauptaugenmerk der Im Vorarlberger Bregenzerwald tritt ge- http:/www.skiwelt.at. Gäste dem Entdecken und Erleben der Na- ballte architektonische Schönheit auf. Das Auf Augenhöhe mit den Baumwipfeln tur. Auf einer Jeep-Safari geht es zum Bei- Hotel am Holand in Au zeichnet sich durch befindet sich das Baumhotel in Kopfing in spiel in die Territorien der gefiederten Be- die Kombination aus reduziertem, moder- Oberösterreich. Sechs Blockhütten auf Stel- wohner des Naturschutzgebiets nem Stil und traditionellem Wälderhaus aus. zen öffnen in zehn Metern Höhe ihre Pfor- http://www.stmartins.at http://www.amholand.at ten. Nach einem Saunagang zu ebener Erde Im Tal und am Berg halten Stilsicherheit Der Zubau des Hotels Adler in Warth ist klettern die Gäste in ihre Baumhäuser, die und Design Einzug. Die Holzboxen auf der eine schlichte Holzbox, die auf Stelzen über mit Heizung, Kochnische, Fernseher, Toilet- steirischen Planneralm auf 1600 Metern dem Bach ruht. te und Dusche ausgestattet sind Höhe beherbergen Familien-Appartments http://www.hoteladler.at http://www.baumkronenweg.at/bkw/baumhotel für Wintersportler. Jede der 41 m² großen An urigem Ambiente kaum zu übertref-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 98 ÖJ-Reisetip fen ist das liebevoll sanierte, Jahrhunderte alte Nazes Hus (Ignaz-Haus) in Mellau. http://www.nazes-hus.at Massive Blockhäuser rücken im neuen Feriendorf Wood Ridge in Werfenweng im SalzburgerLand aneinander. Die Trapper- Idylle bietet eine Reihe an Annehmlichkei- ten wie etwa einen Outdoor-Whirlpool auf der Veranda, eine private Sauna oder einen täglichen Bio-Frühstückskorb. http://www.woodridge.at Ebenso luxuriös präsentieren sich die Chalets im Bergdorf Priesteregg in Leogang im SalzburgerLand. Jede der Edelhütten auf 1100 Metern Höhe verfügt über eine eigene Sauna, offenen Kamin, eine freistehende „Wellness-Badewanne“ und einen Jacuzzi für ein Blubberbad. http://www.priesteregg.at Auf den Höhen des Tiroler Tuxertals, in Wem der Sinn nach Winterschlaf steht, der reist ins Faulenzerhotel Schweighofer. Lanersbach, scheint es auf den ersten Blick, als wäre die Zeit stehen geblieben. Im Som- nach alten Tiroler Rezepten abspielt, rund Zur Berieselung mit Literatur stehen Leih- mer eröffnete das Feriendorf „Anno Dazu- um Kirche und Gottesacker. iPods mit Hörbuchern aus der Vorlesebiblio- mal“, in dem sich modern konzipierte Raum- http://www.annodazumal.at thek zur Verfügung. Gegen Voranmeldung struktur und authentisch nachempfundene, Wem der Sinn nach Winterschlaf steht, lassen sich Oberfaulpelze in der Sänfte historische Kulisse treffen. Neben den uri- der reist am besten ins Faulenzerhotel durch die Winterlandschaft tragen, um sich gen Almhütten und den weitläufigeren Cha- Schweighofer in Friedersbach nahe Krems danach in der Faulenzeroase, sprich im SPA- lets versammeln sich hier ein Dorfgasthaus in Niederösterreich. Das Langschläferfrüh- Bereich, von dem Ausflug zu erholen. und die Alpinvital Hütte, wo sich Wellness stück wird bis 16 Uhr aufs Zimmer serviert. http://www.faulenzerhotel.at

Massive Blockhäuser rücken im neuen Feriendorf Wood Ridge in Werfenweng im SalzburgerLand aneinander.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 99 ÖJ-Reisetip Auf Kufen über Schnee und Eis Serfaus-Fiss-Ladis hat Platz für Schlittler und Eisläufer – Langläufer können himmlisch gleiten Foto: Serfaus-Fiss-Ladis / Andreas Kirschner Eine gut 3,5 Kilometer lange Rodelbahn auf dem Hochplateau läßt kleine und große Schlittenfahrern das Herz höherschlagen.

apa! Wo geht’s denn jetzt hier auf die Grad-Kurve – da kommt Freude auf beim du schaust ja aus wie ein gestrandeter Wal“ – PRodelpiste?“, ruft die kleine Annett un- Schlitten fahren. Vorsicht ist geboten, wenn so klingt es, wenn sich bei Erstfahrern die geduldig und ist kurz davor, sich in den die Schlittenbahn die Waldabfahrt kreuzt – Ehefrauen über den ungewollten Stopp der Schnee zu werfen. Die Fünfjährige will mit aber die meisten Skifahrer wissen schon, daß bäuchlings gleitenden Männer lustig ma- ihrem Papa auf den Schlitten, und zwar so- ihnen dort Wagemutige auf zwei Kufen chen. Denn die oberen Abschnitte sind mit- fort. An der Ausschilderung am Komperdell durch die Bahn fahren. unter flach – und die Fahrt will nicht so recht in Serfaus hapert’s nicht: vorbei an der Kin- Auf der zweiten Rodelstrecke im Gebiet aufkommen bei dem, der es langsam ange- derschneealm, die Sportalm und das Murmli- Serfaus-Fiss-Ladis, im Fisser Skigebiet, hen läßt. Dann aber ist der Weg garniert mit nest links liegen gelassen – und schon ist man kreuzen eher die Ski- und Snowboardfahrer steilen Stückchen und scharfen Rechts- im Wald. Auf einer gut 3,5 Kilometer langen in die Domäne der Rodler. Denn auf dem Links-Kurvenkombinationen. Da kommt Rodelbahn, die so manchem Draufgänger vor schmalen Weg, auf den sich gelegentlich jeder Fahrer auf seine Kosten. lauter Fahrtwind die Tränen in die Augen auch Winterwanderer verirren, liegt ein Ge- Die Ankunft ist schließlich oberhalb des treibt. heimtipp unter den Jausenstationen im Fisser Parkplatzes und des Sportgeschäfts, das die Fröhliches Jauchzen ist – auch von den Gebiet. Laut rufen ist dort also nicht nur vor Rodel verleiht – beste Voraussetzungen also Liften aus – immer wieder zu hören; nicht Freude angesagt, sondern auch, um Mitnut- auch für all jene, die mal eine kurze Ski- selten gefolgt von einem dumpfen Geräusch zer der Bahn vor dem Ansausen zu warnen pause einlegen und auf dem Schlitten den und schnellen Schritten im Schnee, um den und ihnen die Gelegenheit zu geben, sich Berg hinuntersausen wollen. Wintersport be- Schlitten wieder einzufangen. Sanft geht es rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. deutet in den drei Tiroler Bergdörfchen los im Wald, auf rund 1800 Metern – aber Die Fisser Strecke allerdings würde man- Serfaus, Fiss und Ladis schon lange nicht wer einmal Fahrt aufgenommen hat, wird so cher Englischsprachige mit „acquired taste“ mehr nur Skifahren und Snowboarden. Be- schnell nicht wieder bremsen. Wellen, Ram- beschreiben – man muß sie mehrfach fahren, sonders am Serfauser Komperdell hält das pen, steile Abfahrten und fünf Mal eine 90- damit sie richtig Spaß macht. „Mei Michi – Take-Off-Center Fungeräte wie Schneefahr-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 89 / 08. 11. 2010 100 ÖJ-Reisetip räder, Melkschemel, Scooter und Monoski ebenso bereit wie alles, das sich eignet sit- zend oder auf dem Bauch über den Schnee zu brettern. Aber auch der kleinste Ort in dem Dreiergespann kann mit einem einzigartigen Angebot für Kufenfans dienen: am romanti- schen Burgweiher in Ladis treffen sich Schlittschuhläufer und Eisstockschießer. Im Schatten der mächtigen Burg, die mitunter leicht im Nebel liegt – bei einem guten Glüh- wein oder Jagatee – fällt das Fallen nicht so schwer. Auch am „Pavillon“ im Serfauser Ortszentrum entsteht im Winter eine große Eisfläche, die zum Pirouetten drehen ebenso einlädt wie zum Versuch, das kleine Holz- klötzchen mannschaftsweise beim Eisstock- schießen zu treffen. Beide Plätze sind am Abend beleuchtet, die Ausrüstung wird ver- liehen. Wer die Tiroler Bergwelt am Tag oder in den Abendstunden genießen, sich dabei aber nicht übermäßig anstrengen will, ist mit einer Kutschenfahrt bestens bedient – einge- mummelt in dicke Decken – so geht der Weg zu einem gemütlichen Abendessen schneller vorbei, als er sollte.

Langläufer können himmlisch gleiten In Serfaus führt eine auf gut 2000 Meter gelegene Höhenloipe nach genußvoller Abfahrt direkt in die „Serfauser Hölle“, um von dort mit anspruchsvollen Anstiegen wie- der die Hänge des Komperdell zu erklimmen. Wer in dieser Höhenlage gewesen ist, weiß, wie der Himmel für Langläufer aussieht. Das kupierte Hochplateau mit der läng- sten Sonnenscheindauer des Landes ist ob der Höhenlage zwischen 1200 und 2000 Die Höhenloipe in Serfaus liegt auf 2000 Metern Seehöhe. Meter nahezu schneesicher und bietet Ge- ländeformationen, die für den Langlauf geradezu ideal sind. Viele Kilometer Loipen verbinden die Orte des Plateaus, mit leich- ten bis mittelschweren Aufsteigen und zahl- reichen flachen, aber aussichtsreichen Ab- schnitten. Ein Großteil der Loipenkilometer befin- det sich auf gut 2000 Meter Höhe, wo die berühmte Champagnerluft schon etwas dün- ner wird und der grandiose Ausblick den Rest des Atems raubt. Die Anstrengung in dieser Höhenlage wird durch sagenhafte Panoramablicke auf die 3000er-Gipfel voll- ends entschädigt, wenn man im rhythmi- schen Wiegeschritt durch Wälder und Berge gleitet. Anspruchsvolle schätzen die 26 km lange Wanderloipe in Fiss, die gut 500 Hö- henmeter überwindet. Foto: Serfaus-Fiss-Ladis / www.foto-mueller.com Foto: Serfaus-Fiss-Ladis / www.lightwalk.de http://www.serfaus-fiss-ladis.at Serfaus-Fiss-Ladis hat Platz für Schlittler und Eisläufe.

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